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Page 1: Mechanismus der Ablenkung der Jod-Thiosulfat-Reaktion in Gegenwart von Nitrit

Mechanismus der Ablenkung der Jod-Thiosulfat-Reaktion in Gegenwart von Nitrit

Von E.ABEL

Inhaltsiibersieht Die eigenartige Storung der Jod-Thiosulfat-Reaktion in Gegenwart yon Nitrit wird

auf Eingriff von Nitrosylion NO+ zuruckgefiihrt.

Auf Storung der Jod-Thiosulfat-Reaktion durch Nitrit haben BERTHOUD und BERGER l) erstmalig hingewiesen, wahrend GRIFFITH und IRVING,) es waren, die in ausgedehnter Untersuchung den Grund dieser Stijrung in Ahlcnkung der normalen Reaktionsrichtung erkannt haben, nztmlich in der die Tetrathionatbildung begleitenden Sulfat- bildung. Die Sondcrheit dieser Ablenkung liegt darin, dal3 Nitrit hierbei die Rolle eines scheinbar unbeteiligten Gegenwartkorpers spielt. Wohl gibt es Umsetzungcn von Nitrit sowohl mit Thiosulfat als mit Jod, fuhrend einerseits zu Tetrathionat und Distickstoffoxyd 3), andererseits zu Kitrat und Jodid4); diese Reaktionen waren es, an deren Hand trotz ihrer erheblichen Langsamkeit bei isol ier tem Verlaufe ich vor einigen Jahren zu einem Mechanismus zu gelangen suchte, der im Drei-Kom- ponenten- Substrat - S,O:-, J,, NO, - dank eigenartiger ,,Reaktions- ~erflechtung"~) in der Tat zu Aufhellung der Reaktionsablenkung der vorliegenden Momentanumsetzung zu fuhren vermochte.

Gleichwie damals halte ich auch heute die Sa lpe t r ige Saure6) fur die an der Storung zunachst beteiligte Komponente. Wahrend ich aber dam& von dem der Kinetik dieser Ssure zugrunde liegenden und mir daher aus eigenen Arbeiten besonders geliiufigen Gleichgewicht

2 HNO, F' NO + NO, + H,O

1) A. BERTHOUD u. W. E. BERGER, J. Chim. physique 25, 562 (1928). 2, R. 0. GRIFFITH u. R. IRVING, Trans. Faraday SOC. 45, 305 (1949). 3) A. KURTENACKER u. H. SPIELHACZEK, Z. anorg. allg. Chem. 217, 321 (1934). 4 ) S. DURANT, R. 0. GRIFFITH u. A. MCKEOWN, Trans. Faraday SOC. 32, 999 (1936). 6) E. ABEL, Mh. Chcm. 81, 7 (1950). 6 , Auch in neutrale- Losung konirrit es im Zuge von Sulfatbildung zu Aciditat.

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E. ABEL, Ablenltung der Jod-Thiosulfat-Rcaktion in Gegenwart von Nitrit 243

ausging und das Reaktionsspiel iiber die Zersetzungsprodukte NO und NO, laufen lie13, scheint sich mir nun ein sehr vie1 vereinfachter Me- chanismus darzubieten, sofern man dessen Weg uber das der Salpe- trigen Saure entstammende, seither so vielfaltig theoretisch diskutierte und experimentell bearbeitete Kation Nitrosyl ion ' ) fiihrt.

Wie sich aus den umfanglichen Arbeiten der Londoner8) und der Wieners) Schule zur Kinetik der Diazotierung ergab, fiihrt - mittelbar und unmittelbar - ein doppelter Weg von HNO, zu NO+: einerseits uber ,, Salpetrigsaure-Anhydrid" (Nitrosylnitrit) :

2 HNO, + HZO + N,O, (NO+. NO,),

andererseits direkt iiber die Dissoziation, bzw. die Umsetzung : HNO, + OH- + NO+ bzw. HNO, + H+ + NO+ + H,O.

Nun ist es offenbar das auf solehe Weise wirksame Nitrosylion, das fur die hier in Rede stehende Reaktionsablenkung verantwortlich ist, indem durch dieses Oxydans das Radikal S,O, lo), entstammend teils dem Zwischenschritt

der normalen J,-S202,--Reaktion, teils der Umsetzung

S,Oi- + NO+(N,O,) -+ S,O, + NO (+ NO, ) I1 )

SzOi- + J+ + S,O; + J

zu SO:- oxydiert wird:

Das Reduktionsprodukt NO wurde im Wege der Reaktionslinien S,O; + 7 NO+ + 5 H,O + 2 SO:- + 10 H+ + 7 NO',).

NO + S,Oc --f S,O, + NU-

S,O, + s,o;- + s,o;- NO- + H+ + HNO

2 HNO --f N,O + H,O

Die erstmaligc ,,zogernde" Vermutung von der Existenz dieses Kations (von mir ursprunglich Nitriuiuni-, nunmehr vielfach auch Nitrosonium-Ion genannt) diirfte wohl in unserer Arbeit uber die Kinetik der Oxydation von Ferroion durch HNO, zu finden sein (Mh. Chem. 69, 125 (1936)).

s, C. K. INGOLD u. Mitarb. (E. D. HUGHES, J. H. RIDD, A. T. AUSTIN), siehc etwa Nature 166, 642 (1950), sowie C. K. INGOLD, ,,Structure and Mechanism in Organic Che- mistry", London: G . Bell 6; Sons, Ltd., 1953.

9, H. SCHMID u. Mitarb. (G. MUHR, A. WOPPMANN, R. I'FEIFER, A. F. SAMI, E. HALLABA). Publikation X, Mh. Chem. 87, 560 (1956) ; daselbst vorausgehmdc Literatur.

lo) Wie irnmer Sulfatbildung an Stelle von Tetrathionatbildung statthat, erfolgt diese, wie mehrere Beispiele zeigen, in Umsetzung nicht mit S,@$, sondrrn mit S,OF.

11) Der Zusammentritt von NO; niit H+ zu HNO, sei nicht gesondart registriert. 12) Zweifellos zerfiillt diese Bruttorcaktion ihrerseits in Tcilscliritte.

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244 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 292. 1957

zu Ablenkung nach Distickstoffoxyd fuhren 13), wurde NO nicht durch Jodkation u n m it t e 1 ba r r uckox ydiert werden :

NO + J+ + NO+ + J.

Solcherart ist es trotz der wegen ihrer Langsamkeit hier nicht in Betracht kommenden Reaktionen von NO, mit jedem der beiden Einzel- komponenten, sei es mit Thiosulfat, sei es mit Jod, die gemeinsame Gegen- wart der d r e i Komponeten S@-, J,, NO,, die in Ablenkung zu Sulfat die Storung der Jod-Thiosulfat-Titration verursacht ; Nitrit (HNO,) ka t a1 y si e r t die Sulfatbildung.

DemgemaB liegt dieser Ablenkung, sofern wir von der ,,normalen" S,O,-Zwischen bildung absehen und als ,,NO+- Quelle" lediglich Nitrosyl- nitrit heranziehen, folgender Mechanismus zugrunde:

8 (J, F' J+ + J-),

2 HNO, + H,O + N203 (NO+ * NOa)

N,O, + S,O% --f S,O; + NO + NO,

NOz + H+ + HNO,

8 (NO + J+ -> NO+ + J)

S,O; + 7 NO+ + 5 H,O + 2 SO:- + 10 H+ + 7 NO

NO+ + H,O + NO+. OH- (HNO,) + H+

8 J + 4 J ,

13) 4 S,O: + 2 NOa + 6 H+ + 2 S,O;- + N,O + 3 H,O3).

London, 63. Hamilton Terrace.

Bei der Redaktion eingegangen am 6. Mai 1957.


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