Abstracts
Praktische Gastroenterologie –Von der Antike bis zur Neuzeit
Trier
Samstag, 5. November 20119.00 – 14.45 Uhr
Veranstaltungsort: pentahotel TrierEuropahalleKaiserstr. 2954290 Trier
Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. C.Kölbel, TrierDr. E.G. Rambusch, Trier
Greifswald 18. Juni 2011
Hildesheim 9. April 2011
Dresden 25. Juni 2011
Stuttgart 16. April 2011
Erlangen 8. Oktober 2011
TrierTrier5.5. November 2011November 2011
Bonn 26. November 2011
Bielefeld19. März 2011
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Programm Seite
9.00 Uhr Begrüßung und Einführung Prof. Dr. C. Kölbel, Trier Dr. E.G. Rambusch, Trier
1. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen/
Proktologie Vorsitz: Prof. Dr. C. Kölbel, Trier Dr. E.G. Rambusch, Trier
9.10 Uhr Wertigkeit von Steroiden, 5-Aminosalizylaten, Antibiotika und Probiotika Prof. Dr. U. Böcker, Berlin
3 – 5
9.40 Uhr Neue Therapieoptionen: Biologica – Was ist der Standard? (ohne Abstract) Prof. Dr. A. Stallmach, Jena
10.10 Uhr Proktitis: Differenzialdiagnostik und Therapie Prof. Dr. H. Krammer, Mannheim
6 – 10
10.40–11.10 Uhr Kaffeepause
2. State-of-the-Art Lectures Vorsitz: N.N. Dr. E.G. Rambusch, Trier
11.10 Uhr Hepatitis B und C: Therapie 2012 Prof. Dr. S. Rossol, Frankfurt
11 – 15
11.40 Uhr Medikamentennebenwirkungen am Gastrointestinaltrakt Prof. Dr. J. Labenz, Siegen
16 – 18
12.10 Uhr Medizin im Trier der Antike und des Mittelalters Dr. phil. H.-J. Kann, Trier
19 – 20
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12.40 –13.30 Uhr Mittagspause mit Imbiss
3. Gastroenterologische Infektiologie Vorsitz: Dr. H. Michels, Trier Prof. Dr. C. Kölbel, Trier
13.30 Uhr Clostridien- und Norovirus-Infektion Dr. M.R. Knoll, Trier
21 – 25
14.00 Uhr HIV und Gastroenterologie Dr. A. Rieke, Koblenz
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14.30 Uhr Schlussbemerkungen Prof. Dr. C. Kölbel, Trier Dr. E.G. Rambusch, Trier
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seite 27
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Wertigkeit von Steroiden, 5-Aminosalizylaten, Antibiotika und Probiotika
U. Böcker
Klinik für Innere Medizin, Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin
Ziel der medikamentösen Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ist
die Remissionsinduktion, die Remissionserhaltung, die Vorbeugung von Komplika-
tionen sowie die Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens und der Lebens-
qualität. Durch die Einführung monoklonaler Antikörper hat diese sogenannte
konservative Therapie in den letzten 15 Jahren nachhaltige Veränderungen erlebt.
Trotzdem behalten klassische Therapeutika wie Glukokortikosteroide und Aminosali-
zylate im klinischen Alltag einen wichtigen Stellenwert. Angesichts der Bedeutung,
die Bakterien und ihren Bestandteilen bei der Pathogenese des Morbus Crohn und
der Colitis ulcerosa zugesprochen wird, sind die Evidenz-basierten Daten zum
Einsatz von Antibiotika und, mit wenigen Ausnahmen, auch für die Probiotika
begrenzt.
Die Bedeutung von Mesalazin-basierten Substanzen beim Morbus Crohn ist gering.
Während Sulfasalazin zur Induktion einer Remission beim Kolonbefall wirksam ist,
besitzt Mesalazin sowohl beim Dünndarm- als auch beim Dickdarmbefall
therapeutisch keine Relevanz, auch wenn man der Substanz bei milder Aktivität
wegen der geringen Toxizität prinzipiell ein Potenzial zusprechen würde. In der post-
operativen Remissionserhaltung kann Mesalazin hingegen eingesetzt werden. Bei
den Nebenwirkungen ist insbesondere zu beachten, dass Mesalazin Diarrhöen
induzieren kann. Der diskutierte Zusammenhang zwischen Mesalazin und einer
interstitiellen Nephritis ist selten, rechtfertigt aber vor allem bei Patienten mit vorbe-
stehender Nierenfunktionseinschränkung Überwachungen der Nierenfunktion.
Glukokortikosteroide besitzen wegen der kurzen Latenz bis zum Ansprechen und
ihrer guten Effektivität große Bedeutung bei der Behandlung einer akuten Entzün-
dungsaktivität. Für die Therapie des M. Crohn setzten 2 große Studien in Europa und
Nordamerika die Grundlagenevidenz für ihren Einsatz. Problematisiert wird die
Anwendung vor allem durch eine unkontrolliert lange Gabe, die schwerwiegende
Nebenwirkungen produzieren kann. Die Diskussion infektiöser Komplikationen unter
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immunmodulierender Therapie, wie den Antikörpern gegen Tumor-Nekrose-Faktor,
hat zu einer aktualisierten Beurteilung und erhöhten Wahrnehmung der Gefährdung
durch Glukokortikosteroide geführt. Der Wunsch, systemische Nebenwirkungen zu
reduzieren, hat zu der Zulassung von Budesonid geführt. Wirksamkeit konnte für den
ilealen und ileozökalen Befall beim M. Crohn demonstriert werden. Wegen eines
ausgeprägten First-pass-Mechanismus werden systemische Nebenwirkungen
reduziert, aber nicht vollständig verhindert, ablesbar z. B. an einer Nebennieren-
rindensuppression. Trotz der umfangreichen Verwendung von Glukokortikosteroiden
sind bestimmte Fragen, wie z. B. das optimale Eskalations- und Ausschleichregime,
unzureichend durch Studien geklärt. Der Stellenwert der Glukokortikosteroide ist auf
die Remissionsinduktion begrenzt.
Die vorhandenen Daten, aber auch assoziierte Nebenwirkungen, begründen, dass
sich der Einsatz von Antibiotika auf septische Komplikationen, insbesondere bei
perianal fistulierendem Verlauf, und auf eine nachgewiesene bakterielle Fehlbesiede-
lung, z. B. bei veränderter intestinaler Anatomie und Blindsacksituation, begrenzt.
Die Studien zur Effektivität von antimykobakteriellen Substanzen waren nicht aus-
reichend für den Eingang in eine Leitlinien-basierte Therapie. Eine ausreichende
Evidenz für den Einsatz von Probiotika beim M. Crohn gibt es bisher nicht.
Aminosalizylate sind Medikamente der ersten Wahl bei der Colitis ulcerosa. Sowohl
Mesalazin als auch Mesalazin-basierte Konjugate sind wirksam. Im Vergleich zu den
anderen antiinflammatorischen Substanzen bei chronisch entzündlichen Darmerkran-
kungen wird der Galenik und Pharmakokinetik eine ganz besondere Aufmerksamkeit
geschenkt. Präparationen zur oralen und rektalen Anwendung, letztere als Supposi-
torien, Schäume und Einläufe, stehen zur Verfügung. Im Interesse hoher Wirkstoff-
konzentrationen wird Mesalazin konjugiert – eine Freisetzung erfolgt erst im Kolon
nach Molekülspaltung unter dem Einfluss von bakteriellen Enzymen – oder in einer
Matrix verpackt, die eine verzögerte Freisetzung in Abhängigkeit von der Zeit oder
dem pH-Wert sicherstellt. Inzwischen wurde deutlich, dass die Adhärenz bei der
Medikamenteneinnahme ohne Einschränkungen der Wirksamkeit verbessert werden
kann, wenn die Gabe nur ein- oder zweimal täglich erfolgt. Manifeste Wirkungs-
unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen sind nicht evident nachgewiesen.
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Glukokortikosteroide sind wirksam zur Remissionsinduktion der Colitis ulcerosa. Wie
beim M. Crohn werden Ansprechen und weiterer Verlauf der Erkrankung nach
Remission und Ansprechen sowie Abhängigkeit und Refraktärität unterschieden.
Steroiden kommt vor allem Bedeutung zu, wenn kurzfristig eine Verbesserung
erreicht werden muss, z. B. beim schweren und fulminanten Schub.
Probiotika haben Eingang in die Therapie der Colitis ulcerosa gefunden. Rando-
misierte, Plazebo-kontrollierte Studien bildeten die Basis für den Einsatz von
Escherichia-coli-Stamm Nissle mit dem Nachweis einer dem Mesalazin vergleich-
baren Potenz zur Remissionserhaltung. Außerdem wurde gezeigt, dass ein Cocktail
aus Laktobazillen, Bifidobakterien und Streptococcus salivarius die Remission nach
erfolgreich behandelter Pouchitis erhalten kann.
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Proktitis: Differenzialdiagnostik und Therapie
H. Krammer
Gastroenterologie und Ernährungsmedizin am End- und Dickdarmzentrum
Mannheim
Definition und Diagnostik
Die Colitis ulcerosa kann bekanntlich das Kolon in unterschiedlichem Ausmaß bis hin
zur Pankolitis befallen. Ist die Erkrankung nur auf das Rektum (bis 16 cm post anum)
beschränkt, spricht man von einer Proctitis ulcerosa.
Die häufigsten Symptome der Proctitis ulcerosa sind Blut- und Schleimbeimen-
gungen im Stuhl. Des Weiteren klagen die Patienten häufig über Durchfälle (mitunter
aber auch über Obstipation), ein Gefühl von ständigem Stuhldrang sowie Tenesmen
und Schmerzen.
Endoskopisch zeigen sich im Rektum ein Verlust der Gefäßzeichnung sowie ein
Schleimhautödem und -erythem. Hinzu kommen spontane Hämorrhagien, eitrig-
schleimige Exsudate und Ulzerationen. Histologisch finden sich eine gestörte
Schleimhautarchitektur mit entzündlichen Infiltraten sowie Kryptenabszesse.
Bei einer therapierefraktären Proktitis sollte neben einer gründlichen Anamnese eine
zusätzliche Diagnostik zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen erfolgen.
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Infektiöse Proktitis z. B. durch Chlamydien, Zytomegalievirus, Lues,
Gonorrhö
Medikamentös bedingte Proktitis
z. B. durch Suppositorien mit Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder systemische Anwendung von Antibiotika oder Chemotherapeutika
Diversionskolitis und -proktitis
postoperativ in ausgeschalteten, in situ belassenen Darmabschnitten
Ischämisch bedingte Proktitis in erster Linie bei älteren Patienten, z. B. durch Stenosen, Thrombosierung, Blutdruckabfall, atherosklerotische Blutgefäßverengung
Mechanisch bedingte Proktitis
nach Einführen von Fremdkörpern oder Rektumprolaps
Radiogen bedingte Proktitis
nach Bestrahlung maligner Tumoren im Unterbauch
Idiopathische Proktitis spontan auftretend, alters- und geschlechtsunabhängig; ähnliches Bild wie die Colitis ulcerosa, aber streng auf das distale Rektum beschränkt
Solitäres Rektumulkus selten, jahrelange Obstipation als mögliche Ursache
Begleitproktitis meist nur sehr diskret, z. B. bei fortgeschrittenem Hämorrhoidalleiden, Fisteln oder Abszess
Tab. 1: Proktitis-Differenzialdiagnosen
Therapie der Proctitis ulcerosa
Idealerweise sollte die Therapie schnell wirksam, nebenwirkungsarm, sowohl zur
Akutbehandlung als auch zur Remissionserhaltung geeignet sein, sowie eine hohe
Patientenakzeptanz (z. B. durch einmal tägliche Applikation) aufweisen. Mesalazin
wirkt stark entzündungshemmend auf die entzündete Schleimhaut (topisches Wirk-
prinzip), ist gleichzeitig aber sehr gut verträglich und gilt daher als Medikament der
Primärtherapie des leichten bis moderaten akuten Schubs sowie zur Remissions-
erhaltung (Regueiro 2004).
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Bei der Proktitis bieten Suppositorien eine ideale Möglichkeit, das Mesalazin am
Wirkort zu applizieren. Bei Proktosigmoiditis kommen Schäume und Klysmen zum
Einsatz. Rektale Darreichungsformen bewirken hohe lokale Wirkstoffkonzentrationen
und einen rascheren Wirkeintritt bei gleichzeitig geringer systemischer Verfügbarkeit
im Vergleich zu einer äquivalenten oralen Dosierung.
Im akuten Schub beträgt die minimale, aber ausreichende tägliche Dosierung 1 g
Mesalazin zur Induktion der Remission. Bei topischer Anwendung ist Mesalazin
Steroiden sogar überlegen. Bei Nichtansprechen auf eine mehrwöchige rektale und
evtl. auch orale Therapie mit Mesalazin sollten zusätzlich Steroide als Schaum oder
Klysma verabreicht werden (z. B. Mesalazin am Morgen, Budesonid am Abend).
Dabei ist Budesonid (2 mg täglich) nebenwirkungsarm und die Wirkung ist vergleich-
bar mit der von systemisch wirksamen Steroiden. Die empfohlene Behandlungsdauer
liegt bei mindestens 4 Wochen. Bei Versagen der topischen Therapie sollten
zusätzlich systemisch wirksame Steroide oral oder intravenös verabreicht werden. In
seltenen Fällen eines steroidrefraktären Verlaufs kann eine Therapie mit TNF-α-Anti-
körpern (Infliximab) oder mit Tacrolimus-Suppositorien (off-label) erforderlich sein.
Leitlinien Empfohlene Dosierungen 1 g Mesalazin/Tag als Supp. ggf. kombiniert mit oralem Mesalazin. Bei Nichtansprechen zusätzlich Steroide als Schaum oder Klysma (z. B. Budesonid für bessere Verträglichkeit). Systemische Steroide bei Versagen der topischen Therapie.
z. B. Salofalk® 1g Suppositorien und ggf. 2x Salofalk® Granu-Stix® 1,5g pro Tag. Falls nötig, zusätzlich 1 Hub Budenofalk® 2mg Rektalschaum pro Tag. Systemische Steroide nach Fachinformation.
Tab. 2: Medikamentöse Therapie der Proctitis ulcerosa im akuten Schub
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Abb. 1: Therapiealgorithmus bei Proctitis ulcerosa
Zur Remissionserhaltung wird eine kontinuierliche Applikation von Mesalazin-
Suppositorien in der Dosierung 1 g/Tag oder zumindest eine intermittierende
Applikation, z. B. dreimal die Woche 1 g/Tag, empfohlen. Die remissionserhaltende
Therapie sollte mindestens 2 Jahre lang durchgeführt werden.
Therapeutische Möglichkeiten zur remissionserhaltenden Therapie einer Proctitis
ulcerosa bei Versagen der Primärbehandlung sind eine oral-rektale Kombinations-
therapie mit Mesalazin oder bei chronisch aktivem Verlauf eine immunsuppressive
Therapie mit Azathioprin/6-Mercaptopurin. In extrem seltenen Fällen kann eine
operative Therapie erforderlich sein.
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Leitlinien Empfohlene Dosierungen 1 g Mesalazin 3x/Woche bis 1 g/Tag als Supp. (ggf. kombiniert mit oralem Mesalazin). Bei Versagen der Therapie Azathioprin oder Operation.
z. B. Salofalk® Supp. 750 mg (3x 250 mg)/Tag. ggf. In Kombination mit Salofalk® Granu-Stix® 1,5g/Tag. Falls nötig, Azafalk® 50mg je nach Körpergewicht.
Tab. 3: Medikamentöse Therapie zur Remissionserhaltung der Proctitis ulcerosa
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Hepatitis B und C: Therapie 2012
S. Rossol
Medizinische Klinik, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt
Die chronischen Virushepatitiden gehören zu den dominanten Erkrankungen des
Gastrointestinaltrakts und führen ohne Therapie in einem hohen Prozentsatz der
Betroffenen zu progressiven Leberveränderungen. Bei beiden Erkrankungen sind die
wenigsten infizierten Personen bekannt; dies führt zu einer Unsicherheit über die
konkrete und zukünftige gesamtgesellschaftliche Perspektive. Alle wesentlichen
Daten zur Hepatitis-B- und -C-Virus-Infektion sind in den Leitlinien der DGVS
publiziert (Z Gastroenterol. 2010; 48: 289–351; Z Gastroenterol. 2011; 49: 871–930).
Die Therapie der chronischen Hepatitis B wurde in den letzten Jahren verbessert;
dabei ist das grundsätzliche Therapieziel die Hemmung der Virusreplikation und
damit die Verhinderung einer Krankheitsprogression mit reduzierter Entwicklung der
Leberzirrhose und ihrer Komplikationen. Dieser Therapieerfolg kann in den meisten
Fällen erreicht werden. Die Viruseradikation ist nicht das primäre Ziel der Behand-
lung, dies wird im Gegensatz zur Therapie der chronischen Hepatitis-C-Virus (HCV)-
Infektion nur selten umgesetzt.
Für den erstmaligen Einsatz einer antiviralen Therapie wird die Virusvermehrung
oberhalb eines Grenzwerts von 2000 IU/ml definiert. Dies gilt insbesondere, wenn
auch histologisch bereits Veränderungen mit Fibrose vorliegen. Ein Unterschied
zwischen der Therapienotwendigkeit beim HBV-Wildtyp und der HBeAg-Mutante
erfolgt nicht mehr.
Aufgrund der Wirksamkeit, der guten Verträglichkeit sowie geringer oder fehlender
Resistenzentwicklung sind die Medikamente Entecavir und Tenofovir vorzuziehen.
Bei bestimmten Patienten mit geringer Viruslast und signifikanter hepatischer
Entzündung kann pegyliertes Interferon-α2a sinnvoll eingesetzt werden. Neben der
Viruslast ist die HBsAg-Serumkonzentration als Surrogatmarker geeignet. Sie dient
als prädiktiver Marker für das Ansprechen der antiviralen Therapie. Ein fehlender
Abfall der HBsAg-Serumkonzentration bei HBeAg-positiven Patienten unter
Interferontherapie macht einen Therapieerfolg unwahrscheinlich.
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Darüber hinaus ist die Bestimmung der HBsAg-Serumkonzentration bei der
Einteilung der verschiedenen Phasen der Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion hilfreich.
Sie ersetzt jedoch nicht die HBV-DNA-Bestimmung. Der HBV-Genotyp hat bisher in
der klinischen Situation nur wenig Relevanz und dient nicht dazu, Patienten von einer
Therapie auszuschließen.
Besondere klinische Situationen machen eine spezifische Betrachtung der HBV-In-
fektion notwendig: Bei infizierten Patienten mit onkologischen Erkrankungen muss
der Infektionsstatus definiert werden, da vor einer geplanten Chemotherapie eine
antivirale Therapie als Schutz vor einer Exazerbation notwendig ist.
In der Schwangerschaft kann die antivirale Therapie der Hepatitis B mit Lamivudin
oder Tenofovir fortgesetzt werden. Im Gegensatz hierzu sind Interferone, Adefovir
oder Entecavir abzusetzen. Auch kann eine antivirale Therapie neu begonnen
werden, wenn das Risiko einer Leberdekompensation signifikant bzw. die Viruslast
hoch ist. Patienten mit einer HBV-assoziierten Leberzirrhose und aktiver Virusrepli-
kation müssen behandelt werden.
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Die chronische HCV-Infektion steht mit der Einführung der beiden aktuell
zugelassenen Proteaseinhibitoren vor einer neuen therapeutischen Ära. Auch wenn
die beiden Wirkstoffe (Telaprevir und Boceprevir) nur für den HCV-Genotyp 1 zuge-
lassen sind, ist die grundsätzliche Einführung einer spezifisch antiviralen Therapie
(DAAs) ein Neubeginn nach 20 Jahren Mono- bzw. Dualtherapie (Interferone und
Ribavirin).
Durch die neue Dreifachtherapie wird ein Dauererfolg (SVR) um ca. 30% gesteigert.
Der Einsatz der beiden neuen Wirkstoffe erfolgt unterschiedlich und wird anhand
präziser Stoppkriterien (HCV-RNA nach 4 und 12 Wochen Therapie) hinsichtlich des
Therapieerfolgs bewertet. Während Telaprevir bereits initial verabreicht wird und
maximal 12 Wochen zum Einsatz kommt (unabhängig von der Gesamttherapiedauer
von maximal 48 Wochen), wird Boceprevir erst nach einer Lead-in-Phase von
4 Wochen für den Rest der Therapiedauer addiert. Auch hier gilt wie für Telaprevir
eine maximale Therapiedauer von insgesamt 48 Wochen für Patienten mit z. B.
kompensierter Leberzirrhose. Bei einem Großteil der Patienten kann die Therapie-
phase aufgrund der Viruskinetik auf 24 Wochen verkürzt werden.
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Chronische Hepatitis C Therapie-Entwicklung
5% 15%
35%
40-46% 50-58%
66-75%
2003 2001 1998 1990 2010 > 2011
24 bzw. 48 Wochen
IFN +
Ribavirin
Peg-IFN + Ribavirin
IFN mono
Peg-IFN + Ribavirin + DAA
Neben den therapieunerfahrenen Patienten profitieren von der neuen Therapie-
strategie vor allem Patienten mit früherem Therapieversagen oder Erkrankungs-
rezidiv. Hier sind Heilungsraten von bis zu 85% (Therapie mit Telaprevir in der
Dreifachtherapie) bei z. B. Patienten mit einem Erkrankungsrezidiv zu beobachten.
Die Heilungsraten sind umso besser, je stärker der HCV-RNA-Abfall unter der
initialen Zweifachtherapie war. Selbst Nonresponder zeigen unter der Dreifach-
therapie mit Telaprevir dauerhafte Ansprechraten von bis zu ca. 30%.
Trotz aller Euphorie müssen die neuen Wirkstoffe zur alten Therapie zusätzlich alle
8 Stunden verabreicht werden, gelten nur für den HCV-Genotyp 1 und weisen
additive Nebenwirkungen auf. Hier sind neben der Anämie vor allem Geschmacks-
störungen (Boceprevir) und Hautveränderungen (Telaprevir) zu nennen. Dosisreduk-
tionen der neuen Wirkstoffe sind in jedem Fall zu vermeiden, um Resistenzen zu
verhindern. Weitere Problematiken ergeben sich durch Medikamenteninterferenzen
bzw. -interaktionen mit einer großen Zahl von Medikamenten, die bei anderen
internistischen Erkrankungen notwendigerweise gegeben werden müssen.
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Bei der Therapie der HCV-Genotypen 2–6 gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
keine wesentlichen Veränderungen der medikamentösen Strategien, die nachfolgen-
den Generationen der DAAs werden jedoch langfristig in der Lage sein sowohl
Interferone zu ersetzen als auch genotypübergreifend zu wirken.
Parameter TVR BOC PR lead-in? Nein Ja: 4 Wo PegIFN alfa 2a 2b
Protease Hemmer (PI) Dosierung 3x/Tag; mit Fett-haltiger Mahlzeit 3x/Tag
Protease Hemmer (PI) Dauer 8-12 Wo, danach 12-40 Wo PR
24-44 Wo nach 4 Wo PR lead-in
Abgekürzte Therapie (Response guided)
HCV RNA negativ bis Wo 12 Triple Therapie
HCV RNA negativ bis Wo 24 Triple Therapie
Abgekürzte Therapie, % 58 (24 Wo) 44 (28 Wo) SVR, % 69-75 63-66 Relapse, % 9 9 Nebenwirkungen häufiger im PI Arm
Rash, Anämie, Pruritus, Übelkeit Anämie, Dysgeusie
1. Jacobson IM, et al. AASLD 2010. Abstract 211. 2. Poordad F, et al. AASLD 2010. Abstract LB-4.
BOC und TPV bei GT1 HCV Infektion SVR und Therapie-naive + erfahrene Patienten
Das letztendliche Ziel bei den chronischen Virushepatitiden, die Virusunterdrückung
bei allen Patienten mit chronischer HBV-Infektion bzw. die dauerhafte Heilung aller
Patienten mit chronischer HCV-Infektion wird mit den neuen Therapieformen und mit
den zu erwartenden Medikamentenentwicklungen immer wahrscheinlicher. Eine
globale HCV-Eradikation ist somit möglich, Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis
aller infizierten Patienten.
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Medikamentennebenwirkungen am Gastrointestinaltrakt
J. Labenz
Abteilung Innere Medizin, Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus, Siegen
Zahlreiche Medikamente können am Gastrointestinaltrakt Symptome und Läsionen
hervorrufen, die von dyspeptischen Beschwerden bis zu lebensbedrohlichen Kompli-
kationen wie Blutung und Perforation reichen können. Quantitativ stehen sicher
wegen der Häufigkeit der Verordnungen einerseits und der Inzidenz von Neben-
wirkungen andererseits Thrombozytenaggregationshemmer und nicht-steroidale
Antirheumatika (NSAR) besonders im Fokus.
ASS
Acetylsalicylsäure (ASS) induziert im oberen Verdauungstrakt dyspeptische
Beschwerden, Erosionen und Ulzerationen, wobei zwischen Symptomen und
Läsionen kaum eine Korrelation besteht, d. h. Symptome nicht als verlässliche
Indikatoren für gravierende Komplikationen fungieren können. Risikofaktoren für
gravierende Komplikationen (z. B. Blutung) sind eine Ulkusanamnese, dyspeptische
Beschwerden (vor Therapie), eine Dosissteigerung der ASS, eine Begleitmedikation
mit Clopidogrel oder Kalziumantagonisten sowie eine Helicobacter-pylori-Infektion.
Im Falle eines ASS-Ulkus sollte eine Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor
(PPI) in Standarddosis erfolgen. ASS sollte nicht abgesetzt werden (dies gilt auch für
das komplizierte Ulkus!), ein Umsetzen auf Clopidogrel (aut simile) ist nicht
angezeigt.
Zur Prävention einer ASS-Gastropathie bei Risikopatienten empfiehlt sich ein PPI in
Standarddosis. H2-Blocker (hoch dosiert) scheinen zwar einen gewissen Effekt zu
haben, sind aber den PPI klar unterlegen. Bei H. pylori-positiven Patienten kann
durch eine Eradikation das Ulkusrisiko gesenkt werden. Als Rezidivprophylaxe nach
einem ASS-Ulkus reicht diese Maßnahme jedoch nicht aus.
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Clopidogrel
Clopidogrel hat ein ähnliches gastroläsives Potenzial wie ASS. PPI reduzieren dieses
Risiko zuverlässig. In der Diskussion steht in den letzten Jahren die Interaktion
zwischen PPI und Clopidogrel. Diese ist pharmakologisch eindeutig nachweisbar:
PPI (insbesondere Omeprazol) hemmen die Konversion von Clopidogrel, einem
Prodrug, in die aktive Form. Dieser Effekt ist in seinem Ausmaß abhängig von der
Affinität des PPI zum Cytochrom 2C19. Die Frage, ob diese Interaktion auch
klinische Relevanz hat, ist nicht abschließend zu beantworten. In zumeist post hoc
ausgewerteten Beobachtungsstudien ließ sich gelegentlich ein klinischer Effekt
aufzeigen. Die beiden einzigen prospektiven, randomisierten Studien, die dieser
Frage gezielt nachgingen, zeigten keinen Effekt (Omeprazol, Esomeprazol). Auf-
grund der noch bestehenden Unsicherheit empfiehlt es sich, falls eine PPI-Therapie
erforderlich ist (die Leitlinien empfehlen z. B. eine grundsätzliche PPI-Prävention bei
dualer Plättchenhemmung!), einen PPI in möglichst geringer Dosierung und mit
möglichst geringer Affinität zum CYP2C19 auszuwählen (z. B. Pantoprazol,
Rabeprazol), Clopidogrel und den PPI zeitlich versetzt einzunehmen (morgens und
abends) oder auf Alternativen (z. B. Prasugrel) auszuweichen.
NSAR
NSAR sind für die weit überwiegende Anzahl gravierender Arzneimittelnebenwir-
kungen am Verdauungstrakt verantwortlich. Nicht vergessen werden dürfen natürlich
auch die Nebenwirkungen, beispielsweise am Herzen, den Nieren und der Leber.
Im Falle eines NSAR-Ulkus kann mit der einfachen Standarddosis eines PPI eine
zuverlässige Abheilung innerhalb von 4–8 Wochen erzielt werden. Dies gilt auch bei
Fortführung der NSAR-Therapie. In diesen Fällen empfiehlt sich eine Doppeldosis
(z. B. 40 mg statt 20 mg Omeprazol), wenngleich die Datenlage hierzu kontrovers ist.
H2-Blocker und Misoprostol sind den PPI eindeutig unterlegen.
Eine Prävention eines NSAR-Ulkus bzw. besser einer NSAR-Ulkuskomplikation
sollte gemäß nationaler und internationaler Leitlinien immer dann erfolgen, wenn
zumindest 1 Risikofaktor vorliegt. Ein Alter > 65 Jahre, frühere gastrointestinale
Ereignisse und eine Komedikation mit Steroiden, ASS oder anderen Antikoa-
gulanzien sind die wichtigsten Risikofaktoren. Zur Prävention geeignet sind
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grundsätzlich Misoprostol, das allerdings bei der notwendigen hohen Dosis oft
schlecht vertragen wird, PPI in einfacher Standarddosis und COX-2-selektive NSAR
(sog. Coxibe). Es ist wichtig zu wissen, dass der protektive Effekt der Coxibe durch
ASS aufgehoben wird. Hinsichtlich des präventiven Effekts am oberen
Verdauungstrakt sind PPI (als Adjuvans zu einem nicht-selektiven NSAR) und
Coxibe gleichwertig, im mittleren Verdauungstrakt haben die Coxibe Vorteile. PPI
wirken dagegen besser auf dyspeptische Symptome. Bei Hochrisikopatienten
(z. B. Status nach Ulkusblutung) sollte ein Coxib mit einem PPI kombiniert werden.
Zu berücksichtigen ist auch das kardiovaskuläre Risikoprofil der Patienten. Bei
hohem Risiko sollte wenn eben möglich ganz auf NSAR und Coxibe verzichtet
werden. Das geringste kardiovaskuläre Risiko hat Naproxen.
SSRI
Daten aus der letzten Zeit ergaben den Verdacht, dass auch diese häufig
eingesetzten Substanzen (SSRI = Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), möglicher-
weise wegen eines thrombozytenaggregationshemmenden Effekts, mit einer
erhöhten Rate gastrointestinaler Blutungen assoziiert sind. Sie steigern das Risiko
einer NSAR-Therapie, PPI in der Komedikation scheinen das Risiko zu senken.
Divertikelkrankheit
Eine Reihe von Substanzen erhöht das Risiko, dass aus einer Divertikulose eine
komplizierte Divertikelkrankheit wird (Divertikulitis, Blutung, Perforation). Hierzu
gehören ASS, NSAR, Steroide und Opiate.
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Medizin im Trier der Antike und des Mittelalters
H.-J. Kann, Trier
Tagungsort für das Falk-Gastro-Forum „Praktische Gastroenterologie – Von der
Antike bis zur Neuzeit“ (5. November 2011) ist Trier, die älteste nachgewiesene
Römische Gründung in Deutschland (Brückenbau 18/17 v. Chr., Militärlager
30 v. Chr.). Da Trier von einer wohlhabenden Handelsstadt zur Kaiserstadt und
Weltstadt (im Jahre 354 die Nr. 4 im Römischen Reich nach Rom, Alexandrien und
Konstantinopel) heranwuchs, liegt es nahe, einen notwendigerweise kurzen und
oberflächlichen Blick auf den gesamtmedizinischen Stand in der Stadt zu werfen,
soweit uns das durch archäologische Funde und Überlieferung möglich ist. Das
Beinhaus von St. Matthias mit den Skelettresten von rund 1000 Individuen sowie
ständig neue Sarkophagfunde (griechisch: sarkophagos = Fleischfresser; die
Skelette sind meist recht gut erhalten) gewähren einen Einblick in Größe, Ernährung,
Mangelerscheinungen, Operationen, Heilungen, Zahnprobleme usw. Stärken und
Schwächen des antiken Wissens um Knochengerüst, Muskeln, Organe (vor allem
auf Galenos, 2. Jh. n. Chr., zurückgehend) konnten erst nach 1300 durch das
zögerlich aufkommende Sezieren bestätigt bzw. korrigiert werden.
Weit entwickelt war das Wissen um Schad- bzw. Heilpflanzen und die illustrierte
Prachthandschrift des Dioskurides ist dafür ebenso Zeuge wie die Kräuterbücher der
Renaissance.
Die antike 4-Säfte-Theorie wie der daraus resultierende exzessive Einsatz des
Aderlasses war aus heutiger Sicht, trotz der modernen vorsichtigen Wiederbelebung
des gezielten Aderlasses, oft ein Hindernis auf dem Weg zur Gesundung, ebenso die
Vorstellung des „wohltätigen Eiters“. Hier brachte erst die arabische Medizin, vor
allem nach der Entwicklung des Destillierapparats zur Erzeugung von „Antimon“
(= al kohol; Alkohol zur Wundbehandlung), eine Wende. Schmerzfreie Behandlung
blieb lange ein Fremdwort, aber Heilschlaf/künstliches Koma durch Schlafmohn/
Opium ist für Pommern/Untermosel punktuell nachgewiesen. Bäder (3 öffentliche
und mehrere private in Trier) und Heilbäder spielten dagegen eine weitverbreitete
Rolle, und hier schließt sich der Kreis an das Gesamtthema an, denn die warmen
20
Quellen in Bad Bertrich ließen sich in der Antike nicht nur balneologisch nutzen,
sondern durch ihr Glaubersalz auch gastrologisch.
21
Clostridien- und Norovirus-Infektion
M.R. Knoll
I. Medizinische Klinik, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Trier
Clostridium difficile
Clostridium difficile verursacht ca. 15–20% der Antibiotika-assoziierten Durchfall-
erkrankungen und mehr als 95% der Fälle von pseudomembranöser Kolitis. Seit dem
Jahr 2003 wird weltweit sowohl über eine Zunahme der Inzidenz als auch der
Schwere der C. difficile-Infektionen (CDI) berichtet, die überwiegend nosokomial
erworben werden.
Aktuell muss bei etwa 1 von 100 antibiotisch behandelten Patienten mit einer CDI
gerechnet werden. Eine Hospitalinfektion mit C. difficile stellt einen unabhängigen
Risikofaktor für einen Tod in der Klinik dar.
Bei dem Erreger handelt es sich um ein obligat anaerob wachsendes, grampositives
Stäbchenbakterium mit der Fähigkeit zur Bildung aerotoleranter Sporen. Krankheits-
auslösend wirken die Virulenzfaktoren Enterotoxin A und Cytotoxin B, die zu einer
zytotoxischen Schädigung der Intestinalzellen und damit zu Diarrhö und Kolitis
führen. Pathogene Stämme produzieren zumeist beide Toxine, ein weiteres binäres
Toxin (CDT) wird zusätzlich in einigen hypervirulenten Stämmen (z. B. Ribotyp 027)
exprimiert.
Das Bakterium kann ubiquitär in der Umwelt (z. B. Boden, Oberflächenwasser) sowie
im Darmtrakt von Tier und Mensch nachgewiesen werden. Es wird durch orale
Aufnahme der Bakterien (Sporen) übertragen. Beim Menschen ist der Erreger häufig
im Darm von Kleinkindern (bis zu 80%), aber vergleichsweise selten im Darm von
Erwachsenen (≤ 5%) zu finden. Nach Aufnahme in ein Krankenhaus kommt es relativ
schnell zu einem Anstieg der Besiedlung auf ca. 20–40%, wobei aber der über-
wiegende Anteil der Patienten asymptomatisch bleibt.
Risikofaktoren für das Auftreten von CDI sind eine vorausgegangene antibiotische
Therapie, eine starke Verminderung der H+-Ionenkonzentration im Magensaft
(z. B. durch Protonenpumpenhemmer) und die Einnahme von nicht-steroidalen
Entzündungshemmern (30% häufigeres Auftreten von CDI) sowie die klassischen
Risikofaktoren für Krankenhausinfektionen wie hohes Alter, gastrointestinale Grund-
krankheiten, langer Krankenhausaufenthalt und Immunsuppression.
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Der zeitliche Abstand zu einer vorangehenden Antibiotikatherapie und dem Auftreten
der Symptome beträgt meist nur wenige Tage, kann aber mehrere Wochen und in
seltenen Fällen auch Monate betragen. In der Regel setzt die Symptomatik abrupt
mit wässrigem Durchfall mit charakteristischem fauligem Geruch ein (Krankheits-
bilder: Diarrhö, Ileus, pseudomembranöse Kolitis, toxisches Megakolon, Darmperfo-
rationen, Sepsis).
Die Letalität wird mit 1–2% angegeben, kann aber bei älteren Patienten mit
Komorbiditäten und insbesondere in Verbindung mit dem gehäuften Auftreten von
hypervirulenten Stämmen deutlich höher sein.
Als diagnostische Methoden stehen zum einen der Toxinnachweis mittels Zytotoxi-
zitätstest oder Enzymimmunoassays (EIA) zur Verfügung, weiterhin der Nachweis
von Glutamatdehydrogenase (GDH), einem C. difficile-Wandbestandteil, mittels
ELISA. Der ELISA für den Nachweis der GDH ist schnell und hochsensitiv, aber
wenig spezifisch, da auch nicht-toxinbildende Stämme und andere Clostridienspezies
detektiert werden. Sie eignen sich wegen des hohen negativen prädiktiven Werts als
Screeningverfahren, erfordern aber bei einem positiven Ergebnis die Durchführung
eines weiteren Tests (z. B. Zytotoxizitätsassay, PCR) zur Absicherung der Spezifität
im Sinne eines Zweistufenverfahrens.
Bei schwer kranken Patienten mit unklarer Diagnose ist die Endoskopie/Sigmoido-
skopie die schnellste Möglichkeit eine pseudomembranöse Kolitis zu diagnostizieren.
Beim Nachweis von charakteristischen Pseudomembranen (10–20% der CDI) ist ein
sofortiger Therapiebeginn ohne mikrobiologischen Nachweis indiziert. Dies kann für
den Patienten lebensrettend sein.
Bei 15–23% der Patienten mit symptomatischer CDI führt bereits das Beenden der
Antibiotikatherapie zum Sistieren des Durchfalls innerhalb von 2–3 Tagen. Für die
antibiotische Behandlung von CDI sind zurzeit noch Metronidazol oder Vancomycin
die Medikamente der ersten Wahl. Der Einsatz von Metronidazol wird bei Patienten
mit leichtem Verlauf bevorzugt, da es in dieser Situation eine vergleichbar gute
Wirksamkeit mit Vancomycin hat, darüber hinaus aber die Selektion von Vanco-
mycin-resistenten Enterokokken vermieden werden kann. Aktuell wurde auch in
Europa das neue Antibiotikum Fidaxomicin zugelassen, das im Vergleich zu Vanco-
mycin die gleichen klinischen Heilungsraten zeigt und zusätzlich die Rezidivrate
gegenüber Vancomycin signifikant senkt.
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Ein chirurgisches Eingreifen (Kolektomie) wird notwendig bei einer Darmperforation
und schweren therapierefraktären Verläufen, die mit einem toxischen Megakolon
oder einem Ileus verbunden sein können.
Der Behandlungserfolg ist rein klinisch definiert. Mikrobiologische Kontrollunter-
suchungen nach klinischer Heilung sind nicht angezeigt. Rezidive (erneute CDI
innerhalb von 2 Monaten) sind allerdings nicht selten (ca. 10–20%), besonders bei
älteren Patienten, bei Patienten unter weiter bestehender Antibiose, bei chronischen
gastrointestinalen Krankheiten sowie bei schweren Grunderkrankungen. Die
Diagnose und Behandlung eines ersten Rezidivs erfolgt in gleicher Weise wie bei der
Ersterkrankung, jedoch können Patienten auch mehrfach Rezidive erleiden.
Die Verbreitung von umweltresistenten Formen des Erregers ist während der akuten
Erkrankung besonders ausgeprägt. Allerdings scheiden auch asymptomatische
Träger Sporen (in geringerer Menge) aus. Selbst nach adäquater Therapie und
Sistieren der Symptomatik bleibt bei bis zu 30% der Patienten der Toxinnachweis
positiv, ein Rückschluss auf die Ansteckungsfähigkeit ist hieraus jedoch nicht
möglich. Unter pragmatischen Gesichtspunkten sollten Isolierungsmaßnahmen noch
für einen Zeitraum von 48 Stunden nach Sistieren der Durchfälle aufrechterhalten
werden.
Die Prävention der Weiterverbreitung von C. difficile-bedingten Durchfällen in
Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krankenhäusern) beruht auf frühzeitiger
Erkennung der Infektion, rascher Einleitung einer spezifischen mikrobiologischen
Diagnostik, sachgerechter Therapie und zügiger Umsetzung von Hygienemaß-
nahmen durch geschultes Personal. Auch der restriktivere Umgang mit Antibiotika
kann die Inzidenz der CDI im Krankenhaus reduzieren.
Noroviren
Noroviren sind weltweit verbreitet und für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten
Gastroenteritiden bei Kindern (ca. 30%) und Erwachsenen (bis zu 50%) verant-
wortlich. Norovirus-Erkrankungen stellen die überwiegende Ursache von akuten
Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und
Altenheimen dar.
Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr über auftreten, wobei ein
saisonaler Gipfel in den Monaten Oktober bis März zu beobachten ist. Die Viren
werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die
Infektiosität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis dürfte bei ca. 10–100 Virus-
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partikeln liegen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral (z. B. Handkontakt mit
kontaminierten Flächen) oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die
im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen.
Die Inkubationszeit beträgt ca. 6–50 Stunden. Das klinische Erscheinungsbild ist
geprägt durch schwallartiges heftiges Erbrechen und starke Durchfälle, die zu einem
erheblichen Flüssigkeitsdefizit führen können. In der Regel besteht ein ausgeprägtes
Krankheitsgefühl mit abdominellen Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Myalgien
und Mattigkeit. Die Dauer der akuten Symptomatik beträgt 12–60 Stunden.
Für den Nachweis von Noroviren im Stuhl stehen verschiedene Nachweismethoden
zur Verfügung. Zurzeit gilt als sicherster Nachweis die RT-PCR aus dem Stuhl.
Die Therapie erfolgt symptomatisch durch Ausgleich des z. T. erheblichen Flüssig-
keits- und Elektrolytverlusts. Eine kausale antivirale Therapie steht nicht zur
Verfügung. Insbesondere bei betroffenen Kleinkindern und älteren Personen kann
eine kurzzeitige Hospitalisierung notwendig sein.
Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Kontaktpersonen sollten bei
begründetem Verdacht sofort eingeleitet werden, d. h. ohne eine Laborbestätigung
abzuwarten.
Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen sollte erkranktes Personal auch bei
geringen gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und erst
frühestens 2 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik die Arbeit unter sorg-
fältiger Beachtung der Händehygiene wieder aufnehmen. Ein Monitoring bezüglich
Überwachung der Virusausscheidung ist nicht angezeigt.
Informationsquellen: 1. RKI. Clostridium difficile – Ratgeber Infektionskrankheiten. Epidemiol Bull. 2009;
24: 233. 2. RKI. Clostridium difficile-assoziierte Diarrhö: zunehmende Inzidenz in Deutsch-
land. Epidemiol Bull. 2008; 15: 119. 3. RKI. Zum Vorkommen von Clostridium difficile in zwei Regionen Niedersachsens.
Epidemiol Bull. 2011; 40: 363. 4. RKI. Erkrankungen durch Norwalk-like-Viren – Ratgeber Infektionskrankheiten.
Epidemiol Bull. 2000; 4: 29. 5. RKI. Aktuelle Zunahme von Norovirus-Infektionen könnte erneute Winter-
Epidemie ankündigen. Epidemiol Bull. 2007; 46: 421.
25
6. Schneider T et al. Norovirusinfektion – häufigste Ursache akuter Gastroenteri-tiden in den Wintermonaten. Dtsch Ärztebl. 2005; 38: A2551.
7. EMA. Grünes Licht für neues Antibiotikum gegen C. difficile. Dtsch Ärztebl. 2011;
www.aerzteblatt.de/nachrichten/47463/ 8. Louie TJ et al. Fidaxomicin versus vancomycin for Clostridium difficile infection. N
Engl J Med. 2011; 364: 422. 9. Bauer MP et al. Clostridium difficile infection in Europe: a hospital-based survey.
Lancet. 2011; 377: 63. 10. Crobach MJT et al. European Society of Clinical Microbiology and Infectious
Diseases (ESCMID): Data review and recommendations for diagnosing Clostri-dium difficile-infection (CDI). Clin Microbiol Infect. 2009; 15: 1053.
11. Epple HJ et al. Enteritis infectiosa. Internist. 2011; 52: 1038. 12. Schneider T et al. Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö. Dtsch Ärztebl. 2007;
22: A1588.
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HIV und Gastroenterologie
A. Rieke
Innere Medizin II, Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen, Kemperhof Koblenz
Trotz moderner antiretroviraler Therapie ist HIV weiter eine infektiologische System-
erkrankung mit sicherer Todesfolge.
Betroffen sind junge Patienten mit langer Behandlungserwartung. Das Spezifische an
HIV gegenüber anderen Erkrankungen sind die verhaltensaufdeckende Diagnose,
das hohe Diskriminierungspotenzial und die Kriminalisierung von Exposition und
Transmission. Die Betreuung dieser Patienten muss dem hohen Anteil psychiatri-
scher Komorbidität Rechnung tragen und hat häufig Kontakt zu sozial stigmatisierten
Gruppen.
Die Bedrohung für den Einzelnen ist existenziell, oft ist das ärztliche Gespräch in der
Ambulanz das Einzige zur Bewältigung der Thematik. Mit etwa 70.000 betroffenen
HIV-Patienten ist die Zahl den Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz in
Deutschland vergleichbar. Global gesehen ist die größte Zahl der betroffenen
Menschen mit HIV (weltweit 33,7 Millionen) in Afrika. Die Seroprävalenz in Ländern
südlich der Sahara erreicht in einigen Regionen 20%.
Durch Einführung der antiretroviralen Therapie ist die Sterblichkeit an AIDS in
Industrienationen um über 80% gesunken; damit stellt die moderne HIV-Therapie
eine der herausragendsten Verbesserungen der Betreuung chronisch Kranker in der
modernen Medizin dar. Die Zahl der Neudiagnosen in Deutschland ist vom
niedrigsten Stand 2001 aktuell auf 3000 Neudiagnosen/Jahr angestiegen.
Durch die deutlich gesunkene Mortalität und die steigende Inzidenz wächst die Zahl
der zu betreuenden Patienten stetig an. Zusätzlich nimmt das Lebensalter der
betroffenen Patienten zu, was in den kommenden Jahren eine deutlich erhöhte Zahl
von Patienten mit Alterserkrankungen erwarten lässt.
Oft wird zu spät an die Möglichkeit einer HIV-Infektion gedacht und Patienten werden
erst zu spät als „Late Presenter" diagnostiziert. Bei Gewichtsabnahme, chronischer
Diarrhö, oropharyngealer Candidose und Proktokolitis muss immer auch an eine
HIV-Infektion gedacht werden.
Bis zu einem Drittel der Patienten ist gleichzeitig mit chronischen Hepatitiden oder
sexuell übertragbaren Erkrankungen koinfiziert.
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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. U. Böcker Klinik für Innere Medizin Gastroenterologie und Diabetologie Vivantes Klinikum Neukölln Rudower Str. 48 12351 Berlin Dr. phil. H.-J. Kann Philologe Martin-Grundheber-Str. 11 54294 Trier Dr. M.R. Knoll Innere Medizin I Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Nordallee 1 54292 Trier Prof. Dr. C. Kölbel Innere Medizin I Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Nordallee 1 54292 Trier Prof. Dr. H. Krammer Gastroenterologie und Ernährungsmedizin am End- und Dickdarmzentrum Mannheim Bismarckplatz 1 68165 Mannheim Prof. Dr. J. Labenz Abteilung Innere Medizin Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus Wichernstr. 40 57074 Siegen Dr. H. Michels Leitender Medizinaldirektor Kreisverwaltung Trier-Saarburg Gesundheitsamt Paulinstr. 60 54292 Trier
Dr. E.G. Rambusch Innere Medizin II Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen Feldstr. 16 54290 Trier Dr. A. Rieke Innere Medizin II Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen Kemperhof Koblenz Koblenzer Str. 115–155 56065 Koblenz Prof. Dr. S. Rossol Medizinische Klinik Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2–26 60488 Frankfurt Prof. Dr. A. Stallmach Gastroenterologie/Hepatologie Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena Erlanger Allee 101 07747 Jena