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Von Stefan Rammer

Dass Bibliotheken ein Sozio-top sein können, die prägendsind fürs weitere Leben, zeigteindrucksvoll Manfred Kempin-ger. Der Kabarettist wusste aufder roten Lesecouch der Univer-sitätsbibliothek von traumati-schen ersten Büchereierfahrun-gen zu berichten. Von der katho-lischen Volksbibliothek bis zurStandardausstattung im deut-sche Wohnzimmer reichte derBogen, den er schlug.

Der HauzenbergerRudi und das Bier

Man müsste sie erfinden, dieNach(t)lese, gäbe es sie nicht.Denn die zwei Lesenächte an-lässlich der bundesweiten Akti-onswoche „Deutschland liest.Treffpunkt Bibliothek“ erfreu-ten sich in Passau besten Zu-spruchs. Den Anfang machtenam Freitagabend Staatliche Bi-bliothek und Europabücherei.

Schon bei der Lesung vonNorbert Entfellner in der „Stabi“war der Lesesaal gefüllt. DerSchauspieler und Autor las ausdem Roman „Beckford“ und

hatte quasi druckfrisch sein neu-estes Prosawerk „Die Leiche ander Quelle“ (Kunst- und Text-werk Verlag) mitgebracht. Wases da in szenischer Lesung zuhören gab über den Hauzenber-ger Rudi und seine Biertrinkerei,machte neugierig auf mehr.

Mehr gab es in der Folge vonMichael Hauck. Der Leiter derDombauhütte führte auf höchstunterhaltsame und lehrreicheWeise ein in seine vielfältigeWelt. Geschickt rückte er dabeidie einzig wahre Mitte der Stadtin den Fokus. Er erläuterte, dassman sich bei der Sanierung undPflege eines Domes nicht im ge-sicherten Bereich von Normenbewege, deswegen die Span-nung immer hoch sei. Und ob-wohl er selbst inmitten von Foli-anten stand bei seinem Vortrag,veranschaulichte er imposant,dass nicht alles in Büchern steht,was ein Dombaumeister undsein Team wissen müssen.

Abwechslungsreich ging esweiter „Goethes Weltbild in Zi-taten“ war das Thema von Dr.Dr.Rudolf Segl. Passend dazu kon-zertierten Bass-Bariton WielandSatter und Pianistin EkaterinaTarnopolskajo. Ihre Lieder undBalladen der Romantik trafenauf ebenso begeisterte Zuhörer

wie später das Thomas-Bern-hard-Stück „Der Theaterma-cher“. Sepp Meissner und PeterPaleczek spielten einige Szenen.Bibliotheksleiter Dr. MarkusWennerhold jedenfalls zeigt sichhochzufrieden. 400 Gäste hat ergezählt und ein Teil davon warsogar noch bei der nachmitter-nächtlichen Führung durchs Je-suitenkolleg dabei.

Hitchcock lässtschön grüßen

Zufriedene Gesichter gab esauch in der Europabücherei.Spannend ging es hier zu. Krimiswaren angesagt. Die lesendenAkteure fanden aufmerksameZuhörer, unter ihnen OB JürgenDupper. Wie könnte es auch an-ders sein unter einem Plakat desAltmeisters. Alfred Hitchcockstreckt den Zeigefinger aus dar-auf. Heidegunde Artmeier miteinem Toskana-Krimi und Bar-bara Krohn mit einem Neapel-Krimi lieferten etliche Ingre-dienzien. Das Krimi-Menü wur-de komplettiert von KatharinaGerwens und Herbert Schröger,die zeigten, dass es nicht immerItalien sein muss, um Spannung

zu erzeugen. Das tut auch ihr„Gurkenflieger. Ein Nieder-bayernkrimi“. Auch das rechtsvon den Lesenden aufgehängteFilmplakat könnte nicht treffen-der sein, es stammt aus „Der per-fekte Mord“. In den Pausen undwährend der Lesungen sorgtenDaniel Becker (Klavier, Saxo-phon) und Jutta Walkowiak(Gesang) für Abwechslung.Auch Bücherei-Leiterin OliviaKelsch war zufrieden. Der Lese-saal war durchgehend voll undMedien-Flohmarkt und Aus-leih-Geschehen ließen nichts zuwünschen übrig.

Am Samstag schließlich wardie lange Nacht in der Unibiblio-thek angesagt. Zu lange wurdesie keinem und langweilig schongar nicht. Wie könnte es auchanders sein, wenn Dr. HansGöttler „aus dem Diess-seitsnach Bavarian Chicago und wie-der retour“ liest. Der Unidozentund Regionalliteratur-Expertelas die zum Brüllen komischeGeschichte „Der Schüler Ste-fan“ von Wilhelm Diess und er-klärte mit Max Peinkofers Ge-dicht „Zwoa, zwo, zwee“, dassder Niederbayer, insbesondereder Waidler sich mit einem einfa-chen „zwei“ nicht zufrieden gibt.Natürlich gab es Gedichte vonEmerenz Meier aus ihrer Passau-

Zeit, und gesungenen Karl Va-lentin. Damit und mit GerhardPolts „Der CSU-Sammler“ aus„Drecksbagage“ hatte GöttlerRiesenapplaus gewiss.

Der Niederbayer anund für sich

Ernster, aber nicht minder be-geisternd, war die Lesung vonJoanna Rostek und Dr. GeroldSedlmayr. Die beiden lasen ab-wechselnd deutsch und englischGedichte der schottischen Lyri-kerin Kathleen Jamie aus „DasMeer-Haus“ (Karl Stutz Verlag),Lyrik „at its best“. Und bevor dieVollblut-Poetry-Slamer AnnaKistner und Christoph Werth-mann mit eigenen Texte aufwar-teten, kam noch Manfred Kem-pinger. In Bernhard’scher Ma-nier las er Passau die Leviten,sprach davon, wie schwer er sichtut, der Niederbayer, wenn er an-derswo erklären muss, dass eraus Passau kommt und es dorttrotz allem auch schön ist. Bleibtnoch zu sagen, dass allein schondie konzertanten Teile von RalfAlbert Franz (Klavier) und Hei-ke Schlierf (Querflöte) den Be-such gelohnt hätten.

Viel Leben in den Passauer BibliothekenMehrere Hundert Zuhörer bewegten sich durch die „Nach(T)Lese“ − Krimis, Lyrik, Kabarett und Musik

Norbert Entfellner fühlte sich in der Staatlichen Biblio-thek pudelwohl. − Foto: Clemens

Krimiautorin Barbara Krohn las in der Europabüchereiaus ihrem Neapel-Roman. − Foto: Clemens

Manfred Kempinger gab u.a. seinen im „Passauer Pe-gasus“ erschienenen Text zum Besten. − Foto: Geisler

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