Fahrerassistenz der zukunFt Fahren oder geFahren werden?Das Auto hat sich in den letzten 125 Jahren in einem Maß verändert, dass man schon beinahe
nicht mehr vom selben Produkt reden kann. Wie auch immer das Auto der Zukunft aussieht, es wird
sich weiter verändern. Irgendwann wird es dann vielleicht auch seinem Namen gerecht werden:
Das „Auto-Mobil“ wird selbst fahren, glauben Martin Haub und Joachim Mathes von Valeo.
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mehr Sicherheit, weniger StreSS
In den zurückliegenden beiden Jahrzehnten sind bereits viele Funktionen eingeführt worden, die den Fahrer in kritischen Situationen unterstützen. Der Ausgangspunkt waren Systeme, die schwere Unfälle verhindern können wie das Antiblockiersystem ABS oder der Schleuderschutz ESP, der bald zum Serienumfang aller neuen Fahrzeuge gehören wird. Die Autofahrer schätzen aber auch Funktionen, die sie in harmloseren alltäglichen Situationen entlasten. Da jede Fahrt mit einem Parkvorgang endet und dies, wie erst unlängst durch eine Studie in den USA nachgewiesen wurde, eine deutliche Stressbelastung des Fahrers mit sich bringt, werden Parkhilfesysteme inzwischen weltweit in Millionenauflage verkauft.
Wo aber geht die Reise hin? Werden wir bald auf Knopfdruck vollautomatisch an unser Ziel chauffiert? Trifft das überhaupt die Wünsche des Marktes?
marktentwicklung
Valeo führt seit Jahren systematisch Kundenbefragungen und Marktstudien durch. Dabei ist der Trend zu beobachten, dass die Fahrer mehr und mehr bereit sind, Teile der Fahraufgabe zu delegieren. Allerdings wollen die Kunden auch den Fahrspaß genießen, der sich aus dem Gefühl ergibt, das Fahrzeug unter Kontrolle zu haben. Ein scheinbarer Widerspruch, an dessen Auflösung Valeo arbeitet. Der Fahrspaß endet in der Regel nämlich ganz schnell, wenn es sich um ermüdende Routinetätigkeiten handelt oder wenn sich unerwartet eine Gefahrensituation ergibt, in der blitzschnell die richtige Entscheidung getroffen werden muss. Beides, die Unterforderung wie auch die Überforderung, bergen zudem nachweisbare Unfallrisiken.
Beim Blick in die Zukunft stimmen die Experten darin überein, dass es zu einer weiteren Zunahme des Individualverkehrs in den Ballungsräumen kommen wird. Insbesondere in den Schwellenländern, die in den nächsten Jahrzehnten wesentlich zum Marktwachstum beitragen werden, entstehen weitere Megastädte. So werden nach Prognosen der WHO bis 2020 55 % der Weltbevölkerung in Großstädten leben. Der Fahrspaß wird sich bei den zu erwartenden Fahrzeugdichten in Grenzen halten; dazu kommt häufig eine
unzureichende Infrastruktur, sodass es auf den Straßen und Parkplätzen eng zu werden droht.
Hier liegt die Chance für die Assistenzsysteme. Im ersten Schritt bleibt es ein Kernbedürfnis des Fahrers, den Überblick zu behalten. Kamerasysteme, die eine lückenlose Rundumsicht des unmittelbaren Fahrzeugumfeldes ermöglichen, wie sie von Volkswagen im neuen Touareg angeboten werden, helfen ihm dabei. Dazu kommt, dass intelligente Algorithmen aus den Kamerabildern auch Informationen über das Umfeld gewinnen werden, die zukünftig die Aufmerksamkeit des Fahrers auf kritische Bereiche lenken können, oder die in Verbindung mit anderen Sensordaten sogar dafür sorgen, dass der Fahrer eine aktive Unterstützung erfährt.
automatiSierung von FahrauFgaben
So ist das „Park4U“System, wie wir das halbautomatische Einparken nennen, eine Erfolgsgeschichte. Seit 2007 am Markt, wird es inzwischen von Herstellern in Europa, USA und Asien angeboten; allein Valeo beliefert aktuell sieben Marken mit 25 Fahrzeugen. In der zweiten Generation, die inzwischen auch Querparklücken beherrscht, wurde die erforderliche Lückenlänge so weit reduziert, dass die Kunden mittlerweile auch den Ausparkassistenten zu schätzen wissen. Nicht sehr bekannt, aber in einem Moment der Unaufmerksamkeit möglicherweise entscheidend, warnen neue Systeme den Fahrer durch einen haptischen Bremsruck vor einer drohenden Kollision während des automatischen Parkvorgangs. Sie bringen unter günstigen Bedingungen das Fahrzeug ohne Zutun des Fahrers rechtzeitig zum Stillstand.
In diesem Sinn ergibt sich eine Kaskade, die wir in der Zukunft in vielen Bereichen der Fahrerassistenz sehen werden, 1.
Zunächst ist der Fahrer alleine und vollständig für die Führung des Fahrzeugs verantwortlich. Dazu braucht er einen Überblick, den ihm Kameras, aber auch intelligente Lichtsysteme selbst unter erschwerten Bedingungen liefern. Eine wichtige Herausforderung für die Entwicklung derartiger Systeme liegt auch darin, die MenschMaschineSchnittstelle so intuitiv auszulegen, dass der Sicherheitsgewinn nicht durch eine übermäßige Ablenkung des Fahrers kompensiert wird.
73April 2011 125 Jahre Automobil
Übersteigt die Menge der Informationen seine augenblickliche Aufnahmebereitschaft oder wendet er seine Aufmerksamkeit anderen Tätigkeiten zu und übersieht eine sich anbahnende Gefahr, wird er gezielt darauf hingewiesen. Dies wird im Regelfall ausreichen, um Schlimmeres zu verhindern. Auch hier spielt die Ergonomie eine wichtige Rolle; wird der Fahrer unangemessen oft gewarnt, besteht das Risiko, dass er das System abschaltet und damit in einer entscheidenden Situation keine Hilfe erfährt.
Ist der Fahrer selbst nicht mehr in der Lage, angemessen zu reagieren, wird ein elektronisches Sicherheitsnetz gespannt. Nur wenige Fahrer wissen wirklich, was bei einem ESPEingriff geschieht, mancher ist sehr überrascht zu erfahren, dass sein Auto ganz unabhängig einzelne Räder bremsen kann. Das kann auch ein noch so guter Autofahrer nicht.
techniSche entwicklungen
Die modellübergreifende Einführung von ESP als Serienausstattung bei Mercedes in den 90erJahren ermöglicht heute eine statistisch belastbare Aussage zur Wirksamkeit dieses Assistenzsystems. Laut Dekra kann die Anzahl der folgenschweren Unfälle um 30 bis 40 % verringert werden. Dennoch sind weltweit gesehen noch nicht einmal die Hälfte der Neuwagen damit ausgerüstet, 2010 waren es weltweit 41 %. Ein Beispiel dafür, dass für Sicherheitsfunktionen letztlich eine gesetzliche Regelung erforderlich ist, um alle technisch möglichen Verbes serungen auch flächendeckend in den Markt zu bringen. Für ESP wird dies in Europa und USA nun sukzes
sive verbindlich; andere Systeme werden folgen, denkt man beispielsweise an Spurwarner und Notbremssysteme für Lastkraftwagen.
Durch die Einführung solcher Systeme hat die Automobilindustrie aber auch bewiesen, dass komplexe elektronische Systeme mit einem großen Anteil an Software den Anforderungen an Zuverlässigkeit und Robustheit genügen können, wie sie an solche Sicherheitsfunktionen gestellt werden müssen. Mehr noch, durch die flächendeckende Einführung von ESP werden diese Strukturen ein fester Bestandteil der Autos von morgen sein.
Verbindet man diese Tatsache mit dem Siegeszug der Umfeldsensorik, lassen sich nochmals drei wichtige Trends ableiten.
Die Leistungsfähigkeit der Sensoren und die Vernetzung der Fahrzeugsysteme erlauben es, mehrere Kundenfunktionen mit einem Sensor oder Subsystem abzudecken. Ein Paradebeispiel ist hier die Frontkamera, 2, die meist als Sensor für ein Spurhalte oder warnsystem eingeführt wurde, aber die inzwischen die situa tionsgerechte Ausleuchtung des Sicht feldes ermöglicht, den Fahrer durch die Erkennung von Verkehrszeichen vor einer möglichen Geschwindigkeitsüberschreitung warnt und in Verbindung mit anderen Sensoren auch die Kollisionsvermeidung unterstützt. Weniger bekannt ist, dass Radarsensoren, die den toten Winkel überwachen, beim Ausparken den Fahrer vor Querverkehr warnen (Cross Traffic Alert). Diese Funktion ist bereits in Serie, weitere folgen in den nächsten Jahren. Damit bekommt der Autofahrer einen größeren Mehrwert für das eingesetzte Kapital. Selbst unter Berücksichtigung der erforderlichen Softwarekosten sinkt damit der Preis pro Funktion deutlich.
Autofahrer werden die angebotene Unterstützung gerne annehmen, aber sie werden auch das enthaltene Sicherheitsnetz auf die Probe stellen. Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Systeme wie
2 Multifunktionale Frontkameras, ursprünglich zur Spurhaltung eingesetzt, ermöglichen mittlerweile ein vollvariables Fernlicht
1 Fahrerassistenz-systeme erfüllen, wenn sie richtig ausgelegt werden, Bedürfnisse des Fahrers
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auch der Komponenten wird daher weiter steigen. Valeo arbeitet aus diesem Grund beispielsweise an einer neuen Generation der Ultraschallsensoren. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die zunehmende Verlagerung von Intelligenz in die Komponenten im Sinne einer verteilten Architektur, 3. Die Sensorik der Zukunft muss also möglichst eigensicher sein und ihre Signale mit einer Vertrauensbasis belegen. Damit nicht ein schwaches Glied die Sicherheit gefährdet, muss die gesamte Signal und Wirkkette konsequent und systematisch unter den Gesichtspunkten der funktionalen Sicherheit konzipiert werden.
Das führt zum dritten wichtigen Trend: Die Marktdurchdringung, insbesondere relativ kostengünstiger ultraschall und kamerabasierter Fahrerassistenzsysteme, erhöht die Wahrscheinlichkeit, im selben Fahrzeug sowohl die eine als auch die andere Sensorik vorzufinden. Da die beiden Technologien weitgehend komplementär sind, gehört die Zukunft der Sensordatenfusion. Damit lassen sich beispielsweise die oben angesprochenen Anforderungen
an die Robustheit sicherheitsrelevanter Systeme durch eine geschickte Verknüpfung und Plausibilisierung zweier sich ideal ergänzender Signale erfüllen. Eine weitere wichtige Informationsquelle erschließt sich
durch die Nutzung der ESPSensorik für die Fahrzeugodometrie sowie zukünftig vermehrt auch durch Telematiksysteme, die Informationen über das weitere Umfeld vermitteln.
3 20 Jahre und fünf Produktgenerationen trennen den Ultraschallsensor von 1991 (links) und 2011 (rechts)
Bau
Automotive
Industrie
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rahmenbedingungen
Das Endkundeninteresse und die demografische Entwicklung verheißen der Fahrerassistenz eine interessante Zukunft. Spannend wird sicher werden, wie die zunehmende Delegation kritischer Entscheidungen an derartige Systeme durch die Gesetzgebung bewertet werden wird. Im Wiener Weltabkommen, einer UNKonvention, ist verbindlich geregelt, dass der Fahrer „dauernd und unter allen Umständen“ sein Fahrzeug beherrschen können muss. Technisch wären heute viele Funktionen, von denen die Autofahrer träumen, bereits greifbar nahe.
Gleichzeitig ist die Automobilwelt global wie nie zuvor. Fahrerassistenzsysteme der Zukunft müssen nicht nur in Berlin oder Paris ihre Zuverlässigkeit unter Beweis stellen, sondern auch in Kairo, in São Paulo oder Mumbai. Sie müssen chinesische Parkmarkierungen ebenso erkennen wie arabische Verkehrszeichen, Fußgänger in Stammestracht ebenso wie Fahrradrikschas. Die daraus erwachsenden Anforderungen an Entwicklung und Validierung aller Hard und Softwarekomponenten sowie der mögli
chen Kombinationen werden gewaltige Herausforderungen sein.
Durch die konsequente Weiterentwicklung von Entwicklungsprozessen, den Siegeszug von Simulation und HardwareintheLoopTestverfahren auch für Umfelderkennungssysteme und nicht zuletzt durch intelligente Standardisierung und Variantenmanagement sind tragfähige Lösungen zu finden.
Der Individualverkehr der Zukunft wird dadurch noch sicherer, umweltfreundlicher und bequemer werden. Das ist ohne Zweifel auch notwendig. Bereits heute fordert der Straßenverkehr 90 % seiner Opfer in Schwellenländern. Während in den westlichen Industrienationen die Zahl der Verkehrstoten beständig sinkt, steigt sie dort hingegen dramatisch an. In Westeuropa oder auch Japan ergeben sich durch die erwartete Vergreisung der Gesellschaft jedoch weitere Herausforderungen an die Fahrerassistenz.
Die zunehmende Elektrifizierung des Antriebsstrangs bietet weiteres Einsparpotenzial, das sich durch eine antizipative Steuerung des Energieflusses ab hängig von der Verkehrssituation erschließen lässt. Verbrauchseinspa
rungen von 6 bis 7 % erscheinen realistisch. Für den Überlandverkehr wird im EUProjekt Sartre aktuell ein automatisches Kolonnenfahren erprobt. Erwartete Einsparung hier: 20 %. In beiden Fällen ist ein vernetztes Fahrzeug mit Sensordatenfusion die Voraussetzung.
Fazit
Ein wichtiges Ziel für die aktuelle Dekade ist die aktive Unfallvermeidung. Sowohl Mercedes als auch Volvo kommunizieren ihre Vision vom unfallfreien Fahren. Volvo spricht an dieser Stelle konkret von zehn Jahren. In diesem Zeitraum scheint auch ein temporärer Autopilot, wie unlängst von Volkswagen propagiert, realistisch. Das wirklich autonome Fahren wird aufgrund der Anforderungen an die Infrastruktur wohl darüber hinaus noch weitere zehn Jahre auf sich warten lassen.
Das Autofahren wird auch in Zukunft noch Spaß machen, aber vielleicht auf andere Weise als heute. Der Fahrer wird Routineaufgaben delegieren können und hat ansonsten die Gewissheit, dass ein elektronischer Schutzengel mitfährt, der unauffällig im Hintergrund wirkt.
autoren
martin haub (linkS) und Joachim matheS (rechtS)sind Topmanager bei Valeo.
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Vorläufige Werte: Kraftstoffverbrauch kombiniert 1,6 l/100 km, CO2-Emission kombiniert 40 g/km (gemäß 2007/715/EG).
www.opel-ampera.de
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