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Page 1: Haftungsrisiko im OP - Freiheitsstrafe wegen Hygienemängel im OP☆

Deutlicher f€allt der Anstieg aufIntensivstationen aus. Neben derZunahme des Anteils von 4MRGN A.baumannii von 11,1% (2008) auf19,6% (2012) ist hier auch ein Anteilder 4MRGN Klebsiella pneumoniae von1,0% der Isolate 2012 zu verzeichnen.Im Vergleich zu 2011 hat sich dieabsolute Anzahl der Nachweiseeiner Carbapenemase aus Isolaten, diean das Nationale Referenzzentrum (NRZ)f€ur gramnegative Krankenhauserregereingeschickt wurden im Jahr 2012 von1.473 auf 2.873 verdoppelt. [2]K€urzlich erschien eine Ver€offentlichungdes European Centre for DiseasePrevention and Control (ECDC) in derDeutschland als ein Land mit regionalerVerbreitung von Carbapenemase-bildenden Enterobakterien und€uberregionaler Verbreitung vonCarbapenem-resistenten A. baumanniibeschrieben wird (http://www.ecdc.europa.eu/en/publications/Publications/antimicrobial-resistance-carbapenemase-producing-bacteria-europe.pdf).Unter dem Eindruck der vorliegendenHinweise auf eine m€oglicherweisezu geringe Sensitivit€at des Screeningsauf 4MRGN und die potenzielleVerbreitung von 4MRGN durchVerlegungen von Patienten zwischenKrankenh€ausern und anderenmedizinischen Einrichtungen mitintensiver medizinischen Betreuung(z.B. neurologische Rehabilitation,ambulante Beatmung) innerhalbDeutschlands erscheint es geboten, sichbeim Screening auf eine 4MRGN-Besiedlung nicht nur auf eine Anamneseeines Aufenthalts in einem Krankenhausbzw. Kontakts mit einemGesundheitssystem außerhalbDeutschlands zu beziehen.Um einer weiteren Ausbreitungm€oglichst fr€uhzeitig entgegenzuwirken,regt die Kommission an, neben denbisher zu screenenden Patienten mitfolgenden bereits beschriebenenRisikofaktoren f€ur eine 4MRGN-Besiedlung:

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Kontakt zum Gesundheitssystem inL€andern mit endemischem Auftretenvon 4MRGN in den letzten 12Monaten;

qErsterscheinung in ,,Die Schwester Der Pfleger2014, S. 596 ff., mit freundlicher Genehmigungdes Bibliomed Verlags zur Zweitverwertung‘‘.

Kontakt zu Patienten, f€ur die eineBesiedlung mit 4MRGN nachgewiesenwurde (Pflege im gleichen Zimmer)

auch folgende Patienten auf eineBesiedlung zu screenen:

10 Krh.-Hyg. + Inf.verh. 36 Heft 3 (2014): 10http://journals.elsevier.de/khinf

Patienten mit einem station€arenKrankenhausaufenthalt (> 3 Tage)in den zur€uckliegenden 12Monaten in einer Region miterh€ohter 4MRGN-Pr€avalenz

Aufgrund unzureichender Daten bzgl.der 4MRGN-Pr€avalenz inunterschiedlichen L€andern oder Regionenempfiehlt sich als pragmatischesVorgehen ein Screening beientsprechender (Auslands-)Anamnesemit Krankenhausaufenthalt unabh€angigvom Ort des Aufenthaltes. F€ur Regionenmit bekannter geringer 4MRGN-Pr€avalenz k€onnen dieHygienekommissionen derKrankenh€auser ggf. entsprechendbegr€undete Ausnahmen festlegen, wasz. B. f€ur Krankenh€auser inGrenzregionen sinnvoll sein kann. ImRahmen der Zusammenarbeit in MRE-Netzwerken (MRE = MultiresistenteErreger) k€onnte ein solches Screeningauch zun€achst zeitlich befristetdurchgef€uhrt werden, um entsprechendeDaten zusammenzutragen (s. hierzu z. B.das Vorgehen im MRE-Netzwerk Rhein-Main; http://www.mre-rhein-main.de/meldepflicht_carbapenem.php).Je nach lokaler Epidemiologie kann dasScreening auch auf 4MRGNEnterobakterien und 4MRGN A.baumannii (d. h. ohne P. aeruginosa)begrenzt werden. Um die Zahlnotwendiger Isolierungen zu senken,kann ggf. auf eine pr€aemptive Isolierungder Patienten mit Risikofaktoren bis zumVorliegen der Screeningergebnisseverzichtet werden, wobei dieWahrscheinlichkeit des Auftretens unddas Risiko der €Ubertragung abgewogenwerden m€ussen.Die Risikoabw€agung und Festlegung desVorgehens soll durch dieHygienekommission des Hauseserfolgen.Bei Auftreten eines unerwartetenNachweises von 4MRGN bei einemPatienten ohne bekannten Risikofaktor(Auslandsaufenthalt,Krankenhausaufenthalt in einer Regionmit erh€ohter 4MRGN-Pr€avalenz, Kontaktzu bekanntem 4MRGN-Tr€ager) ist essinnvoll, solche Kontaktpatienten zuidentifizieren und zu screenen, die alsQuelle in Frage kommen.F€ur die mikrobiologischen Laboratorien,denen die Klassifizierung als 3MRGNoder 4MRGN auf den Befunden obliegt,sei an dieser Stelle auf die FAQs(frequently asked questions) zur MRGN-

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Klassifikation auf der Internetseite desNRZ f€ur gramnegativeKrankenhauserreger hingewiesen (http://memiserf.medmikro.ruhr-uni-bochum.de/nrz/FAQ_zu_MRGN-Klassifikation_20130123.pdf).Diese Erg€anzung bezieht sich nur aufSituationen außerhalb von Ausbr€uchen,in Ausbruchsituationen muss ausgiebigergescreent werden.

Literatur

[1] KRINKO: Hygienemaßnahmen beiInfektionen oder Besiedlung mitmultiresistenten gramnegativenSt€abchen. Bundesgesundheitsbl –Gesund-heitsforsch – Gesundheitsschutz.55 (2012) 1311–1354.[2] RKI: Zur aktuellen Situation beiCarbapenemase-bildendengramnegativen Bakterien. Epid Bull. 19(2013) 167–171.

aus: Epidemiologisches Bulletin: 26. Mai2014, Nr. 21, S. 183-184

(BW)

Haftungsrisiko im OP -Freiheitsstrafe wegenHygienem€angel im OPq

Das Landgericht Fulda (LG Fulda, Urt. v.29.03.2012 – 16 Js 6742/10 – 1KLs)verurteilte einen Arzt (FachgebietOrthop€adie) wegen Verstoßes gegen§ 14 S. 2 MPG aufgrund erheblicherHygienem€angel im OP zur Freiheitsstrafevon 2 Jahren und 3 Monaten. ImRahmen der strafrechtlichenErmittlungen wurden unter anderemfolgende hygienische Defizite offenbar:Die Raumlufttechnische Anlage wardefekt, was das OP-Personalveranlasste, die L€uftung des OP €uber dieFenster zu besorgen. Folge war derNachweis der Personengef€ahrdung durchSchimmelpilzsporen aus der Außenluftund das Freisetzen von Narkosegasen.

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Auch Schweißtropfen im OP-Gebietwurde vom OP-Team dokumentiert. DasOP-Team packte weiter das in sterilerindustrieller Kunststoffverpackungbefindliche Einwegmaterial in dieSterilgutcontainer, um es mittels Dampfzu sterilisieren. Die Kunststoffverpackungl€oste sich hitzebedingt auf, schmolz undverklebte mit dem Sterilgut. Gleichwohlwurde es im Rahmen der OPinstrumentiert und vom operierenden Arzteingesetzt. Scheren wiesen im Gelenkund Skalpellhalter am Griff br€aunlicheRost- bzw. Blutrest-Verf€arbungen auf.Pinzetten f€ur Elektrokoagulation warenteilweise so stark korrodiert, dass dieKunststoffummantelung auf- bzw.abgeplatzt war. Weiter wurde einArthroskopie-Ger€at mit Trinkwassergesp€ult, in phenolhaltige L€osung gelegt,anschließend lediglich abgetupft und f€urdie OP bereit gelegt. Das OP-Teamwechselte nicht vollst€andig die OP-Kleidung beim Verlassen des sterilen OP-Bereichs, verwendete den Mundschutz biszur v€olligen Durchn€assung und ließAngeh€orige den Aufwach- undNarkoseraums in Straßenkleidungbetreten. Der OP Saal wurde nach deneinzelnen Operationen nicht gewischt, essei denn, es befanden sich sichtbareVerschmutzungen – etwa Blutreste – aufdem Boden. In der Folge infizierten sichzahlreiche Patienten mit A-Streptokokken,wobei eine Patientin einen septischenSchock mit drohender Entgleisung allerOrgane erlitt.

Kommentar:

Wohl erstmals wurde ein Arzt(Fachgebiet Orthop€adie) wegenVerstoßes gegen § 14 S. 2 MPGaufgrund erheblicher Hygienem€angel imOP zur Freiheitsstrafe von 2 Jahren und3 Monaten verurteilt (LG Fulda, Urt. v.29.03.2012 – 16 Js 6742/10 – 1KLs)!Dabei handelt es sich um eineFreiheitstrafe, die nicht zur Bew€ahrungausgesetzt werden kann, so dass dieFreiheitsstrafe im Vollzug angetretenwerden muss! Die entsprechendenKonsequenzen f€ur Approbation,vertrags€arztlichen Versorgungsauftragliegen auf der Hand. Schon langemachen wir auf das erhebliche Risikoaufmerksam (vgl. Weimer/J€akel,Ratgeber Medizinprodukterecht,medhochzwei Verlag 2012), das von§ 14 S. 2 MPG f€ur dieLeistungserbringer ausgeht. Danach

d€urfen Medizinprodukte nicht betriebenund angewendet werden, wenn sieM€angel aufweisen, durch die u.a.Patienten gef€ahrdet werden k€onnen.Aufgrund der rechtlichen Ausgestaltungvon § 14 S. 2 MPG als abstraktesGef€ahrdungsdelikt, gen€ugt f€ur eineStrafbarkeit die bloße Gef€ahrdung,realisieren muss sich die Gefahr ebennicht. § 40 Abs. 1 Nr. 4 MPG sieht f€ureinen einfachen Verstoß eineFreiheitsstrafe von bis zu drei Jahrenoder Geldstrafe vor; im besondersschweren Fall Freiheitsstrafe vonmindestens 1 bis zu 5 Jahren. Dabeigelten diese Rechtsfolgen nicht allein f€urden Arzt, sondern auch f€ur daspflegerische OP-Team. In derVernehmung gaben die Pflegekr€afte imvorliegenden Fall an, nicht geschultworden zu sein und es nicht bessergewusst zu haben. Ein allarmierendesSignal f€ur alle in Verantwortungstehende Leistungserbringer im Zeitalterder Diskussion um ,,Skillmix‘‘ imKrankenhaus. Insbesondere im OP nichtauf qualifiziertes Personal zu setzen,sondern auch im Bereich desInstrumentierens, der Hygiene und derAufbereitung von Medizinproduktelediglich unerfahrenes, angelerntesPersonal einzusetzen, kann f€ur diePflegedienstleitung/ das OP-Management bis hin zurGesch€aftsf€uhrung unter demGesichtspunkt desOrganisationsverschuldens haftungs-,arbeits- und nicht zuletzt strafrechtlicheKonsequenzen haben. Dassstrafrechtliche Konsequenzen nicht mehrallein abstrakt, sondern sehr konkretdrohen, zeigt zum einen die vorliegendeVerurteilung, zum anderen aber auch dieam 01.01.2013 in Kraft getretene MPG-Verwaltungsvorschrift, die dasQualit€atsmanagement derAufsichtsbeh€orden regeln soll. Sienormiert €Uberwachungs- undInspektionspflichten der€Uberwachungsbeh€orden nach§ 5 MPGVwV. Danach darf die€Uberwachungsbeh€orde

vor Ort, angek€undigt oderunangek€undigt Inspektionendurchf€uhren, zum Zwecke derFeststellung, ob insbesondere dieVoraussetzungen zur� Inbetriebnahme,� zum Errichten, Betreiben,Anwenden und Instandhalten vonMP,

Krh.-Hyg. + In

� Aufbereitung vonMedizinprodukten, diebestimmungsgem€aß keimarm odersteril zur Anwendung kommen,erf€ullt sind.

f.vhtt

Anlassbezogene Inspektionen k€onneninsbesondere auf Grund vonVerbraucherbeschwerden, sonstigenBeanstandungen oder Berichten undMeldungen €uber m€oglicheGef€ahrdungen durchMedizinprodukte durchgef€uhrtwerden

Bei Verdacht einer Straftat, also zumBeispiel ein Verstoß gegen § 14 S.2 MPG –wie vorliegend- ist diezust€andige Staatsanwaltschaft zwingendzu informieren. Das gilt auch, wenn eineOrdnungswidrigkeit mit einer Straftatzusammentrifft oder Zweifel dar€uberbestehen, ob eine Straftat oder eineOrdnungswidrigkeit gegeben ist.Letztlich droht eineverwaltungsrechtliche Inanspruchnahmeaus § 26 Abs. 2, 3, § 28 MPG in Formvon Auflagen, bis hin zurBetriebsschließung (OVG NRW, Beschl.v. 08.09.2009 – 13 B 894/09). Sollenderartige Risiken vermieden werden, istsachverst€andige Beratung zwingend.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Tobias Weimer, M.A.Fachanwalt f€ur MedizinrechtWEIMER I BORK – Kanzlei f€ur Medizin-,Arbeits- & StrafrechtFrielinghausstr. 844803 BochumTel: 0234 – 60 49 11 92 Fax: - [email protected]

Zu einer MRSA-H€aufung beiBewohnern eines Alten- undPflegeheims in Mecklenburg-Vorpommern

€Uber die Leitung einer Einrichtung mitinsgesamt 80 Pflegepl€atzen wurde imMai 2012 der Fachdienst Gesundheitdes Landkreises Ludwigslust-Parchim (FDG) €uber vermehrte MRSA-Befunde beiBewohnern informiert. Im ZeitraumDezember 2011 bis Mai 2012 warbei vier Bewohnern, die auf einer Etage

erh. 36 Heft 3 (2014): 101–119p://journals.elsevier.de/khinf 111


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