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Page 1: Gefahren der Lokalanästhesie und Vorschläge zu ihrer Verhütung

Gefahren der Lokalaniisthesie und Vorschliige zu ihrer Verhiitung.

Von Dr. Bruno Griessmann, Nilrnberg.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 5. November 1934.)

Die zunehmende Verbreitung der 6rttichen Bet~ubung in der ganzen Welt bringt es mit sich, dab immer mehr sch~Ldliche Folgcn bekannt werden.' K[otz, ein Schiller Canuyts, welcher fiber eine Anzahl Todesf~lle nach Lokalan~sthesie berichtet hat, untersuchte in einer Monographie die Unglilcksf~lle klinisch, experimente]l und therapeutisch. Er macht die Feststellung, dab als Ursache der Schi~den der Loka]ani~sthesie in Betracht kommen

1. Uberdosierungen, 2. Einfiihrung des An~sthetikums in eine Vene oder in die Meningen, 3. die besondere physische oder psychische Beschaffenheit des Patienten.

Die auffallende H~ufung yon Todesfi~llen, Kollapsen, Vergiftungs- erscheinungen mit epileptiformen Krgmpfen, dauernden oder voriiber- gehenden Erblindungen, die zum Tell ver6ffentlicht, zum gr66eren Tell nur dutch milndliche Berichterstattung bekannt geworden sind, ver- anlai~ten reich, zu prilfen, ob die Schuld filr die Unglilcksf~lle etwa in der Technik der LokMan~sthesie zu suchen sei.

Die Gefahr der Uberdosierung ist infolge der Verdr~Lngung des Kokains durch seine Ersatzprgparate selten geworden. Es kommen hier eigentlich meist nur Verwechslungen durch Unvorsichtigkeit oder Fahrlgssigkeit vor. Auch die LTberempfindlichkeit gegen Mitre] der 6rtlichen Betgubung kommt relativ selten vor. Nach der ilbereinstimmenden Ansicht der Autoren sind die Ungliicksf~]le bei der Lokalani~sthesie hauptsgchlich auf folgende Griinde zurilekzuffihren:

a) Auf Ehlspritzen der zur An~sthesie verwende~en L6sungen in die Btutbahn (Arterie und Vene).

b) Auf angeblich fehlerhafte Injektionen in infizierte Gebiete oder auf uns~erile Injek~ionsfliissigkeiten.

Die fiir das K6rpergewebe ungiftigen Lokalan~tsthetika wirken als sehr schwere Gifte, wenn sie zufi~lligerweise durch Anstechen eines Blut- gef~i3es in die Blutbahn gelangen 1. I)aher sind die meisten in der Li teratur

1 Die t6dliche Dosis Novocain betr~gt ffir Kaninchen pro kg Tiergewicht subcutan etwa 0,45 g, intravenSs dagegen bereits 0,06 g. Die Spanne zwischen diesen Dosen zeigt, wie viel giftiger Novocain bei unmittelbarem Einbringen in die Blutbahn ist, als bei ]angsamer l%esorption aus dem Gewebe. Bei intraven6ser Injektion ist die Leber nicht imstande, die pl6tzlich anflutenden grol~en Mengen

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] ] 0 Bruno Griessmann:

ver6ffentlichten Todesfiille infolge 6rtlicher Bet~tubung bei Operationen an gef/~Breiehen Organen (Struma, H~morrhoiden, Tonsillen usw.) fest- gestellt worden 1. Aber auch bei anderen weniger blutreichen Organen (Ohr, Nase) ist ein t6dlicher Ausgang infolge Lokalan/~sthesie vorgekommen. Die Zahl der bekanntgewordenen Todesfglle als Folge der Lokal- an~sthesie wird sieher noch fibertroffen durch die Anzahl der nicht ver- 6ffentlichten Zwischenfalle. Deshalb ist jede Statistik darfiber mangel- haft. Ich brauche daher die Unfglle nach Lokalan/~sthesie mit oder ohne t6dlichem Ausgang nicht ira einzelnen aufzuffihren und daft auf die

-~ Zusammenstellungen yon Seeger und von dung verweisen, welche sie ffir unser Spezialgebiet ver6ffentlicht haben.

,~ Als erste Forderung verlangt dung, dab die Vermei- dung der Injektion in ein Blutgef~B zur Verhinderung der Ungliicksfi~lle erreicht werden muB. Aber er be- zweifelt, ob diese Forderung unter allen Umstimden erffillt werden kann. Denn weder das Ansaugen noch das Abnehmen der Spritze yon der Kanfi]e ist unbedingt

~ beweiskr~ftig und kann absolute GewiBheit dariiber ] geben, wo sich die Spitze der Kantile befindet.

Betrachten wir den Kopf einer bisher allgemein zur ] i Lokalani~sthesie gebr~uchlichen Inj ekti~ (Abb. 1).

Abb. 1. Das Kanfilenrohr erh~lt vorne dadurch die Kaniilen- Kopf einer bisher spitze, dab das Rohr schr~Lg abgeschnitten ist, so dab die gebr~i.uchlichen

Injektionskanfile. einzuspritzende Flfissigkeit in Richtung der L/mgsachse des Rohres aus dem Schr&gschliff heraustritt . Zur Sub-

kutan-Angsthesie verwendet man lang abgeschliffene Kaniilen, bei der NiChe groger Gef&Be sollen kurz abgeschliffene Nadeln benutzt werden.

Versuchsweise wollen wir das Kaniilenrohr vorne ans ta t t schr&g im senkrechten Querschnitt abschleifen, dann erhalten wit eine kreisrunde vordere 0ffnung. Eine solche Kanfile ist jedoch fiir Injektionszwecke v611ig unbrauchbar, denn, wie der Versuch zeigt, stanzt sie beim Einstechen in das Gewebe kreisrunde Plat ten und zy]indrische l~ngliche Wiirstchen aus. Je kfirzer abgeschliffen eine Kaniile ist, urn so mehr n&hert sie sich dieser runden 0ffnungsform und urn so erheblicher ist infolgedessen ihre Stanzwirkung. Sticht man mit einer m&Big kurz abgeschliffenen Kantile in das Gewebe ein, so schneider man aus dem Gewebe einen Lappen heraus (Abb. 2), dessen Form der Aush6hlung und den Ri~ndern des Schr~gschliffes der Kanfilenspitze entspricht. Die Abb. 2 zeigt das

zu entgiften und das Novocain gelangt unbehindert an die giftempfindlichen Organe, in erster Linie an das Zentralnervensystem. Bei L6sungen mit Suprarenin- zusatz ist der Unterschied zwischen subcutan und intraven6s t6dlicher Dosis noch gr6Ber, denn Suprarenin verls zwar die l%esorption aus dem subkutanen Depot, nicht aber den Transport in der Blutbahn bei intraven6ser Verabreichung.

1 Die ffir den Menschen t6dliche Dosis Novocain bei intraven6ser Injektion ist nicht bekannt.

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Kaniilenrohr a, welches in das Gewebe d eingestol]en worden ist, mit dem EinstoBpunkt b, der das Gewebe durchstochen hat, Man erkennt den Lappen l, welcher infolge des Schr/~gschliffes aus dem Gewebe heraus- geschnitten worden ist.

Schiebt man eine SchrKgschliffkaniile mit vorderer 0ffnung im Gewebe welter vor, dana besteht die M6glichkeit, dab ein Stfick des Lappens abgerissen wird. Besonders an Stellen des Wechsels yon Geweben ver- schiedenartiger Beschaffenheit oder beim Durchstechen einer Blutgefi~B- wand kann die Kaniile den herausgeschnittenen Lappen v611ig abtrennen. Macht man den experimentellen Versuch re.it einer gebr~uchlichentnj ektionskaniile enukleiertes Mandel- gewebe zu durchstechen, dann kann man sich dureh nachheriges Ausspritzen der Kaniile mit Wasser in ein Glassch~lchen leicht davon iiberzeugen, dad beim Einstechen Gewebsst/icke in die (~ffnung der Kaniile hineingestol]en worden sind. Erheblich gr6Bere Gewebsfetzen werden abgerissenl wenn man naeh dem Einstechen der Kaniile durch Erzeugung eines negativen Druckes in der Spritze noch ansaugt.

Unsere bisher gebrdiuchlichen Injektionskani~len schneiden und rei[3en also Lappen oder Gewebssti~c]ce

A b b . 2. D e r b e i m E i n - aus dem eingestochenen Gewebe heraus. Es ist durehaus stechen tier bisher ge-

b r ~ u c h l i c h e n K a n i i l e einleuchtend, dai~ diese .Gewebsfetzen mit der aus- ausgeschnittene gespritzten Flfissigkeit an den Ort gepreI~t werden, Gewebslappen 1. wohin die Flfissigkeit gelangt und yon da auf dem Lymph- und Blutwege weiterbefSrdert werden kSnnen. Stammt das ausgeschnittene Gewebsstiickchen aus einem infizierten, mit pathogenen Keimen behafteten Gebiet, z. B. infi l tr iertem Bindegewebe, oder aus einer thrombosierten Venenwand oder aus mit Bakterienhaufen durch- setztem Gewebe oder aus einem latent vorhandenen Abscel~, dann kSnnen die Gewebspartikel beispielsweise in die Pharynxmuskulatur oder in das Spatium parapharyngeum gespritzt werden, dort zu Abscessen oder Phlegmonen Veranlassung geben und die Gefahr einer Ausbreitung ~ nach verschiedenen l~ichtungen heraufbeschwSren. Manche postoperative TemperaturerhShung z .B. nach Tonsfllektomie, wird sich bei genauerer Untersuehung auf die vorbeschriebene Weise erkl~ren.

Siegmann beschreibt 3 F~tlle aus der Privatbeobachtung des Prof. Ho/erl In den F~llen 1 und 2 wurde die Lokal~ns so ausgeffihrt, dal] vom vorderen Gaumenbogen aus in die Plica triangularis vorgestol~en wurde, also ein relativer langer Weg, auf welchem zweifellos infiziertes Gewebe mi~gerissen nnd in die Gegend des hinteren Gaumenbogens gespritzt wurde. Folgen: Entziindliche VorwSlbung des hinteren Gaumenbogens und der seitliehen Anteile der Pharynxhinterw~nd.

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] ~ Bruno Griessmann:

D a die Kanf i le meis t mi t Fl i i ss igkei t geffillt e ingesto~en wird, k a n n das abgerissene Gewebsst i ick n ich t allzu t ier in das Rohr eindringen. Der L a p p e n l iegt oft der Offnung tier Kan i i l e vorne lose auf. N e h m e n wi t an, s ine Kani i le re i6 t be im Durchs techen einer GefgBwand einen L a p p e n heraus, welcher nur lose vorne auf der Schr~igschliffspitzen6ffnung auf- liegt, dann k a n n der B lu t s t rom den L a p p e n erfassen und ihn selbst~ndig in seiner R ich tung wei terverschleppen. Auf diese Weise erkl~ren sich zwanglos die mikroskopischen Befunde yon Riecke und Brunner.

Rieske schreib~ dariiber: ,,Artefizieller Natur sind hingegen mehrfach in kleinen Arterien zu findende merkwfirdige Bildungen. Ihre gleichmaBige Struktur, die in Aufbau und F/~rbung ganz der tibrigen Gefi~Bwand entspricht, 1/~Bt eine entztind- liche Genese ausschalten. Sie diirften wohl mit der operativen Entfernung der Mandeln zusammenh/~ngen, indem beim Abschnaren der Mandeln yore unteren Pol die Gef/~lte durchtrennt werden und es dabei naturgem/~B zu einer Verletzung der Intima kommt."

Auch Brunner h a t solche Artefacts beschr ieben: Man findet n~mlich in den Arterien der Mandelkapsel hgufig Gewebskonvolute

die aus Elastika und gla~ter Muskulatur bestehen, das Arterienlumen dehnen, aber doch fast vollkommen ausfiillen. Da man diese Gewebskonvolute, die wie Thromben wirken, in Leichentonsillen niemals finder (Brunnsr), muB man annehmen, dal~ sis insoferne eine Operationsfolge darstellen, a]s bei der stumpfen Ausschglung der Mandel die Arterienwand teilweise eingerissen und die abgerissenen Wandteile mit dem Btu~strom in alas Gefiil~rohr hineingetrieben werden. Riecke und Brunner haben derartige ,,natfirliche Thromben" abgebildet und t~iecke erblickt in diesem Befunde eine Verminderung der Gefahr beziiglich der postoperativen arteriellen Blutung. In diesem letzterwghnten Punkte kSnnen wir uns Riecke nicht vollkommen anschlieBen, da man wohl annehmen mnB, dab diese Gewebetrtimmer mit dem Blutstrome wohl zun~chst in die peripheren Abschnitte der Arterien, also in die Mande]kapsel, nicht aber in die zentralen Abschnit~e werden getrieben werden. Immerhin mu~ abet die MSglichkeit zugegeben werden, dab dutch den Druck des Raspatoriums solche ,,nattirliche Thromben" auch in die zentralen Gef~abschnitte hie und da hineingepre~t werden."

Be t r ach t e t m a n die beiden F iguren der Brunnerschen Al-beit, so sieht man in der einen F i g u r im L u m e n einer Ar ter ie abgerissene I n t i m a und Muskular is . I n der zweiten Figur , welche yon der gleichen Ar te r ie s t a mmt , e rkenn t m a n einen ar tef iziel len Ril3 in der E las t i ea in t e rna und in der Museu]aris e iner Kapse la r t e r i e , we]chef sehr wohl dureh den Eins t i eh einer In jek t ionskan t i l e en t s t anden sein kann.

B e t r a c h t e t m a n die Riec/cesche Abbi ldung genau, so sieht m a n einen Thrombus , welsher das L u m e n einer kle inen Ar te r ie fas t v5Uig ausfi i l l t . Dieser Thrombus ist ein St t iekehen Ar te r i enwand , verg le ichbar e inem elas t i sehen Stoff, der sieh an beiden Sei ten eingerol l t h a t und d a n n der Lgnge naeh in die kleine Ar te r ie vorgesehoben wird, bis sie deren L u m e n vers topf t . Die Ansehauung Riec/ces, dab s tets n u t nahe der Ab t ragungs - stelle gelegene GefgA~e solehe Befunde aufweisen, wird dureh die beiden yon Becl~ un te r such ten Fgl le n ich t bes ta t ig t . Es is t a l lerdings wenig wahrseheinl ich, dab die ,,Lappenthromben" welt in die Tonsi l le vordr ingen, denn die Arter ienzweige der Tonsil le zeigen sin sehr enges Ka l ibe r ,

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welches durch die stark entwiekelte gingmuskulatur dieser Arterien noeh weiter verengt werden kann (Brunner). Aul3erdem finden sich nach Lund und Bulatnikow im eigentlichen Mandelgewebe nur Capillaren und Pr~cipillaren. Nut selten dringen relativ gr61~ere Arterien~iste in die Substanz der Septen zwischen die Mandell~ppchen ein.

Derselbe Vorgang kann sieh ebenso am Venensystem abspielen. Wird ein Lappen aus einer Venenwand herausgeschnitten und a.bgerissen, dann kann er veto Venenstrom ergriffen, fortbewegt werden und auf diese Weise bis in den Lungenkreislauf gelangen. In der Umgebung der Ton- sille k6nnen bei der Lokalanasthesie die aul3erordentlich reich verzweigten und auffallend stark ausgebildeten Venenwege angestochen ~und dabei Wandteile abgerissen werden, welehe schlie•lich aus den Tonsillenvenen in Abschnitte der Lunge gelangen kSnnen. Stammen die abgerissenen Teile der Venenwgnde aus einem infizierten Gebiete, z. B. bei chronischer Tonsillitis mit ihren thrombophlebitischen Gef~13ver~tnderungen nach haufiger Angina oder Peritonsillarabscessen, so kommt es auf dem Wege dieser embolisehen Verschleppung zu postoperativen, besser postlokal- aniisthetischen Pneumonien oder Lungenabscessen. Naeh Har]cavy und Pierson sind Lungenentzfindung und Lungenabsce[3 verschiedene Stadien desselben pathologisehen Prozesses.

Eitrige Lungeninfektionen, oft mit tSdlichem Ausgang, sind aus Amerika als Folge der Tonsillektomie in Allgemeinnarkose bekannt. Myerson und Daily-Daily u.a . fanden regelmg~ig nach Tonsillektomien in Narkose Blur in der Trachea und ihren Asten. Oehsner-Nesbit und Ben]amins stellten aueh naeh Tonsillektomie in Lokalangsthesie Blur in der Trachea fest. Experimentell ist es allerdings nur selten gelungen, dureh in die Trachea und ihre Xste eingeffihrtes infektiSses MaterialLungenabscesse zu erzeugen. Dies gelingt nur dureh Spirochgten und fusiforme Bazillen (Plaut-Vincentsehe Infektion, Kline, Smi th ) . - Merkwtirdig ist jedoch, wie selten nach heftigen Anginen sowie auch nach Plaut-Vincentseher Angina, we manchmM der Rachen vollst~ndig verschwollen mit Belag, virulenten Keimen und Sehleim angeffillt ist, eine Lungenkomplikation vorkommt.

Siegmann beschreibt aus der Hajekschen Klinik einen Fall, we sich unmittelbar nach der Tonsillektomie eine linksseitige Unterlappen- pneumonie entwickelte. Die Patientin hatte wiederholte Anginen und ~-or 4 Jahren einen Peritonsillarabseel~ durchgemacht. Es ist anzunehmen, dab bei der in Lokalan~sthesie ausgeffihrten Operation infolge eines Venenanstichs eine embolisehe Partikelverschleppung stattgefunden hat. Gerlings beobachtete an 2000 Tonsillektomien 6 postoperative Pneumonien. Mit Ausnahme eines Falles wurden alle Operationen in Lokalan~sthesie ausgefiihrt.

Eine Lungenkomplikation im Anschlu~ an Tonsillektomie kann auf zweierlei Weise entstehen: 1. durch Aspiration yon Blut und infekti6sen

Archly f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilkuncle. Bd. 139. 8

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Stoffen wahrend der Narkose und wahrend der Lokalanasthesie (Pneu- monie oder AbsceB), 2. bei der Lokalanasthesie dnreh Einspritzung infekti6sen Materials in eine Vene (embolischer Infarkt oder hama- togene Pneumonie).

Andererseits beriehtet Erddlyi fiber seine Erfahrung an 1600 Ton- sillektomien und ffihrt das Ausbleiben lokaler Komplikationen auf seine vorsichtige Loka]angs~hesie zurfick, wobei er,,vorsiehtig b]o/3 die Schleim- haut infiltriert, die parapharyngeale HShle jedoch versehont". Bei einer weniger oberflaehlich ausgeffihrten Lokalanasthesie zur Tonsillektomie bleibt zu berfieksiehtigen, dab jede Injektion, welche die die Tonsille umgebende, stellenweise sehr dfinne mad sogar Dehiscenzen aufweisende (Wessely) Pharynxmuskulatur durchdringt, sieh im loekeren para- pharyngealen Bindegewebe ausbreitet und dab die Injektionsfliissigkeit soweit gepreBt wird, dab sie einen mehr oder weniger groBen Antefl der medialen Wand der Parotisloge erreieht (Forschner u. Loos).

Aueh bei der Absce[3tonsillelctomie hat Erdglyi in 43 Fallen trotz Lokal- anasthesie keine Verwicklung erlebt. Dies ist auch hier darauf zurtiek- zuffihren, dab die hlfiltrationsanasthesie lediglieh in Infiltration der Gaumensegel bestand, die auflerhalb des entzfindeten Gebietes Iiegen.

DaB die Tonsillektomie bei paratonsillS~rem AbseeB, in Lokalanasthesie ausgeffihrt, nieht ungefahrlieh ist, beweisen die Falle yon Haard und Haymann. Z611ner erlebte unter 91 Fallen yon Abseegtonsillektomien in LokManasthesie 2real Pneumonien. Er sehreibt wSrtlieh: ,,Darunter ein Fall mit maehtig ausgedehnter Aspirationspneumonie, trotzdem die Aussehalung in lokaler Anasthesie vorgenommen worden war." ZSllner hatte die besondere Freundliehkeit, auf meine Bitte Naheres fiber diesen Fall mitzuteilen. Es handelte sieh um den 21jahrigen Franz Seh. der links einen akuten PeritonsillarabseeB mit starker Sehwellung und 0dem des weiehen Gaumens hatte. Temperatur bis 38 ~ Ausschalung in Lokal- anasthesie ergibt grogen AbseeB. Am n/iehsten Tag klagt der Patient fiber Atemnot, I-Iusten, S~eehen in der reehten Brustseilbe. Die Tempera- tur, die oben geblieben ist, steigt am 2. Tag auf 40 ~ Untersuehung dureh Faeharzt ergibt bronehopneumonisehe I-Ierde reehts und hinten unten (Rasselgerauseh und Dampfung). Auf Grund der Untersuehnng nimmt der Oberarzt der Medizinischen Klinik besonders wegen der einseitigen Lokalisation c~u/ der rechten Seite eine Aspirationspneumonie an. Am 3. Tag Temperatur bis 39 ~ am 4. Tag nurmehr bis 37,9 ~ am 5. Tag 37,3 ~ am 6. Tag unter 37 ~ Die Erseheinungen sind also relativ rasch abge- klungen. Eine R6ntgenaufnahme am 5. Tag ergab keine grSberen Ver- anderungen mehr. Naeh dieser Besehreibung lagt es sieh zwar nicht beweisen, aber wohl vermuten, dab es sich im vorliegenden Fall um einen embolischen InfarCt gehandelt hat. Von 87 Abscegtonsillektomien hat ten 42 Patienten noch Temperaturen an den dem Eingriff folgenden Tagen. Bei einer Patientin t ra t starkere Drfisenschwellung auf, einmal

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ein heftiger Schfittelffost 8 Stunden nach der Operation. I m Ver- gleich dazu ist es sieher mehr als ein bloBer Zufall, dab Ho/er und Motloch bei fiber 30 t~Mlen yon paratonsill~rem AbsceB nach der Ton- sillektomie eine sehr geringe lokale geakt ion und keine Drfisen- schwellungen feststellten. Mit Ausnahme eines Falles, in welchem die Tempera tur am 2. Tage nach der Operation 37,2 maB, blieben alle anderen unter 37, manche erreichten selbst diese tI6he nicht mehr. Dieser gtinstige Verlauf h~ngt zweifellos mit der Ausffihrung der Ope- ration in Narkose zusammen. Durch die Lolcalangsthesie wird die starlce Barrikade des peritonsilliiren Gewebes in/olge Verspritzung in/ekti6sen Materials in Lymphwege und Ge/~i/3e durchbrochen.

Der beim Einsteehen der bisher gebr~uch- lichen Kanfile ausgeschnittene Lappen hat, ab- gesehen yon der M6glichkeit seiner LosreiBung, Verspritzung und embolischen Versehleppung, noch einen weiteren erheblichen Nachteil. In der Abb. 3 ist dargestellt, wie eine Kanfilenspitze sich nur zum Tell innerhalb eines Blutgef/~ges, zum anderen Tell noch auBerhalb desselben

A b b . 3. IKanti lenkopf te i lweise i m B l u t g e f g l ~ . -

A n s a u g e p r o b e n e g a t i v .

befindet. Man sieht in seitlicher Ansicht die Kanfile a in der Wandung des BlutgefgBes g steeken. Beim Durchstogen durch die Gefggwandung ist der Lappen 1 durch die Sehr/~gsehliffspitzen6ffnung herausgeschnitten worden. Man kalm sich nun Micht vorstellen, wie beim Ansaugen dureh eine Spritze sich der ausgesehnittene, halbkreisf6rmige Lappen 1 vor die Schr~gschliffspitzen6ffnung der Kanfile legt, sie verstopft und dadurch das Ansaugen yon Blut oder Eiter behindert. =&us der Abb. 3 ist ersichtlich, dab man die Kantile noch welter in das Lumen des GefgBes bzw. in eine Abscegh6hle vorschieben mfigte, um Blur oder Eiter ansaugen zu k6rmen. In einem ~hnlichen Falle, wie ihn Abb. 3 zeigt, ist es auch zwecklos, qtwa die Spritze yon der eingestochenen Kanfile abzunehmen, um festzustellen, ob aus der Kaniile Blut heraus- quillt, welches zun~chst trotz Ansaugens mit der Spritze nieht in den Spritzenzylinder zn bringen war. Der Blutdruek innerhalb des Blut- gef/~Bes wirkt im Sinne der eingezeichneten Pfeile s trod wird die 0ffnung verstopfen und damit den Blutausflug verhindern.

Der beim Einstoflen der bisherigen Kaniile im Gewebe ausgeschnittene Lappen wird dutch den negativen Druck in die Ausflu/3- bzw. Einsaug- 5/~hung der Kaniile eingesaugt und verstop/t diese (~]/nung. Diesclbe unerwfinschte Wirkung kann auch durch eine unter Druck stehende Flfissigkeit innerhalb des K6rpergewebes herbeigeffihrt werden. Steckt also der Kop/ einer bisherigen Kaniile nut teilweise in einem Ge]ii/31umen, zum anderen Teil noch au[3erhalb der Wandung des Ge/ii[3es, dann kann der Operateur sowohl i~ber den E]/ekt des Ansaugens wie der Injektion

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einem groben Irrtum anheim/allen. Falls der Operateur annimmt, dag er mit der Kaniile nieht in einem BlutgefiiB steeke, weft die Ansaug- probe negativ ausfiel, oder well naeh Abnahme der Spritze kein Blut aus der Kantile quell, dann kann er bei der folgenden Injektion rech~ unangenehme lJberraschungen erleben.

Am Kopf der bisherigen Kaniile (Abb. 1) sehen wir, wie der schri~g abgeschnittene Rand des Rohres a eine eif6rmige HShlung c umschliel3t. Der vorderste Tell des Kaniilenkopfes, die Spitze, aueh der EinstoBpunkt b genannt, ist der ~ugerste Punkt des zugesehliffenen Kanfilenrohres a.

Dutch den Schr~gschliff c wird die Zylinder-

=I !l! . . . . . . ' ,~1 punkt b verjiingende Hohlrinne f verwandelt, a . . . ~ 1 ,, in weleher die Fliissigkeit vorl/~uft. Die Hohl-

Wegweiser ins Ge]ii/31umen. J/Ill i]]]]ll!l I Spritzt man n~Lmlieh bei einer in Abb. 4t

Abb. ~. Trotz negativer dargestellten Kanii]enlage, welehe der in Abb. 3 Ansatlgeprobe ergiel3t sich ein besehriebenen Kaniilenlage en~spricht, dann Teil der injlzierten Fliissigkeit

in aas Blutge~a~. ergiel3t sieh ein Tell der Injektionsfliissigkeit in der Richtung des Pfeiles n vor der Gefgg-

wandung in die Umgebung des Blutgef~LBes, der andere Teil fliegt in der Pfeilrichtung m entlang der Hohlrinne f nach IJberwindung des Widerstandes des ausgeschnittenen Lappens 1 bis zum Einstol]punkt vor und dring~ somi~ in das :Blutgefs ein, obwohl beim Ansaugen und beim Abnehmen der Spritze yon der Kantile kein Blur in die Kantile eingesaugt werden bzw. hervorquellen konnte. Die in Abb. 4 dargestellte Kaniilenlage tiiuscht somit den Operateur iiber die wahre N~ihe eines Blut- ge]ii[Xes und diese Irre/iihrung kann zu verhgngnisvollen Folgen ]iihren. Solehe zuf/~llige Stellungen der bisherigen Kanfile innerhMb des Gewebes fiihren zu den sehweren Intoxikationen, trotzdem der Operateur mit gutem Gewissen versiehern kann, dab er die Ansaugeprobe vorher erfolglos gemaeht habe.

Die bisherige Schrs mit vorderer Offnung gew~thrleistet aus folgenden Grtinden somit kein zuverlgssiges Einspritzen:

1. Die Injektionsfliissigkeit flieBt naeh vorne bis zum EinstoBpunkt, 2. DieAnsaugef~higkeitbeginntnich~vorneam EinstoBpunkt, sondern

welter riiekw~Lrts, 3. Der yon der vorne offenen Sehr/~gschliffkaniile beim Einstogen

ins Gewebe ausgesehnittene Lappen wird in die AusfluB- bzw. Einsaug- 6ffnung der Kaniile dureh negativen Druek eingesaugt und kann diese 13ffnung verstopfen,

4. Der ausgesehnittene Lappen kann beim Vorsehieben abgerissen werden und in die Umgebung und die Lymphwege verspritzt, beim Ein- und Durehsteehen yon Blutgef/~Ben vom Blu~strom erfaBt werden.

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Die vorne o]/ene Schrdgschli/[kani~le bisheriger Konstrul~tion ist daher kein ideales In]el~tionsinstrument. Bei der Einspritzung mui~te der Opera~enr mit der Gefahr der Injektion in ein Blutgef~l~ und mi~ der Ver- spritzung yon infizierten Gewebsstiickehen wie mit einer unbekannten GrSl~e mit fatalistischer Ergebenheit rechnen.

Wir massen jedoch verlangen, daft die Gefahr der Einspritzung in ein Blutgef~tl~ unter allen Umst~nden vermieden werden kann. Dazu ge~ hSrt eine Injektionskanfile, welche beim Einstechen in das KSrpergewebe keinen Lappen herausschneidet, keine Gewebsstiickchen } abreiBt, verspritzt und verschleppt, und welehe das Ansaugen yon Bint in jeder beliebigen Stellung gewi~h r- leistet. Dazu gehSrt ferner eine Injektionstechnik, welche die Gef~l~freiheit des Injektionsgebietes garantiert. Dieses Problem ist, soweit ich das Schrifttum fiberblicke, bisher noch nirgends gewiirdigt und bearbeitet worden.

Zwar ist eine nadelfSrmige Kanfile yon H. Weyl konstruiert worden mit seitlichen 0ffnungen anstatt oder neben der vorderen r Weyl hat diese Kaniile jedoch nur angegeben, damit, wenn die vordere 0ffnung der Nadel verstopft ist, die Fliissigkeit in der Querrichtung zur Nadel austreten und sich nach allen l~ichtungen bin verteilen kann. Da yon Weyl das vor- liegende Problem in keiner Hinsicht erkannt worden

Abb. 5. ist, beriicksichtigt er auch nicht die Entfernung der seit- Die neue Xani i le .

lichen Offnungen yore Einstol~punkt nnd die Unbrauch- barkeit seiner Nadel ffir die Zwecke des Ansaugens. Bei kr/iftigem negativen Druck wird das umliegende Gewebe in die seitlichen aus- gestanzten LScher hineingesaugt.

In gemeinsamer Arbeit mit dem Ingenieur Hans Riflmann, dem ich meine Gedankengi~nge vortrug, haben wir eine Kaniile konstruiert, welehe nach unserer ]~Ieinung den oben erw~hnten t~orderungen entspricht.

Die neue Kanfile (Abb. 5) ist vorne geschlossen und trfigt am Xopf einen Schr~igschliff, der gerade oder konkav gewSlbt (f) ausgefiihrt sein kann. Die 0ffnung ffir Einspritzen und Ansaugen (c) befindet sich seit- lich an der l~ngeren Rohrwandung (g) und zwar mSglichst nahe dem Einstoi~punkt (b). Damit ist zuni~chst beim Einstol~en und Vorwitrts- schieben der Kanfile im Gewebe das Herausschneiden oder Ausstanzen eines Lappens unmSglich geworden. Der geschlossene konkave Schritg- sehliff (f) wirk~ beim Eins~eehen und Vorwiirtsschieben einfach durch Ver- dri~ngung des Gewebes i~hnlich wie eine solide Stecknadel.

Das wesentlich Neue an der Kanfile ist, dab die (Jffnung (c) in einer Ausnehmung der Kaniilenwandung (d) liegt. Das Loch der (~ffnung isf~ also nicht einfaeh aus der Rohrwandung ausgestanzt, sondern es stellt den tiefsten Punkt der Durchbohrung ins Xaniilenlumen dar. Da die

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Ausnehmung entsprechend der Zylinderform des Kuniilenrohres um die Flgche gekrfimmt angeordnet ist, kann dureh Ansaugen niemals ein v611iger Verschlug der Aussparung stattfinden. Das dureh das Kanfilen- rohr verdrKngte Gewebe befindet sieh in ehlem vermehrten Spannungs- zustand, welches dem Ansaugedruck entgegenwirkt. Dutch die Wan- dungsausnehmung, welche die eigentliche Offnung umgibt, ist es m6glieh, die Kanfile im Zustand des Ansaugens, d .h . mit negativem Druck im Spritzenzylinder, innerhalb des Gewebes vorwgrts und rfiekw~rts zu bewegen. Dabei wird das herangesaugte Gewebe nieht abgerissen, sondern kann im Raum der Wandungsausnehmung naeh vorne und hinten ausweiehen.

Die Ausnehmung der Kanillenwandung verhindert somit das v611ige Zusaugen der tiefer gelegenen 0ffnung, vergr613ert dadurch die Ansauge- fls und verteilt sehliel31ieh die Injektionsflfissigkeit auf eine gr6Bere Umgebung.

Bezfiglieh der Frage der Kaniilendicl~e gehen die Ansiehten der Autoren noeh auseinander. In seinem Lehrbnch der Lokalan~sthesie vom Jahre 1925 schreibg Hirsch: ,,Aber die Erfahrung hat gezeigt, dal3 durch unsere dfinnen Kanfilen doch recht selten groBe Gefs verletzt werden, da diese meistens so in lockerem Gewebe liegen, dab sic der Nadelspitze aus- weiehen k6nnen, wenn nicht unglfiekseligerweise ein Gef~f3 dutch unsere Hand, oder, was vorkommen kann, dutch pathologische Prozesse, z. B. Dr/isen oder Tumoren, so fixiert ist, dab es dem sanften Druck der Nadel- spitze nicht answeieht. Gerade in Gegenden mit groBen Gef~Ben mfissen wit uns besonders an die Vorsohrift halten, hie bei ruhender, sondern immer bei beweglicher Kanfile zu injizieren. Auf diese Weise k6nJaen wit wenigstens immer mit Sicherheit vermeiden, dab wir gr6Bere Mengen der Anasthesierungsflfissigkeit in ein Gef~B einspritzen und dadurch eine sehwere Vergiftung verursachen k6nnen. Nieht immer zu vermeiden sind allerdings H/imatome, die naeh Verletzungen yon gr6Beren Gefggen entstehen. Diese I-Is sind zwar nieht gef&hrlich, aber sie st6ren doch manchmM recht unangenehm den Gang der Operation und besonders in nnserem Gebieg, w o e s sieh meistens um siehtbare Stellen handelt, hinterlassen sie auch ffir den Operateur manchmal recht peinliche Ver- f/~rbungen. Zu vermeiden sind diese I-Is wenn wir, wie gesagt, m6gliehst diinne and vor allem mSglichst kurz abgesehliffene Kanfilen benutzen."

Aber auch der Gebrauch yon d/innen Kan~ilen hat Hirsch nieht d~vor bewahrt, einen Ung]/icksfall zu erleben. 1929 beriehtet er fiber einen Todesfall unmittelbar nach der LokMan/~sthesie. Er schreibt: ,,Wenn man yon soichen t~l len ]iest oder sic erlebt hat, steht man der Lokal- an~sthesie bei Tonsillektomie nicht mehr so ganz voraussetzungslos gegen/iber und wird sieh auch einmal leichter entschliel~en zur Allgemein- narkose."

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Gefahren der Lokalan/is~hesie und Vorschl~ge zu ihrer Yerhiitung. ] 19

Ich halte den Gebrauch m5glichst diinner Kaniilen fiir unzweckms Ganz abgesehen davon, dai] sich die Kaniilen leichter verstopfen, finder eine diinne Kaniile in einem kleinen Blutgef~t] basset Platz und kann die Gef~l~wandungen aneinandersaugen. Usa das Beispiel auf die Tonsillek- tomie anzuwenden, ist daran zu erinnern, dab nach Lurid die Durchsaesser der Rasai tonsillares etwa 1/2--1 sasa betragen. Infolgedessen empfehle ich ffir die Tonsillektomie eine Mindestkaniilendicke yon 1,0 ram. Ffir die Lokalans erscheint es ebenso wichtig, den Gefs den Abstand der Blutgef~l~e sowie den Durehmesser derselben zu kennen, wie die Nervenversorgung. Bisher haben die Lehrbficher der LokaI- an~sthesie saehr Gewicht auf die letztere, ale auf die Topographie des Gef~gverlaufes gelegt.

Isa Gegensatz zu der bisherigen Injektionsteehnik, die Nadel fort- wghrend infiltrierend vorzuschieben, halte ieh eine neue Injektionsmethode ffir angebracht. Bei dieser handelt es sich im wesentlichen darusa, einen Stiehkanal zu bilden, der yon der EinstiehSffnung bis zu seinem Endpunkt auf das Vorhandensein yon Blutgefs untersucht worden ist.

Mit oder ohne Anlegung einer ganz oberfl~chliehen Quaddel an der Einstichstelle sticht man die neue Kanfile in das Gewebe ein. Sobald die 0ffnung der Kaniile isa Gewebe steekt, erzeugt man im Spritzenzylinder einen negativen Druek durch Zuriiekziehen der Stesapelstange. Hierzu eignet sich bei Operationen, wo die zweite Hand nieht frei ist, am besten die yon mir angegebene Wechselspritze. Sie ist so konstruiert, da~ sie eine ehlhgndige Bedienung dutch den Daumen zum Einspritzen und Ansaugen ermSglieht. Naehdesa man dutch den Dausaendruck auf die Ansauge- platte der Wechse]spritze ein Vakuum in Kaniile und Spritzenzylinder erzeugt hat, st6fit man die Kanfile langsam bis zu der gewiinschten Tiefe in das Gewebe vor. Dabei darf man selbstverst/~ndlich die Ansaugplatte nicht loslassen. Man erzeugt mit dem Dausaen ein permanentes Vakuum. Verletzt oder durchsticht die Kanfile auf diesesa Wege ein Blutgefs (Arterie oder Vene), dann fliel]t Blur in den Spritzenzylinder hinein. I s t dies jedoeh nicht der Fall, dann ist der Stichkanal vom Anfang his zum Hal tepunkt Und zwar genauer gesagt bis zu der Stelle, wo sich die Ein- saug6ffnung der Kanfile befindet, ale gefs zu betraehten. Nicht geprfift ist lediglich die kurze Entfernung vom Einstol~punkt b der Kanfile bis zu ihrer 0ffnung e, also nut wenige Millimeter.

Um auch auf dieser kurzen Millisaeterstrecke keine Gefahr zu laufen, in ein Blutgefi~l~ zu injizieren, soll man jetzt die Kanfile einige Millimeter zuriickziehen und erst dann, die Kaniile rfiekwgrts bewegend, mit der Injektion beginnen. Man hebt das Vakuum auf und driickt auf die Ein- spritzplatte bei gleiehzeitig langsamem Zuriickziehen der Kanfile aus dem Stichkanal. Die Infil tration kann aueh in Depotforsa erfolgen, indem die Kaniile etappenweise zuriiekgezogen wird und man w~hrend ihres Still- standes einspritzt retrograde (In]ektionsrnethode).

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120 Bruno Griessmann.

Die Hers te l lung der Kani i le erfolgt durch die F i rma Ernst Kratz G. m. b. H., F r ank fu r t a.iVf., Burgstr . 106; der Bezug der Kanii le durch die einsehl/~gigen Fachgesch/~fte.

Zusammenfassung.

1. Die bisher gebriiuchliche Injekt ionskani i le , welche ihre 0 f fnung vorne im Schr/~gschliff ha~, ist ein sehr unvol]kommenes I n s t r ume n t . Beim Eins teehen schneidet sic aus dem Gewebe entsprechend der Form ihrer Offnung Lappen heraus. Diese Lappen k 6 n n e n beim Ansaugem die (~ffnung verlegen und dadurch Anla$ zu groben I r r t f imern geben. Werden Gewebsstficke abgerissen, so besteht die M6glichkeit, daf~ sic mi t der Injektionsflfissigkeit in Lymphr~ume geprel~t, und wenn sic in Gef~I~e gelangen, embolisch verschleppt werden. Sind die abgerissenen Gewebsteilchen infiziert, so en ts tehen auf diese Weise 5rtliche und ferne Verwicklungen (Abscesse und Phlegmonen, Lnngenabscesse und embo- lische Inf~rkte).

2. Es wird eine neue Injekt ionskanfi le besehrieben, welehe das Gewebe verdr~ngt und deren 0 f fnung sich in einer W a n d u n g s a u s n e h m u n g befindet und d~her beim Ans~ugen n ich t verlegt werden kann.

3. Besehreibung einer In jekt ions technik , bei der m a n zuerst den St ichkanal dureh pe rmanen te sVakuum auf Gef~Bfreiheit priift und a l sdann nach mill imeterweisem Zuriickziehen der Kanfi le den St ichkanal mi t der Injektionsfl i issigkeit yon h in ten n~ch vorne durcht rs

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