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Page 1: Mit seinen Abenteuerreisen wurde Rüdiger Nehberg …ruedigernehberg.com/pdf/zeitungen-zeitschriften/14-02-2018_Elms... · Im zweiten Teil des Abends aber wandelt sich das Bild

ELMSHORN Wann haben Siesich das letzte Mal wie einwirklich anständiger Menschgefühlt? Wie jemand, der mo-ralisch das Richtige tut undaufrichtig etwas zum Wohleder Menschheit beigetragenhat? Bei der Autorin diesesTextes war es vergangenenMittwoch soweit. Da kauftesie sich ein Kilo Möhren.Möhren aus ökologisch kon-trolliertem Anbau ohne Ein-satz von chemischen Pflan-zenschutzmitteln, die denBöden und den Insektenschaden würden. Ein gutesGewissen ist käuflich. Unddas ist Mist.

Solche Gedanken kommenautomatisch, wenn RüdigerNehberg auf der Bühne steht.Der 83-Jährige zappelt beiseinem Vortrag im Elmshor-ner Stadttheater, fuchtelt mitden Armen und erzählt ausseinem bewegten Leben.

Im zweiten Teil des Abendsaber wandelt sich das Bildvom glücklichen Narren undNehberg konfrontiert die Zu-schauer mit härterem Tobak.Es geht um die weibliche Ge-nitalverstümmelung, gegendie der Abenteurer seit Jah-ren kämpft. In 35 Länder ge-be es diese Praxis noch. Vieledieser Länder sind musli-misch: „Man hält es für einKulturgut. Man ist sogarnoch stolz drauf.“ 2000 grün-dete Nehberg den Verein Tar-get und reiste voran zu reli-giösen Führern, um sie vondem Irrsinn der Verstümme-lungspraxis zu überzeugen:„In Deutschland haben siemir gesagt, der Islam ist nichtdialogfähig. Die schneideneuch die Kehle durch.“ Aberlaut Nehberg war das Gegen-teil der Fall: Er traf auf offeneOhren. Die Schwierigkeit lie-ge nun darin, die Botschaft

„Mr. Survival“ hat man denAbenteurer getauft, weil ermit seinen Reisen in die ent-legensten Orte der Welt be-kannt geworden war, Filmedrehte und Bücher mit Über-lebenstipps schrieb. „Jahre-lang war ich verschrien alsWürmerfresser der Nation.Deshalb verlor die Backstubeein paar Kunden“, erzähltNehberg, der einst eine Bä-ckerei in Hamburg betrieb.

Nehberg erzählt seine Ge-schichten mit viel Witz – „EinGlas Mückenlarven prickeltbesser als jeder Aldi-Sekt“ –und im ersten Teil desAbends wird viel gelacht.Nehberg wirkt wie eine Sym-pathiefigur, wie ein netterKerl mit einem Herz aus Goldund, ja, einem kleinen Sprungin der Schüssel. Denn wer aufeinem Baumstamm den At-lantik durchsegelt muss einePrise Unvernuft mitbringen.

von dem Missfallen der reli-giösen Führer auch in entle-gene Orte zu tragen.

Nehberg organisiert seinenVortrag geschickt. Mit Witzund gelegentlichen Lachernwirkt der Vortrag sympa-thisch und unangestrengt. Esist keine Betroffenheitsver-anstaltung, die die Zuschaueran das Gute in der Welt zwei-feln lässt. Aber Nehbergmacht die Not der Frauen inanderen Teilen der Weltnachvollziehbar – einfach in-dem er von seinen Begegnun-gen erzählt. Wie er zum Bei-spiel eine Frau traf, derenTochter sich nach der Be-schneidung mit dem Maschi-nengewehr in den Kopfschoss.

Nehberg macht deutlich,dass man dem Unrecht derWelt nicht untätig gegen-überstehen muss. Man kannetwas erreichen, auch gegen

die wirklich großen Proble-me. „Ich bin jetzt 83 undmuss ranklotzen. Ich will dasendgültige Ende der Be-schneidungen ja noch erle-ben. Ich will das nicht euchüberlassen“, sagt er. Nein, einKilo faire Möhren rettennicht die Welt. Sondern ver-rückte Kerle mit guten Ideen.

Daniela Lottmann. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mit seinen Abenteuerreisen wurde Rüdiger Nehberg

berühmt. Im Theater erzählt er von seinem

Engagement gegen weibliche Beschneidung

Der Würmerfresser

FOTO: DANIELA LOTTMANN

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