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DIE ENDPUNKTSBESTIMMUNG BEI MIKRO- TITRATIONEN.

BEMERKUNGEN ZU DEN ARBEITEN VON H, M. PARTRIDGE.

Von

FRIEDRICH L. HAHN.

Aus dem Chemischen Inst i tut der Universit~t Frankfurt a. M.

(Eingelangt am 12. Oktober 1932.)

Vor kurzem hat H. M. PARTmDCE in dieser Zeitschrift drei Ar- beiten verSffentlicht, die in verschiedener Hinsicht eine Erg~nzung und Richtigstellung erfordern. Die Mitteilung yon PARTRIDGE und R. A. SMITH 1 beschreibt Titrationen yon ]e 5ecru zirka 0,007 n-H~_S04 mit 0,01 n-NaOH unter Zusatz yon Bromthymol- blau als Indikator. Die Umf~rbung der LSsung wird verfolgt, indem das Licht einer konstanten Glfihlampe durch geei~ete Kontrastfilter und die AnatysenlSsung auf eine Photozelle ge- leitet und durch eine Mel~blende stets auf solche Intensit~t ge- bracht wird, dal~ die Photozelle gerade eine bestimmte E. M. K. annimmt. (Gegenschaltung einer konstanten E. M.K. mit Null- instrument.) Tr~gt man die Reagenszus~tze gegen die Blenden- stellungen auf, so erhalt man S-Kurven, die in ihrem Verlauf an~ gen~hert potentiometrisch aufgenommenen Neutralisationskurven entsprechen, allerdings yon viel flacherem Gang, als diese unter gleichen Bedingungen haben wfirden. Die Verfasser setzen am Umschlag 0,01 bis 0,03 ccm an Lauge zu, geben aber den T[tra- tionsendpunkt auf 0,001 ccm genau an, ohne irgendwo mitzuteilen, auf w e 1 c h e W e i s e sie diese Interpolationsgenauigkeit erreicht haben. Rechnerisch geht es nicht, da die einzelnen R~agenszus~tze in der GrSfie beliebig schwanken, so dal~ man keine verwertbaren

i Mikrochemie, XI, 311 (1932).

Die Endpunktsbestimmung bei Mikrotitrationem 265

Differenzquotienten bilden kann (siehe unten), und graphisch geht es ohne Voreingenommenheit ganz sicher nicht mit dieser Ge- nauigkeit. Selbst wenn man aber die U b e r e i n s t i m m u n g der gefundenen Werte: 3,656--3,669--3.,662--3,656 ccm gelten lassen will, so beweist sie noch gar nichts ftir ihre R i c h t i g- k e i t. Wenn alle Versuchsbedingungen derart konstant gehalten werden, wie es hier geschah, so kann eine vorziigliche Endpunkts- k o n s t a n z trotz merklicher A b w e i c h u n g v o m w a h r e n X q u i v a 1 e n z p u n k t erreicht werden. Auffiillig ist ~edenfalls, daft der visuelle Umschlag um 0,1 bis 0,2 ccm vor dem apparativen gefunden wurde; da bekanntlich die Sicherheit einer Titration yon Schwefels~ure mit Natronlauge mit 0,0:1 n-LSsung und einem End- volumen yon nicht ganz 10 ccm bei visueller Ermittlung des Um- schlags weir besser ist als ± 0,1 ccm, muit dies recht bedenklich fiir die Zuverl~issigkeit des apparativ ermittelten Umschlags stimmen-'.

In einer zweiten Arbeit behandeln H. A. PARTRIDGE und J. A. C. BOWLES? die acidimetrische Bestimmung yon Nitrophenolen (genauer: yon zwei Nitrophenolen, p-Nitrophenol und Pikrinsiiure) an der Glaselektrode; Potentialmessung durch Kompensation nach POCGENDORrF mit einem R5hrenvoltmeter als Nullinstrument. Zuniichst ist zu bemerken: Diese Substanzen k5nnen miihelos an einem blanken Platindraht ohne Zusatz yon Chinhydron und mit einem guten Zeigergalvanometer als Nullinstrument gemessen werden; warum das Verfahren in dieser Weise kompliziert wurde, ist nicht ersichtlich. Ferner aber ist ganz unbegreiflich, wie die Verfasser yon ihren Mef~zahlen zu den angegebenen Endpunkts- werten kommen. Be]ege hierfiir (Tabelle, S. 266) :

Spalte 1 und 3 geben die zusammengehSrigen Volumen- und Potentialwerte in der yon PARTRIDGE und BOWLES gemessenen Reihenfolge, 9 und 4 die zugehSrigen Differenzen; Differenzquo- tienten zu bilden wiire sinnlos, da die einzelnen Reagenszus~itze yon zu ungleicher GrSi~e sind 4. Man sieht aber: Die drei gleichen

-" Irgendwelcho Zahlen, aus denen die wahre Aquiva]enz der verwendetea LS- sungen hervorginge, etwa eine potentiometrische Vergleichung, die sich mit we- sentlich hSherer Genauigkeit durchfiihren liil~t, sind nicht gegeben.

s Mikrochemie, XI, 326 (1932). 4 Dal~ dies unzuliissig ist, ergibt eine vor langem yon mir in Gemeinschaft

266 F. L. Hahn:

v=ccm NaOH

4,875

4,900

4,925

4,950

4,995

T i t r a t i o n e n y o n p - N i t r o p h e n o l . Nr. 1 (S. 331).

' - - 9 1 2 3 4 5 6 7 8

A v Mill~volt A z v~cCmNaOH A v Mill~volt A -- h~ a/_k

433,3 4,805 426,2 0,025 5,7 0,070 7,1 101

43%0 4,875 433,3 0,025 6,7 0,075 20,1 268

445,7 4,950 453,4 0,025 7,7 0,075 9,4 125

453,4 5,025 462,8 0,045 5,1

458,5

Reagenszus~itze yon 0,0,25 ccm verursachen anwachsende Potential- ~inderungen, w~ihrend dann fast doppelt so groger Reagenszusatz eine wesentlich kleinere Potential~nderung hervorruft. Man kann also sieher schliegen, dag der Umschlag ganz in der N~the von 4,92.5 ccm zu suchen sein wird, nach diesem Teil des Potential- ganges ein wenig dariiber. Sieht man nun die Ma~punkte darauf durch, ob nicht etwa vier yon ihnen wenigstens einigermaBen ~iquidistant nach dem Volumen liegen, so kann man die in den Spalten 5 und 6 angeftihrten herausgreifen. Hier ist es mit guter Ann~therung erlaubt, die in Spalte 9' gegebenen Differenzquotienten, geradeso als ob es sich um Potentialschritte nach gleichen :Rea- genszus~itzen handelte, zur Interpolation zu verwendenS; sie er- gibt den Endpunkt bei 4,922 ccm, also ein wenig unter 4,925 ccm. Ganz genau ist die Endpunktsbestimmung nicht durchftihrbar, well die Messung eben unzweckmafiig angelegt ist; es kann aber kein Zweifel bestehen, dab der Endpunkt in unmittelbarer N~he yon 4,9'25 ccm zu suchen ist. Davon ist der Anfangsstand der Btirette mit 0,010 ccm abzuziehen; dies ergibt einen Laugenverbrauch yon 4,915 ccm, w~hrend die Verfasser 4,870 ccm angeben. Bei den an- deren beiden Bestimmungen finder man entsprechend 5,05.5 und

mit M. FROM~R ver~ffenthchte Berechnung; Ztschr. physikal. Chem., 127, 1 (1927), S. 10.

5 Fr. L. HAHN, M. F R O ~ E a und R. SCHULZE, Ztschr. physikal. Chem., 133, 390 (1928), S. 395.

Die Endpunktsbestimmung bei Mikrotitrationen. 267

4,860 ccm ( s t a r t 4,900 und 4,912) 6. Man findet dann 104yo des theoret ischen Laugenverbrauches im Mittel, s t a r t der angegebenen 1,02,8%. W a s fiir eine Verunreinigung in dem p-Ni t rophenol ent- haI ten sein soll, die sauer war, ein niedrigeres Aquivalentgewicht und einen hSheren Geha l t an St ickstoff aufwies, und die sich durch Behandeln mit Knochenkohle und zweimaliges Umkr is ta l l i s ie ren nicht vSllig besei t igen liel~ (S. 3'36; der T i t r a t ionswer t ging nur auf 101,7~o), das is t wirklich nicht einzusehen; wahrscheinl icher ist schon die Annahme, dal~ die T i t r a t i o n unzuverl/issig war. F a s t noch sonderbarer mu te r die Endpunk t sbes t immung bei der Pikr in- s~iure an, weil hier infolge des sehr s tei len Po ten t i a lganges die In- t e rpo la t ion noch sicherer ist. Zuf i i l l ig findet sich hier auch eine Bes t immung mit drei ganz gleichen R e a g e n s z u s ~ z e n am End- punkt ; sie sei hier angeft ihrt .

T i t r a t i o n y o n P i k r i n s ~ t u r e . N r . 2 (S. 335).

v=ccm NaOH

2,805

2,840

2,875

2,910

5v

0,035

0,035

0,035

Millivolt A-:

--i 231,2 78,8

310,0 101,7 I

411,7 31,3

443,0

Auswertung 7.

q = 78,8 : 31,3 = 2,52 = 0,16

vu = 2,840 + 0,16-0,035 = 2,846 ccm

Der Endpunkt e rg ib t sich hier mi t unbedingter Sicherheit zu 2,846 ccm oder, werm man die rechnerische Genauigke i t n icht fiber- t reiben und die ]e tz te Stelle nu t mit (~ oder 5 geben will, zu

8 W~ihlt man andere geeignete Mal~punkte ftir die Interpolation, so erh/ilt man wieder andere, und zwar noeh hShere Endwerte, was daran hegt, dal~ der Mall- punkt 4,805 ecru, 426,2 Millivolt, wie man schon an den Kurven auf S. 333 sieht, merklich aus dem Kurvenzug fiillt. Tr~igt man gar die Punkte in einem Mal~stab auf, der ein Ablesen auf 0,005 ccm gesta~ten wtirde, dann sieht man, dal~ yon einem gla~ten Kurvenzug tiberhaupt keine Rede sein kann. Hier et~wa den End- punkt graphisch mit dieser Genauigkeit festlegen zu wollen, w/ire hoffnungslos.

Naeh Ztschr. physikal. Chem., 127, 13 (1927) oder Ztsehr. analyt. Chem., 87, 265 (1931).

268 F.L. Hahn: Die Endpunktsbestimmung bei Mikrotitrationen.

2',845 ccm, w~hrend die Verfasser 2,857 geben; wie dieser Wef t ge- wonnen ist, darer fehlt jede Andeutung.

In der dritten Arbeit 8 ist ein RShrenvoltmeter beschrieben. Hierzu ist zu sagen: Die Schaltung des Verfassers auf S. 346 unterscheidet sich yon der gewShnlichen Schaltung (auf S. 340) im wesentlichen dadurch, dal~ die Heizbatterie zugleich den Kom- pensationsstrom liefert; dieses Mittel zur Erzielung einer guten Nullpunktskonstanz ist schon mehrfach, zuerst yon BERL, HER- BERT und WAHLIG ~, in durchaus analogen Schaltungen angewandt worden.

s H. M. P,~R~aID6~, Mikrochemie, XI, 337 (1932). 9 Chem. Fabrik, 3, 445; 458 (1930).


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