Public Health Forum 21 Heft 79 (2013)http://journals.elsevier.de/pubhef
Das Motivations-Volitions-Konzept
Reinhard Fuchs
Ziel desMotivations-Volitions (MoVo)-
Konzepts ist es, Menschen dabei zu
helfen, einen gesundheitsforderlichen
Lebensstil aufzubauen und fest in den
Alltag zu integrieren. Das MoVo-Kon-
zept wurde in den letzten 10 Jahren an
der Universitat Freiburg entwickelt, in
der Praxis vielfach erprobt und in meh-
reren Studien evaluiert (Fuchs et al.,
2010, 2011; Fuchs et al., 2012; Gerber
et al., 2010; Gohner et al., 2009, 2012).
Es ist heute psychologische Grundlage
u.a. des bundesweiten Adipositas-Pro-
gramms M.O.B.I.L.I.S. (Berg et al.,
2008, 2010). Das MoVo-Konzept be-
steht aus zwei Komponenten: dem
MoVo-Prozessmodell und der MoVo-
Intervention. Das MoVo-Prozessmo-
dell liefert die theoretischen Grundla-
gen. In ihm werden die wichtigsten
Erkenntnisse aus den verschiedenen
Gesundheitsverhaltenstheorien (Ban-
dura, 2000; Ajzen, 1991; Deci and
Ryan, 2000; Schwarzer, 2008) zusam-
Abbildung 1. MoVo-Prozessmodell (vgl. Fuchs
mengefasst und in einenGesamtzusam-
menhang gebracht (Abbildung 1). Es
wird postuliert, dass die Initiierung und
Aufrechterhaltung des Gesundheitsver-
haltens (z.B. Bewegung oder gesunde
Ernahrung) im wesentlichen von funf
psychologischen Bedingungen abhan-
gig ist, namlich vom Vorliegen einer
starken Zielintention, von einer mog-
lichst hohen Selbstkonkordanz (Ich-
Nahe) dieser Zielintention (Sheldon
und Elliot, 1999), von realistischen
Handlungsplanen (Gollwitzer, 1999),
von wirksamen Strategien des Barrie-
renmanagements (Kramer und Fuchs,
2010) und schließlich von der Existenz
positiver Konsequenzerfahrungen mit
dem neuen Verhalten (ausfuhrlich:
Fuchs, 2007).
Die an diesem theoretischen Modell
orientierte MoVo-Intervention geht
von der Beobachtung aus, dass es vie-
len Mensch schwer fallt, das, was sie
sich vorgenommen haben, auch in die
et al., 2012).
Tat umzusetzen. Auch dann, wenn
Menschen hochmotiviert sind, gelingt
es ihnen oft nicht, die entsprechenden
Handlungen folgen zu lassen. Was
diesen Personen fehlt, ist nicht noch
eine weitere ,,Motivierungseinheit‘‘,
sondern konkrete Unterstutzung bei
der volitionalen Umsetzung ihrer Ab-
sichten. Mit dem psychologischen Be-
griff der Volition (Kuhl, 2001) werden
– in Abgrenzung zum Begriff derMo-
tivation – jene Prozesse der Selbst-
regulation bzw. Selbstkontrolle be-
zeichnet, die es dem Menschen er-
moglichen, auch dann ihre Absicht
in die Tat umzusetzen, wenn außere
oder innere Hindernisse auftreten
(wennman z.B. ,,keine Lust‘‘ hat, jetzt
zum Sport zu gehen und sich ,,selbst
uberwinden‘‘ muss). Betrachtet man
die bisher ublichen Programme zur
Gesundheitserziehung bzw. Lebens-
stilanderung, so ist festzustellen,
dass diese zumeist mit motivationalen
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Strategien operieren. Unzutreffender-
weise wird hier davon ausgegangen,
die Anderung des Gesundheitsverhal-
tens sei allein eine Frage der richtigen
Motivierung. Das MoVo-Konzept be-
schreitet hier einen anderen Weg:
Auch hier spielt der Motivationsauf-
bau (z.B. durch Starkung der Selbst-
wirksamkeit und durch selbstkonkor-
dantes Goal-Setting) eine wichtige
Rolle; aber dabei wird nicht stehen
geblieben. Das Konzept umfasst
auch volitionale Interventionen (z.B.
Hilfe bei der Handlungsplanung und
Verbesserung des Barrierenmanage-
ments), die der Starkung der selbst-
regulativen Kompetenzen dienen.
Diese ermoglichen es der Person,
aus einer zunachst nur vagen Hand-
lungsbereitschaft konkretes Handeln
hervorgehen zu lassen.
In den vergangen Jahren sind ver-
schiedene MoVo-Interventionspro-
gramme fur unterschiedliche Ziel-
gruppen (adipose Personen, orthopa-
dische Patienten, Firmen-Mitarbeiter)
und Settings (Betrieb, Reha, ambulan-
te Gruppen) entwickelt worden. Eines
dieser speziellen Programme tragt die
Bezeichnung MoVo-LISA. Es ist eine
Kurzintervention, die speziell auf den
Bereich der stationaren Rehabilitation
abgestimmt ist. Ziel von MoVo-LISA
ist es, dem Patienten dabei zu helfen,
nach Abschluss der stationaren Reha-
bilitation zuhause mit einem regelma-
ßigen Bewegungs- bzw. Trainingspro-
gramm zu beginnen und dieses zu
einem festen Bestandteil seines All-
tags zu machen. Das Programm be-
steht aus funf Modulen: zwei Grup-
pengesprachen und einem Einzelge-
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sprach (in der Klinik) sowie einer
Erinnerungskarte und einem Kurzte-
lefonat (drei bzw. funf Wochen nach
der Klinikentlassung). In den Grup-
pengesprachen definieren die Teilneh-
mer ihre personlichen Gesundheits-
ziele (z.B. Schmerzfreiheit); sie ent-
wickeln erste Sport- und
Bewegungsideen, mit denen sie diese
Ziele erreichen konnten. Im Folgen-
den werden diese Ideen weiter kon-
kretisiert und in einen moglichst kon-
kreten Sport- und Bewegungsplan
(was, wann, wo, mit wem) uberfuhrt.
Die Teilnehmer prasentieren ihre per-
sonlichen Plane den anderen Patienten
(Public Commitment). Es werden in-
nere und außere Barrieren identifi-
ziert, die die Umsetzung dieser Plane
gefahrden konnten, und anschließend
– im Sinne der Ruckfallpravention –
moglichst wirkungsvolle Gegenstrate-
gien zurechtgelegt. Eine detaillierte
Beschreibung des MoVo-LISA Curri-
culums findet sich bei Gohner und
Fuchs (2007).
Die Ergebnisse einer Vergleichsstudie
mit insgesamt 220 Patienten bestati-
gen, dass durch MoVo-LISA ein sub-
stanzieller Beitrag zum Aufbau eines
korperlich-aktiven Lebensstils geleis-
tet werden kann. Auch noch 12 Mo-
nate nach der Klinikentlassung waren
die Teilnehmer am MoVo-LISA-Pro-
gramm um durchschnittlich 28 Minu-
ten proWoche sportlich aktiver als die
Nicht-Teilnehmer (Fuchs et al., 2010,
2011). Sogenannte ,,Mediatoranaly-
sen‘‘ zeigten außerdem, dass dieser
Verhaltenseffekt von MoVo-LISA
vor allem auf die interventive Beein-
flussung der volitionalen Variablen
(Handlungsplanung, Barrierenma-
nagement) zuruckzufuhren ist (Fuchs
et al., 2012).
Mit dem MoVo-Konzept liegt somit
eine psychologische Interventions-
konzeption vor, mit der sich das Ge-
sundheitsverhalten zumindest kurz-
und mittelfristig substanziell verbes-
sern lasst. Das MoVo-Konzept zeich-
net sich vor allem durch drei Merk-
male aus: es ist theoriegeleitet
(MoVo-Prozessmodell); es ist stan-
dardisiert (als Manual verfugbar);
und es ist evidenzbasiert (Wirkungs-
nachweis auf der Grundlage langs-
schnittlicher Kontrollstudien). Fur
die zukunftige Arbeit am MoVo-
Konzept stehen insbesondere zwei
Punkte auf der Agenda: Zum einen
die Uberprufung der Interventionsef-
fekte auf der Basis randomisierter
Kontrollstudien (RCT), um die tat-
sachliche Programmwirkung noch
besser abschatzen zu konnen; und
zum anderen die Entwicklung von
Booster-Strategien (z.B. unter Ein-
satz moderner elektronischer Me-
dien) zur langfristigen Verstetigung
der erzielten Verhaltenseffekte.
Der korrespondierende Autor erklart, dasskein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur siehe Literatur zum Schwerpunkt-thema.http://journals.elsevier.de/pubhef/literatur
http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2013.03.004
Prof. Dr. Reinhard FuchsUniversitat FreiburgInstitut fur Sport und SportwissenschaftSchwarzwaldstr. 17579117 [email protected]
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Einleitung
Ziel des Motivations-Volitions (MoVo)-Konzepts ist es, Menschen dabei zu helfen, einen gesundheitsforderlichen
Lebensstil (ausreichend Bewegung, ausgewogene Ernahrung) aufzubauen und fest in den Alltag zu integrieren. Das
MoVo-Konzept besteht aus zwei Komponenten: dem MoVo-Prozessmodell (liefert den theoretischer Rahmen) und der
MoVo-Intervention (standardisierte Programme fur spezifische Zielgruppen). In mehreren Studien wurde die kurz- und
langerfristige Wirksamkeit (12 Monate Follow-up) der beiden wichtigsten MoVo-Interventionsprogramme (MoVo-LISA,
M.O.B.I.L.I.S.) gut belegt.
Summary
The Motivation-Volition (MoVo) Concept was designed to help people set up and maintain a health-enhancing lifestyle
(enough physical exercise, balanced nutrition). The MoVo-concept consists of two components: the MoVo process model
(provides the theoretical framework) and the MoVo intervention (standardized programs for specific target groups).
Several studies have proved the short- and long-term efficacy (12 month follow-up) of the two most important MoVo-
intervention programs (MoVo-LISA, M.O.B.I.L.I.S.).
Schlusselworter:
Intervention = Intervention, Bewegung = physical exercise, Ernahrung = dietary behavior, Handlungsplanung = action
planning, Barrierenmanagement = barrier management
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