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griff in Anspruch genommen werden, wenn ihnen grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, Art. 34 Abs. 2 GG. Deshalb ist den Mitgliedern der Ethikkommission anzuraten, bei zweifelhaften Entscheidungen auf Protokollierung ihrer Stimme zu bestehen24. Auch können sie sich gegen den Rückgriffsanspruch durch eine Sondervereinbarung in ih-rer Haftpflichtversicherung absichern.

III. Private Ethikkommissionen

Private Ethikkommissionen sind im Arzneimittelrecht nicht nach Landesrecht gebildet worden, § 42 Abs. 1 AMG. Wird die private Ethikkommission dennoch tätig, haftet sie und haften ihre Mitglieder unmittelbar nach § 823 BGB bei Ver-letzung des Körpers und der Gesundheit, etwa eines Pro-banden, oder bei einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Pharmaunternehmens. Die Haftung kann nunmehr auch nach § 280 Abs. 1 BGB ein-treten, da zwischen der privaten Ethikkommission und der Pharmafirma ein Vertrag geschlossen wird. Vertragsteilneh-mer ist jedoch die Ethikkommission, die etwa als GmbH leicht insolvent werden kann. Nach § 280 BGB haften die Mitglieder der privaten Ethikkommission hingegen nicht.

H. Zukunftsbild

Es gibt wohl kein Zurück mehr von der Bewertung durch die Ethikkommission als Verwaltungsakt. Es handelt sich um eine Verfügung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerich-tet ist, § 35 S. 1 VwVfG. Ob man die Rechtsbehelfe gegen die Bewertung der Ethikkommission besonders gestaltet, wird von künftigen Gesetzen abhängen. Das europäische Recht wird insoweit Vorreiter sein. Durchaus notwen-dig wäre aber eine Vereinheitlichung der Regeln über die Mitglieder der Ethikkommissionen, ihre Berufung sowie über das Mindestquorum bei der Entscheidung25. Was die Mitglieder der Ethikkommissionen angeht, so kann man nur mit dem Studentenlied singen, in dem es heißt „vivat membrum quodlibet“.

Deutsch, Das neue Bild der Ethikkommission416  MedR 2006, Heft 7

24) v. Dewitz/Luft/Pestalozza (Fn. 3), S. 167 ff., untersuchen genauer die Kausalität des Rückgriffs.

25) Vgl. Wilkening (Fn. 11), S. 58 ff.

DOI: 10.1007/s00350-006-1656-0

Krankenhausmärkte zwischen Regulierung und Wettbewerb. Von Ernst Bruckenberger, Sieg fried Klaue und Hans-Peter Schwintow-ski. Verlag Springer, Berlin Heidelberg New York 2006, XVIII u. 231 S., geb., € 89,95

Ein grandioses Werk! Der Leser wird von den drei Autoren (ausge-wiesene Kenner der Materie) sicher durch ein Dickicht von Normen, Rechtsprechung unterschiedlicher nationaler Fachgerichte und des EuGH geführt. Neue Einsichten und Zusammenhänge werden ver-mittelt. Manchmal staunt der Leser. Das hätte man doch schon vorher wissen, kennen und bei der Beurteilung von Reformüberlegungen berücksichtigen müssen.

Die Gesundheitsreform befasst sich nach wie vor aufgrund der Bundeszuständigkeit überwiegend mit Finanzierungs-, d. h. letztlich Einsparungsmöglichkeiten im ambulanten vertragsärztlichen Be-reich, während gesetzlich erzwungene Einsparmöglichkeiten im sta-tionären Bereich weitgehend ausgespart bleiben, da für Krankenhäu-ser (Krankenhausplanung) die Bundesländer zuständig sind und dort eine gemeinsame und abgestimmte Gesetzesreform utopisch ist.

Die Texte der drei Autoren markieren überdeutlich das Span-nungsverhältnis zwischen demhoch komplizierten und zudem auch hoch differenzierten sozialrechtlichenRegulierungsmechanismus für die Krankenhäuser und einem freien Wettbewerb im Krankenhaus-bereich. Äußerer Anlass für die Studien scheint gewesen zu sein, dass das Bundeskartellamt 2005 erstmals Fusionen zwischen öffentlichen Krankenhäusern und privaten Krankenhausträgern verboten hat. Die Autoren schreiben sehr anschaulich und gut dokumentiert, dass der deutsche Krankenhausmarkt nicht etwa einem Wettbewerb unter-liegt in dem Sinne, dass ,,mehrere Personen, Gruppen oder Organi-sationen im Rahmen einer bestimmten Aufgabenstellung oder Ziel-setzung in dem Bestreben teilnehmen, die jeweils beste Lösung bzw. den größten Erfolg zu erzielen“ (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl.). Der Handlungs- und Gestaltungsspielraum der Krankenhäuser sei drastisch eingeengt auf einen öffentlich-rechtlich gesteuerten Re-gulierungswettbewerb, der zudem sozialrechtlichen Besonderheiten bzw. Gesetzmäßigkeiten unterworfen sei.

Während das Bundeskartellamt angesichts der faktischen Macht-stellung in der Region nahezu jede Fusion und Kooperation zwi-schen Krankenhäusern dem Kartellrecht unterwerfen und damit letztlich verbieten will, werde die derzeitige Struktur im Kranken-

hausbereich im Sinne des Sozialrechts unverändert fortgeschrieben. Dies könne jedoch nach Auffassung der Autoren dem europäischen Gemeinschaftsrecht widersprechen (Festbetragsurteil des EuGH). Während das deutsche Krankenhaussystem Krankenhausträger zu Handlungen auffordert, denen sie sich nicht verweigern können (Kostensenkung, Strukturveränderungen, Abbau der Kranken-haus- und Bettenzahl), sind Kooperation und Fusion als denkbare Gestaltungsinstrumente ausgeschlossen. Kostensenkungen könnten dadurch aber gefordert werden. In der EuGH-Rechtsprechung se-hen die Autoren Möglichkeiten, diese Elemente bei den miteinander konkurrierenden Rechtsgebieten (öffentlich-rechtliche Kranken-hausregulierung vs. freie Marktwirtschaft/Wettbewerb) angemessen einzubeziehen.

Mit diesen Anmerkungen bleibt der Rezensent an der Oberflä-che. Das Buch enthält eine Fülle von Empfehlungen und kritischer Anmerkungen zum europaischen Beihilfeverbot und zu den sozial-rechtlichen Rahmenbedingungen des deutschen Krankenhausrechts, in Teil 2 eine verlässliche Analyse zur Versorgungssituation in den deutschen Krankenhäusern mit zahlreichen Tabellen und mehrfar-bigen, sehr anschaulichen Grafiken und bis auf Kreisebene herun-ter gebrochenen Landkarten (Stand auf dem Niveau der früheren Veröffentlichungen von Bruckenberger). Allein die (deutsche) Zusam-menfassung der ,,wesentlichen Ergebnisse“ macht 13 Druckseiten des Buches in Hochformat aus.

Der Rahmen einer Buchbesprechung wäre gesprengt, auf all die kritischen Anmerkungen zu Politik und Rechtsprechung sowie zu den Empfehlungen an die Politiker einzugehen. In den Gesundheits-ministerien von Bund und Ländern sowie in den Bibliotheken all derer, die sich mit Fragen der Gesundheitsreform grundlegend befas-sen, darf diese Analyse nicht fehlen. Den Autoren ist zu wünschen, dass sie mit ihren Warnungen und empirisch abgeleiteten Hinwei-sen gehört werden. Angesichts der Schnelllebigkeit legislatorischer Reformüberlegungen und der Blickverengung des Gesetzgebers auf bloße Finanzierungsfragen bleibt jedoch abzuwarten, ob offizielle und inoffizielle Berater (z. B. auch Prof. Lauterbach) sich vertiefend mit den Anregungen befassen. Das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI) hat die Themen Konkurrenz und Wettbewerb mit seiner Tagung am 25. 2. 2006 in Wiesbaden unabhängig davon schon aufgegriffen.

Rechtsanwalt Dr. iur. Gernot Steinhilper, Hamm

B U C H B E S P R E C H U N G E N

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