NEUE ELEKTRONIK
Es werde organisch Lichtvon Roland Knauer
Die organische Elektronik stößt die Tür weit auf für neue Produkte, muss dabei aber grundlegende Widersprüche überwinden. Doch die Technologie macht rasante Fortschritte: Bald lassen sich Solarzellen und Bildschirme auf Papier drucken.
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Solche Vorschläge wären den US-
Amerikanern Alan Heeger und
Alan MacDiarmid von der Uni-
versity of Pennsylvania Anfang
der 1970er Jahre wohl im Traum
nicht eingefallen. Gerade war ihnen ein
Experiment schiefgegangen: Als sie einen
Kunststoff herstellen wollten, fanden sie
einen silbrig schimmernden Film auf dem
Labortisch. So sehen normalerweise Me-
talle aus, die elektrischen Strom hervorra-
gend leiten. Kunststoffe tun dagegen ge-
nau das nicht und werden daher zum Bei-
spiel als nichtleitender Schutzmantel um
die Kupferdrähte von elektrischen Leitun-
gen gehüllt. Etwas musste also bei diesem
Experiment misslungen sein – das passiert
auch im besten Labor gar nicht so selten.
Eigentlich wollten die beiden Forscher das
Experiment schon zu den Akten legen, als
Alan MacDiarmid eher zufällig auf einem
Kongress in einer Kaffeepause mit dem Ja-
paner Hideki Shirakawa von der Univer-
sität von Tsukuba über diesen seltsamen
Fund plauderte. Der Kollege war mehr als
verblüfft, schließlich hatte er 1974 ein ähn-
liches Experiment mit vergleichbarem Er-
gebnis gemacht. Das aber verringerte die
Wahrscheinlichkeit eines dummen Zufalls
erheblich und erhärtete den Verdacht, zu-
fällig einen stromleitenden Kunststoff her-
gestellt zu haben.
Hideki Shirakawa hatte letztendlich ei-
nen Allerweltsversuch gemacht: Er wollte
die einfache Chemikalie Acetylen mit Hil-
fe so genannter Ziegler-Natta-Katalysato-
ren zum Kunststoff Polyacetylen verbin-
den. Statt des erwarteten schwarzen Pul-
vers aber erhielt er einen ähnlichen silbrig
glänzenden Film wie seine Kollegen in den
USA. Bei Metallen entsteht die silbrige Far-
be durch relativ leicht bewegliche Elekt-
ronen, die gleichzeitig elektrischen Strom
Buntes Licht
Mittlerweile sind organische Leuchtdioden –
kurz OLEDs – in allen Farben erhältlich (Sym-
bolbild).
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gut leiten. Letzteres aber kann Polyacetylen
normalerweise nicht. Schließlich besteht
diese Substanz aus langen Ketten von Koh-
lenstoffatomen, bei denen die einzelnen
Atome durch eine so genannte s-Bindung
miteinander verknüpft sind, die von zwei
Elektronen hergestellt wird. Dazu kommt
noch eine »konjugierte Doppelbindung«,
bei der etliche weitere Elektronen nicht an
einzelne Atome gebunden sind, sondern
sich über die gesamte Kette verteilen. Die-
se »π-Elektronen« verstärken nicht nur die
Bindung, sondern sind ähnlich leicht be-
weglich wie die Elektronen in Metallen.
Es gibt allerdings eine entscheidende
Einschränkung: Diese π-Elektronen kön-
nen nicht von einem Molekül zum nächs-
ten springen. Genau deshalb leiten sol-
che Kunststoffe auch keinen Strom. Hideki
Shirakawa, Alan Heeger und Alan MacDi-
armid entdeckten bei ihren »missglückten
Experimenten« jedoch, dass sie diesen Ket-
tenmolekülen die elektrische Leitfähigkeit
»einimpfen« konnten. Dazu behandelten
sie den Kunststoff mit aggressiven Substan-
zen wie den Halogenen Fluor, Chlor oder
Brom, die elektrisch positive Ladungen in
die Substanz brennen: Sie oxidierten sie.
Diese »Löcher« aber sind für die Leitfähig-
keit verantwortlich, weil leicht bewegliche
Elektronen aus der Nachbarschaft in die-
se Löcher hineinspringen können. Gleich-
zeitig hinterlassen sie an ihrem Ausgangs-
ort ein neues Loch mit einer positiven La-
dung, in das weitere Elektronen springen
können. Auf diese Weise wandern Elektro-
nen jetzt doch über die Grenzen der Mole-
küle hinweg durch die Substanz – elektri-
scher Strom beginnt zu fließen.
Strom begann zu fließen
Diese Stromleitung ist zwar 1000-mal
schwächer als zum Beispiel in den Kupfer-
leitungen herkömmlicher Stromkabel. Sie
ist aber auch eine Milliarde Mal besser als
in einem nicht mit Halogenen behandel-
ten Polyacetylen. Physiker haben also gute
Gründe, solche Substanzen »Halbleiter«
zu nennen, die Strom zwar leiten, doch bei
Weitem nicht an die Qualitäten von Sil-
ber oder Kupfer herankommen. Genau sol-
che Halbleiter aber bilden das Rückgrat der
modernen Elektronik. Kurzum: Die drei
Forscher hatten die Tür aufgestoßen zur
organischen Elektronik, in der Polymere
und andere organische Verbindungen an
die Stelle des bisher verwendeten Silizi-
ums oder von Verbindungen wie Gallium-
arsenid und Kadmiumsulfid treten kön-
nen. Es war daher keine allzu große Überra-
schung, als Hideki Shirakawa, Alan Heeger
und Alan MacDiarmid im Jahr 2000 mit
dem Nobelpreis für Chemie geehrt wur-
den. »Diese Auszeichnung war eine Art
Startschuss für neue Elemente in der Elek-
tronik – nicht nur für organische Verbin-
dungen, sondern zum Beispiel auch für die
Möglichkeit, sie ähnlich wie bisher Zeitun-
gen und Bücher zu drucken«, erklärt Arved
Hübler, der an der Technischen Universität
Chemnitz das Institut für Print- und Me-
dientechnik leitet. Und tatsächlich hat der
Forscher elf Jahre später Solarzellen auf Pa-
pier gedruckt, deren Wirkungsweise sein
Kollege Vladimir Dyakonov von der Würz-
burger Universität weiter aufgeklärt hat.
Eine solche technische Möglichkeit hat-
»Diese Auszeichnung war eine Art Startschuss für neue Elemente in der Elektronik« (Arved Hübler)
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ten bereits die vermeintlich schiefgegan-
genen Experimente der späteren Nobel-
preisträger in den 1970er Jahren angedeu-
tet. Damals war vor allem die silbrige Farbe
der Kunststoffe aufgefallen. Dabei führt
Licht den π-Elektronen ein wenig Ener-
gie zu. Chemiker sprechen in solchen Fäl-
len von »angeregten Elektronen«, die al-
lerdings in ihrem Molekül bleiben. An der
Stelle mit dem angeregten Elektron ent-
steht eine negative Ladung, während im
gleichen Molekül an der Stelle, an der das
Elektron fehlt, eine positive Ladung ent-
steht. »Exziton« heißt dieses Paar aus Elek-
tron und einem Loch. Soll nun elektrischer
Strom fließen, muss dieses Elektron zum
nächsten Molekül wandern. Dabei helfen
so genannte »Elektronensauger«, zu de-
nen Verbindungen wie die 1985 erstmals
nachgewiesenen Fullerene zählen, in de-
nen sich 60 oder mehr Kohlenstoffatome
zu einer Art molekularem Fußball verbin-
Biegbare Displays
Die »neue« Elektronik ermöglicht auch, dass
flexible Bildschirme gedruckt werden. Damit
eröffnen sich völlig neue Einsatzmöglichkei-
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den. Solche und andere Verbindungen ho-
len Elektronen aus den Exzitonen heraus:
Ein elektrischer Strom kann fließen. Im Juli
2007 präsentierte Alan Heeger gemeinsam
mit dem Koreaner Kwanghee Lee tatsäch-
lich eine Solarzelle mit einer Kombination
aus konjugierten Polymeren und Fullere-
nen, die im Labor 6,5 Prozent der auftref-
fenden Sonnenenergie in Strom umwan-
delt. Im Jahr 2013 erreichten ähnliche or-
ganische Solarzellen sogar Wirkungsgrade
von zwölf Prozent, berichtet Markus Schar-
ber von der Johannes Kepler Universität in
Linz. Gemeinsam mit Serdar Sariciftci, der
in den USA gemeinsam mit Alan Heeger
arbeitete und seit 1996 das »Linz Institute
for Organic Solar Cells« (LIOS) an der Uni-
versität leitet, erforscht der Österreicher
solche organischen Solarzellen.
Drucken statt Reinraum
Deren Wirkungsgrad liegt zwar deutlich
unter dem Weltrekord herkömmlicher So-
larzellen aus Silizium, der 2013 auf 25 Pro-
zent geschraubt wurde. Solche Module
müssen allerdings im Hochreinraum pro-
duziert werden, während die organische
Konkurrenz in Mischungen verschiedener
Flüssigkeiten gelöst und so erheblich preis-
werter mit Druckmaschinen aufgebracht
werden kann. »Damit könnte man zum
Beispiel die eine Milliarde Menschen auf
der Welt, die bis heute keinen Zugang zu
elektrischem Strom haben, preiswert mit
Solarmodulen versorgen«, überlegt Arved
Hübler. Zurzeit liegt der Wirkungsgrad sol-
cher gedruckten Solarzellen allerdings nur
bei zwei Prozent, und die Zellen können
bei starker Belastung nach drei Monaten
ihren Geist aufgeben, in trockener Umge-
bung halten sie länger als ein Jahr. Die ge-
ringe Haltbarkeit liegt am Sauerstoff in der
Luft, der alle Elektronen wegfängt, sobald
die Fotozellen mit Luft oder auch nur ge-
ringen Mengen Feuchtigkeit in Berührung
kommen.
OLED-Fernseher
Brillante Farben, gestochen scharfes Bild – und
das alles auf einem extrem dünnen Schirm:
Damit ermöglichen OLEDs den Fernseher der
Zukunft.
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Um das zu vermeiden, müssen Luft und
Sauerstoff möglichst gut von den Solarzel-
len ferngehalten werden. »Das könnte man
natürlich mit einfachen Glasscheiben er-
reichen«, erklärt Vladimir Dyakonov. Dann
aber ginge ein weiterer, wichtiger Vorteil
verloren: Die gedruckten Solarzellen wären
nicht mehr flexibel. Daher arbeiten die For-
scher und Firmen mit Folien, die möglichst
gut Sauerstoff und Feuchtigkeit ausschlie-
ßen. Solche Solarzellen blieben voll flexi-
bel und könnten dann auch auf dem Dach
eines Zelts und sogar auf der Kleidung auf-
gebracht werden. Oder eben auf Papier ge-
druckt werden.
Wirkungsgrad und Haltbarkeit dürften
sich noch deutlich verbessern lassen. Un-
schlagbar aber ist vor allem der Preis von
vielleicht zehn Euro für einen Quadratme-
ter einer Papiersolarzelle, der bei Massen-
produktion durchaus erreicht werden sollte.
Leider ist jedoch bisher noch kein Hersteller
bei dieser Drucktechnik eingestiegen. Das
sieht ganz anders aus, wenn man die Reak-
tion umkehrt und mit elektrischem Strom
aus organischen Halbleitern Licht heraus-
schlägt. »Diese Technik funktioniert bereits
in einigen Millionen Displays von Smart-
phones«, berichtet Markus Scharber.
Alltag im Smartphone
In einer solchen organischen Leuchtdiode
oder kurz OLED fließt über zwei Elektroden
ein schwacher Strom. Eine der Elektroden
liefert dabei Elektronen in den organischen
Halbleiter, die andere holt Elektronen he-
raus und injiziert so positiv geladene Lö-
cher. Finden sich beide, bilden sich Elekt-
ron-Loch-Paare, also die aus der Fotovol-
taik bekannten Exzitonen. In diesen aber
besitzt das Elektron ein wenig mehr Ener-
gie als normalerweise. Rasch fällt es in den
energieärmeren Zustand, gleichzeitig führt
ein Lichtblitz die Energiedifferenz ab. Die
Wellenlänge dieses Blitzes und damit die
Farbe des Lichts hängt direkt von der Ener-
giedifferenz ab: Wächst sie, verschiebt sich
die Farbe von roten zu blauen Tönen. Über
die Größe dieser Energiedifferenz wieder-
um entscheidet die Struktur der Molekü-
le, in denen die Exzitonen entstehen. Des-
halb haben OLEDs einen großen Vorteil ge-
genüber Leuchtdioden aus anorganischem
Material wie zum Beispiel Galliumarse-
nid: Die Struktur organischer Verbindun-
gen lässt sich normalerweise viel genauer
als bei anorganischen Molekülen einstel-
len. Daher kann man OLEDs in sehr feinen
Farbabstufungen herstellen. »Sollte also
ein Unternehmen exakt den gleichen Farb-
ton wie im Firmenlogo wünschen, stehen
die Chancen gut, OLEDs mit genau dieser
Farbe zu entwickeln«, erläutert LIOS-For-
scher Scharber.
Ein solches Feintuning aber schüttelt
nur ein ausgebuffter Chemiker aus dem
Ärmel, klassische Leuchtmittelhersteller
sind dagegen eher die Domäne von Physi-
kern. Genau das war wohl auch der Grund,
aus dem die OLEDs nicht von bekannten
Glühbirnenproduzenten, sondern von der
chemischen Industrie entwickelt wurden.
Andererseits brauchte es aber gestande-
ne Physiker, um ein hausgemachtes OLED-
Problem zu lösen: Nur jedes vierte Exziton,
das durch die Rekombination von einem
Elektron und einem Loch entsteht, befindet
sich im so genannten »Singulett-Zustand«,
also einem nicht entarteten elektronischen
Zustand. Nur wenn solche Singulett-Exzi-
tonen in den Grundzustand fallen, senden
sie einen Lichtblitz aus. Wenn aber nur je-
des vierte Exziton Licht macht und etli-
che dieser Blitze auch noch innerhalb der
Diode verschluckt werden, ist die Energie-
ausbeute schlecht, und die Diode leuchtet
nicht sonderlich hell. Allerdings kann ein
Magnetfeld in nächster Nähe die anderen
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Exzitonen in wenigen millionstel Sekun-
den in den Singulett-Zustand bugsieren
und so die Diode heller leuchten lassen. Ein
solches Magnetfeld gibt es in der unmittel-
baren Umgebung der Atome bestimmter
schwerer Metalle wie Iridium, Platin, Os-
mium oder Rhenium, die dann auch den
OLEDs zum Durchbruch verhalfen.
Ein Blick auf das Handy des Chemnitzer
Druckspezialisten Arved Hübler zeigt ei-
nen großen Vorteil der OLED-Technologie
in seinem Smartphone: »Der Farbkontrast
ist viel besser als bei herkömmlichen LCD-
Displays«, erklärt der Forscher. Das aber
ist ein wichtiges Argument für Nutzer, die
ihre Bildschirme bisher nur in halbdunk-
len Räumen, nicht aber im hellen Sonnen-
licht nutzen konnten. Der bessere Kontrast
resultiert dabei unmittelbar aus dem Auf-
bau. LCD-Bildschirme aus Flüssigkristallen
brauchen eben eine Hintergrundbeleuch-
tung, das Display kann daher kein Schwarz
erzeugen. OLEDs dagegen verzichten auf
das Hintergrundlicht; wird ein Element
ausgeschaltet, ist diese Stelle schwarz. Ge-
nau das vergrößert den Kontrast und da-
mit die Lesbarkeit auch im hellen Licht.
Wo Licht ist, muss es natürlich auch
Schatten geben. Bei den OLEDs heißt die-
ser Schatten Haltbarkeit. Holt man Elekt-
ronen aus den organischen Verbindungen
heraus, oxidiert man das Produkt, fließen
die Elektronen zurück, liegt eine Redukti-
on vor. Dieses Hin und Her der Elektronen
klappt aber nicht zu 100 Prozent. »Eine che-
mische Reaktion ist nun einmal nicht voll-
ständig reversibel«, erklärt Scharber. Bei
jedem Zyklus bleiben daher einzelne Mo-
leküle im oxidierten Zustand stecken. Mit
der Zeit gibt es also immer weniger Mole-
küle, die Lichtblitze liefern. Langsam, aber
sicher altert das Material. Bei einem Han-
dy, das meist nach einigen Jahren durch
ein neues Modell ersetzt wird, hält das Dis-
play diese Zeit vermutlich durch. Bei dem
oft viel länger genutzten Bildschirm eines
Fernsehers oder Computers mag das schon
anders aussehen. »Zurzeit suchen die Fir-
men daher Systeme, bei denen Oxidation
und Reduktion möglichst reversibel sind«,
erklärt der Linzer Forscher. Sobald sie auf
den Markt kommen, dürften auch große
OLED-Bildschirme in den Läden auftau-
chen. »OLED wird wohl die LCD-Techno-
logie ablösen«, ist sich auch Arved Hüb-
ler sicher. Dafür spricht noch ein weiterer
Grund: OLEDs werden meist aus preiswer-
ten Materialien hergestellt, obendrein lie-
fern sie Licht mit geringerem Energieein-
satz.
Chancenlos im Computer?
Schlechtere Karten haben die organischen
Halbleiter dagegen in der Computerbran-
che. Dort kommt es ja auf schnelle Schalt-
vorgänge an: Mit einer Million Schaltun-
gen sind die organischen Verbindungen
zwar ziemlich fix, klassische anorganische
Halbleiter wie Silizium lassen sich jedoch
noch 1000-mal schneller schalten und soll-
ten deshalb die Nase auch in Zukunft vorn
haben. Auf bestimmten Feldern könnten
die organischen Verbindungen dennoch
punkten. »Indigo hat zum Beispiel fan-
tastische Eigenschaften«, erklärt Eric Glo-
wacki vom Linzer LIOS-Institut. Diese Be-
hauptung verblüfft zunächst einmal, weil
dieser Farbstoff gar keine konjugierten
Doppelbindungen hat, die sich über lange
»OLED wird wohl die LCD-Technologie ablösen« (Arved Hübler)
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Ketten erstrecken. Das tiefblaue Indigo be-
steht gerade einmal aus 16 Kohlenstoffato-
men – sonderlich weit kommen die Elekt-
ronen in einem solchen Molekül also nicht.
Zumindest in der Theorie.
Eric Glowacki hat die Substanz trotzdem
untersucht und stellte eine erstaunlich
gute Leitfähigkeit fest. Inzwischen kennt
der junge Forscher auch die Hintergründe:
»Die einzelnen Moleküle verbinden sich in
der Ebene über Wasserstoffatome zu stabi-
len Schichten«, erklärt der polnische Wis-
senschaftler. Diese Schichten lagern sich
leicht versetzt zudem sehr dicht überei-
nander an, und schon können Elektronen
und Löcher relativ gut von einer Ebene zur
nächsten flitzen. Und damit gab es einen
weiteren organischen Halbleiter.
Indigo aber punktet vor allem mit ei-
ner Reihe weiterer Eigenschaften. So ist
die Substanz, die seit Jahrtausenden aus
Pflanzen gewonnen und zum Färben ver-
wendet wird, sehr billig. Und seit 1870
kann Indigo auch synthetisch hergestellt
werden, die Firma BASF legte mit diesem
Prozess die Grundlage für ihre Spitzenrol-
le in der weltweiten chemischen Indus-
trie. Heute kostet ein Kilogramm Indigo
nur noch 50 Cent – da kann kaum ein an-
deres Material mithalten, schon gar nicht
hochreines Silizium.
Gleichzeitig ist die Substanz in den üb-
lichen Einsatzbereichen stabil, was die mit
Indigo gefärbten Jeans beweisen, die kaum
tot zu bekommen sind. Es sei denn, man
geht mit seinen Jeans im Meer schwimmen
und legt die nasse Hose anschließend zum
Trocknen in die pralle Sonne. Dann bleicht
das gute Stück aus. »Mit Salzwasser und
Sonnenlicht ist Indigo nämlich gut abbau-
bar«, erklärt LIOS-Forscher Eric Glowacki.
Anders als herkömmliche Kunststoffe ver-
schwindet der Farbstoff also recht schnell
in der Umwelt. Obendrein ist Indigo rela-
tiv harmlos, der menschliche Organismus
toleriert davon erheblich größere Mengen
als von Kochsalz. Eine elektronische Schal-
tung auf Indigobasis sollte also vom Kör-
per gut vertragen werden. Und genau diese
Eigenschaft suchen die Hersteller elektro-
nischer Bauteile, die wie beispielsweise ein
Herzschrittmacher in den Körper einge-
baut werden. Deshalb kann die Indigoelek-
tronik gern langsamer als ein Siliziumchip
sein, der rasch vom Organismus abgesto-
ßen wird – vielleicht also bald ein weiteres
Feld für die organische Elektronik der Zu-
kunft. <
ALLES, WAS SIE WISSEN MÜSSEN.AUF IHREM BILDSCHIRM .
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