Mitglieder der Prüfungskommission:
Dr. Wolfram Nicolai, Dr. Sven Ebert, Dr. Bernd Hirschfeld
Schriftliche Prüfung im Grundwissen
6 Unternehmenssteuerung
gemäß Prüfungsordnung 4
der Deutschen Aktuarvereinigung e. V.
M U S T E R K L A U S U R
Hinweise:
Als Hilfsmittel ist ein Taschenrechner zugelassen.
Die Gesamtpunktzahl beträgt 180 Punkte. Die Klausur ist bestanden, wenn
mindestens 90 Punkte erreicht werden.
Bitte prüfen Sie die Ihnen vorliegende Prüfungsklausur auf Vollständigkeit.
Die Klausur besteht aus 30 Seiten.
Alle Antworten sind zu begründen und bei Rechenaufgaben muss der Lö-
sungsweg ersichtlich sein.
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Aufgabe 1. Grundprinzipien von HGB u. ökonomischer Bilanz, prinzipieller Auf-
bau und Inhalt einer Finanzberichterstattung (20 Punkte)
(a) (4 Punkte) Nennen Sie vier externe Adressaten für den Jahresabschluss
nach HGB.
(b) (2 Punkte) Welche Aufgaben hat der Anhang?
(c) (2 Punkte) Was wird bei Unternehmen auf der Aktiv- und Passivseite dar-
gestellt?
(d) (6 Punkte) Welche drei Prinzipien bilden das Vorsichtsprinzip? Erläutern
Sie diese.
(e) (3 Punkte) Die ökonomische Bilanz ist eine Sonderform der Solvenzbi-
lanz. Ist diese Aussage korrekt? Begründen Sie ihre Antwort.
(f) (3 Punkte) Vermögensgegenstände, die dauerhaft dem Geschäftsbetrieb
dienen, können dem Anlagevermögen zugeordnet werden. Ist diese Aus-
sage korrekt? Was folgt aus einer Zuordnung zum Anlagevermögen im
Hinblick auf die Möglichkeit von Abschreibungen?
Lösungshinweis:
(a) Aktionäre, Fiskus/Staat, Ratingagenturen, Wettbewerber, Aufsicht
(b) Erläuterung und Ergänzung der Bilanz und GuV, Begründung wichtiger
Vorgänge wie z.B. Änderung der Bewertungsmethoden
(c) Aktivseite zeigt die Mittelverwendung, Passivseite zeigt die Mittelherkunft
(d) Realisationsprinzip: Nur realisierte Gewinne dürfen in der GuV ausgewie-
sen werden
Imparitätsprinzip: Unrealisierte Verluste sind grundsätzlich in der GuV
auszuweisen
Anschaffungswertprinzip: Vermögensgegenstände dürfen maximal bis zu
den fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden
(e) Die Aussage ist falsch. Die Solvenzbilanz ist eine Sonderform der ökono-
mischen Bilanz, deren Bewertungenmaßstäbe durch die Aufsicht vorge-
geben werden.
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(f) Die Aussage ist korrekt. Es ist dann nur das gemilderte Niederstwertprin-
zip anzuwenden. D.h. bei einer nur vorübergehenden Wertminderung be-
steht ein Wahlrecht ob eine Abschreibung vorgenommen wird. Bei Wert-
erholung ist nach einer Abschreibung wieder auf die Höhe der fortgeführ-
ten Anschaffungskosten zuzuschreiben.
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Aufgabe 2. Grundprinzipien von HGB, typische Geschäftsvorfälle in Versiche-
rungsunternehmen (12 Punkte)
(a) (3 Punkte) Was ist eine Bilanzverlängerung? Geben Sie zusätzlich ein
Beispiel an.
(b) (3 Punkte) Was ist ein Aktivtausch? Geben Sie zusätzlich ein Beispiel an.
(c) (3 Punkte) Was passiert mit der Bilanzsumme falls ein Unternehmen ein
Darlehen zurückzahlt? Wie heißt der Fachbegriff hierfür?
(d) (3 Punkte) Wie fließen Zinsgewinne aus der Kapitalanlage in die Bilanz
ein? Geben Sie insbesondere an, welche Unterkonten der Passivseite be-
troffen sind.
Lösungshinweis:
(a) Durch eine Buchung vergrößert sich die Bilanzsumme. Beispiel: Einzah-
lung von Eigenkapital auf das Bankkonto
(b) Durch eine Buchung wird auf der Aktivseite ein Vermögensgegenstand
durch einen anderen ersetzt. Die Bilanzsumme bleibt dabei konstant. Bei-
spiel: Ein Kunde bezahlt eine Forderung auf das Bankkonto des Unter-
nehmens
(c) Auf der Aktivseite wird das Bankkonto bzw. die Kasse um den Darle-
henswert gekürzt. Auf der Passivseite verschwindet die Forderung. Dies
ist eine Bilanzverkürzung.
(d) Zinsgewinne gehen als Ertrag/Gewinn in die GuV ein. Das GuV-Konto
wird am Ende des Bilanzjahres über das Eigenkapitalkonto aufgelöst.
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Aufgabe 3. Grundprinzipien von HGB, Buchungssätze von typischen Geschäfts-
vorfällen in Versicherungsunternehmen (6 Punkte)
Benennen Sie die Fehler in der folgenden Bilanz. Es sind insgesamt sechs Fehler
versteckt.
Lösungshinweis:
GuV statt Bilanz in der Überschrift
Aktiva und Passiva vertauscht
Passiver Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite
Summe der Aktiva stimmt nicht – sollten 110T EUR sein
Bilanzgleichung nicht erfüllt
Immaterielle Vermögensgegenstände auf der Passivseite ausgewiesen
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Aufgabe 4. Grundprinzipien von HGB, typische Geschäftsvorfälle in Versiche-
rungsunternehmen (7 Punkte)
Bitte beschreiben Sie allgemein wie man buchhalterisch von einer Eröffnungsbi-
lanz zu einer Schlussbilanz kommt und gehen Sie dabei auch auf das Eigenkapi-
talkonto ein.
Lösungshinweis:
Es wird nicht in der Bilanz direkt gebucht. Die Buchung erfolgt unterjährig auf
den T-Konten der einzelnen Bilanzpositionen. Diese werden dann über das
Schlussbilanzkonto abgeschlossen. Auf dem Eigenkapitalkonto wird nicht direkt
gebucht. Die Buchungen erfolgen auf den einzelnen Erfolgskonten. Diese werden
über das GuV Konto abgeschlossen. Dieses wird dann über das Eigenkapitalkonto
abgeschlossen, das wiederum über das Schlussbilanzkonto abgeschlossen wird.
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Aufgabe 5. Bilanzkennzahlen (8 Punkte)
Die Sgommata Allgemeine Versicherung AG hat zum 31.12.2017 in ihrem Ge-
schäftsbericht GuV und Bilanz wie folgt veröffentlicht:
GuV Mio. € Vorjahr
Verdiente Bruttobeiträge 650 635
Abgegebene RV-Beitr. inkl. BÜ 60 55
Verdiente Nettobeiträge 590
Bruttoaufwendungen für Vers.fälle 440
RV-Anteile 70
Nettoaufwendungen für Vers.fälle 370
Nettoaufwendungen für den Vers.betrieb 230
Veränderung Schwankungsrückstellung 10
Versicherungstechnisches Ergebnis -20
Lfd. Erträge aus Kapitalanlagen 40
Zuschreibungen und realisierte Gewinne 45
Erträge aus Kapitalanlagen 85
Lfd. Aufwendungen für Kapitalanlagen 5
Abschreibungen u. realisierte Verluste 5
Aufwendungen für Kapitalanlagen 10
sonstige Erträge 15
sonstige Aufwendungen 35
Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit 35
Außerordentliches Ergebnis -4
Steuern 1
Jahresüberschuss 30
Bilanz
Aktiva Mio. € Passiva Mio. €
Imm. WG u. Sachanlagen 5 Eigenkapital 200
Aktien 250 Vt. Rückstellungen:
festverzinsliche Wertpapiere 940 Beitragsüberträge 10
Kapitalanlagen (Vj. 1.000) 1.090 Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle 900
Forderungen 90 Schwankungsrückstellung 40
Kasse, Bank 10 Sonstige Verbindlichkeiten 50
Summe 1.200 Summe 1.200
Die Durchschnittsverzinsung beträgt 3,3% und die Nettoverzinsung 7,2%.
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(a) (4 Punkte) Ermitteln Sie folgende Kennzahlen:
(i) (1,5 Punkte) Beitragswachstum (brutto und netto)
(ii) (1,5 Punkte) Schadenquote (brutto und netto)
(iii) (1 Punkt) Betriebskostenquote und Combined Ratio (netto)
(b) (4 Punkte) Die Sgommata Allgemeine betreibt nur Kraftfahrtgeschäft.
Beurteilen Sie den Erfolg der Gesellschaft in Versicherungstechnik und
Kapitalanlage an Hand der obigen Informationen und Kennzahlen.
Lösungshinweis:
(a)
Brutto Netto
Beitragswachstum Beitrag GJ/VJ - 1 2,4% 1,7%
Schadenquote (SQ) Aufwendungen für Vers.fälle / verd. Bei-trag
67,7% 62,7%
Betriebskostenquote (KQ)
Aufwendungen für den Vers.betrieb / verd. Beitrag
39,0%
Combined Ratio SQ+KQ 101,7%
(b) Beurteilung:
Moderates organisches Wachstum, unauffällige Schadenquote.
Die Kostenquote ist hoch, so dass die Combined Ratio die 100%-Marke über-
schreitet. Dies ist in Zeiten niedriger Zinsen und damit niedriger Kapitalanla-
gebeträge problematisch. So hätte hier die Durchschnittsverzinsung allein
nicht ausgereicht, um ein positives Jahresergebnis zu erzielen. Es wurden in
erheblichem Maße stille Reserven aufgelöst.
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Aufgabe 6. IFRS (12 Punkte)
(a) (2 Punkte) Benennen Sie den Anwendungsbereich von IFRS 17.
(b) (2 Punkte) Welchen weiteren internationalen Rechnungslegungsstan-
dard führen Versicherungsunternehmen spätestens mit IFRS 17 eben-
falls ein und was ist sein Anwendungsbereich? Wie heißt sein Vorgän-
ger?
(c) (2 Punkte) Die Sgommata Allgemeine Versicherung AG überlegt, zum
31.12.2017 auch nach IFRS 4 zu bilanzieren. Welche Umbewertung
auf der Passivseite der Bilanz muss sie mindestens vornehmen? Was
muss sie auf der Passivseite der Bilanz prüfen?
(d) (2 Punkte) Welche weiteren Unterschiede in der versicherungstechni-
schen Rückstellung ergäben sich für die Sgommata Allgemeine Versi-
cherung AG mit der Umstellung von IFRS 4 auf IFRS 17?
(e) (4 Punkte) Nennen Sie die vier Bausteine des allgemeinen Bewer-
tungsansatzes (GMM) in IFRS 17. Erläutern Sie diese kurz.
Lösungshinweis:
(a) Versicherungsverträge, jedoch nicht bei Pensionsplänen und nicht bei
Erstversicherungsverträgen, wenn das Unternehmen der Versiche-
rungsnehmer ist.
(b) IFRS 9 muss spätestens mit IFRS 17 eingeführt werden und betrifft
die Kapitalanlagen. Vorgänger ist IAS 39.
(c) Die Schwankungsrückstellung darf unter IFRS 4 nicht bilanziert wer-
den. Außerdem muss im Liability Adequacy Test geprüft werden, ob
die versicherungstechnischen Rückstellungen ausreichend gebildet
wurden.
(d) Die Schadenrückstellung muss als diskontierter Erwartungswert gebil-
det werden (Best Estimate).
Die Rückstellung für künftige Deckung wird nicht mehr in Form von
Beitragsüberträgen sondern als Deckungsrückstellung (LRC) gebildet.
(e) Zukünftige Zahlungsströme (aktuelle erwartungstreue Schätzung),
Diskontierung (Abbildung des Zeitwerts des Geldes mit risikofreiem
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Zinssatz), Risikoanpassung (Entgelt für die Tragung der Risiken), CSM
(nicht realisierter zukünftiger Gewinn)
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Aufgabe 7. Steuerungsgrößen, Risikokapital (6 Punkte)
(a) (4 Punkte) Nennen Sie acht typische Steuerungsgrößen, die für ein
Lebensversicherungsunternehmen relevant sind und ordnen Sie die-
se den drei Kategorien „volumen-/wachstumsorientiert“, „profitori-
entiert“ bzw. „risikoadjustiert“ zu. Nennen Sie dabei je Kategorie
mindestens zwei Steuerungsgrößen.
(b) (2 Punkte) Erläutern Sie den Begriff „vorhandenes Risikokapital“ an
Hand der Solvenzbilanz (Solvency II) und stellen Sie einen Bezug
zum Begriff „SCR“ her.
Lösungshinweis:
(a) Beispiele für Steuerungsgrößen je Kategorie:
volumen-/wachstumsorientiert: Bruttobeiträge, Stornoquote
profitorientiert: Jahresüberschuss, Verwaltungskostenquote, laufen-
de Durchschnittsverzinsung, ROC
risikoadjustiert: RORAC, RAROC, EVA
(b) Unter Solvency II basiert das vorhandene Risikokapital auf dem
Überschuss der Vermögenswerte über den Verbindlichkeiten (Ei-
genmittel). Mit „SCR“ wird das benötigte Risikokapital bezeichnet.
Das vorhandene Risikokapital muss das benötigte Risikokapital be-
decken.
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Aufgabe 8. Risikoadjustierte Steuerungsgrößen, Allokation von Risikokapital
(19 Punkte)
Die Versicherung AG ist ein Konzern, der aus den drei Tochtergesellschaften
Leben AG,
Sach AG und
Gesundheit AG
besteht. Im veröffentlichten Risikobericht schreibt die Versicherung AG, dass
sie ein internes Simulationsmodell zur Quantifizierung ihrer Risiken auf Basis
einer ökonomischen Bewertung einsetzt. Es werden aus 1000 Simulationen
jeweils die 10 schlechtesten Werte des ökonomischen Jahresergebnisses für
den Konzern als Ganzes und für je zwei der Tochterunternehmen (alle Paar-
kombinationen) explizit angegeben:
x-schlechtestes Ergebnis
(Positive Werte stellen Verluste dar.)
10. 9. 8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1.
Versicherung
AG 320 345 357 388 540 600 620 670 870 1020
Sach AG und
Leben AG 223 243 276 288 320 360 390 400 440 490
Sach AG und
Gesundheit AG 99 103 145 159 220 230 260 320 340 430
Leben AG und
Gesundheit AG 310 322 333 356 380 430 450 460 610 670
Im Rahmen einer wertorientierten Steuerung gibt der Konzern für alle drei
Tochterunternehmen eine Hurdle-Rate von 10% vor. Als Risikomaß verwendet
der Konzern den einjährigen Expected Shortfall zum Niveau 99,4%.
(a) (10 Punkte) Der Konzern gibt den Diversifikationseffekt im Rahmen
der internen Steuerung an die Töchter weiter und allokiert das benö-
tigte Risikokapital nach dem diskreten Marginalprinzip von Merton /
Perold. Berechnen Sie für die drei Töchter das allokierte benötigte Ri-
sikokapital.
(b) (3 Punkte) Erläutern Sie die beiden Begriffe „EVA“ und „RORAC“. Wel-
cher mathematische Zusammenhang besteht zwischen den beiden
Größen?
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(c) (3 Punkte) Die drei Töchter haben im betrachteten Geschäftsjahr die
folgenden Nettogewinne erzielt:
Nettogewinn
Sach AG 24,75
Gesundheit AG 31,20
Leben AG 40,00
Berechnen Sie für die drei Töchter jeweils den EVA sowie den RORAC
unter Verwendung der folgenden Werte für die allokierten Risikokapi-
talien.
Allokiertes Risikokapital
Sach AG 165
Gesundheit AG 240
Leben AG 315
(d) (3 Punkte) Beurteilen Sie die Attraktivität der drei Sparten aus Kon-
zernsicht anhand der EVA- sowie der RORAC-Berechnungen. Wie in-
terpretieren und bewerten Sie, dass sich beim EVA und beim RORAC
eine unterschiedliche Reihenfolge der drei Töchter ergibt?
Lösungshinweis:
(a) Es seien die Zufallsvariablen X der Verlust der Versicherung AG, XS
der Verlust der Sach AG, XL der Verlust der Leben AG und XG der
Verlust der Gesundheit AG. Also gilt X = XS + XL + XG: Weiter be-
zeichne ρ das Risikomaß ES99,4%. Damit ergibt sich
ρ(X) = (540 + 600 + 620 + 670 + 870 + 1020)/6 = 720
ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐿) = (320 + 360 + 390 + 400 + 440 + 490)/6 = 400
ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐺) = (220 + 230 + 260 + 320 + 340 + 430)/6 = 300
ρ(𝑋𝐿 + 𝑋𝐺) = (380 + 430 + 450 + 460 + 610 + 670)/6 = 500
und mit dem diskreten Marginalprinzip von Merton/Perold erhalten
wir die allokierten Risikokapitalien
𝐶𝑆 =ρ(𝑋) − ρ(𝑋𝐿 + 𝑋𝐺)
3ρ(𝑋) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐿) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐺) − ρ(𝑋𝐿 + 𝑋𝐺)ρ(𝑋)
=(720-500) / (3*720-400-300-500)*720 = 165
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𝐶𝐺 =ρ(𝑋) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐿)
3ρ(𝑋) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐿) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐺) − ρ(𝑋𝐿 + 𝑋𝐺)ρ(𝑋)
=(720-400) / (3*720-400-300-500)*720 = 240
𝐶𝐿 =ρ(𝑋) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐺)
3ρ(𝑋) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐿) − ρ(𝑋𝑆 + 𝑋𝐺) − ρ(𝑋𝐿 + 𝑋𝐺)ρ(𝑋)
=(720-300) / (3*720-400-300-500)*720 = 315
(b) Die Abkürzungen stehen für “Economic Value Added” bzw. “Return
on Risk Adjusted Capital”. Sie sind definiert als
EVA = Nettogewinn – (Risikokapital * Hurdle Rate)
RORAC = Nettogewinn / Risikokapital
Der Zusammenhang ist: RORAC = (EVA / Risikokapital) + Hurdle
Rate
(c) Mit den Formeln EVA = N - h∙C und RORAC = N/C ergeben sich die
folgenden Werte für die drei Gesellschaften:
Sach AG:
EVA = 24,75 - 10% ∙ 165 = 8,25 und RORAC = 24,75/165 = 15%;
Gesundheit AG:
EVA = 31,20 - 10% ∙ 240 = 7,2 und RORAC = 31,20/240 = 13%;
Leben AG:
EVA = 40,00 - 10% ∙ 315 = 8,5 und RORAC = 40,00/315 =
12,7%.
(d) Alle drei Gesellschaften haben einen positiven EVA bzw. einen
RORAC oberhalb der Hurdle-Rate und schaffen daher Wert.
Betrachtet man nur die EVAs, so schafft die Leben AG mit 8,5 am
meisten Wert. Gleichzeitig hat die Leben AG jedoch mit 12,7% den
geringsten RORAC. Den höchsten RORAC hat die Sach AG mit 15%.
Grund hierfür sind die unterschiedlichen benötigten Risikokapitalien.
Auf Grund dieser Ergebnisse kann weder die Sach AG noch die Le-
ben AG als bevorzugte Sparte bezeichnet werden.
Der Konzern muss letztlich entscheiden, ob eine der Kennzahlen für
die Steuerung bedeutsamer ist als die andere. Je nachdem, ob ab-
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soluter Erfolg oder relativer Erfolg eine höhere Bedeutung hat, wird
der Konzern den EVA oder den RORAC höher bewerten.
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Aufgabe 9. Unternehmensziele (5 Punkte)
(a) (2 Punkte) Nennen Sie vier wesentliche, für Versicherungsunterneh-
men typische Unternehmensziele.
(b) (3 Punkte) Geben Sie ein Beispiel für zwei konkurrierende Ziele an
und begründen Sie, warum deren Erreichung nicht gleichzeitig opti-
miert werden kann.
Lösungshinweis:
(a) Bedarfsdeckung (Kunden), Gewinn, Wachstum, Erhaltung (Sicher-
heit)
(b) Wachstum und Gewinn sind – bezogen auf eine Rechnungslegungs-
periode – konkurrierende Ziele.
Wachstum erfordert meist Investitionen (z.B. für Marketing oder
Vertriebskapazität), die zu Lasten des Gewinns der Periode gehen.
Ein spezielles Beispiel ist die Abschlussprovision in der Le-
bensversicherung, die häufig den Betrag einer Jahresprämie
deutlich übersteigt und somit den Periodengewinn vermindert. Sie
stellt somit auch eine Investition für die künftig zu erwartenden
Erträge aus dem Versicherungsvertrag dar.
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Aufgabe 10. Inhalte einer Geschäftsstrategie (12 Punkte)
Die XY-Sachversicherung AG hat ihren Geschäftsschwerpunkt in der umfas-
senden, differenzierten Deckung des speziellen Versicherungsbedarfs be-
stimmter Berufsgruppen im Handwerk. Entsprechend hält die Gesellschaft ein
schmales aber tiefes Produktsortiment für diese Berufsgruppen vor.
Umsatz und Ertrag des Unternehmens sind in den letzten Jahren kontinuier-
lich zurückgegangen. Der Vorstand der Gesellschaft beschließt deshalb einen
radikalen, kurzfristig umzusetzenden Strategiewechsel und will das Unter-
nehmen künftig als Preisführer im gesamten Privatkundengeschäft durch An-
gebot einfacher, standardisierter Produkte etablieren.
Sie als Leiter der Abteilung Unternehmensentwicklung und Berater des Vor-
stands haben große Bedenken bezüglich dieses radikalen Schritts.
Erläutern Sie die Problematik eines solchen abrupten Strategiewechsels durch
(5 Punkte) Beschreibung der wesentlichen Anforderungen an die Mitar-
beiter und die Organisation bei der bisher betriebenen Geschäftsstrate-
gie
(5 Punkte) Beschreibung der wesentlichen Anforderungen an die Mitar-
beiter und die Organisation bei der geplanten neuen Geschäftsstrategie
(2 Punkte) Einschätzung der Erfolgsaussichten des Strategiewechsels
durch Darstellung der dabei entstehenden Anforderungen
Lösungshinweis:
Charakteristika des aktuellen Geschäftsfelds der XY-Versicherung:
Das Produktsortiment ist tendenziell schmal und tief bei hoher Flexibilität und
Individualität mit entsprechend geringem Standardisierungsgrad, bei den Ar-
beitsprozessen steht entsprechend nicht Effizienz, sondern Flexibilität zur Er-
füllung spezieller Kundenwünsche im Vordergrund, es werden hochqualifizier-
te Mitarbeiter benötigt, der Außendienst ist auf die Bedienung der genannten,
speziellen Kundengruppe ausgerichtet.
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Charakteristika des geplanten Geschäftsfelds der XY-Versicherung:
Ein organisatorischer Schwerpunkt liegt auf leistungsfähiger IT und effizienten
Prozessen, das Produktsortiment ist tendenziell breit und flach angelegt mit
hohem Standardisierungsgrad, es wird weniger qualifiziertes Personal benö-
tigt, der Außendienst muss auf Cross-Selling und Rundum-Bedarfsdeckung
der Kunden ausgerichtet sein.
Einschätzung der Erfolgsaussichten:
Abrupter Strategiewechsel ist problematisch: erheblicher Aufwand für voll-
ständige Umorganisation des Unternehmens (Produkte, Prozesse, IT, Know-
how der Mitarbeiter, Ausrichtung der Verkäufer), bestehende Stärken werden
unwichtig, künftig erforderliche Stärken müssen erst aufgebaut werden.
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Aufgabe 11. Geschäftsstrategie, Organisationsformen (13 Punkte)
(a) (Jeweils 2,5 Punkte) Grenzen Sie die funktionale und die divisionale
Organisation eines Unternehmens voneinander ab, indem Sie jeweils
die Hauptmerkmale der beiden Organisationsformen beschreiben.
(b) (8 Punkte) Geben Sie jeweils zwei Vorteile und zwei Nachteile dieser
Organisationsformen an.
Lösungshinweis:
(a) Funktionale Organisation
Das Unternehmen ist primär nach Funktionen (Produktion, Vertrieb,
Beschaffung, …) strukturiert.
Entscheidungsfindung und Ergebnisverantwortung liegen vor allem
an der Unternehmensspitze.
Divisionale Organisation
Das Unternehmen ist primär nach Objekten (Produktgruppen, Kun
dengruppen oder Regionen) strukturiert, genannt Divisionen
Divisionen besitzen hohen Entscheidungsspielraum und Ergebnis-
verantwortung.
Es gibt nur wenige Zentralbereiche (z.B. Rechnungswesen, Rechts-
abteilung, … ) zur Erfüllung übergreifender Aufgaben.
(b) Funktionale Organisation
Vorteile:
o Höhere Spezialisierung und Bildung von Expertenwissen
o Lern- und Erfahrungskurveneffekte
o Dadurch positive Effekte auf Produktivität o Skalen- und Synergieeffekte
o Verhinderung von Redundanzen
Nachteile:
o Höherer Koordinations- und Abstimmungsbedarf im Unter-
nehmen o Erschwerte Entscheidungsfindung
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o Gefahr von Überspezialisierung („Fachidioten“)
o Fehlende Marktnähe, weniger Orientierung an Wettbewerb
und Kunden
o Langer Dienstweg, viele Schnittstellen o Wenig Prozessdenken
o Verantwortung konzentriert sich allein auf die Unternehmens-
leitung o Fehlende Ergebnisverantwortung auf operativen Ebenen
Divisionale Organisation
Vorteile:
o Markt- und Kundenorientierung
o Flexible Reaktion auf Marktveränderungen o Ergebnisverantwortung auf Divisionsebene
o Präzisere Leistungs- und Erfolgsbeurteilung
o Entlastung der Unternehmensführung von operativen Aufga-
ben schafft mehr Zeit für Unternehmensgestaltung und stra-tegische Fragen
o Unternehmen ist übersichtlicher und leichter zu steuern als
komplexer Großbetrieb
Nachteile:
o Geringe Ressourceneffizienz, Duplizierung von Aufgaben, Ver-lust von Synergieeffekten
o Unternehmensleitung kann den Kontakt zum Geschäft verlie-
ren o Abgrenzungsproblem, welche Aufgaben zentralisiert oder de-
zentralisiert werden sollten
o Verrechnungspreise als Konfliktpotential o Durchsetzung von Gesamtstrategie im Unternehmen er-
schwert
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Aufgabe 12. Steuerung auf verschiedenen Ebenen, Deckungsbeitragsrech-
nung (18 Punkte)
Ein Reiseunternehmen verkauft als Zusatz zu den angebotenen Reisen diver-
se Versicherungen über ein Tochterunternehmen, die Reiseversicherung AG.
Es handelt sich ausschließlich um einjährige Verträge, deren Zahlungsströme
sich gut auf ein Rechnungslegungsjahr abgrenzen lassen.
(a) (8 Punkte) Erläutern Sie, warum sich der Ansatz der Deckungsbei-
tragsrechnung zwar im Allgemeinen nicht von der Industrie auf die
Versicherungsbranche übertragen lässt, warum dies aber in dem hier
vorliegenden Fall doch möglich ist.
(b) (10 Punkte) Das Ergebnis des Vorjahres war negativ, so dass für das
laufende Jahr eine Neukalkulation vorgenommen wurde. Die angebo-
tenen Tarife mit ihren Jahresbeiträgen sowie die Erwartungen zu Schä-
den und verkauften Policen können der folgenden Tabelle entnommen
werden:
Es ist davon auszugehen, dass im Tarif K3 und bei der Reisegepäck-
versicherung auf keinen Fall mehr Policen verkauft werden können.
Die Vertrags- und Schadenbearbeitung für das Segment Krankenver-
sicherungen verursacht Kosten von 700 Tsd. €, für das Segment sons-
tige Reiseversicherung sind entsprechend 250 Tsd. € Kosten geplant.
Darüber hinaus entstehen für das Unternehmen als Ganzes noch Kos-
ten in Höhe von 1,2 Mio. €.
Ziel ist es, dass auf allen Ebenen (Tarife, Segmente und Unternehmen
insgesamt) keine Verluste entstehen.
(8 Punkte) Überprüfen Sie, ob dieses Ziel bei der bisherigen Planung
erreicht wird, indem Sie eine vollständige Deckungsbeitragsrechnung
für die Reiseversicherung AG aufstellen.
Tarif K1 Tarif K2 Tarif K3 Reiserücktritt Reisegepäck
Jahresbeitrag pro Vertrag 400,00 700,00 1.000,00 100,00 50,00
Schadenquote 55,0% 65,0% 45,0% 70,0% 50,0%
Anzahl verkaufte Policen 4.000 3.000 2.000 4.000 4.000
Reiseversicherung AGReisekrankenversicherung Sonstige Reiseversicherung
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(2 Punkte) Sollte das Ziel auf einer der genannten Ebenen nicht er-
reicht werden, so berechnen Sie, wieviel mehr Policen in dem betref-
fenden Segment zur Zielerreichung verkauft werden müssten.
Lösungshinweis:
(a) Die Deckungsbeitragsrechnung ist vom Grundsatz her auf die Analyse
einer Geschäftsperiode angelegt. Typisch für Versicherungsverträge ist
aber, dass sie langfristig angelegt sind und wirtschaftliche Effekte ei-
nes Geschäftsjahres systematisch auf andere Geschäftsjahre wirken
können. Ein mehrere Geschäftsperioden bestehender Vertrag kann in
aller Regel nicht als eine Folge unabhängig aufeinander folgender Peri-
oden aufgefasst werden. Insofern sind hier Barwertkonzepte, die die
gesamte Laufzeit des Vertrags berücksichtigen, der adäquate Ansatz.
Im vorliegenden speziellen Falle handelt es sich jedoch um einjährige
Verträge, deren Zahlungsströme sich gut auf ein Rechnungslegungs-
jahr abgrenzen lassen. Insofern lässt sich hier auch im Versicherungs-
bereich die Deckungsbeitragsrechnung einsetzen.
(b) Deckungsbeitragstabelle:
Lediglich das Segment „Sonstige Reiseversicherungen“ hat einen nega-
tiven Deckungsbeitrag.
Da sich der Absatz der Reisegepäckversicherungen nicht steigern lässt,
muss der zusätzlich erforderliche Deckungsbeitrag ausschließlich aus
Tarif K1 Tarif K2 Tarif K3 Reiserücktritt Reisegepäck
Jahresbeitrag pro Vertrag 400,00 700,00 1.000,00 100,00 50,00
Schadenquote 55,0% 65,0% 45,0% 70,0% 50,0%
Deckungsbeitrag pro Vertrag 180,00 245,00 550,00 30,00 25,00
Anzahl verkaufte Policen 4.000 3.000 2.000 4.000 4.000
= Deckungsbeitrag I (Produkt) 720.000 735.000 1.100.000 120.000 100.000
Segment-Einzelkosten
= Deckungsbeitrag II (Segment)
Kosten für Untern. als Ganzes
= Deckungsbeitrag III (Untern.)
700.000
1.855.000
Reisekrankenversicherung
1.200.000
625.000
Reiseversicherung AGSonstige Reiseversicherung
250.000
-30.000
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der Absatzsteigerung in der Reiserücktrittskostenversicherung erzielt
werden. Der negative Deckungsbeitrag im Segment „Sonstige Reise-
versicherung“ würde verschwinden, wenn sich die Anzahl der verkauf-
ten Policen hier um mindestens 1.000 Stück erhöhen ließe.
Dann wäre das Ziel vollumfänglich erreicht.
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Aufgabe 13. Steuerung auf verschiedenen Ebenen, Deckungsbeitragsrech-
nung, Ertragsbarwertrechnung (9 Punkte)
Die Steuerung auf verschiedenen operativen Ebenen durch Analyse der Profi-
tabilität verschiedener Geschäftssegmente kann ein hocheffizientes Vorgehen
zur Verbesserung der Profitabilität im Unternehmen insgesamt und zur wert-
orientierten Steuerung sein.
Dennoch kann es Probleme und Grenzen beim Einsatz der entsprechenden
Steuerungsinstrumente geben, so dass deren Nutzen einschränkt oder deren
Verwendung nahezu unmöglich sein kann.
(Jeweils 3 Punkte) Geben Sie drei grundsätzliche Problemfelder an, die in der
Versicherungsbranche (und z.T. auch in der Industrie) einem sinnvollen Ein-
satz der genannten Steuerungsinstrumente im Wege stehen können und er-
läutern Sie die jeweilige Problematik.
Lösungshinweis:
i. Für die Versicherungswirtschaft lässt sich feststellen, dass das Modell
des EBW zwar hervorragend zum langfristigen Geschäftsmodell der
Versicherung passt, im Kern aber aus einer Modellrechnung in die
mehr oder weniger ferne Zukunft besteht. Dementsprechend sind di-
verse Annahmen über künftige Entwicklungen zu treffen, die naturge-
mäß unsicher sind und u.U. zu fragwürdigen Ergebnissen führen kön-
nen. Dies gilt insbesondere für absolute Werte. Wenn bei der anste-
henden Fragestellung aber die Analyse von Veränderungen, Zeitreihen
oder relativen Werten im Vordergrund steht, so sind häufig auch bei
unsicheren Prämissen aussagekräftige Resultate erzielbar.
ii. Ein Kernprinzip der Deckungsbeitragsrechnung besteht darin, dass den
Segmenten Kosten nur als Einzelkosten zugerechnet werden, wodurch
unsachgemäße, willkürbehaftete Schlüsselungen vermieden werden
sollen. Insofern spielt die Frage der zuverlässigen Erfassung der Kos-
ten und ihrer Zurechenbarkeit eine entscheidende Rolle für die Qualität
der Ergebnisse. Häufig liegen die Daten aber nicht in der erforderlichen
Granularität vor, so dass letzten Endes doch mit Schlüsselungen und
Schätzungen gearbeitet werden muss und die Philosophie der De-
ckungsbeitragsrechnung nicht konsequent durchgehalten werden
kann. Die Ergebnisse können damit subjektiv beeinflusst und fragwür-
dig werden. Ihre Akzeptanz im Unternehmen wird dann nicht hoch und
die Steuerungswirkung begrenzt sein.
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iii. Je mehr Geschäftssegmente betrachtet und je tiefer Ebenen gebildet
werden, desto aufwändiger, komplexer und unübersichtlicher wird das
Steuerungssystem. Dies betrifft zum einen den erheblichen techni-
schen Aufwand bei der Einrichtung sowie der permanenten Pflege und
Aktualisierung (Rechenmodule, Datenbeschaffung, Datenhaltung).
Zum anderen werden auch die entsprechenden Steuerungsprozesse
und Abstimmungsnotwendigkeiten im Unternehmen immer aufwändi-
ger und komplexer. Es kann der Fall eintreten, dass Aufwand und Nut-
zen beim Einsatz des Systems nicht mehr in einem akzeptablen Ver-
hältnis stehen.
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Aufgabe 14. Planungsprozess, Steuerungsprozess (12 Punkte)
Ein wichtiger Teilschritt im Gesamtprozess der operativen Planung ist die
Vertriebsplanung. Insbesondere für Unternehmen mit einer Ausschließlich-
keitsorganisation gibt es außer dem Absatz noch eine Reihe weiterer ver-
trieblicher Steuerungsfelder, in denen Zielvereinbarungen sowohl mit Ver-
mittlern als auch mit Vertriebsführungskräften getroffen werden müssen.
(a) (3 Punkte) Geben Sie außer dem Absatz noch drei weitere vertriebliche
Steuerungsfelder an, die Ihnen besonders wichtig erscheinen.
(b) Beschreiben Sie für eines dieser Steuerungsfelder, wie nach erfolgter
Zielvereinbarung die Überwachung und Steuerung der Zielerreichung
konkret erfolgen soll (Hinweis: Controlling Regelkreis):
(3 Punkte) Geben Sie die Zielsetzung konkret an.
(6 Punkte) Erläutern Sie die Wirkungsweise des eingesetzten Report-
ing-Tools (Konzept und konkrete Inhalte).
Lösungshinweis:
(a) Weitere wichtige Steuerungsfelder sind der Orga-Ausbau, die Produkti-
vität der Vermittler, das Storno der Vermittler, die Fixkostensätze der
Vertriebseinheiten und das Cross-Selling.
(b) Darstellung des Steuerungsprozesses am Beispiel der Produktivität der
Vermittler:
- Zunächst sind Produktivitätsziele für die Verkäufer vorzugeben,
gemessen z.B. in Vertriebseinheiten.
- Zweckmäßigerweise werden diese gestaffelt nach Berufserfahrung,
gemessen z.B. durch Verweildauer im Unternehmen.
- Die Produktivitätsziele sind als gleichbleibende Monatsplanwerte in
ein Reporting-Tool einzutragen, in dem ihnen die monatlichen Ist-
Werte gegenübergestellt werden können.
- Sobald genügend Monate mit Ist-Werten vorliegen, wird auf deren
Grundlage ein auf das Jahresende bezogener Hochrechnungswert
gebildet. Somit kann die Zielerreichung am Jahresende durch Ver-
gleich von Planwert und Hochrechnungswert eingeschätzt werden.
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Daraus ergeben sich der erforderliche Handlungsbedarf und gege-
benenfalls Anhaltspunkte für Steuerungsmaßnahmen.
- Von Monat zu Monat wird der neu hinzukommende Ist-Wert in das
Tool eingetragen und der Hochrechnungswert den fortschreitenden
Erkenntnissen bzw. den ergriffenen Maßnahmen entsprechend an-
gepasst.
- Ein so gestaltetes Reporting-Instrument gibt im Jahresablauf zu je-
dem Zeitpunkt und über alle Führungsebenen eine Einschätzung der
Zielerreichung und liefert Ansatzpunkte für eine wirkungsvolle
Steuerung.
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Aufgabe 15. Ökonomischer Unternehmenswert, Marktwert eines Unterneh-
mens (11 Punkte)
(a) (5 Punkte) Nennen Sie beispielhaft fünf Anlässe für die Ermittlung ei-
nes Unternehmenswerts und unterscheiden Sie dabei transaktionsbe-
zogene und nicht transaktionsbezogene Anlässe.
(b) (6 Punkte) Nennen Sie drei vom Grundansatz her unterschiedliche Ver-
fahren zur Ermittlung eines Unternehmenswertes und beschreiben Sie
diese Grundansätze.
Lösungshinweis:
(a) Es gibt
Transaktionsbezogene Anlässe sind z.B. Liquidation / Insolvenz-
verfahren, Kauf / Verkauf, Börseneinführung, Übertragung von
Versicherungsbeständen, Squeeze-out.
Nicht transaktionsbezogene Anlässe sind z.B. Ermittlung von Be-
steuerungsgrundlagen, Kreditwürdigkeitsprüfung, Erbschaft,
Analysen im Rahmen der wertorientierten Unternehmenssteue-
rung.
(b) Es gibt die drei Grundansätze Substanzwert, Ertragswert und Markt-
wert.
Der Substanzwert gilt als der Wiederbeschaffungswert der materiellen
und immateriellen Vermögensgegenstände des Unternehmens, also als
der hypothetische Aufwand, der erbracht werden müsste, um das be-
wertete Unternehmen wiederherzustellen.
Die Ertragswertverfahren bewerten die Fähigkeit des Unternehmens, in
der Zukunft Gewinne zu erwirtschaften. Bei diesen wird der Unterneh-
menswert mit Hilfe von Verfahren der Investitionsrechnung als Kapi-
talwert der künftig erwarteten Überschüsse errechnet.
Bei der Schätzung eines Marktwertes geht man nicht von einer Detail-
betrachtung der Fähigkeiten des Unternehmens aus, sondern betrach-
tet das Unternehmen als handelbares Gut, für das ein Markt existiert.
Es wird versucht, durch die Analyse dieses Marktes eine Einschätzung
für einen entsprechenden Marktwert zu erhalten. Wenn ein Börsenkurs
vorhanden ist, kann der Marktwert aus diesem abgeleitet werden, an-
sonsten ist die Bestimmung deutlich schwieriger.
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Aufgabe 16. Organisches und anorganisches Wachstum (10 Punkte)
(a) (4 Punkte) Beschreiben Sie den Unterschied von organischem und an-
organischem Wachstum in einem Versicherungsunternehmen.
(b) (6 Punkte) Beschreiben Sie Vor- und Nachteile von anorganischem
Wachstum und geben Sie mindestens zwei Ursachen dafür an, dass die
erwarteten Synergieeffekte bei anorganischem Wachstum häufig über-
schätzt werden.
Lösungshinweis:
(a) Mit organischem Wachstum oder internem Wachstum ist derjenige Teil
des Wachstums des Unternehmens gemeint, der aus eigener Kraft er-
folgt.
Mit anorganischem Wachstum oder externem Wachstum ist derjenige
Teil des Wachstums gemeint, der durch andere Ursachen (z.B. Zukäu-
fe, Bestandsübernahmen oder Fusionen) entsteht.
(b) Der Vorteil einer Bestandsübernahme oder eines Unternehmenskaufs
besteht darin, dass das Wachstum sich nicht allmählich einstellen und
erarbeitet werden muss, sondern dass sich das Geschäfts- und damit
das Ertragsvolumen schlagartig erhöhen. Außerdem erhofft man sich
Synergieeffekte und eine Fixkostendegression.
Allerdings ist für die Übernahme ein Preis zu bezahlen, d.h. es muss
eine Investition getätigt werden und hierfür muss das benötigte freie
Kapital zur Verfügung stehen. Falls die Finanzierung durch einen Ein-
schuss von Eigenkapital erfolgt, entsteht hierdurch ein zusätzlicher
Druck auf die Rendite. Eine Finanzierung durch Auflösung stiller Reser-
ven dagegen nimmt dem Unternehmen Spielräume für die Zukunft und
verschlechtert die Risikosituation.
Erwartete Synergieeffekte erweisen sich in der Praxis oft als zu hoch:
Unterschiedliche technische Bestandsführungssysteme führen zu
aufwändiger Migration.
Unterschiedliche Tarife und Versicherungsbedingungen, erhöhter
(personeller) Aufwand bei Bestandsführung und Schadenbear-
beitung, Vereinheitlichung nur langfristig möglich.
Mögliche Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit hängen stark
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von der Art der zusammengeführten Sparten ab: je stärker und
individueller die laufende Bearbeitung (vor allem Schaden / Leis-
tung), desto geringer sind tendenziell die möglichen Synergieef-
fekte.