RuhrUniversität Bochum PD Dr. med. L. Barbera Dienstort: Klinikum BremenMitte Klinik für Allgemein,Visceral und Gefäßchirurgie
Verlaufsbeobachtung nach operativer Behandlung funktioneller Autonomien der Schilddrüse
INAUGURALDISSERTATION zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer
Hohen Medizinischen Fakultät der RuhrUniversitätBochum
vorgelegt von Birgit Holl
aus Osnabrück 2005
Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Priv. Doz. Dr. med. L. Barbera Korreferent: Priv. Doz. Dr. med. Marc Wick
Tag der mündlichen Prüfung: 06.06.2006
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Einführung in das Thema und Problemstellung S. 1
1.2. Medizingeschichte S. 3
1.3. Embryologie, Anatomie, Histologie S. 5
1.4. Physiologie und Pathophysiologie der Schilddrüse S. 7
1.5. Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen S. 11
1.6. Therapie der Schilddrüsenautonomie S. 17
2. Patienten und Methode
2.1. Patientenkollektiv und Untersuchungszeitraum S. 24
2.2. Klinische Daten des untersuchten Kollektivs S. 24
2.3. Nachuntersuchung S. 26
2.4. Statistik S. 28
3. Ergebnisse
3.1. Retrospektive Daten des untersuchten Patientenkollektivs S. 31
3.2. Mittelfristige Untersuchungsergebnisse S. 40
3.3. Langfristige Untersuchungsergebnisse S. 51
4. Diskussion S. 55
5. Zusammenfassung S. 76
6. Literaturverzeichnis S. 77
7. Anhang S. 90
7.1. Erfassungsbogen S. 90
7.2. Anschreiben und Fragebogen zur Langzeituntersuchung S. 95
8. Danksagung S. 98
9. Lebenslauf S. 99
Verwendete Abkürzungen
AK=Antikörper
ATP=Adenosintriphosphat
cm=Zentimeter
DIT=Dijodtyrosin
EGF=Epidermal growth factor
FGF=Fibroblast growth factor
fT3=freies T3
fT4=freies T4
GY=Gray
H 2O2 Wasserstoffperoxid
IGF=Insulin like growth factor Ι
J 125 =Jod 125
MIT=Monojodthyrosin
ml=Milliliter
mm=Millimeter
mU=MilliUnit
µg=Mikrogramm
ng=Nanogramm
O2=Sauerstoff
T3=Trijodthyronin
T4=Tetrajodthyronin
TBG=Thyroxin bindendes Globulin
TcU=Thyreoidaler Technetium Uptake
TGFα=Transforming growth factor α
TGFβ=Transforming growth factor β
TPOAK=Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase
TRAK=Antikörper gegen den TSH Rezeptor
TRH=Thyreotropin releasing Hormon
TSH=Thyreoidea stimulierendes Hormon
WHO=World Health Organisation
1
1. Einleitung
1.1. Einführung in das Thema und Problemstellung
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Jodmangelgebiet zweiten Grades (55). Das
Ausmaß dieser Mangelerscheinung wurde 1973 von der WHO in drei Schweregrade
eingeteilt, wobei die Quantifizierung durch die mittlere Jodidausscheidung im 24h
Urin erfolgte (65). Grad 1 bedeutet eine Ausscheidung von 50150 µg Jod / g
Kreatinin, Grad 2 eine Ausscheidung von 25 50 µg Jod / g Kreatinin und der dritte
Schweregrad weniger als 25 µg Jod / g Kreatinin. Die Jodversorgung weist zwar noch
regionale Unterschiede auf, ein NordSüdGefälle läßt sich jedoch heutzutage nicht
mehr belegen (132).
Infolge der Auswaschung des Bodens in der Eiszeit ist der Jodgehalt des Bodens sehr
gering, woraus eine Jodverarmung der pflanzlichen und tierischen Nährstoffe
resultiert. Mit der Nahrung wird nur etwa ein Drittel des Bedarfs gedeckt, dabei
könnte dieses Defizit durch eine obligatorische Jodprophylaxe ausgeglichen werden
(45,46, 47,78). Noch immer fehlen in der Bundesrepublik Deutschland gesetzliche
Voraussetzungen, um eine ausreichende alimentäre Jodversorgung der Bevölkerung
sicherzustellen. Aus der Unterversorgung entstehen Schilddrüsenkrankheiten, die
wegen ihrer Häufigkeit zu den Volkskrankheiten gezählt werden. Etwa 20 Millionen
Deutsche weisen eine vergrößerte Schilddrüse auf. Bei 2030% dieser Patienten
entwickelt sich im langjährigen Verlauf eine behandlungsbedürftige Hyperthyreose
(83,85). Die Kosten, die dem Gesundheitssystem durch Schilddrüsenkrankheiten
entstehen, belaufen sich auf etwa 1 Milliarde Euro jährlich (68).
Chronischer Jodmangel führt bei prädisponierten Personen zu morphologischen und
funktionellen Veränderungen des Schilddrüsengewebes. Der Jodmangel als Ursache
der Strumaentstehung wurde lange Zeit unterschätzt, TSH als alleiniger
wachstumsstimulierender Faktor angesehen. Erst in den letzten Jahren wurde das
pathogenetische Konzept der Strumaentwicklung revidiert, wobei man zeigen
konnte, daß das TSH und der intrathyreoidale Jodmangel Mechanismen in Gang
2
setzen, die dann zur Schilddrüsenhypertrophie und Hyperplasie führen. In länger
bestehenden Strumen entwickeln sich häufig Schilddrüsenautonomien, also
Gewebsbezirke, die TSHunabhängig Schilddrüsenhormone produzieren und
sezernieren. Insbesondere ältere Menschen sind hiervon betroffen. Durch
Jodkontamination kann bei diesen Menschen eine lebensbedrohliche Hyperthyreose
ausgelöst werden (1,38,43,58,66,91,113).
Während eine thyreostatische Behandlung kurzfristig dem Erreichen einer
euthyreoten Stoffwechsellage dient, ist das Ziel der Therapie bei
Schilddrüsenautonomien aber, eine möglichst dauerhafte euthyreote
Stoffwechsellage zu gewährleisten. Dies kann durch konservative Maßnahmen, wie
die Radiojodtherapie oder durch differenzierte Resektion autonomer Areale unter
Belassung von gesundem Parenchym erreicht werden. Anschließend ist eine
lebenslange medikamentöse Rezidivprophylaxe erforderlich, um der Entstehung von
Rezidiven vorzubeugen (114). Anhand zahlreicher Untersuchungen konnte, nach
chirurgischer Behandlung von Jodmangelstrumen, eine Rezidivrate in bis zu 70% der
Fälle beschrieben werden. Insbesondere bei Vorliegen einer Hyperthyreose stellt ein
Rezidiv eine therapeutische Herausforderung dar. Faktoren wie Vorliegen einer
Autonomie, Ausmaß der primären Resektion, Art der erfolgten Rezidivprophylaxe
und Untersuchungsintervall wurden mit dem Auftreten eines Rezidivs in
Zusammenhang gebracht.
Diese Verlaufsbeobachtung von Patienten nach operativer Therapie von
Schilddrüsenautonomien soll anhand klinischer, laborchemischer und
sonographischer Untersuchungen einen Beitrag dazu leisten, Ursachen
herauszuarbeiten, die zur Entstehung von Rezidiven führen können. Besondere
Beachtung finden in diesem Zusammenhang Gesichtspunkte wie das
Resektionsausmaß, die Art der medikamentösen Rezidivprophylaxe sowie das
Zeitintervall zwischen Operation und Nachuntersuchung.
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1.2. Medizingeschichte
Die vier hippokratischen Grundstoffe – die gelbe Galle, das Blut, der Schleim und
die schwarze Galle – beschäftigten die Wissenschaftler des Mittelalters. Paracelsus
(14931541) hatte als erster eine Vorstellung von Stoffwechselkrankheiten. Er
schrieb: „Der Mensch ist ein chemisches Gemisch. Die Krankheiten haben ihre
Ursache in irgendeiner Verfälschung dieses Gemisches.“ In Bezug auf Erkrankungen
der Schilddrüse berichtete er über einen Zusammenhang zwischen Kropf und
Kretinismus. In dieser Zeit entstanden auch erste anatomische Erkenntnisse, aber erst
ein Jahrhundert später gelang Malpighi die Beschreibung der feingeweblichen
Struktur der Schilddrüse. Im 18. Jahrhundert beschrieben Wharton, Lalouette, Henle
und Kölliker erstmalig die Existenz von „geschlossenen Drüsen“ und kamen zu dem
Schluß, daß das Blut bei Durchströmen dieser Drüsen einen Wandel erfährt.
Im Jahre 1811 wurde erstmals Jod aus Seetang gewonnen und von Courtois, Coindet
und Dumas zur Behandlung des Kropfes verwendet. Nur wenige Jahre später
behauptete Boussingault, daß bei Einführen der Jodsalzprophylaxe der Kropf in
gefährdeten Regionen verschwinden würde. Zu diesem Zeitpunkt hörte jedoch noch
niemand auf seine Empfehlungen. Erst im Jahre 1860 etablierte sich durch Chatin
das Wissen über die Prävention des Kropfes durch Jod.
Ein großer Fortschritt im 19. Jahrhundert waren neben der Aufhebung der
mittelalterlichen Trennung von Medizin und Chirurgie die Erkenntnisse auf den
Gebieten der Asepsis und der Anästhesie. Ende der achtziger Jahre trauten sich die
Chirurgen in Bereiche des menschlichen Körpers vor, die sie bis dahin nicht
angerührt hatten die Gelenke, die Bauchhöhle, den Kopf und die Wirbelsäule. Die
Geschichte der Chirurgie der Schilddrüse ist eng mit dem Namen Theodor Kocher
(18411917) verknüpft, der in Bern die erste totale Schilddrüsenresektion
durchführte. Bedingt durch die Unkenntnis über die Schilddrüsenfunktion endeten
die ersten Schilddrüseneingriffe mit einem Myxödem (Cachexia strumipriva). Auch
Reverdin (18421908) war Pionier in der Schilddrüsenchirurgie. Ihm und Kocher
sind die Beobachtungen einer postoperativen Komplikation, die
Nebenschilddrüsenunterfunktion mit Tetanie, zu verdanken. Karl von Basedow
(17991854) beschrieb eine Schilddrüsenerkrankung, die mit einer Struma,
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Tachykardie und Exophtalmus einhergeht, auch „Merseburger Trias“ genannt. Henry
Plummer unterschied 1913 zwei verschiedene Formen der Schilddrüsenüberfunktion.
Einerseits beschrieb er eine Hyperthyreose mit einer diffus vergrößerten, aber nicht
tastbaren Schilddrüse mit Augensymptomatik, bei der nach operativer Behandlung
oftmals Hyperthyreoserezidive auftraten. Dieser Erkrankung stellte er die
Hyperthyreose ohne Augenveränderungen und ohne Hyperthyreoserezidiv bei Struma
nodosa gegenüber. Hieraus entstand die Differenzierung des Morbus Basedow und
des Morbus Plummer.
Im 20. Jahrhundert wurden die Hormone chemisch analysiert der und ihre Wirkung
im Detail erforscht. Hardy bezeichnete bereits im Jahre 1905 eine Substanz, die von
einzelnen Zellen ans Blut abgegeben wird und an einem anderen Ort eine Wirkung
auslöst, als Hormon, aber erst sieben Jahre später wurde durch Nicola Pende der
Begriff Endokrinologie geboren. Kendell gelang 1914 die Gewinnung von Thyroxin.
Aus drei Tonnen Schilddrüsen, die er von einem Schlachthof bezog, konnte er 33
Gramm Thyroxin isolieren. Damit war die Opotherapie, die Gewebssafttherapie,
geboren.
Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte das Wissen über Schilddrüsenveränderungen
einen starken Aufschwung. Die Einführung der Szintigraphie führte zu einer
Verbesserung der Schilddrüsendiagnostik. Taylor war in der Lage, typische
nuklearmedizinische Charakteristika den Schilddrüsenautonomien zuzuordnen.
Taylor zeigte 1953 in autoradiographischen Studien eine funktionelle Heterogenität
von Strumen. Miller et al. wiesen dann 1964 intrathyreoidale regionale Autonomien
autoradiographisch nach (3).
Ursachenforschung zum Jodmangel war das Thema vieler Untersuchungen. Die
WHO empfahl bereits 1960 die Prophylaxe gegen diesen Mangel, der, wie man
inzwischen wußte, die Hauptursache für endemische Strumen darstellt.
In den letzten Jahren ist es gelungen, den NatriumJodid Symporter, das Gen des
zentralen Moleküls für die Jodidaufnahme, zu klonieren. Dadurch kann das
biochemische und klinische Wissen über die Anreicherung des Spurenelements Jod
auf molekularer Ebene nachvollzogen und somit therapeutisch genutzt werden
(68,90).
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1.3. Embryologie, Anatomie, Histologie
1.3.1.Embryologie
Bereits in der dritten Embryonalwoche beginnt die Entwicklung der Schilddrüse aus
einer Aussackung des Rachenepithels und den seitlichen Schlundtaschen, die mit
dem Truncus arteriosus nach kaudal verlagert werden. Über den Ductus
thyreoglossus bleibt die Drüsenanlage zunächst mit der Ausgangsstelle, dem
Mundboden, verbunden. Diese Verbindung wird jedoch während der weiteren
Organentwicklung unterbrochen. Der Lobus pyramidalis entspricht dem kaudalen
Anteil dieses Verbindungsstranges. In der siebten Schwangerschaftswoche erreicht
das Organ seine endgültige Position vor der Trachea. Nach drei
Schwangerschaftsmonaten kann man Follikel und Jod nachweisen. Zu diesem
Zeitpunkt kann die Drüse schon Jod aufnehmen, Schilddrüsenhormone
synthetisieren und sezernieren. Etwa zeitgleich sind Calcitoninproduzierende C
Zellen erkennbar.
Bei der Geburt wiegt eine menschliche Schilddrüse 2 g und erreicht im
Erwachsenenalter bei Frauen ein Gewicht von ca.18 g und bei Männern bis zu 25 g.
Formvarianten der Schilddrüse sowie das Fehlen eines Schilddrüsenlappens sind nicht
ungewöhnlich. Funktionell haben sie meist keine Bedeutung. Eine Athyreose,
d. h. völliges Fehlen der Schilddrüse, ist dagegen sehr selten.
Fehllagen kommen durch ungenügenden Descensus, (Zungengrundstrumen) oder zu
tiefen Verlagerungen (intrathorakale bzw. retrosternale Lagen) vor. Erst bei
Organvergrößerungen erlangen sie eine klinische Relevanz (7).
1.3.2. Anatomie
Die Schilddrüse ist eine schmetterlingsförmige, innersekretorische Drüse, die vor
und beidseits der Trachea und kaudal vom Kehlkopf liegt. Sie besteht aus zwei
ovalen Lappen, dem Lobus dexter und sinister, welche durch ein Mittelstück, den
Isthmus, miteinander verbunden sind. In etwa 50 Prozent der Fälle zieht ein kleiner
Fortsatz, der Lobus pyramidalis vom Isthmus zum Zungenbein. Die Drüse ist von
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einer feinen Organkapsel eingehüllt, die in die Tiefe reicht und das Organ in einzelne
Läppchen einteilt. Eine zweite äußere, derbe Organkapsel – Capsula fibrosa – heftet
die Schilddrüse an den Kehlkopf und die Trachea. Zwischen diesen beiden Kapseln
verlaufen die Schilddrüsengefäße, außerdem liegen dort die Epithelkörperchen.
Die Blutversorgung wird von zwei Arteriae thyroideae superiores und der Arteria
thyroidea inferior aus dem Truncus thyrocervicalis übernommen. Diese Gefäße sind
durch zahlreiche Anastomosen miteinander verbunden. Bei ca. 10 Prozent der
Patienten zieht eine einzelne Arteria thyroidea ima aus dem Truncus
brachiocephalicus oder dem Aortenbogen zum Isthmus. Die oberen
Schilddrüsenvenen ziehen neben den Arterien her und münden in die Venae
jugulares internae. Die unteren Schilddrüsenvenen beginnen am Isthmus und ziehen
zu den Venae brachiocephalicae oder in seltenen Fällen zu den Venae jugulares
internae.
Außerhalb der Capsula fibrosa verläuft in der Rinne zwischen Ösophagus und
Trachea der Nervus laryngeus recurrens. Dieser Sulcus dient den Nerven als Schutz
vor Verletzungen. Der paarig angelegte Nerv ist ein Ast des Nervus vagus. Der
rechte Nervus laryngeus recurrens zweigt kranialer vom Vagus ab, als der linke. Er
umschlingt die rechte Arteria subclavia nach dorsal und zieht dann nach kranial. Der
linke Nervus vagus gibt in Höhe des Aortenbogens den Nervus laryngeus recurrens
nach dorsokranial ab. Kranialwärts in der Rinne zwischen Ösophagus und Trachea
verlaufend, strahlt der Rekurrensnerv in den Kehlkopf ein. Vor Eintritt in den
Kehlkopf liegt er in unmittelbarer Nähe zur Arteria thyroidea inferior und zwar in 65
Prozent dorsal, in 26 Prozent ventral davon und in 9 Prozent befindet er sich
zwischen den Ästen der Arterie (48,112,120).
1.3.3. Histologie
Die einzelnen Thyreozyten sind zu funktionellen Einheiten, den Follikeln,
zusammengeschlossen. Jeder Follikel hat eine Größe von 3550 µm und ist von
einschichtig angeordneten Thyreozyten begrenzt. Seine Form und Größe variiert je
nach Funktionszustand der Schilddrüse. Funktionsgesteigerte Bezirke weisen große
Follikelzellen mit großen Kernen auf, umliegendes Gewebe ist ruhiggestellt. Im
7
Inneren der Follikel befindet sich das Kolloid. Zwischen den Follikeln liegen
Calcitonin produzierende CZellen. Zwischen den einzelnen Schilldrüsenfollikeln
befindet sich ein dichtes Netz von Nervenfasern, Blut und Lymphgefäßen (76).
1.4. Physiologie und Pathophysiologie der Schilddrüse
1.4.1. Hormonsynthese
Bereits am Ende des dritten Schwangerschaftsmonats nimmt die Schilddrüse des
Fötus ihre Funktion, d. h. Jodaufnahme, Speicherung, Synthese und Sezernierung der
Schilddrüsenhormone, auf. Der Hauptbaustein der Schilddrüsenhormone ist Jod. Im
Dünndarm wird das in der Nahrung bzw. im Trinkwasser enthaltene Jod als Jodid
resorbiert. Anschließend werden etwa 40 Prozent dieses Jodids von der Schilddrüse
aufgenommen, gespeichert und in die Hormone T3 und T4 eingebaut. Da die
Jodkonzentration im Plasma zehn bis hundertfach geringer als in der Schilddrüse ist,
geschieht die Aufnahme aktiv mit Hilfe der Jodpumpe. Der größte Teil des Jods, der
nicht von der Schilddrüse aufgenommen wurde, sowie das beim Abbau von T3 und
T4 freiwerdende Jodid werden über die Nieren ausgeschieden. Nur ein geringer Teil
wird mit dem Stuhl eliminiert.
In der Schilddrüse oxidiert das aufgenommene Jod in Anwesenheit von H2O2 und
wird danach in Thyreoglobulin eingebaut. Diese beiden Schritte geschehen unter
dem Einfluß der Schilddrüsenperoxidase. So entstehen die Hormonvorläufer
3Monojodthyrosin (MIT) und 3,5Dijodthyrosin (DIT). Die Schilddrüsenperoxidase
katalysiert die Kopplungsreaktion von MIT und DIT zu T3 und von DIT und DIT zu
T4. T3 wird jedoch zum größeren Teil durch Dejodierung von T4 gebildet. Die
Schilddrüse kann die Hormone für ca. zwei Monate speichern. Die Sekretion beginnt
mit der Aufnahme von Kolloidanteilen in die Zelle. Dies geschieht durch
Endozytose. Intrazellulär verbindet sich das Kolloid mit Lysosomen. Durch
enzymatische Spaltung der Thyreoglobulinmoleküle werden T3 und T4 frei und über
die Basalmembran an das Blut abgegeben. T4 wird zu 85% und T3 nur zu 15%
sezerniert. Thyroxin hat eine Halbwertzeit von 190 Stunden. Im Blut ist es zu 99%
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an die Transportproteine Thyreoglobulin (TBG), Transthyretin und Albumin
gebunden. T3 ist ebenfalls zu 99% an die Transportproteine gebunden. Da seine
Affinität aber wesentlich niedriger ist, wird es schneller ausgeschieden. Seine
Halbwertzeit beträgt nur 19 Stunden (90).
1.4.2. Funktion der Schilddrüsenhormone
Die Schilddrüsenhormone sind für den Erhalt der Homöostase im ganzen
Organismus von entscheidender Bedeutung. Sie werden zu über 99% an
Trägerproteine gebunden, im Blut transportiert und durchdringen dann passiv durch
Diffusion die Membran ihrer Zielzellen. Nur 0,03% der Hormone liegen in freier
Form vor. Im Cytosol werden T3 und T4 an ein spezifisches Protein gebunden. So
wird ein Reservoir an Schilddrüsenhormonen in diesen Zellen aufrechterhalten. Im
Zellkern liegt der eigentliche Hormonrezeptor. Auch an der inneren
Mitochondrienmembran findet man Hormonbindungsstellen, was zu der Vermutung
führt, daß hierdurch der O2 Verbrauch und die ATP Produktion beeinflußt werden.
Insgesamt läßt sich sagen, daß der Grundumsatz und der Gesamtstoffwechsel
gesteigert werden. In der Entwicklungsphase wird die normale Gehirnreifung und
normales Knochenwachstum von den Schilddrüsenhormonen beeinflußt. Auch die
Gonadenfunktion wird durch die Schilddrüsenfunktion reguliert. Weiterhin
beeinflußen die Hormone den Kohlenhydratstoffwechsel durch Steigerung der
Gluconeogenese als auch der Glykogenolyse. Sie verstärken die Insulinwirkung und
bauen gleichzeitig Insulin in hohem Maße ab, wodurch dessen Bedarf ansteigt. Im
Fettstoffwechsel kommt es zu einer Steigerung der Lipidsynthese und in geringerem
Maße zur Lipolyse. Physiologische Hormonspiegel wirken im Eiweißstoffwechsel
anabol. Unter dem Einfluß von T3 und T4 wird die Herzleistung gesteigert. Es kommt
zu einer Steigerung der Myokardkontraktilität, zu einem erhöhten Schlagvolumen
und zu einer gesteigerten Schlagfrequenz. Die Erregbarkeit des Herzens nimmt zu
(38,90).
9
1.4.3. Physiologische Steuerung des Schilddrüsenstoffwechsels
Ein übergeordnetes Zentrum steuert die Synthese und Freisetzung von Hormonen.
Der Hypothalamus regt über die Produktion des Thyreotropin ReleasingHormon
(TRH) die Hypophyse zur Sekretion des Thyroid stimulierenden Hormon (TSH) an.
Der TSHSpiegel unterliegt einer Tagesrhythmik, wobei der höchste Wert um
Mitternacht gemessen wird. Es bindet sich an einen spezifischen TSHRezeptor an
der Oberfläche der Thyreozyten und führt zur Aktivierung von Adenylatcyklase.
Dadurch werden die aktive Jodaufnahme, die Thyreoglobulinsynthese sowie die
Synthese und Freisetzung der Schilddrüsenhormone stimuliert. Ohne TSH
Stimulation würde die Schilddrüse nur 1020% des Hormonbedarfs synthetisieren
können. Zudem greift TSH mit in die Wachstumsregulation der Schilddrüse ein.
1.4.4. Funktionelle Autonomie der Schilddrüse
Der Begriff funktionelle Autonomie beschreibt Schilddrüsenfollikel, die unabhängig
vom thyreotropen Regelkreis Hormone bilden und freisetzen. Funktionell autonome
Zellen kommen auch in gesunden Schilddrüsen vor, aber in Abhängigkeit der Anzahl
und metabolischen Aktivität der funktionell autonomen Follikel kann es zu einer
pathologischen Stoffwechselsituation kommen. Eine Schilddrüsenautonomie kann
also mit einer Euthyreose, latenten oder manifesten Hyperthyreose einhergehen. Die
autonomen Bezirke können sowohl herdförmig, als auch diffus verteilt auftreten.
Nach szintigraphischen Kriterien werden die Autonomien entsprechend in unifokale
(Auftreten eines solitären Knotens ), multifokale (mehrere Knoten in dem Organ)
oder disseminierte Autonomien (mikronoduläre Veränderungen diffus über die
Schilddrüse verteilt) eingeteilt (56).
Chronischer Jodmangel führt zunächst über eine Störung der Hormonsynthese zur
TSHErhöhung mit kompensatorischer Hypertrophie der Schilddrüse. Ein direkter
Zusammenhang zwischen Schilddrüsengröße und TSHSpiegel ließ sich jedoch nicht
herstellen (46). Erst ein lange bestehendes Joddefizit mit niedrigem intrathyreoidalen
Jodgehalt führt über die Aktivierung von lokalen Wachstumsfaktoren zu einer
Organhyperplasie (38,39,40,54). Lokale Wachstumsfaktoren spielen bei der
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Proliferation der Schilddrüsenzellen und auch der autonomen Zellen eine
entscheidende Rolle, so daß die Thyreozyten nicht mehr dem Regelkreis unterliegen
und eine Wachstumsund Funktionsautonomie entwickeln. Besonders in lange
bestehenden Jodmangelstrumen sind klinisch relevante Autonomien zu finden. In
den letzten Jahren wurden lokale Wachstumsfaktoren wie EGF (epidermal growth
factor), IGF ( insulinlike growth factor 1) und TGF α (transforminggrowth factor α)
in der Schilddrüse nachgewiesen. Diese Wachstumsfaktoren werden bei
intrathyreoidalem Jodmangel freigesetzt und stimulieren die Proliferation und damit
das Wachstum des Organs. Gleichzeitig isolierte man den hemmenden
Wachstumsfaktor TGF β (transforming growth factor β) aus den Schilddrüsenzellen.
Er hemmt die Wirkung von EGF und IGF auf das Organwachstum. Bei
ausreichendem Jodgehalt wird er vermehrt, bei Jodmangel vermindert synthetisiert
(70,88,111).
Goretzki und seine Mitarbeiter entdeckten 1988 als weiteren Wachstumsfaktor das
FGF (fibroblast growth factor), der die Angiogenese und das Wachstum von
Fibroblasten stimuliert (43). Studer und Derwahl beschäftigten sich mit der
Knotenbildung in länger bestehenden Strumen. Sie fanden heraus, daß die
Schilddrüse nicht aus einer homogenen Zellpopulation besteht. Histochemisch
konnten sie nachweisen, daß Schilddrüsenzellen unterschiedlich auf Jodmangel
reagieren. Die einzelnen Zellen zeigen eine unterschiedliche intrinsische
Wachstumstendenz und andere variable Funktionen, die sie auf ihre Tochterzellen
übertragen. Das Wachstum wird durch hemmende und stimulierende Faktoren
reguliert. Erst wenn es zu einem Ungleichgewicht zugunsten der
Wachstumsstimulierung kommt, bildet sich aus einer veränderten Zelle ein
Schilddrüsenknoten (111). Molekularbiologische Analysen zeigen, daß fast alle
Tumoren klonalen Ursprungs sind (21,22). Durch Mutationen oder andere genetische
Defekte kann eine Zelle so verändert werden, daß sie einen Wachstumsvorteil hat.
Jede Zelle hat individuelle Funktionen und Wachstumspotentiale. In der Schilddrüse
sind alle Knoten Adenome und regressiv veränderte Knoten klonaler Herkunft, d. h.
sie entsprechen echten benignen Tumoren.
Schilddrüsenknoten können mit einer Unter und einer Überfunktion einhergehen.
Als Ursache für die Funktionssteigerung identifizierte man in den letzten Jahren
11
aktivierende Mutationen im TSHRezeptorGen und am Protein alpha S, die durch
TSH unabhängige Stimulierung des Adenylatzyklasestoffwechselweges eine
Überfunktion hervorrufen können. Die Adenylatzyklase kontrolliert die Funktion der
Schilddrüsenzelle, ihre ständige Aktivierung führt zu einer Funktionssteigerung
(20,82,87). Die Stoffwechsellage ist zudem aber noch von der individuellen
Jodversorgung abhängig. In Mangelgebieten ist der Baustein Jod für die
Hormonproduktion unzureichend vorhanden, so daß hier auch große multifokale
Strumen mit Autonomien euthyreot sein können.
1.5. Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen
1.5.1 Anamnese und körperliche Untersuchung
Beginnen sollte jede Untersuchung mit einer sorgfältig erhobenen Anamnese. Das
Wissen um den oft symptomarmen Beginn der Schilddrüsenautonomie ermöglicht
schon im Frühstadium die entscheidende Verdachtsdiagnose. Anamnestisch ist nach
familiärer Vorbelastung, Einnahme jodhaltiger Medikamente, sowie den Symptomen
einer Schilddrüsenüberfunktion zu fragen. Das häufig angegebene
Fremdkörpergefühl (Globusgefühl) ist ein unspezifisches Symptom und läßt sich
oftmals nicht durch eine Schilddrüsenvergrößerung erklären. Bei deutlicher
Organvergrößerung mit eventuell nach retrosternal reichenden Strumaanteilen kann
eine obere Einflußstauung oder Trachealeinengung mit inspratorischem Stridor
auftreten. Da sich Schilddrüsenvergrößerungen langsam, in der Regel über Jahre bis
Jahrzehnte entwickeln, werden die mechanischen Beschwerden von den Betroffenen
oft erstaunlich lange toleriert.
Der Lokalbefund umfaßt Form und Größe sowie Konsistenz, Verschiebbarkeit und
eventuelle Knotenbildungen in der Schilddrüse. Die Palpation wird bimanuell
durchgeführt, wobei der Untersucher hinter dem sitzenden Patienten steht. Der
Befund wird außerdem von dem Ernährungszustand des Patienten und der Stärke der
Halsmuskulatur beeinflußt. Aus diesem Grund ist die einmalige Messung des
Halsumfanges wenig ergiebig, eine Verlaufskontrolle hingegen hilfreich.
12
Durch Anamnese und klinische Untersuchung lassen sich wichtige Hinweise
gewinnen, die dann zum Einsatz gezielter weiterführender Untersuchungsmethoden
führen (5,17,49,51,56,90,105). Bestehen Symptome, die auf eine Funktionsstörung
der Schilddrüse hinweisen, ist zunächst die Überprüfung des TSHSpiegels sinnvoll,
der dann je nach Fragestellung weitere laborchemische Untersuchungen folgen
können. Wenn sich aufgrund von Anamnese, körperlichem Untersuchungsbefund
und der in vitro Diagnostik der Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung erhärtet,
folgen die morphologische und funktionstopographische Untersuchung des Organs.
Bei Vorliegen einer Schluckstörung ist zusätzlich eine Endoskopie des oberen
Gastrointestinaltraktes indiziert.
1.5.2. Laborchemische Untersuchungen
Zur Erfassung von Funktionsstörungen der Schilddrüse stehen heutzutage viele
Laborverfahren zur Verfügung. Um die verschiedenen Untersuchungen möglichst
gezielt zum Ausschluß oder Nachweis einer Schilddrüsenerkrankung einsetzen zu
können, werden diese Untersuchungen erst nach Anamnese und klinischer
Befunderhebung veranlaßt.
Bei Verdacht auf eine Schilddrüsenüberoderunterfunktion sollte vorrangig der
TSHWert bestimmt werden. Insbesondere seit Einführung hochsensitiver
Testverfahren kommt dem basalen TSHWert eine zentrale Rolle in der Diagnostik
von Funktionsstörungen zu. Zudem wird TSH von extrathyreoidalen Einflüssen wie
z.B. Höhe des Gesamteiweißes und Medikamenteneinnahme wenig beeinflußt. Die
sensitive Messung des TSH geschieht meist durch immunometrische Verfahren.
(Normbereich:0,44,0 mU/l) Sie bieten eine Sensitivität von 0,0050,05 mU/l (126).
Hierdurch hat die TSHBestimmung einen neuen Stellenwert erhalten und damit die
früher häufig angewandten TRHTests überflüssig gemacht. Bei einer Hyperthyreose
ist der TSHWert kleiner als 0,05 mU/l. Von einer beginnenden Funktionsstörung
spricht man, wenn der Wert zwischen 0,05 mU/l und 0,4 mU/l liegt, wobei ein TSH
Spiegel unter 0,3 mU/l mit 72,5% Wahrscheinlichkeit eine funktionelle Autonomie
der Schilddrüse vermuten läßt (9, 53, 89). Bei Nachweis einer TSHSuppression ist
die Bestimmung der Schilddrüsenhormone gerechtfertigt. Da die Hormone zu über
13
99% an Trägerproteine gebunden vorliegen, wird deren Serumspiegel durch viele
Faktoren beeinflußt. Störgrößen, die die Trägerproteine beeinflußen, sind z. B.
Gravidität, angeborene Verminderung oder Vermehrung von TGB, Östrogene,
Hungerzustände, Hypoproteinämien bei Malabsorption, nephrotisches Syndrom,
terminale Niereninsuffizienz und dekompensierte Lebercirrhose. Somit wird der
direkten Bestimmung der freien Hormone fT4 und fT3 der Vorzug gegeben. Da fT3
größtenteils extrathyreoidal aus T4 entsteht, stellt die Bestimmung des fT4 die
sinnvollere Untersuchung dar, um die periphere Stoffwechsellage zu erfassen. Der
Referenzbereich für das fT4 beträgt dabei 0,82,0 ng/ml.
Durch die Bestimmung der TSH und fT4Werte lassen sich folgende
Stoffwechsellagen unterscheiden:
♦ Euthyreose: TSH im Normbereich, FT4 im Normbereich
♦ Hypothyreose: TSH ↑, FT4 ↓
♦ lat. Hypothyreose: TSH ↑, FT4 im Normbereich
♦ Hyperthyreose: TSH ↓, FT4 ↑
♦ lat. Hyperthyreose: TSH ↓, FT4 im Normbereich
Liegt der klinische Verdacht auf das Vorliegen einer Immunthyreopathie vor, so ist
die Bestimmung Bestimmung des TSHRezeptor Antikörpers (TRAK) sinnvoll. Bei
ca. 90% der Patienten mit immunogen bedingter Hyperthyreose findet man eine
Erhöhung der TSHRezeptor Antikörper. Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase
TPOAK findet man bei der chronisch lymphozytären Thyreoiditis oder in seltenen
Fällen auch beim Morbus Basedow. Die Bestimmung des Antikörpers gegen
Thyreoglobin TAK wird gelegentlich bei Verdacht auf Immunthyreoiditis eingesetzt,
besonders wenn TPOAK nicht nachweisbar sind. (Referenzbereiche. TPOAK:
negativ < 100 IU/ml, positiv > 200 IU/ml, TAK: negativ < 100 U/ml, positiv > 200
U/ml) (18,89,90).
14
1.5.3. Sonographie
Die Sonographie hat die konventionelle Schilddrüsendiagnostik wesentlich erweitert
und bereichert. Bedingt durch die oberflächliche Lage eignet sich das Organ
hervorragend für den Einsatz der Ultraschalldiagnostik. Wegen fehlender
Strahlenbelastung steht sie nach der klinischen Untersuchung an erster Stelle der
bildgebenden Verfahren. Sie eignet sich zur Volumenberechnung, Beschreibung der
Parenchymstruktur und gibt Auskunft über die Lage der Schilddrüse auch in Bezug
auf die Nachbarorgane. Retrosternales oder am Zungengrund liegendes
Schilddrüsengewebe läßt sich verständlicherweise nicht darstellen. Ebenso ist die
Beurteilung kleiner Organreste nach ablativer Therapie nicht möglich (8,14,15,19).
Die Volumenberechnung eines Organlappens erfolgt entsprechend dem Modell des
Rotationsellipsoids nach folgender Formel : (34)
Tiefe (cm) x Breite (cm) x Länge (cm) x O,479 = Volumen (ml)
Jeder Schilddrüsenlappen wird getrennt ausgemessen, wobei der meist sehr schmale
Isthmusteil vernachlässigt werden kann. Da die Schnittflächen zur Messung von
Tiefe, Breite und Länge vom jeweiligen Untersucher festgelegt werden, bedingt diese
Untersuchungsmethode eine gewisse Streuung der erhobenen Volumina. Diese
können in Abhängigkeit von der Organgröße bis zu 30% voneinander abweichen. Die
Schilddrüse weist in verschiedenen Lebensabschnitten und in Abhängigkeit des
Geschlechts unterschiedliche Volumina auf, wie in der Tabelle 3 dargelegt
(84,90,129).
Tab. 3 Normwerte von Schilddrüsenvolumina in Abhängigkeit von Alter und
Geschlecht (90)
6jährige bis 4 ml
13jährige bis 8 ml
15 bis18jährige bis 15ml
Erwachsene Frauen bis 18ml
Erwachsene Männer bis 25ml
15
Ein wesentlicher Vorteil der Sonographie liegt in der Beurteilbarkeit der
Organstruktur. Knoten können bezüglich ihrer Zahl, Lage, Größe und Echogenität
gut erfaßt werden. Das Echomuster wird durch die Größe der Follikel und deren
Kolloidgehalt bestimmt. Bei der Beschreibung der Echogenität des
Schilddrüsengewebes werden gewöhnlich die Begriffe echonormal und echoarm
verwendet. Man orientiert sich entweder am echonormalen Schallmuster der
gesunden Schilddrüse oder am echoarmen Schallmuster der Halsmuskulatur.
Echonormal ist die Struktur der gesunden Schilddrüse. Bedingt durch die normal
großen Follikel liegen mittelstarke Echos dicht und gleichmäßig nebeneinander.
Mikrofollikuäre Strukturen stellen sich hingegen sonographisch echoarm dar. Zur
Diagnostik eignen sich generell alle modernen Ultraschallgeräte mit Sektor oder
Linearscanner. Der Schallkopf muß mit einer Frequenz von 5 bis 7,5 MHz
ausgestattet sein. Eine Wasservorlaufstrecke oder ein Gelkissen sind nicht unbedingt
erforderlich, aber von Vorteil. Hierdurch können die Unebenheiten des Halses
ausgeglichen und optimale Fokustiefen erreicht werden.
Die Untersuchung wird am liegenden Patienten mit leicht nach hinten rekliniertem
Kopf durchgeführt.
Der Schallkopf wird dabei in horizontaler Ebene ohne Druck unterhalb des Krikoids
aufgesetzt und langsam nach kranial und kaudal verschoben, ohne den
Neigungswinkel zu verändern. Um die Organgrenzen zu bestimmen, orientiert man
sich an Nachbarstrukturen wie der Trachea, dem Musculus sternocleidomastoideus
und den großen Halsgefäßen. Anschließend wird der Schallkopf waagerecht zur
Körperlängsachse aufgesetzt und die Untersuchung erfolgt in vertikaler Ebene. Nach
Bestimmung der Organgröße und Dokumentation des Schallmusters, werden
eventuell vorliegende fokale Läsionen nach Lage, Größe und Echogenität
beschrieben. Als sehr hilfreich für eine standardisierte Befunderhebung haben sich
vorgefertigte Dokumentationsbögen erwiesen.
Hinsichtlich der klinischen Relevanz der Sonographie, ist festzuhalten, daß sie in der
Schilddrüsendiagnostik eine zentrale Rolle einnimmt. Da es sich jedoch um ein rein
bildgebendes Verfahren handelt, kann sie erst unter Berücksichtigung des klinischen
Bildes und funktioneller Untersuchungen zu einer Diagnose führen (63,85,122).
16
1.5.4. Szintigraphie
Die Szintigraphie liefert Informationen über den globalen und regionalen
Funktionszustand der Schilddrüse. Durch die quantitative Schilddrüsenszintigraphie
kann die Aktivität der thyreoidalen Jodaufnahme als Bereich mit erhöhter oder
verminderter Stoffwechselaktivität beurteilt werden. Bei der Diagnose der fokalen
oder disseminierten Schilddrüsenautonomie wird ergänzend zur quantitativen
Untersuchung eine Szintigraphie unter Suppression der endogenen TSH Freisetzung
durchgeführt. Indiziert ist die Schilddrüsenszintigraphie bei Verdacht auf eine
Autonomie und zur Therapiekontrolle nach Radiojodtherapie bei Autonomie. Als
Radionuklid verwendet man meist Technetium99mPertechnetat. Technetium wird,
wie Jod, von der Schilddrüse aufgenommen. Die Strahlenbelastung durch dieses
Nuklids ist praktisch zu vernachlässigen. Als zweite Substanz steht Jod123 zur
Verfügung, dessen physikalische Eigenschaften ähnlich günstig wie Technetium
sind. Sein Nachteil liegt darin, daß es in einem Zyklotron hergestellt werden muß
und nur eine kurze Halbwertzeit besitzt. Nach intravenöser Injektion eines
Radionuklids wird die Stoffwechselaktivität des Schilddrüsenparenchyms durch eine
Gammakamera mit nachgeschaltetem Rechnersystem gemessen. Als Maß für die
Stoffwechselaktivität des Organs dient dabei die prozentuale Aufnahmerate des
Technetiums, die durch folgende Formel errechnet wird:
SchilddrüsenimpulseUntergrundimpulse x 100
TcTu%=
Impulsrate der injizierten Aktivität
Der Normwert beträgt 18%. Höhere Werte belegen eine erhöhte Jodaktivität und
deuten auf eine hyperthyreote Stoffwechsellage hin.
17
1.5.5. Röntgendiagnostik
Seit der Einführung der Sonographie ist die konventionelle Röntgendiagnostik bei
der Evaluation einer Schilddrüsenerkrankung bei spezieller Fragestellung
erforderlich. So ist eine Röntgenaufnahme des Thorax nur bei Verdacht auf eine
retrosternale oder intrathorakale Struma sinnvoll. Der früher übliche
Ösophagusbreischluck im seitlichen Strahlengang findet kaum noch Anwendung, bei
Verdacht auf raumfordende Prozesse sollte der Computertomographie der Vorzug
gegeben werden. Diese ist insbesondere zum präoperativen Staging beim
Malignomverdacht sowie zur Operationsplanung bei großen retrosternalen oder
intrathorakalen Strumen indiziert (126).
1.6. Therapie der Schilddrüsenautonomie
Indikation zur Behandlung einer Schilddrüsenautonomie
Autonomes Schilddrüsengewebe ist nicht zwingend mit klinischen Symptomen
verbunden. Dies ist in der Regel erst bei Dekompensation der Stoffwechsellage, also
mit dem Auftreten einer Hyperthyreose, zu erwarten. Insgesamt entwickeln nur 15
bis 20% der Patienten mit Autonomie eine solche Komplikation (6). Besonders
kleine, unifokale Autonomien neigen selten zur Hyperthyreose. Somit sind nicht alle
Patienten einer Therapie, die die Entfernung oder Zerstörung des Gewebes vorsieht,
zuzuführen. Das Risiko, eine hyperthyreote Stoffwechsellage zu entwickeln, hängt
insbesondere von der Größe und Aktivität des autonomen Bezirks ab; wobei erst ab
einer Größe von 2,53 ml mit einer Überproduktion von Schilddrüsenhormonen zu
rechnen ist. Beim Nachweis von kleineren Autonomieherden ist eine abwartende
Haltung gerechtfertigt. TSHBestimmungen in regelmäßigen Abständen sind in
solchen Fällen ausreichend. Eine Jodkontamination muß vermieden werden, denn sie
kann zu einer akuten Dekompensation der Erkrankung führen. Eine
Behandlungsindikation besteht bei manifester Hyperthyreose. Bei begleitenden
18
mechanischen Beschwerden sowie bei Malignomverdacht kann eine Therapie
notwendig werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Autonomie zu
behandeln. Definitive Therapien sind die Operation und die Radiojodtherapie. Die
thyreostatische Therapie sollte nur als überbrückende Maßnahme zum Erreichen
einer euthyreoten Stoffwechsellage eingesetzt werden. Die Therapieentscheidung
wird individuell, nach Abwägen des für und wider jeder Behandlungsform, getroffen.
Therapieziel ist die möglichst dauerhafte Vermeidung hyperthyreoter
Stoffwechsellagen (16,28,127).
1.6.1. Thyreostatische Therapie
Wegen hoher Rezidivraten und schweren Nebenwirkungen nach langfristiger Gabe
sollten Thyreostatika nicht als definitive Therapie Verwendung finden, sondern nur
in der Vorbereitung zur Operation oder Radiojodtherapie angewandt werden.
Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil stehen zur Verfügung. Erst bei
Vorliegen einer manifesten Hyperthyreose kommen Thyreostatika zum Einsatz.
Entsprechend dem Abfall der Hormonwerte wird die Dosierung angepaßt. Die
Nebenwirkungsrate von 1520% umfaßt kutane Erscheinungen, Arthralgien und
gastrointestinale Beschwerden. Selten treten Leukound Thrombozytopenien sowie
Neuralgien und Leberschäden auf.
Betablocker können zusätzlich, besonders bei Tachyarrhythmien, sinnvoll sein.
Hierbei muß jedoch die negativ inotrope Wirkung auf das Myokard bedacht werden.
Betablocker führen zur Dämpfung der Sympathikusaktivität und vermindern die
Konversion von T4 zu T3 in der Peripherie (12,49,95).
1.6.2. Radiojodtherapie
Die Radiojodtherapie ist eine nicht invasive Behandlungsmethode der
Hyperthyreose. Klassische Indikationen für die Durchführung einer solchen Therapie
sind kleine Strumen mit multifokaler oder disseminierter Autonomie und Rezidive.
Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und die eine Operation ablehnen sind
19
ebenfalls Kandidaten für eine Radiojodtherapie. Als Kontraindikationen gelten eine
bestehende Schwangerschaft, große Strumen und Malignitätsverdacht.
Zur Therapie wird das Radionuklid J 123 eingesetzt. Es wird wie Nahrungsjod
resorbiert und in funktionstüchtigen Follikeln angereichert. Die Halbwertszeit beträgt
acht Tage. Die biologische Wirkung beruht auf der Emission von Betastrahlen, die
eine relativ kurze Reichweite von 0,8 mm besitzen.
Bei Patienten mit manifester Hyperthyreose sollte durch eine thyreostatische
Vorbehandlung die Hyperthyreose beseitigt werden. Bei kompensierten autonomen
Adenomen nimmt das paranoduläre Gewebe noch Jod auf. In diesen Fällen wird, vor
Beginn der Radiojodtherapie, eine Suppressionstherapie mit Levothyroxin
durchgeführt. Der TSHSpiegel sollte niedriger als 0,1 mU/l sein.
Zur genauen Berechnung der individuellen Dosis wird ein Radiojodtest durchgeführt.
Er erfaßt das Zielvolumen, die retinierte Aktivität und die biologische Halbwertszeit.
Multifokale und disseminierte Autonomien werden mit 150 Gy, auf das gesamte
Schilddrüsenvolumen bezogen, behandelt. Bei unifokalen Autonomien appliziert
man 250400 Gy auf dem Herdbefund. Die Verabreichung von Na131J erfolgt in
Kapselform. Während der Therapie, die in Deutschland nur unter stationären
Bedingungen erlaubt ist, erfolgen regelmäßige Messungen der Aufnahmerate des
Jods, um die tatsächliche Herddosis zu bestimmen. Entlassen werden die Patienten
erst, wenn die Strahlenexposition im Abstand von 1m den Wert von 1,5 mSv/Jahr
nicht überschreitet.
Ziel der Therapie ist die Beseitigung der Hyperthyreose, die bei unifokaler
Autonomie zu 95% und bei multifokaler Autonomie zu 90 % erreicht wird. Bedingt
durch größere dosimetrische Unsicherheiten bei der Behandlung der disseminierten
Autonomie sind die Erfolgsquoten hier geringer. Die Erfolgsrate wird durch die
Messung der peripheren Schilddrüsenhormonwerte und des TSH basal bestimmt. Als
günstiger Begleiteffekt wird eine gelegentliche Volumenreduktion bis maximal 30%
angegeben. Vier Wochen nach der Radiojodtherapie wird die Stoffwechsellage
überprüft. Nach insgesamt drei Monaten erfolgt eine ausführliche Untersuchung mit
Sonographie, quantitativer Szintigraphie und Labordiagnostik. Bei Normalisierung
der Stoffwechselfunktion kann die thyreostatische Therapie beendet werden. Als
Komplikationen bilden sich in bis zu 80% der Fälle Hypothyreosen aus, die dann
20
eine Substitution notwendig machen. Persistierende oder Rezidivhyperthyreosen
kommen in Abhängigkeit der angewandten Strahlendosis bei 2050 % der mit
Radiojod behandelten Patienten vor. Bei latenter Hyperthyreose wird eine erneute
Radiojodbehandlung angeschlossen und bei manifester Hyperthyreose erfolgt
zunächst eine thyreostatische Vorbehandlung und danach eine weitere
Radiojodtherapie. Nach erfolgreicher Behandlung sollte eine Prophylaxe mit 200 µg
Jod/Tag durchgeführt werden. Alle behandelten Patienten sollten lebenslang
nachbeobachtet werden, da auch noch viele Jahre nach einer Therapie mit Radiojod
eine Hypothyreose oder eine erneute Hyperthyreose entstehen kann (6,59,61,74,94).
1.6.3. Operative Behandlungsmethoden
Ziel einer Operation ist die Beseitigung des gesamten autonomen Gewebes unter
Belassung von möglichst viel gesundem Schilddrüsenparenchym. Diese
„funktionskritische Resektion“ muß individuell erfolgen. Voraussetzung sind
detaillierte, zuverlässige präoperative Informationen bezüglich Lokalisation, Zahl
und Größe der Autonomiebezirke durch die Sonographie und Szintigraphie.
Zur Vermeidung kardialer Komplikationen und einer thyreotoxischen Krise sollte
der Eingriff nur bei euthyreoter Stoffwechsellage erfolgen. Er ist durch eine
medikamentöse Vorbereitung mittels niedrigdosierter Thyreostatia wie z.B.
Thiamazol 10 mg/Tag oder Carbimazol 14 mg/Tag zu erreichen. Nach
Jodkontamination sind höhere Dosen erforderlich. Nach wenigen Wochen wird in
der Regel eine Euthyreose erreicht, so daß die Operation vorgenommen werden
kann. Intraoperativ wird die ganze Drüse, die grundsätzlich komplett freigelegt
werden soll, sorgfältig exploriert, um keine nodösen Veränderungen zu übersehen
und zu belassen. Diese könnten sonst zum Ausgangspunkt von Rezidiven werden.
Bei unifokaler Autonomie ist eine Knotenextirpation unter Mitnahme eines
ausreichend breiten und makroskopisch gesunden Parenchymrandes angezeigt. Bei
multifokaler sowie bei disseminierter Autonomie empfiehlt sich eine radikale
subtotale Resektion unter Belassung sehr kleiner Schilddrüsenreste
(44,48,98,99,114,117).
21
Die Operation wird in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Dabei wird der Oberkörper
des Patienten um etwa 40° hochgelagert und der Hals leicht hyperextendiert,
wodurch sich der Bereich zwischen Jugulum und Kehlkopf entfaltet. Die
Hautincision soll möglichst in eine Hautfalte gelegt werden, die durch leichtes
Kopfnicken des Patienten präoperativ markiert wird. Die Länge der queren
Hautincision richtet sich nach lokalen Verhältnissen wie Halsbreite,länge und
Organgröße.
Subcutis und Platysma werden scharf durchtrennt, die in der vorderen Halsfaszie
verlaufenden Venen dargestellt und unter Ligaturen durchtrennt. Die Ligatur der
Venen erfordert besondere Sorgfalt, da hierdurch Nachblutungen vermieden werden
können. Anschließend präpariert man die gerade Halsmuskulatur von der Halsfaszie
zwischen Jugulum, Schildknorpel und den Musculi sternocleidomastoidei ab. Eine
bessere Übersicht wird durch Anheben des cranialen Faszienrandes mit zwei
BackhausKlemmen und lateralwärtigem Abschieben der vorderen geraden
Halsmuskulatur erreicht. Zuvor ist die zarte Muskelfaszie in der Mittellinie der
geraden Halsmuskulatur zu durchtrennen. So gelangt man in die Schicht zwischen
Organkapsel und Muskulatur. Die Kapsel wird vollständig freipräpariert, wodurch
die intraoperative Befunderhebung erfolgen kann. Das gesamte Organ wird in seiner
Ausdehnung, Konsistenz und eventuellen Knotenbildung beurteilt. Erst nach
sorgfältiger Exploration beginnt der eigentliche Eingriff.
Die Knotenextirpation beginnt mit der Mobilisierung des entsprechenden
Schilddrüsenlappens. Durch Anspannung und Ligieren der oberen bzw. unteren
Polgefäße erreicht man gleichzeitig Mobilisierung und Blutstillung. Anschließend
exstipiert man den gesamten Fokus mit einem ausreichend breiten gesunden
Parenchymsaum. Während das Gewebe mit der Schere durchtrennt wird, faßt man
sämtliche kleine zum Herd ziehenden Gefäße und ligiert diese. So bleibt der Situs
übersichtlich und eine befundorientierte Resektion möglich.
Die Darstellung des Nervus laryngeus recurrens ist nicht grundsätzlich erforderlich.
Resektionen an der lateralen Seite der Schilddrüsenlappen erfordern jedoch seine
Darstellung und Schonung. Normalerweise findet man ihn längs neben der Trachea
laufend, die Arteria thyreoidea inferior unterkreuzend und nach ventral, kranial zum
Kehlkopf ziehend. Auch auf die Darstellung und Schonung der Epithelkörperchen
22
am kranialen und kaudalen Schilddrüsenpol muß geachtet werden. Macht der
Befund eine subtotale Resektion erforderlich, beginnt, nach dem üblichen Zugang
zum Organ, die Präparation am oberen Pol. Der Lappen wird kaudalwärts
angespannt, die oberen Polgefäße dargestellt, kapselnah ligiert und durchtrennt.
Durch die kapselnahe Ligatur minimiert sich die Gefahr der Verletzung der
Epithelkörperchen. Der Schilddrüsenlappen wird digital mobilisiert, ohne dabei
Gefäße zu zerreißen. Alle hinderlichen Bindegewebsstränge werden kapselnah
durchtrennt und ligiert. Nach ausreichender Mobilisierung inzidiert man die
Resektionsgrenze mit dem Skalpell und die Lappenresektion erfolgt mit der
Gewebeschere bzw. dem Skalpell. Nur makroskopisch unauffälliges Parenchym darf
erhalten bleiben. Die Blutstillung erfolgt umgehend mit Klemmchen und Ligaturen.
Die anschließende Kapselnaht dient zur Blutstillung und zur Wiederherstellung der
richtigen Schicht. Sie wird fortlaufend mit Uförmigen Stichen zur Vermeidung von
Einrissen durchgeführt. Danach wird der Situs schichtgerecht verschlossen. Nach
operativer Therapie von Schilddrüsenautonomien treten, in Abhängikeit von
Resektionsausmaß, in 0,51% der Fälle Nervenläsionen auf. Ein passagerer
Hypoparathyreoidismus kommt bei 15 % der operierten Patienten vor, ein
permanenter Hypoparathyreoidismus bei 0,51 %. Die Letalitätsrate liegt heutzutage
bei 0%. Nachblutungen kommen in 12 % der Fälle vor (50,60,90).
Bei Rezidiveingriffen steigt die Komplikationsrate erheblich an. Aus diesem Grund ist
die Operationsindikation auf drittgradige Strumen, Malignomverdacht und
konservativ nicht beherrschbare Hyperthyreosen beschränkt. Bedingt durch
Verwachsungen ist bei den ReEingriffen das Auffinden der Schicht, zwischen
gerader Halsmuskulatur und Organkapsel, erschwert. Oft resuliert eine starke
Blutungsneigung mit unübersichtlichem Situs und daraus entsteht eine größere
Verletzungsgefahr des Nervus laryngeus recurrens und der Epithelkörperchen, so daß
in solchen Fällen ein intrakapsuläres Vorgehen gewählt werden sollte. Den Vorteilen
einer histologischen Abklärung und sofortigen Beseitigung einer Autonomie stehen
spezifische Risiken gegenüber. Diese sind die Verletzung des Nervus laryngeus
recurrens und die Beschädigung, beziehungsweise die Entfernung der
Epithelkörperchen (24). Bei Rezidiveingriffen können Nervenverletzungen in
Größenordnungen von 510 % erreicht werden. Ein Teil der Recurrensparesen ist
23
innerhalb der ersten Monate nach der Operation spontan reversibel. Mit Hilfe
logopädischer Therapie kann ein einseitiger Stimmbandstillstand von der Gegenseite
kompensiert werden. Aus beidseitiger Parese resultieren hochgradige Atemnot und
Stridor, die die Durchführung einer sofortigen Tracheotomie notwendig machen.
Wenn sich die Lähmung innerhalb eines Jahres nicht vollständig zurückbildet, wird
eine Lateralfixation des Stimmbandes durchgeführt. Eine Nervennaht ist nicht
erfolgreich. Bei einem Hypoparathyreoidismus ist eine Subsitutionsbehandlung mit
Kalzium und Vit. D erforderlich. Bei kleinem Restorgan kann sich häufig eine
Hypothyreose entwickeln, die eine entsprechende Substitutionsbehandlung erfordert.
Die Häufigkeit einer Hypothyreose liegt nach beidseitiger subtotaler Resektion
zwischen 20 und 60% (90).
Das Rezidivrisiko liegt zwischen 210% und ist besonders hoch bei Patienten mit
disseminierter Autonomie sowie bei sehr weit nach dorsal reichenden Knoten, die
nicht vollständig entfernt wurden (116). Die Problematik der Rezidiveingriffe
rechtfertigt jedoch ein radikaleres operatives Vorgehen bei diffusen Autonomien.
Postoperativ sollte eine Nachsorge erfolgen. Dabei wird vier bis sechs Wochen
postoperativ die Funktionslage überprüft. Bei Vorliegen einer Hypothyreose wird
eine Substitutionstherapie eingeleitet. Hierunter muß der TSHWert im Normbereich
liegen. Zugleich sollte der Jodmangel ausgeglichen werden. Hierzu werden 150200
µg/Tag benötigt. In der Regel sind anschließend jährliche Kontrolluntersuchungen
ausreichend (10,57,86,124).
24
2. Patienten und Methode
2.1. Patientenkollektiv und Untersuchungszeitraum
In einer retrospektiven Studie wurden Daten von Patienten, die wegen einer
funktionellen Autonomie der Schilddrüse in der Chirurgischen Klinik der Ruhr
Universität im St. JosefHospital in Bochum im Zeitraum von Januar 1979 bis
Dezember 1985 operiert wurden, erfaßt. Voraussetzungen zur Teilnahme an dieser
Untersuchung waren vollständige Krankenakten und die Einwilligung der Patienten
in eine ambulante Nachuntersuchung. Zudem sollten zwei Fragebögen über den
weiteren Krankheitsverlauf in den Jahren 1988 bis 1996 beantwortet werden.
Wir listeten anhand der Operationsbücher alle Patienten auf, bei denen in den Jahren
19791985 eine Schilddrüsenoperation durchgeführt worden war. Nach Durchsicht
der Krankenakten nahmen wir die Patienten mit szintigraphisch gesicherter
Autonomie der Schilddrüse in unsere Studie auf.
Ausgeschlossen wurden alle Patienten, bei denen eine Struma ohne Autonomie, eine
Immunthyreopathie oder ein Schilddrüsenmalignom vorlag. Patienten, die an der
Nachuntersuchung nicht teilnehmen wollten oder konnten, wurden ebenso
ausgeschlossen.
2.2. Klinische Daten des untersuchten Kollektivs
Anhand der entsprechenden Operationsbücher identifizierten wir alle Patienten, die
wegen einer gutartigen Schilddrüsenerkrankung in unserer Klinik behandelt worden
waren. Durch Auswertung der jeweiligen Krankenakten gelang es dann, das
Kollektiv zu erfassen, das eine nichtimmunthyreopathische Autonomie aufwies. Die
vorliegenden Akten wurden anhand eines Erfassungsbogens (s. Anlage) retrospektiv
ausgewertet. Die Erfassungsbögen wurden laufend durchnumeriert. Neben der
Auflistung demographischer Daten wie Name, Adresse, Alter und Geschlecht
dokumentierten wir die im Rahmen des Aufnahmegespräches erhobenen
präoperativen Symptome. Als Schluckstörungen definierten wir Beschwerden beim
25
Schlucken von festen oder flüssigen Speisen. Unter Luftnot verstanden wir
dyspnoische Zustände, die in Ruhe oder unter Belastung auftraten, ohne daß eine
cardiale oder pulmonale Vorerkrankung bekannt war. Das Vorliegen von Heiserkeit
und/oder Halsschmerzen wurde ebenso registriert. Als Kloßgefühl bezeichneten wir
ein Druck oder Fremdkörpergefühl im Halsbereich. Zusätzlich wurden Beschwerden
über eine Hyperhidrosis, eine innere Unruhe und Diarrhoen berücksichtigt.
Unerwünschte Gewichtszu oderabnahmen wurden gleichfalls registriert. Aus den
Krankenunterlagen wurde weiterhin der klinische Untersuchungsbefund der
Halsweichteile erhoben. Wir unterschieden zwischen einer normal großen, nicht
knotig veränderten Schilddrüse, einer Schilddrüse, in der ein isolierter Knoten
tastbar war, einem multinodös veränderten Organ und einer diffus vergrößerten
Schilddrüse.
Zur Differenzierung der morphologischen Erscheinungsform der Autonomien fand die
Szintigraphie Beachtung. Entsprechend wurde zwischen einer unifokalen, einer
multifokalen und einer disseminierten Autonomie unterschieden.
Zur Beschreibung der Stoffwechsellage wurden die präoperativ bestimmten Werte für
T3, FT4,und TSHbasal aufgenommen. Der Operationsbericht wurde hinsichtlich
des angewandten Resektionsverfahrens ausgewertet, wobei folgende Einteilung
vorgenommen wurde :
→ ein bzw. mehrfache Knotenextirpation
→ einseitige subtotale Resektion unter Belassung eines kleinen Schilddrüsenrestes
→ beidseitige subtotale Resektion beidseits unter Belassung von kleinen Resten
Intra und frühpostoperative Komplikationen wurden ebenso der Krankenakte
entnommen. Eine Rekurrenslähmung wurde durch postoperative Laryngoskopie
diagnostiziert. Ein Hypoparathyreoidismus wurde angenommen, wenn das Calcium im
Serum unter 4,0 mval/l lag oder wenn karpopedale Spasmen auftraten. Das
Serumkalzium wurde routinemäßig am zweiten postoperativen Tag bestimmt. Eine
klinisch relevante Nachblutung wurde angenommen wenn eine Revision
26
durchgeführt worden war. Art und Dosierung der im Entlassungsbrief empfohlenen
Rezidivprophylaxe, bzw. Substitutionstherapie wurden registriert
2.3. Nachuntersuchung
Alle Patienten, die im entsprechenden Zeitraum in unserer Klinik wegen einer
thyreoidalen Autonomie operiert wurden, erhielten ein Informationsblatt über die
vorgesehene Nachuntersuchung. Dem Anschreiben legten wir einen Fragebogen bei,
in dem wir die Patienten baten, Angaben zu aktuellen Beschwerden,
zwischenzeitlich erfolgter Medikation, Diagnostik und weiterer Therapie zu machen.
Gleichzeitig luden wir sie zu einer Nachuntersuchung, bestehend aus aktueller
Anamnese, körperlicher Befunderhebung, Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse
sowie Blutuntersuchung zur Überprüfung der Schilddrüsenfunktionslagen ein.
Ein Termin für die Nachuntersuchung vereinbarten wir telefonisch mit jedem
Einzelnen.
Die Untersuchungen fanden in den Monaten Juni bis September 1988 in der
Ambulanz der Chirurgischen Universitätsklinik der RuhrUniversität Bochum am St.
JosefHospital statt.
Anamnese
Im Rahmen der Nachuntersuchung hielten wir aktuelle Beschwerden sowie Art und
Dosierung der aktuellen Schilddrüsenmedikation fest, so daß bezüglich der erfolgten
Rezidivprophylaxe eine Einteilung in drei Gruppen vorgenommen werden konnte:
Gruppe 1: unregelmäßige oder keine Einnahme von LThyroxin
Gruppe 2: regelmäßige Einnahme von 50 oder 75 µg Thyroxin/Tag
Gruppe 3: regelmäßige Einnahme von ≥ 100 µg Thyroxin/Tag
27
Körperliche Untersuchung
Zunächst inspizierten wir die Narbe, wobei wir besonders auf Keloidbildungen
achteten. Anschließend palpierten wir die Schilddrüse bimanuell und beurteilten das
Organ bezüglich seiner Größe, Konsistenz, Schluckverschieblichkeit und
Knotenbildung. Wir dokumentierten folgende Befunde:
→ normal große Schilddrüse mit oder ohne noduläre Veränderungen
→ unilaterale Vergrößerung mit oder ohne Knotenbildungen
→ bilaterale Vergrößerung mit oder ohne Knoten
Laborchemische Untersuchung
Die Abnahme von Nüchternseren zur FT4 und TSH basal Bestimmung erfolgte in 10
ml Monovetten. Die quantitativen Messungen wurden mit den
Radioimmunoassaybestecken „Magic“ der Fa. Corning, Darmstadt, durchgeführt.
Die für das Krankenhauslabor gültigen Referenzbereiche betrugen:
FT4: 1,22,5 ng/ml
TSH bas.: 0,34,4µU/ml
Sonographie
Die Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse führten wir mit einem Gerät Sonolayer
LSAL77A der Firma Toshiba durch und verwendeten einen Linear 7,5 MHz
Schallkopf. Dabei wurden wir von einem sonographisch erfahrenen Arzt unterstützt.
Die Patienten wurden mit rekliniertem Kopf auf einer Untersuchungsliege gelagert,
der nach hinten überstreckte Kopf durch ein Schulterkissen gepolstert. Anschließend
wurde der Hals mit Kontaktgel bestrichen und die Schilddrüsenlappen in ihrem
jeweiligen Längs und Querdurchmesser dargestellt. Die volumetrische Bestimmung
erfolgte nach der Formel Länge x Höhe x Tiefe x 0,479. Als Strumarezidiv
28
definierten wir eine Schilddrüse mit einer Organgröße über 18 ml bei Frauen und
über 25 ml bei Männern. Anschließend untersuchten wir das Organ nach
Herdbefunden, die dann anhand ihrer Größe, Lokalisation und Anzahl beschrieben
wurden. Wir unterschieden weiterhin zwischen einem Pseudorezidiv und einem echten
Rezidiv, je nach dem ob ein neuer Fokus in dem primär unauffälligem
Schilddrüsenlappen gefunden wurde oder ob die Veränderung an der operierten Seite
nachgewiesen wurde.
Langzeitbeobachtung
Um die erhobenen Daten zu aktualisieren, führten wir im Herbst des Jahres 1996
eine zusätzliche Befragung durch. Alle Patienten, die an der Nachuntersuchung
teilgenommen hatten, schrieben wir erneut an und baten um Beantwortung eines
beiliegenden Fragebogens, der dann in einem Freiumschlag zurückgeschickt werden
sollte.
In dieser Erhebung erhielten wir Informationen zu aktuellen Beschwerden,
zwischenzeitlich erfolgten Untersuchungen und deren Ergebnissen, sowie zur
eingenommenen Schilddrüsenmedikation.
Abschließend erfaßten wir, ob in der Zwischenzeit erneute operative oder
nuklearmedizinische Therapien notwendig geworden waren.
2.4. Statistik
Die deskriptive Auswertung der Daten erfolgte durch Auszählen der Häufigkeiten
qualitativer Merkmale (z.B. Rezidiv / kein Rezidiv) für verschiedene
Patientengruppen (z.B. Frauen / Männer). Mittels Tabellen konnten die jeweiligen
Anteile der unterschiedlichen Merkmalsausprägungen dargestellt werden. Für
quantitative Merkmale, die auf einer Intervallskala dargestellt werden können (z.B.
Patientenalter), wurden das arithmetische Mittel und der Median, die
Standardabweichung, das Minimum und das Maximum sowie die 25% und 75%
Perzentile berechnet. Verglichen wurden Patienten mit unterschiedlichem
sonographischen Nachuntersuchungsbefund (Rezidiv / kein Rezidiv) hinsichtlich des
29
Alters, des Zeitintervalls Operation – Nachuntersuchung, des präoperativen
Befundes, der Autonomie, des Operations–Verfahrens, der Differenzierung der
Rezidive, der Symptomatik bei der Nachuntersuchung, der tatsächlich
durchgeführten Prophylaxe sowie des Stoffwechsels zum Zeitpunkt der
Nachuntersuchung.
Alle Parameter lagen in kategorisierter Form vor (zum Beispiel Intervall bis zur
Nachuntersuchung bis 4 Jahre / 57 Jahre / über 7 Jahre). Für verschiedene
Patientengruppen wurde die Häufigkeit der einzelnen Kategorien durch Auszählen
ermittelt. Unterschiede unter den Gruppen hinsichtlich der so gebildeten
Häufigkeitsverteilungen wurden mit dem ChiOuadratTest auf statistische
Signifikanz geprüft. Dabei wird getestet, ob die Verteilung des Parameters
unabhängig von der Einteilung in die beiden Patientengruppen ist, bzw. ob eine zu
den Randsummen der Tafel weitgehend proportionale Häufigkeitsverteilung vorlag.
Der Test darf angewandt werden, wenn Erwartungshäufigkeiten möglichst alle
größer als 0 sind.
Die Prüfgröße Chi² wird nach SACHS wie folgt berechnet:
Chi n n
n n i
r
j
c ij
i j ² =
⋅ −
= = ∑ ∑
1 1
2
1
mit
r Anzahl der Reihen der Mehrfeldertafel (Row),
c Anzahl der Spalten der Mehrfeldertafel (Column),
n Umfang der Stichprobe,
nij Besetzungszahl der Tafel in der iten Zeile und jten Spalte,
ni Summe der Besetzungszahlen in der iten Zeile,
nj Summe der Besetzungszahlen in der jten Spalte.
Aus entsprechenden Tabellenwerken kann dann der Wert für die
Irrtumswahrscheinlichkeit p abgelesen werden, wobei aufgrund der klinischen
Fragestellung und der Größe der Stichprobe eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%,
d.h. p<0,05 gewählt wurde.
30
Mit Hilfe der LogLinearAnalyse wurden die in der univarianten Auswertung als
statistisch signifikant gefundenen Einflussgrößen für das Auftreten eines Rezidivs
auf ihre statistische Unabhängigkeit untersucht (77,102). Bei der LogLinearAnalyse
werden diskrete Parameter daraufhin überprüft, ob sie statistisch signifikant zur
Erklärung der Zellen–Besetzung einer mehrdimensionalen Häufigkeitstabelle
beitragen. Dabei werden Wechselwirkungen zwischen den Einflußgrößen
berücksichtigt.
31
3. Ergebnisse
3.1. Retrospektive Daten des untersuchten Patientenkollektivs
3.1.1. Beteiligung an der Untersuchung
In dem Zeitraum von 19791985 wurden insgesamt 92 Patienten wegen einer
funktionellen Autonomie der Schilddrüse in der chirurgischen Klinik der Ruhr
Universität Bochum am St. JosefHospital in Bochum operativ behandelt. Von
diesem Kollektiv konnten 50 Patienten nach durchschnittlich 6,1 Jahren ambulant
nachuntersucht werden. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 54% (Tab.1).
12 Personen konnten unter der angegebenen Adresse nicht erreicht werden,
vier Patienten waren in der Zwischenzeit verstorben und 26 Patienten wollten, ohne
Angabe von Gründen, nicht an der Nachuntersuchung teilnehmen.
Die 50 nachuntersuchten Patienten wurden 1996 erneut von uns angeschrieben, mit
der Bitte, einen beiliegenden Fragebogen zu beantworten. Wir erhielten 46
Antwortbriefe. Zwei Anschreiben blieben unbeantwortet und zwei Personen waren,
laut Angabe der Angehörigen, in der Zwischenzeit verstorben. Eine Patientin erlag
einem Mammakarzinom und die zweite Patientin war an einem metastasierten
Colonkarzinom verstorben.
Unsere Langzeitbeobachtungen konnten wir somit an 46 Patienten, entsprechend
92% der in die Studie aufgenommenen Patienten, durchführen.
Tab.1: Patientenkollektiv und Beteiligung an der Untersuchung
Gesamtzahl Patienten 92
Klinische Nachuntersuchung 50 (54%)
Langzeitbeobachtung 46 (50%)
Verstorben 4 (5%)
Unbekannt verzogen 12 (13%)
Teilnahme abgelehnt 26 (28%)
32
3.1.2. Alters und Geschlechtsverteilung des Untersuchungskollektivs
Zum Zeitpunkt der Operation waren die nachuntersuchten Patienten im Mittel 52 ±
11,7 Jahre alt ( ± Standardabweichung). Die Alterspanne lag zwischen 25 und 78
Jahren, wobei zwei Patienten (4%) jünger als 30 Jahre, drei Patienten (6%) zwischen
31 und 40 Jahre und 15 Patienten (30%) 41 bis 50 Jahre alt waren. Im 6. Dezennium
befanden sich 17 Patienten (34%), in der Altersstufe der 61 bis 70jährigen waren
noch 11 Menschen (22%) vertreten und zwei Patienten (4%) waren älter als 70 Jahre
(Abb.1). Es wurden 48 Frauen und zwei Männer nachuntersucht, woraus sich ein
Verhältnis von 24:1 ergibt.
2 3
15 17
11
2
0
5
10
15
20
< 30 Jah re
3140 Jah re
4150 Jahre
5160 Jah re
6170 Jahre
> 70 Jahre
n
Abb. 1 Altersverteilung der nachuntersuchten Patienten
33
3.1.3. Präoperatives Beschwerdebild
Die anamnestischen Daten bezüglich der präoperativen Symptomatik zeigten, daß 13
Patienten (26%) beschwerdefrei waren. Von den restlichen klagten 13 (26%) über
Schluckbeschwerden, 4 (8%) gaben Luftnot an, Heiserkeit wurde in 7 Fällen (14%)
und Schmerzen im vorderen Halsbereich von 3 Patienten (6%) beklagt. Ein
Kloßgefühl lag bei 16 Patienten (32%) vor. Hyperhidrosis wurde von 22 Patienten
(44%) und Unruhe von 20 Patienten (40%) angegeben. Regelmäßig auftretende
Diarrhoen ohne gastroenterologische Ursache wurden von 2 Patienten (4%) und
Gewichtsabnahme in einem Fall (2%) geschildert (Tab. 2).
Tab. 2: Präoperative Beschwerden von Patienten mit einer Schilddrüsenautonomie
Präoperative Beschwerden Anzahl Anteil (%) Hyperhidrosis 22 44 Unruhe 20 40 Schluckbeschwerden 13 26 Kloßgefühl 16 22 Heiserkeit 7 14 Luftnot 4 8 Schmerzen in der vorderen Halsregion
3 6
Diarrhoe 2 4 Gewichtsabnahme 1 2
34
3.1.4. Klinische und apparative Untersuchungsbefunde vor dem Eingriff
Bei 11 Patienten (22%) konnte kein pathologischer Palpationsbefund erhoben
werden. Ein isolierter Knoten wurde bei 6 Patienten (12%) gefunden. In 10 Fällen
(20%) fiel ein multinodös verändertes Organ auf und insgesamt 23 Patienten (46%)
hatten eine diffus vergrößerte Schilddrüse mit oder ohne knotige Veränderungen.
Anhand der Szintigraphie wurde zwischen einer unifokalen Autonomie, die in 26
Fällen (52%) vorlag, einer multifokalen Autonomie bei 15 Patienten (30%) und einer
disseminierten Autonomie, bei 9 Patienten (18%), unterschieden (Tab. 3).
Tab. 3: Szintigraphischer Befund von Patienten vor Operation einer funktionellen
Autonomie der Schilddrüse
Form der Autonomie Anzahl (n) Anteil (%)
Unifokal 26 52
Multifokal 15 30
Disseminiert 9 18
Die präoperativ bestimmten Hormonwerte ergaben bei allen Patienten das Vorliegen
einer euthyreoten Stoffwechsellage. Diese wurde bei 22 Patienten (44%) durch eine
Vorbehandlung erreicht, so daß es sich hierbei um eine thyreostatisch kompensierte
Hyperthyreose handelte.
Dabei bestand erwartungsgemäß ein signifikanter Zusammenhang zwischen der
präoperativen Stoffwechsellage und dem Ausprägungsgrad der Autonomie (p =
0,00045). Während 81% der Patienten mit unifokaler Autonomie (21 von 26)
euthyreote Laborwerte aufwiesen, war dies bei lediglich 40% der Patienten mit
35
multifokaler Autonomie (6 von 15) und 11% der Patienten mit disseminierter
Autonomie (1 von 9) der Fall, so daß eine thyreostatische Behandlung erfolgen
mußte (Abb.2). Anteil (%)
81
40
11
19
60
89
0
20
40
60
80
100
unifokale multifokale disseminierte
präoperativer Stoffwechsel Euthyreose durch Thyreostatika kompensierte Hyperthyreose
Autonomie (n=26) Autonomie (n=15) Autonomie (n=9)
Abb. 2 Zusammenhang zwischen Autonomie und präoperativer Stoffwechsellage
Analysiert man den Zusammenhang zwischen präoperativer Stoffwechsellage und
vegetativen Beschwerden, so findet man bei 10 (36%) euthyreoten Patienten und 12
(55%) Patienten mit durch Thyreostatika kompensierte Hyperthyreosen eine
Hyperhidrosis (p = 0,18). Eine Unruhe gaben 12 (42%) euthyreote und 8 (36%)
kompensierte hyperthyreote Patienten an (p = 0,64). Über Diarrhoe klagte nur 1
Patient (9%), bei dem eine kompensierte Hyperthyreose vorlag (p = 0,1). Unter
Herzrasen litten 6 (21%) der Patienten mit Euthyreose und 8 (36%) Patienten mit
medikamentös behandelter Hyperthyreose, (p = 0,24). Lediglich ein thyreostatisch
behandelter Patient (5%) hatte Gewicht verloren. Aus diesen Daten ließ sich somit
36
kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen präoperativer
Stoffwechsellage und vegetativer Symptomatik nachweisen.
3.1.5. Chirurgische Therapie
Als Resektionsverfahren wurde in 14 Fällen (28%) eine Knotenextirpation gewählt
Die subtotale Resektion einseitig wurde insgesamt 9 mal (18%) durchgeführt.
Hierbei wurde von dem resezierten Schilddrüsenlappen ein daumenendgliedgroßer
Rest von etwa 2 ml belassen. In den meisten Fällen, bei 27 Patienten (54%), wurde
subtotal beidseits reseziert (Tab. 4). Auch bei diesem Resektionsverfahren wurde
eine etwa daumenendgliedgroße Restgröße von 2 ml je Seite belassen. Bei drei
Patienten mit subtotaler Resektion beidseits handelte es sich um einen
Rezidiveingriff. In einem Fall war 6 Jahre zuvor bereits eine Knotenextirpation
durchgeführt worden. Bei den anderen zwei Rezidiveingriffen lagen keine Angaben
zur vorausgegangenen Operation vor. Eine Thyreoidektomie wurde nicht
durchgeführt.
Tab. 4: Operationsverfahren von Patienten mit Schilddrüsenautonomie
Operationsverfahren Anzahl Anteil (%)
Subtotale Resektion
beidseitig
27 54
Knotenextirpation 14 28
Subtotale Resektion
einseitig
9 18
37
Abhängig vom Ausmaß der Autonomie wurde unterschiedlich reseziert. Nach unifokaler Autonomie
wurden 14 Knotenextirpationen (28%), 4 subtotale einseitige Resektionen (8%) und 8 subtotale
Resektionen beidseitig (16%) durchgeführt. Lag eine multifokale Autonomie vor, wurde in 5 Fällen
(10%) einseitig und bei den übrigen 10 Patienten (20%) beidseitig subtotal reseziert. Alle Patienten,
bei denen eine disseminierte Schilddrüsenautonomie diagnostiziert worden war, wurden beidseitig
subtotal reseziert (Tab. 5).
Tab. 5: Operationsverfahren in Abhängigkeit des Ausmaßes der Autonomie
Ausmaß der
Autonomie
Knotenextirpation Subtotale Resektion
einseitig
Subtotale Resektion
beidseitig
Unifokal 14 (54%) 4 (15%) 8 (31%)
Multifokal 5 (33%) 10 (67%)
Disseminiert 9 (100%)
38
3.1.6. Postoperative Komplikationen
Nach subtotaler Resektion beidseits kam es bei 2 Patienten zu einer einseitigen
Rekurrensläsion ( 4%), wobei einmal der rechte und einmal der linke Nerv betroffen
war. Diese Befunde waren laryngoskopisch durch einen HNO Arzt gesichert worden.
Bei beiden Patienten war eine radikale Resektion mit Restgrößen von 1,9 bzw. 0,6 ml
erfolgt. Es handelte sich in beiden Fällen um eine Primäroperation, die wegen
multifokaler Autonomie durchgeführt worden war. Bei einer Patientin mußte ein
weit nach dorsal reichender Knoten im linken Schilddrüsenlappen entfernt werden,
wobei es zu der beschriebenen Nervenläsion auf der linken Seite gekommen war.
Der Nerv war intraoperativ nicht dargestellt worden und die Läsion wurde erst
postoperativ laryngoskopisch gesichert. Im zweiten Fall mußte wegen einer
Organvergrößerung von 26 ml und sehr ausgeprägten nodösen Veränderungen in der
gesamten Drüse sehr ausgedehnt reseziert werden. Das Gewebe war sehr brüchig,
und durch multiple kleine Blutungen herrschten unübersichtliche Sichtverhältnisse.
Hierbei war der rechte Nerv verletzt worden.
Einmal trat eine klinisch bedeutsame Nachblutung auf (2%). Die Patientin fiel
postoperativ durch zunehmende Dyspnoe und Zunahme des Halsumfanges auf. Das
Operationsgebiet wurde nach 4 Stunden revidiert, wobei als Ursache eine
abgerutschte Ligatur von einem unteren Polgefäß verantwortlich gemacht werden
konnte. Die Gabe von Fremdblut war nicht erforderlich, der weitere postoperative
Verlauf gestaltete sich regelrecht und die Entlassung erfolgte am 6. postoperativen
Tag. Eine postoperative Hypokalzämie trat nicht auf.
39
3.1.7. Rezidivprophylaxe
Im Entlassungsbericht wurde bei 41 Patienten (82%) eine medikamentöse Therapie
im Anschluß an die operative Behandlung empfohlen. 18 Patienten (36%) sollten L
Thyroxin in einer Dosierung von ≥ 100 µg/ Tag erhalten. In diesem Kollektiv wurden
17 subtotale Resektionen beidseits und einmal eine subtotale Resektionen einseitig
durchgeführt. Nach einer Knotenextirpation war LThyroxin in dieser Dosierung
nicht empfohlen worden.
Die Einnahmen von 50 bis 75 µg LThyroxin wurden insgesamt 23 Patienten (46%)
angeraten. In dieser Gruppe waren 7 Knotenextirpationen, 6 einseitige subtotale
Resektionen und 10 beidseitige subtotale Resektionen durchgeführt worden.
In 9 Fällen (18 %), 7 mal nach Knotenextirpation und 2 mal nach subtotaler
Resektion einseitig war im Entlassungsbericht keine Einnahme von Thyroxin
empfohlen worden ( Tab. 6). Eine Jodsubstitution wurde in keinem Fall empfohlen.
Tab. 6: Empfohlene Rezidivprophylaxe nach operativer Therapie von funktionellen
Autonomien
Empfohlene Prophylaxe
Knotenextirpation Subtotale Resektion einseitig
Subtotale Resektion beidseitig
Keine Therapie 7 2
≥50≤ 75μg Thyroxin
7 6 10
≥ 100µg Thyroxin 1 17
40
3.2. Nachunter suchung
3.2.1. Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Im Durchschnitt wurden die Nachuntersuchungen 6,1 Jahre (± 2,2 Jahre)
postoperativ durchgeführt. Die kürzeste Zeitspanne betrug 3 und die längste 10 Jahre.
Der Median lag bei 6,0 Jahren. In den ersten 4 Jahren nach der Operation
wurden 10 Patienten (20%) nachuntersucht, nach 5 bis 7 Jahren lag der Anteil bei
24 Patienten (48%), und insgesamt 16 Patienten (32%) wurden 7 bis 10 Jahre
postoperativ nachuntersucht (Abb.3).
Abb.3 Patientenzahl und Zeitspanne zwischen Operation und Nachuntersuchung
10
24
16
0
5
10
15
20
25
30
0 bis 4 Jahre 5 bis 7 Jahre Über 7 Jahre Intervall Operation zur Nachuntersuchung
Patie
nten
zahl (n
)
41
3.2.2. Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
24 Patienten (48%) waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung beschwerdefrei. Zehn Patienten
(20%) beschrieben innerliche Unruhezustände. Hierunter fanden wir 7 euthyreote und 3
hyperthyreote Patienten, wobei nur ein Patient eine manifeste Rezidivhyerthyreose hatte und zwei
Patienten laborchemisch eine TSH Suppression unter einer Therapie mit jeweils 100µg LThyroxin
aufwiesen. 9 Patienten (18%) äußerten eine vermehrte Schwitzneigung, von denen 6 euthyreot und 1
Patient manifest hyperthyreot waren. Bei den anderen zwei Patienten lag unter LThyroxin
Substitution eine TSHSuppression vor. Heiserkeit wurde von insgesamt 7 Patienten (14%)
angegeben. Nur in zwei Fällen konnte die Heiserkeit durch eine Rekurrensläsion erklärt werden.
Luftnot gaben 4 Patienten (8%) an, ein Rezidiv wurde bei ihnen nicht gefunden. Vier Personen (8%)
klagten über Herzrasen. In zwei Fällen lagen euthyreote und in zwei weiteren, hyperthyreote
Stoffwechsellagen vor, davon eine manifeste Rezidivhyperthyreose und eine TSHSupression unter
Thyroxintherapie. Schluckbeschwerden beklagten 3 Patienten (6%), wobei bei einem Patienten ein
Strumarezidiv mit einem Volumen von 26 ml nachgewiesen wurde. Unter einem Kloßgefühl litten
ebenfalls 3 Patienten (6%), wobei eine Patientin ein Strumarezidiv mit einer Größe von 22 ml
aufwies. Schmerzen, Diarrhoen und Gewichtsabnahmen wurden nicht mehr beschrieben (Tab.7).
Tab. 7: Symptomatik zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Symptomatik Anzahl Untersuchungsbefund
Beschwerdefrei 24 (48%) o.B.
Unruhe 10 20(%) 3 Hyperthyreosen
Hyperhidrosis 9 (18%) 1 Hyperthyreose
Heiserkeit 7 (14%) 2 Rekurrensläsionen
Luftnot 4 (8%) o. B.
Herzrasen 4 8(%) 2 Hyperthyreosen
Schluckbeschwerden 3 (6%) 1 Struma
Kloßgefühl 3 6(%) 1 Struma
3.2.3. Körperlicher Untersuchungsbefund
Alle nachuntersuchten Patienten wiesen schmale, abgeblasste Narben auf, die im
Hautniveau lagen. Eine Fixierung der Narbe an die vordere Halsmuskulatur konnte
beim Schlucken ausgeschlossen werden. Bei 43 Personen (86%) war das Organ
palpatorisch normal groß und ohne knotige Veränderungen. Eine einseitige
42
Vergrößerung konnten wir bei 3 Patienten (6%) und eine beidseitige Vergrößerung
des Organs bei 4 Patienten (8%) erfassen. Palpatorisch konnten somit 7 Rezidive
(14%) vermutet werden.
43
3.2.4. Schilddrüsenstoffwechsellage
Die Analyse der Nüchternseren ergab bei 44 Patienten (88%) normale TSH und FT4
Werte. Eine manifeste Hypothyreose mit TSHErhöhung und FT4Erniedrigung lag
bei einer Patientin (2%) vor. Sie klagte über Gewichtszunahme und verstärkte
Müdigkeit. Eine Patientin (2%) wies eine latente Hypothyreose auf. In beiden Fällen
waren ausgedehnte subtotale Resektionen beidseits durchgeführt und keine
Substitutionstherapie eingeleitet worden. Eine manifeste Hyperthyreose wurde bei
einer Patientin (2%) gefunden. Diese Patientin litt unter Herzrasen, Unruhe und
vermehrter Schweißneigung. Nach einer Knotenextirpation wurde bei ihr ein
Knotenrezidiv nachgewiesen. Sie hatte keine Rezidivprophylaxe erhalten. Bei
insgesamt 3 Patienten (6%) konnte eine TSHErniedrigung bei normalen peripheren
Schilddrüsenparametern nachgewiesen werden. Diese Patienten erhielten LThyroxin
in niedriger Dosierung und wiesen kein Wachstumsrezidiv auf. (Tab.8)
Tab. 8: Stoffwechsellage nach operativer Therapie der funktionellen Schilddrüsenautonomie
Stoffwechsellage Anzahl Anteil%
Euthyreot 44 88
Hypothyreot 1 2
Latent hypothyreot 1 2
Hyperthyreot
ohne ThyroxinTherapie
1 2
TSHSuppression
unter 100 µgThyroxin
3 6
44
3.2.5. Sonographische Befunde
3.2.5.1. Rezidivhäufigkeit
Die Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse erbrachte folgende Befunde: 36
Patienten (72%) hatten eine normalgroße, homogene, echonormale Schilddrüse ohne
fokale Veränderungen. In 3 Fällen (6%) wurde jeweils ein echoarmer, isolierter
Knoten in einem normal großen Organ gefunden. Es handelte sich hierbei um
Pseudorezidive, also Knoten, die interessanterweise im kontralateralen, nicht
voroperierten Schilddrüsenlappen entstanden waren. Bei 7 Patienten (14%) wurden
hingegen echte Rezidive, Knoten im bereits operierten Schilddrüsenlappen,
diagnostiziert. Diese Rezidive traten 6 mal nach Knotenextirpationen und 1 mal nach
einseitiger subtotaler Resektion auf. Die Knoten waren homogen und echoarm. Sie
traten in 6 Fällen singulär auf, und in einem Fall wurden zwei echoarme Areale
beschrieben. Das restliche Schilddrüsenparenchym war bei diesen Patienten normal
groß, homogenen und echonormal. Palpatorisch waren diese Befunde nicht
aufgefallen, sie wurden erst durch die sonographische Untersuchung der Schilddrüse
entdeckt. Strumarezidive mit Volumina von 21 ml, 24 ml, 24 ml und 26 ml konnten 4
mal (8%) diagnostiziert werden und entwickelten sich in einem Fall nach
Knotenextirpation, einmal nach subtotaler Resektion einseitig und bei zwei Patienten
nach subtotaler Resektion beidseits. Das Echomuster der vergrößerten Schilddrüsen
war inhomogen mit kleinen echoarmen, echofreien und echodichten Strukturen
durchsetzt (Abb.4).
Abb. 4 Rezidivhäufigkeit nach Operation wegen funktioneller Schilddrüsenautonomie
8 6 14
72
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Strumarezidiv Pseudorezidiv Echtes Knotenrezidiv
Kein Rezidiv
Rezidivhä
ufigkeit (%
)
45
3.2.5.2. Zusammenhänge der Rezidiventstehung mit dem Alter, Intervall der
Nachuntersuchung, szintigraphischem Befund, Resektionsverfahren und
Rezidivprophylaxe
Die Rezidiventwicklung in Abhängigkeit des Alters
Unsere Daten ergaben einen tendenziellen Einfluss des Alters auf die
Rezidivhäufigkeit. Während der Anteil der Patienten mit Rezidiv bei den unter 50
jährigen bei 49% lag (9 von 20), reduzierte sich dieser Anteil bei den ab 50jährigen
auf 17% (5 von 30) Der Unterschied zwischen den beiden Altersgruppen war mit p =
0,063 (x 2 Test) nur knapp statistisch nicht signifikant (Tab.9).
Tab.9: Zusammenhang zwischen Alter bei Operation und Auftreten eines Rezidivs
Alter Kein Rezidiv Rezidiv
< 50 Jahre 11 (55%) 9 (45%)
≥ 50 Jahre 25 (83%) 5 (17%)
46
Das Auftreten von Rezidiven in Abhängigkeit des Intervalls zwischen Operation
und Nachuntersuchung
Von den 10 Patienten, die innerhalb der ersten 4 Jahre nach der Operation von uns
nachuntersucht wurden, wies ein Patient (10%) ein Rezidiv auf. 24 Patienten wurden
innerhalb von 5 bis 7 Jahren postoperativ nachuntersucht. In dieser Gruppe wurden
vier Rezidive (16%) festgestellt. Bei den 16 Patienten mit den
Nachuntersuchungsintervallen über 7 Jahren hatten 9 Patienten (56%) Rezidive
entwickelt (Tab. 10).
Tab. 10: Zusammenhang zwischen Intervall OPNachuntersuchung und Auftreten eines
Rezidivs
Zeitpunkt der
Nachuntersuchung
Kein Rezidiv Rezidiv
04 Jahre 9 (90%) 1 (10%)
57 Jahre 20 (83%) 4 (17%)
über 7 Jahre 7 (44%) 9 (56%)
47
Es besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Entstehung eines Rezidivs
und der Dauer zwischen Operation und Nachuntersuchung (p = 0,0092). Während Patienten mit
Nachuntersuchungsdauern bis 4 Jahre zu 90% rezidivfrei waren (9 von 10), sank dieser Anteil bei
den Nachuntersuchungsdauern von 57 Jahren auf 83% (20 von 24) und 44% (7 von 16) bei den
Nachuntersuchungsdauern über 7 Jahre. Die Rezidivhäufigkeit nahm mit zunehmender
Nachuntersuchungsdauer also deutlich zu. Der Unterschied zwischen den drei Gruppen
unterschiedlicher Nachuntersuchungsdauer war mit p= 0,0087 (x 2 –Test) statistisch signifikant.
Abb. 5 Zusammenhang zwischen Intervall OpNachuntersuchung und Auftreten eines
Rezidivs
10 17
56
0
10
20
30
40
50
60
Bis 4 Jahre 57 Jahre Über 7 Jahre
Intervall zwischen Operation und Nachuntersuchung
Rezidivhä
ufigkeit (%
)
48
Zusammenhang zwischen dem szintigraphischen Befund und der
Rezidiventstehung
Von den 26 Patienten, die wegen einer unifokalen Autonomie operiert worden waren
entwickelten zehn Patienten (39%) ein Rezidiv. Unauffällige Befunde fanden wir in
16 Fällen (61%).
Bei den 15 Patienten mit multifokaler Autonomie wurden drei Rezidive (20%)
diagnostiziert. 12 Patienten (80%) waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
rezidivfrei. Von den 9 Personen mit disseminierter Autonomie hatte ein Patient (11%) ein Rezidiv. Die übrigen
8 Patienten (89%) hatten unauffällige Befunde (Tab.11). Der Anteil der Rezidivpatienten lag in den
verschiedenen AutonomieKategorien bei 38% (10 von 26 unifokale Autonomie) bzw. 20% (3 von
15 multifokale Autonomie) und 11% (1 von 9 Patienten mit disseminierter Autonomie). Hieraus
ergibt sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (p = 0,21).
Tab. 11: Rezidiventwicklung in Abhängigkeit des szintigraphischen Befundes der
Schilddrüsenautonomie
Unifokale Autonomie
Multifokale Autonomie
Disseminierte Autonomie
Rezidivfrei 16 (61%) 12 (80%) 8 (89%)
Rezidiv 10 (39%) 3 (20%) 1 (11%)
49
Zusammenhang zwischen der Rezidivhäufigkeit in Abhängigkeit des
Resektionsverfahrens
Nach 14 Knotenextirpationen wurden im Rahmen unserer Nachuntersuchung fünf
unauffällige Befunde (36%) und neun Rezidive (64%) diagnostiziert.
In neun Fällen war eine einseitige subtotale Resektion durchgeführt worden. Hiervon
waren sechs Patienten (67%) rezidivfrei, und insgesamt drei Patienten (33%) hatten
ein Rezidiv entwickelt.
Insgesamt 27 mal war eine subtotale Resektion beidseits als Operationsverfahren
gewählt worden. In diesem Kollektiv waren 25 Personen (93%) ohne Rezidiv. Bei
zwei Patienten (7%) wurden Rezidive gefunden (Tab.12).
Betrachtet man die unterschiedlichen Resektionsverfahren, so sieht man mit
zunehmendem Resektionsausmaß eine Abnahme der Rezidiventwicklung. Das
gewählte Operationsverfahren hatte einen statistisch signifikanten Einfluß auf die
Rezidiventwicklung (p=0,00267).
Tab .12: Zusammenhang zwischen Operationsverfahren und Auftreten eines Rezidivs
Knotenextirpation Subtotale Resektion
einseitig
Subtotale Resektion
beidseitig
Rezidivfrei 5 (36%) 6 (67%) 25 (93%)
Rezidiv 9 (64%) 3 (33%) 2 (7%)
50
Das Auftreten von Rezidiven in Abhängigkeit von der medikamentösen
Rezidivprophylaxe
Bei insgesamt 17 Patienten (34%) wurde keine Rezidivprophylaxe durchgeführt. In
dieser Gruppe wurden sieben Rezidive gefunden (41%).
50 oder 75 µg LThyroxin hatten 19 Patienten (38%) regelmäßig bis zum Zeitpunkt
unserer Untersuchung eingenommen. Von ihnen hatten fünf Personen (28%)
Rezidive entwickelt.
Die übrigen 14 Patienten hatten regelmäßig ≥ 100 µg Levothyroxin erhalten. Hier
kam es in zwei Fällen (14%) zu einem Rezidiv ( Tab. 13).
Die Daten zeigen einen höheren Anteil an Rezidiven bei denjenigen Patienten, die
keine Rezidivprophylaxe erhalten hatten. Umgekehrt steigt der Anteil der
rezidivfreien Patienten mit der Höhe der Hormondosis. Eine statistische Signifikanz
läßt sich zwar nicht belegen p=0,29, die Tendenz der Wirksamkeit einer
medikamentösen Rezidivprophylaxe ist jedoch erkennbar.
Tab. 13: Rezidivhäufigkeit in Abhängigkeit einer durchgeführten medikamentösen
Prophylaxe bei Patienten nach Operation einer funktionellen Autonomie der Schilddrüse
Keine Prophylaxe <100 µg
LThyroxin
≥ 100 µg
LThyroxin
Kein Rezidiv 10 (59%) 14 (74%) 12 (86%)
Rezidiv 7 (41%) 5 (26%) 2 (14%)
In der univarianten Analyse wurde ein Zusammenhang zwischen Patientenalter,
Zeitintervall, dem Resektionsverfahren einerseits und der Rezidiventwicklung
andererseits ermittelt.
51
3.3. Langzeitver lauf
46 Patienten beantworteten den Fragebogens zum postoperativen Langzeitverlauf
wegen einer funktionellen Autonomie der Schilddrüse nach duchschnittlich 14
Jahren. Das kürzeste Intervall lag bei 11 Jahren, das längste Intervall betrug 17 Jahre.
Der Median des Langzeitbeobachtungszeitpunktes lag bei 15 Jahren. 46 der 50
Patienten beteiligten sich an der Langzeitbeobachtung. Dies entspricht einer
Rücklaufquote von 92%. Zwei Anschreiben blieben unbeantwortet, und zwei
Patienten waren in der Zwischenzeit an Karzinomerkrankungen verstorben.
Die Befragung nach subjektiven Beschweren ergab folgende Ergebnisse: 40
Patienten (87%) hatten keine Symptome.
3 (6%) Patienten gaben vermehrte Schweißneigung an. Ein Patient hatte bereits eine
Rezidivoperation wegen eines echten Knotenrezidivs hinter sich. Bei ihm wurde eine
subtotale Resektion beidseitig durchgeführt, und postoperativ hatte er je 100 µg
Thyroxin und Jodid erhalten. Der zweite Patient hatte ein echtes Knotenrezidiv und
nahm täglich 50 µg Thyroxin ein. Der dritte Patient hatte ein Pseudorezidiv und
wurde mit 75 µg Thyroxin behandelt.
Ebenfalls 3 Patienten (6%) klagten über Herzrasen, von ihnen litt ein Patient an
einem Strumarezidiv. Er nahm 100 µg Thyroxin pro Tag ein, der zweite wurde, wie
bereits oben erwähnt, nach Rezidivoperation eines echten Knotenrezidivs mit jeweils
100 µg Thyroxin und Jodid behandelt. Der dritte Patient mit Herzrasen hatte ein
Pseudorezidiv und wurde mit 100 µg Thyroxin therapiert.
2 Patienten (4%) klagten über Unruhe, von ihnen hatte eine Patientin ein echtes
Knotenrezidiv und nahm 50 µg Thyroxin ein. Die andere Patientin hatte ein
Preudorezidiv und wurde mit 100 µg Thyroxin behandelt.
In ärztlicher Behandlung wegen ihrer Schilddrüsenerkrankung befanden sich zu
diesem Zeitpunkt noch 29 Patienten (58%). Bei 16 Patienten (32%) wurden noch
regelmäßig Laboruntersuchungen zur Überprüfung der Stoffwechselfunktion
durchgeführt.
Sonographien der Schilddrüse waren in 8 Fällen (16%) erfolgt, und eine
Szintigraphie der Schilddrüse war bei 3 Patienten (6%) durchgeführt worden.
52
17 Patienten (34%) waren nach eigenen Angaben in der Zwischenzeit von ihrem
Hausarzt nicht mehr wegen ihrer Schilddrüsenerkrankung untersucht worden,
allerdings nahmen von diesen Patienten noch 4 Personen regelmäßig 50 µg Thyroxin
ein.
Die Befragung bezüglich der Rezidivprophylaxe erbrachte folgende Angaben:
13 Personen (26%) nahmen keine Schilddrüsenmedikamente ein. 18 Patienten (36%)
erhielten regelmäßig 50 oder 75 µg Thyroxin und 10 Patienten (20%) nahmen
regelmäßig mindestens 100 µg Levothyroxin ein (Tab. 14). Fünf Patienten, die
bereits 100 µg LThyroxin einnahmen, erhielten zusätzlich 100 µg Jodid. Eine
Monotherapie mit Jodid wurde nicht durchgeführt.
Tab. 14: Rezidivprophylaxe von Patienten nach Schilddrüsenoperation wegen einer
Autonomie nach einem postoperativen Zeitraum von 1117 Jahren
Rezidivprophylaxe n (%) nach 6 Jahren n (%) nach 14 Jahren
Keine Prophylaxe 9 (18%) 13 (28%)
50oder 75 µg Thyroxin 23 (46%) 18 (39%)
≥ 100µg Thyroxin 18 (36%) 10 (21%)
100 µg Jodid +100 µg
Thyroxin
∅ 5 (11%)
Von den vier Patienten mit Strumarezidiven hatten, zum Zeitpunkt der
Nachuntersuchung nach durchschnittlich 6,1 Jahren, zwei keine medikamentöse
Rezidivprophylaxe durchgeführt. Sie erhielten nach dem Rezidivbefund von ihrem
Hausarzt 100 µg L Thyroxin.
Zwei Patienten, die ebenfalls Strumarezidive entwickelt hatten, bekamen bereits
Levothyroxin. Nach der Rezidivdiagnose wurde die Dosis bei der ersten Patientin
von 50 auf 100 µg Thyroxin und bei der anderen von 75 auf 125 µg Thyroxin erhöht.
Diese Patientin berichtete, daß sie sich aufgrund des Strumarezidivs erneut einer
Operation unterziehen mußte. Das Rezidiv war im Rahmen unserer
53
Nachuntersuchung bereits als Strumarezidiv mit einem Volumen von 24 ml
aufgefallen. Der Hausarzt hatte die vorbestehende Schilddrüsenmedikation von 75
auf 125 µg Thyroxin erhöht, und da die Patientin zu diesem Zeitpunkt symptomfrei
war, wurde zunächst auf eine operative Intervention verzichtet. In den
darauffolgenden Jahren war es jedoch zu einer weiteren Größenzunahme des Organs
gekommen, so daß eine Rezidivoperation durchgeführt werden mußte. Nach primär
durchgeführter Knotenextirpation war 1996 bei dem Sekundäreingriff eine subtotale
Resektion beidseits erfolgt und anschließend war eine Therapie mit jeweils 100 µg
Thyroxin und Jodid eingeleitet worden.
Ein Knotenrezidiv wurde bei zehn Patienten diagnostiziert. Eine Patientin mit
Knotenrezidiv hatte keine Beschwerden und wurde, wie bereits zum Zeitpunkt der
Nachuntersuchung, mit 50 µg LThyroxin behandelt. Der zweite Rezidivpatient hatte
den Fragebogen nicht beantwortet.
Zwei Patienten mit einem Pseudorezidiv waren in der Zwischenzeit mit Radiojod
behandelt worden. Sie waren subjektiv beschwerdefrei, die Stoffwechsellage war
euthyreot. Eine dieser Patientinnen war im Rahmen unserer Nachuntersuchung
bereits mit einer manifesten Hyperthyreose aufgefallen. Da sie eine erneute
Operation abgelehnt hatte, war sie mit Radiojod erfolgreich behandelt worden.
Drei Patienten wußten nichts von ihrem Rezidiv. Sie wurden, wie bereits zum
Zeitpunkt der Nachuntersuchung, mit 75 oder 100 µg L Thyroxin behandelt.
Eine Patientin berichtete, sie könne wegen der Pflegebedürftigkeit ihres Mannes,
keinen Arzt konsultieren, bei ihr wurde keine Rezidivprophylaxe durchgeführt.
Zwei Patienten mit Knotenrezidiven befanden sich nicht mehr in ärztlicher
Überwachung. Subjektiv waren sie beschwerdefrei.
Zusammenfassend befanden sich also noch 10 der 14 Patienten mit einem Rezidiv in
medizinischer Betreuung, wobei in 8 Fällen primär eine Therapie mit
Schilddrüsenhormonen durchgeführt wurde. Eine Rezidivoperation war bei einer
Patientin und eine Behandlung mit Radiojod bei 2 Patienten durchgeführt worden.
Ein Patient konnte wegen Nichtbeantwortung des Langzeitfragebogens nicht weiter
beobachtet werden, und 2 Patienten befanden sich nicht mehr in ärztlicher
Behandlung (Tab.15).
54
Tab. 15 Rezidive nach Operation wegen Schilddrüsenautonomie und deren Langzeitverlauf
Rezidivtyp Symptomatik Medikation OP/RJT
Fall1 Strumarezidiv Schluck
beschwerden
100 µg
Thyroxin
∅
Fall 2 Strumarezidiv Herzrasen 100 µg
Thyroxin
∅
Fall 3 Strumarezidiv Keine 125 µg
Thyroxin
∅
Fall 4 Strumarezidiv Keine 100 µg
Thyroxin
∅
Fall 5 Knotenrezidiv Herzrasen,
Hyperhidrosis
Je 100 µg
Thyroxin und
Jodid
Rezidiv
operation
Fall 6 Knotenrezidiv Hyperhidrosis,
Unruhe
50 µg Thyroxin ∅
Fall 7 Knotenrezidiv Keine
Angaben
/ ∅
Fall 8 Pseudorezidiv o. B. 75 µg Thyroxin RJT
Fall 9 Pseudorezidiv o. B. 125 µg
Thyroxin
RJT
Fall 10 Pseudorezidiv Hyperhidrosis 75 µg Thyroxin ∅
Fall 11 Pseudorezidiv Unruhe,
Herzrasen
100 µg
Thyroxin
∅
Fall 12 Pseudorezidiv Keine 75 µg Thyroxin ∅
Fall 13 Pseudorezidiv Keine Angaben / ∅
Fall 14 Pseudorezidiv Keine Angaben / ∅
55
4. Diskussion
Die funktionelle Autonomie in einer endemischen Struma ist als Folgeerkrankung
einer Jodunterversorgung anzusehen. Mehr als 20 Millionen Deutsche leiden unter
einer behandlungsbedürftigen Jodmangelstruma (78,80,91). Mit zunehmendem Alter
beobachtet man eine signifikante Zunahme von knotigen Veränderungen in Strumen.
Insbesondere bei älteren Menschen mit Struma nodosa findet man in bis zu 75% der
Fälle eine Schilddrüsenautonomie (28,55). Dies stellt die häufigste Ursache von
Hyperthyreosen in Deutschland dar. Durch Entgleisung der Stoffwechsellage wird
eine Behandlung notwendig, die entweder operativ, durch Radiojodtherapie oder
vorübergehend auch medikamentös erfolgen kann. Ziel nach erfolgter Therapie soll
die Gewährleistung einer dauerhaften euthyreoten Stoffwechsellage und die
Vermeidung von Rezidiven sein.
Über das Auftreten von Autonomierezidiven nach Schilddrüsenoperationen liegen
nur sehr spärliche Publikationen vor. Wegen der unterschiedlichen Definition von
Rezidiven, Uneinheitlichkeit des Patientengutes und unterschiedlichen
Nachbeobachtungszeiten ist es schwer, allgemeingültige Aussagen zu machen.
Sicher ist, daß verschiedene endogene und exogene Noxen auf die Schilddrüse
einwirken und zur Entstehung einer Struma mit oder ohne Autonomie führen
können. Wenn diese Noxen nach erfolgter Operation weiterhin auf die Schilddrüse
einwirken, kann dies zur Rezidivbildung beitragen. Das Problem tritt
verständlicherweise dann verstärkt auf, wenn beim Ersteingriff nicht alle autonomen
Gewebeanteile entfernt wurden. Die gesamte Drüse ist erkrankt und die
szintigraphisch nachweisbaren Autonomien stellen nur die Spitze des Eisberges dar.
Eine äußerst sorgfältige präoperative Diagnostik mittels Sonographie und
Szintigraphie ist hilfreich, aber erst eine genaue intraoperativemorphologische
Inspektion des gesamten Organs führt zu einer detaillierten operativen
Vorgehensweise. Ziel nach erfolgter chirurgischer Therapie soll die Gewährleistung
einer dauerhaften euthyreoten Stoffwechsellage und die Vermeidung von Rezidiven
sein (86). Hierzu dient die medikamentöse Rezidivund Substitutionsprophylaxe.
56
Unsere Untersuchung an 50 Patienten, die wegen einer funktionellen Autonomie der
Schilddrüse operiert wurden, befaßt sich mit der Rezidiventstehung, insbesondere in
Abhängigkeit des Resektionsverfahrens und der medikamentösen
Rezidivprophylaxe. Der Beobachtungszeitraum zwischen Primäroperation und
Beurteilung des Langzeitverlaufs betrug im Mittel 13 Jahre (1017). Nach einer
retrospektiven Datenerhebung aus den Krankenakten, erfolgte eine klinische
Nachuntersuchung mit ausführlicher Anamneseerhebung, lokalem
Untersuchungsbefund, Bestimmung der Schilddrüsenhormonwerte und
sonographischer Beurteilung des Schilddrüsenparenchyms. Wir unterteilten die
sonographischen Befunde in 3 Kategorien. Als Strumarezidive definierten wir eine
Schilddrüsenvergrößerung mit einem Volumen von ≥ 18 ml bei Frauen und ≥ 25 ml
bei Männern. Traten fokale Parenchymveränderungen auf, differenzierten wir
zwischen einem Knotenrezidiv, welches im voroperierten Schilddrüsenlappen
entstanden war, und einem Pseudorezidiv, das sich im primär unauffälligen
Schilddrüsenlappen gebildet hatte.
Wir berichten über 50 Patienten, die in den Jahren 19791985 in der Chirurgischen
Klinik der RuhrUniversität im St. JosefHospital in Bochum wegen einer
Schilddrüsenerkrankung operiert wurden und nach durchschnittlich 6 Jahren von uns
nachuntersucht wurden. Es handelte sich ausschließlich um Patienten, die wegen
einer Schilddrüsenautonomie operiert wurden. Alle Patienten wurden im Rahmen der
Nachuntersuchung sonographiert. Es erfolgte eine genaue volumetrische
Bestimmung des Schilddrüsenparenchyms sowie eine detaillierte Erfassung
sämtlicher neu aufgetretener fokaler Parenchymveränderungen. Andere Autoren, die
sich ebenfalls mit Rezidiventwicklungen nach Behandlungen von hyperthyreoten
Schilddrüsenerkrankungen beschäftigten, berichten über recht unterschiedliche
Patientenklientele. So berichten Dorbach und Schicha über 168 Patienten, die sich in
den Jahren 19861990 in einer Schilddrüsenambulanz wegen Zustand nach
Schilddrüsenoperation vorstellten. Ausschlußkriterien waren lediglich Patienten mit
Schilddrüsenkarzinomen und Morbus Basedow. So wurden auch Patienten, die wegen
einer Struma ohne Autonomie operiert wurden, nachbeobachtet. Gemsenjäger
untersuchte 1992 in Basel in einer prospektiven Langzeitstudie 287 Patienten mit
57
Knotenstrumen über einen Zeitraum von 3 Monaten bis 18 Jahre postoperativ.
Eingeschlossenen sind in seiner Untersuchung neben Patienten mit einer
Schilddrüsenautonomie auch Patienten mit Struma ohne Autonomie sowie mit
abklärungsbedürftigen „kalten Knoten“. Es handelt sich zwar um ein zahlenmäßig
großes, jedoch inhomogenes Krankengut. Erickson, Gharib und van Heerden
untersuchten 1998 in einer retrospektiven Studie insgesamt 253 Patienten aus ihrem
Einzugsbereich in Minnesota/USA, einem Gebiet mit ausreichender Jodversorgung,
die wegen hyperthyreoter Knotenstruma behandelt wurden. Die Diagnose
hyperthyreote Knotenstruma wurde palpatorisch und laborchemisch gestellt.
Bildgebende Verfahren kamen hier nicht zum Einsatz, außerdem fehlte im
Methodikteil eine genaue Definition der Diagnose „Knotenstruma“. Eine Arbeit von
Berglund et al. aus dem Jahr 1991 beschäftigt sich mit 303 Patienten aus
Malmö/Schweden, die dort in den Jahren von 19701974 wegen einer hyperthyreoten
Knotenstruma oder eines toxischen Adenoms behandelt wurden. Die Patienten
wurden operativ oder mit einer Radiojodtherapie behandelt. Auch hier sehen wir
zwar ein relativ großes, aber wiederum unselektioniertes Patientengut. Vergleicht
man die Einzugsgebiete, das Patientenklientel und die unterschiedlichen Zeiträume
berichten wir über ein sehr homogenes Kollektiv. Wir sind die einzigen, die
ausschließlich Patienten nach Operation wegen einer Schilddrüsenautonomie mittels
Anamnese, klinischer Befunderhebung und laborchemischen Bestimmungen
beobachteten. Insbesondere die bei allen Patienten durchgeführte Sonographie mit
exakter Volumetrie und Erfassung sämtlicher fokaler Parenchymveränderungen
sucht in der Literatur ihresgleichen. Wir verzichteten aus Kostenund
Strahlenschutzgründen auf die Durchführung einer Szintigraphie. Bestand der
Verdacht auf ein Autonomierezidiv sprachen wir in einem Bericht an den Hausarzt
eine derartige Empfehlung aus.
In unserem Patientenkollektiv lag das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der
Operation bei 52 Jahren (2578 Jahre). In einer Arbeit von Wiener (128) belief sich
das mittlere Alter auf 45 Jahre, das Durchschnittsalter lag in der Beobachtung von
Dorbach und Schicha bei 51 Jahren und eine Untersuchung von MüllerGärtner et al
(84) beschreibt ein mittleres Alter von 51 Jahren. Somit stehen unsere Resultate mit
einem Erkrankungsgipfel im 6. Dezenium in Übereinstimmung mit der Literatur, die
58
sich jedoch allesamt auf Strumaendemiegebiete beziehen (15,16,68,100,107). In
unserer Untersuchung ist ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Patienten und
der Rezidiventstehung zu beobachten. 20 Patienten (45%), die jünger als 50 Jahre
waren, und nur 17% der über 50jährigen hatten ein Rezidiv entwickelt. Schicha
vermutet als eine der Ursachen für eine Rezidivstruma eine genetische
Prädisposition (106). Er beobachtete, daß Patienten, die in jungen Jahren
strumektomiert worden waren, ein höheres Rezidivrisiko aufwiesen. Ob sich diese
Veranlagung auch auf die Schilddrüsenautonomie übertragen läßt, wird nicht
beantwortet. Eine andere mögliche Erklärung wäre ein größerer Proliferationsreiz
bei jüngeren Patienten.
Entsprechend den Angaben aus der Literatur fanden wir vor allem Frauen über 50
Jahre, die sich wegen einer Schilddrüsenautonomie in ärztliche Behandlung begaben
(11, 23, 75, 108). Das Verhältnis operierter Frauen zu operierten Männern betrug
24:1. Gemsenjäger fand 82 % Frauen und 18 % Männer in seinem Patientengut,
Erickson berichtet von 85% Frauen und 15 % Männern, und auch in der
Untersuchung von MüllerGärtner et al. sind zumeist Frauen (84%) betroffen und nur
zu 16 % männliche Probanden. Im Rahmen der Schilddrüsenstudie PAPILLON, in
den Jahren 20012002, wurde ein Ultraschallscreening bei 64.123 nicht
schilddrüsenspezifisch vorbehandelten Personen durchgeführt (117). Hierbei wurde
festgestellt, daß Schilddrüsenbefunde auch bei der männlichen Bevölkerung deutlich
häufiger als bisher angenommen nachweisbar waren. Im Alter von 1830 Jahren war
eine Struma nodosa bei 1,2 % der Männer und 1,8 % der Frauen nachweisbar, in der
Altersgruppe von 3145 Jahren lagen gleiche Befunde bei 6,4 % der Männer und 8,5
% der Frauen vor. Im Alter von 4665 Jahren waren 12,9 % aller Männer und 15,4%
der untersuchten Frauen betroffen. Somit scheinen Frauen nur geringfügig häufiger
von einer Schilddrüsenerkrankung betroffen zu sein. Das Verhältnis operierter
Patienten liegt jedoch bei 4:1 zugunsten der Frauen. Als Ursache hierfür vermuten
wir psychogene Faktoren. Zudem besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit dem
Klimakterium und der damit häufig zeitgleich auftretenden vegetativen
Symptomatik. Die Einleitung einer Schilddrüsendiagnostik. führt dann zur
Entdeckung der Schilddrüsenautonomie.
59
Über die Zusammenhänge zwischen klinischen Symptomen und dem Ausmaß von
Schilddrüsenautonomien gibt es in der Literatur wenig Material. Wie bereits
erwähnt, nimmt das Risiko, eine Hyperthyreose zu entwickeln, mit steigendem Alter
zu. Dieses geschieht schleichend über Jahre oder Jahrzehnte und die Symptome sind
unspezifisch. Eine oftmals bestehende Multimorbidität bei älteren Menschen führt
dazu, daß Symptome fehlinterpretiert werden können. In unserer Studie wiesen zum
Zeitpunkt der Operation insgesamt 37 Patienten (72%) eine vegetative
Beschwerdesymptomatik auf. Am häufigsten wurde über Hyperhidrosis (44%),
Unruhezustände (40%), Schluckbeschwerden (26%), Kloßgefühl (22%) und
Heiserkeit geklagt. Luftnot (8%), Schmerzen (6%), Diarrhoen (4%) und
Gewichtsabnahmen (2%) kamen nur vereinzelt vor. Die Bewertung der Beschwerden
ist in vielen Fällen problematisch, da sie schwer objektivierbar und nicht immer
einer Schilddrüsenerkrankung zuzuordnen sind. Wir konnten keine signifikanten
Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß der Schilddrüsenerkrankung und den
klinischen Symptomen herleiten. Ein weiterer Punkt, der in die Überlegung mit
einfließen sollte, ist die langsame Entwicklung der Schilddrüsenautonomie. Dies
führt dazu, daß der Körper sich an die veränderte Situation adaptiert und die
betroffenen Patienten die Beschwerden oftmals lange Zeit nicht zuordnen können.
Diese Beobachtung deckt sich mit Untersuchungen von Als, Baer, Glaser und Rösler.
Sie berichten von einer wenig verläßlichen Anamnese bei einem sehr langsam
fortschreitenden Leiden. Auch sie machten die Erfahrung, daß sich der Körper an ein
zunehmend abnormes Befinden anpaßen kann. Zudem werden Tachykardien,
Vorhofflimmern, Herzklopfen und Nervosität, angesichts vielfältiger anderer
Ursachen, nicht immer mit einer Hyperthyreose in Verbindung gebracht. Oftmals
werden viele Symptome erst retrospektiv der Schilddrüsenerkrankung zugeordnet.
Auch Henry Plummer fiel auf, daß Patienten durchschnittlich 3 Jahre warteten, bevor
sie einen Arzt konsultierten (3,96). Zwischen dem Ausprägungsgrad der Autonomie
und der Symptomatik konnten wir erwartungsgemäß keinen statistischen
Zusammenhang belegen, da alle Patienten zum Zeitpunkt der Operation euthyreot
waren. Unruhezustände kamen zu 55% bei Patienten mit disseminierter Autonomie,
zu 26% bei Patienten mit multifokaler, aber auch bei 42% der Patienten mit
unifokaler Autonomie vor. Herzrasen wurde von 23% der Patienten mit unifokaler
60
Autonomie, 20% mit multifokaler Autonomie und 56% mit diffuser Autonomie
beschrieben. Ein Patient (7%) hatte an Gewicht abgenommen, bei ihm lag eine
multifokale Autonomie vor. Auch zwischen der präoperativen Stoffwechsellage und
der vegetativen Symptomatik gelang es nicht, einen statistisch signifikanten
Zusammenhang herzustellen, denn zum Zeitpunkt der Operation waren alle
Patienten euthyreot oder durch Thyreostatika kompensiert. Trotzdem klagten noch
36% der euthyreoten und 55% der durch Thyreostatika kompensierten Patienten über
Hyperhidrosis. Unruhe bestätigten 42% der euthyreoten und nur 36% der Patienten
mit durch Thyreostatika kompensierte Hyperthyreosen an. Herzrasen wurde von 21%
der euthyreoten Patienten und 36% der medikamentös behandelten Patienten mit
Hyperthyreose angegeben. Jeweils ein Patient mit durch Thyreostatika kompensierter
Hyperthyreose (9%) hatte an Gewicht abgenommen bzw. klagte über Diarrhoen. Die
Beurteilung der Beschwerden ist schwierig.Auch mit Hilfe der objektiven Befunde,
wie z. B. den Laborparametern, war in den meisten Fällen ein Zusammenhang mit
dem Ausmaß der funktionellen Autonomie der Schilddrüse nicht herzustellen. Nur
selten kommen Patienten mit akuten Zeichen einer Schilddrüsenüberfunktion bei
einer funktionellen Autonomie in ärztliche Behandlung. Dies sind dann zumeist
Patienten mit Struma nodosa nach Jodkontamination. Meist entwickelt sich die
Klinik schleichend und ist aufgrund der verschiedenen Stadien mit fließenden
Übergängen von einer euthyreoten über eine latent hyperthyreote bis hin zur manifest
hyperthyreoten Stoffwechsellage unterschiedlich ausgeprägt. Bei älteren Patienten
tritt sie bevorzugt in gedämpfter oligosymptomatischer Form auf, bei der dann
cardiale oder zentralnervöse Beschwerden im Vordergrund stehen können (49,58).
Da die Beschwerden nicht schilddrüsenspezifisch sind, sind sie oftmals nur
richtungsweisend.
Da die klinische Symptomatik so wenig ergiebig ist, spielen bei der Abklärung von
Schilddrüsenerkrankungen apparative Untersuchungsmethoden eine große Rolle.
Dabei stehen die Sonographie, laborchemische Untersuchungen und bei Verdacht
auf eine funktionelle Autonomie der Schilddrüse die Szintigraphie unter
Suppressionsbedingungen im Vordergrund. Die Autonomie wird szintigraphisch drei
Erscheinungsformen zugeordnet. Wir fanden in unserer Studie 52% unifokale
Autonomien, 30 % multifokale und 18 % disseminierte Autonomien. Bähre und
61
seine Mitarbeiter fanden in ihrem Krankengut 25% unifokale, 49% multifokale und
26% disseminierte Autonomien (5). Er nahm an, daß die Häufigkeit der unifokalen
Autonomie mit der hochauflösenden quantifizierenden Schilddrüsenszintigraphie
sogar noch überschätzt wird. Denn im paranodulären Gewebe vermutete er
autonome Zellen, die mit dieser Untersuchungsmethode nicht sicher nachweisbar
waren. Joseph et al. beschreiben 38% unifokale und 62% multifokale bzw.
disseminierte Autonomien (61). Pfannenstiel spricht von 25% unifokalen, 50%
multifokalen und 25% disseminierten Autonomien (90). Pimpl, Boeckl und Galvan
operierten zwischen 1964 und 1989 insgesamt 2443 Patienten wegen einer
Schilddrüsenautonomie (94). Davon hatten 57% eine unifokale und 43% eine
multifokale oder diffuse Autonomie. Die Angaben über die Prävalenz der Autonomie
werden im wesentlichen dadurch bestimmt, wie häufig die quantitative Szintigraphie
eingesetzt wird. Autonomien können zwar in jedem Lebensalter auftreten, ihre
Häufigkeit nimmt aber mit steigendem Lebensalter zu. Bähre et al. fanden bei 65%
der über 45jährigen, jedoch nur bei 14% der unter 25jährigen, eine disseminierte
Autonomie. Dieses Ergebnis verdeutlicht, daß autonome Areale langsam wachsen,
so daß im höheren Lebensalter eher multinodöse oder diffuse Autonomien
vorherrschen (54). In diesem Zusammenhang ist die Betrachtung der funktionellen
Aktivität der Schilddrüse interessant. Erwartungsgemäß konnte ein Zusammenhang
zwischen dem Ausprägungsgrad der Autonomie und der Stoffwechsellage
nachgewiesen werden. Von den Patienten mit unifokaler Autonomie hatten 81% eine
euthyreote Stoffwechsellage, wobei dies nur bei 40% der Patienten mit multifokaler
Autonomie und 11% der Patienten mit disseminierter Autonomie der Fall war. Diese
Verteilung zeigt, daß die Gefahr, eine Stoffwechselentgleisung zu entwickeln, mit
der Menge autonomen Gewebes ansteigt. Multifokale und disseminierte Autonomien
haben demnach die größte Hyperthyreoseprävalenz (81). Frühere Untersuchungen
von Kreisig oder Becker zum Hyperthyreoserisiko stützten sich auf die Größe von
autonomen Herden (30,62). Dies ist jedoch nur bei fokalen Autonomien möglich. Ab
einer Größe von 2,5 bis 3 cm oder einem „kritischen“ Volumen von 8 ml muß mit
einer Exacerbation des Stoffwechsels gerechnet werden, wobei auch das Jodangebot
eine entscheidende Rolle spielt (60). Pickardt beschreibt in ihrem Patientengut ein
62
Hyperthyreoserisiko von 37% bei Patienten mit unifokaler Autonomie und 63% bei
Patienten mit multifokaler bzw. disseminierter Autonomie (87).
Eine manifeste Hyperthyreose ist therapiebedürftig. Bei Vorliegen einer latenten
Hyperthyreose auf dem Boden einer Schilddrüsenautonomie ist zunächst eine
abwartende Haltung gerechtfertigt. Im Laufe der Zeit muß jedoch damit gerechnet
werden, daß die Schilddrüsenautonomie zunimmt, so daß eine Exacerbation des
Stoffwechsels zu befürchten ist. Zudem kann eine Jodexposition, z. B. durch
jodhaltige Kontrastmittel, eine lebensbedrohliche thyreotoxische Krise auslösen.
Eine Spontanremission tritt nicht ein, und aus diesen Gründen wird die funktionelle
Autonomie frühzeitig einer definitiven Behandlung zugeführt. Es kommen folgende
Therapieoptionen in Frage: die Operation oder die Radiojodtherapie.
Die Erwartung an eine invasive Behandlung wie die Operation ist hoch. Ein
Rezidivrisiko läßt sich jedoch nicht ausschalten (109,114,116). Die Wahl des
Operationsverfahrens hat unserer Ansicht nach aber einen entscheidenden Anteil am
Krankheitsverlauf. Seit den späten sechziger Jahren wurde die klassische „subtotale
Resektion unter Belassung eines daumenendgliedgroßen Restes“ als Standardeingriff
verlassen, und eine funktionsorientierte Denkweise setzte sich zunehmend durch
(13,25,33,36,40,42,117). Anzustreben ist die möglichst vollständige Entfernung aller
Knoten bei normalen Restvolumina, um möglichst funktionsfähige Restschilddrüsen
zu erhalten. In vielen Fällen schließen sich diese beiden Ansprüche jedoch
gegenseitig aus. In unserer Klinik wurde, soweit der Befund dies möglich machte,
funktionsorientiert reseziert, und so wurden bei 14 Patienten (28%)
Knotenextirpationen, bei 9 Patienten (18%) subtotale Resektionen einseitig
vorgenommen. In 27 Fällen (54%) waren subtotale Resektionen beidseits
unumgänglich. Eine Hemithyreoidektomie oder Thyreoidektomie führten wir nicht
durch. Nach subtotaler Resektion wurde ein daumenendgliedgroßer Geweberest
belassen. Es handelte sich dabei um ein geschätztes Volumen von 35g. Pimpl et al.
beschrieben eine ähnliche operative Vorgehensweise, wobei sie die Restgröße mit
ca. 13 g angaben (93). Gemsenjäger berichtete in einer prospektiven Langzeitstudie
über 287 Patienten, die wegen autonomer Knotenstruma operativ behandelt wurden.
Sein Resektionsausmaß bestand in selektiver und vollständiger Entfernung des
gesamten knotigen Gewebes. Bei 44% der Patienten erforderte die dorsale Lage der
63
Knoten eine ausgiebige Mobilisierung des jeweiligen Schilddrüsenlappens mit
extrakapsulärer Excision oder Hemithyreoidektomie (42). In einer Untersuchung von
169 Patienten mit Schilddrüsenautonomie beschrieb Lemmers verschiedene
Operationstaktiken, und zwar eine Enukleation, die bei 21% und eine „erweiterte
Knotenresektion“, die bei 9% durchgeführt wurde. Eine einseitig subtotale Resektion
führte er ebenfalls bei 9% durch, eine Hemithyreoidektomie in 5% der Fälle, eine
subtotale Resektion beidseits wurde in 36%, und eine einseitige subtotale Resektion
mit Hemithyreoidektomie der Gegenseite war in 20% erfolgt (75). Frilling führte
ebenfalls eine funktionsund morphologiegerechte Resektionsform durch. Bei
solitären autonomen Adenomen nahm sie eine partielle Lappenresektion unter
Mitnahme des Knotens und einem ausreichend breitem gesunden Parenchymsaum
vor. Die Knoten wurden in toto, d. h. ohne Kapseleröffnung reseziert. Bei Vorliegen
einer multifokalen Autonomie wurden durch ein bzw. beidseitige subtotale
Resektion alle Knoten sicher entfernt. Eine disseminierte Autonomie erforderte eine
radikale subtotale Schilddrüsenresektion. Angaben zur Menge des verbleibenden
Schilddrüsengewebes macht sie nicht. Auch der Unterschied zwischen einen
subtotalen Resektion und einer radikalen subtotalen Resektion wird nicht näher
erläutert. Übereinstimmung besteht also bei allen Autoren, bezüglich des Vorgehens
anbetrifft, selektiv zu resezieren. Auch unsere operative Strategie orientierte sich an
den morphologischen Gegebenheiten. Alle nodulären Veränderungen wurden
entfernt, eine bestehende Struma wurde ebenfalls reseziert, wobei wir uns bemühten,
makroskopisch unauffälliges Drüsenparenchym zu erhalten.
Im Rahmen der Nachuntersuchung war es uns möglich eine statistisch signifikante
Abhängigkeit des Operationsverfahrens auf die Entwicklung von Rezidiven
(p=0,00267) zu belegen. Nach 14 Knotenextirpationen sahen wir 64% Rezidive, die
sich wie folgt zeigten:(43% Pseudorezidive, 14% Knotenrezidive und 7%
Strumarezidive). Die Patienten, bei denen einseitig subtotal reseziert worden war,
hatten in 33% der Fälle Rezidive (jeweils 1 Struma, 2 Knoten und 1 Pseudorezidiv).
Die subtotale Resektion beidseits bot das geringste Rezidivrisiko. In dieser Gruppe
befanden sich 2 Patienten (7%), die Strumarezidive entwickelt hatten. Mit
zunehmendem Resektionsausmaß sahen wir eine Abnahme des Rezidivrisikos.
Pseudo und Knotenrezidive traten bevorzugt nach Knotenextirpationen auf und
64
waren nach beidseitiger subtotaler Resektion nicht mehr nachweisbar. Eventuell
handelte es sich bei den Pseudorezidiven um zum Zeitpunkt der Operation noch nicht
erkennbare Befunde. Die Knotenrezidive könnten aus dorsal verbliebenen
Knotenanteilen entstanden sein. Strumarezidive fanden wir nach allen drei
Resektionsverfahren in gleicher Häufigkeit. Sie sind unseres Erachtens Folge einer
unzureichenden medikamentösen Rezidivprophylaxe. Selbst wenn es gelingt alles
makroskopisch erkennbare knotige Gewebe zu entfernen, verbleiben möglicherweise
autonome Zellen in dem Parenchymrest, die dann zur Rezidiventstehung beitragen
können. Unseren Beobachtungen zufolge war das Rezidivrisiko, was die
Entwicklung von Knoten oder Pseudorezidiven anbetraf, um so kleiner, je
ausgedehnter reseziert worden war. Bei der Entwicklung von Strumarezidiven
konnten wir einen Einfluß des Resektionsausmaßes nicht belegen. Eine große Studie
von Pimpl aus dem Jahr 1990 liefert Ergebnisse von insgesamt 2443 Patienten die in
den Jahren 19641989 wegen einer Schilddrüsenautonomie operiert wurden. Als
Resektionsausmaß wurde bei unifokaler Autonomie und unauffälligem Restgewebe
eine Enukleation und in den übrigen Fällen subtotale Resektionen beidseits
durchgeführt. Dabei wurde möglichst alles knotige Gewebe entfernt. Die belassene
Restgröße wird mit 13 g angegeben (93). Eine Angabe, wie die Restgröße ermittelt
wurde, fehlt. Wir vermuten, daß es sich um eine grobe und ungenaue Schätzung
handelt. Insgesamt 75% dieser Patienten wurden nachuntersucht. Welche Methoden
angewandt wurden wird nicht näher erläutert. Pimpl fand 1,5% morphologische
Rezidive, die nicht näher differenziert dargestellt wurden und bei 5,5% der Patienten
wurde durch die Operation die Beseitigung der Hyperthyreose nicht erreicht. Da sich
seine extrem niedrige Rezidivrate von der allgemeinen Datenlage mit ca. 20% stark
unterscheidet, ist eine gewisse Skepsis gegenüber diesen Ergebnissen berechtigt.
Erickson veröffentlichte 1998 eine Studie, in der er retrospektiv die Daten von 253
Patienten verglich, die in der Zeit von 19751993 wegen einer Struma multinodosa
mit latenter oder manifester Hyperthyreose behandelt wurden. 74% der Patienten
wurden initial operiert. Das Resektionsverfahren bestand zu 12% aus einer
einseitigen subtotalen Resektion zu 79%, aus einer subtotalen Resektion beidseits;
9% wurden total thyreoidektomiert. Bei insgesamt 97,1% der operierten Patienten
gelang es die hyperthyreote Stoffwechsellage erfolgreich zu beseitigen.
65
Morphologische Rezidive fand er nicht, was wir jedoch auf die kurze
Nachbeobachtungszeit von 2,4 Jahren zurückführen. In einer Arbeit 1992 von
Gemsenjäger veröffentlichten, stellt er Daten von 287 Patienten nach selektivem
Operationsverfahren vor. Die Patienten waren zwischen 19741990 operiert worden,
d. h. Strumaresektion und Entfernung von knotigen Gewebeanteilen. Im Gegensatz
zur klassischen subtotalen Resektion beließ er, falls erforderlich, keinen Geweberest
am Hilus, im Bereich der Nervi laryngei recurrentes oder an den Epithelkörperchen.
Bei insgesamt 44% seiner Patienten machte der Befund eine extrakapsuläre Excision
erforderlich. Er fand 0,6% manifeste Hyperthyreoserezidive, bei 3,2% eine latente
Hyperthyreose und 2,4% Rezidivstrumen. Knotenrezidive und Pseudorezidive, die
aufgrund ihrer Größe nur beobachtet werden mußten, zählte er nicht zu den
Rezidiven (42). Autonomierezidive entwickeln sich häufig aus dorsal belassenen
Knotenanteilen oder bei disseminierter Autonomie (26,119). Auch kleine, präbzw.
intraoperativ noch nicht erkennbare Herde können zum Ausgangspunkt von
Rezidiven werden. Eine ähnliche Beobachtung machten auch Engel und Zornig, die
in ihrem Krankengut 22% „falsche Rezidive“ entdeckten. Alle Befunde konnten
präoperativ nicht diagnostiziert werden. Erst intraoperativ wurden diese knotigen
Veränderungen bis zu einer Größe von 2 cm durch Freilegung der gesamten Drüse
entdeckt (31). Becker beschreibt Restautonomien nach Operation bei 25% seiner
nachbeobachteten Patienten (10). Seiler et al. diskutieren aufgrund der neueren
molekularbiologischen Erkenntnisse der experimentellen Endokrinologie eine
operative Taktikänderung. Demnach ist die Fähigkeit zum Knotenwachstum in der
gesamten Schilddrüse vorhanden und durch Kumulation von Wachstumsfaktoren
kann klonales Wachstum ausgelöst werden. Durch ausgedehntere Resektion sehen
sie die Rezidivgefahr vermindert. In ihrer Studie vergleichen sie zwei
unterschiedliche Zeiträume und zwei Operationstaktiken. Bei der funktionskritischen
Resektion lag die Rezidivrate bei 14%. In der zweiten Beobachtungsperiode
resezierten sie radikaler und konnten hierdurch die Rezidivrate auf 11% senken
(107). Betrachtet man die Patienten, die nach operativer Therapie von
Schilddrüsenautonomien ein Rezidiv entwickeln, ist das Resultat unbefriedigend.
Besteht die Indikation zur chirurgischen Intervention, muß nach unseren
Erkenntnissen eine radikalere Resektion erfolgen, die sich nicht mehr streng an dem
66
Erhalt von möglichst viel funktionstüchtigem Restgewebe orientieren darf, um
langfristig das Ziel Beseitigung von mechanischen Problemen und Hyperthyreose,
sowie Minimierung des Rezidivrisikos zu erreichen. Es gibt Arbeiten die sich mit
Rezidiven nach Operationen von Schilddrüsenautonomien beschäftigen, allerdings
fehlen in den bisherigen Studien differenzierte Betrachtungen von Strumarezidiven,
echten Knotenrezidiven und Pseudorezidiven. Es fehlen einheitliche
Untersuchungsbedingungen wie die Sonographie zur exakten Größenbestimmung
und Darstellung von Herdbefunden in den Schilddrüsen oder vergleichbare
Zeitintervalle, in denen Patienten nachbeobachtet wurden. Deshalb ist ein Vergleich
unserer Untersuchung mit Daten aus der Literatur bezüglich des Auftretens von
Rezidiven nur bedingt möglich ist.
In Zusammenhang mit dem gewählten Resektionsverfahren muß die
Komplikationsrate der operativen Therapie kritisch betrachtet werden. Die
Verletzungsgefahr des Nervus laryngeus recurrens ist abhängig vom
Operationsverfahren. Das Resektionsausmaß und die Lage der Knoten, besonders bei
dorsolateraler Lage, bestimmen die Gefahr der intraoperativen Läsion des Nerven
(27,60). In unserer Untersuchung war es nach beidseitiger subtotaler Resektion in 2
Fällen (4%) zu einer Rekurrensläsion auf jeweils einer Seite gekommen. In einem
Fall konnte bei großer Struma multinodosa der Nerv nicht dargestellt werden und bei
der anderen Patientin war es bei dem Versuch, den Nerv auf der entsprechenden
Seite darzustellen, zu der beschriebenen Nervenverletzung gekommen. Die Befunde
waren laryngoskopisch gesichert worden. Auf eine obligate Darstellung der Nerven
wurde in unserer Abteilung verzichtet. Andere Arbeitsgruppen empfehlen hingegen
die routinemäßige Präparation des Rekurrensnerven. Die bei diesem Vorgehen
nachgewiesene Verletzungsrate schwankt zwischen 0 und 4%. Die Verletzungsrate
ist abhängig von der Größe der Struma, des knotigen Umbaugrades, dem Vorliegen
von Verwachsungen, der Blutungsneigung des Gewebes. In der Literatur werden die
näheren Umstände der Nervenschädigung oftmals nicht näher erläutert. Herrmann et
al. fanden in einer Untersuchung von insgesamt 7566 Patienten nach
Strumaoperationen bei den Autonomiepatienten eine Verletzungsrate von 4,2%.
Weitenfelder berichtet nach 525 Schilddrüsenoperationen von 3,2%
Nervenschädigungen, Wenisch beobachtete in einer retrospektiven Studie in der er
67
348 Krankenakten von Patienten mit Schilddrüsenautonomie auswertete, 0,7%
Rekurrensläsionen. Ob es sich bei den beschriebenen Nervenläsionen um passagere
oder permanente Läsionen handelte oder ob diese Befunde laryngoskopisch gesichert
worden waren, läßt sich aus den genannten Arbeiten nicht erkennen. Pimpl et al.
berichten von 3,9% im eigenen Krankengut, Frick über 5% Nervenschäden und
Gemsenjäger über 2,1% (35,50,93,119,123). Paschke, Holzapfel, Lamesch und
Georgi beschreiben bei Ersteingriffen 2,3% permanente Paresen des Nervus
laryngeus recurrens. Somit liegt unsere Verletzungsrate des Nervus laryngeus, für
diese Zeit im oberen Normbereich, wobei es sich in den beiden beschriebenen Fällen
um operationstechnisch schwierige Situationen gehandelt hatte. In den letzten Jahren
konnte jedoch durch die Einführung des intraoperativen Neuronenmonitorings die
Verletzungsrate des Nervus laryngeus recurrens weiter gesenkt werden. In der 1998
durchgeführten Qualitätssicherungsstudie „benigne und maligne Struma“ wurden
Daten von 7500 operierten Patienten ausgewertet. Bei visueller Darstellung wurde
die Verletzungsrate des Nerven bei sutotaler Resektion von 0,7% auf 0,3% und bei
der Hemithyreoidektomie von 1,3% auf 0,3% gesenkt. Eine Abschwächung oder
Negativierung des intraoperativen Neuromonitoringsignals ist als Hinweis für einen
möglichen Nervenschaden zu werten. Die Präparierung des Nerven wird dadurch
erleichtert. Diese Methode ist besonders wertvoll bei Rezidivoperationen. Eine
weitere Komplikation bei einer Schilddrüsenoperation ist die Nachblutung. Nach
Literaturangaben ist in 12% der Fälle mit Nachblutungen zu rechnen (100,116). In
unserer Untersuchung war es wegen einer abgerutschten Ligatur zu einer (2%)
klinisch relevanten Blutung gekommen, die revidiert werden mußte. Eine Verletzung
der Epithelkörperchen mit Entstehung eines Hypoparathyreoidismus war nicht
aufgetreten, wird aber in der Literatur mit 0,51% Risiko beschrieben (35,100,116).
Trotz der selektiven Resektionsverfahren gibt es keine gutartige chirurgische
Erkrankung, die so viele Rezidive aufweist, wie die Struma mit oder ohne
Autonomien. Hieraus ergibt sich die Dringlichkeit einer konsequenten
Nachbehandlung. (27,50). Diese orientiert sich heutzutage an den
pathophysiologischen Ergebnissen und erfolgt unter Berücksichtigung der
Funktionskapazität der Restschilddrüse und des Jodmangels. Anfang der 80er Jahre
68
beschränkte man sich noch auf die Gabe von LThyroxin, um TSH als
wachstumsstimulierenden Faktor auszuschließen. Eine Jodprophylaxe wurde nicht
durchgeführt, da die Bedeutung des Jodmangels nicht hinreichend bekannt war.
Dementsprechend wurden in der Zeit von 19791985 insgesamt 82% unserer
Patienten behandelt. 18 Patienten (36%) sollten eine tägliche Dosierung von
mindestens 100 µg Thyroxin nach 17 beidseitigen und einer einseitigen subtotalen
Resektion einnehmen. 5075 µg Thyroxin wurde 23 Patienten (46%) nach 7
Knotenextirpationen, 6 subtotalen Resektionen einseitig und 10 beidseitigen
subtotalen Resektionen empfohlen. Bei 9 Patienten (18%) wurde im
Entlassungsbericht keine entsprechende Therapie erwähnt. Leider liegen keine
Studien vor, die Resultate über den postoperativen Verlauf von Autonomien und die
Durchführung der Rezidivprophylaxe liefern. Steiner beschäftigte sich schon Mitte
der 90er Jahre mit der Rezidivprophylaxe. Oft führte die mangelnde Einsicht der
Patienten, die sich subjektiv wohlfühlten, oder auch
Medikamentenunverträglichkeiten zum Absetzen der empfohlenen Präparate. Er
beschrieb schon 1960 die lebenslange Notwendigkeit einer Prophylaxe (109). In
unserer Studie befanden sich nach 13 Jahren noch 58 % der Patienten wegen ihrer
Schilddrüsenerkrankung in ärztlicher Überwachung. Insgesamt nahmen 13 Patienten
(26 %) überhaupt keine Schilddrüsenmedikamente ein. Von den übrigen Patienten
nahmen 18 (36%) 50 bzw. 75 µg Thyroxin, 10 (20%) über 100µg Levothyroxin (20
%) und 5 (10%) jeweils 100 µg Jodid und L Thyroxin. 2 Patienten (4 %) waren in
der Zwischenzeit verstorben und von 2 Patienten (4 %) fehlen die Angaben. In der
Untersuchung von Pimpl wurde allen Patienten mit unifokaler Autonomie ab dem 5.
postoperativen Tag 75µg Thyroxin verabreicht. Die Patienten mit multifokaler
Autonomie blieben bis zur ersten Kontrolle nach 6 Wochen ohne Medikation. Die
weitere Dosierung der Rezidivprophylaxe wurde nach den TSHWerten ermittelt,
wobei der gewünschte Wert bei 0,52,0µU/ml lag. Die niedrige Rezidivrate von
1,5% führte Pimpl auf die konsequente Rezidivprohylaxe zurück. Heutzutage werden
Jod und Levothyroxin eingesetzt. Voraussetzung für die Jodsubstitution ist allerdings
ein noch ausreichend großer Parenchymrest. Durch Ausschaltung des Jodmangels
kann eine Dosisreduktion von Thyroxin erreicht werden. Thyroxin wird individuell
so dosiert, daß TSH in den unteren Normbereich gesenkt wird.
69
Wachstumsautonomien und andere Wachstumsfaktoren lassen sich, nach heutigem
Kenntnisstand, medikamentös nicht beeinflussen (116). Die medikamentöse
Therapie spielt vielleicht bei der Schilddrüsenautonomie eine untergeordnete Rolle,
hat aber als Strumarezidivprophylaxe mit ihrer Folgeerkrankung funktionelle
Autonomie der Schilddrüse zumindest eine theoretische Berechtigung. Die Studien
zur Frage der Therapie der Patienten nach Strumaoperation sind nämlich
unzureichend, die Patientenkollektive sind heterogen zusammengesetzt, und die
Untersuchungsintervalle schwanken. Diskussionen zu Therapieempfehlungen
wurden bislang von der Größe und Funktionsfähigkeit der verbliebenen
Restschilddrüse abhängig gemacht, so daß bei postoperativer Hypothyreose
ausschließlich mit LThyroxin behandelt wurde. Schmidt veröffentlichte 1994 eine
Untersuchung, bei der er 141 Patienten nach Operation wegen funktionsautonomer
und nichtautonomer Jodmangelstruma mit unterschiedlichen Joddosierungen
behandelte. Nach 56 postoperativen Tagen fiel bei 73% eine Hypothyreose auf. Alle
Patienten wurden mit 200300 µg Jodid behandelt. Nach Ablauf eines Jahres war es
bei 56% der Patienten durch die Jodsubstitution zur Verbesserung der
Restschilddrüse mit euthyreoter Funktionslage gekommen. Ein weiteres wichtiges
Ergebnis dieser Untersuchung war die Erkenntnis, daß bei einer
Kombinationstherapie niedrigere LThyroxindosen zur funktionellen
Rekompensation nötig waren als unter einer Monotherapie: 1,25 µg Levothyroxin
pro kg Körpergewicht gegenüber 1,8 µg Thyroxin /kg Körpergewicht (107). Eine
weitere prospektiv randomisierte Studie von SchummDraeger, Enke und Usadel aus
dem Jahr 2003 liefert ähnliche Resultate. Über einen Zeitraum von 24 Monaten
wurden 32 Patienten postoperativ nachuntersucht. Die kontrollierten Parameter
waren einerseits die sonographische Untersuchung der Schilddrüse, sowie die
laborchemische Überprüfung des TSH ,fT3 und fT4 Spiegels. 8 Patienten mit
postoperativer Euthyreose bekamen täglich 200 µg Jod. Nach 2 Jahren hatten sie
eine persistierende euthyreote Stoffwechsellage und keine Änderung des
sonographisch ermittelten Schilddrüsenvolumens. Eine zweite ebenfalls 8köpfige
Gruppe wurde mit 150 µg Jodid und 75 µg Thyroxin behandelt. Hierunter kam es zu
einer signifikanten Senkung des Schilddrüsenvolumens. Die dritte Gruppe mit
postoperativer Hypothyreose wurde ebenfalls mit 150 µg Jodid und Thyroxin,
70
welches an den TSHWert im Serum angepaßt wurde, behandelt. Auch bei diesen
Patienten kam es zu einer signifikanten Verminderung des Schilddrüsenvolumens. In
der vierten Gruppe ebenfalls mit Hypothyreose bekamen alle 8 Patienten eine
Monotherapie mit LThyroxin, welches an das Serum TSH angepaßt wurde,
verabreicht. Vom dritten bis zum 24 postoperativen Monat war eine signifikante
Zunahme des Schilddrüsenvolumens zu verzeichnen. Diese Ergebnisse belegen einen
eindeutigen Vorteil der Kombinationstherapie, bestehend aus Jodid und
Levothyroxin, gegenüber einer Monotherapie mit Jod oder LThyroxin. Endgültige
evidenzbasierte Therapieempfehlungen fehlen bis heute, eine deutliche Tendenz zur
Kombinationstherapie ist aus den Arbeiten jedoch zu entnehmen.
Auch in Zusammenhang mit den Rezidivursachen muß die medikamentöse
Rezidivprophylaxe betrachtet werden. In unserer Untersuchung fanden wir bei 17
Patienten ohne Rezidivprophylaxe 41% (n = 7) Rezidive. In der Gruppe, die
regelmäßig 50 oder 75 µg LThyroxin erhalten hatten, war es bei 28% (n = 5) zu
einem Rezidiv gekommen. Die übrigen Patienten, die regelmäßig ≥ 100 µg Thyroxin
eingenommen hatten, waren zu 14% (n = 2) von Rezidiven betroffen. Eine
statistische Signifikanz läßt sich hieraus zwar nicht ableiten, jedoch erkennt man
eine Tendenz. Der Anteil der rezidivfreien Patienten steigt tendenziell mit der Höhe
der Hormondosis. Eine Jodprophylaxe wurde nicht durchgeführt.
Eine Untersuchung von Rzepka aus dem Jahr 1994 beschäftigt sich mit dem
Auftreten von Strumarezidiven in Abhängigkeit von einer medikamentösen
Rezidivprophylaxe in einem Jodmangelgebiet. Er führte bei 104 Patienten im
Durchschnitt 6,4 Jahre postoperativ Nachuntersuchungen durch und fand 28%
Strumarezidive bei nicht medikamentös behandelten Patienten im Gegensatz zu
8,9% Rezidiven bei Patienten, die eine medikamentöse Rezidivprophylaxe erhalten
hatten. Es handelte sich ausschließlich um eine Therapie mit Levothyroxin, wobei
keinerlei Dosisangaben gemacht wurden. Jodid wurde nur in einzelnen Fällen
verabreicht und aufgrund der niedrigen Fallzahl war keine statistische Aussage
möglich. Eine Kombination bestehend aus Jodid und Thyroxin wurde 12 Patienten
verabreicht und hierbei fiel eine deutliche Volumenreduktion des
Schilddrüsenparenchyms im Gegensatz zur alleinigen Thyroxinbehandlung auf
(101). Olbricht beschreibt ebenfalls einen Rückgang der Strumarezidivhäufigkeit von
71
1015% auf 3% unter einer konsequent durchgeführten medikamentösen Therapie
(86). Auch Steiner behandelte seine Patienten in Österreich, einem Endemiegebiet, mit
100 µg Thyroxin. Dadurch konnte er eine Senkung der Rezidivhäufigkeit von 10
15% auf 1,7% erreichen (109). Aufgrund der unzureichenden Datenlage und
klinischen Erfahrungen zur postoperativen Rezidivprophylaxe der
Schilddrüsenautonomie kann eine endgültige Therapieempfehlung noch nicht
gegeben werden. Die endgültige Beantwortung dieser Frage muß zur Zeit noch offen
bleiben und sollte durch eine Rezidivprophylaxe, die unter Studienbedingungen
durchgeführt werden müßte, geklärt werden. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt,
läßt sich heutzutage jedoch ein eindeutiger Trend mit Vorteil einer
Kombinationstherapie aus LThyroxin und Jodid absehen.
Ferner analysierten wir den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der
Nachuntersuchung und der Rezidiventstehung. Dabei fanden sich innerhalb der
ersten 4 Jahre nach der Operation 1 Knotenrezidiv (2%). Nach 57 Jahren sahen wir
insgesamt 4 Rezidive (8%), davon 2 Knoten, 1 Struma und 1 Pseudorezidiv. Nach
über 7 Jahren hatten 9 Patienten (18%) Rezidive entwickelt und zwar 6 Pseudound
3 Strumarezidive. Nach durchschnittlich 13 Jahren war kein weiteres Rezidiv
aufgetreten. Da sich diese Aussage jedoch auf rein anamnestische Angaben stützt, ist
sie mit entsprechendem Vorbehalt zu bewerten. Wir sahen also eine bis zum 10.
postoperativen Jahr ansteigende Rezidiventwicklung, wobei insbesonders der Anteil
der Pseudorezidive zunahm. Wegen der niedrigen Anzahl der übrigen Rezidive war
hier eine Interpretation nicht möglich.
Eine Untersuchung von Dorbach und Schicha befaßt sich mit der Häufigkeit und
dem zeitlichen Auftreten einer Autonomie in Rezidivstrumen (23). Die
Beobachtungszeit betrug im Mittel 13,8 Jahre (2 Monate 42 Jahre). Im Gegensatz
zu unserer Untersuchung beeinhaltete ihr Patientenklientel auch Patienten mit einer
Struma und kalten Knoten. Bezüglich der Altersverteilung sind beide Gruppen
vergleichbar mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren bei Dorbach et al. und 52
Jahren bei uns. Gemeinsam sind beiden Studien die diagnostischen Maßnahmen
bestehend aus Anamneseerhebung, klinischem Befund, laborchemischen
Untersuchungen sowie einer sonographischen Untersuchung nach gleichen Kriterien.
Im Gegensatz zu uns führten sie jedoch bei allen Patienten
72
Schilddrüsenszintigraphien durch. Interessanterweise konnten sie hierdurch keinen
zusätzlichen Fall einer Autonomie diagnostizieren. Alle Patienten waren schon allein
durch die klinische Untersuchung und die Sonographie auffällig gewesen. Auch das
Intervall zwischen der Operation und Nachuntersuchung war vergleichbar mit 8,2
Jahren versus 6,1 Jahren bei uns. Sie fanden in den ersten drei postoperativen Jahren
in 4% eine Autonomie. Nach 7 Jahren hatten 25% eine Autonomie, nach 14 Jahren
betrug der Anteil der Autonomiepatienten 50%, nach 20 Jahren 70% und nach 40
Jahren 91%. Es ist wohl ein Erfahrungswert, daß in Rezidivstrumen funktionelle
Autonomien sehr häufig anzutreffen sind. Ungeklärt bleibt in dieser Arbeit, ob es
sich bei den Autonomien um persistierende oder neu aufgetretene Autonomien
handelte. Wiener fand bei 87 Patienten, die wegen einer Schilddrüsenautonomie
operiert worden waren, nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 7,1
Jahren bei 21% fokale Autonomien. Die Diagnosestellung erfolgte mittels klinischer
Untersuchung, TRHTests und Bestimmung der Parameter TSH basal, T3 und T4.
Bei Auffälligkeiten wurde eine Szintigraphie durchgeführt. Er nahm an, daß es sich
bei den Autonomien öfter um persistierende Autonomien, als um Pseudorezidive
handelte und vermutete, daß bei der Primäroperation autonome Follikel verblieben
waren (125). Auch in einer Untersuchung von Becker et al. wurden bei 21% der
insgesamt 61 nachbeobachteten Patienten Autonomien diagnostiziert. Da es sich um
einen sehr kurzen Beobachtungszeitraum von 2 Jahren handelte, ging auch er von
Residualautonomien aus, weil er diese Zeitspanne für eine Autonomieentstehung als
zu kurz ansah (10). Angenommen, die 3 Pseudorezidive unserer Untersuchung wären
ebenfalls Residuen, würden sich die Rezidivhäufigkeiten ähneln: 21% bei Wiener,
21% bei Becker und 22% bei uns. MüllerGärtner untersuchte 128 Patienten nach
Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapie wegen eines solitären autonomen
Adenoms. 72 Patienten wurden operiert und 56 Patienten radiojodtherapiert.
Multifokale und disseminierte Autonomien wurden nicht berücksichtigt. Die
Diagnostik umfaßte Anamnesedaten, klinische Befunde, die Szintigraphie und
Laboruntersuchungen. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 10
Jahren (216) wurden 8,3% laborchemisch gesichertete manifeste
Hyperthyreoserezidive gefunden (83).
73
Betrachtet man als weiteren Risikofaktor für die Rezidiventstehung die Ausprägung
der Autonomie, konnte eine Abhängigkeit statistisch nicht belegt werden. Wir
fanden nach unifokaler Autonomie 10 Rezidive (39%). Sie verteilten sich
folgendermaßen: 7 echte Knoten, 2 Pseudo und 1 Strumarezidiv. Von 15 Patienten
mit multifokaler Autonomie entwickelten 3 (20%) ein Rezidiv, und zwar in Form
von 2 Struma,und 1 Pseudorezidiv. Von 9 Patienten, bei denen eine disseminierte
Autonomie vorlag, bekam 1 Patient (11%) ein Strumarezidiv. Diese Ergebnisse
stehen im Widerspruch zu Daten aus der Literatur, die besagen, daß mit steigender
Ausprägung des Autonomiebefundes die Rezidivrate ansteigt. Dissminierte
Autonomien haben demnach also die größte Rezidivneigung (23,25,89). Erklärbar ist
dieser Tatbestand dadurch, daß nach Operation einer disseminierten Autonomie die
Wahrscheinlichkeit, daß autonome Follikel in der Schilddrüse verbleiben, am
größten ist. Wir führen unsere Ergebnisse auf die unterschiedlichen
Resektionsverfahren zurück, da mit zunehmendem Autonomiegrad radikaler
reseziert wurde. Wahl beschrieb in einer Beobachtung von 176 Patienten das
Auftreten von Restautonomien. Er hielt Patienten nach Operation wegen solitärer
autonomer Adenomen für autonomiefrei, während er bei multifokalen Autonomien
in 7% autonomes Restgewebe und bei disseminierter Autonomie in 9% der Fälle
autonomes Restgewebe nachwies (116). Hier muß man sich die Frage stellen, ob die
Szintigraphie hinreichend genau autonomes Gewebe erfaßt. Vielleicht sieht man nur
größere autonome Bezirke, so daß kleinere Autonomien zum Zeitpunkt der
Diagnostik übersehen werden.
Die Verhütung eines Rezidivs ist ein wesentlicher Bestandteil der Nachsorge, die bei
allen Patienten nach Operation einer Schilddrüsenerkrankung lebenslang notwendig
ist. Regelmäßig sollten klinische Kontrollen und die Überprüfung der
Schilddrüsenfunktion erfolgen. Bei Auffälligkeiten sind bildgebende Verfahren wie
die Sonographie, und bei Verdacht auf eine Schilddrüsenautonomie, die
Szintigraphie einzusetzen. Tatsächlich wurden in unserer Untersuchung nach
durchschnittlich 14 Jahren nur 60% der Patienten nachuntersucht. Bei einem Drittel
wurden regelmäßig laborchemische Kontrollen durchgeführt. In knapp 20% der Fälle
waren zusätzlich Sonographien erfolgt, und nur bei 3 Patienten (6%) war eine
74
Szintigraphie durchgeführt worden. Etwa ein Drittel unserer Stichprobe befand sich
wegen der Schilddrüsenoperation überhaupt nicht mehr in ärztlicher Überwachung.
Bezüglich der medikamentösen Rezidivprophylaxe war das Ergebnis insgesamt
erfreulicher. Zwar hatte sich die Anzahl der Patienten ohne jegliche
Schilddrüsenmedikation innerhalb des 6. postoperativen bis zum 14. postoperativen
Jahres von 9 auf 13 erhöht, und auch die Zahl der Patienten die eine eher zaghafte
Medikation von 50 bzw. 75µg Thyroxin einnahmen, sank von 23 auf 18 Patienten ab.
Im Gegenzug stieg der Anteil der Patienten, die mit mindestens 100µg Thyroxin
behandelt wurden, von 18 auf 21 Patienten an. In unserer Langzeitbeobachtung
waren erstmals bei 5 Patienten mit einer Kombinationstherapie bestehend aus
jeweils 100 µg Jodid und Levothyroxin behandelt worden. Insgesamt wurde nach
durchschnittlich 14 Jahren bei ca. 70% der operierten Patienten eine medikamentöse
Prophylaxe durchgeführt.
Die Rezidivrate hatte sich im Langzeitverlauf nicht verändert, wobei wir diese Daten
aus rein anamnestischen Angaben herleiten. Rezidive entwickeln sich demnach
innerhalb der ersten 10 postoperativen Jahre. Interessanterweise wurde nur eine
Patientin mit Strumarezidiv symptomatisch, so daß eine erneute Operation
durchgeführt werden mußte. Die anderen 3 Patienten wurden medikamentös
behandelt, und es war im weiteren Verlauf nicht zu einer beeintächtigenden
Größenzunahme des Organs gekommen. Auch die 10 Patienten mit echten Knoten
bzw. Pseudorezidiven waren größtenteils asymptomatisch. 2 Patientinnen hatten sich
innerhalb des Zeitintervalls zwischen der Nachuntersuchung und
Langzeitbeobachtung jedoch einer Radiojodtherapie unterziehen müssen.
Diesen Ergebnissen entnehmen wir, daß nicht alle Rezidive einer definitiven Therapie
zuzuführen sind. Medikamentöse Therapien mit Jodid und Levothyroxin,
sowie engmaschige Kontrollen der Stoffwechsellagen und Größenkontrollen der
Schilddrüse und von Herdbefunden sind in vielen Fällen ausreichend.
75
Bis heute fehlen Daten zum postoperativen Langzeitverlauf von Patienten mit
Schilddrüsenautonomien. Um Folgeerkrankungen oder Rezidive zu vermeiden, sollte
nach bisherigen Erkenntnissen eine funktionsorientierte, aber in Zweifelsfällen eher
eine radikalere Resektion erfolgen und anschließend lebenslang medikamentös
nachbehandelt werden. Die medikamentöse Behandlung sollte aus einer
Kombination von 150µg Jodid und 75µg Levothyroxin bei Euthyreose, sowie bei
Vorliegen einer Hypothyreose an den TSHWert im Serum angepaßt, bestehen.
76
5. Zusammenfassung
Eine funktionelle Autonomie der Schilddrüse entwickelt sich sehr häufig auf dem
Boden einer Jodmangelstruma. Mit zunehmendem Alter beobachtet man eine
signifikante Zunahme von knotigen Veränderungen in Strumen. Ursache hierfür sind
lange bestehende Joddefizite mit niedrigem intrathyreoidalem Jodgehalt, welche
über die Aktivierung von lokalen Wachstumsfaktoren zu einer Organhyperplasie mit
Proliferation der Schilddrüsenzellen und der autonomen Zellen führen können. Diese
autonomen Zellen unterliegen nicht mehr dem zentralen Regelkreis, und ab einer
gewissen Größe sowie nach Jodkontamination drohen Stoffwechselentgleisungen.
Therapeutisch stehen medikamentöse Maßnahmen, die nur vorübergehend erfolgen
sollten, sowie die Radiojodbehandlung und die operative Therapie zur Verfügung.
Ziel soll nach erfolgter Therapie eine dauerhafte euthyreote Stoffwechsellage und
die Vermeidung von Rezidiven sein. Wir führten eine 13jährige
Verlaufsbeobachtung von 50 Patienten nach erfolgter operativer Therapie einer
Schilddrüsenautonomie durch. Die Patienten wurden in den Jahren 19791985 in der
Chirurgischen Klinik der RuhrUniversität im St. JosefHospital in Bochum operiert
und nach ca. 6 Jahren von uns nachuntersucht. Insbesondere der Einfluß des
gewählten Resektionsverfahrens sowie die Bedeutung der postoperativen
Substitutions und Rezidivprophylaxe auf die Entwicklung von Rezidiven war
Thema unserer Arbeit. Im Rahmen der sonographischen Nachuntersuchung fanden
wir bei 8% Strumarezidive, bei 6% Pseudorezidive und bei 14% echte
Knotenrezidive. Wir sahen einen Zusammenhang von dem gewähltem
Resektionsverfahren, sowie Intervall zwischen Operation und Nachuntersuchung und
Rezidiventstehung. Mit zunehmendem Resektionsausmaß sahen wir eine Abnahme
des Rezidivrisikos, d.h. man darf sich nicht so sehr am Erhalt von möglichst viel
Restgewebe orientieren sondern sollte eher radikaler resezieren. Bezüglich einer
postoperativen medikamentösen Therapie konnten wir eine positive Tendenz sehen.
Der Anteil der rezidivfreien Patienten stieg mit der Höhe der Hormondosis.
Lebenslange Nachbehandlungen sollten bei Euund Hypothyreose mit einer
Kombination aus Jodid und Thyroxin durchgeführt werden.
77
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127. Wiedemann, W. (1993) Sonographie und Szintigraphie der Schilddrüse Lehrbuch und Atlas
128. Wiener, J. D. (1988) Longterm followup of patients with residuale thyroid autonoumy after surgical treatment of Plummer`s disease Thyreoidology 1: 4144
129. Zietz, B., Brüchner, N. (1994) Die Strumaprophylaxe mit Jodid Akt. Ernähr. Med. 19, 1217
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130. Anleitungen zu den Testbestecken „MAGIC“ T3, T4,FT4, und TSH basal FA. Corning
131. Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenkrankheiten Empfehlungen zur Qualitätssicherung Teil 1 – Diagnostik von Schilddrüsenkrankheiten Der Internist, (1997) ∙ 38: 177185
132. Sektion Schilddrüse der Deuteschen Gesellschaft für Endokrinologie Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenkrankheiten Empfehlungen zur Qualitätssicherung Teil 2 – Therapie von Schilddrüsenkrankheiten Der Internist, (1997) ∙ 38: 272280
133. Ernährungsbericht (1992) pp. 287302 Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. im Auftrag des Bundesministers für Gesundheit und des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft und Forsten
134. LThyroxin oder Jodid zur Strumatherapie Der Arzneimittelbrief Jhg. 31 ∙ Nr. 4 (April 1997) 2528
135. Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen Struma und Autonomie 16. Seminarkurs der Sektion Endokrinologie des Berufsverbandes Deutscher Internisten
90
7. Anhang
7.1. Er fassungsbogen für Patienten nach Schilddrüsenoperation
Lfd. Nr.
1. Stoffwechsellage – hyperthyreot O – euthyreot O
2. Patient – Name Vorname Adresse
– Alter – Geschlecht – Wohngebiet
3. Vorgeschichte – Beginn der Erkrankung
4. Zeitraum bis zum Aufsuchen eines Arztes
– konservative Therapie
– Behandlungserfolg
Zeitraum bis zur Vorstellung beim Chirurgen
5. Beschwerden: – Schluckbeschwerden – Luftnot – Heiserkeit – Kloßgefühl – Schmerzen – Verwendung von Jodsalz – Augenbeschwerden
welche – Familienanamnese – Gewichtsänderung – Hyperhidrosis – Herzjagen – Wärmeintoleranz – Unruhe – Diarrhoe – Sonstiges
91
a) Untersuchungsbefund o. B. uninodulär multinodulär diffusa
b) Szintigraphie
c) Sonographie
d) T3, T4, TSH, TRHTest
e) Antikörper
Intraoperativer Befund
Art der OP: Knotenextirpation subtotale Resektion einseitig subtotale Resektion beidseitig Hemithyreoidektomie Thyreoidektomie Sonstiges
Restgewebe
Histologie
92
6. Komplikationen Rekurrenslähmung Hypoparathyreoidismus Nachblutung Ursache Wundheilungsstörungen
Narbenbildung zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung
Sonstiges
7. Rezidivprophylaxe
Abbruch wegen
Unterbrechung wegen
keine Prophylaxe
8. Stoffwechsellage Monate postoperativ O euthyreot O hypothyreot O hyperthyreot
9. Rezidive Art
Histologie
Antikörper
wann aufgetreten
wie behandelt
Sonstiges
93
Name: Vorname: Geburtsdatum: Adresse:
Jahr der Schilddrüsenoperation
Haben Sie Beschwerden im Halsbereich?
Nein O Ja O Kosmetische Probleme Fremkörpergefühl Luftnot Schluckbeschwerden Heiserkeit Erneute Knotenbildung
Sind Sie nach der Operation untersucht worden?
Nein O Ja O
Szintigraphie
Ultraschall
Blutabnahme zur Hormonbestimmung
Nehmen Sie Medikamente?
Nein O Ja O
welche?
Seit wann?
Wurden Sie nochmals an der Schilddrüse operiert?
Wann?
Wo?
Wurden Sie mit Radiojod behandelt?
94
Nein O Ja O
Leiden Sie unter:
Gewichtsabnahme?
Gewichtszunahme?
Innerlicher Unruhe?
Schweißneigung?
Herzjagen?
Vermehrtem Stuhlgang?
Trockener Haut?
Müdigkeit?
Verstopfung?
Sind Sie bereit zu einer ambulanten Untersuchung in unserer Klinik? (ca. 15 Min.)
Ja O Nein O
95
7.2. Anschreiben und Er fassungsbogen zur Langzeitunter suchung
Name: __________________________________
Vorname: __________________________________
Adresse: __________________________________
Jahr der Schilddrüsenoperation: ______________
• Haben Sie Beschwerden im Halsbereich?
Nein O Ja O Kosmetische Probleme O Fremdkörpergefühl O Luftnot O Schluckbeschwerden O Heiserkeit O Erneute Knotenbildung O Sonstige Beschwerden O
welche?:
• Sind Sie nach der Beantwortung unseres letzten Fragebogens nachuntersucht worden?
Nein O Ja O ca. Monat/Jahr
Hausärztliche Untersuchung O __________
Szintigraphie O __________
Ultraschall O __________
Blutentnahme zur Hormonbestimmung O __________
Sonstige Schilddrüsenuntersuchungen O __________
welche?
• Erfolgten diese Untersuchungen mehrmals?
Nein O Ja O Welche Untersuchungen (s.o.)
______________________ Wann
______________________
96
• Sind erneut Knoten oder eine Vergrößerung der Schilddrüse festgestellt worden?
Nein O Ja O
• Nehmen Sie Medikamente für die Schilddrüse?
Nein O Ja O
welche?___________________________________
____________________________________________________________________ __
• Seit wann nehmen Sie diese Medikamente? ___________________________
Falls Sie zur Zeit keine Schilddrüsenmedikamente einnehmen: • Haben Sie früher einmal Medikamente für die Schilddrüse eingenommen?
Nein O Ja O
welche?_________________________________________
____________________________________________________________________ ___
in welcher Zeit?___________________________________
• Wurden Sie nochmals an der Schilddrüse operiert?
Nein O Ja O wann?_______________________ wo?___________________________
• Wurden Sie mit Radiojod behandelt?
Nein O Ja O
97
• Leiden Sie unter Nein Ja
Gewichtsabnahme O O Gewichtszunahme O O innere Unruhe O O Schweißneigung O O Herzjagen O O vermehrtem Stuhlgang O O trockener Haut O O Müdigkeit O O Verstopfung O O
Wir bedanken uns herzlich für die Beantwortung der Fragen.
98
8. Danksagung
Für ihre Unterstützung danke ich den Mitarbeitern des St. JosefHospitals ganz
herzlich. Die Hormonbestimmungen wurden im Kliniklabor durchgeführt. Ferner
danke ich dem ehemaligen Oberarzt der Klinik, Dr. med. Schneider, für die
Durchführung der sonographischen Untersuchungen.
Herr Professor Dr. med. Zumtobel hat es mir ermöglicht mich mit diesem Thema
wissenschaftlich auseinanderzusetzen.
Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Priv. Doz. Dr. med. Barbera, der mich sehr
engagiert begleitet hat. Auch in schwierigen Zeiten hat er mich stets motiviert an
diesem Thema weiterzuarbeiten.
Last but not least meinem Mann und meinen Kindern ein großes Dankeschön. Sie
haben viele Stunden auf meine Anwesenheit verzichten müssen und haben mich immer
bestärkt diese Arbeit zu beenden.
Solingen, Mai 2005
99
9. Lebenslauf
Name: HOLL
Vorname: Birgit
Geburtsname: Pfeffer
Geburtsdatum: 18.04.1961
Geburtsort: Osnabrück
Staatsangehörigkeit: Deutsch
Konfession: RömischKatholisch
Familienstand: Verheiratet
Ehemann: Dr. med. Holl, Werner, Arzt für Innere Medizin/Nephrologie
Kinder: Holl, Johannes, geb.: 18.02.1992
Holl, Sebastian, geb.: 05.08.1993
08/6707/71 Marienschule Osnabrück
08/7101/73 KätheKollwitzGymnasium Osnabrück
02/7305/80 UrsulaSchule Osnabrück
05/80 Abitur
10/8003/83 Medizinstudium an der RuhrUniversität Bochum
03/83 Ärztliche Vorprüfung
04/8305/87 Medizinstudium an der GHS Essen
08/84 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
03/86 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
05/87 3. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
06/87 Approbation als Ärztin
100
Beruflicher Werdegang
07/8702/88 Assistenzärztin in der geburtshilflichgynäkologischen
und 08/8811/91 Abteilung der AugustaKrankenAnstalt, Bochum,
Chefarzt: Dr. med. Gerbatsch
01/9409/94 Weiterbildungsassistentin in der gynäkologischen
Praxis
Dr. LudwigRhode, Lünen
11/9401/95 Weiterbildungsassistentin in der gynäkologischen
Praxis
Dr. Krämer, Haltern
02/9508/96 Assistenzärztin in der gynäkologischen Abteilung des
ElisabethHospitals, Bochum, Chefarzt: Dr. med.
Strunz
05/96 Gebietsanerkennung für Frauenheilkunde und
Geburtshilfe
02/9704/97 Weiterbildungsassistentin in der Dialyse Drs. med.
Thome / Holl, Solingen
05/9709/00 Gebietsübergreifende Gemeinschaftspraxis mit
Herrn Dr. med. (TR) Yilmaz, Frau Kies und
Frau Dr. med. Buchmann in 40721 Hilden
Bismarkstr. 15
Seit 10/00 Gemeinschaftspraxis für Frauenheilkunde und
Geburtshilfe mit Frau Dr. med. Vogels in
42697 Solingen, Kelderstr. 14