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F. Foerster t u. H. Umbach. Entstehung von Schwefelsiiure usw. 175

Die Entstehung von Schwefelsture und Schwefelwasserstoff bei der Zersetzung des Thiosulfats

Von F. FOERSTER? und H. UMBACH~) Mit einer Figur im Text

Es ist eine bekannte Tatsache, da13 der gewohnliche Zerfall der Thioschwefelsiiure in schweflige Saure und elementaren Schwefel von allen moglichen anderen Reaktionen begleitet werden kann, so da13 a d e r den genannten Produkten Polythionsauren, Schwefelsiiure, und Schwefelwasserstoff als Nebenprodukte auftreten konnen. Um Klarheit iiber den Mechanismus des Zerfalls der Thioschwefelsiiure zu erlangen, hat man versucht, die Nebenvorgange in den Vorder- grund des Geschehens zu riicken. So ist es z. B. in neuerer Zeit R,ASCHIG~), fuljend auf Versuchen von TR. SALZER~), gelungen, den Zerfall der Thioschwefelsaure durch Zusatz von kleinen Mengen Srsenik ziemlich quantitativ in die Richtung der Pentathionsaure- bildung zu leiten. Andererseits veroffentlichte COLSON~) im Jahre 1880 einen Versuch, bei dem die Thioschwefelsaure angeblich quantitativ in H,SO, und H,S zerfiel: S,O, + H,O = SO, + H,S. Diesem Ver- lauf der Thioschwefelsaurezersetzung ist jedoch bisher keine be- sondere Beachtung geschenkt worden, zumal spater die wenigen Reproduktion~versuche~) zu keiner Erhartung dieses Befundes fiihr- ten. SCHEFFER und BOHM~) wiesen zwar hierbei kleine Mengen H,S nach, erwahnen aber nichts von einer Schwefelsaurebildung. Jedoch gerade in der Erkennung und der quantitativen Bestimmung der letzteren liegt der Schliissel zur Beantwortung der Frage, ob ein Zerfall der Thioschwefelsaure in dieser Richtung moglich ist. Die folgenden Ausfuhrungen sollen der Beantwortung dieser Frage dienen.

1 ) Vorliegende Veroffentlichung wurde nach dem Tode meines Lehrers auf Grund der gemeinsamen Bearbeitung dieses Problems Ton mir nach meiner gleich- namigen Dissertation zusammengestellt. H. UMBACH.

2) RASCEIG, Schwefel- und Stickstoffstudien 1924, 275. 3, TH. SALZER, Ber. 19 (1886), 1696. 4, COLSON, Bull. SOC. Chim. 34 (1880), 66. 5 , HOLLEMAN, Rec. Trav. Chim. Pays-Bas 14 (1895), 17. 6) SCHEFFER u. BOHM, Z. anorg. u. allg. Chem. 183 (1932), 179.

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176 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 217. 1934

Versuchsanordnung und Arbeitsweise

In Anlehnung an COLSONS Arbeitsweise wurde eine bestimmte Menge einer verdunnten Natriumthiosulfatlosung tropfenweise zu 550 em3 einer siedenden Salzsaure gegeben und die gasformigen Zer- setzungsprodukte in einer mit Cadmiumacetatlosung beschickten und mit Eis gekuhlten Vorlage aufgefangen. Beigefugte Skizze verb anschaulicht die hierbei verwendete Apparatur,

Die Thiosulfatlosung tritt aus E kommend zusammen mit den durch Uberleiten uber erhitzte Cu-Spiralen sauerstofffrei gemachten Stickstoff durch das zu einer feinen Spitze ausgezogene Einleitungs- rohr in die als Zerset,zungsflussigkeit dienende HC1, die sich in einem Erlenmeyerkolben aus Jenaer Glas ( A ) befindet. Hier ist das Siede-

zentrum; eine lebhafte Dampfentwicklung , die durch das ganz langsame ZuflieBen der Thiosulfat- losung und den ganz schwachen Stickstoff- strom aufrechterhalten wird, sorgt fiir eine rasche und gleichmiiBige Durchmischung des Thio- sulfats mit der Saure. Wenig unter dem Niveau

der Salzsaure endet das zu einer feinen Kapillare ausgezogene Rohr des Behalters D, aus welchem das verdampfte Wasser kontinuierlich erganzt wird. Durch das Gasableitungsrohr F ent- weicht der in A entwickelte Wasserdampf mit den bei der Reaktion entstandenen Gasen und wird in der eisgekuhlten, rnit Cadmium- acetatlosung beschickten Vorlage B kondensiert. Zur Sicherheit, daB keine fluchtigen S-Verbindungen der Bestimmung entgehen konnen, ist eine zweite, rnit verdunnter Natronlauge beschickte Vorlage G angeschlossen. G sind Gummistopfen und H Glasschliffhahne. Durch letztere kann die Verbindung jedes der beiden Behalter E und D rnit dem Zersetzungskolben A gesperrt werden, was ein storungsloses Nachfullen von E und D gewahrleistet.

Vor Beginn eines jeden Versuches wurde durch die gesamte Apparatur Stickstoff geleitet und samtliche Flussigkeiten, mit denen des Thiosulfat und dessen Zersetzungsprodukte wahrend des Ver suches in Beruhrung kamen, durch sorgfaltiges Auskochen von Lnft-

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sauerstoff befreit, so da13 die Moglichkeit der Entstehung von Ver- bindungen hoherer Oxydationsstufen des Schwefels infolge von Luft- oxydation unterbunden wurde. Alsdann wurde der Stickstoffstrom vermindert und rnit der Zugabe der Thiosulfatlosung in bestimmter, jeweils konstanter Tropfenfolge begonnen. Wenn alles Thiosulfat zugeflosesn war, was in den meisten Fallen genau 100Minuten in Anspruch nahm, wurde griindlich mit Wasser nachgespiilt, das dann ebenfalls tropfenweise in die Zersetzungsfliissigkeit gelangte. Nach abermals Stunden kriiftigen Siedens unter Stickstoffstrom wurde die Apparatur auseinandergenommen und Zersetzungsfliissigkeit und Destillat wie unten angegeben analysiert.

Qualitative Untersuchungan

Im Zersetzungskolben bleiben bei geniigend langer Destillations- deuer keine Jod entfgrbenden Substanzen (H2S203, H,SO,, H,S). Dagegen ist H8SO, in wesentlichen Mengen vorhanden. H$60, ist eben noch an einer ganz schwachen Braunfarbung nachweisbar, wenn man die Zersetzungsfliissigkeit unter Zusatz von H,S04 auf ein kleines Volumen dampft, die H,SO, rnit KHCO, abstumpft und rnit ammo- niakalischer Silberlosung versetzt. Auch rnit HgCl, tritt eine deut- liche Triibung auf.

In der Vorlage scheidet sich im Laufe des Versuches ein Gemisch von CdS und S ab. Dieser Niederschlag enthalt auBerdem geringe Mengen adsorbier ten Sulf i t - und Polythionatschwefel , von dem er selbst durch lang andauerndes Auswaschen nicht vollkommen befreit werden kann. Die Mengen dieser adsorbierten S-Verbindungen betragen durchschnittlich 4-6O/,, des urspriinglich angewandten S,O,"-Schwefels. In Losung befindet sich SO3"-, S20Ql'-, SOL'- und S,O,"-Schwefel. SO," und S203" wurden an der Entfarbung einer ver- diinnten Jodlosung erkannt, deren Verbrauch bei vorheriger Behand- lung der Probe mit Formaldehyd wesentlich sinkt. SO," wurde nach- gewiesen durch Fallen des Bariumsalzes in der Kalte. Mehrere Zer- setzungsversuche, die unter peinlichstem LuftabschluB vorgenommen wurden, beweisen, daB dieser SO,"-Schwefel seine Entstehung nicht etwa dem EinfluB von Luftsauerstoff verdankt. Das gleichzeitige Auftreten von H,S und H,S03 legte die Vermutung nahe, dab S,O,"- Schwefel im Destillat vorhanden ist. Der positive Ausfall der Probe rnit HgCl, bringt jedoch infolge der Anwesenheit von S,O,"-Schwefel keine Klarheit hieriiber. Leider versagen hier die direkten qualitativen Priifungsmethoden auf S30;' (kurzes Aufkochen rnit CuSO, nach

Z. anorg. 11. allg. Chem. Bd. 217. 12

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Entfernung von S,O,” mittels Jod) und S,O,” (ammoniakalische Silberlosung) infolge der zu geringen Mengen (es handelt sich um wenige Hundertstel Millimole). Auch die vortreffliche KURTENACKER- sche quantitative Bestimmungsmethode der 3 Polythionsauren H,S,O,, H,S,O, und H,S,O, nebeneinanderl) fuhrt aus demselben Grunde zu keinem Resultat. Die Tatsache aber, daB bei quantitativen Bestimmungen eine wesentliche Differenz zwischen dem gesamten gelosten Schwefel und der Summe der ubrigen gelosten S-Verbindun- gen (H,SO,, H2S203, H2S04) auftritt, 1aBt keinen Zweifel uber das Vorhandensein von Po ly th ionsauren (H28,06) im Destillat, denn die event. noch in Frage kommende H2S20, ist, wie Entfarbungs- versuche rnit Indigolosung beweisen, nicht vorhanden. Eindeutig nachweisbar ist S,O,” rnit HgCl, in der Waschflussigkeit, welche beim Auswaschen des CdS-S-Niederschlages rnit stark verdunnter Essig- saure anfiillt, da hier der storende EinfluB von S203” wegfallt.

Quantitative Untersuehungen

Zur Bestimmung der im Zersetzungskolben verbliebenen S- Verbindungen wurde die Flussigkeit zunachst von evtl. abgeschiede- nem S mittels eines SCHOTT’sChen Glasfrittetiegels abfiltriert, der S uber H,SO, im Vakuum getrocknet und gewogen. Nach erfolgter Teilung des Filtrats in zwei gleiche Teile wurde die eine Halfte rnit Brom oxydiert, auf dem Wasserbade zur Trockne gedampft und schlieBlich samtlicher darin enthaltener S als BaSO, gefiillt, wiihrend die andere Hiilfte auf dem Wasserbade auf ein kleines Volumen (15-20 cm3) eingedampft, zwecks Abstumpfung der HCl rnit ver- dunnter KHC0,-Losung versetzt und die H,SO, in der Kalte ebenfalls als BaSO, bestimmt wurde.

Weitaus komplizierter gestaltete sich die Bestimmung der in der Vorlage befindlichen S-Verbindungen. Das etwa 400 ern3 betragende Destillat wurde durch einen sehr dichten Glasfrittetiegel vorsichtig abgesaugt, die Hauptmenge des abfiltrierten Gemisches von CdS und S in einen mit gutem Glasschliff versehenen Erlenmeyerkolben gespult, einige Tropfen LaC1,-Losung zugegeben und rnit einem moglichst geringen UberschuB einer gestellten Jodlosung kraftig durchgeschuttelt, bis samtliches CdS umgesetzt war. Letzteres erfolgt glatt nach dem Schema

CdS + H,O ~2 H,S + Cd(OH), H,S + J2-+ S + 2HJ.

1) A. KURTENACKER, Z. anorg. u. allg. Chem. 166, 177.

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Zur Bestimmung des im Glasfrittetiegel haftengebliebenen CdS wurde der Tiegel auf einen PUB in ein groBes Wiigegliischen gestellt und mit 5 cms eingestellter n/30- Jodlosung und etwa 1 cm3 konz. HC1 beschickt. Diese liefen innerhalb 20-30 Minuten durch den Boden des Tiegels und setzten dabei den Rest des CdS quantitativ urn. Das uberschussige Jod, das die Glasfritte des Tiegels passiert hatte, wurde zur Hauptmenge gegeben und rnit n/20-Thiosulfatlosug zuruck- titriert. Auf diese Weise wurde die Summe des im Niederschlag befindlichen S"- und SO,"-Schwefels bestimmt.

Nach erfolgter Titration wurde der ausgeschiedene S abfiltriert, gut ausgewaschen und uber Nacht im Vakuum uber H,SO, auf- bewahrt. Diese Trocknung wurde dann durch Erwarmen in einer C0,-Atmosphare vervollstandigt. Der auf diese Weise erhaltene S war aber noch nicht genugend rein; er enthielt geringe Mengen CdS und evtl. andere Stoffe eingeschlossen. Wahrend die wenige Zehntel Milligramme betragende CdS-Menge fiir die Bestimmung des S"-S bedeutungslos war, ubte sie bei der Bestimmung des elementaren S bereits einen storenden EinfluB aus. Das Gewicht dieser Verunreini- gungen muBte daher bestimmt und vom Rohgewicht des S abgezogen werden. Zu diesem Zwecke wurde dieser zunachst nach HEINZE~) durch Erhitzen bis dicht unter seinen Schmelzpunkt (114O) in die in CS, losliche Form umgewandelt, 1-2 Stunden mit CS, extrahiert und die letzten ungelosten S-Reste durch kurzes Erwarmen an der Luft auf etwa 1500 vertrieben. Dann wurde der Tiegel zuruckgewogen und aus der Differenz zwischen Rohgewicht des S und dem Gewicht der hinterbliebenen Verunreinigungen die Menge des reinen S er- mitt elt .

Zur Bestimmung der im Destillat gelosten Stoffe H,SO,, H,S,O,, H,S,O, und H,SO, wurde die vom Niederschlag abfiltrierte Losung in 3 Teile geteilt. Im ersten Teil wurde die Summe von H,SO, und H,S20, direkt rnit $00- Jodlosung titriert und hinterher in derselben Flussigkeit die H2S0, neben H,S,O, durch FLllen rnit BaC1, in der Kiilte bestimmt. Nach Abzug der durch die Titration aus der H,SO, entstandenen H,SO,-Menge ergab sich die urspriinglich im Destillat vorhandene Menge H,SO,. Der zweite Teil wurde unter Zusatz von Formaldehyd ebenfalls rnit n/lOO- Jodlosung titriert und somit der Gehalt an HzS,O, bestimmt. Der dritte Teil wurde rnit Brom oxydiert, eingedampft, rnit Wasser aufgenommen und der Gesamt-S als BaSO,

1) HEINZE, Journ. prakt. Chem. 99 (1919), 138. 12*

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cb g ‘J/o SOL-S Zj o/o S,O,,“-S

O/o elem. S yo S”-s o/o elem. S

4 o/o S20/-S ’ O/o SO,”-S o/o SO/-S

c

Y

w 1 O/O SnOB”-S

Summe. . . .

gefiillt. Zieht man von der so gefundenen S-Menge den SO3”-, S203”- und SO,”-Schwefel ab, so erhlilt man den S,O,”-Schwefel.

SohlieSlich bleibt noch die Bestimmung des vom Niederschlag adsorbierten SO3”- und S,O,”-Schwefels. Dieser befand sich nach den beschriebenen Operationen als SO,”- bzw. S,O,”-Schwefel im Filtrat des mit Jod behandelten Niederschlags und wurde als solcher unter Beriioksichtigung der durch Titration zugefuhrten Thiosulfat- menge gravimetrisch nebeneinander bestimmt.

18,66 1 16,lO I 16,83 I 30,06 I 42,47 I 41,71 1 44,39 1 145

~- -- 3,31 I 2,92 1 2,75 I 243 I 1,97 1

0 I 2,50 I 0,46 1 0,46 1 0 I 0 I 0 16,51 1 13,67 1 14,23 1 22,81 1 42,42 1 34,O 1 30,44 I 22,75 I 19,13 I 18,42 I 2,63 1 16,6 1 9,91 I 10,98 1 17,17 1 3,93 1 1,30 1 1,58 1 5,04 I 5,32 1 4,93 I 6J7 1 1,17 1 I

16,30 I 20,53 1 16,86 I 10,69 1 3,29 I 2,6 1

_.____

____ --

--

___ -_____ 0 1 2,29 I 8,74 I 5,78 I 6,47 I I

100,17 I 97,06 1 101,lO 1 100,75 I 101,72 1 I

Versuchrergebnise

Bei der Beantwortung der Frage, welcher Teil des als Thiosulfat angewandten Schwefels nach der Gleichung H,S203 + H,O --f H,SO, + H2S umgewandelt worden ist, ist zu beachten, daB ein Teil des H2S mit anderen von der Zersetzung herruhrenden S-Verbindungen reagiert hat, daS also nur die in der Zersetzungsfliissigkeit auftretende H2S0,-Menge einen SchluB auf das Ma13 der in dieser Richtung rea- gierenden Thiosulfatmengen zulliBt. Die diesbeziiglichen Angaben erfolgten daher auf Grund der gefundenen H,SO,-Werte.

In den Tabellen gibt die erste Zeile die laufende Nummer des Versuches, die zweite Zeile die Anzahl der zugefuhrten Millimole Na,S,O, und die dritte und vierte Zeile die Konzentration bzw. die ZufluSgeschwindigkeit der Thiosulfatlosung an. Die fiinfte Zeile endlich bezieht sich auf die Normalitlit n der zersetzenden Saure.

Tabelle 1

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m / L i t e r . . . MM/Minute . . n . . . . . .

o/o SO,“-S 3 0 o/o S,Oc-S 2 o / ~ elem. s

m

Y

Tabelle 2

- 20 1 20 1 20 I 5 1 60 I 200 0,020 I 0,020 I 0,005 I 0,001 I 0,030 I 0,100 3,5 I 3,5 I 3,5 1 3,5 1 3,5 I 3,5

40,61 1 40,52 1 43,30 1 45,48 1 39,lO 1 33,16

1,48 I ~- I I 037 o I

-~

I 0 I- 0 I 0,21 1 21,Ol -

Versuch. . . . 6 b 1 7 1 8 1 9 1 1 0 1 1 1 1 1 3 110-

Summe. . . . I 99,04 j I I I 1 97,Ol

Die Versuche 1, 2a und 2b kommen dem CoLsoN’schen in bezug auf die angewandten Mengen und Konzentrationen am niichsten. Von einer quantitativen Umsetzung der Thioschwefelsiiure in H,SO, und H,S kann jedoch nicht die Rede sein. Bei Versuch 1 ist nur etwa 37% und bei den Versuchen 2 etwa 32-33°/0 des als Thiosulfat zugesetzten Schwefels in dieser Richtung umgesetzt worden. Wesent- lich begunstigt wird dieser VerseifungsprozeD durch Konzentrations- erhohung der zersetzenden Siiure, wahrend eine Anderung der auf Millimole Thiosulfat bezogenen ZufluBgeschwindigkeit von nur ge- ringem EinfluB ist und zwar derart, daB eine Verminderung derselben den Verseifungsvorgang begunstigt, eine VergroBerung derselben ihn jedoch zuruckdriingt. Das gunstigste Ergebnis mit etwa 9lO/,iger Ver- seifung wurde inVersuch8 erreicht, bei welchem mit hoher Siiurekonzen- tration und sehr niedriger Zugabegeschwindigkeit gearbeitet wurde.

Im AnschluD an den in 2 Parallelen ausgefuhrten Versuch 2 (a und b) sei noch einiges uber die Reproduzierbarkeit dieser Zer- setzungsversuche bemerkt. Wiihrend in der Vorlage die fur die Reaktion in Betracht kommenden Verhiiltnisse zwangslaufig ziem- lichen Schwankungen unterworfen sind, besteht fur die sich in der Zersetzungsflussigkeit abspielenden Vorgange eher die Moglichkeit , die Reaktionsbedingungen in eindeutig definierbaren MaDen zu halten. Letzteres geschah, indem wiihrend der ganzen Dauer des Versuches auf moglichst genaue Einhaltung der Normalitiit, d. h. auf geregelten

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Ersatz des verdampften Wassers, ferner auf regelmaJ3ige Zugabe der Thiosulfatlosung und gleichmaBiges lebhaftes Sieden der S h r e geachtet wurde. Wie die mitgeteilten Analysenergebnisse zeigen, ist auf diese Weise eine ziemlich weitgehende Reproduzierbarkeit der im Zersetzungskolben verbleibenden Stoffe erreichbar. Ganz ausschalten lassen sich geringe UnregelmaSigkeiten naturlich nicht. Anders aber liegen die Verhaltnisse bei den in der Vorlage befindlichen Stoffen. Hier hat man die Einhaltung bestimmter gleichbleibender Bedingungen nicht in dem MaBe in der Hand. In dem einen Falle kann z. B. in einer bestimmten Zeit mehr Wasser uberdestillieren als in einem anderen. Dies bewirkt gegenuber dem anderen Versuch eine Temperatur- und Konzentrationsanderung in der vorgelegten Flussigkeit und, da beide Faktoren von starkem graduellen EinfluB auf die sich hier abspielenden Vorgange sind, eine h d e r u n g der Mengenverhaltnisse der entstehenden Stoffe. Naheres uber die Reaktionen der ubergehenden fluchtigen S-Verbindungen ist im theoretischen Teil angegeben.

Ein Vergleich der Versuche 4a und 4b miteinander zeigt ferner, von welch starkem Einfluf.3 verhaltnismaBig geringfugige hderungen der Bedingungen auf die Reaktionen der fluchtigen S-Verbindungen sind. Bei Versuch 4b wurde niimlich an Stelle des einfachen Gas- ableitungsrohres ein LIEBIa’Scher Kuhler zwischen Zersetzungs- kolben und Vorlage geschaltet. Die Folge dieser Abanderung ist das starke Hervortreten der S-Bildung auf Kosten des H2S. Da sich das uberdestillierende Wasser im Kiihler kondensierte und einen Teil des H,S und SO loste, waren in diesem Falle die Bedingungen fur die Reaktion SO + SH’ + H’ -+ 2 S + H20 gegeben.

Wie die mitgeteilten Versuche ergeben, ist also eine quantitative Umsetzung der Thioschwefelsaure in H2S0, nnd H2S auf diese Weise nicht moglich. Auch Zusatze geringer Mengen von SiO,, As20, oder Cu, also von Stoffen, die bei COLSONS Versuch aus Glas oder Wasser in die Reaktionsflussigkeit gelangt sein und die Reaktion katalytisch beeinflufit haben konnten, andern nichts am Verlauf der Zersetzung. Dagegen erschien ein Silberzusatz erfolgversprechend, da ja Silber- thiosulfat, wie bereits bekannt istl) und bestatigt werden konnte, quantitativ in H,SO, und Ag2S zerfsllt. Tabelle 3 enthalt Zer- setzungsversuche mit Silberzusatz, die analog dem Versuch 2 aus- gefuhrt sind. Die n-HC1 wurde hierbei durch n-HC10, ersetzt, die -

l) A. GEUTHER, Ann. Chem. Pharm. 226 (1884), 232-240; J. BODNAR, Z. anal. Chem. 53 (1914), 37.

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wie ein Blindversuch zeigte - dieselbe Wirkung euf die Thioschwefel- saure besitzt wie die n-HC1. Um jede Moglichkeit einer Oxydetion auszuschlieBen, wurde das Silber als Perchlorat zugesetzt. Versuch 11 zeigt den Verlauf der Zersetzung bei Anwendung von 1 mg Silber auf 550 em3 Saure. Der EinfluB ist jedoch sehr gering. Merkwiirdiger- weise verschiebt die 5-fache Silbermenge das Resultat nur sehr wenig (Versuch 12). Wenn man bedenkt, daB die zugesetzten 5 mg Silber nur etwa den 43. Teil des zur Bildung von Silberthiosulfat benotigten Silbers ausmachen, und daB deshalb in kurzer Zeit das gesamte Silber infolge der Bildung von Ag,S aus der Losung verschwunden ist, so erscheint es naheliegend, dieselbe Silbermenge wahrend der ganzen Dauer der Zersetzung kontinuierlich zuzugeben und somit dem eben- falls langsam zuflieI3enden Thiosulfat stets eine gewisse Silbermenge zur Verfugung zu stellen. Dies fiihrte zu Versuch 13, wobei jedoch das Ergebnis nicht im geringsten zugunsten der H,SO,- und H,S-Werte verschoben wurde.

Tabelle 3

Da im allgemeinen die Zersetzung der Thioschwefelsaure haupt- siichlich nach der Bruttogleichung H,S,O, --t SO, + S + H,O erfolgt, war zunachst die Annahme naheliegend, daB sich der von der Ver- seifung nicht erfaBte Teil der Thioschwefelsaure in diesem Sinne zersetzt. Die ubergehenden fluchtigen S-Verbindungen wHren dann lediglich H,S und SO,. In den folgenden Versuchen 14a und 14b wurden daher H,S und SO, in den bei den Zersetzungen auftretenden Mengen- verhaltnissen und Konzentrationen in Cadmiumacetatlosung geleitet, um festzustellen, ob sich hierbei qualitativ und quantitativ dieselben Resultate ergaben.

Versuch 14a. H,S, SO, und von Sauerstoff befreiter Stickstoff wurden nach sorgfaltigem Trocknen in einem Mischrohr zusammen- gefiihrt und aus diesem gemeinsam in 300 cm3 einer 0,50/,igen Cad- miumacetatlosung geleitet. Der H,S wurde einem KIpp'schen Apparat entnommen und mit CaCl, getrocknet, wahrend das SO, und der Stickstoff aus Stahlflaschen stammten und mit H,SO, getrocknet

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Versuch 14a. . I 46,4 7.8 12.6 1 0 Versuch 14b . . I 12,3 I 6,3 I 38,9 1 0

Nach Beendigung des Versuches 14b befanden sich in der sieden- den HCl weder elementarer S noch irgendeine S-Verbindung.

Die gefundenen Mengen H,S, H2S03 und elementarer S ent- sprechen in der GroBenordnung und dem gegenseitigen Verhaltnis den bei den Zersetzungsversuchen erhaltenen. Wesentlich ist die Tatsache, daB H,S und SO, beim Einleiten in Cadmiumacetatlosung unter den gegebenen Umstiinden keine Thioschwefelsaure bilden, wlhrend letztere bei den Zersetzungsversuchen in relativ groBen Mengen auftritt.

Theoretircher Teil

Ein Vergleich der H,SO,-Werte mit den H,S-Werten der Zer- setzungsversuche zeigt mit aller Deutlichkeit, daB die Bildung dieser beiden Stoffe einem Verseifungsvorgang zuzuschreiben ist, der nach folgender Bruttogleichung stattfindet :

HzSZO3 + H,O -+ HZSO, + H,S.

184 Zeitschrift fiir enorganische und ellgemeine Chemie. Band 217. 1934

wurden. Die Stromungsgeschwindigkeiten des H,S und SO, waren etwa gleich, und zwar iiuBerst klein, die des als Verdunnungsmittel und Transportgas dienenden Stickstoffs dagegen bedeutend groBer. Als Mischrohr diente ein senkrecht stehendes groBes Reagenzglas, durch dessen Stopfen die 3 Gaszuleitungsrohre fuhrten, deren untere Enden zu feinen, gegeneinander gerichteten Dusen ausgezogen waren. Auf diese Weise prallten die Gasstrome gegeneinander und mischten sich. Ein Gasableitungsrohr fuhrte das Gemisch in die Cadmium- acetatlosung. Um eine quantitative *4bsorption zu erreichen, wurden mehrere Vorlagen hintereinander geschaltet. Solange das Gas- gemisch nicht mit Feuchtigkeit in Beriihrung kam, schied sich keine Spur von elementarem S aus ihm ab. Die Stromungsgeschwindigkeit von H,S und SO, wurden so gewahlt, daB der Versuch dieselbe Zeit in Anspruch nahm wie die Zersetxungsversuche; das Einleiten er- streckte sich also uber 11/,-2 Stunden.

Versuch 14b. Um den Verhaltnissen der Zersetzungsversuche noch niiher zu kommen, wurde bei diesem Versuch zwischen Misch- rohr und Vorlage ein Kolben geschaltet, der 550 em3 siedende 2 n-HCl enthielt. Diese Fliissigkeit mul3te das Mischgas passieren, ehe es in die Vorlage gelangte. Im ubrigen wurde die Arbeitsweise von Ver- such 14a beibehalt,en.

Nach Beendigung des Versuches 14b befanden sich in der sieden- den HCl weder elementarer S noch irgendeine S-Verbindung.

Die gefundenen Mengen H,S, H2S03 und elementarer S ent- sprechen in der GroBenordnung und dem gegenseitigen Verhaltnis den bei den Zersetzungsversuchen erhaltenen. Wesentlich ist die Tatsache, daB H,S und SO, beim Einleiten in Cadmiumacetatlosung unter den gegebenen Umstiinden keine Thioschwefelsaure bilden, wlhrend letztere bei den Zersetzungsversuchen in relativ groBen Mengen auftritt.

Theoretlicher Teil

Ein Vergleich der H,SO,-Werte mit den H,S-Werten der Zer- setzungsversuche zeigt mit aller Deutlichkeit, daB die Bildung dieser beiden Stoffe einem Verseifungsvorgang zuzuschreiben ist, der nach folgender Bruttogleichung stattfindet :

HzSZO3 + H,O -+ HZSO, + H,S.

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Die Hauptmhwierigkeit liegt jedoch in der Deutung der Reaktionen, denen der Rest des zugesetzten Thiosulfats unterliegt. Das nlichst- liegende wiire die Annahme, daB dieser Rest im Sinne der fur gewohn- lich sich abspielenden Thioschwefelsiiurezersetzung reagiert :

H2S203 -* SO, + S + H2O. Hiergegen sprechen aber folgende beiden Grunde. Erstens muBten nach dieser Zerfallsgleichung betrachtliche Mengen freien Schwefels - bei den Versuchen mit n/l-HCl etwa 30% des als Thiosulfat angewandten - in der Zersetzungsflussigkeit auftreten, was durchaus nicht zutrifft. Gegen den Einwand, daB der elementare S, noch bevor er sich ab- scheidet, mit Waseer nach der Gleichung 2s + 2H,O --t H,S02 + H,S reagiert, steht die Tatsache, daB wesentliche Mengen Thio- schwefelsaure im Destillat sich vorfinden, die nicht von einer Wechsel- wirkung von H,S und SO, herruhren konnen, da der H,S sofort bei seinem Eintritt in die vorgelegte Flussigkeit quantitativ vom Cad- mium gebunden wird, wie dies die Versuche 14a und b lehren. AuBer- dem muBten dann die H,S-Werte wesentlich hoher liegen als die H,S04-Werte, was in keinem Falle beobachtet wurde; erstere liegen im Gegenteil stets niedriger.

Das Auftreten der Thioschwefelsiiure findet jedoch eine zwang- lose Erkliirung, wenn man annimmt, daB primiir das leicht fliichtige Schwefelmonoxydl) sich bildet. Nach FOERSTER und HAUFE~) besteht folgendes Gleichgewicht zwischen S,03” und SO :

Ein Teil dieses SO unterliegt einer Reihe von Reaktionen, von denen unter den geschilderten Bedingungen die Verseifung zu H2S0, und H2S

S203” + 2H’ 1- 2 SO + H20 (1)

vorherrscht : 2 5 0 + 2H20 -+ H2S04 + H,S. In untergeordnetem MaBe kann das SO hierbei auBerdem in ver- schiedenen anderen Richtungen reagieren, von denen vor allem die Disproportionierung in SO, und S hervorgehoben sei :

Auf diese Weise ist der S in der Zersetzungsflussigkeit entstanden xu denken. Eine Reaktion, die S unter Beteiligung des H,S liefert, ist

2 5 0 -+ so, + s. (3)

folgende : SO + S H + H t- 2 5 + H,O (4) oder SO + H,S 2 S + H,O. (4 4

l ) Eine priippasative DarstelIung des SO veroffentlichte vor einiger Zeit Vgl. auch P. W. SCHENK in Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 160-160.

E. GRUNER, Z. anorg. u. allg. Chem. 212 (1933), 393. 2) F. FOERSTER u. HAIJFE, Z. anorg. u. allg. Chem. 177 (1929), 36.

Page 12: Die Entstehung von Schwefelsäure und Schwefelwasserstoff bei der Zersetzung des Thiosulfats

186 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 217. 1934

Allerdings wird der Vorgang in dem vorliegenden Falle eher von rechts nach links sich abspielen, d. h. S wird auf Wasser einwirken und SO und H,S bilden, da diese dauernd aus dem Gleichgewicht entfernt werden.

Fur die Bildung der Pentathionsaure in der Zersetzungsflussigkeit ist ebenfalls die Moglichkeit gegeben, was durch die Gleichungen 9 und 9a veranschaulicht wird.

Der groBte Teil des von der Verseifung nicht erfaSten SO wird jedoch mit dem aus der siedenden Flussigkeit stammenden Wasser- dampf fortgefuhrt und gelangt neben dem H,S in die Vorlage. Der H,S wird sofort vom Cadmiumacetat gebunden und ubt dann prak- tisch beinen EinfluB mehr auf die sich hier abspielenden Vorgiinge aus. Das SO stellt sich in waBriger Losung mit dem Thiosulfation ins Gleichgewicht :

welches seinerseits mit dem Ion HS,O,‘ im Gleichgewicht steht :

und dieses wieder liefert in einem umkehrbaren Vorgang das saure Anion der schwefligen Skure und elementaren S:

Die letztgenannten Stoffe entstehen auch bei der bereits erwahnten Disproportionierung des SO :

2SO + H,O S203” + 2H’, (1 )

(5)

(6)

(3) (7)

(8) (8 a)

(9) (9 a)

S,O,” + H’ f- HS,O,’,

HS,O,‘ 1_ HSO,’ + S.

2 5 0 --f so, + s SO, + H,O ,f H,SO, tr HSO,’ + H‘,

SO + 2HSO,’ --t S306” + H,O S,O,” + 4HS0,‘ + 2H’ --t 2 S,O,” + 3H20

SO + 2HS,O,’ --t S,O,” + H,O 5 S,O,” + 6H’ --f 2 S506” + 3H2O.

Die Entstehung der Polythionsauren beruht auf folgenden Vorgangen :

Auf diesem direkten Wege entstehen nur Tri- und Pentathionsaure. Die Tetrathionsaure ist sekundaren Ursprungs. Sie verdankt ihre Existenz der abbauenden Wirkung des Anions HSO,’ gegenuber der Pentathionsaure :

Wahrend diese Reaktion verh5ltnismaBig rasch verlauft, erfolgt der weitere Abbau zur Trithionsaure auBerst langsam :

Die Bildung der Trithionsaure erfolgt daher hauptsachlich direkt aus dem SO in dem rasch sich abspielenden Vorgang 8.

S50,” + HS0,’t-r S4O6” + S,03” + H’.

S,O,” + HSO,’ Z S,O,” + S,O,” + H’.

(1 0)

(11)

Page 13: Die Entstehung von Schwefelsäure und Schwefelwasserstoff bei der Zersetzung des Thiosulfats

F. Foerster t u. H. Umbaoh. Entstehung von Schwefelsiiure usw. 187

Die Zusammenziehung der VorgLnge 10 und 11 ergibt rein rech- nerisch ein Gleichgewicht zwischen den 3 Polythionsauren :

dessen Einstellung durch das Anion S203” katalytisch beschleunigt wird. Dieses Gleichgewicht 12 ist jedoch nicht von Bestand, weil das Ion S,O,” ziemlich rasch wieder unter Bildung von SO,” und S20,” zufallt :

Eine andere Quelle fiir das Sulfat stellt der Selbstzerfall von HSO,’ dar:

Somit findet das Vorhandensein samtlicher im Destillat vor- gefundenen S-Verbindungen eine zwanglose Erklarung. In den Vordergrund des Geschehens tritt hierbei die Kondensation des SO zur Thioschwefelsaure gemiiB Gleichung 1. Diese Reaktion stellt die Umkehrung des beim Zutropfen in die siedende HC1 stattfindenden Zerfalls des Thiosulfats in SO und H,O dar, so daB also unter Um- standen ein betriichtlicher Teil der Thioschwefelsaure in Gestalt des SO gewissermaBen unzersetzt uberdestilliert und sich dann in der Vorlage mit Wasser wieder zu Thioschwefelsaure kondensiert.

Zum SchluB sol1 noch der gunstige EinfluB des Silbers auf den VerseifungsprozeB der Thioschwefelsaure Erwilhnung finden. Da Silberthiosulfat sehr rasch quantitativ in H,SO, und Ag2S zerfallt, war eine solche Wirkung des Silbers zu erwarten. Ein Blick auf die mitgeteilten Resultate lehrt, daB die hierbei erreichte Begiinstigung nicht nur der der zugesetzten Silbermenge aquivalenten Thiosulfat- menge entspricht. Die H,SO,-Werte durften dann nur ganz minimale Anderungen gegenuber den entsprechenden Versuchen ohne Silber- zusatz aufweisen, die beinahe noch innerhalb der Fehlergrenzen 18gen. Anstatt lS,SO/O hatten lS,SO/O bzw. 17,8O/, erhalten werden mussen, wahrend tatsilchlich 21-220/0 erreicht wurden. Schon hieraus geht hervor, daB das Silber hier die Rolle eines Katalysators spielt. Die Tatsache, daB die fiinffache Silbermenge sowie der allmahliche Zusatz das Resultat nicht wesentlich verschieben, zwingt zu der Annahme daB nicht die gesamte zugesetzte Silbermenge, sondern nur der dem Loslichkeitsprodukt des Ag,S entsprechende geloste Teil derselben als Katalysator fur den Verseifungsvorgang wirkt. Diese Menge ist in folge der geringen Loslichkeit des Ag,S auBerordentlich klein, so daB nur ein verhliltnismaBig geringer Teil des SO mit dem Katalysator in Beruhrung kommt und dessen Wirkung unterliegt.

2 S,O,” f- S30,” + SSOs”, (12)

S,O,” + H20 f- SO,” + S203” + 2H’.

4HS0,’ f- 2 SO,” + S,O,” + 2H’ + H,O.

(1 3)

(1 4)

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188 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 217. 1934

Zusammenfarurung

1. LaSt man verdunnte Natriumthiosulfatlosung langsam zu siedender HC1 tropfen, so wird ein wesentlicher Teil der Thioschwefel- saure zu H,S04 und H,S verseift. Dieser Vorgang verlauft nach der Bruttogleichung :

Ein quantitativer Zerfall in dieser Richtung konnte im Gegensatz zu COLSONS Angaben nicht erreicht werden. Giinstigstenfalls setzten sich 910/, des angewandten Thiosulfats in diesem Sinne rim.

2. Eine starke Begunstigung erfahrt der VerseifungsprozeS durch Erhohung der Aziditat der siedenden Saure. Wesentlich geringer als durch die Aziditat wird der Zerfall in H,S04 und H,S begiinstigt : 1 . Durch Herabsetzen der auf Millimole Thiosulfat je Minute be- zogenen Zugabegeschwindigkeit ; 2. durch einen Zusatz von geringen Mengen Silber. Geringe Zusatze von Kupfer, Kieselsaure oder Arsen uben dagegen keinen EinfluB auf den Verlauf der Zersetzung aus.

3. Die beobachteten Erscheinungen fiihrten zu der Anna.hme, daS das gesamte zutropfende Thiosulfat primar in Schwefelmonoxyd zerfallt und samtliche gefundenen Zersetzungsprodukte ihre Ent- stehung sekundaren oder tertiaren Vorgangen verdanken. Die Ver- seifung der Thioschwefelsaure zu H,S04 und H,S geschieht dann im Sinne der Gleichungen:

HZSzO3 + H,O --+ HZSO4 + HZS .

H,S,O3 fT 2SO + H,O

Dresdem, Januar 1934, Institut fiir anorganische und anorganisch- technische Chemie der Technischen Hochschule.

Bei der Redaktion eingegangen am 23. Januar 1934.


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