Freiheitsrechte und institutionelle Garantien derReichsvedassung (1931)
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Hugo Preuß hat in seinen Verfassungsentwürfen das Verhältnisvon Staatsorganisation und Grundrechten dadurch bestimmt, daß erdie grundrechtlichen Garantien der Freiheit ganz in den organisatorischen Teil hineinnahm und auf einen besonderen Grundrechtsteil verzichtete. Bei dieser Lösung konnte das schwierige Problemdes Verhältnisses von erstem (organisatorischem) und zweitem(Grundrechts-) Teil der Verfassung nicht, oder wenigstens nicht inseiner heutigen Schärfe entstehen. Trotz aller Bedenken und Widerstände ist es Preuß nicht gelungen, die im Lauf der weiteren Entstehungsgeschichte sehnell einsetzende Einführung immer neuerGrundrechte und "Verankerungen" abzuwehren und die Heterogenität, Inkohärenz und Pleonexie des vorliegenden Grundrechtsteileszu verhindern, der es sich, wie der Abgeordnete Koch (ProtokolleS. 505) ironisch sagte, anscheinend zur Aufgabe macht, "alle menschliohen und göttlichen Dinge erschöpfend zu regeln". Die rechtswissenschaftliche Behandlung dieses Grundrechtsteils steht infolgedessen vor neuen, sehr aktuellen, aber auch sehr komplizierten Aufgaben, die mit den Formeln und Kategorien des Vorkriegsstaatsrechts nicht einmal zu fassen, geschweige denn zu lösen sind.
Dieijberlieferte Behandlung der typischen Grund- und Freiheitsrechte ~ndete schließlich in einem Dilemma, das bequem undschlagend ist, das wir aber angesichts der heutigen Rechtslage alseine Sackgasse erkennen: die Grundrechtsaufstellungen der Verfassungsind entweder ,,bloßes Programm" und eben deshalb positivrechtlichbedeutungslos. gutgemeinte Proklamationen. politische Aphorismen.fromme Wünsche, Monologe des Verfassungsgesetzgebers oder wiedie zahlreichen mehr oder weniger bagatellisierenden Namen lauten.Oder die Gmndrechte stehen unter dem ..Vorbehalt des Gesetzes"und werden dureh einfache Gesetze positiviert; sie sind dann nurUmschreibungen des allgemeinen Grundrechts auf Gesetzmäßigkeitder Verwaltung, richten sich nicht an den Gesetzgeber. sondern an
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die gesetzanwendenden Behörden in Verwaltung und Justiz, berührenden Vorrang des (einfachen) Gesetzes in keiner Weise und sind infolgedessen, weil es nur_auf diese positiven Gesetze ankommt, nachdem bekannten Ausdruck von Richaoo Thoma "leerlaufend". Derpositive Jurist hatte es grundsätzlich nur mit den einfachen Gesetzenzu tun, die den Vorbehalt des Gesetzes ausfüllen, z. B. den Bestimmungen der Strafprozeßooonung über Verhaftung, nicht aber mitdem Grund- und Freiheitsrecht, der Gewährleistung der persönlichenFreiheit selbst. Als einfache Gesetze konnten diese Positivierungendurch ein späteres einfaches Gesetz völlig verändert werden. LetzterSchutz der Grund- und Freiheitsrechte war das Gesetz, und zwardas einfache Gesetz, d. h. die unter Mitwirkung der Volksvertretungzustande gekommene Normierung. In dem Kommentar von G. Anschütz zur preußischen Verfassungsurkuooe von 1850 (1912) ist dasgrundsätzlich und an allen entscheidenden Punkten, besonders beiden wichtigsten Grundrechten Freiheit (Art. 5, S. 144) und Eigentum(Art. 9, S. 161), in schlagenden Formulierungen zum Ausdruck gekommen.
Natürlich enthielten die früheren Verfassungen auch Einzelbestimmungen, die nicht durch ein einfaches Gesetz geändert oder garbeseitigt werden konnten. Aber für die fundamentalen Grundrechtsgewährleistungen wie persönliche Freiheit und Eigentum ergab sichimmer wieder jene einfache Alternative, die zur Bedeutllngslosigkeitauf der einen, Leerlauf auf der andern Seite führte. Das Schicksal,in diesem Dilemma aufgerieben zu werden, ist zunächst scheinbarunverändert auch auf die Grundrechte der geltenden Reichsverfassung von 1919 übertragen worden. Für die Gleichheit vor dem Gesetz(Art. 109) hat die von Anschütz geführte .,alte Lehre" unverändertan dem :bisherigen Satze festgehalten, daß diese Gleichheit keinerleiBindungen für den Gesetzgeber bedeute, nicht einmal einen Anhaltspunkt für den rechtsstaatlichen Begriff des Gesetzes als einergenerellen Regelung gebe, also nicht einmal Ausnahmegesetze imengsten und gröbsten Sinne des Wortes verbiete. Zu den Garantiender persönlichen Freiheit, der Unverletzlichkeit der Wohnung undder Freiheit der Meinungsäußerung bemerkt R. Thoma: "Von denArt. 114, 115 und 118 ist ja allerdings zu sagen, daß sie ohnehin nichtviel ausrichten" (Nipperdey, Grundrechtskommentar'I, S. 33). In demvon Nipperdey herausgegebenen Kommentarwerk zu den Grundrechten und Grundpflichten der Deutschen sind die Art. 114 und 115in der Weise kommentiert, daß in der Hauptsache die (den Vor-
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behalt des einfachen Gesetzes ausfüllenden) zahlreichen Gesetze desStraf-, Strafprozeß-, Polizei-, Finanzrechts und anderer Rechtsgebietebehandelt sind (I, S. 316, 367), ein praktisches und verdienstvollesUnternehmen, 'bei welchem nur die spezifisch verfassungsrechtlicheSeite der Grundrechtsgarantie oft ganz zurücktritt.
Die geltende Reichsverfassung enthält aber, unter der überschrift"Grundrechte und Grundpllichten der Deutschen", außer dentypischen Freiheitsverbürgungen noch so viele andersgeartete Sätzeund Bestimmungen, daß die Grundrechte im überlieferten Sinne einenquantitativ geringen Teil dieses Grundrechtsteiles der Verfassungausmachen. So sind einzelgesetzliche Bestimmungen, die man normalerweise in einfachen Gesetzen findet und ,die sich in tihrer rechtslogisehen Struktur in keiner Weise von den zahllosen andern, füreine unmittebare Anwendung in Justiz und Verwaltung bestimmtengesetzlichen Normierungen anderer Rechtsgebiete unterscheiden,unter den "Grundrechten und Grundpllichten der Deutschen" aufgeführt, z.B. Art. 123, Abs.2 (die vereins- und v·ersammlungsgesetzliehe Bestimmung, daß Versammlungen unter freiem Himmel durchReichsgesetz anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahrfür die öffentliche Sicherheit verboten werden können); Art. 124,Abs. 2 (der Erwerb der Rechtsfähigkeit steht jedem Verein gemäßden Vorschriften des bürgerlichen Rechts frei; er darf einem Vereinnicht aus dem Grunde versagt werden, daß er einen politischen,sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt; also die Aufhebungeines einfachen Gesetzes § 61 Abs. 2 und § 43 Abs. 3 HGB. durch Verfassungsgesetz); Art. 129, Abs.3 S.1 (gegen jedes dienstliche Straferkenntnis muß ein Beschwerdeweg eröffnet sein) usw. Von derartigen ,Bestimmungen sagt Otto Lenel (über die Reichsverfassung1919, S.28) mit Recht, daß es Bestimmungen sind, "die an sich ebensogut in irgendeinem Spezialgesetz stehen könnten; sie entbehrendes grundrechtlichen Charakters". H. Preuß klagt darüber, daßdurch "plötzliches Herausgreifen von Spezialhestimmungen" so vieleDinge in den zweiten Hauptteil der Reichsverfassung hineinkamen,daß "die Konsequenzen ziemlich unübersehbar" sind (Prot. S.5(4).Eine besonders wichtige, im Sommer 1919 allerdings noch nicht bewußte oder vorausgesehene Konsequenz scheint darin zu liegen, daßein "paradoxes" Ergebnis eintritt: diese "plötzlich herausgegriffenenSpezialbestimmungen" erhalten die ganze Kraft verfassungsgesetzlicher Normen, sind durch keinerlei Vorbehalte eines einfachen Gesetzes eingeschränkt, nur nach Art.. 76 abänderbar und, nach dem
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bekannten, wohl allgemein übernommenen Ausdruck von R. Thoma,voll "verfassungsgesetzeskräftig"; sie sind demnach mit der stärkstenSicherung umgeben und zur höchsten Bedeutung gesteigert, die daspositivistische Staatsrecht kennt. Die fundamentalen und zentralenFreiheits- und Menschenrechte dagegen werden in dem eben erwähnten Dilemma zwischen Programm und positivem Gesetz teils zurBedeutungslosigkeit, teils zum Leerlauf herabgemindert. Das Rechtdes Beamten auf Einsicht in seine Personalakten (Art. 129, Abs. 3,Satz 3) soll kräftiger, sicherer und heiliger sein als alle Grundrechteder persönlichen Freiheit, der Unverletzlichkeit der Wahnung, derfreien Meinungsäußerung usw. ;Das ist meiner Ansicht nach nichtnur ein paradoxes, sondern auch ein ganz unmöglicht's Ergebnis.
Zwischen den Grundrechten überlieferter, d. h. bürgerlich-rechtsstaatlicher Art und ,den verfassungsgesetzlichen Selbstbestimmungenliegen aber noch andere Arten verfassungsrechtlicher Sicherungen.Von ihnen interessieren hier die institutionellen und die Institutsgarantien. Diese der Vorkriegsjurisprudenz unbekannten oder jedenfalls nicht geläufigen Arten verfassungsrechtlicher Gewährleistungensind allmählich erkannt und anerkannt worden. Hier soll zunächsteine übersicht über die institutionellen Garantien im vorliegendenverfassungsrechtlichen Schrjfttumgegeben werden. Ich habe denBegriff der institutionellen Garantien in meiner Yerfassungslehre(1928, S.117) aufgestellt, ohne jedoch die wesentlich öffentlich-rechtlichen Gewährleistungen institutioneller Art von den privatrechtlichen ,Institutsgarantiendeutlich genug zu trennen. Inzwischen hatsich eine Reihe von Autoren den Gesichtspunkten angeschlossen, diezur Annahme solcher besonders gearteten Garantien führen und indas verwirrende Vielerlei des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung einige Ordnung und Unterscheidungsmöglichkeit hineinbringen.
Am meisten dürfte Art. 127 RV. als institutionelle Garantie anerkannt sein; vgl. namentlich die Kommentare: G. Anschütz (10. Aun.,3. Bearbeitung, S.510); Giese (8. Aun., S.271: Gewährleistung derdezentralisierten Selbstverwaltung durch kommunale Selbstverwaltungskörper; Art. 127 stellt "die Institution der kommunalenSelbstverwaltung dergestalt unter die reichsverfassungsmäßigeGarantie, daß eine Aufhebung dieser Einrichtung dem einfachenReichsgesetzgeber sowie dem Landesgesetzgeber unmöglich gemachtist"); Poetzsch-Heffter (3. Aun., S.431, wo allerdings nur von einemSchutz gegen eigenmächtige Eingriffe der staatlichen Behörden die
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Rede ist, womit aber wohl auch das unantastbare Minimum derInstitution Selbstverwaltung anerkannt sein dürfte}. R. Thomaspricht (Nipperoey, I S. 21, 38) davon, daß die gesetzlichen Beschränkungen der Selbstverwaltung nicht so weit gehen dürfen, das Institut der Selbstverwaltung 'zu vernichten; es müsse trotz aller gesetzlichen Beschränkungen "etwas übl1i,gbleiben, das man - d. h. ,derReichspräsident oder evtl. em Gerimtshof - nom ernsthaft alsSelbstverwaltung gelten lassen kann". Fr. Glum, ArchöffR. 17 (1929,S. 385), sagt, Art. 127 habe "den historischen Bestand der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände in allen deutschenStaaten, den die Revolution vorgefunden hatte, sichern wollen";dazu gehöre: Selbstbestimmung hinsichtlich der Berufung derOrgane, ein Kreis eigener Angelegenheiten, Grenzen der Staatsaufsicht. Nach K. Loewenstein, Erscheinungsformen der Verfassungsänderungen 1931, S. 289 ff., ist eine Durchbrechung oder überschreitung institutioneller Garantien durch Verfassungsgesetz unmöglich,wohl aber die "existenzielle" Aufhebung der Institution selbst, dieaber gerade durch die institutionelle Garantie verhindert werden soll.G. Lassar erklärt in seinem Rechtsgutachten für den preußischenLandkreistag (Hoheitsfunktionen und Dienstverhältnis preußischerKommunaHmgestellter, 1931. S.43) Maßnahmen der einfachen Gesetzgebung und Verwaltung, welche "das Wesen des Instituts" berühren,für unzulässig. A. Hensel (Grundrechte und politische Weltanschauung, 1931, S.20) spricht ebenfalls von der "institutionellen Sicherungder Selbstverwaltung in Art. 127". E. Forsthoff, Die öffentlicheKörperschaft im Bundesstaat; eine Untersuchung über die Bedeutungder institutionellen Garantien in den Art. 127 und 137 der WeimarerVerfassung (Beiträge zum öffentlichen Recht der Gegenwart, Heft 3,Tübingen 1931, S. 100 ff.) sagt: "Gegenstand der in Art. 127 RV.enthaltenen Garantie ist also - darüber lassen Wortlaut und Entstehun,gsgeschichte keinen Zweifel - die kommunale Selbstverwaltung als besonderer Verwaltungstypus. Selbstverwaltung ist nurdenkbar als Tätigkeit eines von der Staatsorganisation distanziertenVerwalt'llDgssubjekts '" mit einer verständigen Auslegung der Verfassung würde es nicht vereinbar sein, wenn die kommunale Selbstverwaltung dadurch ausgehöhlt würde, daß Aufgahen der örtlichenVerwaltung 1m weitesten Umfang Staatshehörden übertragenwürden,"
Auch da, wo der Ausdruck ilL'3titutionelle Garantie fehlt, findetman in der Sache das gleiche Ergebnis. So heißt es in der Entschei-
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dung des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich vom 10./11. Dezember 1929 (RGZ. 126, Anhang S.22): "Art. 127 RV. bedeutet keinbloßes Programm ohne rechtlichen Gehalt. Er setzt vielmehr bindendfest, daß den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht derSelbstverwaltung zusteht. Die Landesgesetzgebung darf daher diesesRecht nicht aufheben und die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten nicht den Staatsbehöl'den übertragen. Sie darf die Selbstverwaltung auch nicht derart einschränken, daß sie innerlich ausgehöhltwird, die Gelegenheit zu kraftvoller Selbstbetätigung verliert undnur noch ein Scheindasein führen kann." Stier-Somlo hat in seinemAufsatz Reich'Sstaatsgerichtshof und das Grundrecht der Selbstverwaltung, ArchöffR. 19 (1930, S.255), gegen diese Entscheidung Einwendungen erhoben, die sich namentlich auf die Frage beziehen, obdie einzelne Gemeinde ein subjektives öffentliches Recht auf Schutzgegen zwangsweise Eingemeindung hat. Er bejaht ein solches Recht,aber nicht absolut, sondern nur grundsätzlich und behält sich Ausna1hm.en vor. In der Sache kommt auch er, trotz seiner sonstigenPolemik gegen den Begriff der institutionellen Garantie (Nippcrdey I, S. 170, Anm. 24), dennoch dem Gedanken einer solchen Garantie sehr nahe, und es ist berechtigt, wenn F. Nadolski (,Die Unterscheidung und Einteilung der Grundrechte in der neuesten staatsrechtlichen Literatur, Jenenser Diss. 1931, S. 51, Anm.) auf eineandere Äußerung Stier-Somlos (Handwörterbuch der Rechtswissenschaft 11, 1927, S.508) hinweist, wo gesagt wird, daß es neben denindividualistischen und den sozialen Grundrechten noch eine Reihevon Verfassungsgesetzen gibt, die dem Schutz einer Einrichtungdienen, und daß der Begriff der Grundrechte ins Grenzenlose undins Unbestimmte ausgeweitet würde, wenn man aus allen diesenSätzen "Grundrechte" ooleiten wollte.
Daß die Lehre von der institutionellen Garantie aber auch dort,wo sie ex professo angenommen wird, auf Schwierigkeiten undHemmungen stößt, ist in den Anmerkungen des Kommentars vonAnschütz zu Art. 127 erkennbar. Wegen der außerordentlichen Bedeutung, die den Ausführungen und der Stellungnahme diesesführenden deutschen Kommentars zukommt, soll die Anmerkung hiereiner kurzen, näheren Betrachtung unterzogen werden. Anschützgeht davon aus, daß die Selbstverwaltung und die Staatsaufsicht andie Schranken des Gesetzes gebunden sind und "insoweit", weilArt. 127 nur den Grundsatz .der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungspezialisiere, ein "leerlaufender" Grnndrechtsartikel vorliege, der
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kraft des allgemeinen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ohnehin schon gelte. Dann fährt cr for~: "Es läßt sich abernicht leugnen, daß Art. 127 hierüber hinaus noch eine andere, weiterreichende Bedeutung hat. Er bindet nicht nur die Verwaltung andas Gesetz, sondern auch den Gesetzgeber selbst." Angesichts der beiAnschütz (namentlich in seinem Kommentar zu Art. 109) festzustel.lenden Zurückhaltung gegenüber Ansichten, welche die überlieferteLehre vom uneingeschränkten Vorbehalt ·des einfachen Gesetzes undvon der Allmacht des Gesetzgebers einschränken, ist dieser Satz vonbesonderem Interesse. Die Bindung des Gesetzgebers, die Art. 127'
herbeiführt, besteht darin, daß der Gesetzgeber die "Einrichtung derSelbstvenvaltung als solche" beschränken, aber "nicht beseitigen"darf. Das ist typisch eine institutionelle Garantie. Doch suchtAnschütz diese seine Anerkennung gleich wieder, wenn ich so sagendarf, leerlaufend zu machen, und zwar mit einer dreifachen Begründung: erstens habe der Gesetzgeber sowohl bezüglich der Organisation wie auch des gegenständlichen Wirkungskreises sowie derGestaltung der Staatsaufsicht "völlig freie Hand"; zweitens sei dieGrenze zwischen den ·die Selbstverwaltung beschränkenden und densie beseitigenden Gesetzen schwer zu finden;uud endlich heißt esdrittens, daß ,,kein deutscher Gesetzgeber daran denkt, noch jemalsdaran denken wird, die Selbstverwaltung als solme aufzuheben",womit dann die Bindung des Gesetzgebers praktisch bedeutungsloswerde.
Die drei Gegenargumente, die Anschütz hier gegen seine eigeneAnerkennung einer Bindung des Gesetzgebers vorbringt, sind sehrverschiedener Natur und untereinander nicht widerspruchslos. Daserste Argument arbeitet mit dem Gedanken, daß der -Gesetzgeberhinsichtlich Organisation und Wirkungskreis der Gemeinden "völligfreie Hand" habe, ein Argument, das dem Ausgangsp.unkt von der"nicht zu leugnenden Bindung" des Gesetzgebers offen widerspricht.Denn entweder ist der Gesetzgeber gebunden und hat dann nichtmehr "völlig freie Hand", oder er hat völlig freie Hand, dann kannman nicht mehr von einer Bindung sprechen. Es liegt im Sinne derinstitutionellen Garantie der Selbstverwaltung, daß gewisse typischeMerkmale, wie sie sich in der geschichtlichen Entwicklung alscharakteristisch und wesentlich herausgebildet haben, durch dieseArt von Garantie vor einer Beseitigung durch den einfachen Gesetzgeber geschützt werden sollen. Infolgedessen hat der Gesetzgeberweder hinsichtlich der Organisation noch hinsichtlich des gegen-
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ständlichen Wirkungskreises der Gemeinden, noch endlich hinsichtlich der Gestaltung der Staatsaufsicht völlig freie Hand, wenn dieGewährleistung überhaupt noch einen Inhalt haben soll. Es ist keineFrage, daß die übertragung der Leitung aller kommunalen Geschäftean einen staatlichen Podestä. unserm Begriff von Selbstverwaltungwiderspricht; daß die Beseitigung des Rechts der Gemeinden, ihreigenes Vermögen unter staatlicher Aufsicht (nicht Leitung) zu verwalten, für unsere Auffassung die Substanz der Selbstverwaltung angreift, daß ein Gesetz, welches alle Gemeincien mit unter 10 000 odergar 100000 Einwohnern ohne weiteres der nächsten Großstadt eingemeindet, fIlnseren überlieferten Begriff von Gemeinde und damitauch die gemeindliche Selbstverwaltung zerstören würde. Es lassensich manche solcher extremen Fälle denken, in denen man feststellenkann, daß das, was man bisher unter Selbstverwaltung verstand (derStaatsgerichtshof für das Deutsche Reich spricht in seiner oben erwähnten Entscheidung vom 10. Dezember 1929 sogar von "kraftvollerSelbstverwaltung"), durch solche Gesetze nicht nur eingeschränkt,sondern aufgehoben und beseitigt ist. Wenn Art. 127 überhaupt eineverfassungsmäßige Garantie enthält, so hat der Gesetzgeber hierfürkeineswegs völlig freie Hand.
An dem zweiten Argument ist besonders bemerkenswert, daß esein bei den verschiedensten Fragen des neueren Verfassungsrechtshäufig und in typischer Weise auftretendes Scheinargument verwendet, das wegen seiner immer wiederkehrenden Promptheif einenbesonderen Namen verdient. Ich möchte es, bis zu einer besserenBezeichnung, den "Grenzenlosigkeitsschluß" nennen; denn hier wirdvon der Schwierigkeit der Abgrenzung auf das Niohtvorhandenseineiner Grenze geschlossen, ein logisch höchst merkwürdiger, aber anscheinend suggestiver Schluß. Er spielt bei der Auslegung des Art. 76eine große Rolle: weil es schwierig ist, die Grenzen der Verfassungsänderungsbefugnis kasuistisch anzugeben, soll diese Befugnis überhaupt keine Grenzen haben. Das Interesse, das gesetzanwendendeStellen, und zwar um so stärker je subalterner, an einer promptenund auf der Stelle vorzunehmenden Suhsumtion haben, ist begreiflich und berechtigt; aber einverfassungsrechtliohes Argument ist esnicht, und ,das öffentliche wie das private Recht kennt zahlreicheFälle schwieriger Abgrenzungen, bei denen niemand auf jenenGrenzenlosigkeitsscllluß verfallen würde. Es ,ist z. B. namentlich inkritischen Zeiten und Situationen außerordentlich schwer, eindeutigund zweifelsfrei zu bestimmen, ob eine polizeiliche Maßnahme oder
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gar eine Anordnung des Reichspräsidenten zur Aufrechterhaltungder öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirklich nötig ist, und wasnun auf Grund dieser Ermächtigung genau zulässig ist oder nicht.Aber wer kommt auf den Gedanken, daraus zu folgern, daß die Befugnis der Polizei oder des Reichspräsidenten infolgedessen überhauptkeine Grenze habe? Was insbesondere den Begriff der kommunalenSelbstverwaltung angeht. so sind unsere Rechtsbegriffe vielleicht dochnicht so verwirrt, daß man heute bei gutem Willen und einiger Sachkenntnis nicht unterscheiden könnte. wann der extreme Fall eingetreten und statt einer bloßen Einschränkung eine Beseitigung derkommunalen Selhstverwaltung bewirkt ist. Will man aber mit jenemGrenzenlosigkeitss<hluß sagen, daß es eine Methode unauffälligerAushöhlung und Entleerung einer Institution gibt. gegen welche keineinstitutionelle Garantie schützen kann, so kann das. je nach der Artund Zusammensetzung der gesetzgebenden Körperschaft. zutreffenund ist 'Schlimm genug; aber für die rechtswissenschaftliche Auslegungeiner Verfassungsbestimmung kein Gesichtspunkt und als logischerSchluß geradezu erstaunlich: daraus. daß es bei planmäßig bösemWillen möglich ist, eine verfassungsgesetzliche Garantie zu umgehenund zu unterminieren. soll folgen. daß eine verfassungsgesetzlicheGarantie nicht besteht oder wenigstens praktisch bedeutungslos ist!Mit dieser Logik würde man zahllose Bestimmungen des Privatrechts,Strafrechts, Steuerrechts usw. als bedeutungslos hinstellen können.Gerade ein positivistisch gerichteter Jurist muß diesen Schluß aufsschärfste ablehnen.
Dadurch wird auch der Widerspruch dieses zweiten gegenüber demdritten und letzten Argument Anschütz' um so deutlicher. Währenddas zweite Argument einen nicht wohlgesinnten, jedenfalls die Selbstverwaltung nicht respektierenden ;Gesetzgeber voraussetzt. wird hiergesagt, daß kein deutscher Gesetzgeber daran denke, noch jemalsdaran denken werde. die Selbstverwaltung als solche aufzulösen. Istdas letztlich wirklich der Fall. so kann man die Entscheidung darüber. ob eine bloße Beschränkung oder aber eine Beseitigung derSelbstverwaltung vorliegt, getrost der Loyalität der deutschen Gesetzgeber überlassen. Aber die institutionelle Garantie <les Art. 12t wirddadurch nicht praktisch bedeutungslos. sondern für den Gesetzgeber.der sich loyal an sie zu halten gewillt ist. eine überaus bedeutungsvolle Hemmung und Bindung. Ob allerdings wirklich ,,kein deutscherGesetzgeber jemals daran denken wird". die Institution <leI" Selbstverwaltung anzutasten. ob man wirklich in dieser Hinsicht. trotz der
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Verwirrung der heutigen innerpolitischen Situation, zu allen denzahlreichen denkbaren Reichs... und Landesparlamentsmehrheiten daszuversichtliche Vertrauen haben Idarf, zu welchem Anschütz sich hierbekennt, soll hier nicht entschieden werden und als Frage offenbleiben.
II
Eine institutionelle Garantie setzt selbstverständlich eine Institution voraus, d. h. formierte und organisierte und daher umgrenzbareund unterscheidbare Einrichtungen öffentlich-rechtlichen Charakters.In ,dem eben erörterten Fall der institutionellen Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung durcll Art. 127 sind auRerdem selbständige Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts als Träger der Institution vorhanden, woourch die Institution als solche leichter unterscheidbar und bestimmbar wird. Daraus erklärt es sich wohl, daßder Gesichtspunkt {ler institutionellen Garantie für diesen Artikelam schnellsten Anerkennung gefunden hat. Doch gehört es keineswegs zu den Erfordernissen einer institutionellen Garantie, daß einöffentlich-rechtliches Rechtssubjekt besteht; es gibt institutionelleGarantien ohne ein solches Rechtssubjekt, wie die gleich zu erörternde Garantie des deutschen Berufsbeamtentums als einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung mit besonderen Grundzügen und einerinder deutschen staatsrechtlichen Entwicklung herausgebildeten,typischen Organisation. Eine weitere, wiederum andersgeartete Frageist es, wie weit eine Garantie von subjektiven Rechten - sei es desTrägers der Institution selbst, sei es individueller Rechte einzelnerBeteiligter - zu einer institutionellen Garantie gehört. Auch dieseFrage kann durch die verfassungsgesetzliche Regelung verschiedenbeantwortet werden. Es ist eine besonders in der Erörterung desArt. 129 Abs. 1 S.:; häufig auftretende, aber unrichtige Denkweise,institutionelle Garantie oder subjektives Recht alternativ einanderentgegenzustellen. Beides kann miteinander verbunden sein, dochmuR für die Auslegung im Auge behalten werden, daß {lie Gewährung subjektiver Rechte der Gewij.hrleistung der Institutiou untergeordnet ist und ihr zu dienen hat, daR also der institutionelle Gesichtspunkt und nicht das individualistisch-egoistische Interesse dessubjektiv Berechtigten entscheidet.
Neben Art. 127 dürften ha'll'ptsächlich Art. 129 (Berufsbeamtentum)und Art. 142 (wissenschaftliche Lehrfreiheit) diejenigen Verfassungsbestimmungen sein, für welche der Gedanke einer institutionellen
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Garantie sich am meisten durchgesetzt hat. Daneben sind folgendeinstitutionelle Garantien im Schrifttum anel1kannt: Art. 102 ff. (Unabhängigkeit Jer Richter) von Anschütz (vgl. seine Anmerkung zuArt. 142, S.5(2), Graf zu Dohna (Art. 105, bei Ni'pperdey I, S.I11);wenn K. Loewenstein a.a.O. S.289 Anm.3 in Art. 105 (Verbot derAusnahmegerichte) ein echtes Grundrecht erblicken will, so widersprichtdas keineswegs der Annahme einer institutionellen Garantiefür Art. 102-104. Ferner der im Zusammenhang mit ,anderen Garantien noch zu behandelnde Art. 137 (Religionsg-esellschaften alsKörperschaften des öffentlichen Rechts), bei dem die selbständigeRechtssubjektivität dieser Körperschaften die Annahme einer institutionellen Garantie erleichtert (vgl. K. Loewenstein a.a.O. S. 289und besonders K Forsthoff a.a.O. S. 112 f.). Die Garantie des Art. 149,Abs. 3 (theologJsche' Fakultäten), ist unten bei der Status-quo-Garantie unter 3 erörtert.
Was die institutionelle Garantie des deutschen Berufsbeamtentums(Art. 128, 129, 130) angeht, so hat die Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 25. März 1931 (Reichssteuerblatt 1931, Nr. 11, Entscheidungendes Reichsfinanzhofs Bd.28, S. 208) die Unverletzlichkeitserklärungder wohlerworbenen Rechte der Beamten (Art. 129, Ahs. 1, Satz 3)im Sinne einer Jnstitutionellen Garantie ausgelegt, nachdem bereitsdie Vorentschei:dung vom 5. Januar 1931 (Reichssteuerblatt Nr.5) dengleichen Standpunkt eingenommen hatte, ohne das Wort "institutionelle Garantie" zu gebrauchen. Im Schrifttum ist diese Auslegung derbeamtenrechtlichen Verfassungsbestimmung von folgenden Autorenanerkannt: F. Giese, Kommentar S.275 und Das Berufsbeamtenturn2. Aun., 1930, S.25 ("Die Beamtengrundrechte gewähren nicht nurden einzelnen deutschen Beamten subjektive Grundrechte, sondernbegründen zugleich und vor allem eine verfassungsmäßige Verankerung ,des deutschen Berufsbeamtentums als staatsrechtlicher Einrichtung des Deutschen Reiches, der Länder und der öffentlichen Körperschaften"); G. Lassar, a.a.O., S.42 ("Diese Bestimmungen enthalteneine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums"); H. Gerber,Vom Begriff und Wesen des Berufsbeamtentums, ArchöffR. 18 (1930),S.74, Anm.100 (Anerkennung einer verfassungsmäßigen Begründungdes Beamtentums, für welche er sich auf Giese beruft, die man wohlim Sinne einer institutionellen Garantie deuten muß); 'V. Schröder,Die wohlerworbenen ,Rechte der Beamten (Art. 129 RV.) :in ihrer politischen und juristischen Bedeutung, Berlin 1930, sowie der Aufsatz:'Vas verstanden Beamtenschaft und Nationalversammlung 1919 unter
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wohlerworbenen Rechten der Beamten? Beamtcn- Jahrbuch 1931, HeftS,S.424 ("Die einzelnen Beamtenrechte erscheinen nicht mehr als diewesentlichen, sondern die Erhaltung der Institution des Berufsbeamtentumsals solche wird stärker betont. Dies entspricht zweifellos auch dem Sinn der Verhandlungen vom 1S. März 1919 in Weimar"); E. Friesenhahn, Gehaltskül1Zung und wohlerworbene Beamtenreohte, Hamhurg. Wirtschaftsdienst 1930, S.1145 ("Art.129 ist, wiedie Entstehungsgeschichte ergiht, ein typischer Fall einer solchen institutionellen Garantie: Sinn und Zweck der Einfügung des Art. 129,insbesondere auch seines Satzes 3 des ersten Absatzes war, die Institution des Bernfsheamtentums auch für das neue Deutsche Reichverfassungsgesetzlich festzulegen"); K. Loewenstein a.a.O., S.289.
Art.142 (Garantie der wissenschaftlichen Lehmreiheit) kann nurauf dem Wege über eine rinstitutionelle Garantie zudem "Grundrecht der deutschen Universität" werden, wie es von R. Smend genannt worden ist. Denn im Wortlaut des Art. 142 ist von Hochschulennicht die Rede; die einzige Bestimmung der Reichsverfassung, diedas Wort Hochschule nennt, ist interessanterweise die Garantie dertheolo~ischenFailwltäten an den Hochschulen in Art. 149 Abs.3. Abersowohl K. Rothenbücher wie R. Smendsind in ihren ,Referaten fürdie deutsche Staatsrechtslehrer-Tagung 1927 (Veröffentlichungen derVereinigung der DeutsroenStaatsrerotslehrer, Heft 4, bes. S.37 u. 'Z'1)zu dem Ergebnis gekommen, daß eine der richterlichen Unabhängigkeit ähnliche Unabhängigkeit des heamteten Hochschullehrers durchArt. 142 gewährleistet wird. Dieses Ergebnis ist auch in der darauffolgenden Diskussion und sonst anerkannt. Für den institutionellenCharakter ist besonders die Äußerung G. Holsteins (Hochschule undStaat 1928, S.6) beachtenswert, der hier ein "Stück Organisationsrecht" feststellt und ,die Hoohschule für eine in der Autonomie desgeistigen Lehens begründete "Organisationsgemeinschafr' erklärt. Ersieht in der Gewährleistung der Lehrfreiheit die ,,sicherung derjenigen Organisationsformen, die jenes eigengesetzliche Leben umgrenzen und zur Entfaltung !bringen". Stier-Somlo, ArchöffR. 15,1928, S. 385 H., stimmt ihm nachdrückliehst zu. Anschütz, KommentarS.572, bezeiohnet den Gesichtspunkt der institutionellen Garantie alsrichtig; Art. 142 soll nach ihm "die Lehrfreiheit nicht nur als subjektives Recht des einzelnen, sondern auch - und vor allem - als Einrichtung gewährleisten und schützen". R. Smend -sagt a.a.O., S.64, 'Z'1,die Freiheit der W.issenschaft, insbesondere als akademische Freiheit,
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habe "institutionellen Charakter"; dieses Grundreeht bedeute "vorallem die angemessene Rechtsstellung einer großen öffentlichen Institution". Was ihren Inhalt und Umfang angeht, so wird er vonAnschütz folgendermaßen umschrieben: amtliche Selbständigkeit;Entbindung von der Pflicht zum Gehorsam gegenüber Anweisungendes Vorsitzenden, welche die Lehrmeinungen betreffen; Freiheit deramtlichen Tätigkeit von jeder Bindung durch die tDienstgewalt hinsichtlich der zu vertretenden Lehrmeinung. Der Schutz gegen Versetzungen im Interesse des Dienstes, den bisher nur einfache Gesetzegewährten (z. B. § 96 des Preußischen Gesetzes betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten vom 21. Juli 1852), sowieauch die bestehende wissenschaftliche Selbstverwaltung der Hochschulen wird man, wenigstens in ihren Grundzügen, ebenfalls unterdiese institutionelle Garantie bringen müssen. Es handelt sich dabeium die wissenschaftliche Lehrfreiheit nach Art. 142, nicht, wie G. Holstein (Stiftungsvermögenund Selbstverwaltungsreeht der UniversitätGreifswald, 1925, S.38) zu konstruieren sucht, um eine Ausdehnungder in Art. 127 gewährleisteten Institution der Selbstverwaltung; dennArt. 127 spricht nur von kommunaler Selbstverwaltung; nur diese isteine Institution, während "Selbstverwaltung" im allgemeinen und inabstraeto wohl ein Prinzip, aber keine Institution ist. Im Interesseklarer Begriffsbildung ist der Unterschied wohl zu beachten. Die besonders eingehende Monographie über Art. 142, die Kieler Dissertation von Walter A. E. Schmidt (Abhandlungen zur Reichsverfassung,herausgegehen von Walter Jellinek. Heft 3, 1929) leidet darunter, daßihr der Begriff der institutionellen Garantie unbekannt geblieben ist;doch scheint ihr S. 141 etwas Ähnliches vorzuschweben, wenn sie dieGarantie des Art. 149 (Erhaltung der t:heologischen Fakultäten) als"Organisationsnorm" bezeichnet und sich gegen eine im Plenum derNationalversammlung (Sten. Ber. S. 2166 A) vorgebrachte Äußerungdes Abgeordneten Mumm wendet, der annahm, hier seien Zahl undGepräge der bestehenden theologischen Fakultäten garantiert.
K. Loewenstein zählt a.a.O. S. 289 noch weitere institutionelle Garantien auf: Art. 119 (Ehe); 139 (Sontagsruhe); 153 (Eigentum); 154(Erbreeht); 161 (Versicherungswesen); 125 (Wahlgeheimnis). Davonaber sind Ehe, Eigentum und Erbreeht keine öffentlich-rechtlichen Institutionen, sondern Rechtsinstitute des Privatrechts, so daß es sichin den betreffenden Artikeln nicht um eine institutionelle, sondernum eine Institutsgarantie handelt. Die Sonntagsruhe (Art. 139) ist alsKonnex der institutionellen Garantie der ;Religionsgesellschaften ge-
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dacht; Art. 161 :ist ein Gesetzgebungsprogramm, und es ist eine Frage,die hier nur aufgeworfen sein soll, wie weit überhaupt die Ausführung eines inder Verfassung ausgesprochenen Gesetzgebungsprogramms die ,in Ausführung des Programms el'lgehenden einfachen Gesetze vor einer Abänderung durch spätere einfache Gesetze schützt.Das Wahlgeheimnis ist ein Konnex zum demokratischen Wahlrechtdes Art. 22, keine Einrichtung im Sinne einer Organisation oder Anstalt des öffentlichen Rechts. Wenn Loewenstein außerdem noch, wieer sagt, "bisher Thicht genügend beachtete Verfassungsrechtssätze institutionellen Charakters" im ersten Hauptteil der Verfassung findet- Art. 2 (Reichsgebiet); Art.3 (Reichsflagge); Art.1? (freistaatlicheVerfassung); Art. 1 (Republik); Art. 20 (Abgeordnete des DeutschenVolkes) - und schließlich "in einem weiter gefaBten Sinn des InsHtutionsbegciHes" auch die verfassungsrechtlichen Fundamentalbegriffe wie Volksabstimmung, Reichsvolk, Reichsregiel'\ung, Reichspräsident (S. 290) aufzählt, so wil'\d schließlich alles und jedes, jedeNorm und jeder Begriff, jedes Verfassungswort zur Institution undzur institutionellen Garantie. Durch solche Ausdehnungen und Auflösungen wird der klare und brauchbare Begriff gefährdet und dieeigenartige Sonderung, wie E. Forsthoff sich einmal ausdrückt,"Distanzierung" gegenüber der politischen Willensbildung, die imersten Hauptteil der Verfassung ol'\ganisiert ist, verwischt. Abgesehendavon liegt der Irrtum Loewensteins darin, daß er in allen Fällen,in denen sich die konservierende und fixierende Wirkung der Verfassungsregelung zeigt, gleich eine institutionelle Garantie für gegebenhält, währen<l es gerade darauf ankommt, unter den verschiedenenArten von Schutz, Sicherung, Festlegung, Gewährleistung oder Unverletzlichkeitserklärung nach Art und Gegenstand der Sicherungbesser zu unterscheiden.
III
Man kann die normierende Wirkung jeder beliebigen gesetzlichenRegelung als eine Garantie bezeichnen und etwa sagen, § 835 BGB.enthalte eine reichsgesetzeskräftige Garantie des Rechts auf Wildsmadenersatz, § 271 HGB. gewährleiste (natürlim wieder "reimsgesetzeskräftig") ein Anfechtungsrecht des Aktionärs, § 211 StrGB."verankere" (ebenso) die Todesstrafe usw. usw. Dadurch verliert dasWort Garantie jeden spezifischen Sinn, und das Problem der verfassungsrechtlichen Garantien wird verfehlt. Von einer Verfassungsgarantie kann man richtigerweise nur sprechen. wenn die Verfassung
154 Freiheitsrechte und institutionelle Garantien (1931)
sich mit der Garantie, die sie gibt, identifiziert und eine Verletzungder Garantie ohne weiteres eine Verletzung "der Verfassung selbst"bedeutet, wenn ein Angriff auf das gewährleistete Objekt ein An.griff auf die Verfassung selbst ist. So konnte man von den Verfassungen des 19. Jahrhunderts sagen, daß sie die Grundreehte desbürgerlichen Rechtsstaates, persönliche Freiheit und Privateigentumgewährleisten wollten, freilich unter dem Vorbehalt des einfachenGesetzes, wodurch die Gewährleistung sozusagen mediatisiert unddem Gesetzgeber anheimgestellt WJUrde; denn eine Verletzung dieserGrundrechte war nur dann eine Verfassungswidrigkeit, wenn sienicht auf Grund eines Gesetzes vorgenommen wurde. Dagegen enthält die Bestimmung der Staatsform mit den Grundentscheidungenüber die Art der polHisehen Existenz Festlegungen, mit denen dieVerfassung sich selbst identifiziert, so daß ein gegen sie gerichteterAngriff ein hochverräterischer Angriff auf die Verfassung selbst ist.Eine zweite Art der Garantie liegt dann vor, wenn die erschwerteAbänderbarkeitverfassungsgesetzlicher Bestimmungen benutzt wird.,um bestimmte Interessen oder Rechte, die man aus irgendwelchenGründen für schützenswert hält, mit Hilfe ,der erschwerten Abänderbarkeit eines Verfassungsgesetzes vor dem einfachen Gesetzgeber inSicherheit zu bringen und seinem Zugriff zu entziehen. Das ,ist zumUnterschied von der Verfassungsgarantie eine uerfassungsgesetzlicheGarantie. Sie ist formal in dem Sinne, daß sie keinen sachlichen Zusammenhang mit ,den Grulldentscheidungen der Verfassung selbst zuhaben braucht und, wie es für diesen Begriff des Formalen charakteristisch ist, einen rein politischen Sinn hat. So kann, wenn Sinn undBegriff einer demokratischen Verfassung verlorengehen, z. B. eineAlkoholgegnerbewegung, sobal,d sie zufällig die erforderlichen verfassungsändel'nden Mehrheiten in der Hand hat, ein Alkoholverbotzum Verfassungsgesetz erheben, dadurch die Alkoholfrage zum Politikum machen IUlld die gesteigerte Kraft des Verfassungsgesetzes benutzen, ,um ihr Verbot auch dann noch dem Volke aufzuzwingen,wenn sie selbst nicht einmal mehr die einfache Mehrheit zu einfachenGesetzen hat, sofern nur der Gegner keine verJassungsänderndeMehrheit erreicht, während umgekehrt natürlich eine entgegengesetzte, alkoholfreundliche Richtung eine Situation in gleicher\Veiseausnutzenkann, um ein Verbot der Prohibition zu oktroyieren;die Impfgegner. die Gegner der· Todesstrafe usw. usw. können aufgleiche Weise merkwürdige "Verankerungen" bewerkstelligen. Dieverfassungsgesetzliche Garantie ist jedenfalls ausschließlich wegen
Freiheitsrechte und institutionelle Garantien (1931) 155
ihrer erschwerten Abänderbarkeit, also nur im Hinblick auf denSchutz gegen den Gesetzgeber, ,d. h. gegen die Parlamentsmehrheit,im spezifischen Sinne eine Garantie zu nennen. Im übrigen enthältdie verfassungsgesetzliche Normierung eine Sicherung, wie jede gesetzl-iohe Regelung, ,deren festlegende und interessenschützende Wirkung noch nicht ohne weiteres als Garantie bezeichnet werden darf.
Der Begriff ,der institutionellen Garantie setzt eine echte Garantievoraus, und zwar für unser geltendes Verfassungsrecht eine verfassungsgesetzliche Garantie. Außerdem aber, natürlich, einen bestimmt gearteten Gegenstand dieser Garantie, nämlich eine Institution, weil man sonst nicht von "institutioneller Garantie" sprechenkann. Diese Art von Garantie bezieht sich immer auf etwas Gegenwärtiges, formiert und org,anisiert Bestehendes und Vorhandenes.Insofern liegt in ihr auoh eine Garantie eines bestehenden Zustandesund einer vorhandenen Rechtslage und enthält sie immer Elementeder Garantie eines Status quo. Daneben gibt es aber auch nochreine Status-quo-Garantien, die im Hinblick auf einen bestimmtenStichtag, etwa ,den Tag des Inkrafttretens der Reichsverfassung, einebestimmte Sach- oder Rechtslage festlegen wollen. Beispiele einersolchen reinen Status-quo-Garantie finden sich hauptsächlich inübergangsbestimmungen, wo sie den Charakter von Sperrgesetzenhaben. So sagt Art. 17'3: "Bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes gemäßArt. 138 bleiben die bisherigen auf Gesetz, Vertrag oder besonderenRechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Rdigionsgesellschaften bestehen." Oder Art. 174: "Bis zum Erlaß des in Art. 146, Abs.2,vorgesehenen Reicnsgesetzes bleibt es bei der bestehenden Rechtslage." Wo sich sonst eine Status-quo-Garantie findet, handelt es sichmeistens um konnexe oder komplementäre Garantien, die zu institutionellen Garantien hinzutreten. Das ist namentlich bei Art. 138 derFall. Art. 138, Ahs.2, ist als eine Status-quo-Garantie des Kirchengutes gedacht und steht im Zusammenhang und Anschluft mit derBestimmung des Abs. 1, der eine Ablösung der Staatsleistungen, alsoeine Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche vorsieht. DieRechtsgrundlage, auf welcher die Ablösung gemäß Abs. 1 stattfindensoll, wird durch Abs.2 garantiert. Das bedeutet oder meines Ermessensrichtige Satz VOll E. R. Huber (Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte in der Weimarer Verfassung, 1927, S.97): Art. 138,Abs.1, "bereitet vor, einen status quo festzulegen, dessen Garantiein Art. 138 II vorweggenommen ist". Die Gewährleistung des Eigentums und anderer Rechte der Religionsgesellschaften lind religiöser
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Vereine am sogenannten Kirchengut enthält etwa,s anderes als dieinstitutsgarantierende Gewährleistung des Eigentums in Art. 153. DallEigentum der Religionsgesellschaften ist kein besonderes Privat·rechtsinstitut, auch nicht eine Modifikation des allgemeinen Rechtsinstituts "Privateigentum", so wenig wie Staatseigentum, fiskalischesEigentum oder 'Gemeindeeigentum ,durch ,die verfassungsgesetzlichePrivilegierung, die sie ~n Art. 153, Abs.2, Satz 4, erhalten haben, einebesondere Art VOn Rechtsinstitut geworden sind. Noch wenigerhandelt es sich :hier um eine neue Institution, vielmehr setzen solohePrivtilegierungen Institutionen voraus und sind nur im Zusammenhang mit ihnen verständlich. Die Garantie des Kirchengutes inArt. 138, Abs. 3, bedeutet demnach 1. eine im Anschluß an die Auseinandersetzungsbestimmung des Abs. 1 zu verstehende Garantieeines Status quo, 2. eine im Zusammenhang und Rahmen der institutionellen Garantie des Art. 137 zu verstehende, zu dieser hinzutretende und sie ergänzende Garantie der Institution "Religionsgesellschaft als KÖt'perschaft des öffentlichen Rechts". Das Kirchengut als "eigene Angelegenheit" der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft ,hat in dieser Hinsicht eine gewisse Analogie mit demeigenen Gemeindevermögen der kommunalen Selbstverwaltungskörper, welches durch die institutionelle Garantie des Art. 127 inVerbindung mit Art. 153, Abs.2, S.4, garantiert werden soll.
Hier werden ,die Grundlinien eines Aufbaues verfassungsgesetzlicher Garantien besonders deutlich erkennbar, weil mehrere einander stützende und ergänzende Arten solcher Garantien zusammentreffen. Ausgangspunkt und Grundlage bleibt für diese ganzeMaterie die institutionelle Garantie der Religionsgesellschaften desöffentlichen Rechts in Art. 137. In Abs.5 Satz 1 desselben Artikelsist gleichzeitig eine Status-quo-Garantie ausgesprochen: "DieReligionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichenRechtes, soweit sie solche bisher (vor dem 14. August 1919) waren."Dieser Satz gewährleistet das 'Veiterbestehen von bestehendenKörperschaften des öffentlichen Rechts in ihrem bisherigen Status,der auch nicht in der ühergangszeit durch eine (etwa nach Art. 137,Abs. 1 oder Abs. 3 erforderliche) Trennung bisher bestehender Verbindungen mit der staatlichen Organisation beseitigt werden darf.Art. 173 enthält eine weitere konnexe Status-quo-Garantie als übergangsbestimmung für die "bisherigen" Staatsleistungen. Die Gewährleistungdes Kirchenguts in Art. 138 Abs. 2 setzt ebenfalls dieinstitutionelle Garantie voraus und dient ihrer Ergänzung; sie setzt
Freiheitsrecllte und institutionelle Garantien (1931) 157
ferner das Bestehenbleibender bisherigen Religionsgeseilschaftenöffentlichen Rechtes voraus. Art. 138 Albs. 1 spricht von einer Ahlösung der Staatsleistungen und ist scheinbar eine Trennungshestimmung. Aber dadurch, daß das Reichsgesetz, welches die Grundsätzefür die Ablösung Art. 138 Abs. 1 aufstellen muß, nicht zustandekommt und vorläufig auf unabsehbare Zeit zurückgestellt zu seinscheint, ist ein Bedeutungswandel, sogar eine gänzliche Umkehrungdes ursprünglichen Sinnes eingetreten, die E. R Huber (a.a.O. S. 106)unter Zustimmung von O. Koellreutter (ArchöffR. 15, 1928, S.26)feststellt: ,,Den Ländern ist es verboten, an ihre bisherigen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Kirchen zu rühren, solangedieses Reichsgesetz nicht besteht ... Im Ergebnis macht ,daher derArt. 138 Ahs. 1 den deutschen Ländern zur Pflicht, ihre finanziellenBeziehungen zu den Kirchen aufrechtzuel'lhalten:' Art.138 Am. 2erhält dadurch eine selibständigeBedeutung als Garantie des jeweiligen Kirchengutes, unabhängig von ,der Ablösung, und es entstehteine Garantie des jeweiligen Status quo. Man kann nicht sagen,daR es der Weimarer. Verfassung gelungen ist, des schwierigenProblems Herr zu weDden, das sie sich stellte, als sie die "Ausgliederung"der Kirche aus dem Staat mit einem System institutioneller und Status~quo-Garantien zu verbinden trachtete. WennE. Forsthoff sagt, daß "durch den Art. 137 eine Garantie geschaffenwurde, von deren Ausmaß nicht einmal seine Urheber eine klareVorstellung hatten", so gilt das wohl auch für die Wirkun~en derandern, die Religionsgesellschaften betreffenden Gewährleistungen.Aber für ,die verfassungsrechtliche Erkenntnis eines solchen Garantiesystems enthalten die Beziehungen von Art. 137, 138 und 173 dochein besonders aufschlußreiches Beispiel.
Die Unterscheidung und gleichzeitige Verbindung von institutioneller und Status-quo-Garantie läßt sich auch an Art. 149 Ahs.3 gutverdeutlichen. Danach,,hleiben die theologischen Fakultäten an denHochschulen erhalten". Man kann das im Sinne einer Status-quoGarantie auffassen und dahin verstehen, daß alle am 14. August1919 bestehenden theologischen Fakultäten in ihrer genauen Zahl derLehrkräfte, womöglich sogar. in ihrem finanziellen Etat, ferner inder Verteilung der Einzeldisziplinen innerhalb der Fakultät usw.festgehalten werden sollen. Eine derartige Erstarrung auf den Stichtag des 14. August 1919 würde wohl niemand für vernünftig halten.Das entgegengesetzte Extrem läge darin, nur ganz allgemein dieInstitution "theologische Fakultäten an den deutschen Hochschulen"
168 FreiheitsredJ.te und institutionelle Garantien (1931)
gewährleistet zu sehen. Dann wäre weiter nichts garantiert, als daßes überhaupt Anstalten und Einrichtungen geben muß, die denNamen "theologische Fakultäten an den Hochschulen" verdienen,gleichgültig, wie groß ihre Zahl, ,die Zahl ihrer Lehrkräfte usw.wäre. Zwischen ,diesen beiden Extremen, d. h. einer extremen Statusquo-Garantie und einer institutionellen Minimalgarantie, dürfte sichdie richtige Auslegung bewegen. Denn Begriff und Wort "theologischeFakultäten an den deutschen Hochschulen" können nichtabstrakt konstruiert werden, sondern sind nur in der konkreten geschichtlichen Situation des deutschen 19. und 20. Jahrhunderts verständlich. Infolgedessen fällt unter diese Garantie alles, was manals typisch und charakteristisch für die Institution ansehen muß:dahin gehört meines Ermessens z. B. die akademische Lehrfreiheit,wenn auch natürlich im Rahmen dogmatischer Bindung der betreffenden Konfession, das wissenschaftliche SelhstverWialtungsrecht fürinterne Angelegenheiten der Fakultät, Promotionsrecht, aber auchdie zur Sel:bständigJ.:eit eines akademischen Lehrers an ,deutschenHochsc.hulen gehörende Unabhängigkeit des persönlic.hen Status,woraus sich eine grundsätzliche Inkompatibilität zwischen Fakultätsmitgliedsc.haft und Zugehörigkeit zu einem religiösen Orden ergibt,usw. Was die Stellungnahme zu ,dieser Frage im bisherigen Schrifttum angeht, so nimmt Walter Lande (Die Schule in ,der Reichsverfassung, 1929, S.93) an, daß Art. 149 Ahs.3 zunächst natürlich dieMöglichkeit theologischer Fakultäten an einer Hochschule überhauptverfassungsrechtlich verbürge, daß aJber· außerdem die einzelnen am14. August 1919 vorhandenen theologischen Fakultäten gegen Beseitigung durch einfaches ReiclLsgesetz oder durch landesrechtliche Maßnahmen geschützt seien, es sei denn, daß die ganze Hochschule aufgehoben wird!. Dann fährt er fort: "Einschränkung des Umfangesund der Ausgestaltung der Fakultät ,ist dadurch nicht gehindert,solange das Verbleibende noch als vollständige ,theologische Fakultät'im überlieferten Sinne des Wortes angesprochen werden kann. Unterdem gleichen Vorbehalt sind äußere oder inncreUmformungen zulässig, da nicht die Ausgestaltung, sondern nur der Bestand verlas-
1 Lande zählt (S.93 Anm.267) als am 14. August 1919 hestehende evangelisclJ.-theologisclJ.e Fakultäten auf: Berlin, Bonn. Breslau. Erlangen, GieHen.Göttingen, Greifswald. Halle. Heidelherg. Jena. Kiel. Königsherg. Leipzig,Marhurg. Münster. Rosto<K, Tühingen; katholisclJ.-theologisclJ.e Fakultäten:Bonn. Breslau. Freihurg. MünclJ.eri. Münster, Tühingen. Würzhurg. Akademien wie Braunsherg erwähnt er niclJ.t. Meiner AnsiclJ.t naclJ. fallen sie ehenfalls unter die Garantie des Art. 149 Ahs.3.
Freiheitsremte und institutionelle Garantien (1931) 109
sungsrechtlich gesichert ist." Diese Worte enthalten eine sehr anschauliche Umschreibung des Begriffes einer institutionellen Garantie.zumal Lande die theologischen Fakultäten als "grundsätzlich rein~Staatseinrichtungen" (S. 93/94) bezeichnet. Auch in der ,bereits erwähnten Formulierung von Walter A. E. Schmidt, a.a.O. S. 141, daßArt. 149 Ahs.3 eine "Organisationsnorm" enthalte, liegt eine Anerkennung der Gesichtspunkte einer institutionellen Garantie.
Ohne den engsten Zusammenhang und Rahmen einer institutionellen Garantie wäre jede verfassungsrechtliche Garantie vermögensrechtlicher Ansprüche oder gar eines vermögensrechtlichen Statusquo ein, wenigstens in einer demokratischen Republik, aufreizendesPrivHeg. Unter diesem Gesichtspunkt ist die eigenartige Garantieeines Status quo, welche die in zahlreichen Gutachten und im Schrifttum herrschende Auslegung des Art. 129, Abs. 1, Satz 3 (Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte der Beamten) einzuführen sucht,besonders interessant. Sie erklärt nämlich die jeweilig erreichtegünstigste Höhe der vermögensre<:htlichen Ansprüche und besoldungsgesetzlichen Bezüge eines Beamten für verfassungsgesetzlichgarantiert. Das ist nicht nur die Garantie des Status quo eines bestimmten Stichtages (wie man sich z. B.denken könnte, daß den am14. Aug.ust 1919 im Amt befindlichen Beamten durch eine Übergangsbestimmung die damalige Höhe ihrer Bezüge garantiert worden sei);es ist auch nicht die Garantie des Status quo eines audern, erkennbarzu fixierenden Stichtags; es ist die Garantie des jeweils günstigstenStatus qua der Bezüge jedes einzelnen Beamten. Diese Auffassungbegnügt sich also nicht damit, daß mit der institutionellen Garantiedes Berufsbeamtentums den Beamten ein standesgemäßer Unterhaltund eine angemessene Versorgung garantiert ist. Sie führt vielmehreine ziffernmäßige Garantie des bisher erreichten hesoldungsgesetzlichen Standards ein. Im Kern ihrer Argumentation steckt eineoriginelle Variation jenes oben· erwähnten "Grenzenlosigkeitsschlusses"; weil die Ansprüche amf "standesgemäßen Unterhalt" und"angemessene Versorgung", deren Garantie in der Unverletzlichkeitserklärung der wohlerworbenen Rechte enthalten ist, inhaltlich nichtfest bestimmt und in schwierigen Situationen nicht einfach taxenmäßig abzulesen sind, deshalb soll überhaupt keine Herabsetzung derBezüge durch den einfachen Gesetzgeber erfolgen dürfenl Das Ergebnis ist: die ,Bezüge dürfen (und sollen wohl auch) in günstigenZeiten heraufgesetzt werden, dürfen dann aber in ungünstigen undschwierigen Zeiten nicht wieder herabgesetzt werden. Ich habe mich
160 Freiheitsremte und institutionelle Garantien (1931)
mit dieser Auffassung in einem Vortrag über die staatsrechtliche Bedeutung der Notverordnung (Notverordnung und öffentliche Verwaltung, herausgegeben von der Verwaltungsakademie Berlin, 1931.S.10 ff.) sowie in einem Aufsatz über Wohlerworbene Beamtenrechteund Gehaltskürzung, D JZ., 1931, Sp. 917 f., auseina'fidergesetzt (imvorliegenden Text unten S.174 f. und S. 235 f.). Im Zusammenhang dervorliegenden Ausführungen interessiert die Kontroverse als ein Beispiel, um innerhalb der verschiedenen verfassungsgesetzlichen Garantien besser zu unterscheiden und um 2JU erkennen, daß es verfassungsgesetzliche Privilegierungen individualistischer Rechte in einerdemokratischen Verfassung nicht geben, vielmehr jede verfassungsgesetzliche Gewährleistung von subjektiven Rechten Einzelner nur imRahmen und in den Grenzen einer institutionellen Garantie gedachtwerden kann.
IV
Unter den Institutsgarantien, die im verfassungsrechtlichen Schrifttnm anerkannt sind, ist neben der Gewährleistung des Erbroohts inArt. 154, die durch Gustav Böhmer (Nippe1"dey In; S. 250 f.) einebesonders eingehende Behandlung ge~unden hat, vor allem dieGarantie des Eigentums als Rechtsinstitut in Art.153 RV.sowohlwegen ihres Inhaltes, wie auch wegen der allgemeinen, widerspruchslosen Anerkennung von größtem wissenschaftlichen Interesse. In deman Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten überreichen Art. 153scheint wenigstens dieses einmütig festzustehen, daß der Artikel eineInstitutsgarantie enthält. Als erster dürfte Martin Wolff in demAufsatz Reichsverfassung und Eigentnm (Berliner Festgabe fürW. Ka~, 1923, S.5) diese Institui:8garantie erkannt und hervorgehoben haben; H. Triepe1 ist. ihm gleich mit der ganzen Autoritätseiner Stimme nachdrücklich ,beigetreten, indem er in seinem Rechtsgutachten über Goldhilanzenverordnung und Vorzugsaktien 1924(S. 25) erklärt: ,,Das Eigentum ist unverletzlich..Mit diesem lapidarenSatze ist gesagt, daß die Verfassung sowohl das Privateigentum alsRechtsinstitut, wie die ,hestehendenund neu entstehenden konkretenPrivatrechte jedes einzelnen Rechtssubjekts' unter ihren Schutzstellen und vor Eingriffen der Staatsgewalt sichern wollte." DieKommentare sprechen sich in gleichem Sinne aus: Anschütz(S.608/609), Giese (S.315) und Poetzsch-Heffter (S.482); ferner z. B.Sche1cher, ArchöffR. 18 (1930), S.344, und bei Nipperdey In, S.207.
Freiheitsrechte und institutionelle Garantien (1931) 161
W. Hofacker, Die Auslegung der Grundrechte, 1931, S.24, will überhaupt nur die Institutsgarantie gelten lassen.
Trotz dieser allgemeinen Anerkennung bleiben aber mehrereFragen offen. Soll das Rechtsinstitut "Eigentum" ein individualistisches Herrschaftshelicben oder ein ,,sozialgebundenes" Eigentum zumInhalthahen? Sollen wir ~n eine Wiederholung des alten Streite~
zwischen Romanisten und Germanisten eintreten, der in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 903) eine solcheRolle gespielt hat? ,Es ist vielleicht richtig, zu sagen, daß die ,,sozialeGehundenheit" mit <lern Rechtsinsmtut des Eigentums selbst nichtszu tun hahe, weil die soziale Eigentumsauffassung sich ehen gegendas Eigentum richte (so Otto Kirchheimer, Die Grenzen der Enteignung, 1930, S.38). Aber der Streit um die Definition hat hier denpraktischen Sinn, das Maß des Schutzes gegen den Gesetzgeber zubestimmen. Daß es sich hierbei nicht etwa nur um hloß theoretischeKontroversen handelt, zeigt sich schon darin, daß Walter Jellineksbekannte "Schutzwürdigkeiistheorie" in <ler Enteignungskonstruktionvon einer dem Eigentum institutsmäßig "innewohnenden Schwäche"und Sozialgehundenheit ausgeht (Verwaltungsrecht, 3. Aun., S.413,Gutachten für den Deutschen Städtetag, S. 12, und für den DeutschenJuristentag 1931). Ferner ist zu fragen, ob mit dem RechtsinstitutEigentum - mag es nun individualistisch oder sozialgebunden,romanistisch oder germanistisch gemeint sein - ein bestimmter Umfang, vielleicht sogar der bisherige Umfang der eigentumsfähigenGüter garantiert sein soll. Ist es, mit andern Worten, eine Verletzungder Institutsgarantie, wenn bestimmte Sachen oder Rechte vomPrivateigentum ausgeschlossen wer<l.en, besonders wenn das in einemgrößeren, das hisherige Wirtschaftssystem aufhebenden Umfang geschieht? Kann ohne Verletzung des Rechtsinstituts "Eigentum" dasPrivateigentum an unbeweglichen Sachen oder an Produktionsmitteln ahgeschafft werden? Dieser Auffassung scheint ein argumentum e contrario aus Art. 155 und Art. 156 entgegenzustehen. .A!ber dasRechtsinstitut "Eigentum" besteht auch dann als Institut unangetastet, wenn nur noch bewegliche Sachen eigentumsfähig sind oderwenn, wie K. Renner (Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihresoziale Funktion, Tübingen 1929, S.178) vom mamstischen Standpunkt aus vorschlägt, nDr noch "das Gros der genußhestimmtenKonsumgüter, zu dem die Fahrhabe der Behausung, wohl auch <lieBehausung selbst" als .zulässige Gegenstände des im Sinne des bisherigen Rechtsinstituts sonst unverändert hleibenden Eigentums und
11 Carl SdlmiU
162 Freiheitsrechte und institutionelle Garantien {1931}
freien Herrschaftsbeliebens ·übrigbleiben. Ist das der Fall, so hatO. Kirchheimer (a.a.O., S.36) recht, wenn er meint, die Bedeutungder Institutsgarantie des Privateigentums sei als solche äußerstgering; sie könnte auch vom extremsten Kommunismus akzeptiertwerden. Neben diesen offenbleibenden Fragen scheint mir folgenderStand des Lehrmeinungen die wissenschaftliche Unhaltbarkeit derheute herrschenden Behandlung des Art. 153 zu beweisen:
Es ist herrschende Lehre, daß alle privaten - nach Schelcher,ArchöffR. 18, S. 368, sogar ohne Unterschied der privat- und öffentlich-rechtlichen Sphäre überhaupt alle - Vermögensrechte unter denEigentumsbegriff des Art. 153 fallen. "Der ,ganze Art. 153, sagt Triepel(a.a.O., S.16), folglich auch sein zweiter A!bsatz, will die privatenVermögensrechte in ihrer Gesamtheit rUnter den Schutz der Verfassung stellen." Er ,begründet seine Auffassung damit, daß Eigentumund Enteignung auch in den älteren Verfassungen, die der Reichsverfassung zum Vor.bild gedient haben, immer in diesem Sinne verstanden sind. In der Tat umfaßt die traditionelle Gewährleistungvon Freiheit und Eigentum, libertg und propertg, die ganze privateVermögenssphäre des Einzelnen, wobei jedoch der "Vorbehalt des(einfachen) Gesetzes" offen bleibt. Die verfassungsmäßige Eigentumsgarantie erstreckt sich, wie das Schweizerische Bundesgericht(Entscheidungen 35, I, 5?'1) sagt, "a tOllS les droits prives capables deformer le patrimoine de l'individu". Von den verschiedenen schweizerischen Verfassungen sprechen daher manche nicht nur von "demEigentum", sondern vom "Eigentum jeder Art", "allem Eigentum",,.Eigentum und Privatrechten", "Eigentum und Rechtsamen",.,Privatrechten", sogar von "wohlerwol"benen Rechten", um dieselbeGarantie zum Ausdruck zu bringen (vgl. E. Ruck, Das Eigentum imschweizerischen Verwaltungsrecht, Basler Festgabe für P. Speiser,1926,S.23/24). Zu dem gleichen Ergebnis, daß mit dem "Eigentum"die gesamte private Vermögenssphäre des Einzelnen gewährleistetwird, führt aber auch die seit 1924 außerordentlich weit getriebeneAuflösung des Enteignungsbegriffes in Art. 153 Abs.2. Denn sobaldjeder staatliche Eingriff ,in die Vermögenssphäre als Enteignung, undzwar als grundsätzlich entschädigungspflichtige Enteignung angesehen wird, dehnt sich _. weil die Enteignung jetzt als eine Negationdes Eigentums erscheint - vom Enteignungsbegriff her der Eigentumsbegl'iiff in gleicher Weise aus. Wiro dann, weil das Interessesich nur auf den Entschädigungsansprnch richtet, die Garantie desEigentums nur zu einer Garantie des wirtschaftlichen Vermögens-
Freiheitsrechte und institutionelle Garantien (1931) 163
wertes, so ist die ganze Vermögenssphäre des Einzelnen Eigentum.Wieweit derartige Ausdehnungen berechtigt sind, ist eine Frage fürsich. Jedenfalls hat ein so erweiterter Eigentumsbegriff nichts mehrmit einem Rechtsinstitut "Eigentum" zu tun. Das RechtsinstitutEigentum ist in §903 BGB. deutlich ~enug als Sacheigentum umschrieben und steht als Rechtsinstitut im Gegensatz zu anderen vermögensrechtlichen Instituten. Es wird überhaupt nur durch diesenGegensatz ein individualisierbares Rechtsinstitut. Die "gesamte Vermögenssphäre" oder auch nur die "Gesawtheit aller Vermögensrechte" ist kein Rewtsinstitut; ihre Gewährleistung ist vielleiwtdenkbar, möglich und beabsichtigt, aber keine Institutsgarantie. Obsich aus andern Argumentationen eine Garantie der gesamten Vermögenssphäre im Art. 153 finden läßt, ist, wie gesagt, eine Frage, dieoffen bleiben soll;lIlUs der Institutsgarantie kann sie sich nicht ergehen. Martin Wolff hat es (a.a.O. S.6) für zweifelhaft erklärt,aber doch schließlich abgelehnt, daß die Institutsgarantie des Art. 153alle Typen von Rechtsinstituten des privaten Vermögensrechts (andie Schelchersche Ausdehnung auf das öffentlich-rechtliche Vermögensrecht konnte er noch nicht .denken) umfasse. "Daß auch jedeseinzelne der heute vorhandenen Vermögensrechtsinstitute. vor allemjeder Typus begrenzter Sachenrechte (etwa das Erbbaurecht, dieRentenschuld) erhalten bleibe, kann nicht Sinn der Verfassungsnormsein". Die Institutsgarantie des' Art. 153 Abs. 1 bleibt also streng aufden Sacheigentumsbegriff des bürgerlichen Rechts bcschrän~t. Aufder anderen Seite aber wird der Enteignungsbegriff bis zur Auflösung ausgeweitet. Die Enteignung war ein bestimmtes, umgrenzbares Rechtsinstitut und ist es noch; nur in dieser klar erkennbarenBegrenzung kann sie als eine "Bestätigung und Spezifikation" derEigentumsgarantie aufgefaßt werden (so z. B. Schweizer Bundesgericht 37, I, 521). Verwandelt man die Enteignung in einen "Einzeleingriff in die vermögensrechtliche Sphäre", so hört sie auf, einRechtsinstitut zu sein. Martin Wolff hält für den Enteignungsbegriffan bestimmten Merkmalen, insbesondere dem der "tJberführung" fest.wodurch der Charakter eines Rechtsinstituts erhalten bleibt; PaulKrückmann hat durch Unterscheidungen von Enteignung, Einziehung.Konfiskation, Änderung der Rechtseinrichtung, Kontrahierungszwang, Rückwirkung des Gesetzes wenigstens einen spezifischen Enteignungsbegriff zu ·halten gesucht (Enteignung, Einziehung usw.,1930). Bei den Schriftstellern und in den Gerichtsentscheidungenaher. die den völlig aufgelösten Enteignungsbegriff verwenden. kann
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nicht mehr davon die Rede sein, daß die Enteignung des Art. 153Abs.2 ein Rechtsinstitut ist. Sie wird als der "verfassungsmäßigeEnteignungsbegriff" (so Poetzsch-Heffter, D JZ., Sp. 1103) dem imLandesrecht weiterlebenden Rechtsinstitut "Enteignung" entgegengestellt. Gleichzeitig w,jrd jedoch angemein daran festgehalten, daßArt. 153 eine Institutsgarantie des Eigentums aufstelle. Während Anschütz in seinem Kommentar zu Art. 9 der Preußischen Verfassungsurkunde von 1850 (S. 155) nicht das Eigentum, wohl aber um sopräziser die Enteignung als RechtsinstHut bezeichnete und ausdrücklich betonte, der Enteignungsbegriff dieses preußischen Verfassungsartikels beziehe sich "nur auf das Rechtsinstitut der Enteignung", ist es heute beinahe umgekehrt: die Enteignung wird auseinem Rechtsinstitut zu einem vermö.gensschädigenden EinzeleingrHfdes Staates, der Gesetzgebung oder der Verwaltung; das Eigentumaber soll als Rechtsinstitut garantiert hleiben. Freilich soll außer·demund neben der Institutsgarantie des Eigentums Art. 153 Abs. 1 gleichzeitig cine wesentlich andersgeartete, a·ber mit ein und ·demselbenVerfassungswort ausgesprochene Garantie enthalten, die alle denkbaren privaten Vermögensrechte schützt. Die heute herrschende Auslegung des Art. 153 führt also zu dem Ergebnis, daß das Wort "Eigentum" in Art. 153 eine mehrfache Bedeutung hat, indem es einmal dasRechtsinstitut Eigentum bedeutet, das der Gesetzgeber nicht heseitigen darf, zweitens alle privaten Vermögensrechte, h1insichtlich deren'cr durch die Enteignungsbestimmungen des Abs.2 gebunden ist.
Die Garantie eines Rechtsinstituts richtet sich im Allgemeinen vorallem gegen den Gesetzgeber und schränkt dessen Befugnisse ein;denn eine solche Garantie ist gleichzeitig die Garantie eines inhaltlichbestimmten Normenkomplexes. Darum ist es hesonders treffend, daßAnschütz (Kommentar S.608) die in Art. 153, Abs.1, enthaltene Beschränkung des Gesetzgebers gerade aus der Institutsgarantie ahleitetund betont, daß "kein Gesetz, auch ein einfaches Reichsgesetz nicht,das Eigentum als solches und allgemein als Rechtsinstitut abschaffenkann". Wenn dann aber gleichzeitig die Enteignung im Sinne desArt. 153 Abs.2 den Charakter eines individualisierbaren Rechtsinstitutes verliert und nur noch den allgemeinen Grundsatz zumAusdruck bringt, daß für Sonderbelastungen, durch welche einemEinzelnen besondere Opfer zugemutet werden, Schadloshaltung gewährt wird (so FurIer, Das polizeiliche Notrecht und die Entschäd,jgungspflicht des Staates, VerwaltungsarchivBd. 33, 1928, S.399/400;Anschütz, Kommentar S.611/612), oder wenn es sich nach Walter
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}ellinek nur um den Grad der Schutzwürdigkeit eines verletztenRechtes handelt, so tritt an die Stelle einer Institutsgarantie ein allgemeines Gerechtigkeitsprinzip. Dadurch fließen die verschiedenenGewährleistungen zusammen. E. Ruck sagt z. B. (a.a.O. S. 27), eineVerletzung der Eigentumsgarantie verletze meistens gleichzeitig dasverfassungsmäßige Recht auf Rechtsgleichheit und sei "in der Regelauch eine rechtsungleiche Behandlung". Das unvermeidliche "undumgekehrt" liegt nahe. Ähnl,ich wie die von Triepel und Leibholzgeführte "neue Lehre" den Gleichheitssatz des Art. 109 in ein allgemeines Gerechtigkeitsprinzip verwandelt, wird hier Art. 153 ausgedehnt, und beide bedeuten schließlich nur noch: Sondertbehandlung, sachlich nicht ibegründete Ungleichheiten, Ungerechtigkeit undWillkür sind auch dem Gesetzgeber verboten. Entscheidet nun stattdes Gesetzgebers der Richter darüber, ob eine Ungerechtigkeit vorliegt oder nicht, so 'bedeutet das, auf seine letzte staatsrechtlicheFormel gebracht: Der Staat, der bis jetzt ein Gesetzgebungsstaat warund wohl auch von der Weimarer Verfassung als solcher gedachtund gewollt ist, verwandelt sich in einen justizstaat2• Das ist einefundamentale Wandlung des Staates wie der Verfassung im Ganzen.In dem eben erwähnten Kommentar zur preußischen Verfassungvon 1850 stellt Anschütz zu der ,Eigentumsgarantie dieser Verfassungden lapidaren, von ihm selbst gesperrten Satz auf: "Für den Gesetzgeber ist das Eigentum nicht unverletzlich" (S. 161). In § 903 BGB.heißt es, der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetzoder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Beliebenverfahren. Damals war der ·Gesetzgebungsstaat mit der "Omnipotenzdes Gesetzes" noch selbstverständlich. Die Verwirrung der heutigenSituation beruht im Grunde darauf, daß man dieses Prinzip zugunsten einiger Ansätze zum Justizstaat aufgegeben hat. ohne imstande zu sein, das ebenso klare und einfache Prinzip des Justiz
staates konsequent durchzuführen.
Für das Thema der vorliegenden Untersuchung genügt es festzustellen, daß der Gedanke der Rechtsinstitutsgarantie wohl allgemein
! "Justizstaat" ist hier im Sinne einer allgemeinen Staats- und Verfassungslehre gehraucllt, hat also nicllt den speziellen Gegensatz von ordentlicllen Geridlten und Verwaltungsgericllten im Auge, der in der Situationdes 19. Jahrhunderts in Deutsclliand bestimmend war, sondern bezeidlneteinen Staat, dessen letzte politisclle Entscheidungen einer unabhängi~en, d. h.politisdl nidlt verantwortlidlen ridlterlicllen Behörde unterworfen sllld, magder Ridlter eine .ordelltliclle" bürgerliclle, Verwaltungs- oder sogenannteStaatsgerichtsbarkeit ausüben.
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aufgenommen ist, aber noch weiterer Unterscheidungen bedarf, sonsthätte man nicht die Eigentumsgarantie des Art. 153 Abs. 1 alsReehtsinstitutsgarantie auffassen und gleichzeitig ,in Abs.2 dasReehtsinstitut der Enteignung faHen lassen können. Der Grund, ausdem der Gedanke der Institutsgarantie etwas Einleuchtendes hat undohne weiteres angenommen wurde, dürfte darin liegen, daß man injeder Garantie der überlieferten Grundreehte, auch wenn nichtRechtsinstitute im präzisen Sinne garantiert sind, ,doch eine Garantieder überlieferten typischen Art und Weise einer Normierung findenkann. So ist mit ,der Gewährleistung der persönlichen Freiheit niüürlieh kein Rechtsinstitut gewährleistet, denn die Freiheit ist keinInstitut; trotzdem aber ist der Artikel weder als bloßes Programmbedeutungslos noch infolge des Gesetzesvorbehaltes leerlaufend. Erwird, mit deu Kategorien einer rechtsstaatlichen Verfassungslehrebetrachtet, keineswegs in diesem für die Vol"kriegsjurisprudenz unvermeidlichen Dilemma zerrieben. Er hat vielmehr den Sinn, dastraditionelle typische und übliche Maß der Eingriffe in die Freiheitzu garantieren. Wie weit ,der Gesetzgeber durch die strafprozessualeNormierung der Festnahme, Haussuchung, Postbeschlagnahme HSW.
in die verfassungsmäßig gewährlei!lteten Grundrechte eingreifen darf,ist im einzelnen stark modifizierbar; aher solange ein gewisses ,bürgerlich-rechtsstaatliches Bewußtsein noch 'Vorhanden ist, kann man docherkennen, wann der Gesetzgeber das ihm durch den Gesetzesvorbehalt kouzedierte Maximum überschritten hat. Wenn eine Spezialbestimmung wie die Vorführung eines Verhafteten spätestens amdarauffolgenden Tage (vgl. Art. 114, Abs.2) als verfassungsgesetzliche Normierung eingeführt wird, so ist das nur ein Ausdruckdafür, daß der Vorbehalt des Gesetzes gegenüber Freiheitsrechtennicht grenzenlos sein soll. Es würde dem Sinn einer grundrechtlichen Freiheitsverbürgung widersprechen, wenn der Gesetzgebernach seinem Belieben Eingriffe etwa dem Ermessen irgendwelcherBehörden anheimgeben könnte. Insofern liegt in den Freiheitsgarantien der Reichsverfassung die von der Institutsgarantie zu unterscheidende Garantie eines überlieferten typischen Maßes gesetzlicherNormierung. Nur in gewisser Hinsicht ist diese Bindung des Gesetzgebers einer privatrechtlichen Institutsgarantie ähnlich. Denn dieüberlieferte Regelung der Festnahme und Verhaftung, Haussuchungoder Briefbeschlagnahme begründet keine Rechtsinstitute. wie esEhe, Eigentum und Erbrecht sind.
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vDie klassischen Grundreehte des bürgerlichen Rechtsstaats sind
Freiheitsrechte: persönliche Freiheit, Privateigentum als freies Herrschaftsbelieben, Freiheit der Wohnung, Freiheit der Meinungsäußerung, Vereins- und Versammlungsfreiheit. Die Freiheit ist keinRechtsinstitut, keine Einrichtung und keine Anstalt; sie kann nochweniger -eine organisierte und formierte Institution des öffentlichenReehtes sein. Ihr Inhalt ist nicht von Staats wegen normiert; siebesteht nicht "nach Maßgabe der Gesetze"; ,sie kann auch nicht,wenn sie nicht eine betrügerische Redensart werden soll, unter einemVorbehalt stehen, dessen Ausfüllung im Ermessen eines andern liegt.sei er nun Gesetzgeber, Regierung, Polizei, Richter. Priester, Arzt.Lehrer, Erzieher, Fürsorgebeamter oder was immer. Eine Freiheit.deren Maß und Inhalt ein anderer bestimmt, ist vielleicht einehöhere, edlere, wahrere, wohlverstandene Art von Freiheit, aber nichtdas, was man in einem bürgerlichen Rechtsstaat darunter verstehenmuß. Den Hberalen Vorkämpfern der Freiheit sind jene veredelndenPrädikate immer verdächtig gewesen. Es ist auch kein Zufall, daß esin Goethes Egmont gerade der Herzog von Alba ist, der dem Freiheitskampf der Niederländer das Prinzip der Gesetzmäßigkeit entgegenhält: "Freiheit? Ein schönes Wort, wenn's reeht verstanden.Was wollen Sie für Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? Rechtzu tun! Und daran wird Sie der König nicht hindern."
Was Freiheit ist, kann nämlich in letzter Instanz nur derjenigeentscheiden, der frei sein soll. Sonst ist es nach allen menschlichenErfahrungen mit der Freiheit schnell zu Ende. Diese Freiheit, undnamentlich die Freiheit des einzelnen Individuums, ist leider fortwährend bedroht und bedarf daher des Schutzes und der Sicherung.Daraus entsteht ein Umbau von rechtlichen Normierungen und staatlichen Einrichtungen zum Schutz der Freiheit, der ebenfalls alsFreiheitsgarantie bezeichnet werden kann. Das Grundrecht der Freiheit, d. h. der staatsfreien Sphäre, wird mit Rechtsinstituten.typischen Normierungen und sogar mit staatlichen Institutionen umgeben, deren Garantie etwas anderes bedeutet als die Garantie derFreiheit selbst. Ich habe in dem Aufsatziiber Inhalt und Bedeutungder Grundrechte (Handb. des Deutsmen Staatsremts, II § 101, untenS. 210) von konnexen und komplementären Institutell und Garantiengespromen und damit einen Ausdruck übernommen, den K. Rennerin seinem eben erwähnten Buch über die Rechtsinstitnte des Privat-
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rechts geprägt hat, und auf dessen große Bedeutung ich durch dieHinweise von Herrn Dr. Fr. Neumann und O. Kirchheimer (inmeinem verfassungstheoretischen Seminar .der Handels-HochschuleBerlin, Sommer 1931) aufmerksam geworden ,bin. Doch hat der Begriff der konnexen un.d komplementären Garantien in der verfassungsrechtlichen Lehre von den Freiheitsgarantien nicht den genaugleichen Sinn und .die gleioheFunktion wie der Begriff .der Konnexund Komplementärinstitute bei Renner, .dem es darauf ankommt, daßderartige Institute das Hauptinstitut verdrängen und seine sozialeFunktion übernehmen. Nach Renner ist ·z. B.die soziale Funktion .desPrivateigentums in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung verdrängt und durch Konnexinstitnte übernommen, indem etwa derMieter eines Hauses die Detention hat, der vermietende Eigentümerdie Detention einem Frem.denüberläßt un.d nur noch .den Rechtsanspruch auf Tribut behält (S. 97), bei der Pacht der Pächter dieproduktorische Funktion des Eigentümers wahrnimmt, wä:hrend derverpachtende Eigentümer sich den vom Pächter realisierten Mehrwert aneignet usw. Dabei ist für das Thema der vorliegenden Untersuchung beachtenswert, daß sich anch bei Renner die Unterscheidung von wesentlich privatrechtlichen Instituten und Institutionenals öffentlich-rechtlichen Einrichtungen andeutet, obgleich sie nichtdurchgeführt ist und gelegentlich (S.179) auch von Rechtsinstitutendes öffentlichen Rechts gesprochen wird. Doch ist das eine terminologische Frage, wie selbstverständlich auch die hier aufgestellteTrennung der institutionellen von der Institutsgarantie nur demZwecke dient. das Problem der verfassungsrechtLichen Garantie zuklären.
Bei Renner hat der Begriff der konnexen und komplementärenInstitute den Sinn, die konkrete geschichtliche Entwicklung voneinem Wirtschaftssystem zu einem anderen aufzuweisen. Dagegenhandelt es sich für die vorliegende verfassungsrechtliche Untersuchung um die andere Frage, welche Arten der verfassungsrechtlichen Garantien eines Grundrechtes vorkommen und in welchenStufen sich Entwicklung und Ausbau soloher Garantien vollziehen.Dieses Problem erhebt sich für die typisch grundrechtlichen Freiheitsrechte einer bürgerlich-rechtsstaatlichen Verfassung ganz unvermeidlich, weil deren Freiheiten allgemeine, gleiche Freiheitsrechte.also nicht Institutionen oder Anstalten sind und im schärfsten Gegensatz zu dem mittelalterlichen Begriff der Freiheiten un.d Libertätenim Sinne von Exemtionen, Immunitäten und Privilegien stehen
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wollen, bei denen eine "Freiheit" institutionellen Charakter habenkonnte. Der bürgerliche Rechtsstaat will, wenigstens in seiner liberaldemokratischen Gestalt, wie ihn die Weimarer Verfassung organisiert, gerade das Gegenteil eines solchen Privilegienstaates sein.Richard Thorna hat, insofern mit vollem Recht, die Definition dermodernen Demokratie darin gefunden, daß sie nicht Privilegienstaatist (Erinnerungsgabe für Max Weber, Bd. II, S. 39). Solange nun dasVertrauen auf den Gesetzgeber und den Gesetzgebungsstaat besteht.kann man sich mit der allgemeinen Garantie der Freiheit selbst begnügen und das weitere dem Vorbehalt des (einfachen) Gesetzesüberlassen; sobald dieses Vertrauen aufhört, erscheinen neue Garantien, die nicht unmittelbar die Freiheit selbst, sondern Schutznormenund -einrichtungen zur Verteidigung uoo Umhegung der Freiheitgewährleisten sollen. Diese werden dann, solange kein klares Bewußtsein der verfassungstheoretischen Probleme vorliegt, unsystematischverankert und werden schließlich kräftiger und heiliger als diefundamentalen Freiheitsrechte selbst, wie das oben (unter 1) beider Darlegung des heutigen Problemstandes gezeigt wurde. Insbesondere ergeben sich typische Normierungen, Institute und Institutionen, die ihrerseits wieder verfassungsgesetzlich gesichert werdenkönnen. Hier scheint eine besondere, in der Geschichte oft zu beobachtende Art von Entwicklung am Werk zu sein. Sie läßt sich ambesten an der Entwicklung einer - gegenüber der Garantie der allgemeinen Freiheit der Meinungsäußerung speziellen - Garäntie derPressefreiheit anschaulich machen.
Die einzelnen Stadien dieses Prozesses sind ein einer demnächstersoheinenden Dissertation .der Handels-Hochsclmlc Berlin vonG. Scheidemann dargelegt.· Es ist dabei charakteristisch, daR dieFreiheit der MeinungsäuRerung, ein politisch ·besonders wichtigesFreiheitsrecht des bürgerlichen Rechtsstaates, mit der Garantie der..Freiheit" eines bestimmten technischen Mittels der Meinungsäußerung, der Druckerpresse, verbunden wird. Dadurch kann dieunbedingte Freiheit der Meinungsäußerung zu einer unbedingtenFreiheit der Presse werden, was an sich keineswegs dasselbe ist.Art. 122 der französischen Verfassung vorn 24. Juni 1793 sprichtbereits von einer "liberte indefinie de la presse", immerhin nngewöhnlich, weil man schon 1'l89 bei andern Freiheitsrechten irgendeinen Vorbehalt des Gesetzes nicht vergaß. In der Restaurationszeitnach 1815 hat sich dann sehr schnell eine Reihe vou EinrichtuugenlInd Spezialfreiheiten herausgebildet, die speziell der durch die
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Presse erfolgenden freien Meinung'Säußerung zugute kommen solltenund im Endergebnis dazu führten, daß die Druckerpresse ein privilegiertes Gewerbe wurde. Die Privilegierung zeigt sich besondersdarin, daß alle Äußerungen der Presse, auch wenn sie nicht Meinungsäußerungen waren, also z. B. Mitteilungen tatsächlichen Inhalts,wie politisohe und andere Nachrichten, Börsenkurse, Geldkurse usw.,sowie Anzeigen (der Informations- und der Inseratenteil) an denVergünstigungen der Pressefreiheit teilhaben; daß der Gesetzesvorbehalt hier enger ist als sonst. weil die Pressefreiheit als "polizeifest"(Anschütz) gilt und die allgemeinen polizeilichen Befugnisse, diesonst als gesetzmäßige Befugnisse andere Freiheitsrechte einschränken, gegenüber der Pressefreiheit nicht wirksam werden sollten; daßdas Pressegewerbe in besonderer Weise gegen Kautions- und Konzessionszwang, so~ar gegen Besteuerung und Abgabenerhebungsichergestellt wird. Art. IV der Frankfurter Grundrechtserklärungvon 1848 enthält eine ziemlich vollständig aufzählende Beschreibungdieser von der allgemeinen Freiheit der Meinungsäußerung institutsähnlich sich absondernden Pressefreiheit: "Die Pressefreiheit darfunter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugendeMaßregeln, namentlich Zensur, Konzessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote und andere Hemmungen des freien Verkehrsbeschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden." Heute ist dasReichspressegesetz vom 7. Mai 1874 die Rechtsgrundlage der Pressefreiheit. Aber es ist anscheinend unbestrittene Auffassung, dienamentlich auch .von dem führenden Autor auf diesem Gebiet,K. Häntzschel (Kommentar zum Reichspressegesetz 1927, S.17) ausgesprochen wird, daß diese pressegesetzlichen Garantien der Pressefreiheit nicht verfassungsgesetzeskräftig sind. Es köuqeu "der Pressedurch spätere einfache Reichsgesetze auch weitere Sonderbeschränkungen auferlegt werden, als sie durch das gegenwärtige Gesetz vorgeschrieben oder zugelassen sind. Durch spätere Reichsgesetzekönnen sogar die Organe und Behörden der Staatsverwaltung zumErlaß die Presse beschränkender Anordnungen allgemein ermächtigtwerden (RGSt. 55, 80), obwohl dies dem Grundgedanken einer Pressefreiheit und des Reichspressegesetzes widerspricht." Die Pressefreiheit ist mit andern Worten heute· nur ein reichsgesetzeskräftigesGrundrecht, weil man vergessen hat oder es nicht für notwendigMelt, ihr die Sicherungen zu geben, die zahlreiche andere Interessenerhielten. Aber die Ansicht Häntzschels, daß der Grundgedanke einer
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Pressefreiheit dadurch verletzt wird, trifft durchaus zu. Wäre Art. IVder Frankfurter Grundrechte geltendes Verfassungsrecht geworden.so stände die Pressefreiheit als eine institutsähnliche konnexe Sicherung dem allgemeinen Grundrecht der freien Meinungsäußerungselbständig gegenüber, wie sie ihr nach geltendem Presserecht, wennauch nur reichsgesetzeskräftig, noch heute gegenübersteht.
Es entspricht ,dem Geist einer liberalen rechtsstaatlichen Verfassnng, institutionelle Garantien nur als Konnex- und Komplementärgarantien zu einer allgemeinen Freiheit gelten zu lassen. Für dieseAuffassung wäre z. B. die institutionelle Garantie der Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts ,in Art. 137 nur eine Komplementärgarantie zur allgemeinen Glaubens- und Gewissensfreiheit undsollte die in Art. 135 gewährleistete "ungestörte Religionsausübung"unter verfassungsgesetzlichen Schutz stellen. Dieses Beispiel zeigtaber gleichzeitig, daß die <institutionellen Garantien sich verselbständigen und einem eigenen Entwicklungsgesetz folgen, durch welchesjene Institutionen gegenüber dem Staate und ,den staatlichen Organisationen immer selbständiger, immer besser "gesichert" werden.um schließlich in "vertragsgesicherten" Körperschaften des öffentlichen Rechts "einen neuen Typ" hervorzubringen (vgl. Ulrich Stutz.Konkordat und Codex, Preußische Akademie der WissenschaftenPhil. hist. Klasse 1930, XXXII, S.14). Analog wäre es theoretischdenkbar, ,daß eine verfassungsrechtliche "Anerkennung" von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. wie me, von der Vereinigungsfreiheitdes Art. 159 ausgehend, Art. 165 Ahs.1 ausspricht, zueiner institutionellen Garantie weiter ausgebaut würde und schließlich ein Monopol der bestehenden Verbände und Gewerkschaftenauch verfassungsgesetzlich fundierte~ Das alles braucht keineswegsplanmäßig ,berechnet zu scin, sondern entspricht der Dialektik einer]üi,ufig eintretenden Entwicklung. Der Weg von der allgemeinen Freiheit zum Privilegium ist oft sehr kurz; er geht über die speziellenGarantien und Sicherungen der Freiheit.
In der Festsduift RedI1swissensmaftlime Beiträge zum 25jährigen Bestehender Handels-Homsthule Berlin", Verlag Reimar Hobbing in Berlin, 1931 ersdlienen. Dieser Aufsatz enthält die Weiterentwicldung der Lehre von derinstitutionellen Garantie, die in der Verfassungslehre (1928) S.170 zuerstaufgestellt und 1932 in dem unten abgedruckten Aufsatz S.181-231systematisdl zllsaJ1l111engefaßt wurde. Eine größere Monographie üher ..fn-
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stitutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien" hat Friedrich Klein im49. Heft der Abhandlungen aus dem Staats- und Verwaltungsrecht Breslau1934 veröffentlicht. Die Lehre von den institutionellen Garantien hat sichschon unter der Weimarer Verfassung durchgesetzt. F. Klein zählt (a.a.O.S.328) als soMle auf: Unabhängigkeit der Rechtspflege, kommunale Selbstverwaltung, Berufsbeamtentum, ReligionsgeseIlschaftell als Körperschaftendes öffentlichen Rechts, akademische Lehr- und Lernfreiheit, staatliche Schulaufsicht und Schulen. theolo/tische Fakultäten an den Hochschulen undSozialversicherun~.
Eine verfassungsredltliche Monographie über den Begriff der Institutionfehlt noch. Das bekannte Buch von Renard, "L'institution", biegt denoriginellen und echt juristischen Ansatz, der in der Lehre von MauriceHauriou enthalten ist, in neothomistism-theologische Reflexionen um. VonErnst Forsthoff liegt eine Abhandlung über die Institution im Manuskriptvor. Roman Sclmur hat eine Untersuclmng des Themas in Aussicht gestellt.Ober Santi Romano vgl. Die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens,1934, S.24; über neuere italienische Literatur: Vincenzo Zangara, La rappresentanza istituzionale, 2. Aufl., Padua. Cedam, 1952.
Man kann aum das Wesen der Verfassung selbst in institutionellenGarantien erbli<keu. Das würde der Lehre vom konkreten Ordnungsdenkenentsprechen und ware geeignet, sowohl normativistische Funktionalisierungenwie auch dezisionistische Vereinfachungen zu überwinden. Von den dreiArten des rechtswissenschaftlichen Denkens - Normativismus, Dezisionismusund Institutionalismus - ist der Institutionalismus in der Form des konkreten Ordnungsdenkens dem verfassungsrechtlichen Denken jedenfalls inhöherem Grade adäquat als der Normativismusmit seinem hybriden Begriffeiner Normen-Hierarchie und einer abstrakten Normenkontrolle. Lorenz vonStein versteht unter verfassungsmäßigen Grundrechten nicht persönlimeFreiheitsrechte, sondern institutionelle Garantien, wie sie z. B. das Smulund Bildungswesen tragen. Dazu bemerkt Ernst Rudolf Huber, DeutsmeVerfassungsgeschichte seit 1789 (Bd. I, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1957,S.262) mit Recht: "Noch bevor eine formelle Verfassungsurkunde dieseGrundeinrimtungen (allgemeine Schulpflicht, staatlich geordnetes Prüfungswesen, Freiheit von Forschung und Lehre) und Grundsätze des öffentlimenBildungswesens festlegte und sicherte, erhob die preußisme Smul- und Universitätsreform der Ära Humboldt-Altenstein (1809-184O) sie zu Grundelementen der materiellen Staatsverfassung, d. h. der politischen Grundordnung, in der der ~taat und die Nation ihr Dasein und Sosein finden:'
In der Soziologie ist ein sogenannter Institutionalismus sehr verbreitet.Dom ist weder er für die Rechtswissenschaft ergiebig geworden, nom dieRechtswissensmaft für ihn. Interessante Formulierungen harren nom ihrerjuristischen Gestaltung; ich nenne als Beispiel Helmut Schelskys Prägungvon einer "Institutionalisierung der Dauerreflexion". Aum die Definitiondes Totalitarismus durm Brzezinski (American Political Science Review,Bd. L, Heft 3, p.754) wäre hier zu nennen; für ihn ist Totalitarismus seinemWesen nach nidlts anderes als ein institutionalisierter revolutionärer Eifer,an institutionalized relJolutionary zeal. In der Soziologie der deutsmenNadlkriegszeit haben Arnold Gehlen und Helmut Schelsky eine entsmei-
Freiheitsrechte und institutionelle Garantien (1931) 17a
dende Wendung zum Institutionalismus vollzogen. Sie sprechen aber liebervon Integration und lassen die juristische Arbeit außer acht, die in derLehre von den institutionellen Garantien und den drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens vorliegt.
Im Bonner Grundgesetz von 1949 ist die Lehre von den institutionellenGarantien rezipiert; vgl. die Hinweise und Bemerkungen zu dem' folgendenAufsatz S. 179/80 und den Kommentar von Mangoldt-Klein, Das BonnerGrundgesetz, 2. Aun. I, 1957, S.83-90. Doch wäre darauf zu .achten, dan dieUnterscheidung von öffentlichrechtlich-institutioneller und privatrechtlicherInstituts-Garantie sich nicht in der allgemeinen Verdeutschung ..EinrichtungsGarantie" auflöst, wofür die Auflösung der Eigentumsgarantie (obenS. 122123) ein warnendes Analogon liefert. Auch verdient der Gedanke derKomplementär- und Konnex-Garantien mehr Beachtung, als er bisher gefunden hat.
Wohlerworbene Beamtenrechte und Gehaltskürzungen (1931)
Die staats- und verfassungsrechtliche Frage, ob eine Herabminderung der heamtenbesoldungsgesetzlichen Bezüge durch einfaches Gesetz (oder durch gesetzvertretende Verordnung) vorgenommen werden darf, hat durch die Verordnungen desReichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 und 5. Juni 1931ein neues aktuelles Interesse und durch das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 25. März 1931 eine neue Wendung erhalten1•
Bisher stand man, trotz der vorsichtigen Zurückhaltung des RG.2,stark unter dem Eindruck des Urt. des Danziger Obergerichts vom25. September 1928 und der zahlreichen Gutachten und Aufsätze, diezu dem Ergebnis kamen, daß die Unverletzlichkeit der wohlerworhenen Beamtenrechte (Art. 129 Abs. I S.3 RVerf. und der gleichlautende Art. 92 der Dan:mger Verf.) eine durch einfaches Gesetzerfolgende Herahminderung der Bezüge verbiete und den ziffernmäßigen Standard der hesoldungsgesetzlichen Regelung gewährleiste3• Der Reichsfinanzhof dagegen ,hält eine durch gesetzvertretendeV. des Reichspräsidenten vorgenommene Gehaltskürzung für zulässigund nicht für eine Verletzung wohlerworhener Beamtenrechte. Erberuft sich vor allem darauf, daß Art. 129 Rechte der Beamtenschaftin ihrer Gesamtheit garantiere und bezieht sich dabei. auf Begriff undFormel der "institutionellen Garantie", die in meiner Verfassungs-
1 Veröffentlimt im RSteuerBl. NI'. 11. Der dazugehörige (im Urteil bestätigte) Vorbesmeid vom 25. Januar 1931 ist RStBI. Nr.5 veröffentlidIt.Kritisme BespredIung des Urteils. von Dr. Wintrim. in "Der Beamtenbund",Beilage zu Nr.35 vom 12. Mai 1931, und von dem früheren Präsidenten desReidlsfinanzhofes Wirkl. Geh. Rat Jahn, RVerwBl. 25 vom 20. Juni 1931.
! NamentlidI in der Inflationszeit und gegenüber der Frage der Aufwertung hat das RG. dem Gesetzgeber die EntsdI. überlassen, vgl. RGZ.109, 121, 127/8; 120, 395; JW. 1927 S.2193 Nr.8.
I Das Danziger Urteil ist mit den GutadIten (Triepel, DaD1me, Loening.Lobe, Litten, Brand, Poetzsm-Heffter. Mügel) vom Beamtenbund der FreienStadt Danzig veröffentlimt worden. Aus dem umfangreidIen weiterenSdIrifttum seien als Vertreter dieser Auffassung genannt: Brand bei Nipperdey, GrundredIte und Grundpfiicnten II. S.230, und H. Daniels. HdbDStRBd. H, S.46. Das GutadIten von Geh. Hofrat Prof. Dr. K. Beyerle, Münmen,das nach WintridI dem RFH. vorlag, war mir nirnt zugänglim.