02/2005
Zusammenfassung
DIN EN 60848
GRAFCET
GRAphe Fonctionnel
de Commande Etape
Transition
Seminarunterlage
S1*S4*1B1*2B1*3B1 S1* *1B1*2B1*3B1S4
1B2 2B2
1
1M1:=1 2M1:=1
3M1:=1
2A 2B
3
Benennung: SEM.UNT.GRAFCET
Bezeichnung: D:SEMU-GRAFCET-DE
Stand: 02/2005
Autoren: Gerhard Schmidt
Grafik: Doris Schwarzenberger
Layout: 02.02.2005, Beatrice Huber
© Festo Didactic GmbH & Co. KG, 73770 Denkendorf, 2005
Internet: www.festo.com/didactic
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© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 3
1. Ablaufbeschreibungen im historischen Rückblick _____________________ 5
2. Warum eine neue Norm? _________________________________________ 7
3. Die Grundfunktionen der Norm____________________________________ 8
4. Hierarchische GRAFCETs ________________________________________ 18
Inhalt
4 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 5
Nein, es war nicht immer so wie heute. Früher, in der sogenannten guten alten Zeit,
gab es weniger Regeln und Vorschriften. Warum auch. Es gab nur wenige kleine, und
somit übersichtliche Maschinen und Anlagen. Für die meisten bestand keinerlei
Dokumentation. Die Entwicklung einer Maschine wurde selten am Reißbrett
durchgeführt. Üblich war eine „Entwicklung“ am Produktionsstandort, indem Stück
für Stück von der reinen Handarbeit in Richtung Automatisierung gebastelt wurde.
Die Marschrichtung war dabei klar und denkbar einfach:
Probieren, ob es klappt!
• Wenn ja: gut so! (Rücke vor bis auf Los! Ziehe 4000M ein!)
• Wenn nein: Weiter probieren! (Gehe 3 Felder zurück! Gehe nicht über Los! Ziehe
nicht 4000M ein!)
Das Problem einer nicht vorhandenen Dokumentation existierte auch überhaupt
nicht, waren die Maschinen und Anlagen doch ausschließlich für den eigenen
Gebrauch bestimmt. Und außerdem: in der guten alten Zeit wechselte ohnehin kaum
jemand den Arbeitsplatz. Das Wissen über die Funktionen und Besonderheiten der
Maschinen war dadurch jederzeit parat.
Aber die Zeiten änderten sich! Man baute Maschinen nicht mehr nur für den
Eigenbedarf, oder man kaufte fertige Maschinen ein. Und plötzlich gab es ein
Problem: Maschinen mussten von Personen gewartet, repariert und optimiert
werden, die diese Maschinen zum ersten Mal in ihrem Leben sahen! Somit entstand
ein Bedarf an einer Beschreibung über die Funktion der Anlage, an einem
verständlichen Schaltplan, eben an einer einheitlichen Dokumentation.
Es entstanden Normen über Schaltzeichen der (damals existierenden) Geräte und
eine Norm über Funktionsdiagramme. Mit dieser Norm wurde der damalige Stand
der Automatisierungstechnik voll und ganz abgedeckt. Die Abläufe waren damals
linear, es gab keine Zeitfunktionen, keine Zählfunktionen und keine
Programmvarianten.
Aber die Zeit blieb nicht stehen. Im Gegenteil, es ging immer schneller voran. War
die Zeitfunktion noch recht leicht in einem Weg-Schritt-Diagramm darzustellen,
stellten beispielsweise Schleifenzähler oder Programmvarianten trotz Verbesserung
der Norm praktisch unüberwindbare Hindernisse dar. Die Automatisierungstechnik
forderte neue Möglichkeiten der grafischen Ablaufbeschreibung. Aus diesen
Bedürfnissen war zwischenzeitlich die Ablaufbeschreibung „Funktionsplan“ geboren
worden. Klar, auch sie hatte am Anfang ihre Macken, Ungereimtheiten und
Schwachstellen. Als der Funktionsplan Anfang 1992 wesentlich verbessert wurde
und von der Industrie auch akzeptiert wurde, gab sich das Funktionsdiagramm
geschlagen.
1. Ablaufbeschreibungen im historischen Rückblick
1. Ablaufbeschreibungen im historischen Rückblick
6 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Die Automatisierungstechnik entwickelte sich aber immer weiter und weiter. Und
das Gute wurde ein Opfer des Besseren. Das ist übrigens nicht neu. Es gilt schon seit
der Erfindung des Faustkeils.
So traf es auch die Norm Funktionsplan. Ihr Nachfolger ist europaweit gültig und
heißt GRAFCET. Im Vergleich zum Funktionsplan mag GRAFCET auf den ersten Blick
verwirrend wirken. Beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass Einiges klarer definiert
und vereinfacht wurde. Die fehlende Strukturierung bis hin zu den Betriebsarten ist
nun auch klar genormt.
Also stehen wir wieder an einer Stelle, an der es heißt, von vertrautem Abschied zu
nehmen und sich mit dem aktuellen Stand der Automatisierungstechnik auseinander
zu setzen. Denn wie heißt es so schön: Wer auf dem Stand von „heute“ stehen
bleibt, ist morgen „von gestern“.
Historie*
Bis 31 Januar 1963 Unbekannte „graue“ Vorzeit
1. Februar 1963 VDI 3260 „Funktionsdiagramme“ erscheint (neu oder aktualisiert?) und
normt WSD/WZD/Funktionsdiagramm
1. Dezember 1966 VDI 3226 „pneumatische Schaltpläne“ erscheint und verweist auf
Funktionsdiagramme
1. März 1977 DIN 40719 Teil 6 „Funktionsplan“ erscheint (neu oder aktualisiert?)
1. Juli 1977 VDI 3260 „Funktionsdiagramme“ erscheint in aktualisierter Form
1. November 1991 Zurücknahme der VDI 3226 „pneumatische Schaltpläne“
1. Februar 1992 DIN 40719 Teil 6 „Funktionsplan“ erscheint in aktualisierter Form mit seinem
heutigen Ausgabestand
1. Dezember 1994 Zurücknahme der VDI 3260 „Funktionsdiagramme“ mit der Bemerkung:
„Der Regelsetzer empfiehlt die Anwendung von DIN 40719-6 (1992-02)“
1. April 2002 DIN EN 60848 „GRAFCET“ wird Norm und ersetzt DIN 40719 Teil 6
Beide Normen sind für eine Übergangsfrist von 3 Jahren parallel gültig.
31. März 2005 Letzter Gültigkeitsstag der DIN 40719 Teil 6 „Funktionsplan“
* Ohne Anspruch auf Vollständigkeit
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Kein Mensch wird sich ernsthaft die Mühe machen, eine Norm nur so zum Spaß zu
erstellen. Es gibt mindestens 3 wichtige Gründe eine Norm zu überarbeiten oder gar
neu zu erstellen.
1. Unklare, verwirrende oder gar widersprüchliche Stellen in der gültigen Norm
2. Fehlende, nicht genormte Inhalte
3. Internationalisierung des Gültigkeitsbereich
Bei der Umstellung von DIN 40719-6 (Funktionsplan) auf DIN EN 60848 (GRAFCET)
fällt eines sofort an der Bezeichnung auf: der Gültigkeitsbereich. War der
Funktionsplan eine deutsche Norm, so ist der GRAFCET in ganz Europa gültig. Die
europäische Herkunft ist auch am Namen erkennbar. GRAFCET ist eine Abkürzung,
die aus dem französischen stammt:
GRAphe Fonctionnel de Commande Etape Transition.
Ins deutsche übersetzt bedeutet dies:
Darstellung der Steuerungsfunktion mit Schritten und Weiterschaltbedingungen.
Beim Vergleich alt <=> neu fällt auf, dass es beispielsweise statt dem bisherigen
Buchstabensalat bei den Aktionen nur noch einige wenige, aber eindeutige Pfeile
gibt. Das Sortiment an Kennzeichnungsbuchstaben ist somit entfallen. Ebenso die
Buchstaben der Rückmeldungen mit all ihren Bezeichnungen. Auch der allgemeine
„speichernde Befehl“ wird jetzt auch einfache Art exakt beschrieben und ist einen
nicht unerheblichen Schritt näher am SPS-Programm. Also eine klare Vereinfachung.
Es gibt somit viel weniger Diskussionen und Rückfragen, wenn ein GRAFCET
beispielsweise in ein S7-GRAPH-Programm übernommen werden muss.
Hierarchie-Ebenen, notwendig für exakt definierte Grob-Fein-Strukturen und für alle
Betriebsarten bis hin zu NOT-AUS suchten sie in der DIN 40719-6 bisher vergebens.
Bei GRAFCET werden sie auch in dieser Beziehung fündig. Dies ist keine
Nachlässigkeit früherer Norm-Verantwortlichen. Dies ist ein Beweis für die
Weiterentwicklung der Automatisierungstechnik. Denn die Praxis zeigt: Je
weiterentwickelter die Maschine, desto wichtiger sind Betriebsarten und deren
Hierarchien. Damit sind die Lücken in der Normung geschlossen worden. Zumindest
für heute, auch wenn damit zu rechnen ist, dass sich in der Zukunft neue Lücken
auftun werden.
2. Warum eine neue Norm?
8 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Nachfolgend sind die wichtigsten Teile der Norm zusammengefasst:
Die Abläufe werden in Schritte unterteilt. Jeder Schritt wird als Kästchen dargestellt,
wobei das Quadrat dem Rechteck vorzuziehen ist. In der oberen Mitte des
Schrittfeldes muss eine alphanumerische Kennzeichnung stehen.
2 93 8B
Zu jeder Schrittkette gehört ein Startschritt. Es ist die Grundstellung der Steuerung,
der Schritt, in dem die Steuerung (nicht die Maschine!) unmittelbar nach dem
Einschalten der Steuerung steht. Er ist erkennbar am doppelten Rahmen.
1
Um von einem Schritt zum nächsten Schritt zu kommen muss eine Bedingung erfüllt
werden. Sie heißt Übergangsbedingung oder Transition. Üblicherweise liegt sie auf
einer von oben nach unten führenden Wirklinie zwischen 2 Schritten, darf aber,
wenn es die Übersichtlichkeit erfordert auch auf einer waagrechten Wirklinie liegen,
die zu einem anderen Schritt führt.
S1*1B1
7
8
( )Presse hoch
S4
Die Weiterschaltbedingung steht auf der rechten Seite der Transition.
Die Transition darf mit einen Transitionsnamen versehen werden. Um
Verwechslungen zu vermeiden, ist er links anzuordnen und muss in Klammern
stehen.
Die Weiterschaltbedingung darf in Textform, mit einem booleschen Ausdruck oder
mit Hilfe grafischer Symbole dargestellt werden. Allerdings ist zu beachten, dass
sämtliche Beispiele in der Norm mit booleschen Ausdrücken beschrieben sind.
3. Die Grundfunktionen der Norm
Schritte
Startschritt
Übergangsbedingung
3. Die Grundfunktionen der Norm
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Zur Erinnerung: Der Punkt, bzw. der dafür verwendete Stern beschreibt eine UND-
Verknüpfung, das Plus-Zeichen beschreibt eine ODER-Verknüpfung. Negationen
werden mit einem Strich über dem Variablennamen beschrieben.
Soll nach Ablauf einer festgelegen Zeit in den nächsten Schritt weitergeschaltet
werden, so ist als Weiterschaltbedingung die Zeit und der boolsche Zustand des
aktiven Schritts, getrennt durch einen Schrägstrich, anzugeben (x Z Bool).
10s/X9
9
10
Um einen fehlerfreien Ablauf zu erstellen, müssen sich Schritte und Transitionen
immer abwechseln!
Wichtigste Regel
3. Die Grundfunktionen der Norm
10 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
An einen Schritt kann eine oder mehrere Aktionen angehängt werden. Eine Aktion
wird als Rechteck mit beliebigem Seitenverhältnis dargestellt. Empfehlung der
Norm: gleiche Höhe wie Schrittfeld. Unterschiedliches Verhalten der Aktionen
werden mit unterschiedlichen Zusätzen dargestellt.
Mehrere Aktionen können nach folgendem Muster an einen Schritt angeschlossen
werden. Die Reihenfolge der Darstellung ist keine zeitliche Reihenfolge!
Aktion 1
Aktion 1
Aktion 1 Aktion 1
Aktion 2
Aktion 2
Aktion 3
Aktion 3
Aktion 2
Aktion 2
Aktion 3
Aktion 3
77
77
7777
Die Aktionen können unterschiedliches Verhalten annehmen. Die Unterscheidung
erfolgt durch die Darstellung und Beschreibung.
Bei der kontinuierlichen Aktion wird für die Dauer der Aktivierung des Schrittes der
beschriebenen Variable der Wert 1 (TRUE) zugewiesen.
3M2
Ventilspule 3M2
Schalte Ventilspule 3M2
4
4
4
(Falls sie sich über den Buchstaben „M“ wundern und ein „Y“ erwartet hätten: Im
Dezember 2000 wurde die DIN 40719-2 durch die DIN EN 61346-2 ersetzt. Seit
diesem Datum heißen Spulen normgerecht „M“.)
Aktionen
Kontinuierlich wirkende
Aktion
3. Die Grundfunktionen der Norm
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 11
Der in der Aktion beschriebenen Variable wird nur dann der Wert 1 (TRUE)
zugewiesen, wenn die Zuweisungsbedingung (im Beispiel B12) erfüllt ist (TRUE).
Andernfalls wird der Variable der Wert 0 (FALSE) zugewiesen, auch wenn der Schritt
(im Beispiel Schritt 3) aktiv ist.
1M23
B12
Zum Zeitpunkt der Aktivierung des Schrittes (Steigende Flanke => Pfeil nach oben)
wird der beschriebenen Variable der angegebene Wert zugewiesen. Der Wert bleibt
solange gespeichert, bis er durch eine Aktion überschrieben wird.
4M1:=1
C:=C+1
9
11
Im oberen Beispiel wird bei Aktivierung des Schrittes 9 die Ventilspule 4M1
eingeschaltet.
Im unteren Beispiel wird bei Aktivierung des Schrittes 11 der Stand der Variable C
um 1 erhöht.
Zum Zeitpunkt der Deaktivierung des Schrittes (Fallende Flanke => Pfeil nach unten)
wird der beschriebenen Variable der angegebene Wert zugewiesen. Der Wert bleibt
solange gespeichert, bis er durch eine Aktion überschrieben wird.
4M1:=012
Aktion mit
Zuweisungsbedingung
Speichernde Aktion bei
Aktivierung des Schrittes
Speichernde Aktion bei
Deaktivierung des Schrittes
3. Die Grundfunktionen der Norm
12 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Der in der Aktion beschriebenen Variable wird nur dann der angegebene Wert
zugewiesen, wenn bei aktivem Schritt an der Zuweisungsbedingung (im Beispiel
2B1) eine steigende Flanke auftritt (Pfeil an der Variable nach oben => steigende
Flanke). Eine fallende Flanke ist ebenso möglich und wird durch einen Pfeil nach
unten angezeigt.
Teil_ok:=16
↑2B1
Soll eine Aktion zeitverzögert ausgeführt werden, so kann die Aktion mit
Zuweisungsbedingung mit einer Zeit erweitert werden. Als Zusatzbedingung wird
der aktive Schritt angegeben. Im folgenden Beispiel steht X27 für den Zustand
(TRUE) des aktiven Schrittes 27. (X = BOOL)
Die links von der Zuweisungsbedingung (durch einen Schrägstrich getrennt)
stehende Zeit sagt, dass die steigende Flanke der Zusatzbedingung bei der
Ausführung um genau diese Zeit verzögert wird.
Die gleiche Art der Darstellung wird auch verwendet, wenn nach Ablauf einer Zeit in
einen nächsten Schritt weitergeschaltet werden soll. (siehe
„Übergangsbedingungen“)
4M127
2s/X27
0 2 4 6 8 10 12s
Schritt 27
4M1
2 s
Die dargestellten Zeitdiagramme gehören nicht zum GRAFCET und werden in einem
GRAFCET nicht dargestellt! Sie dienen hier lediglich dem Verständnis der Aktion.
Speichernde Aktion
bei Ereignis
Verzögerte Aktion
3. Die Grundfunktionen der Norm
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 13
Die zeitbegrenzte Aktion ergibt sich durch eine Negation der Bedingung der
verzögerten Aktion.
5M229
5s/X29
0 2 4 6 8 10 12s
Schritt 29
5M2
5 s
Die dargestellten Zeitdiagramme gehören nicht zum GRAFCET und werden in einem
GRAFCET nicht dargestellt! Sie dienen hier lediglich dem Verständnis der Aktion.
Anstelle des aktiven Schrittes kann auch eine beliebige Variable eingesetzt werden.
Die links stehende Zeit wird jetzt durch die steigende Flanke der angegebenen
Variable gestartet. Nach Ablauf der Zeit wird die Aktion ausgeführt. Eine rechts
stehende Zeit wird durch die abfallende Flanke der Variable gestartet und verlängert
die Aktionsdauer. Voraussetzung dafür ist, das der Schritt aktiv bleibt.
Eine nicht benötigte Verzögerung (t = 0) wird nicht angegeben. Siehe Punkt „Aktion
mit Zuweisungsbedingung“
2M131
2s/B9/4s
0 2 4 6 8 10 12s
Schritt 31
B9
2M1
4 s
2 s
Die dargestellten Zeitdiagramme gehören nicht zum GRAFCET und werden in einem
GRAFCET nicht dargestellt! Sie dienen hier lediglich dem Verständnis der Aktion.
Zeitbegrenzte Aktion
Zeitabhängige
Zuweisungsbedingung
3. Die Grundfunktionen der Norm
14 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Speichernde Aktionen, die zusätzlich zeitabhängig sind, sind in der Norm nicht extra
beschrieben. Bei Bedarf ist einfach bei der „speichernden Aktion bei Ereignis“ die
Zeit als Ereignis zu definieren.
Heizung:=142
↑20s/X42
Bietet ein Ablauf mehrere alternative Möglichkeiten, so wird dies durch einfache
Verzweigungen dargestellt. Ein Ablauf kann sich in beliebig viele Alternativabläufe
verzweigen. Für jede Alternative gibt es eine eigene Weiterschaltbedingung. Diese
müssen so eindeutig beschrieben werden, dass niemals mehrere Bedingungen
gleichzeitig erfüllt sein können (gegenseitige Verriegelung).
Nachdem die einzelnen Alternativzweige mit je einer eigenen Transition
abgeschlossen sind, führt eine einfache Zusammenführung direkt in den nächsten
Schritt.
Die Grundregel: „Schritt – Transition – Schritt – Transition – ...“ bleibt somit
unangetastet.
S1*S4*1B1*2B1*3B1 S1* *1B1*2B1*3B1S4
1B2 2B2
1
1M1:=1 2M1:=1
3M1:=1
2A 2B
3
Zeitabhängige, speichernde
Aktion
Ablaufauswahl
3. Die Grundfunktionen der Norm
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 15
Bei parallelen Ablaufketten werden von einer Transition mehrere parallele
Verzweigungen gleichzeitig gestartet. Dabei wird jeweils der erste Schritt aktiviert.
Die einzelnen Ketten laufen völlig unabhängig voneinander weiter.
Erst wenn alle Teilketten abgelaufen sind (jeweils letzter Schritt ist aktiv) schaltet
eine gemeinsame Transition in den nächsten Schritt und deaktiviert alle parallelen
Schritte.
Die parallelen Verzweigungen und die dazugehörigen Zusammenführungen werden
durch 2 parallele Linien dargestellt, die seitlich überstehen.
4B2 5B2
4M1
3M1:=0
5M1
3M1:=1
4A
6
4B
3
5A 5B
3B2
4B1*5B1
Dem Verständnis dienende Erläuterungen können als Kommentare an beliebige
Stellen des Grafcets geschrieben werden. Sie müssen wie in den beiden Beispielen
in Anführungszeichen (vorn unten, hinten oben) geschrieben werden.
„Grundstellung“
„Teil ablegen“
Parallele Ablaufketten
Kommentare
3. Die Grundfunktionen der Norm
16 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Da Abläufe üblicherweise eine Schleife darstellen, die mehrmals durchlaufen wird,
führt zwangsläufig eine Linie von unten nach oben. Die Richtung des Ablauf ist dem
üblichen Ablauf von oben nach unten entgegengesetzt und muss somit durch einen
Richtungspfeil angezeigt werden. Über die Ausführungen des Pfeils macht die Norm
keine Angaben, es sind dort sogar verschiedene Ausführungen zu sehen.
Allerdings steht wörtlich in der Norm: „Wenn eine Wirkverbindung unterbrochen
werden muss (zum Beispiel in komplizierten Plänen oder wenn sich ein Plan über
mehrere Seiten erstreckt), muss das Kennzeichen des Zielschrittes und die Nummer
der Seite, auf der er erscheint, angegeben werden.“
Das Wort „muss“ sagt aus, dass zwingende Gründe vorliegen müssen, die eine
Wirkverbindung noch oben unmöglich machen. Nur dann darf ein Sprung mit
Zielhinweis eingesetzt werden. Eine Beschriftung des ankommenden Schrittes ist
nicht erforderlich.
1
9 9
Schritt 10
Seite 2
Rückführungen
und Sprünge
3. Die Grundfunktionen der Norm
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 17
Grundablauf MPS® Station Verteilen
S1*1B2* *3B1* "Startbedingung"2B1 B4
3B2 "Position Folgestation"
3B1 "Position Magazin"
3B2 "Position Folgenstation"
3B1 "Position Magazin"
2B1 "Vakuum aufgebaut"
2B1 "Vakuum nicht mehr aufgebaut"
1B2 "Teil freigegeben"
1B1 "Teil ausgeschoben"
1
3M1:=0
3M1:=1
3M1:=0
3M1:=1
2M1
2M2
1M1:=0
1M1:=1
3M2:=1
3M2:=0
3M2:=1
3M2:=0
2
4
7
9
5
8
6
3
P1
1B2* *3B1 "Grundstellung"2B1
"Grundstellungsanzeige"
"Zur Folgestation"
"Teil ausschieben"
"Zum Magazin"
" "Vakuum aufbauen
"Teil freigeben"
"Zur Folgestation"
"Teil ablegen"
"Zum Magazin"
Die beschriebenen Elemente reichen aus, um Abläufe ohne Hierarchieebenen exakt
und präzise zu beschreiben.
Beispiel eine Ablaufs
18 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Wird ein GRAFCET in mehrere Teile aufgeteilt, müssen die Teile benannt werden.
Dem Namen muss dabei ein G vorgestellt werden.
Ein übergeordneter GRAFCET steuert untergeordnete GRAFCETs mit sogenannten
Zwangsbefehlen. Zwangsbefehle sind an der Doppellinie (wie Initialisierungsschritt)
zu erkennen.
G9{100}
G1{ }∗
G2{INIT}
G4{ }
5
9
7
12
Generell sind 4 Einträge, wie in obigen Beispielen dargestellt, möglich. In der
geschweiften Klammer stehen immer die Schritte, die zwangsweise gesteuert
werden.
1. Wird Schritt 12 aktiv, wird kein Schritt des Teil-GRAFCETs 4 aktiviert, oder anders
herum ausgedrückt: alle Schritte von Teil-GRAFCET 4 werden deaktiviert.
2. Wird Schritt 7 aktiv, wird Teil-GRAFCET 2 initialisiert. Das bedeutet, sein als
Initialisierungsschritt gekennzeichneter Schritt wird aktiviert, alle anderen
Schritte werden deaktiviert.
3. Wird Schritt 5 aktiv, wird im Teil-GRAFCET 9 der Schritt 100 aktiviert, alle anderen
Schritte werden deaktiviert. In einer Struktur mit einer Parallelverzweigung
können auch mehrere Schritte zwangsweise gesetzt werden. Diese werden
einfach hintereinander geschrieben.
z. B.: G9{100, 200, 300}. Teil-GRAFCET 9 braucht keinen Initialisierungsschritt.
4. Wird Schritt 9 aktiv, wird Teil-GRAFCET 1 in seiner aktuellen Situation so lange
eingefroren, bis Schritt 9 wieder verlassen ist. In der geschweiften Klammer steht
ein Eiskristall ∗ Schrift: Symbol
4. Hierarchische GRAFCETs
Zwangsbefehle
4. Hierarchische GRAFCETs
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 19
In der Praxis gibt Zwangsbefehle nur in der oberen hierarchischen Ebene:
NOT-AUS*S_Manuell
1
NOT-AUS*Richten_OK*S_Automatik
3
G10{ }
G100{INIT}
G10{INIT}
G100{ }
2 "Manuell/Richten"
"Automatik"
NOT-AUS
NOT-AUS+S_Manuell
G1: Teil-GRAFCET der Betriebsarten (obere hierarchische Ebene)
In der unteren hierarchischen Ebene gibt es G10, den Teil-GRAFCET für den
Automatikbetrieb. Er entspricht exakt dem bei den Grundfunktionen dargestellten
Ablaufbeispiel. In gleicher Art gibt es noch G100, den Teil-GRAFCET für den
Manuell/Richtbetrieb. Beide sind nachfolgend abgebildet. Alle 3 GRAFCETs werden
gleichzeitig gestartet. G1 deaktiviert durch Zwangsbefehle G10 und zwingt G100 in
seinen Initialisierungsschritt. Nach erfolgter Freigabe von G1 können diese dann frei
arbeiten. Doch wie funktioniert alles im einzelnen:
G1 startet wie jeder GRAFCET im Initialisierungsschritt 1. Dort führt er 2
Zwangsbefehle aus:
• G10, der Automatik-Ablauf wird zwangsweise komplett deaktiviert und bleibt
deaktiviert solange G1 im Schritt 1 steht. Zwangsbefehl: { }
• G100, der Richt-Ablauf wird in seinen Initialisierungsschritt gezwungen und dort
solange G1 im Schritt 1 steht festgehalten. Zwangsbefehl: {INIT}
Nach Entriegeln von NOT-AUS und Wahl der Betriebsart Manuell schaltet G1 in den
Schritt 2. Dort gibt er einen Zwangsbefehl aus:
• G10, der Automatik-Ablauf wird in seinen Initialisierungsschritt gezwungen und
dort solange G1 im Schritt 2 steht festgehalten. Zwangsbefehl: {INIT}
Für den Teil-GRAFCET G100 gibt es im Schritt 2 keinen Zwangsbefehl mehr. Er wird
dadurch freigegeben und kann gemäß seinen Transitionen ablaufen. Wird durch die
Variable Richten_OK der erfolgreiche Richtablauf gemeldet, NOT-AUS nicht betätigt
und die Betriebsart Automatik gewählt, schaltet G1 in den Schritt 3 weiter. Wird im
Schritt 2 NOT-AUS betätigt, springt G1 zurück in seinen Initialisierungsschritt 1.
4. Hierarchische GRAFCETs
20 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Im Schritt 3 gibt es erneut einen Zwangsbefehl:
• G100, der Richt-Ablauf wird zwangsweise deaktiviert und bleibt solange
deaktiviert wie der Schritt 3 aktiv bleibt.
Für G10, den Teil-GRAFCET für das Automatikprogramm gibt es keinen Zwangsbefehl
mehr im Schritt 3. Es ist dadurch freigegeben. Der Automatik-Ablauf kann gestartet
werden.
NOT-AUS 2B1 B4*S_Automatik*S1*1B2* *3B1* NOT-AUS*S_Manuell*S4
3B2 1B2
3B1 3B2
3B2
3B1
2B1 2B1
2B1
1B2 1B2* *3B12B1
1B1 1s/X102
10 100
3M1:=0 1M1:=0
3M1:=1 3M1:=0
3M1:=0 Richten_OK:=1
3M1:=1
2M1 2M2
2M2
1M1:=0 3M1:=1 3M2:=0
1M1:=1 2M1
3M2:=1
Richten_OK:=0
3M2:=0 3M2:=1
3M2:=1
3M2:=0
11 101
13 103
16 106
18
14 104
17
15 105
12 102
P1 P2
1B2* *3B12B1 Blinktakt
G10: Teil-GRAFCET des Automatikbetriebs (untere hierarchische Ebene)
G100: Teil-GRAFCET des Manuell/Richtbetriebs (untere hierarchische Ebene)
Werden im G1 die Teil-GRAFCETs G10 und G100 allgemein mit dem Zwangsbefehl
initialisiert, brauchen sie unbedingt eigene Initialisierungsschritte. Wären im G1 die
Schritte genau benannt, könnte im G10 und G100 auf Initialisierungsschritte
verzichtet werden.
4. Hierarchische GRAFCETs
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 21
Eine weitere Möglichkeit zur Strukturierung ist der einschließende Schritt:
12
Diese Darstellung eines Schrittes bedeutet, dass Schritt 12 weitere Schritte
einschließt. Er wird wie ein normaler Schritt in einen GRAFCET eingebunden. Die
eingeschlossenen Schritte sind mit Schrittnummer (oben) und Schrittnamen (unten)
in einem rechteckigen Rahmen darzustellen. Der zuerst aufgerufene
eingeschlossene Schritt (es ist kein Startschritt!!!) ist mit einem Stern *
gekennzeichnet.
Wir hätten unser Beispiel auch wie folgt mit einschließenden Schritten darstellen
können:
NOT-AUS*S_Manuell
1
Richten_OK*S_Automatik
"Manuell/Richten"
"Automatik"
NOT-AUS
NOT-AUS+S_Manuell
2
3
S4
1B2
3B2
2B1
1B2* *3B12B1
1s/X102
100
1M1:=0
3M1:=0
Richten_OK:=1
2M2
3M1:=1 3M2:=0
2M1
Richten_OK:=0
3M2:=1
101
*
103
106
104
105
102
P2
2
Richten
Blinktakt
Einschließende Schritte
4. Hierarchische GRAFCETs
22 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
• Die eingeschlossenen Schritte von Schritt 2 sind im Rahmen 2 (Richten)
dargestellt.
• Die eingeschlossenen Schritte von Schritt 3 sind im Rahmen 3 (Schleife)
dargestellt. Dieser enthält wiederum einen einschließenden Schritt 8.
• Die eingeschlossenen Schritte von Schritt 8 sind im Rahmen 8 (Ablauf)
dargestellt.
S1*1B2* *3B1*2B1 B4
X17*3B1
7P1
1B2* *3B12B1
"Zyklus läuft"8
3B2
1B1
2B1
1B2
3B2
2B1
3B1
10
1M1:=1
2M1
3M1:=1
2M2
1M1:=0
3M1:=0
3M1:=1
3M2:=1
3M2:=0
3M2:=1
3M2:=0
11
*
*
13
16
14
15
17
12
3M1:=0
8
3
Ablauf
Schleife
4. Hierarchische GRAFCETs
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET 23
Eignen sich die beiden bisher dargestellten Möglichkeiten besonders für
Hierarchien, ist die 3. und letzte Variante der Strukturierung hauptsächlich auf Grob-
Fein-Strukturen ausgelegt. Es sind Makroschritte.
M4
Ein Makroschritt unterscheidet sich vom einschließenden Schritt, dass er nur
verlassen werden kann, wenn sein Inhalt komplett abgearbeitet ist. Es gibt keine
Hierarchie. Schritt 3 kann im folgenden Beispiel nur aktiviert werden, wenn Schritt
S2 in der Expansion des Makroschrittes M2 aktiv ist und als Übergangsbedingung
die Variable S_Automatik 1 ist. Makroschritte haben eine teilweise festgelegte
Nummerierung. Der Makroschritt selbst beginnt immer mit einem „M“ und einem
alphanumerischen Namen. In der Expansion hat der erste Schritt den gleichen
Namen wie der Makroschritt, allerdings mit einem vorgestellten „E“ (Entrée = franz.:
Eingang). Der letzte Schritt hat auch den gleichen Namen wie der Makroschritt,
allerdings mit einem vorgestellten „S“ (Sortie = franz.: Ausgang). Die Schritte
dazwischen können wie sonst auch beliebig benannt werden.
Das folgende Beispiel unterscheidet sich von den beiden bisherigen Beispielen in
der Funktion und ist somit nicht vergleichbar.
1
M2
M4
S1*1B2* *3B1*2B1 B4
S_Manuell
S_Automatik
S_Automatik
3 P1
1B2* *3B12B1
"Manuell/Richten"
"Automatik"
Makroschritte
4. Hierarchische GRAFCETs
24 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • GRAFCET
Hier sehen sie die Expansionsdarstellungen der Makroschritte M2 und M4:
S4 3B2
1B2 1B1
3B2 2B1
2B1 1B2
2B1
1B2* *3B12B1 3B2
1s/X22 3B1
E2 E4
1M1:=0 1M1:=1
3M1:=0 2M1
3M1:=1
Richten_OK:=1 2M2
2M2 1M1:=0
3M1:=1 3M1:=0
3M1:=1
3M2:=1
3M2:=0
2M1
Richten_OK:=0 3M2:=13M1:=0
3M2:=1
3M2:=0
3M2:=0
3M2:=1
21 41
23 43
S2 46
24 44
25 45
S4
22 42
P2
Blinktakt
Makroschritt M2
"Richten"
Makroschritt M4
"Automatik"
Nun haben sie auch die Highlights von GRAFCET kennen gelernt. Ich denke, ich habe
nichts wichtiges vergessen. Möglicherweise kommen sie auch nicht drum herum,
sich die Original-Norm DIN EN 60848, bzw. in Österreich die OEVE/OENORM EN
60848 oder die entsprechende nationale Ausgabe ihres Landes zu besorgen.
Das war’s, liebe Seminarteilnehmer, an dieser Stelle zum Thema GRAFCET. Jetzt sind
sie am Zug! Das Grundwissen zum Erstellen von GRAFCETs besitzen sie, nur müssen
sie sich auch dazu trauen.