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1 Die Insolvenz meines Geschäftspartners: Forderungsausfall und Forderungsverfolgung 24. Oktober 2014 © 2014 Schulz Tegtmeyer Sozien, Zweigertstraße 28-30, 45130 Essen Telefon: 0201 / 82777-0, Fax: 0201 / 82777-99 www.st-sozien.de

Die Insolvenz meines Geschäftspartners · 4 Das Thema der Nachlassinsolvenz kann jeden Erben betreffen. Da auf den Erben nicht nur die Sparguthaben, sondern auch die Schulden des

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Die Insolvenz meines Geschäftspartners:

Forderungsausfall

und

Forderungsverfolgung

24. Oktober 2014

© 2014 Schulz Tegtmeyer Sozien, Zweigertstraße 28-3 0, 45130 Essen

Telefon: 0201 / 82777-0, Fax: 0201 / 82777-99

www.st-sozien.de

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Inhaltsverzeichnis der Themen und Referenten: Teil 1: Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens - Rolf Otto Neukirchen ____________________________ __________3 Teil 2: Insolvenzanfechtung - Markus van Marwyk ______________________________ ________17 Teil 3: Praktische Tipps für ausgesuchte Einzelfälle: Lösungsklauseln - Rolf Otto Neukirchen_____________________________ _________ 29 Der Werkvertrag in der Insolvenz – Markus van Marwyk _______________________________ _______ 33 Mietvertrag und Arbeitsvertrag - Rolf Otto Neukirchen_____________________________ _________ 39 Teil 4: Platz für Ihre Notizen ____________________________ ___________ 47 Anlagen 1 bis 3 zum Vortrag ______________________ __________ 49

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Teil 1: Überblick über den Ablauf eines Insolvenzverfah rens

Rolf Otto Neukirchen

I. Insolvenzfähigkeit

Die Insolvenzordnung ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten und hat ein

einheitliches Verfahren geschaffen, das die bis dahin geltenden Gesetze

abgelöst hat, nämlich die Konkursordnung von 1877, die

Vergleichsordnung von 1935 und die in den neuen Bundesländern

geltende Gesamtvollstreckungsordnung von 1991. Wer ist überhaupt

insolvenzfähig ist? Dies war z. B. in der Konkursordnung und der

Gesamtvollstreckungsordnung unterschiedlich geregelt. Über wen bzw.

über wessen Vermögen kann also ein Insolvenzverfahren eröffnet

werden?

Die Frage beantwortet § 11 InsO. Insolvenzfähig ist danach jede

natürliche und juristische Person einschließlich des nicht rechtsfähigen

Vereins, sodann Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, oHG’s,

KG’s, Partnerschaftsgesellschaften, Gesellschaften bürgerlichen

Rechts, ferner der Nachlass einer Person, das Gesamtgut einer

fortgesetzten Gütergemeinschaft oder das Gesamtgut einer

Gütergemeinschaft, das von den Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet

wird, also zusammenfassend die GmbH, die AG, der Verein, etwa der

Sportverein, die GmbH & Co. KG, die Unternehmergesellschaft

(haftungsbeschränkt) und die Limited oder eine sonstige, hier

eingetragene Niederlassung von ausländischen Kapitalgesellschaften.

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Das Thema der Nachlassinsolvenz kann jeden Erben betreffen. Da auf

den Erben nicht nur die Sparguthaben, sondern auch die Schulden des

Erblassers übergehen, kann es sich empfehlen, die Annahme der

Erbschaft abzulehnen, wenn das Erbe überschuldet ist. Wer erst später

davon Kenntnis erlangt, kann die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums

anfechten. Die Frist beträgt jeweils sechs Wochen ab Kenntnis.

Wenn auch das alles nicht erfolgt ist, hilft in der Regel nur noch der

Insolvenzantrag über den Nachlass, um die Beschränkung der

Erbenhaftung auf den Nachlass herbeizuführen.

II. Insolvenzantragspflicht

Wer nun von denen, die können, müssen auch in die Insolvenz gehen?

In welchen Fällen besteht also die Verpflichtung zur Stellung eines

Insolvenzantrages, natürlich bei Vorliegen der Voraussetzungen?

§ 15 a InsO regelt dies jetzt zentral. Der Grundsatz ist, dass immer dann,

wenn ein begrenzter Haftungsfonds zur Verfügung steht, dem die

Antragspflicht entspricht. Dies betrifft GmbH, GmbH & Co. KG, AG, UG

(haftungsbeschränkt), nicht aber im Sinne einer Antragspflicht den

Einzelkaufmann, die „echte“ KG oder die GbR.

Adressat der Verpflichtung ist der Geschäftsführer, der Vorstand bzw. der

Geschäftsführer der Komplementärin bei der GmbH & Co. KG.

Gesellschafter sind als solche grundsätzlich nicht Adressaten der

Verpflichtung und können auch keinen wirksamen Antrag stellen. Etwas

anderes gilt nur im Falle der Führungslosigkeit, wie in § 15 a Abs. 3 InsO

beschrieben.

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III. Eröffnungsgründe

Die Antragspflicht setzt voraus, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt, also

grundsätzlich materielle Insolvenz. In einem Vorwort eines der ersten

InsO-Kommentare wurde – zu Recht – darauf hingewiesen, dass der

Name InsO ziemlich irreführend ist, weil man auch dann in Insolvenz

gehen kann, wenn man gar nicht insolvent, also zahlungsunfähig ist,

sondern nur überschuldet.

IV. Zahlungsunfähigkeit

Der allgemeine Insolvenzeröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit,

§ 17 InsO. Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Insolvenzrechts ist vom

Bundesgerichtshof auf die Formel gebracht worden:

drei Wochen 10 %.

Danach ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn der Schuldner in einer

perspektivischen Betrachtung von drei Wochen in die Zukunft nicht in der

Lage ist, 90 % oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.

V. Drohende Zahlungsunfähigkeit

Bei einem Eigenantrag des Schuldners ist auch die sogenannte

drohende Zahlungsunfähigkeit Insolvenzgrund. Der Begriff der

drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung begegnet uns dann

nochmals im Rahmen des ESUG. Bei sogenannten 270 b-Verfahren

muss der Schuldner unter anderem eine Bescheinigung vorlegen, aus

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der sich ergibt, dass nur drohende Zahlungsunfähigkeit oder

Überschuldung gegeben ist, diese jedoch noch nicht eingetreten ist.

VI. Überschuldung

Bei Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds, bei denen also

eine Insolvenzantragsverpflichtung besteht, ist auch die Überschuldung

Insolvenzgrund. Der Begriff der Überschuldung ist Gegenstand

umfangreicher Literatur und Rechtsprechung.

Im Rahmen des § 19 InsO hat sich die sogenannte zweistufige

Überschuldungstheorie durchgesetzt, die die Merkmale der

rechnerischen Überschuldung sowie der fehlenden positiven Prognose

beinhaltet. Durch die Es-sei-denn-Formulierung in § 19 Abs. 2 InsO liegt

es nahe, zunächst die sogenannte bilanzielle Überschuldung zu prüfen,

weil davon auszugehen ist, dass das Vorliegen einer bilanziellen

Überschuldung einen Vermutungstatbestand beinhaltet. Die bilanzielle

Überschuldung stellt auf die fortgeschriebenen Buchwerte ab und

dokumentiert sich in der Regel durch einen nicht durch Eigenkapitel

gedeckten Fehlbetrag.

Es schließt sich die Prüfung der sogenannten Fortbestehensprognose

an. Diese beinhaltet zunächst die Prüfung und deren Dokumentation,

dass die Fortsetzung des Unternehmens eine Wahrscheinlichkeit von

mehr als 50 % hat. Maßstab ist also insoweit die Zahlungsunfähigkeit

bzw. Zahlungsfähigkeit.

Die Gesetzesformulierung in § 19 Abs. 2 S.1 InsO ist übrigens schlicht

unrichtig. Denn der Umstand, dass das Unternehmen mit überwiegender

Wahrscheinlichkeit fortgeführt werden kann, schließt dessen

Überschuldung nicht aus. Gemeint ist wohl, dass diese dann keinen

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Insolvenzgrund bildet. Die Bandbreite der Vorschläge zur

Prognosedauer variiert zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

VII. Insolvenzeröffnungsverfahren

Wenn nun ein Antrag beim Insolvenzgericht eingegangen ist, wird das

Gericht in der Regel ein Vorverfahren anordnen. Dazu bestehen

grundsätzlich drei Möglichkeiten, von denen aber nur zwei praktisch sind.

Wenn keine Besonderheiten bestehen, wird das Gericht einen schlichten

Gutachtenbeschluss (vgl. Anlage 1) erlassen.

Die zu begutachtenden Punkte sind in den letzten Jahren erhöht worden.

Neben der Frage, ob Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind und dem

Vorliegen eines Insolvenzgrundes soll häufig auch schon dazu Stellung

genommen werden, wann die Insolvenz eingetreten ist, dann dazu, ob

Fortführungsmöglichkeiten bestehen und natürlich der wichtige Punkt der

Kostendeckung eines Verfahrens. Die übliche Gutachtenfrist beträgt vier

Wochen.

Wenn das Gericht aufgrund des Antrages und eventuell eines Gesprächs

mit dem Antragsteller der Auffassung ist, dass Sicherungsbedarf besteht,

wird es in der Regel einen Beschluss gemäß Anlage 2 erlassen, also

vorläufige Maßnahmen nach § 21 InsO anordnen und einen

sogenannten „schwachen Verwalter“ bestellen, was zur Folge hat, dass

der Schuldner nur noch in Abstimmung mit dem vorläufigen Verwalter

über sein Vermögen verfügen kann. Es erfolgt eine Kombination mit dem

gerade erwähnten Gutachtenauftrag. In dieser Prüfphase kann also

weder der Schuldner ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters

agieren, noch der Verwalter aus eigenem Recht allein über die

Vermögenswerte des Schuldners verfügen.

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Schließlich kann das Gericht einen vorläufigen Verwalter mit der

Maßgabe bestellen, dass auf diesen bereits die Verfügungsbefugnis über

das schuldnerische Vermögen übergeht, also einen sogenannten

„starken Verwalter“ bestellen. Dies geschieht in der Praxis nicht.

Denn es hat auch zur Folge, dass sämtliche Verbindlichkeiten im

Insolvenzantragsverfahren bereits Masseverbindlichkeiten und keine

Insolvenzforderungen begründen.

VIII. Insolvenzeröffnung

Bei Vorliegen der Voraussetzungen ergeht der typische

Insolvenzeröffnungsbeschluss, wie Sie ihn exemplarisch als Anlage 3

sehen. Inhalt des Beschlusses ist die Aussage, dass das Verfahren

eröffnet wird und ein Verwalter bestellt wird.

Wichtig ist sodann die Frist zur Anmeldung von Insolvenzforderungen.

Viele Verfahren werden zwischenzeitlich schriftlich durchgeführt, was zur

Folge hat, dass eine Gläubigerversammlung zunächst nicht einberufen,

sondern ein Stichtag im schriftlichen Verfahren festgesetzt wird. Die

Alternative ist die Anberaumung eines Berichts- und Prüfungstermins,

der dann diesem Stichtag entspricht. Gläubiger erhalten in der Regel vom

Insolvenzverwalter nochmals diese Information zusammen mit dem

Forderungsanmeldungsformular. Das Formular muss nicht zwingend

benutzt werden. Dies empfiehlt sich jedoch aus Gründen der

Übersichtlichkeit.

Beachtung beim Ausfüllen des Formulars sollte finden:

• Schuldner, Gericht und Aktenzeichen werden in der Regel vom

Verwalter schon eingesetzt sein. Bei Gruppen-Insolvenzen sollte

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darauf geachtet werden, dass der richtige Schuldner aufgeführt

ist.

• Der Name des Gläubigers muss aktuell, richtig und vollständig

sein, denn die Gläubigerbezeichnung findet sich auch in der

gerichtlichen Tabelle, die wiederum Grundlage des

Tabellenauszuges ist. Dieser hat Titelwirkung, entspricht also

einem Urteil und muss deshalb in allen Punkten richtig sein.

• Gläubigervertreter sofern vorhanden.

• Forderungen eintragen:

Rang des § 38 bedeutet, dass es sich um eine normale, nicht

nachrangige Insolvenzforderung handelt. Die Forderung ist hier,

wenn es sich um eine Rechnungsforderung handelt, mit dem

Bruttobetrag einzusetzen, weil die Umsatzsteuer Teil des

Forderungsbetrages ist.

• Zinsen nehmen als normale Insolvenzforderung nur bis zum Tag

vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Verfahren teil und sind

ausgerechnet, also als Summe, einzusetzen.

• Kosten sind die bisher entstandenen, nicht solche Kosten, die

durch die Teilnahme am Verfahren entstehen. Diese sind, ebenso

wie die Zinsen nach Insolvenzeröffnung, nur nachrangig. Kosten

können Mahnkosten sein, Vollstreckungskosten, ggf. auch schon

Kosten, die durch die Titulierung des Anspruchs vorinsolvenzlich

entstanden sind.

• nachrangige Forderungen: Es handelt sich dabei um

Forderungen, die grundsätzlich nicht angemeldet werden können,

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es sei denn, dass das Gericht ausdrücklich hierzu auffordert. Dies

wiederum geschieht dann, wenn sämtliche normalen

Insolvenzforderungen vollständig befriedigt werden können, also

ein Überschuss in der Masse verbleiben würde. Bei den

nachrangigen Forderungen sind insbesondere die oben schon

angesprochenen Zinsen nach Insolvenzeröffnung zu

berücksichtigen, § 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO, sowie dann auch die

Kosten, die durch die Teilnahme am Verfahren entstehen.

• Angabe von Sicherheiten für Forderungen unter der Rubrik

„Abgesonderte Befriedigung“ mit der Folge, dass die Forderung

nur für den Ausfall geltend gemacht wird, also mit dem Teil, der

ungedeckt nach abgesonderter Befriedigung bleibt. Typische

Absonderungsrechte werden durch Abtretungen, auch im

Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes, oder

Grundpfandrechte begründet. Die abgesonderte Befriedigung

selbst ist gesondert beim Verwalter geltend zu machen. Allein die

Eintragung in das Formular reicht dazu nicht aus.

• Deliktsforderungen, d. h. Forderungen aus vorsätzlich

begangener unerlaubter Handlung, sofern der Schuldner eine

natürliche Person ist. Als Deliktsforderungen tauchen in der Praxis

im Wesentlichen die Beitragsforderungen der

Sozialversicherungsträger auf, hier die Arbeitnehmeranteile, weil

deren Nichtabführung als sogenannte Beitragshinterziehung

strafbar ist. Weitere Deliktstatbestände können sich aus Straftaten

ergeben, die der Schuldner vorinsolvenzlich begangen hat, also

beispielsweise Unterschlagung und Betrug. Erforderlich ist, und

das ist wichtig, dass ein konkreter Tatsachenvortrag gebracht

wird, aus dem sich nach Einschätzung des Gläubigers der

Charakter als unerlaubte Handlung ergibt. Nur das Setzen des

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Kreuzes reicht nicht aus. Dies wird in der Regel durch eine

Sachverhaltsschilderung auf einem Beiblatt zur

Forderungsanmeldung erfolgen.

Der Verwalter hat den Hinweis in die Tabelle aufzunehmen,

unabhängig davon, ob er die rechtliche Einschätzung teilt oder

nicht. Deliktsforderungen nehmen, wenn sie als solche festgestellt

werden, nicht an der Restschuldbefreiung teil, können also gegen

den Schuldner, der eine natürliche Person ist, auch noch nach

Beendigung des Verfahrens ganz normal geltend gemacht und

vollstreckt werden, nicht während des Verfahrens. Im Falle der

Anmeldung einer Forderung als Deliktsforderung unterrichtet das

Gericht den Schuldner, der Gelegenheit hat, hierzu Stellung zu

nehmen. Er kann insbesondere die Forderung selbst der Höhe

nach unbestritten lassen, jedoch den Charakter als

Deliktsforderung gesondert angreifen. In diesem Fall ist dann ein

Feststellungsstreit gegen den Schuldner selbst zu führen. Ob dies

wirtschaftlich sinnvoll ist, ist eine Frage des Sachverhaltes im

Einzelfall.

Der Anmeldung sind gemäß § 174 InsO die Unterlagen beizufügen, aus

denen sich die Forderung ergibt, also Rechnungen, Verträge,

Mahnschreiben etc.. Kopien reichen insoweit aus.

IX. Wirkung der Anmeldung

Die Anmeldung der Forderung im eröffneten Insolvenzverfahren hat

unter anderem die wichtige Wirkung der Hemmung einer laufenden

Verjährungsfrist, § 204 Abs. 1 Ziffer 10 BGB. Die Wirkung tritt ein mit

Zugang der Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter. Auf die

Eintragung in die Tabelle kommt es also nicht an. Andererseits bewirkt

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auch nur die Anmeldung beim Insolvenzverwalter, nicht etwa bei Gericht

oder beim Schuldner selbst, die Hemmung.

Die Hemmung endet sechs Monate nach der öffentlichen

Bekanntmachung des Beschlusses über die Aufhebung des Verfahrens

bzw. sechs Monate nach formeller Rechtskraft des Beschlusses über die

Einstellung des Verfahrens.

X. Anmeldefrist

Im Insolvenzeröffnungsbeschluss setzt das Gericht eine Frist zur

Anmeldung der Insolvenzforderungen.

Wenn diese Frist versäumt wurde aufgrund fehlender Kenntnis des

Verfahrens oder darüber, dass lt. Buchhaltung noch offene Forderungen

gegen den Schuldner bestehen, ist das grundsätzlich unschädlich.

Es kann während des gesamten Verfahrens nachgemeldet werden. Es

entstehen allerdings Kosten für die Nachmeldung, die zurzeit € 20,00

betragen.

XI. Feststellungsklage

Wenn die Forderung zur Tabelle festgestellt wird, erhält der Gläubiger in

der Regel keine Nachricht. Nur dann, wenn die Forderung ganz oder

teilweise bestritten wird, ergeht eine Information durch das Gericht. In

diesem Fall sollte zumindest ein Versuch unternommen werden, etwaige

Unklarheiten durch Korrespondenz mit dem Verwalter aus der Welt zu

schaffen. Gelingt dies nicht, kann es erforderlich werden, eine

sogenannte Feststellungsklage zu erheben.

War die Forderung bereits Gegenstand eines Rechtsstreits, so ist dieser

Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO mit Insolvenzeröffnung unterbrochen

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worden und sodann gegen den Insolvenzverwalter aufzunehmen. Das

Passivrubrum ist also dahin abzuändern, dass der Verwalter zu

verklagen ist.

Der Antrag ist dahin abzuändern, dass nicht mehr Zahlung, sondern

Feststellung zur Tabelle geltend gemacht wird.

Wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist, ist die Klage als

Feststellungsklage einzureichen.

Zuständig ist das Gericht am Sitz des Verwalters, wobei

Sonderzuständigkeiten z.B. der Arbeitsgerichte bei Forderungen aus

einem Arbeitsverhältnis oder sonstigen Forderungen, die in die

Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fallen, zu beachten sind.

Für die Erhebung der Feststellungsklage besteht keine Frist, sie kann

während des gesamten Verfahrens erhoben werden. Es wird jedoch

durch die Bekanntmachung des Verteilungsverzeichnisses eine Zwei-

Wochen-Frist ausgelöst, innerhalb derer sodann spätestens

Feststellungsklage zu erheben und diese Erhebung dem

Insolvenzverwalter nachzuweisen ist.

XII. ESUG

Die Abkürzung ESUG steht für das „Gesetz zur weiteren Erleichterung

der Sanierung von Unternehmen“. Die ESUG-Regelungen sind zum 1.

März 2012 in Kraft getreten. Ganz grundsätzlich ist darauf hinzuweisen,

dass auch das Verfahren nach ESUG ein Insolvenzverfahren ist mit einer

förmlichen Verfahrenseröffnung. Es handelt sich nicht um ein

außergerichtliches oder vorgerichtliches Verfahren.

Entsprechend dem gesetzgeberischen Ziel der stärkeren

Gläubigerbeteiligung ist die Vorschrift des § 22 a InsO eingeführt worden.

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Wenn zwei der Größenmerkmale des § 22 a Abs. 1 InsO erfüllt sind, die

dort aufgeführt sind, hat das Insolvenzgericht einen vorläufigen

Gläubigerausschuss einzusetzen. Die Größenmerkmale sind aus § 267

HGB übernommen, was die „krummen Beträge“ erklärt. Denn dort sind

die ursprünglichen DM-Beträge in Euro umgerechnet worden. Um

beurteilen zu können, wer für den Gläubigerausschuss in Betracht

kommt, hat in diesen Fällen der Insolvenzantrag zwingend die

ergänzenden Angaben nach § 13 Abs. 1 S. 4 InsO zu beinhalten, also

die höchsten Forderungen, die höchsten gesicherten Forderungen, die

Forderungen der Finanzverwaltung, der Sozialversicherungsträger sowie

ggf. solche aus betrieblicher Altersversorgung. Nach § 22 a Abs. 4 InsO

hat das Gericht auch die Möglichkeit, den Schuldner oder einen

vorläufigen Insolvenzverwalter aufzufordern, geeignete Personen für den

Gläubigerausschuss zu benennen. Vom Erfordernis eines vorläufigen

Gläubigerausschusses kann nach § 22 a Abs. 3 InsO dann abgesehen

werden, wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt ist oder in Anbetracht der

zu erwartenden geringen Masse der Aufwand nicht angemessen

erscheint.

Der vorläufige Gläubigerausschuss hat entsprechend dem

gesetzgeberischen Ziel der Stärkung der Gläubigerbeteiligung am

Verfahren die Möglichkeit, entweder eine konkrete Person als Verwalter

vorzuschlagen oder ein Anforderungsprofil zu beschreiben. Dies ergibt

sich aus § 56 a InsO. Bei einstimmigem Vorschlag des

Gläubigerausschusses ist das Gericht an diesen Vorschlag gebunden,

falls die vorgeschlagene Person nicht für das Amt ungeeignet ist.

Weiteres gesetzgeberisches Ziel des ESUG war die Stärkung der

Eigenverwaltung durch Einführung von § 270 a InsO. Bis zur Einführung

des ESUG gab es keine Eigenverwaltung im Insolvenzantragsverfahren,

sondern nur im eröffneten Verfahren. Dann allerdings sind in der Regel

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die Weichen schon gestellt. Dies ist nunmehr geändert worden. Wenn

die Eigenverwaltung angeordnet wird, so wird im Antragsverfahren kein

vorläufiger Insolvenzverwalter, sondern ein vorläufiger Sachwalter

bestellt, der eine Aufsichtsfunktion hat. Auch im Übrigen soll das Gericht

keine Maßnahmen nach § 21 InsO anordnen, insbesondere kein

allgemeines Verfügungsverbot auferlegen.

Ebenfalls im Rahmen des ESUG eingeführt ist die Vorschrift des § 270 b

InsO. Das sogenannte „270 b-Verfahren“ zielt auf solche Konstellationen

ab, in denen eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens

beabsichtigt ist und auch realistisch erscheint. Üblicherweise erfolgt eine

Kombination mit der Eigenverwaltung, so dass das Verfahren durch

einen vorläufigen Sachwalter bzw. einen Sachwalter und den

Gläubigerausschuss überwacht wird. Die gesetzgeberische Vorstellung

geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung der

Schuldner nicht zahlungsunfähig oder überschuldet ist, sondern dass

lediglich ein drohender Insolvenzgrund vorliegt. Dies muss der Schuldner

dadurch darlegen, dass er eine entsprechende Bescheinigung vorlegt,

die sogenannte „270 b-Bescheinigung“. Das Institut der Wirtschaftsprüfer

hat einen Standard vorgelegt, wie eine solche Bescheinigung zu erstellen

ist, wenn sie von einem Wirtschaftsprüfer erstellt werden soll. Diese

Bescheinigung ist mit dem Antrag einzureichen. Mit Insolvenzeröffnung

wird in den 270 b-Fällen ferner eine Frist zur Vorlage des Insolvenzplans,

der Grundlage der Sanierung sein soll, gesetzt, die höchstens drei

Monate betragen darf. Diese Anordnungen, die auf eine Sanierung

ausgerichtet sind, sind nach § 270 b Abs. 4 InsO dann aufzuheben, wenn

die Sanierung aussichtslos wird oder der Gläubigerausschuss die

Aufhebung beantragt. Sodann wird über die Insolvenzeröffnung

entschieden. Nach der gesetzgeberischen Vorgabe dieses Verfahrens

endet das Insolvenzverfahren durch Vorlage des Insolvenzplans, dessen

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Verabschiedung, Bestätigung durch das Gericht und anschließender

Aufhebung durch das Gericht.

Teil 2:

Insolvenzanfechtung

Markus van Marwyk

I. Allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen.

Gemäß § 129 Abs. 1 InsO ist Voraussetzung einer jeden Anfechtung,

dass

1. Eine Rechtshandlung gegeben ist, die eine

2. Gläubigerbenachteiligende Wirkung ausgelöst hat.

Zu 1. Rechtshandlung

Der Begriff der Rechtshandlung ist denkbar weit auszulegen.

Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das

rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum

Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann.1 Erfasst werden

insbesondere Willenserklärung als Teile von Rechtsgeschäften

(Verträgen), rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und sogar schlichte

Realakte. Sogar das bloße Einbringen einer beweglichen Sache in

1 BGH v. 09.07.2009 – IX ZR 86/08 mwN, ZInsO 2009, 1585.

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gemietete Räume erfüllt diese Voraussetzung, weil an den

eingebrachten Sachen ein Vermieterpfandrecht entstehen kann.2

Somit stellt sich jede Zahlung und jede Anweisung im bargeldlosen

Zahlungsverkehr als Rechtshandlung dar.

Zu 2. Gläubigerbenachteiligung

Ferner muss durch die Rechtshandlung eine Gläubigerbenachteiligung

eingetreten sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtshandlung zur

Folge hatte, dass sich die Schuldenmasse vergrößerte oder sich die

Aktivmasse verringerte. Wenn also die Befriedigungsmöglichkeiten der

Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung sich

günstiger gestalten würden, ist durch die Rechtshandlung eine

Gläubigerbenachteiligung eingetreten.3

II. Die wichtigsten besonderen Anfechtungstatbestän de

1. § 131 InsO inkongruente Deckung

Gemäß § 131 InsO sind inkongruente Deckungen anfechtbar. Dabei stellt

die Norm die Anforderungen auf, die am ehesten vom Insolvenzverwalter

nachgewiesen werden können. Vom Gesetzgeber wird nicht gefordert,

dass der Anfechtungsgegner in irgendeiner Art Kenntnis von der

wirtschaftlichen Krise des Schuldners hatte. Voraussetzung ist lediglich

Inkongruenz sowie Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in objektiver

Hinsicht.

Inkongruent ist eine Handlung, die einem Insolvenzgläubiger eine

Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht

2 BGH v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZInsO 2007, 91; zum Entstehen der Biersteuer durch bloßes Bierbrauen: BGH v. 09.07.2009 – IX ZR 86/08, ZInsO 2009, 1585. 3 Kummer/ Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Auflage, § 129, Rn. B222.

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oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Wird

etwas anderes geleistet, als ursprünglich vertraglich vereinbart, ist die

Leistung inkongruent.4 Aber auch, wenn die geschuldete Leistung nicht

von dem Schuldner, sondern von einem Dritten geleistet wurde, kann

Inkongruenz vorliegen, wenn der Anfechtungsgegner auf genau diese Art

der Erfüllung keinen durchsetzbaren Anspruch hatte.5

In der Praxis ist der bedeutsamste Fall der inkongruenten Deckung die

Zahlung im Rahmen oder auf Druck eingeleiteter

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Denn nach der Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofs hat der die Vollstreckung betreibende Gläubiger in

den letzten drei Monaten vor Antragstellung auf eine solche Befriedigung

keinen Anspruch. Die Insolvenzordnung, die die Vollstreckung nach dem

Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung regelt, verdrängt insoweit die

Einzelvollstreckung der ZPO.6

Liegt eine inkongruente Deckung vor, stellen sich alle Zahlungen gemäß

§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weiteres als anfechtbar dar, die im letzten

Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

vorgenommen wurden.

Weiter zurückliegende inkongruente Deckungsgeschäfte sind an den

Begriff der objektiven Zahlungsunfähigkeit geknüpft (dazu III.). So stellen

sich inkongruente Befriedigung in den letzten drei Monaten als

anfechtbar dar, wenn der Schuldner zu dieser Zeit objektiv

zahlungsunfähig gewesen war.

Eine nicht zu der Zeit geschuldete Befriedigung liegt insbesondere dann

vor, wenn der Schuldner vor Fälligkeit der Forderung Zahlungen leistete.

Die praktische Relevanz ist gering.

4 Dazu Kummer/ Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Auflage, § 131, Rn. D37 ff. 5 Kummer/ Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Auflage, § 131, Rn. D 21, D 59a. 6 BGH v. 24. Mai 2012 – IX ZR 96/11; BGH v. 23. März 2006 – IX ZR 116/03.

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2. § 130 InsO kongruente Deckung

Nach § 130 InsO sind kongruente Deckungshandlungen des Schuldners

anfechtbar. Es handelt sich um vertragstreues Verhalten des Schuldners.

Der Gläubiger und spätere Anfechtungsgegner erhält genau das, was

ursprünglich vereinbart wurde. Vor diesem Hintergrund reicht allein der

Eintritt der objektiven Zahlungsunfähigkeit nicht aus, der

Anfechtungsgegner genießt Vertrauensschutz. Die erfolgreiche

Anfechtung einer kongruenten Leistung ist an die Kenntnis der

Zahlungsunfähigkeit bzw. den Eröffnungsantrag geknüpft.

Weiß der Anfechtungsgegner von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit

des Schuldners, stellen sich kongruente Deckungsleistungen

grundsätzlich in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem

Eröffnungsantrag als anfechtbar dar.

3. § 133 Abs. 1 InsO Vorsatzanfechtung

Von großer praktischer Bedeutung ist § 133 Abs. 1 InsO, die so genannte

Vorsatzanfechtung.

Gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist eine Rechtshandlung des Schuldners

anfechtbar, die dieser mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu

benachteiligen und, in den letzten zehn Jahren vor dem

Eröffnungsantrag vorgenommen hat und der Gläubiger zur Zeit der

Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

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Zunächst fällt auf, dass die Anwendbarkeit des § 133 Abs. 1 InsO nicht

auf drei Monate vor dem Eröffnungsantrag beschränkt ist, sondern zehn

Jahre zurück reicht. Ferner ist hier nicht irgendeine Rechtshandlung

gefordert, sondern im speziellen eine solche des Schuldners. Der Begriff

der Rechtshandlung gewinnt erst hier an Trennschärfe. Ausgenommen

sind demnach solche Rechtshandlungen, die von einem

willensgesteuerten Handeln des Schuldners nicht abhängig sind. An

einem solchen willensgesteuerten Handeln mangelt es, wenn etwas aus

dem Vermögen des Schuldners gelangt, ohne dass dieser auf den

Abfluss dieses Vermögensgegenstandes Einfluss hatte. Das führt dazu,

dass Vollstreckungsmaßnahmen als solche in Ermangelung einer

Rechtshandlung des Schuldners nicht gemäß § 133 Abs. 1 InsO

anfechtbar sind.7 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die

Zwangsvollstreckungsmaßnahme auf einer Mitwirkungshandlung des

Schuldners beruht. Pfändet etwa der Gläubiger eine vermeintliche

Forderung des Schuldners gegen seine Bank, die es jedoch in

Wirklichkeit aufgrund mangelnder Kontodeckung nicht gab und zahlt der

Schuldner daraufhin unter Inanspruchnahme seiner Kreditlinie, liegt die

anfechtbaren Rechtshandlungen in eben dieser Ausschöpfung des

Dispokredits vor.8 Als Rechtshandlung des Schuldners stellen sich auch

Zahlungen dar, die dieser an einen Gerichtsvollzieher im Rahmen einer

mit ihm geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen hat.9

Das Argument, der Gerichtsvollzieher hätte bei Weigerung des

Schuldners auf die an ihm zu zahlende Summe zugreifen können, greift

nicht durch, da der Gerichtsvollzieher bei Ratenzahlungsvereinbarungen

seine Termine ankündigt.

7 Uhlenbruck/Hirte (Fn 1), § 133 Rn. 8. 8 BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 157/06, ZInsO 2008, 161. 9 BGH v. 10.12.2009 – IX ZR 128/08, ZInsO 2010, 226; BGH v. 19.09.2013 – IX ZR 4/13, ZInsO 2013, 2213.

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Liegt eine Rechtshandlung des Schuldners vor und kann auch eine

objektive Gläubigerbenachteiligung nachgewiesen werden, stellt sich die

Frage, ob der Schuldner vorsätzlich handelte. Der

Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme

der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen

als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge –

sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten

anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat.10 Demzufolge ist lediglich

bedingter Vorsatz notwendig. Die Absicht des Schuldners, einen

Gläubiger gezielt zu befriedigen, ist ebenso wenig Voraussetzung, wie

ein kollusives Zusammenwirken zwischen Gläubiger und Schuldner.

Durchgesetzt hat sich die Formel, dass ein zahlungsunfähiger Schuldner,

der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, regelmäßig mit

Benachteiligungsvorsatz handelt, wenn er trotz Kenntnis der

Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger befriedigt. Ein

zahlungsunfähiger Schuldner weiß, dass seine ihm zur Verfügung

stehenden Mittel gerade nicht ausreichend sind, die Gläubigergesamtheit

zu befriedigen.11 Dabei beschränkt sich die Indizwirkung nicht erst auf

eingetretene Zahlungsunfähigkeit. Auch drohende Zahlungsunfähigkeit

kann ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des

Schuldners darstellen.12

Neben der Zahlungsunfähigkeit ist noch die inkongruente Leistung des

Schuldners als Indiz für den Vorsatz des Schuldners ein in der Praxis

häufiger Fall.

Der Tatbestand des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist erst dann erfüllt, wenn

auch der andere Teil von den Vorsatz des Schuldners kannte. Allerdings

10 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190. 11 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190; Uhlenbruck/Hirte (Fn. 1)§ 133 Rn. 13. 12 BGH v. 22.05.2014 – IX ZR 95/13, ZInsO 2014, 1326.

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gewährt § 133 Abs. 1 S. 2 InsO dem Insolvenzverwalter eine erhebliche

Beweiserleichterung. Denn nach dieser Vorschrift wird diese Kenntnis

vermutet, wenn der andere Teil die zumindest drohende

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte und ihm die

gläubigerbenachteiligende Wirkung bekannt war. Der zweite Punkt ist

von der Rechtsprechung insoweit abgeschwächt worden, als bei einem

unternehmerisch tätigen Schuldner regelmäßig zu vermuten ist, dass

andere Gläubiger mit offenen Forderungen existieren.

III. Der Kernbereich im Anfechtungsrecht – der Rech tsbegriff der

Zahlungsunfähigkeit

1. Zahlungsunfähigkeit

Bei dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit handelt es sich um einen

Rechtsbegriff. Den Begriff der Zahlungsunfähigkeit regelt die

Insolvenzordnung in § 17 InsO. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist ein

Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen

Zahlungspflichten zu erfüllen. Für den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit

obliegt es dem Insolvenzverwalter grundsätzlich durch Aufstellung einer

Liquiditätsbilanz nachzuweisen, dass zur Zeit der Handlung

Zahlungspflichten des Schuldners bestanden, die durch seine ihm zur

Verfügung stehenden Mittel nicht vollständig gedeckt sind. Ergibt die

Gegenüberstellung eine Liquiditätsunterdeckung von 10 % oder mehr,

liegt Zahlungsunfähigkeit – wiederum – in der Regel vor. Diese Regel

wird dann durchbrochen, wenn mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit ausnahmsweise davon ausgegangen werden kann,

dass sich die Liquiditätslücke demnächst verringert.13 Beträgt die

Liquiditätsunterdeckung 10 % oder weniger, kann gleichwohl

13 BGH v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04, ZInsO 2005, 807; weitere Hinweise zur Aufstellung einer Liquiditätsbilanz bei MüKoInsO/Eilenberger (Fn. 2) § 17 Rn. 20.

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Zahlungsunfähigkeit vorliegen, wenn ausnahmsweise davon

ausgegangen werden kann, dass diese Grenze demnächst überschritten

wird.14

2. Zahlungseinstellung

Gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit

des Schuldners auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen

eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des

Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit

ausdrückt, sich also für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte

Eindruck aufdrängen muss, dass der Schuldner nicht in der Lage ist,

seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.15 Es ist nicht erforderlich ist,

dass der Schuldner überhaupt keine Forderung mehr bezahlen konnte.

Zahlungseinstellung des Schuldners kann eingetreten sein, obwohl er

noch Zahlungen leistet. 16 Der Nachweis der Zahlungseinstellung kann

auf mehr oder weniger bedeutsame Beweisanzeichen gestützt werden.17

folgende Beweisanzeichen sind von der Rechtsprechung bisweilen

anerkannt worden:

• ständiger Rückstand

• Häufung von Mahnungen

• Rückstand bei besonders wichtigen Gläubigern

(Sozialversicherungsträgern, Arbeitnehmern, bedeutsamen

Zulieferern) über einen längeren Zeitraum

• Häufung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

14 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZInsO 2006, 1210. 15 Statt vieler Uhlenbruck/Uhlenbruck (Fn.1) § 17 Rn. 29; BGH. v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190. 16 Uhlenbruck/Uhlenbruck (Fn. 1)§ 17 Rn. 29; BGH v. 21.06.2006 – IX ZR 231/04, ZInsO 2007, 816. 17 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, ZInsO 2013, 190.

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• aufgrund mangelnder Kontodeckung nicht eingelöste

Lastschriften bzw. Schecks

• Stundungsbitten des Schuldners

• Anfragen, fällige Forderungen durch Teilzahlungen zu leisten

• offene Forderungen von Gläubigern zur Zeit der Rechtshandlung

die bis zur Verfahrenseröffnung nicht ausgeglichen werden

konnten

IV. Verteidigungsmöglichkeiten

1. Trotz Zahlungseinstellung keine Zahlungsunfähigk eit

Der Dreh- und Angelpunkt der Insolvenzanfechtung ist die eingetretene

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. die Kenntnis des

Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit. In aller Regel wird der

anfechtende Insolvenzverwalter es vorziehen, Zahlungseinstellung durch

Indizien nachzuweisen. Trotz Zahlungseinstellung kann es möglich sein,

dass der Schuldner nicht zahlungsunfähig ist. Nach oben dargestellten

Kriterien ist das der Fall, wenn tatsächlich keine Liquiditätslücke bestand,

die 10 % überstieg. Insofern kann der in Anspruch genommene

Gläubiger im Prozess mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens

versuchen, den Nachweis der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit des

Schuldners zu führen. Allerdings ist zu beachten, dass die Beweislast,

sofern die Indizien für Zahlungseinstellung ausreichen, beim

Anfechtungsgegner liegt.

2. Trotz Zahlungsunfähigkeit kein Benachteiligungsv orsatz – § 133

InsO

Für einen Anspruch nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO genügt

Zahlungseinstellung nicht per se. Zahlungseinstellung ist nur ein Indiz für

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den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Dass der

Schuldner auch trotz Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger befriedigen

kann, ohne die Benachteiligung seiner sonstigen Gläubiger billigend in

Kauf genommen zu haben, zeigen folgende Erwägungen:

a) Bargeschäftsähnliche Lage

Gelingt dem Insolvenzverwalter der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit

gemäß § 17 InsO, so bedeutet das, dass der Schuldner mit seiner

Rechtshandlung die Gläubiger regelmäßig benachteiligen wollte. Eine

Ausnahme liegt dann vor, wenn Schuldner und Gläubiger einen

unmittelbaren Leistungsaustausch im Sinne des § 142 InsO vollziehen,

mithin zeitnah gleichwertige Leistungen austauschen.18 Liegt ein solcher

Leistungsaustausch vor, spricht viel dafür, dass der Schuldner mit der

Zahlung an den Gläubiger ausschließlich dessen Befriedigung

bezwecken wollte und diese nicht mit dem Willen erbracht hat, andere

Gläubiger zu benachteiligen. Demzufolge fehlt es am

Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners.

Allerdings ist hier noch vieles ungeklärt, da § 142 Abs. 1 InsO

ausdrücklich ein Bargeschäft als anfechtbar erklärt, wenn die

Voraussetzungen des § 133 InsO vorliegen. Demgemäß müssen Fälle

existieren, in denen trotz unmittelbaren Leistungsaustauschs die

Anfechtung Erfolg hat.

b) Sanierungsbemühungen

Zahlt ein Schuldner trotz seiner Zahlungsunfähigkeit an einen Gläubiger,

kann der Vorsatz des Schuldners, mit dieser Zahlung seine Gläubiger zu

benachteiligen, nicht vorliegen, wenn die Zahlung im Rahmen eines

ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs

18 Kayser, NJW 2014, 422, 427; Kayser, WM 2013, 293, 298; Fischer NZI 2008, 588, 593f.

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vorgenommen wurde. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist dafür

Voraussetzung, dass das Konzept des Schuldners in sich schlüssig ist,

eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg besteht und das

Konzept jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt wurde.19

Für die Frage der Prognose ist auf einen geschäftskundigen

unvoreingenommenen Fachmann abzustellen, dem die üblichen

Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen. Dieser hat auch die

Krisenursachen und die Wirtschaftslage des Schuldners zu

berücksichtigen.20

Da jedoch § 133 Abs. 1 S. 1 InsO an den Vorsatz des Schuldners

anknüpft, reicht dessen fahrlässiges Handeln nicht. Dementsprechend ist

es unschädlich, wenn die Erfolgsaussichten der Sanierung vom

Schuldner ex ante falsch beurteilt werden. Ein Schuldner, der aus seiner

Sicht hinreichende Maßnahmen unternimmt, die Sanierung

voranzutreiben, handelt subjektiv redlich. Er wollte eine

Gläubigerbenachteiligung gerade vermeiden.21

Hat sich bei dem Schuldner aufgrund konkreter Tatsachen die

Überzeugung gebildet, in absehbarer Zeit alle seine Gläubiger

befriedigen zu können, spricht dies ebenfalls gegen dessen Vorsatz.

Nicht ausreichend ist die bloße Hoffnung des Schuldners, seine Krise zu

überwinden.22

V. Beweislastfragen

1. Nahestehende Person

19 BGH v. 21.02.2013 – IX ZR 52/10, ZInsO 2013, 780. 20 Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 2. Aufl. 2014, Rn. F42. 21 BGH v. 04.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248. 22 BGH v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02, ZInsO 2003, 764.

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Zu beachten ist, dass gemäß § 130 Abs. 3 InsO und § 131 Abs. 2 S. 2

InsO die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit

vermutet wird, wenn dieser eine nahestehende Person gemäß § 138

InsO ist. Dies soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

selbst für solche Personen gelten, die im Rahmen ihrer Tätigkeit

gegenüber anderen Gläubigern einen klaren Wissensvorsprung

erlangen. Dies ist regelmäßig bei Steuerberatern der Fall, die mit der

ständigen Buchhaltung von Seiten des Schuldners beauftragt wurden

und in diesem Rahmen fortwährend durch Einreichung von Belegen über

die Solvenz des Schuldners aufgeklärt waren.

2. Beweislastumkehr im Rahmen des § 133 InsO

Der Bundesgerichtshof sieht die Beweislast für den Nachweis des

Wegfalls der Zahlungseinstellung beim Anfechtungsgegner, wenn der

Nachweis einmal geführt ist.

Die einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur damit abgewendet

werden, dass der Schuldner sämtliche Zahlungen wieder auf nimmt. Dies

hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Hat der anfechtende

Verwalter für einen bestimmten Zeitpunkt den ihm obliegenden Beweis

der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss der

Anfechtungsgegner grundsätzlich beweisen, dass diese Voraussetzung

zwischenzeitliche wieder entfallen ist.23

Für den nachträglichen Wegfall der subjektiven

Anfechtungsvoraussetzung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gilt

Entsprechendes. Ein Gläubiger, der von der einmal eingetretenen

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, hat darzulegen und zu

23 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, Rn 33.

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beweisen, warum er später davon ausging, der Schuldner habe seine

Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen.24

Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des

Anfechtungsgegners begründen, nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall

der Umstände allein bewirkt nicht zwingend den Verlust der Kenntnis.

Vielmehr ist auf der Grundlage aller von den Parteien vorgetragenen

Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob eine Kenntnis der

Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr

bestanden hat.25

24 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, Rn 33. 25 BGH v. 06.12.2012 – IX ZR 3/12, Rn 39.

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Teil 3:

Praktische Tipps für ausgesuchte Einzelfälle:

Rolf Otto Neukirchen

I. Lösungsklauseln

Nachdem wir jetzt festgestellt haben, dass man mit einem insolventen

Geschäftspartner eigentlich nur Arbeit und Ärger hat, könnte es ja eine

gute Idee sein, vertragliche Beziehungen so zu gestalten, dass sie mit

Insolvenz des Vertragspartners enden, entweder schon mit

Antragstellung, jedenfalls aber mit Verfahrenseröffnung. Damit stellt sich

die Frage der Zulässigkeit sogenannter Lösungsklauseln. Das kann im

Einzelfall problematisch sein. Denn die InsO beinhaltet in den § 103 bis

§ 118 Regelungen und Vereinbarungen, die diese gesetzlichen

Regelungen ausschließen oder beschränken, sind unwirksam, § 119

InsO.

Welche Fälle sind also gesetzlich zwingend geregelt?

• Die Regelung des § 103 InsO ist die generelle Vorschrift für

zweiseitige Verträge, die bei Insolvenzeröffnung von keiner Partei,

also weder vom Insolvenzschuldner noch vom Vertragspartner,

vollständig erfüllt waren.

• § 107 InsO - Eigentumsvorbehalt: zivilrechtlich bedeutet der

Eigentumsvorbehalt den Vorbehalt des Käufers, dass die in der Regel

verkaufte Sache Eigentum des Verkäufers bleibt, solange der

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Kaufpreis nicht bzw. nicht vollständig gezahlt worden ist. Dieser

sogenannte einfache Eigentumsvorbehalt ist Standard in Verkäufer-

bzw. Lieferanten-AGB und auch insolvenzfest, d. h., dass der

Eigentumsvorbehaltsverkäufer vom Insolvenzschuldner bzw. vom

Insolvenzverwalter die Herausgabe der Sache verlangen kann.

In der Praxis wird dies so gehandhabt, dass der Insolvenzverwalter

zu Verfahrensbeginn eine lieferantenbezogene Inventur durchführen

lässt. Zu berücksichtigen ist Abs. 2 der Vorschrift, nach der der

Verwalter erst nach dem Berichts- und Prüfungstermin bzw. dem

diesem im schriftlichen Verfahren entsprechenden Stichtag zur

Herausgabe verpflichtet ist, da er streng genommen erst nach diesem

Termin die Erfüllungserklärung im Sinne von § 103 InsO abgeben

muss.

• Aufträge, die der Schuldner erteilt hat, erlöschen durch

Insolvenzeröffnung, also z. B. das anwaltliche Mandat oder das

Mandat des Steuerberaters.

II. Regelungsinhalt des § 119 InsO

Inwiefern einzelne Regelungen der §§ 103 bis 118 Gegenstand

abweichender Vereinbarung sein dürfen, ist jeweils Gegenstand des

gesonderten Vertrages. Zu § 119 InsO taucht jedoch ganz allgemein die

Frage nach der Zulässigkeit von gerade insolvenzbedingten

Lösungsklauseln auf. Grundsätzlich wirksam auch im Insolvenzfall sind

solche Lösungsklauseln, die an insolvenzunabhängige Ereignisse

anknüpfen, etwa Verzug, Vertragsverletzungen oder auch ganz

allgemein eine Vermögensverschlechterung. Demgegenüber sind

insbesondere nach dem Urteil des BGH vom 5. November 2012, Az. IX

ZR 169/11, Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung

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von Waren unwirksam, wenn diese an den Insolvenzantrag oder die

Insolvenzeröffnung anknüpfen. Im konkreten Fall ging es um einen

Energielieferungsvertrag, der eine Regelung beinhaltete, dass dieser

auch ohne Kündigung automatisch endet, wenn der Kunde

Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrages das

vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder eröffnet wird. Diese

Klausel hat der BGH für unwirksam angesehen. Für die Praxis muss man

sich die Frage nach der Reichweite dieses Urteils stellen. Handelt es sich

also nur um eine Einzelfallentscheidung mit insoweit zweifellos

grundsätzlicher Bedeutung, aber ohne Auswirkung auf sonstige

Vertragstypen, oder wollte der BGH im Rahmen des § 103 InsO

grundsätzlich klarstellen, dass jegliche Arten von Lösungsklauseln

wegen Verstoßes gegen § 119 InsO unwirksam sind? Dies ist zurzeit

offen und Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Man wird hier

die weitere Rechtsprechung abzuwarten haben. In der

wissenschaftlichen Praxis wird insbesondere das Argument der

Vertragsfreiheit gebracht, also das zivilrechtliche Prinzip, dass

geschäftsfähige Personen Verträge mit welchem Inhalt auch immer

schließen können, solange dies nicht gegen das Gesetz oder die guten

Sitten verstößt. Spannend ist die Weiterentwicklung insbesondere aber

vor dem Hintergrund, dass nach derzeitiger Rechtslage es einige

praktisch relevante Klauseln gibt, die jedenfalls bisher als

unproblematisch wirksam betrachtet werden.

III. § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B – 2012

Die Vorschrift sieht vor, dass der Auftraggeber den Vertrag kündigen

kann, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder

zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das

Insolvenzverfahren bzw. ein vergleichbares gesetzliches Verfahren

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beantragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung

mangels Masse abgelehnt wird. Diese Klausel ist Standard und wird

bisher für wirksam angesehen. Die Diskussion ist bereits zu § 17

Konkursordnung, dem Vorgänger von § 103 InsO, geführt worden. Der

damals für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH hat die

Vorschrift für wirksam gehalten, weil dem Auftraggeber bis zur

Fertigstellung des Werkes ohnehin das gesetzliche Kündigungsrecht

nach § 649 BGB zusteht.

IV. Nr. 19 AGB Banken / Nr. 26 AGB Sparkassen

Nach diesen Vorschriften kann das Institut die Geschäftsbeziehung zum

Kunden kündigen, und zwar ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist,

wenn ein wichtiger Grund hierfür besteht und ein solcher besteht

insbesondere in einer wesentlichen Verschlechterung der

Vermögensverhältnisse des Kunden. Dies wird man bei Einleitung eines

Insolvenzverfahrens anzunehmen haben.

V. Erbbaurecht

Als wirksam wird ebenfalls eine Regelung in einem Erbbaurechtsvertrag

angesehen, wonach der Heimfall eintritt, wenn der Erbbauberechtigte

insolvent wird.

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Der Werkvertrag in der Insolvenz

Markus van Marwyk

I. Rechtsnatur des Werkvertrags

Der Werkvertrag ist einer der besonderen Vertragstypen, die im

Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. § 631 Abs. 1 BGB definiert die

wechselseitigen Pflichten der Vertragsparteien. Durch den Werkvertrag

wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der

Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Unter einem Werkvertrag wird in Abgrenzung zum Dienstvertrag ein

Vertrag verstanden, bei dem sich die eine Partei verpflichtet, einen vorher

definierten Erfolg herbeizuführen. Die Herstellung von Bauwerken und

die Durchführung von Reparaturen bilden klassische Fälle von

Werkverträgen.26

II. Erfüllung des Werkvertrages

Der Werkvertrag ist von Seiten des Unternehmers erfüllt, wenn er das

geschuldete Werk vertragsgemäß, fehlerfrei und abnahmereif hergestellt

hat. Ungeklärt ist die Frage, ob der Vertrag erst mit Ablauf der

Verjährungsfrist für die Mängelbeseitigung gemäß § 634a BGB erfüllt ist.

27 Der Besteller hat seinen Teil aus dem Werkvertrag voll erfüllt, wenn

zur Zeit der Verfahrenseröffnung weder ein Anspruch auf Abnahme des

26 Plandt/Sprau Einf v § 631, Rn. 1. 27 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 63, was in der herrschenden Literatur bejaht wird.

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Werkes gemäß § 640 Abs. 1 BGB noch Zahlung des Werklohns besteht,

§ 631 Abs. 1 BGB.28

III. Insolvenz des Vertragspartners während der Dur chführung des

Werkvertrages

Haben beide Parteien, mithin der Unternehmer und der Besteller, den

Werkvertrag noch nicht vollständig erfüllt und gerät ein Teil in die

Insolvenz, besteht der Vertrag grundsätzlich fort. Beide Teile sind jedoch

regelmäßig aufgrund der Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß

§ 320 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern.29 Die

Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag kann von keiner Seite

durchgesetzt werden. Dies gilt allerdings nur für die Dauer des

Insolvenzverfahrens. Wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, lebt die

ursprüngliche Verpflichtung in vollem Umfang wieder auf. Beide

Vertragsparteien können sodann die Erfüllung des Vertrages verlangen.

Durch den Eintritt der Insolvenz eines Vertragsteils wird in

insolvenzrechtlicher Hinsicht der Werkvertrag in einen durchgeführten

und einen nicht durchgeführten Teil gespalten. Die Vertragsparteien

werden so behandelt, als hätten sie zwei selbstständige Verträge

geschlossen, und zwar einen über die vorinsolvenzlich erbrachte

Teilleistung und einen zweiten über die im Zeitpunkt der

Insolvenzeröffnung noch ausstehende Teilleistung.30

§ 103 Abs. 1 InsO gibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die

Erfüllung des Vertrages zu verlangen, wenn der Vertrag von beiden

Seiten noch nicht vollständig erfüllt wurde. Der Insolvenzverwalter hat im

Sinne einer bestmöglichen Handhabung für die Insolvenzmasse darüber

28 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 64. 29 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 11, 12. 30 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 16.

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zu entscheiden, ob er an der Erfüllung des Vertrages festhält oder

dessen weitere Erfüllung ablehnt. Regelmäßig wird sich der

Insolvenzverwalter für die weitere Erfüllung des Vertrages entscheiden,

wenn die Gegenleistung des Vertragspartners zu einem Massezufluss

führt.31

IV. Einzelfall: Insolvenz im Bauvertrag

Sachverhalt: Besteller (Bauherr oder Hauptunternehmer) B schließt mit

dem Werkunternehmer (oder Subunternehmer) W einen

Bauvertrag. Der Rohbau ist durch W erstellt worden. B hat

einen Teil der Vergütung an W gezahlt. W fällt in Insolvenz.

1. Insolvenzverwalter verlangt Erfüllung § 103 Abs. 1 InsO

Übt der Insolvenzverwalter sein Wahlrechts gemäß § 103 Abs. 1 InsO

aus, wird der Anspruch auf die Gegenleistung geteilt. Hinsichtlich des

Teils, der vor der Insolvenz liegt, handelt es sich um eine „normale“

Insolvenzforderung. Der Teil, der zur Zeit der Insolvenzeröffnung noch

nicht erfüllt war, erstarkt – folgerichtig – zur Masseverbindlichkeit. Dies

erfasst neben den Primäransprüchen in Gestalt der Werklohnansprüche

des Unternehmers auch alle Sekundäransprüche, mithin

Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüche.32

In Bezug auf den oben dargestellten Fall bedeutet dies, dass sich der

Insolvenzverwalter verpflichtet, das Bauwerk fertigzustellen. Dafür kann

er von dem B die vereinbarte Vergütung verlangen.

2. Insolvenzverwalter lehnt Erfüllung gemäß § 103 A bs. 1 InsO ab

31 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 97. 32 Uhlenbruck/Wegner § 103 Rn. 138 ff.

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Im Werkvertragsrecht ist Dreh- und Angelpunkt für die Frage der

Erfüllung die Abnahme des Werkes durch den Besteller. Anerkannt ist,

dass der Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung des

Werkes auch auf andere Weise erlöschen kann. Insbesondere kann der

Besteller von seinem jederzeitigen Kündigungsrecht Gebrauch machen,

§ 649 BGB. Verzichtet der Besteller auf die weitere Durchführung des

Werkvertrages und erhebt lediglich Schadensersatzansprüche, kann

darin eine solche Kündigung gesehen werden.33 In diesen Fällen

erlöschen die Hauptleistungspflichten aus dem ursprünglichen

Werkvertrag. Es entsteht ein Abrechnungsverhältnis, in dem die bisher

erbrachten Leistungen des Bauträgers mit eventuell vorhandenen

Mängeln und Schadensersatzansprüchen verrechnet werden.34

Verweigert der Insolvenzverwalter des W die weitere Erfüllung des

Werkvertrages und entscheidet sich gegen die Erstellung des Werkes,

entsteht ein Schaden bei B. B muss für die vollständige Herstellung des

Werkes anderweitig sorgen. Diese Kosten kann B von W ersetzt

verlangen, indem er seinen Schaden als Insolvenzforderung geltend

macht. Dadurch gibt der B jedoch zugleich zu erkennen, an der weiteren

Durchführung des Werkvertrages durch W nicht interessiert zu sein.

Meldet B seine Schadensersatzansprüche in dem Insolvenzverfahren

über das Vermögen des W zur Insolvenztabelle an, wird das

Vertragsverhältnis durch die Anmeldung beendet. In diesem Zeitpunkt

entsteht zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis. In diesem

kann W seinen für die bisherige Teilherstellung anfallenden

Werklohnanspruch auf der einen Seite einstellen. B kann zu seinen

Gunsten Schadensersatzansprüche wegen des Verlusts von

33 statt vieler OLG Düsseldorf v. 92. Juli 2014 – I-21 U 193/13, 21 U 193/13 Rn. 36. 34 OLG Düsseldorf v. 92. Juli 2014 – I-21 U 193/13, 21 U 193/13 Rn. 36; OLG Frankfurt v. 16. Dezember 2011 – 10 U 294/09 Rn. 22.

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Gewährleistungsrechten und eventuell bisher erbrachte

Abschlagszahlungen in das Abrechnungsverhältnis einstellen.35

3. Besonderheiten beim Bauträgervertrag – § 106 Ins O

Der Bauträgervertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Bauherr

verpflichtet, ein Grundstück des Bauträgers zu erwerben, welches von

diesem bebaut wurde. Der Bauträgervertrag weist Merkmale des

Kaufvertrages zum einen und zum anderen solche eines Werkvertrages

auf, da von Seiten des Bauträgers auch die Errichtung des Gebäudes

geschuldet ist. Zur Absicherung des Bauherrn lässt sich dieser im

Grundbuch regelmäßig eine Auflassungsvormerkung eintragen, die den

Eigentumserwerb absichern soll.

Gerät nunmehr der Bauträger in die Insolvenz, wird der Bauträgervertrag

unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten in den kaufrechtlichen und

werkvertraglichen Teil aufgespalten. Die Vertragsparteien werden so

behandelt, als hätten sie zwei selbstständige Verträge geschlossen,

nämlich zum einen den Kaufvertrag über das Grundstück und zum

anderen den Werkvertrag in Bezug auf die Errichtung des Gebäudes.

Hinsichtlich beider Teile kann der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs.

1 InsO die Erfüllung verlangen oder auch nicht.

In dieser Beziehung erhält § 106 Abs. 1 S. 1 InsO eine Sonderregel für

den Fall, dass der Bauherr sich durch die Eintragung einer

Auflassungsvormerkung abgesichert hat. Die Wirkung der Vormerkung

soll auch im Insolvenzverfahren erhalten bleiben. Der Insolvenzverwalter

ist verpflichtet, den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch so zu

erfüllen, wie es außerhalb des Insolvenzverfahrens der Schuldner tun

müsste. Er hat auf Rechnung der Insolvenzmasse alle Handlungen

35 MüKoInsO/Kreft § 103 Rn. 22 mwN.

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vorzunehmen, die zum Eintritt der geschuldeten Rechtsänderung

erforderlich sind. Im Hinblick auf den Bauträgervertrag hat der

Insolvenzverwalter die Auflassung zu erklären und die Eintragung zu

bewilligen, damit das Eigentum an dem Grundstück übergeht.

Da der Insolvenzverwalter aufgrund der Vormerkung wie der Schuldner

außerhalb der Insolvenz handeln muss, kann er den

Vormerkungsberechtigten sämtliche Einwendungen und Einreden des

Schuldners entgegensetzen. Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter

die Übertragung des Eigentums verweigern kann, wenn insbesondere

beim kaufrechtlichen Teil des Bauträgervertrags der Kaufpreis noch nicht

gezahlt wurde. In der Insolvenz des Bauträgers ist jedoch das Bauwerk

nicht vollständig fertig gestellt worden, so dass die Einigung über den

Kaufpreis unter anderen Gesichtspunkten erzielt wurde. In diesem Fall

ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung der Kaufpreis zu

ermitteln.36 Der Anspruch auf Übereignung ist Zug um Zug gegen

Zahlung des anteiligen Kaufpreises zu erfüllen.

In der Sache wird in Bezug auf die Übertragung des Grundstücks § 103

Abs. 1 InsO durch § 106 InsO verdrängt. Der durch die Vormerkung

gesicherte Anspruch, also der vereinbarte Anspruch auf Übertragung des

Eigentums, verliert nicht seine Durchsetzbarkeit. Der Insolvenzverwalter

muss den gesicherten Anspruch erfüllen, das Wahlrechts des § 103 Abs.

1 InsO ist ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter kann die

Übereignung eines durch Auflassungsvormerkung gesicherten

Übereignungsanspruchs gemäß § 106 Abs. 1 S. 1 InsO auch nicht auf

Grundlage des § 103 Abs. 1 InsO verweigern. In der Bauträgerinsolvenz

besteht diese Möglichkeit jedoch für den werkvertraglichen Teil.

36 OLG Stuttgart v. 18. August 2003 – 5 U 62/03.

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Mietvertrag und Arbeitsvertrag

Rolf Otto Neukirchen

I. Mietvertrag

Der Miet- und analog der Pachtvertrag ist in der Insolvenzordnung

ausdrücklich geregelt, was ja grundsätzlich schon einmal die Beurteilung

der Rechtslage erleichtert. Ausgangspunkt ist § 108 InsO , wonach u.a.

Miet- und Pachtverträge grundsätzlich fortbestehen, d.h., wenn keine

Partei irgendwelche Erklärungen abgibt, ändert sich auch nichts. Fangen

wir mal mit dem praktisch vermutlich weniger relevanten Fall an, dass

der Vermieter bzw. Verpächter insolvent wird. Für diesen Fall beinhaltet

die Insolvenzordnung kein Sonderkündigungsrecht, d. h., die

Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung und auch die Verpflichtung

zum Erhalt der Mietsache im vertragsgerechten Zustand geht auf den

Insolvenzverwalter über, der mithin auch zur Abrechnung der

Nebenkosten verpflichtet ist. Etwaige Nachzahlungsverpflichtungen oder

Erstattungsforderungen begründen in Abhängigkeit davon, ob sie vor

Insolvenzeröffnung entstanden sind oder nach Insolvenzeröffnung

entstehen, Insolvenzforderungen oder eben Masseforderungen des

Mieters gegen den insolventen Vermieter. Gegen eine

Erstattungsforderung aus vorinsolvenzlichen Zeiträumen kann der Mieter

demgemäß auch nur mit solchen Forderungen aufrechnen, die im selben

Zeitraum entstanden sind. Dies ergibt sich aus den allgemeinen

Aufrechnungsvorschriften im Insolvenzverfahren.

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Hatte der Mieter eine Mietkaution durch eine Geldzahlung geleistet, so

bleibt diese treuhänderische Bindung auch in der Insolvenz des

Vermieters bestehen, wenn, und das ist ganz wichtig, die Mietkaution

unterscheidbar im Vermögen des Vermieters vorhanden ist, also

insbesondere etwa auf ein Kautionskonto eingezahlt worden ist. Dann,

aber eben auch nur dann, hat der Mieter ein Aussonderungsrecht an der

Kaution. Hatte der Vermieter vorinsolvenzlich die Kaution mit seinem

Vermögen im Übrigen vermischt, begründet der

Kautionsrückzahlungsanspruch eine Insolvenzforderung.

Wird über das Vermögen des Mieters oder Pächters ein

Insolvenzverfahren eröffnet, so sieht das Gesetz in § 109 InsO ein

Sonderkündigungsrecht für den Insolvenzverwalter vor. Insbesondere

bei gewerblichen Mietverträgen werden häufig lange Laufzeiten von zehn

oder zwölf Jahren vereinbart, an die dann der Insolvenzverwalter nicht

gebunden ist. Er kann nach § 109 InsO mit einer Frist von drei Monaten

zum Monatsende kündigen. Wird durch dieses Sonderkündigungsrecht

eine längere Vertragslaufzeit für den Vermieter gegenstandslos, so

entspricht dem ein Schadensersatzanspruch wegen dieses sogenannten

Verfrühungsschadens.

Der Schadensersatzanspruch wiederum ist Insolvenzforderung, also in

der Regel wirtschaftlich nicht sonderlich werthaltig. Der Mietzinsanspruch

bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist Masseverbindlichkeit, § 55 Abs. 1

Nr. 2 InsO.

In seinem Bemühen, durch die Insolvenzordnung jedenfalls auch den

Unternehmenserhalt zu fördern, ist die Vorschrift des § 112 InsO

eingeführt worden, die für den Vermieter eine Kündigungssperre

beinhaltet.

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War bereits vor Insolvenzantragstellung der Mietzins rückständig und ist

bis zu diesem Zeitpunkt vermieterseitig deswegen nicht gekündigt

worden, so kann wegen dieses Rückstandes der Vermieter nicht nach

Insolvenzantragstellung noch kündigen. Also:

Mietzinsrückstand besteht für die Monate Januar und Februar.

Ende Februar beantragt der Mieter ein Insolvenzverfahren. Haben

Sie als Vermieter bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekündigt, so

können Sie nunmehr wegen dieses Rückstandes, der ja an sich

zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte, dem Mieter nun nicht

kündigen, § 112 Ziff. 1 InsO.

Allerdings kann während des Insolvenzantragsverfahrens, wenn es

länger dauert, ein neuer Kündigungsgrund entstehen, nämlich wenn

dann wiederum ein Mietzinsrückstand entsteht. In unserem Beispiel also

für März und April. Dann kann der Vermieter den Mietvertrag wegen

dieses Rückstandes kündigen.

Bei Kündigung ist mit Ablauf der Kündigungsfrist die Mietsache an den

Vermieter zurückzugeben. Insofern gelten keine Besonderheiten.

Praktisch taucht jedoch regelmäßig das Problem auf, dass sich die

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Mietsache, etwa Geschäftsräume, in einem nicht geräumten und

möglicherweise vermüllten Zustand befindet.

Dann taucht die Frage auf, ob der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, die

Mietsache in besenreinem Zustand zurückzugeben oder nicht. Nun, die

Antwort fällt überwiegend vermieterfeindlich aus. Zu unterscheiden ist

nämlich nach der Rechtsprechung zwischen dem Herausgabeanspruch

und dem Räumungsanspruch. Der Herausgabeanspruch, der seine

Grundlage in § 985 BGB hat, ist insolvenzrechtlich ein

Aussonderungsrecht des Vermieters und erfüllt, wenn der

Insolvenzverwalter ihm die Mietsache zurückgegeben hat, ihm also den

unmittelbaren Besitz an der Mietsache wieder verschafft hat, also den

Zugang ermöglicht oder die Wegnahme geduldet und die Schlüssel

zurückgegeben hat.

Davon zu unterscheiden ist der miet- bzw. pachtrechtliche

Räumungsanspruch, der zum Inhalt hat, dass bei Beendigung des

Mietverhältnisses die Sache im vertragsgemäß geschuldeten Zustand

zurückzugeben ist. Diese Verpflichtung beruht letztlich auf dem

vorinsolvenzlich abgeschlossenen Mietvertrag und begründet deshalb

nach insolvenzrechtlicher Systematik eine Insolvenzforderung des

Vermieters, der also letztlich auf den Reparaturkosten sitzen bleibt.

Etwas anderes gilt natürlich dann, wenn die Schäden an der Mietsache

nach Insolvenzeröffnung entstanden sind. Dann werden hierdurch

Masseverbindlichkeiten begründet.

Das dem Vermieter grundsätzlich gesetzlich zustehende Pfandrecht ist

insolvenzfest, erfährt allerdings in seiner Wirkung ebenfalls eine

Einschränkung in § 50 Abs. 2 InsO. Durch das Vermieterpfandrecht sind

nur geschützt die Ansprüche für Miete und Nebenkosten in den letzten

zwölf Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ältere

Rückstände sind nicht vermieterpfandrechtsgeschützt und auch der oben

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angesprochene sogenannte Verfrühungsschaden kann nicht über das

Vermieterpfandrecht liquidiert werden.

Dem Vermieter kann demgemäß im Wesentlichen empfohlen werden,

sich so weit wie möglich über eine Kaution, zweckmäßigerweise durch

Bankbürgschaft, abzusichern.

II. Arbeitsvertrag

Welche Wirkungen ergeben sich für den Arbeitgeber, wenn über das

Vermögen eines Arbeitnehmers oder auch Auszubildenden ein

Insolvenzverfahren eröffnet wird?

• Bestandsschutz

Der Arbeitsvertrag ist insolvenzfest. Dies haben wir oben bei § 108

InsO gesehen. Regelungen, die dies einschränken, sind demgemäß

unwirksam. Es kann also nicht wirksam vereinbart werden, dass die

Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des

Arbeitnehmers für den Arbeitgeber eine Kündigungsmöglichkeit des

Arbeitsvertrages eröffnet. Dies wäre eine nach § 119 InsO

unwirksame Lösungsklausel.

• Entgeltansprüche

Für Arbeitgeber eines insolventen Arbeitnehmers stellt sich praktisch

im Wesentlichen die Frage nach der Auszahlung der Vergütung.

Zum 1. Juli 2014 ist die vorerst letzte, aber sicherlich noch nicht

abschließende Reform des Privatinsolvenzrechts in Kraft getreten

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durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuld-

befreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte. Soweit

hier von Interesse, ist durch diese Reform die Vorschrift des § 114

InsO aufgehoben worden. Dies bedeutet für Sie als Arbeitgeber, dass

die Vorschrift des § 114 InsO nur in den Fällen weiterhin zu beachten

ist, in denen das Insolvenzverfahren vor dem 1. Juli 2014 eröffnet

worden ist. Relevant ist insofern insbesondere die Vorschrift des

§ 114 Abs. 1 InsO, wonach Abtretungen des Arbeitsentgeltes bis zwei

Jahre nach Insolvenzeröffnung gültig bleiben, die pfändbaren

Entgeltanteile also an den Abtretungsempfänger, in der Regel die

Targo Bank, abzuführen sind. Daran ändert sich für die Altverfahren

nichts.

Durch ersatzlose Aufhebung des § 114 InsO gilt jedoch für die Fälle,

in denen das Insolvenzverfahren am 1. Juli 2014 oder später eröffnet

worden ist, dass Sie Ihrerseits an den Insolvenzverwalter – und eben

nur an den – die pfändbaren Entgeltanteile abzuführen haben. Sie

werden regelmäßig in diesen Fällen vom jeweiligen

Insolvenzverwalter – früher Treuhänder – entsprechend

angeschrieben.

Welche konkreten Beträge sind insolvenzbefangen?

Grundregel ist, dass das, was in der Einzelzwangsvollstreckung

pfändbar wäre, auch dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Damit ist die

sogenannte Pfändungstabelle zu § 850 c ZPO anwendbar. Nicht

pfändbar und damit auch insolvenzfrei ist der Mindestbehalt, der

zurzeit netto € 1.049,99 beträgt. Im Übrigen hängt die Höhe des

pfändbaren und damit an den Insolvenzverwalter abzuführenden

Betrages vom Nettoentgelt und den Unterhaltspflichten ab. Hat der

Schuldner etwa drei Unterhaltspflichten, so ist ein monatliches

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Nettoentgelt bis € 1.879,99 nicht pfändbar, bei vier Unterhaltspflichten

sind es € 2.099,99.

Die Tabelle wird in unregelmäßigen Abständen an die

Gehaltsentwicklung angepasst, so dass zu empfehlen ist, jeweils die

aktuelle Tabelle beizuziehen.

Besonderheiten können sich ergeben, wenn der Mitarbeiter weitere

Leistungen durch den Arbeitgeber erhält. Diese können ganz oder

teilweise pfändbar oder auch unpfändbar sein.

Immer unpfändbar sind demgemäß Einzahlungen für sogenannte

Riester-Renten, zusätzliches Urlaubsgeld im üblichen Rahmen oder

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zweckbezogene Zulagen, etwa Gefahren-, Schmutz- oder

Erschwerniszulagen.

Pfändbar sind Zuschläge etwa für Nacht- und Schichtarbeit dann,

wenn die Zuschläge nicht für Überstunden gezahlt werden, sondern

im Rahmen der normalen vertraglichen Arbeitszeit. Abfindungen,

insbesondere Sozialplanabfindungen, oder Abfindungen, die der

Arbeitgeber auf der Grundlage eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs

im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses zahlt, sind

grundsätzlich in vollem Umfange pfändbar.

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Teil 4:

Platz für Ihre Notizen

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Vielen Dank für Ihr Interesse !