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Die Insolvenz meines Geschäftspartners:
Forderungsausfall
und
Forderungsverfolgung
24. Oktober 2014
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Inhaltsverzeichnis der Themen und Referenten: Teil 1: Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens - Rolf Otto Neukirchen ____________________________ __________3 Teil 2: Insolvenzanfechtung - Markus van Marwyk ______________________________ ________17 Teil 3: Praktische Tipps für ausgesuchte Einzelfälle: Lösungsklauseln - Rolf Otto Neukirchen_____________________________ _________ 29 Der Werkvertrag in der Insolvenz – Markus van Marwyk _______________________________ _______ 33 Mietvertrag und Arbeitsvertrag - Rolf Otto Neukirchen_____________________________ _________ 39 Teil 4: Platz für Ihre Notizen ____________________________ ___________ 47 Anlagen 1 bis 3 zum Vortrag ______________________ __________ 49
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Teil 1: Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfah rens
Rolf Otto Neukirchen
I. Insolvenzfähigkeit
Die Insolvenzordnung ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten und hat ein
einheitliches Verfahren geschaffen, das die bis dahin geltenden Gesetze
abgelöst hat, nämlich die Konkursordnung von 1877, die
Vergleichsordnung von 1935 und die in den neuen Bundesländern
geltende Gesamtvollstreckungsordnung von 1991. Wer ist überhaupt
insolvenzfähig ist? Dies war z. B. in der Konkursordnung und der
Gesamtvollstreckungsordnung unterschiedlich geregelt. Über wen bzw.
über wessen Vermögen kann also ein Insolvenzverfahren eröffnet
werden?
Die Frage beantwortet § 11 InsO. Insolvenzfähig ist danach jede
natürliche und juristische Person einschließlich des nicht rechtsfähigen
Vereins, sodann Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, oHG’s,
KG’s, Partnerschaftsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen
Rechts, ferner der Nachlass einer Person, das Gesamtgut einer
fortgesetzten Gütergemeinschaft oder das Gesamtgut einer
Gütergemeinschaft, das von den Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet
wird, also zusammenfassend die GmbH, die AG, der Verein, etwa der
Sportverein, die GmbH & Co. KG, die Unternehmergesellschaft
(haftungsbeschränkt) und die Limited oder eine sonstige, hier
eingetragene Niederlassung von ausländischen Kapitalgesellschaften.
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Das Thema der Nachlassinsolvenz kann jeden Erben betreffen. Da auf
den Erben nicht nur die Sparguthaben, sondern auch die Schulden des
Erblassers übergehen, kann es sich empfehlen, die Annahme der
Erbschaft abzulehnen, wenn das Erbe überschuldet ist. Wer erst später
davon Kenntnis erlangt, kann die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums
anfechten. Die Frist beträgt jeweils sechs Wochen ab Kenntnis.
Wenn auch das alles nicht erfolgt ist, hilft in der Regel nur noch der
Insolvenzantrag über den Nachlass, um die Beschränkung der
Erbenhaftung auf den Nachlass herbeizuführen.
II. Insolvenzantragspflicht
Wer nun von denen, die können, müssen auch in die Insolvenz gehen?
In welchen Fällen besteht also die Verpflichtung zur Stellung eines
Insolvenzantrages, natürlich bei Vorliegen der Voraussetzungen?
§ 15 a InsO regelt dies jetzt zentral. Der Grundsatz ist, dass immer dann,
wenn ein begrenzter Haftungsfonds zur Verfügung steht, dem die
Antragspflicht entspricht. Dies betrifft GmbH, GmbH & Co. KG, AG, UG
(haftungsbeschränkt), nicht aber im Sinne einer Antragspflicht den
Einzelkaufmann, die „echte“ KG oder die GbR.
Adressat der Verpflichtung ist der Geschäftsführer, der Vorstand bzw. der
Geschäftsführer der Komplementärin bei der GmbH & Co. KG.
Gesellschafter sind als solche grundsätzlich nicht Adressaten der
Verpflichtung und können auch keinen wirksamen Antrag stellen. Etwas
anderes gilt nur im Falle der Führungslosigkeit, wie in § 15 a Abs. 3 InsO
beschrieben.
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III. Eröffnungsgründe
Die Antragspflicht setzt voraus, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt, also
grundsätzlich materielle Insolvenz. In einem Vorwort eines der ersten
InsO-Kommentare wurde – zu Recht – darauf hingewiesen, dass der
Name InsO ziemlich irreführend ist, weil man auch dann in Insolvenz
gehen kann, wenn man gar nicht insolvent, also zahlungsunfähig ist,
sondern nur überschuldet.
IV. Zahlungsunfähigkeit
Der allgemeine Insolvenzeröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit,
§ 17 InsO. Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Insolvenzrechts ist vom
Bundesgerichtshof auf die Formel gebracht worden:
drei Wochen 10 %.
Danach ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn der Schuldner in einer
perspektivischen Betrachtung von drei Wochen in die Zukunft nicht in der
Lage ist, 90 % oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.
V. Drohende Zahlungsunfähigkeit
Bei einem Eigenantrag des Schuldners ist auch die sogenannte
drohende Zahlungsunfähigkeit Insolvenzgrund. Der Begriff der
drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung begegnet uns dann
nochmals im Rahmen des ESUG. Bei sogenannten 270 b-Verfahren
muss der Schuldner unter anderem eine Bescheinigung vorlegen, aus
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der sich ergibt, dass nur drohende Zahlungsunfähigkeit oder
Überschuldung gegeben ist, diese jedoch noch nicht eingetreten ist.
VI. Überschuldung
Bei Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds, bei denen also
eine Insolvenzantragsverpflichtung besteht, ist auch die Überschuldung
Insolvenzgrund. Der Begriff der Überschuldung ist Gegenstand
umfangreicher Literatur und Rechtsprechung.
Im Rahmen des § 19 InsO hat sich die sogenannte zweistufige
Überschuldungstheorie durchgesetzt, die die Merkmale der
rechnerischen Überschuldung sowie der fehlenden positiven Prognose
beinhaltet. Durch die Es-sei-denn-Formulierung in § 19 Abs. 2 InsO liegt
es nahe, zunächst die sogenannte bilanzielle Überschuldung zu prüfen,
weil davon auszugehen ist, dass das Vorliegen einer bilanziellen
Überschuldung einen Vermutungstatbestand beinhaltet. Die bilanzielle
Überschuldung stellt auf die fortgeschriebenen Buchwerte ab und
dokumentiert sich in der Regel durch einen nicht durch Eigenkapitel
gedeckten Fehlbetrag.
Es schließt sich die Prüfung der sogenannten Fortbestehensprognose
an. Diese beinhaltet zunächst die Prüfung und deren Dokumentation,
dass die Fortsetzung des Unternehmens eine Wahrscheinlichkeit von
mehr als 50 % hat. Maßstab ist also insoweit die Zahlungsunfähigkeit
bzw. Zahlungsfähigkeit.
Die Gesetzesformulierung in § 19 Abs. 2 S.1 InsO ist übrigens schlicht
unrichtig. Denn der Umstand, dass das Unternehmen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit fortgeführt werden kann, schließt dessen
Überschuldung nicht aus. Gemeint ist wohl, dass diese dann keinen
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Insolvenzgrund bildet. Die Bandbreite der Vorschläge zur
Prognosedauer variiert zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.
VII. Insolvenzeröffnungsverfahren
Wenn nun ein Antrag beim Insolvenzgericht eingegangen ist, wird das
Gericht in der Regel ein Vorverfahren anordnen. Dazu bestehen
grundsätzlich drei Möglichkeiten, von denen aber nur zwei praktisch sind.
Wenn keine Besonderheiten bestehen, wird das Gericht einen schlichten
Gutachtenbeschluss (vgl. Anlage 1) erlassen.
Die zu begutachtenden Punkte sind in den letzten Jahren erhöht worden.
Neben der Frage, ob Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind und dem
Vorliegen eines Insolvenzgrundes soll häufig auch schon dazu Stellung
genommen werden, wann die Insolvenz eingetreten ist, dann dazu, ob
Fortführungsmöglichkeiten bestehen und natürlich der wichtige Punkt der
Kostendeckung eines Verfahrens. Die übliche Gutachtenfrist beträgt vier
Wochen.
Wenn das Gericht aufgrund des Antrages und eventuell eines Gesprächs
mit dem Antragsteller der Auffassung ist, dass Sicherungsbedarf besteht,
wird es in der Regel einen Beschluss gemäß Anlage 2 erlassen, also
vorläufige Maßnahmen nach § 21 InsO anordnen und einen
sogenannten „schwachen Verwalter“ bestellen, was zur Folge hat, dass
der Schuldner nur noch in Abstimmung mit dem vorläufigen Verwalter
über sein Vermögen verfügen kann. Es erfolgt eine Kombination mit dem
gerade erwähnten Gutachtenauftrag. In dieser Prüfphase kann also
weder der Schuldner ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters
agieren, noch der Verwalter aus eigenem Recht allein über die
Vermögenswerte des Schuldners verfügen.
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Schließlich kann das Gericht einen vorläufigen Verwalter mit der
Maßgabe bestellen, dass auf diesen bereits die Verfügungsbefugnis über
das schuldnerische Vermögen übergeht, also einen sogenannten
„starken Verwalter“ bestellen. Dies geschieht in der Praxis nicht.
Denn es hat auch zur Folge, dass sämtliche Verbindlichkeiten im
Insolvenzantragsverfahren bereits Masseverbindlichkeiten und keine
Insolvenzforderungen begründen.
VIII. Insolvenzeröffnung
Bei Vorliegen der Voraussetzungen ergeht der typische
Insolvenzeröffnungsbeschluss, wie Sie ihn exemplarisch als Anlage 3
sehen. Inhalt des Beschlusses ist die Aussage, dass das Verfahren
eröffnet wird und ein Verwalter bestellt wird.
Wichtig ist sodann die Frist zur Anmeldung von Insolvenzforderungen.
Viele Verfahren werden zwischenzeitlich schriftlich durchgeführt, was zur
Folge hat, dass eine Gläubigerversammlung zunächst nicht einberufen,
sondern ein Stichtag im schriftlichen Verfahren festgesetzt wird. Die
Alternative ist die Anberaumung eines Berichts- und Prüfungstermins,
der dann diesem Stichtag entspricht. Gläubiger erhalten in der Regel vom
Insolvenzverwalter nochmals diese Information zusammen mit dem
Forderungsanmeldungsformular. Das Formular muss nicht zwingend
benutzt werden. Dies empfiehlt sich jedoch aus Gründen der
Übersichtlichkeit.
Beachtung beim Ausfüllen des Formulars sollte finden:
• Schuldner, Gericht und Aktenzeichen werden in der Regel vom
Verwalter schon eingesetzt sein. Bei Gruppen-Insolvenzen sollte
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darauf geachtet werden, dass der richtige Schuldner aufgeführt
ist.
• Der Name des Gläubigers muss aktuell, richtig und vollständig
sein, denn die Gläubigerbezeichnung findet sich auch in der
gerichtlichen Tabelle, die wiederum Grundlage des
Tabellenauszuges ist. Dieser hat Titelwirkung, entspricht also
einem Urteil und muss deshalb in allen Punkten richtig sein.
• Gläubigervertreter sofern vorhanden.
• Forderungen eintragen:
Rang des § 38 bedeutet, dass es sich um eine normale, nicht
nachrangige Insolvenzforderung handelt. Die Forderung ist hier,
wenn es sich um eine Rechnungsforderung handelt, mit dem
Bruttobetrag einzusetzen, weil die Umsatzsteuer Teil des
Forderungsbetrages ist.
• Zinsen nehmen als normale Insolvenzforderung nur bis zum Tag
vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Verfahren teil und sind
ausgerechnet, also als Summe, einzusetzen.
• Kosten sind die bisher entstandenen, nicht solche Kosten, die
durch die Teilnahme am Verfahren entstehen. Diese sind, ebenso
wie die Zinsen nach Insolvenzeröffnung, nur nachrangig. Kosten
können Mahnkosten sein, Vollstreckungskosten, ggf. auch schon
Kosten, die durch die Titulierung des Anspruchs vorinsolvenzlich
entstanden sind.
• nachrangige Forderungen: Es handelt sich dabei um
Forderungen, die grundsätzlich nicht angemeldet werden können,
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es sei denn, dass das Gericht ausdrücklich hierzu auffordert. Dies
wiederum geschieht dann, wenn sämtliche normalen
Insolvenzforderungen vollständig befriedigt werden können, also
ein Überschuss in der Masse verbleiben würde. Bei den
nachrangigen Forderungen sind insbesondere die oben schon
angesprochenen Zinsen nach Insolvenzeröffnung zu
berücksichtigen, § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO, sowie dann auch die
Kosten, die durch die Teilnahme am Verfahren entstehen.
• Angabe von Sicherheiten für Forderungen unter der Rubrik
„Abgesonderte Befriedigung“ mit der Folge, dass die Forderung
nur für den Ausfall geltend gemacht wird, also mit dem Teil, der
ungedeckt nach abgesonderter Befriedigung bleibt. Typische
Absonderungsrechte werden durch Abtretungen, auch im
Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes, oder
Grundpfandrechte begründet. Die abgesonderte Befriedigung
selbst ist gesondert beim Verwalter geltend zu machen. Allein die
Eintragung in das Formular reicht dazu nicht aus.
• Deliktsforderungen, d. h. Forderungen aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung, sofern der Schuldner eine
natürliche Person ist. Als Deliktsforderungen tauchen in der Praxis
im Wesentlichen die Beitragsforderungen der
Sozialversicherungsträger auf, hier die Arbeitnehmeranteile, weil
deren Nichtabführung als sogenannte Beitragshinterziehung
strafbar ist. Weitere Deliktstatbestände können sich aus Straftaten
ergeben, die der Schuldner vorinsolvenzlich begangen hat, also
beispielsweise Unterschlagung und Betrug. Erforderlich ist, und
das ist wichtig, dass ein konkreter Tatsachenvortrag gebracht
wird, aus dem sich nach Einschätzung des Gläubigers der
Charakter als unerlaubte Handlung ergibt. Nur das Setzen des
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Kreuzes reicht nicht aus. Dies wird in der Regel durch eine
Sachverhaltsschilderung auf einem Beiblatt zur
Forderungsanmeldung erfolgen.
Der Verwalter hat den Hinweis in die Tabelle aufzunehmen,
unabhängig davon, ob er die rechtliche Einschätzung teilt oder
nicht. Deliktsforderungen nehmen, wenn sie als solche festgestellt
werden, nicht an der Restschuldbefreiung teil, können also gegen
den Schuldner, der eine natürliche Person ist, auch noch nach
Beendigung des Verfahrens ganz normal geltend gemacht und
vollstreckt werden, nicht während des Verfahrens. Im Falle der
Anmeldung einer Forderung als Deliktsforderung unterrichtet das
Gericht den Schuldner, der Gelegenheit hat, hierzu Stellung zu
nehmen. Er kann insbesondere die Forderung selbst der Höhe
nach unbestritten lassen, jedoch den Charakter als
Deliktsforderung gesondert angreifen. In diesem Fall ist dann ein
Feststellungsstreit gegen den Schuldner selbst zu führen. Ob dies
wirtschaftlich sinnvoll ist, ist eine Frage des Sachverhaltes im
Einzelfall.
Der Anmeldung sind gemäß § 174 InsO die Unterlagen beizufügen, aus
denen sich die Forderung ergibt, also Rechnungen, Verträge,
Mahnschreiben etc.. Kopien reichen insoweit aus.
IX. Wirkung der Anmeldung
Die Anmeldung der Forderung im eröffneten Insolvenzverfahren hat
unter anderem die wichtige Wirkung der Hemmung einer laufenden
Verjährungsfrist, § 204 Abs. 1 Ziffer 10 BGB. Die Wirkung tritt ein mit
Zugang der Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter. Auf die
Eintragung in die Tabelle kommt es also nicht an. Andererseits bewirkt
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auch nur die Anmeldung beim Insolvenzverwalter, nicht etwa bei Gericht
oder beim Schuldner selbst, die Hemmung.
Die Hemmung endet sechs Monate nach der öffentlichen
Bekanntmachung des Beschlusses über die Aufhebung des Verfahrens
bzw. sechs Monate nach formeller Rechtskraft des Beschlusses über die
Einstellung des Verfahrens.
X. Anmeldefrist
Im Insolvenzeröffnungsbeschluss setzt das Gericht eine Frist zur
Anmeldung der Insolvenzforderungen.
Wenn diese Frist versäumt wurde aufgrund fehlender Kenntnis des
Verfahrens oder darüber, dass lt. Buchhaltung noch offene Forderungen
gegen den Schuldner bestehen, ist das grundsätzlich unschädlich.
Es kann während des gesamten Verfahrens nachgemeldet werden. Es
entstehen allerdings Kosten für die Nachmeldung, die zurzeit € 20,00
betragen.
XI. Feststellungsklage
Wenn die Forderung zur Tabelle festgestellt wird, erhält der Gläubiger in
der Regel keine Nachricht. Nur dann, wenn die Forderung ganz oder
teilweise bestritten wird, ergeht eine Information durch das Gericht. In
diesem Fall sollte zumindest ein Versuch unternommen werden, etwaige
Unklarheiten durch Korrespondenz mit dem Verwalter aus der Welt zu
schaffen. Gelingt dies nicht, kann es erforderlich werden, eine
sogenannte Feststellungsklage zu erheben.
War die Forderung bereits Gegenstand eines Rechtsstreits, so ist dieser
Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO mit Insolvenzeröffnung unterbrochen
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worden und sodann gegen den Insolvenzverwalter aufzunehmen. Das
Passivrubrum ist also dahin abzuändern, dass der Verwalter zu
verklagen ist.
Der Antrag ist dahin abzuändern, dass nicht mehr Zahlung, sondern
Feststellung zur Tabelle geltend gemacht wird.
Wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist, ist die Klage als
Feststellungsklage einzureichen.
Zuständig ist das Gericht am Sitz des Verwalters, wobei
Sonderzuständigkeiten z.B. der Arbeitsgerichte bei Forderungen aus
einem Arbeitsverhältnis oder sonstigen Forderungen, die in die
Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fallen, zu beachten sind.
Für die Erhebung der Feststellungsklage besteht keine Frist, sie kann
während des gesamten Verfahrens erhoben werden. Es wird jedoch
durch die Bekanntmachung des Verteilungsverzeichnisses eine Zwei-
Wochen-Frist ausgelöst, innerhalb derer sodann spätestens
Feststellungsklage zu erheben und diese Erhebung dem
Insolvenzverwalter nachzuweisen ist.
XII. ESUG
Die Abkürzung ESUG steht für das „Gesetz zur weiteren Erleichterung
der Sanierung von Unternehmen“. Die ESUG-Regelungen sind zum 1.
März 2012 in Kraft getreten. Ganz grundsätzlich ist darauf hinzuweisen,
dass auch das Verfahren nach ESUG ein Insolvenzverfahren ist mit einer
förmlichen Verfahrenseröffnung. Es handelt sich nicht um ein
außergerichtliches oder vorgerichtliches Verfahren.
Entsprechend dem gesetzgeberischen Ziel der stärkeren
Gläubigerbeteiligung ist die Vorschrift des § 22 a InsO eingeführt worden.
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Wenn zwei der Größenmerkmale des § 22 a Abs. 1 InsO erfüllt sind, die
dort aufgeführt sind, hat das Insolvenzgericht einen vorläufigen
Gläubigerausschuss einzusetzen. Die Größenmerkmale sind aus § 267
HGB übernommen, was die „krummen Beträge“ erklärt. Denn dort sind
die ursprünglichen DM-Beträge in Euro umgerechnet worden. Um
beurteilen zu können, wer für den Gläubigerausschuss in Betracht
kommt, hat in diesen Fällen der Insolvenzantrag zwingend die
ergänzenden Angaben nach § 13 Abs. 1 S. 4 InsO zu beinhalten, also
die höchsten Forderungen, die höchsten gesicherten Forderungen, die
Forderungen der Finanzverwaltung, der Sozialversicherungsträger sowie
ggf. solche aus betrieblicher Altersversorgung. Nach § 22 a Abs. 4 InsO
hat das Gericht auch die Möglichkeit, den Schuldner oder einen
vorläufigen Insolvenzverwalter aufzufordern, geeignete Personen für den
Gläubigerausschuss zu benennen. Vom Erfordernis eines vorläufigen
Gläubigerausschusses kann nach § 22 a Abs. 3 InsO dann abgesehen
werden, wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt ist oder in Anbetracht der
zu erwartenden geringen Masse der Aufwand nicht angemessen
erscheint.
Der vorläufige Gläubigerausschuss hat entsprechend dem
gesetzgeberischen Ziel der Stärkung der Gläubigerbeteiligung am
Verfahren die Möglichkeit, entweder eine konkrete Person als Verwalter
vorzuschlagen oder ein Anforderungsprofil zu beschreiben. Dies ergibt
sich aus § 56 a InsO. Bei einstimmigem Vorschlag des
Gläubigerausschusses ist das Gericht an diesen Vorschlag gebunden,
falls die vorgeschlagene Person nicht für das Amt ungeeignet ist.
Weiteres gesetzgeberisches Ziel des ESUG war die Stärkung der
Eigenverwaltung durch Einführung von § 270 a InsO. Bis zur Einführung
des ESUG gab es keine Eigenverwaltung im Insolvenzantragsverfahren,
sondern nur im eröffneten Verfahren. Dann allerdings sind in der Regel
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die Weichen schon gestellt. Dies ist nunmehr geändert worden. Wenn
die Eigenverwaltung angeordnet wird, so wird im Antragsverfahren kein
vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern ein vorläufiger Sachwalter
bestellt, der eine Aufsichtsfunktion hat. Auch im Übrigen soll das Gericht
keine Maßnahmen nach § 21 InsO anordnen, insbesondere kein
allgemeines Verfügungsverbot auferlegen.
Ebenfalls im Rahmen des ESUG eingeführt ist die Vorschrift des § 270 b
InsO. Das sogenannte „270 b-Verfahren“ zielt auf solche Konstellationen
ab, in denen eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens
beabsichtigt ist und auch realistisch erscheint. Üblicherweise erfolgt eine
Kombination mit der Eigenverwaltung, so dass das Verfahren durch
einen vorläufigen Sachwalter bzw. einen Sachwalter und den
Gläubigerausschuss überwacht wird. Die gesetzgeberische Vorstellung
geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung der
Schuldner nicht zahlungsunfähig oder überschuldet ist, sondern dass
lediglich ein drohender Insolvenzgrund vorliegt. Dies muss der Schuldner
dadurch darlegen, dass er eine entsprechende Bescheinigung vorlegt,
die sogenannte „270 b-Bescheinigung“. Das Institut der Wirtschaftsprüfer
hat einen Standard vorgelegt, wie eine solche Bescheinigung zu erstellen
ist, wenn sie von einem Wirtschaftsprüfer erstellt werden soll. Diese
Bescheinigung ist mit dem Antrag einzureichen. Mit Insolvenzeröffnung
wird in den 270 b-Fällen ferner eine Frist zur Vorlage des Insolvenzplans,
der Grundlage der Sanierung sein soll, gesetzt, die höchstens drei
Monate betragen darf. Diese Anordnungen, die auf eine Sanierung
ausgerichtet sind, sind nach § 270 b Abs. 4 InsO dann aufzuheben, wenn
die Sanierung aussichtslos wird oder der Gläubigerausschuss die
Aufhebung beantragt. Sodann wird über die Insolvenzeröffnung
entschieden. Nach der gesetzgeberischen Vorgabe dieses Verfahrens
endet das Insolvenzverfahren durch Vorlage des Insolvenzplans, dessen
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Verabschiedung, Bestätigung durch das Gericht und anschließender
Aufhebung durch das Gericht.
Teil 2:
Insolvenzanfechtung
Markus van Marwyk
I. Allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen.
Gemäß § 129 Abs. 1 InsO ist Voraussetzung einer jeden Anfechtung,
dass
1. Eine Rechtshandlung gegeben ist, die eine
2. Gläubigerbenachteiligende Wirkung ausgelöst hat.
Zu 1. Rechtshandlung
Der Begriff der Rechtshandlung ist denkbar weit auszulegen.
Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das
rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum
Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann.1 Erfasst werden
insbesondere Willenserklärung als Teile von Rechtsgeschäften
(Verträgen), rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und sogar schlichte
Realakte. Sogar das bloße Einbringen einer beweglichen Sache in
1 BGH v. 09.07.2009 – IX ZR 86/08 mwN, ZInsO 2009, 1585.
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gemietete Räume erfüllt diese Voraussetzung, weil an den
eingebrachten Sachen ein Vermieterpfandrecht entstehen kann.2
Somit stellt sich jede Zahlung und jede Anweisung im bargeldlosen
Zahlungsverkehr als Rechtshandlung dar.
Zu 2. Gläubigerbenachteiligung
Ferner muss durch die Rechtshandlung eine Gläubigerbenachteiligung
eingetreten sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtshandlung zur
Folge hatte, dass sich die Schuldenmasse vergrößerte oder sich die
Aktivmasse verringerte. Wenn also die Befriedigungsmöglichkeiten der
Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung sich
günstiger gestalten würden, ist durch die Rechtshandlung eine
Gläubigerbenachteiligung eingetreten.3
II. Die wichtigsten besonderen Anfechtungstatbestän de
1. § 131 InsO inkongruente Deckung
Gemäß § 131 InsO sind inkongruente Deckungen anfechtbar. Dabei stellt
die Norm die Anforderungen auf, die am ehesten vom Insolvenzverwalter
nachgewiesen werden können. Vom Gesetzgeber wird nicht gefordert,
dass der Anfechtungsgegner in irgendeiner Art Kenntnis von der
wirtschaftlichen Krise des Schuldners hatte. Voraussetzung ist lediglich
Inkongruenz sowie Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in objektiver
Hinsicht.
Inkongruent ist eine Handlung, die einem Insolvenzgläubiger eine
Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht
2 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZInsO 2007, 91; zum Entstehen der Biersteuer durch bloßes Bierbrauen: BGH v. 09.07.2009 – IX ZR 86/08, ZInsO 2009, 1585. 3 Kummer/ Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Auflage, § 129, Rn. B222.
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oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Wird
etwas anderes geleistet, als ursprünglich vertraglich vereinbart, ist die
Leistung inkongruent.4 Aber auch, wenn die geschuldete Leistung nicht
von dem Schuldner, sondern von einem Dritten geleistet wurde, kann
Inkongruenz vorliegen, wenn der Anfechtungsgegner auf genau diese Art
der Erfüllung keinen durchsetzbaren Anspruch hatte.5
In der Praxis ist der bedeutsamste Fall der inkongruenten Deckung die
Zahlung im Rahmen oder auf Druck eingeleiteter
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Denn nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs hat der die Vollstreckung betreibende Gläubiger in
den letzten drei Monaten vor Antragstellung auf eine solche Befriedigung
keinen Anspruch. Die Insolvenzordnung, die die Vollstreckung nach dem
Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung regelt, verdrängt insoweit die
Einzelvollstreckung der ZPO.6
Liegt eine inkongruente Deckung vor, stellen sich alle Zahlungen gemäß
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weiteres als anfechtbar dar, die im letzten
Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
vorgenommen wurden.
Weiter zurückliegende inkongruente Deckungsgeschäfte sind an den
Begriff der objektiven Zahlungsunfähigkeit geknüpft (dazu III.). So stellen
sich inkongruente Befriedigung in den letzten drei Monaten als
anfechtbar dar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit objektiv
zahlungsunfähig gewesen war.
Eine nicht zu der Zeit geschuldete Befriedigung liegt insbesondere dann
vor, wenn der Schuldner vor Fälligkeit der Forderung Zahlungen leistete.
Die praktische Relevanz ist gering.
4 Dazu Kummer/ Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Auflage, § 131, Rn. D37 ff. 5 Kummer/ Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Auflage, § 131, Rn. D 21, D 59a. 6 BGH v. 24. Mai 2012 – IX ZR 96/11; BGH v. 23. März 2006 – IX ZR 116/03.
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2. § 130 InsO kongruente Deckung
Nach § 130 InsO sind kongruente Deckungshandlungen des Schuldners
anfechtbar. Es handelt sich um vertragstreues Verhalten des Schuldners.
Der Gläubiger und spätere Anfechtungsgegner erhält genau das, was
ursprünglich vereinbart wurde. Vor diesem Hintergrund reicht allein der
Eintritt der objektiven Zahlungsunfähigkeit nicht aus, der
Anfechtungsgegner genießt Vertrauensschutz. Die erfolgreiche
Anfechtung einer kongruenten Leistung ist an die Kenntnis der
Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geknüpft.
Weiß der Anfechtungsgegner von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit
des Schuldners, stellen sich kongruente Deckungsleistungen
grundsätzlich in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem
Eröffnungsantrag als anfechtbar dar.
3. § 133 Abs. 1 InsO Vorsatzanfechtung
Von großer praktischer Bedeutung ist § 133 Abs. 1 InsO, die so genannte
Vorsatzanfechtung.
Gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist eine Rechtshandlung des Schuldners
anfechtbar, die dieser mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu
benachteiligen und, in den letzten zehn Jahren vor dem
Eröffnungsantrag vorgenommen hat und der Gläubiger zur Zeit der
Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
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Zunächst fällt auf, dass die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO nicht
auf drei Monate vor dem Eröffnungsantrag beschränkt ist, sondern zehn
Jahre zurück reicht. Ferner ist hier nicht irgendeine Rechtshandlung
gefordert, sondern im speziellen eine solche des Schuldners. Der Begriff
der Rechtshandlung gewinnt erst hier an Trennschärfe. Ausgenommen
sind demnach solche Rechtshandlungen, die von einem
willensgesteuerten Handeln des Schuldners nicht abhängig sind. An
einem solchen willensgesteuerten Handeln mangelt es, wenn etwas aus
dem Vermögen des Schuldners gelangt, ohne dass dieser auf den
Abfluss dieses Vermögensgegenstandes Einfluss hatte. Das führt dazu,
dass Vollstreckungsmaßnahmen als solche in Ermangelung einer
Rechtshandlung des Schuldners nicht gemäß § 133 Abs. 1 InsO
anfechtbar sind.7 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die
Zwangsvollstreckungsmaßnahme auf einer Mitwirkungshandlung des
Schuldners beruht. Pfändet etwa der Gläubiger eine vermeintliche
Forderung des Schuldners gegen seine Bank, die es jedoch in
Wirklichkeit aufgrund mangelnder Kontodeckung nicht gab und zahlt der
Schuldner daraufhin unter Inanspruchnahme seiner Kreditlinie, liegt die
anfechtbaren Rechtshandlungen in eben dieser Ausschöpfung des
Dispokredits vor.8 Als Rechtshandlung des Schuldners stellen sich auch
Zahlungen dar, die dieser an einen Gerichtsvollzieher im Rahmen einer
mit ihm geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen hat.9
Das Argument, der Gerichtsvollzieher hätte bei Weigerung des
Schuldners auf die an ihm zu zahlende Summe zugreifen können, greift
nicht durch, da der Gerichtsvollzieher bei Ratenzahlungsvereinbarungen
seine Termine ankündigt.
7 Uhlenbruck/Hirte (Fn 1), § 133 Rn. 8. 8 BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 157/06, ZInsO 2008, 161. 9 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZInsO 2010, 226; BGH v. 19.09.2013 – IX ZR 4/13, ZInsO 2013, 2213.
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Liegt eine Rechtshandlung des Schuldners vor und kann auch eine
objektive Gläubigerbenachteiligung nachgewiesen werden, stellt sich die
Frage, ob der Schuldner vorsätzlich handelte. Der
Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme
der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen
als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge –
sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten
anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat.10 Demzufolge ist lediglich
bedingter Vorsatz notwendig. Die Absicht des Schuldners, einen
Gläubiger gezielt zu befriedigen, ist ebenso wenig Voraussetzung, wie
ein kollusives Zusammenwirken zwischen Gläubiger und Schuldner.
Durchgesetzt hat sich die Formel, dass ein zahlungsunfähiger Schuldner,
der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, regelmäßig mit
Benachteiligungsvorsatz handelt, wenn er trotz Kenntnis der
Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger befriedigt. Ein
zahlungsunfähiger Schuldner weiß, dass seine ihm zur Verfügung
stehenden Mittel gerade nicht ausreichend sind, die Gläubigergesamtheit
zu befriedigen.11 Dabei beschränkt sich die Indizwirkung nicht erst auf
eingetretene Zahlungsunfähigkeit. Auch drohende Zahlungsunfähigkeit
kann ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des
Schuldners darstellen.12
Neben der Zahlungsunfähigkeit ist noch die inkongruente Leistung des
Schuldners als Indiz für den Vorsatz des Schuldners ein in der Praxis
häufiger Fall.
Der Tatbestand des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist erst dann erfüllt, wenn
auch der andere Teil von den Vorsatz des Schuldners kannte. Allerdings
10 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190. 11 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190; Uhlenbruck/Hirte (Fn. 1)§ 133 Rn. 13. 12 BGH v. 22.05.2014 – IX ZR 95/13, ZInsO 2014, 1326.
22
gewährt § 133 Abs. 1 S. 2 InsO dem Insolvenzverwalter eine erhebliche
Beweiserleichterung. Denn nach dieser Vorschrift wird diese Kenntnis
vermutet, wenn der andere Teil die zumindest drohende
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte und ihm die
gläubigerbenachteiligende Wirkung bekannt war. Der zweite Punkt ist
von der Rechtsprechung insoweit abgeschwächt worden, als bei einem
unternehmerisch tätigen Schuldner regelmäßig zu vermuten ist, dass
andere Gläubiger mit offenen Forderungen existieren.
III. Der Kernbereich im Anfechtungsrecht – der Rech tsbegriff der
Zahlungsunfähigkeit
1. Zahlungsunfähigkeit
Bei dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit handelt es sich um einen
Rechtsbegriff. Den Begriff der Zahlungsunfähigkeit regelt die
Insolvenzordnung in § 17 InsO. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist ein
Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen
Zahlungspflichten zu erfüllen. Für den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit
obliegt es dem Insolvenzverwalter grundsätzlich durch Aufstellung einer
Liquiditätsbilanz nachzuweisen, dass zur Zeit der Handlung
Zahlungspflichten des Schuldners bestanden, die durch seine ihm zur
Verfügung stehenden Mittel nicht vollständig gedeckt sind. Ergibt die
Gegenüberstellung eine Liquiditätsunterdeckung von 10 % oder mehr,
liegt Zahlungsunfähigkeit – wiederum – in der Regel vor. Diese Regel
wird dann durchbrochen, wenn mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausnahmsweise davon ausgegangen werden kann,
dass sich die Liquiditätslücke demnächst verringert.13 Beträgt die
Liquiditätsunterdeckung 10 % oder weniger, kann gleichwohl
13 BGH v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04, ZInsO 2005, 807; weitere Hinweise zur Aufstellung einer Liquiditätsbilanz bei MüKoInsO/Eilenberger (Fn. 2) § 17 Rn. 20.
23
Zahlungsunfähigkeit vorliegen, wenn ausnahmsweise davon
ausgegangen werden kann, dass diese Grenze demnächst überschritten
wird.14
2. Zahlungseinstellung
Gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit
des Schuldners auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen
eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des
Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit
ausdrückt, sich also für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte
Eindruck aufdrängen muss, dass der Schuldner nicht in der Lage ist,
seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.15 Es ist nicht erforderlich ist,
dass der Schuldner überhaupt keine Forderung mehr bezahlen konnte.
Zahlungseinstellung des Schuldners kann eingetreten sein, obwohl er
noch Zahlungen leistet. 16 Der Nachweis der Zahlungseinstellung kann
auf mehr oder weniger bedeutsame Beweisanzeichen gestützt werden.17
folgende Beweisanzeichen sind von der Rechtsprechung bisweilen
anerkannt worden:
• ständiger Rückstand
• Häufung von Mahnungen
• Rückstand bei besonders wichtigen Gläubigern
(Sozialversicherungsträgern, Arbeitnehmern, bedeutsamen
Zulieferern) über einen längeren Zeitraum
• Häufung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
14 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210. 15 Statt vieler Uhlenbruck/Uhlenbruck (Fn.1) § 17 Rn. 29; BGH. v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190. 16 Uhlenbruck/Uhlenbruck (Fn. 1)§ 17 Rn. 29; BGH v. 21.06.2006 – IX ZR 231/04, ZInsO 2007, 816. 17 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190.
24
• aufgrund mangelnder Kontodeckung nicht eingelöste
Lastschriften bzw. Schecks
• Stundungsbitten des Schuldners
• Anfragen, fällige Forderungen durch Teilzahlungen zu leisten
• offene Forderungen von Gläubigern zur Zeit der Rechtshandlung
die bis zur Verfahrenseröffnung nicht ausgeglichen werden
konnten
IV. Verteidigungsmöglichkeiten
1. Trotz Zahlungseinstellung keine Zahlungsunfähigk eit
Der Dreh- und Angelpunkt der Insolvenzanfechtung ist die eingetretene
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. die Kenntnis des
Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit. In aller Regel wird der
anfechtende Insolvenzverwalter es vorziehen, Zahlungseinstellung durch
Indizien nachzuweisen. Trotz Zahlungseinstellung kann es möglich sein,
dass der Schuldner nicht zahlungsunfähig ist. Nach oben dargestellten
Kriterien ist das der Fall, wenn tatsächlich keine Liquiditätslücke bestand,
die 10 % überstieg. Insofern kann der in Anspruch genommene
Gläubiger im Prozess mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens
versuchen, den Nachweis der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit des
Schuldners zu führen. Allerdings ist zu beachten, dass die Beweislast,
sofern die Indizien für Zahlungseinstellung ausreichen, beim
Anfechtungsgegner liegt.
2. Trotz Zahlungsunfähigkeit kein Benachteiligungsv orsatz – § 133
InsO
Für einen Anspruch nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO genügt
Zahlungseinstellung nicht per se. Zahlungseinstellung ist nur ein Indiz für
25
den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Dass der
Schuldner auch trotz Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger befriedigen
kann, ohne die Benachteiligung seiner sonstigen Gläubiger billigend in
Kauf genommen zu haben, zeigen folgende Erwägungen:
a) Bargeschäftsähnliche Lage
Gelingt dem Insolvenzverwalter der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit
gemäß § 17 InsO, so bedeutet das, dass der Schuldner mit seiner
Rechtshandlung die Gläubiger regelmäßig benachteiligen wollte. Eine
Ausnahme liegt dann vor, wenn Schuldner und Gläubiger einen
unmittelbaren Leistungsaustausch im Sinne des § 142 InsO vollziehen,
mithin zeitnah gleichwertige Leistungen austauschen.18 Liegt ein solcher
Leistungsaustausch vor, spricht viel dafür, dass der Schuldner mit der
Zahlung an den Gläubiger ausschließlich dessen Befriedigung
bezwecken wollte und diese nicht mit dem Willen erbracht hat, andere
Gläubiger zu benachteiligen. Demzufolge fehlt es am
Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners.
Allerdings ist hier noch vieles ungeklärt, da § 142 Abs. 1 InsO
ausdrücklich ein Bargeschäft als anfechtbar erklärt, wenn die
Voraussetzungen des § 133 InsO vorliegen. Demgemäß müssen Fälle
existieren, in denen trotz unmittelbaren Leistungsaustauschs die
Anfechtung Erfolg hat.
b) Sanierungsbemühungen
Zahlt ein Schuldner trotz seiner Zahlungsunfähigkeit an einen Gläubiger,
kann der Vorsatz des Schuldners, mit dieser Zahlung seine Gläubiger zu
benachteiligen, nicht vorliegen, wenn die Zahlung im Rahmen eines
ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs
18 Kayser, NJW 2014, 422, 427; Kayser, WM 2013, 293, 298; Fischer NZI 2008, 588, 593f.
26
vorgenommen wurde. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist dafür
Voraussetzung, dass das Konzept des Schuldners in sich schlüssig ist,
eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg besteht und das
Konzept jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt wurde.19
Für die Frage der Prognose ist auf einen geschäftskundigen
unvoreingenommenen Fachmann abzustellen, dem die üblichen
Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen. Dieser hat auch die
Krisenursachen und die Wirtschaftslage des Schuldners zu
berücksichtigen.20
Da jedoch § 133 Abs. 1 S. 1 InsO an den Vorsatz des Schuldners
anknüpft, reicht dessen fahrlässiges Handeln nicht. Dementsprechend ist
es unschädlich, wenn die Erfolgsaussichten der Sanierung vom
Schuldner ex ante falsch beurteilt werden. Ein Schuldner, der aus seiner
Sicht hinreichende Maßnahmen unternimmt, die Sanierung
voranzutreiben, handelt subjektiv redlich. Er wollte eine
Gläubigerbenachteiligung gerade vermeiden.21
Hat sich bei dem Schuldner aufgrund konkreter Tatsachen die
Überzeugung gebildet, in absehbarer Zeit alle seine Gläubiger
befriedigen zu können, spricht dies ebenfalls gegen dessen Vorsatz.
Nicht ausreichend ist die bloße Hoffnung des Schuldners, seine Krise zu
überwinden.22
V. Beweislastfragen
1. Nahestehende Person
19 BGH v. 21.02.2013 – IX ZR 52/10, ZInsO 2013, 780. 20 Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Aufl. 2014, Rn. F42. 21 BGH v. 04.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248. 22 BGH v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02, ZInsO 2003, 764.
27
Zu beachten ist, dass gemäß § 130 Abs. 3 InsO und § 131 Abs. 2 S. 2
InsO die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit
vermutet wird, wenn dieser eine nahestehende Person gemäß § 138
InsO ist. Dies soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
selbst für solche Personen gelten, die im Rahmen ihrer Tätigkeit
gegenüber anderen Gläubigern einen klaren Wissensvorsprung
erlangen. Dies ist regelmäßig bei Steuerberatern der Fall, die mit der
ständigen Buchhaltung von Seiten des Schuldners beauftragt wurden
und in diesem Rahmen fortwährend durch Einreichung von Belegen über
die Solvenz des Schuldners aufgeklärt waren.
2. Beweislastumkehr im Rahmen des § 133 InsO
Der Bundesgerichtshof sieht die Beweislast für den Nachweis des
Wegfalls der Zahlungseinstellung beim Anfechtungsgegner, wenn der
Nachweis einmal geführt ist.
Die einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur damit abgewendet
werden, dass der Schuldner sämtliche Zahlungen wieder auf nimmt. Dies
hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Hat der anfechtende
Verwalter für einen bestimmten Zeitpunkt den ihm obliegenden Beweis
der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss der
Anfechtungsgegner grundsätzlich beweisen, dass diese Voraussetzung
zwischenzeitliche wieder entfallen ist.23
Für den nachträglichen Wegfall der subjektiven
Anfechtungsvoraussetzung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gilt
Entsprechendes. Ein Gläubiger, der von der einmal eingetretenen
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, hat darzulegen und zu
23 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, Rn 33.
28
beweisen, warum er später davon ausging, der Schuldner habe seine
Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen.24
Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des
Anfechtungsgegners begründen, nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall
der Umstände allein bewirkt nicht zwingend den Verlust der Kenntnis.
Vielmehr ist auf der Grundlage aller von den Parteien vorgetragenen
Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob eine Kenntnis der
Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr
bestanden hat.25
24 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, Rn 33. 25 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, Rn 39.
29
Teil 3:
Praktische Tipps für ausgesuchte Einzelfälle:
Rolf Otto Neukirchen
I. Lösungsklauseln
Nachdem wir jetzt festgestellt haben, dass man mit einem insolventen
Geschäftspartner eigentlich nur Arbeit und Ärger hat, könnte es ja eine
gute Idee sein, vertragliche Beziehungen so zu gestalten, dass sie mit
Insolvenz des Vertragspartners enden, entweder schon mit
Antragstellung, jedenfalls aber mit Verfahrenseröffnung. Damit stellt sich
die Frage der Zulässigkeit sogenannter Lösungsklauseln. Das kann im
Einzelfall problematisch sein. Denn die InsO beinhaltet in den § 103 bis
§ 118 Regelungen und Vereinbarungen, die diese gesetzlichen
Regelungen ausschließen oder beschränken, sind unwirksam, § 119
InsO.
Welche Fälle sind also gesetzlich zwingend geregelt?
• Die Regelung des § 103 InsO ist die generelle Vorschrift für
zweiseitige Verträge, die bei Insolvenzeröffnung von keiner Partei,
also weder vom Insolvenzschuldner noch vom Vertragspartner,
vollständig erfüllt waren.
• § 107 InsO - Eigentumsvorbehalt: zivilrechtlich bedeutet der
Eigentumsvorbehalt den Vorbehalt des Käufers, dass die in der Regel
verkaufte Sache Eigentum des Verkäufers bleibt, solange der
30
Kaufpreis nicht bzw. nicht vollständig gezahlt worden ist. Dieser
sogenannte einfache Eigentumsvorbehalt ist Standard in Verkäufer-
bzw. Lieferanten-AGB und auch insolvenzfest, d. h., dass der
Eigentumsvorbehaltsverkäufer vom Insolvenzschuldner bzw. vom
Insolvenzverwalter die Herausgabe der Sache verlangen kann.
In der Praxis wird dies so gehandhabt, dass der Insolvenzverwalter
zu Verfahrensbeginn eine lieferantenbezogene Inventur durchführen
lässt. Zu berücksichtigen ist Abs. 2 der Vorschrift, nach der der
Verwalter erst nach dem Berichts- und Prüfungstermin bzw. dem
diesem im schriftlichen Verfahren entsprechenden Stichtag zur
Herausgabe verpflichtet ist, da er streng genommen erst nach diesem
Termin die Erfüllungserklärung im Sinne von § 103 InsO abgeben
muss.
• Aufträge, die der Schuldner erteilt hat, erlöschen durch
Insolvenzeröffnung, also z. B. das anwaltliche Mandat oder das
Mandat des Steuerberaters.
II. Regelungsinhalt des § 119 InsO
Inwiefern einzelne Regelungen der §§ 103 bis 118 Gegenstand
abweichender Vereinbarung sein dürfen, ist jeweils Gegenstand des
gesonderten Vertrages. Zu § 119 InsO taucht jedoch ganz allgemein die
Frage nach der Zulässigkeit von gerade insolvenzbedingten
Lösungsklauseln auf. Grundsätzlich wirksam auch im Insolvenzfall sind
solche Lösungsklauseln, die an insolvenzunabhängige Ereignisse
anknüpfen, etwa Verzug, Vertragsverletzungen oder auch ganz
allgemein eine Vermögensverschlechterung. Demgegenüber sind
insbesondere nach dem Urteil des BGH vom 5. November 2012, Az. IX
ZR 169/11, Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung
31
von Waren unwirksam, wenn diese an den Insolvenzantrag oder die
Insolvenzeröffnung anknüpfen. Im konkreten Fall ging es um einen
Energielieferungsvertrag, der eine Regelung beinhaltete, dass dieser
auch ohne Kündigung automatisch endet, wenn der Kunde
Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrages das
vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder eröffnet wird. Diese
Klausel hat der BGH für unwirksam angesehen. Für die Praxis muss man
sich die Frage nach der Reichweite dieses Urteils stellen. Handelt es sich
also nur um eine Einzelfallentscheidung mit insoweit zweifellos
grundsätzlicher Bedeutung, aber ohne Auswirkung auf sonstige
Vertragstypen, oder wollte der BGH im Rahmen des § 103 InsO
grundsätzlich klarstellen, dass jegliche Arten von Lösungsklauseln
wegen Verstoßes gegen § 119 InsO unwirksam sind? Dies ist zurzeit
offen und Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Man wird hier
die weitere Rechtsprechung abzuwarten haben. In der
wissenschaftlichen Praxis wird insbesondere das Argument der
Vertragsfreiheit gebracht, also das zivilrechtliche Prinzip, dass
geschäftsfähige Personen Verträge mit welchem Inhalt auch immer
schließen können, solange dies nicht gegen das Gesetz oder die guten
Sitten verstößt. Spannend ist die Weiterentwicklung insbesondere aber
vor dem Hintergrund, dass nach derzeitiger Rechtslage es einige
praktisch relevante Klauseln gibt, die jedenfalls bisher als
unproblematisch wirksam betrachtet werden.
III. § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B – 2012
Die Vorschrift sieht vor, dass der Auftraggeber den Vertrag kündigen
kann, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder
zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das
Insolvenzverfahren bzw. ein vergleichbares gesetzliches Verfahren
32
beantragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung
mangels Masse abgelehnt wird. Diese Klausel ist Standard und wird
bisher für wirksam angesehen. Die Diskussion ist bereits zu § 17
Konkursordnung, dem Vorgänger von § 103 InsO, geführt worden. Der
damals für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH hat die
Vorschrift für wirksam gehalten, weil dem Auftraggeber bis zur
Fertigstellung des Werkes ohnehin das gesetzliche Kündigungsrecht
nach § 649 BGB zusteht.
IV. Nr. 19 AGB Banken / Nr. 26 AGB Sparkassen
Nach diesen Vorschriften kann das Institut die Geschäftsbeziehung zum
Kunden kündigen, und zwar ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist,
wenn ein wichtiger Grund hierfür besteht und ein solcher besteht
insbesondere in einer wesentlichen Verschlechterung der
Vermögensverhältnisse des Kunden. Dies wird man bei Einleitung eines
Insolvenzverfahrens anzunehmen haben.
V. Erbbaurecht
Als wirksam wird ebenfalls eine Regelung in einem Erbbaurechtsvertrag
angesehen, wonach der Heimfall eintritt, wenn der Erbbauberechtigte
insolvent wird.
33
Der Werkvertrag in der Insolvenz
Markus van Marwyk
I. Rechtsnatur des Werkvertrags
Der Werkvertrag ist einer der besonderen Vertragstypen, die im
Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. § 631 Abs. 1 BGB definiert die
wechselseitigen Pflichten der Vertragsparteien. Durch den Werkvertrag
wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der
Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Unter einem Werkvertrag wird in Abgrenzung zum Dienstvertrag ein
Vertrag verstanden, bei dem sich die eine Partei verpflichtet, einen vorher
definierten Erfolg herbeizuführen. Die Herstellung von Bauwerken und
die Durchführung von Reparaturen bilden klassische Fälle von
Werkverträgen.26
II. Erfüllung des Werkvertrages
Der Werkvertrag ist von Seiten des Unternehmers erfüllt, wenn er das
geschuldete Werk vertragsgemäß, fehlerfrei und abnahmereif hergestellt
hat. Ungeklärt ist die Frage, ob der Vertrag erst mit Ablauf der
Verjährungsfrist für die Mängelbeseitigung gemäß § 634a BGB erfüllt ist.
27 Der Besteller hat seinen Teil aus dem Werkvertrag voll erfüllt, wenn
zur Zeit der Verfahrenseröffnung weder ein Anspruch auf Abnahme des
26 Plandt/Sprau Einf v § 631, Rn. 1. 27 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 63, was in der herrschenden Literatur bejaht wird.
34
Werkes gemäß § 640 Abs. 1 BGB noch Zahlung des Werklohns besteht,
§ 631 Abs. 1 BGB.28
III. Insolvenz des Vertragspartners während der Dur chführung des
Werkvertrages
Haben beide Parteien, mithin der Unternehmer und der Besteller, den
Werkvertrag noch nicht vollständig erfüllt und gerät ein Teil in die
Insolvenz, besteht der Vertrag grundsätzlich fort. Beide Teile sind jedoch
regelmäßig aufgrund der Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß
§ 320 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern.29 Die
Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag kann von keiner Seite
durchgesetzt werden. Dies gilt allerdings nur für die Dauer des
Insolvenzverfahrens. Wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, lebt die
ursprüngliche Verpflichtung in vollem Umfang wieder auf. Beide
Vertragsparteien können sodann die Erfüllung des Vertrages verlangen.
Durch den Eintritt der Insolvenz eines Vertragsteils wird in
insolvenzrechtlicher Hinsicht der Werkvertrag in einen durchgeführten
und einen nicht durchgeführten Teil gespalten. Die Vertragsparteien
werden so behandelt, als hätten sie zwei selbstständige Verträge
geschlossen, und zwar einen über die vorinsolvenzlich erbrachte
Teilleistung und einen zweiten über die im Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung noch ausstehende Teilleistung.30
§ 103 Abs. 1 InsO gibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die
Erfüllung des Vertrages zu verlangen, wenn der Vertrag von beiden
Seiten noch nicht vollständig erfüllt wurde. Der Insolvenzverwalter hat im
Sinne einer bestmöglichen Handhabung für die Insolvenzmasse darüber
28 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 64. 29 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 11, 12. 30 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 16.
35
zu entscheiden, ob er an der Erfüllung des Vertrages festhält oder
dessen weitere Erfüllung ablehnt. Regelmäßig wird sich der
Insolvenzverwalter für die weitere Erfüllung des Vertrages entscheiden,
wenn die Gegenleistung des Vertragspartners zu einem Massezufluss
führt.31
IV. Einzelfall: Insolvenz im Bauvertrag
Sachverhalt: Besteller (Bauherr oder Hauptunternehmer) B schließt mit
dem Werkunternehmer (oder Subunternehmer) W einen
Bauvertrag. Der Rohbau ist durch W erstellt worden. B hat
einen Teil der Vergütung an W gezahlt. W fällt in Insolvenz.
1. Insolvenzverwalter verlangt Erfüllung § 103 Abs. 1 InsO
Übt der Insolvenzverwalter sein Wahlrechts gemäß § 103 Abs. 1 InsO
aus, wird der Anspruch auf die Gegenleistung geteilt. Hinsichtlich des
Teils, der vor der Insolvenz liegt, handelt es sich um eine „normale“
Insolvenzforderung. Der Teil, der zur Zeit der Insolvenzeröffnung noch
nicht erfüllt war, erstarkt – folgerichtig – zur Masseverbindlichkeit. Dies
erfasst neben den Primäransprüchen in Gestalt der Werklohnansprüche
des Unternehmers auch alle Sekundäransprüche, mithin
Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüche.32
In Bezug auf den oben dargestellten Fall bedeutet dies, dass sich der
Insolvenzverwalter verpflichtet, das Bauwerk fertigzustellen. Dafür kann
er von dem B die vereinbarte Vergütung verlangen.
2. Insolvenzverwalter lehnt Erfüllung gemäß § 103 A bs. 1 InsO ab
31 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 97. 32 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 138 ff.
36
Im Werkvertragsrecht ist Dreh- und Angelpunkt für die Frage der
Erfüllung die Abnahme des Werkes durch den Besteller. Anerkannt ist,
dass der Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung des
Werkes auch auf andere Weise erlöschen kann. Insbesondere kann der
Besteller von seinem jederzeitigen Kündigungsrecht Gebrauch machen,
§ 649 BGB. Verzichtet der Besteller auf die weitere Durchführung des
Werkvertrages und erhebt lediglich Schadensersatzansprüche, kann
darin eine solche Kündigung gesehen werden.33 In diesen Fällen
erlöschen die Hauptleistungspflichten aus dem ursprünglichen
Werkvertrag. Es entsteht ein Abrechnungsverhältnis, in dem die bisher
erbrachten Leistungen des Bauträgers mit eventuell vorhandenen
Mängeln und Schadensersatzansprüchen verrechnet werden.34
Verweigert der Insolvenzverwalter des W die weitere Erfüllung des
Werkvertrages und entscheidet sich gegen die Erstellung des Werkes,
entsteht ein Schaden bei B. B muss für die vollständige Herstellung des
Werkes anderweitig sorgen. Diese Kosten kann B von W ersetzt
verlangen, indem er seinen Schaden als Insolvenzforderung geltend
macht. Dadurch gibt der B jedoch zugleich zu erkennen, an der weiteren
Durchführung des Werkvertrages durch W nicht interessiert zu sein.
Meldet B seine Schadensersatzansprüche in dem Insolvenzverfahren
über das Vermögen des W zur Insolvenztabelle an, wird das
Vertragsverhältnis durch die Anmeldung beendet. In diesem Zeitpunkt
entsteht zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis. In diesem
kann W seinen für die bisherige Teilherstellung anfallenden
Werklohnanspruch auf der einen Seite einstellen. B kann zu seinen
Gunsten Schadensersatzansprüche wegen des Verlusts von
33 statt vieler OLG Düsseldorf v. 92. Juli 2014 – I-21 U 193/13, 21 U 193/13 Rn. 36. 34 OLG Düsseldorf v. 92. Juli 2014 – I-21 U 193/13, 21 U 193/13 Rn. 36; OLG Frankfurt v. 16. Dezember 2011 – 10 U 294/09 Rn. 22.
37
Gewährleistungsrechten und eventuell bisher erbrachte
Abschlagszahlungen in das Abrechnungsverhältnis einstellen.35
3. Besonderheiten beim Bauträgervertrag – § 106 Ins O
Der Bauträgervertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Bauherr
verpflichtet, ein Grundstück des Bauträgers zu erwerben, welches von
diesem bebaut wurde. Der Bauträgervertrag weist Merkmale des
Kaufvertrages zum einen und zum anderen solche eines Werkvertrages
auf, da von Seiten des Bauträgers auch die Errichtung des Gebäudes
geschuldet ist. Zur Absicherung des Bauherrn lässt sich dieser im
Grundbuch regelmäßig eine Auflassungsvormerkung eintragen, die den
Eigentumserwerb absichern soll.
Gerät nunmehr der Bauträger in die Insolvenz, wird der Bauträgervertrag
unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten in den kaufrechtlichen und
werkvertraglichen Teil aufgespalten. Die Vertragsparteien werden so
behandelt, als hätten sie zwei selbstständige Verträge geschlossen,
nämlich zum einen den Kaufvertrag über das Grundstück und zum
anderen den Werkvertrag in Bezug auf die Errichtung des Gebäudes.
Hinsichtlich beider Teile kann der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs.
1 InsO die Erfüllung verlangen oder auch nicht.
In dieser Beziehung erhält § 106 Abs. 1 S. 1 InsO eine Sonderregel für
den Fall, dass der Bauherr sich durch die Eintragung einer
Auflassungsvormerkung abgesichert hat. Die Wirkung der Vormerkung
soll auch im Insolvenzverfahren erhalten bleiben. Der Insolvenzverwalter
ist verpflichtet, den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch so zu
erfüllen, wie es außerhalb des Insolvenzverfahrens der Schuldner tun
müsste. Er hat auf Rechnung der Insolvenzmasse alle Handlungen
35 MüKoInsO/Kreft § 103 Rn. 22 mwN.
38
vorzunehmen, die zum Eintritt der geschuldeten Rechtsänderung
erforderlich sind. Im Hinblick auf den Bauträgervertrag hat der
Insolvenzverwalter die Auflassung zu erklären und die Eintragung zu
bewilligen, damit das Eigentum an dem Grundstück übergeht.
Da der Insolvenzverwalter aufgrund der Vormerkung wie der Schuldner
außerhalb der Insolvenz handeln muss, kann er den
Vormerkungsberechtigten sämtliche Einwendungen und Einreden des
Schuldners entgegensetzen. Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter
die Übertragung des Eigentums verweigern kann, wenn insbesondere
beim kaufrechtlichen Teil des Bauträgervertrags der Kaufpreis noch nicht
gezahlt wurde. In der Insolvenz des Bauträgers ist jedoch das Bauwerk
nicht vollständig fertig gestellt worden, so dass die Einigung über den
Kaufpreis unter anderen Gesichtspunkten erzielt wurde. In diesem Fall
ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung der Kaufpreis zu
ermitteln.36 Der Anspruch auf Übereignung ist Zug um Zug gegen
Zahlung des anteiligen Kaufpreises zu erfüllen.
In der Sache wird in Bezug auf die Übertragung des Grundstücks § 103
Abs. 1 InsO durch § 106 InsO verdrängt. Der durch die Vormerkung
gesicherte Anspruch, also der vereinbarte Anspruch auf Übertragung des
Eigentums, verliert nicht seine Durchsetzbarkeit. Der Insolvenzverwalter
muss den gesicherten Anspruch erfüllen, das Wahlrechts des § 103 Abs.
1 InsO ist ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter kann die
Übereignung eines durch Auflassungsvormerkung gesicherten
Übereignungsanspruchs gemäß § 106 Abs. 1 S. 1 InsO auch nicht auf
Grundlage des § 103 Abs. 1 InsO verweigern. In der Bauträgerinsolvenz
besteht diese Möglichkeit jedoch für den werkvertraglichen Teil.
36 OLG Stuttgart v. 18. August 2003 – 5 U 62/03.
39
Mietvertrag und Arbeitsvertrag
Rolf Otto Neukirchen
I. Mietvertrag
Der Miet- und analog der Pachtvertrag ist in der Insolvenzordnung
ausdrücklich geregelt, was ja grundsätzlich schon einmal die Beurteilung
der Rechtslage erleichtert. Ausgangspunkt ist § 108 InsO , wonach u.a.
Miet- und Pachtverträge grundsätzlich fortbestehen, d.h., wenn keine
Partei irgendwelche Erklärungen abgibt, ändert sich auch nichts. Fangen
wir mal mit dem praktisch vermutlich weniger relevanten Fall an, dass
der Vermieter bzw. Verpächter insolvent wird. Für diesen Fall beinhaltet
die Insolvenzordnung kein Sonderkündigungsrecht, d. h., die
Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung und auch die Verpflichtung
zum Erhalt der Mietsache im vertragsgerechten Zustand geht auf den
Insolvenzverwalter über, der mithin auch zur Abrechnung der
Nebenkosten verpflichtet ist. Etwaige Nachzahlungsverpflichtungen oder
Erstattungsforderungen begründen in Abhängigkeit davon, ob sie vor
Insolvenzeröffnung entstanden sind oder nach Insolvenzeröffnung
entstehen, Insolvenzforderungen oder eben Masseforderungen des
Mieters gegen den insolventen Vermieter. Gegen eine
Erstattungsforderung aus vorinsolvenzlichen Zeiträumen kann der Mieter
demgemäß auch nur mit solchen Forderungen aufrechnen, die im selben
Zeitraum entstanden sind. Dies ergibt sich aus den allgemeinen
Aufrechnungsvorschriften im Insolvenzverfahren.
40
Hatte der Mieter eine Mietkaution durch eine Geldzahlung geleistet, so
bleibt diese treuhänderische Bindung auch in der Insolvenz des
Vermieters bestehen, wenn, und das ist ganz wichtig, die Mietkaution
unterscheidbar im Vermögen des Vermieters vorhanden ist, also
insbesondere etwa auf ein Kautionskonto eingezahlt worden ist. Dann,
aber eben auch nur dann, hat der Mieter ein Aussonderungsrecht an der
Kaution. Hatte der Vermieter vorinsolvenzlich die Kaution mit seinem
Vermögen im Übrigen vermischt, begründet der
Kautionsrückzahlungsanspruch eine Insolvenzforderung.
Wird über das Vermögen des Mieters oder Pächters ein
Insolvenzverfahren eröffnet, so sieht das Gesetz in § 109 InsO ein
Sonderkündigungsrecht für den Insolvenzverwalter vor. Insbesondere
bei gewerblichen Mietverträgen werden häufig lange Laufzeiten von zehn
oder zwölf Jahren vereinbart, an die dann der Insolvenzverwalter nicht
gebunden ist. Er kann nach § 109 InsO mit einer Frist von drei Monaten
zum Monatsende kündigen. Wird durch dieses Sonderkündigungsrecht
eine längere Vertragslaufzeit für den Vermieter gegenstandslos, so
entspricht dem ein Schadensersatzanspruch wegen dieses sogenannten
Verfrühungsschadens.
Der Schadensersatzanspruch wiederum ist Insolvenzforderung, also in
der Regel wirtschaftlich nicht sonderlich werthaltig. Der Mietzinsanspruch
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist Masseverbindlichkeit, § 55 Abs. 1
Nr. 2 InsO.
In seinem Bemühen, durch die Insolvenzordnung jedenfalls auch den
Unternehmenserhalt zu fördern, ist die Vorschrift des § 112 InsO
eingeführt worden, die für den Vermieter eine Kündigungssperre
beinhaltet.
41
War bereits vor Insolvenzantragstellung der Mietzins rückständig und ist
bis zu diesem Zeitpunkt vermieterseitig deswegen nicht gekündigt
worden, so kann wegen dieses Rückstandes der Vermieter nicht nach
Insolvenzantragstellung noch kündigen. Also:
Mietzinsrückstand besteht für die Monate Januar und Februar.
Ende Februar beantragt der Mieter ein Insolvenzverfahren. Haben
Sie als Vermieter bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekündigt, so
können Sie nunmehr wegen dieses Rückstandes, der ja an sich
zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte, dem Mieter nun nicht
kündigen, § 112 Ziff. 1 InsO.
Allerdings kann während des Insolvenzantragsverfahrens, wenn es
länger dauert, ein neuer Kündigungsgrund entstehen, nämlich wenn
dann wiederum ein Mietzinsrückstand entsteht. In unserem Beispiel also
für März und April. Dann kann der Vermieter den Mietvertrag wegen
dieses Rückstandes kündigen.
Bei Kündigung ist mit Ablauf der Kündigungsfrist die Mietsache an den
Vermieter zurückzugeben. Insofern gelten keine Besonderheiten.
Praktisch taucht jedoch regelmäßig das Problem auf, dass sich die
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Mietsache, etwa Geschäftsräume, in einem nicht geräumten und
möglicherweise vermüllten Zustand befindet.
Dann taucht die Frage auf, ob der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, die
Mietsache in besenreinem Zustand zurückzugeben oder nicht. Nun, die
Antwort fällt überwiegend vermieterfeindlich aus. Zu unterscheiden ist
nämlich nach der Rechtsprechung zwischen dem Herausgabeanspruch
und dem Räumungsanspruch. Der Herausgabeanspruch, der seine
Grundlage in § 985 BGB hat, ist insolvenzrechtlich ein
Aussonderungsrecht des Vermieters und erfüllt, wenn der
Insolvenzverwalter ihm die Mietsache zurückgegeben hat, ihm also den
unmittelbaren Besitz an der Mietsache wieder verschafft hat, also den
Zugang ermöglicht oder die Wegnahme geduldet und die Schlüssel
zurückgegeben hat.
Davon zu unterscheiden ist der miet- bzw. pachtrechtliche
Räumungsanspruch, der zum Inhalt hat, dass bei Beendigung des
Mietverhältnisses die Sache im vertragsgemäß geschuldeten Zustand
zurückzugeben ist. Diese Verpflichtung beruht letztlich auf dem
vorinsolvenzlich abgeschlossenen Mietvertrag und begründet deshalb
nach insolvenzrechtlicher Systematik eine Insolvenzforderung des
Vermieters, der also letztlich auf den Reparaturkosten sitzen bleibt.
Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn die Schäden an der Mietsache
nach Insolvenzeröffnung entstanden sind. Dann werden hierdurch
Masseverbindlichkeiten begründet.
Das dem Vermieter grundsätzlich gesetzlich zustehende Pfandrecht ist
insolvenzfest, erfährt allerdings in seiner Wirkung ebenfalls eine
Einschränkung in § 50 Abs. 2 InsO. Durch das Vermieterpfandrecht sind
nur geschützt die Ansprüche für Miete und Nebenkosten in den letzten
zwölf Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ältere
Rückstände sind nicht vermieterpfandrechtsgeschützt und auch der oben
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angesprochene sogenannte Verfrühungsschaden kann nicht über das
Vermieterpfandrecht liquidiert werden.
Dem Vermieter kann demgemäß im Wesentlichen empfohlen werden,
sich so weit wie möglich über eine Kaution, zweckmäßigerweise durch
Bankbürgschaft, abzusichern.
II. Arbeitsvertrag
Welche Wirkungen ergeben sich für den Arbeitgeber, wenn über das
Vermögen eines Arbeitnehmers oder auch Auszubildenden ein
Insolvenzverfahren eröffnet wird?
• Bestandsschutz
Der Arbeitsvertrag ist insolvenzfest. Dies haben wir oben bei § 108
InsO gesehen. Regelungen, die dies einschränken, sind demgemäß
unwirksam. Es kann also nicht wirksam vereinbart werden, dass die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Arbeitnehmers für den Arbeitgeber eine Kündigungsmöglichkeit des
Arbeitsvertrages eröffnet. Dies wäre eine nach § 119 InsO
unwirksame Lösungsklausel.
• Entgeltansprüche
Für Arbeitgeber eines insolventen Arbeitnehmers stellt sich praktisch
im Wesentlichen die Frage nach der Auszahlung der Vergütung.
Zum 1. Juli 2014 ist die vorerst letzte, aber sicherlich noch nicht
abschließende Reform des Privatinsolvenzrechts in Kraft getreten
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durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuld-
befreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte. Soweit
hier von Interesse, ist durch diese Reform die Vorschrift des § 114
InsO aufgehoben worden. Dies bedeutet für Sie als Arbeitgeber, dass
die Vorschrift des § 114 InsO nur in den Fällen weiterhin zu beachten
ist, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 1. Juli 2014 eröffnet
worden ist. Relevant ist insofern insbesondere die Vorschrift des
§ 114 Abs. 1 InsO, wonach Abtretungen des Arbeitsentgeltes bis zwei
Jahre nach Insolvenzeröffnung gültig bleiben, die pfändbaren
Entgeltanteile also an den Abtretungsempfänger, in der Regel die
Targo Bank, abzuführen sind. Daran ändert sich für die Altverfahren
nichts.
Durch ersatzlose Aufhebung des § 114 InsO gilt jedoch für die Fälle,
in denen das Insolvenzverfahren am 1. Juli 2014 oder später eröffnet
worden ist, dass Sie Ihrerseits an den Insolvenzverwalter – und eben
nur an den – die pfändbaren Entgeltanteile abzuführen haben. Sie
werden regelmäßig in diesen Fällen vom jeweiligen
Insolvenzverwalter – früher Treuhänder – entsprechend
angeschrieben.
Welche konkreten Beträge sind insolvenzbefangen?
Grundregel ist, dass das, was in der Einzelzwangsvollstreckung
pfändbar wäre, auch dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Damit ist die
sogenannte Pfändungstabelle zu § 850 c ZPO anwendbar. Nicht
pfändbar und damit auch insolvenzfrei ist der Mindestbehalt, der
zurzeit netto € 1.049,99 beträgt. Im Übrigen hängt die Höhe des
pfändbaren und damit an den Insolvenzverwalter abzuführenden
Betrages vom Nettoentgelt und den Unterhaltspflichten ab. Hat der
Schuldner etwa drei Unterhaltspflichten, so ist ein monatliches
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Nettoentgelt bis € 1.879,99 nicht pfändbar, bei vier Unterhaltspflichten
sind es € 2.099,99.
Die Tabelle wird in unregelmäßigen Abständen an die
Gehaltsentwicklung angepasst, so dass zu empfehlen ist, jeweils die
aktuelle Tabelle beizuziehen.
Besonderheiten können sich ergeben, wenn der Mitarbeiter weitere
Leistungen durch den Arbeitgeber erhält. Diese können ganz oder
teilweise pfändbar oder auch unpfändbar sein.
Immer unpfändbar sind demgemäß Einzahlungen für sogenannte
Riester-Renten, zusätzliches Urlaubsgeld im üblichen Rahmen oder
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zweckbezogene Zulagen, etwa Gefahren-, Schmutz- oder
Erschwerniszulagen.
Pfändbar sind Zuschläge etwa für Nacht- und Schichtarbeit dann,
wenn die Zuschläge nicht für Überstunden gezahlt werden, sondern
im Rahmen der normalen vertraglichen Arbeitszeit. Abfindungen,
insbesondere Sozialplanabfindungen, oder Abfindungen, die der
Arbeitgeber auf der Grundlage eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs
im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses zahlt, sind
grundsätzlich in vollem Umfange pfändbar.
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Teil 4:
Platz für Ihre Notizen
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Vielen Dank für Ihr Interesse !