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Slate <;3iirri)cr teilung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 16. September 1981 Nr. 214 69

Elektrolyse-Siliziumaus Kieselgur

(ad) Ein neues Verfahren, mit dem Silizium aufelektrolytischem Wege aus Kieselgur gewonnen wer-den kann, haben Wissenschafter der Stanford- Univer-sität (Kalifornien) z um Patent angemeldet. Vor allemfür die Herstellung hochwertiger Legierungsstühle

und Solarzellen dürfte der Prozess Bedeutung haben.Das Siliziumdioxid kommt aus den Kieselgurvorkom-

men im amerikanischen Bundesstaat Illinois. Kiesel-gur (sog. Diatomeen-Erde) besteht aus Uebcrrcstenriesiger Mengen von Kieselalgen. Das Rohmaterialkostet nur etwa 6 Cent pro Kilogramm. Sein Rein-heitsgrad bis zu 99,8 Prozent ist wesentlich hö-her als der von Sand, der herkömmlichen Quelle fürdie Erzeugung von Silizium durch Reduktion des Sili-ziumdioxids. Die Herstellungskosten für Siliziumnach dem neuen Verfahren werden auf etwa 2 Dollarpro Kilogramm geschützt; sie sind allerdings von denStromkosten abhängig. Man erhalt so Silizium mit ei-nem Reinheitsgrad von 99,98 Prozent.

Notwendig ist ein Hochtemperaturofen mit kon-trollierter Atmosphäre für Reaktionsbereiche ober-h a lb des Schmelzpunktes von Silizium (1415 °C).Zwei Graphitelektroden sind in eine Schmelze ansBariumkarbonat und Bariumfluorid eingehängt, in derSiliziumdioxid zur Lösung gebracht wird. Schicktman Strom durch die Schmelze, sammelt sich das Sili-zium an der Kathode und bildet metallische Klum-pen, die nach dem Abkühlen leicht herauszuholensind. Zurzeit wird auch ein Verfahren entwickelt, mitdem das elektrolytisch erzeugte Silizium kontinuierlichabgeschieden werden kann. Daneben läuft an derStanford-Universität eine zweite Studie zur elektroly-tischen Gewinnung von hochreinem Silizium bei Ar-beitstemperaturen von nur 750 °C aus einer Fluorid-schmelze. Kaliumfluorsilikat, das aus Kieselflussüure(billiges Nebenprodukt bei der Düngemittelherstel-lung) gewonnen wird, dient als Siliziumquelle. Beidieser relativ niedrigen Temperatur wird Silizium inder Form fester polykristalliner Schichten auf einerGraphitplatte oder einer Silberfolie niedergeschlagen.

Zwar ist die Niederschlagsmenge geringer als beiSchmelzsilizium, der Reinheitsgrad jedoch höher. Dashochwertige Silizium, das auf diese Weise erzeugtwurde, enthielt nur noch 8 ppm Verunreinigungen.

Stahl mit Wasser geschnitten(bin) Mitarbeiter der British Hydromechanics Re-

search Association entwickeln zurzeit ein neues Ver-fahren zum Schneiden verschiedenster Werkstoffeunter anderem Stahl und Kunststoffe , wobei alsSchneidemittel Wasser verwendet wird. Mit diesemals «Water Jetting» bezeichneten Verfahren wurdenbereits 13 mm dicke Flussstahlbleche mit Geschwin-digkeiten von mehr als 100 mm/min geschnitten. DemWasser wird ein billiges Schleifmittel zugefügt, dann

wird es unter niedrigem Druck (weniger als 1000 bar)

durch die Schneiddüse gepumpt. Bei früheren Versu-chen, mit Wasser zu schneiden, waren extrem hoheDrücke und aufwendige Schleifmittel wie Siliziumkar-bid erforderlich. Das neue Verfahren arbeitet staub-frei und kalt, so dass es ohne weiteres in explosivenAtmosphären eingesetzt werden kann; auch Sand-stein, der beim Schneiden normalerweise gefährliche

Funken erzeugt, wurde nach dem neuen Verfahrenerfolgreich bearbeitet. Die Anlage umfasst eineSchneiddüse, die in Abständen bis 150 m von derHochdruckpumpe versorgt werden kann, einen Die-selmotorantrieb, Schlauchrollen und ein zentralesKommandogerät. Damit sollen auch die Notfahr-zeuge für die britischen Erdöllagerstätten in derNordsee ausgerüstet werden.

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Schnelle Computer-Programmedank ägyptischer Mathematik

Von Felix Weber

Um die Programme von Mikroprozessoren möglichst effizient zu machen, brauchen gewiefteSoftware-Spezialisten diverse Tricks. Die wenigsten von ihnen wissen wohl, dass sie dabei Anlei-

hen bei der altägyptischen Mathematik machen.

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Abb. 1. Mathematikaufgabe Nr. 26 aus der Faksimileausgabe des Papyrus Rhlnd. Oben der hieratische Originaltext, unten die Uebersetzung,die In drol Stufen erfolgt: Zuerst übersetzen die Experten in «gewöhnliche» Hieroglyphen, die ihrerseits in Lautschrift umgesetzt werdenmüssen. Erst aus dieser können die Spezialisten dann den deutschen Text herleiten. Die Schreibrichtung verlauft von rechts nach links. (Photo:

J. P. Klötzli)

Dass wir heute über die ägyptische Mathematiküberhaupt Bescheid wissen, verdanken wir zweiglücklichen Funden und jahrzehntelanger wissen-schaftlicher Arbeit. 1799, während Napoleons Aegyp-tenfeldzug, fanden französische Soldaten ein Stückschwarzen Basalts, das zum Schlüssel für die Ueber-setzung von Hieroglyphen wurde. Der nach seinemFundort benannte Sinn von Rosetta enthält nämlichausser einem Hieroglyphentext dieselbe Inschrift auchauf griechisch und demotisch (eine spätägyptischeSchrift). Obschon die Schriftgelehrten die Wichtigkeitdes Fundes sofort erkannten, dauerte es ein Viertel-jahrhundert, ene, esJean-Francois

Champollum gelang,

ihm sein Geheimnis mit der Entzifferung eines einzi-gen Wortes zu entreissen. Damit war der Weg für dieUebersetzung ägyptischer Schriften geebnet.

Pupyriis enthüllt altägyptische Mathematik

Vor 120 Jahren wurde in den Ruinen eines kleinenGebäudes in Theben ein fünf Meter langer Papyrus

aus dem Jahr 1650 v. Chr. gefunden. Die Wissenschaf-ter konnten den hieratischen Text vollständig überset-zen und gelangten so zu einem unschätzbaren Doku-ment: der nach seinem ersten Besitzer Rhmd benanntePapyrus beschreibt nämlich die Mathematik, wie sieim alten Aegypten betrieben wurde.

Die Aegypter kannten die natürlichen Zahlen von1 bis I 000 000 und die zugehörigen Brüche Vi, >;/>;, <;A,

Vi usw. Mit Summen von solchen sogenanntenStammbriichen (Stammbrüche haben stets d en ZählerI) konnten sie auch jeden andern Bruch ausdrücken.Die Regel war dabei die, dass die einzelnen Summan-d en verschiedene Nenner haben mussten. So schrie-ben sie beispielsweise für die Zahl Vi nicht etwa '/j + '/s,

sondern VS + '/ls. Immerhin gab es ein spezielles Zei-chen für den Bruch %.

Für die Darstellung der Zahlen verwendeten dieAegypter folgende Zeichen:

I 1 Strich

r\ 10 Schlinge zum Anbinden von Tieren

P 100 Schiffstau

<;?

1 000 Lotusblume

10 000 Finger

100 000 Kaulquappe

\ 000 000 Gott der Ewigkeit

Die Zahl 152 123 sah also so aus:

,nniHMlllK

FQr die Null gab es kein spezielles Zeichen. Stattdessen Hessen sie einen freien Raum. Die Aegypterschrieben also 203 folgendermassen:

IIIAnstelle des Bruchstrichs stand ein linsenförmiges

Zeichen. So ist z um Beispiel:

lilli

Um zwei Zahlen miteinander zu multiplizieren.

verwendeten die Aegypter dasselbe Verfahren, das ind en heutigen Mikroprozessoren zur Anwendungkommt, um Platz und Rechenzeit zu sparen. Dabeiverdoppelt man d en Multiplikanden, so oft es nötigist, und addiert anschliessend die Zwischenresultate.Verdoppelungen sind im Computer, wo die Zahlenbinär dargestellt werden, besonders einfach, da blossdie zugehörigen Bits um eine Position nach links ge-

schoben werden müssen. Um 13x19 zu rechnen,schrieben die Aegypter folgende Verdoppelungsfolge

auf:

/ I 19

2 38/ 4 76/ 8 152

Gebraucht wurden die hier mit einem Schrägstrich

/ markierten Zwischenresultate, also 1x19=19,4x19 = 76 und 8x19=152, die addiert das Resultat13x19 = 247 ergeben. Im Computer sieht das fastgleich aus; bloss werden die Zahlen binär geschrie-

ben:

/ 00010011 (=1x19- 19)

00100110 ( = 2x19= 38)

/ 01001100 ( = 4x19= 76)

/ 10011000 ( = 8x19=152)

Addiert werden wiederum die mit einem Schräg-

strich markierten Zwischenresultate, und man erhält

llllOIII (=13x19 = 247)

Bei der Division verwendeten die Aegypter die um-gekehrte Methode, die ebenfalls in der Mikroprozes-sortechnik angewendet wird: Um 49:8 zu rechnen,verdoppelten sie d en Divisor 8 so oft, bis der Divi-dend 49 überschritten wurde:

1

2 16

4 328 64

64 ist grösser als 49, also wurde hier die Reiheabgebrochen. Dann suchte man in absteigender Rei-henfolge diejenigen Zwischenresultate, deren Summeder Zahl 49 am nächsten kommt. Also:

4 322 16

Addiert ergibt dies 48 oder 6x8, und als Restbleibt die Differenz von 48 zu 49, also t. Das Resultatlautet nun 49:8 = 6, Rest I, oder 49:8 = 6'/«.

Erfanden die Aegypterdie «moderne» Numerik?

Multiplikation und Division also wie im Compu-

ter. Aber damit nicht genug. Der Papyrus, der in einenarithmetischen, einen geometrischen und einen Anwen-dungsteil gegliedert ist, beschreibt auch Ansätze vonTechniken, die heute in der numerischen Mathematikwieder z um Zug kommen. Es geht dabei um die Lö-sung von Gleichungen mit Näherungsmethoden. Dabeiwird eine Zahl als «Probierlösung» in die Gleichungeingesetzt, und ein Vergleich des Probierresultats mitdem vorgegebenen Resultat bestimmt dann das wei-tere Vorgehen. Da bei d en Aegyptern nur lineare Glei-chungen vorkommen, gelangten sie bereits nach ei-nem weiteren Schritt zur richtigen Lösung.

Ein Beispiel für diese Methode ist die Aufgabe

Nummer 26 im Papyrus Rhind (vgl. Abb. I).

Uebersetzt in die heutige mathematische Notation,sieht diese Aufgabe Nr. 26 wie folgt aus:

Löse die Gleichung x -t-x/4 = 15 nach x auf. Pro-bier es mit der Näherungslösung x = 4. Dann erhältstdu

xo +x = 4 + 4/4 =Vergleiche das Probierresultat 5 mit dem richtigen

Resultat 15. Um 15 zu erhalten, musst du 5 mit 3 mul-

tiplizieren. Die Multiplikation obiger Probicrglci-chung mit diesem Faktor 3 ergibt folgendes Hild:

3x(xo + x0/4)=l5

Also muss die Nüherungslösung x = 4 auch mit 3multipliziert werden, um die richtige Lösung x zu er-halten:

x = 3xx0 = 3x4=12

Kn-isfliii hin berechnen, ohne l'i zu kennen

Auch die Geometrie diente den Aegyptern wie ihreArithmetik rein praktischen Zwecken. Us ging ihnenvor allem um die Flächenberechnung von Feldernoder die Grössenberechnung von Gebäuden oder Py-

ramiden. Das erstaunlichste dabei ist wohl die Tatsa-che, dass sie eine Formel entdeckten, mit der sieKreisflächen berechnen konnten. Wenn man dieseFormel mit der heutigen exakten Formel vergleicht, sostellt man fest, dass die Aegypter Kreisflächen so ge-

nau berechnen konnten, dass der Fehler bloss 0,6 Pro-zent beträgt. Das entspricht einer Kreiszahl n von3,16 statt 3,14.

Wie sie diese Formel, nämlich F»(SxD)!, fan-den, steht nicht im Papyrus Rhind. Man vermutetaber, dass der Erfinder sie aus Volumenberechnungengewann, weil solche im Papyrus vor den Flächenbe-rechnungen vorkommen. Wahrscheinlich ging er voneinem zylindrischen Gefäss aus, dessen Durchmesser9 Einheiten betrug. (Die Zahl 9 hatte bei den Aegyp-

tern eine spezielle Bedeutung, da sie eine Gruppe vonGottheiten repräsentierte.) Dann konstruierte er Ge-fässe mit verschieden grossen quadratischen Böden,die aber alle gleich hoch waren wie der Zylinder. Die-sen f ü l l te er mit Wasser und probierte aus, in welchemder andern Gefässe das Wasser möglichst genau Platzhatte. Weil das Wasser aus dem Zylinder mit Durch-messer 9 das Gefäss mit Bodenseite 8 fast genau füllte,hat also ein Kreis vom Durchmesser 9 fast dieselbeFläche wie ein Quadrat mit Seitenlänge 8, nämlich8x8 = 64. Die genaue Berechnung mit der heutigen

Formel F=R-'x n ergibt 63,61.

Die Tatsache, dass die ganzen Zahlen 9 und 8 eineso gute Näherung ergaben, ist ein glücklicher Zufall.Angespornt durch diesen Erfolg, zog der ägyptische

Mathematiker den Schluss, dass man ganz allgemein

Kreisflächen berechnen kann, indem man ' desDurchmessers von diesem subtrahiert und dann dieseZahl (also % des Durchmessers) mit sich selbstmultipliziert. Solche Verallgemeinerungen sind natur-

/WvW /'Abb. 2. Vom Computer geschriebener Hieroglyphentext («Ich hieltauf der Insel am) Es handelt sich um ein Zitat aus der Geschichte derSinuhe. die in Theben 1000 v. Chr. auf eine fünf Meter lange Papyrus-

rolle geschrieben worden war.

lieh gefährlich und müssen jeweils nachträglich über-prüft werden. Einen Beweis der Formel findet man imPapyrus Rhind allerdings nicht. In diesem Fall hatteaber der ägyptische Mathematiker intuitiv den lichti-gen Schluss gezogen: seine Formel lässt sich in derTat auf beliebige Kreise anwenden.

Hieroglyphen schreiben, speichern und lesenmittels Computer

Aegyptische mathematische Methoden könnenalso Computer-Programme effizienter machen. Inter-essanterweise könnten wir heute dank dem Computerden Aegyptern eine Gegenleistung anbieten: Manbraucht nämlich Hieroglyphen nicht mehr in mühe-voller kalligraphischer Kleinarbeit zu schreiben. DieseAufgabe erledigt ein Zeichengerät, das an einem ent-sprechend programmierten Rechner angeschlossenist, schnell und genau. Das Resultat ist eine homogeneSchriftdarstellung, die leicht lesbar ist. Man kenntheute mehr als 760 verschiedene Hieroglyphen. DasSetzen von Texten in mittelägyptischer Sprache, dassonst nur mit sehr teuren und sehr vielen verschiede-nen Typen möglich wäre, wird dank dem Computer

wesentlich vereinfacht (vgl. Abb. 2).

Im Gedächtnis des Computers lassen sich abernicht bloss einzelne Hieroglyphen abspeichern, son-dern ganze Wörterbücher, die sich sehr rasch abfragen

lassen. Das «Blättern im Buch» besorgt ebenfalls dieMaschine. Verschiedentlich wurde schon versucht,Schrifterkennungsprogramme für unsere westlicheSchrift zu entwickeln. Die Schwierigkeiten sind dabeienorm, da wir ja die einzelnen Zeichen in unsererSchnurschrift nicht eindeutig trennen und auch dieBuchstaben nicht immer deutlich erkennbar sind.Aegyptische Schriften haben diese Nachteile nicht.Die einzelnen Hieroglyphen werden getrennt ge-

schrieben und sind so verschieden voneinander, dasssie von einem Leseautomaten ohne weiteres identifi-ziert werden könnten. Damit sind selbst computeri-

sierte Uebersetzungen von Hieroglyphentexten tech-nisch möglich geworden.

Adresse des Verfassers: Tüfweg 20, CH-8044 Gockhau-sen

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Neue Zürcher Zeitung vom 16.09.1981

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