Transcript
Page 1: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

E. H. Riesenfeld. Polymerisationsprodukte in konz. Wasserstoffperoxyd 257

Pol ymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

Von E. H. RIESENFELD Mit einer Figur im Text

LUDWIG HESS machte mich gelegentlich darauf aufmerksam, daB eine Kaliumpermanganatlosung, die durch verdunntes, saures Wasserstoffperoxyd augenblicklich entfarbt wird, mit konzentriertem nur langsam reagiert. Er sprach gleichzeitig die Vermutung aus, daB Wasserstoffperoxyd in konzentrierter Losung polymer sei, und daB dieses Polymerisationsprodukt entweder gar nicht oder nur langsam auf Kaliumpermanganat einwirkt . Als auf Anregung von LUDWIG HESS diese Reaktion weiter untersucht wurde, ergab sich, daB der Reaktionsverlauf noch komplizierter ist, als anfangs an- genommen wurde. Er lie13 sich aber schlieSlich doch durch die An- nahme einer Polymerisation des Wasserstoffperoxyds in konzen- trierter Losung erklaren.

Die Permanganat-Wasserstoffperoxydreaktion hatte schon ein- ma1 zur Annahme neuer Oxydationsprodukte in Wasserstoffperoxyd- losungen gefuhrt. BACH~) fand 1900 bei Messung der entwickelten Sauerstoffmenge ein groBeres VoIum, als der bekannten Umsetzungs- gleichung entspricht, und nahm daher die Existenz von hoheren Oxyden des Wasserstoffs, niimlich von H,O,, H,O, USW. an. BAEYER und VILLIGER,) wiesen aber bald nach, daB die zu starke Sauerstoff- entwicklung von dem katalytischen Zerfall der CARO’SChen Saure herruhrt, die sich unter den von BACH eingehaltenen Reaktions- bedingungen bildet. Seit dieser Zeit ist uber diese allbekannte Re- aktion nichts wesentlich Neues mehr veroffentlicht worden.

Da nach HESS Wasserstoffperoxyd in konzentrierter Losung auf Permanganat nur langsam einwirkt, andererseits aber bekannt war, daB es in verdunnter schnell und in sehr verdunnter Losung wiederum langsam reagiert, so war zu erwarten, daB die Reaktionsgeschwindig- kei t bei alleiniger Anderung der Wassers toff peroxy dkonzentra tion

l) A. BACH, Ber. 33 (1900), 1516. 2, A. BAEYER u. V. VILLIQER, Ber. 33 (1900), 2492.

Z. anorg. 11. allg. Chem. Bd. 218. 17

Page 2: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

258 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

ein Maximum durchlauft. Es wurde aber gefunden, daB die Re- aktionsgeschwindigkeit erst ein Minimum und dann ein Maximum aufweist .

Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt. Zu einer Permanganatlosung wurde eine mit Schwefelsaure angesauerte Wasserstoffperoxydlosung unter Umschwenken so hinzugefiigt, daB sich die beiden Losungen moglichst schnell vermischten. Gemessen wurde der Zeitunterschied zwischen dem Zeitpunkt der Mischung und dem der Entfarbung, der sehr scharf zu beobachten war, da die Farbung bei den hier innegehaltenen Konzentrationen plotzlich von ganz schwach Rosa in WeiB umschliigt. Die Ursache dieses plotzlichen Abbruchs der Reaktion ist bekannt. Die Entfarbung des Permanga., nats durch Wasserstoffperoxyd wird von Mn"-Ionen katalysiert. Diese Katalyse beruht nach BAEYER und VILLIGER (1. c.) auf der intermediaren BiIdung von Manganisulfat. Da bei der Reaktion Mn"-Ionen gebildet werden, verlauft sie autokatalytisch.

Bei allen Versuchen war das Wasserstoffperoxyd im Verhaltnis zum Permanganat in groBem, zum Teil sogar in sehr groBem Ober- schul3 vorhanden. Die gemessene Entfarbungszeit (E.-Z.) ist daher ein Ma13 fur die Geschwindigkeit, mit der kleine Permanganatmengen mit groBen Peroxydmengen reagieren. Und da diese Reaktion stark autokatalytisch verlauft, so ist die Entfarbungszeit im wesentlichen bestimmt durch die Geschwindigkeit im Beginn der Reaktion.

Urn ubersichtliche Ergebnisse zu erhalten, wurden die Konzentrationen der einzelnen Reaktionsteilnehmer so gewiihlt, daB nach der Vermischung der beiden Losungen, also zu Beginn der Reaktionszeit, bei allen Versuchen der gleichen Messungsreihe alle Konzentrationen bis auf die des Wasserstoffperoxyds konstant blieben. Alle Versuche wurden bei Zimmertemperatur angestellt und jede Messungsreihe im Verlauf von wenigen Stunden zu Ende gefiihrt, wobei darauf geachtet wurde, dal3 sich in dieser Zeit die Temperatur der Losungen nicht um mehr als lo iinderte. Dal3 sich die Temperaturen, bei denen verschiedene Messungsreihen angestellt wurden, bisweilen um mehrere Grade unterscheiden, ist deshalb unbedenklich, weil mit verschiedenen Permanganatlosungen angestellte Messungsreihen ohnehin nicht die gleichen Entfiirbungszeiten ergaben. Dies riihrt daher, daB Permanganatlosungen derselben Permanganatkonzentration im allgemeinen nicht die gleiche Mn"-Ionenkonzentration haben, und die gemessenen Reaktionszeiten sehr stark von der Mn'.-Konzentration der Losung bei Beginn des Versuches abhiingen. Auch wenn man ein groBeres Volum, etwa 20cm3 einer sauren Wasserstoffperoxydlosung zu einem kleinen Volum etwa 0,5 om3, einer Permanganatlosung hinzufiigt, erhiilt man keine iibereinstimmenden Re- aktionszeiten, weil im Augenblick des Reaktionsbeginns noch keine vollstiindige Vermischung eingetreten ist und daher die Mn"-Konzentration is einzelnen Teilen der Losung verschieden ist. Reproduzierbare Ergebnisse wurden erzielt,

Page 3: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

E. H. Riesenfeld. Polymerisationsprodukte in konz. Wasserstoffperoxyd 259

wenn die Volume der beiden in Reaktion zu bringenden Losungen etwa gleich waren. Je nach der Konzentration des Wasserstoffperoxyds wurde fiir jede der beiden Reaktionslosungen ein Volumen von 5-250 cm3 gewiihlt. Die Peroxyd- losungen wurden aus stabilieatorfreiem Perhydrol Merck bereitet.

Als Beispiel sei MeBreihe 4 mitgeteilt. Bei allen Versuchen wurden zunachst zwei Losungen hergestellt. Losung 1 enthielt eine Mischung von 1 em3 Kaliumpermanganat der in Tabelle 1 Spalte 1 angegebenen Konzentration und der in Spalte 2 angegebenenwasser- menge. Losung 2 bestand aus einer Mischung von 2 em3 Schwefel- saure der in Spalte 3 angegebenen Konzentration, der in Spalte 4 angegebenen Menge Wasserstoffperoxyd, der in Spalte 5 angegebenen Konzentration und der in Spalte 6 angegebenen Wassermenge. Die Wassermengen waren so gewahlt, da13 nach dem Vermischen der beiden Losungen die Konzentrationen betrugen von Kaliumpermanganat 1 Millikiquivalent im Liter (1 mA/Liter) und die von Schwefelsiiure l O d / L i t e r . Die wechselnde Konzentration des Wasserstoffperoxyds ist in Spalte 7 angegeben. Spalte 8 enthalt die gemessene Entfarbungszeit (E.-Z.) in Sekunden. Tabelle 1

MeSreihe 4: 1 &/Liter KMnO.. 10 &/Liter H,SO, - Losung 1

H*O cm3

2

46,8 46,5 45 46,s 42 0 46 0

45 0 42 0 0

Losung 2

H ems 4

092

2 092 5 1 1 2 2 5 5 1 5

0,5

12 _- n.

5

1 1 1

17 1 1 17 1

17 1

17 17 17

H2O cms

6

50 50 50 50 50 6 50 5 50 2 50 6 2

HaOa mA/Liter

7

2 5 20 34 50

100 170 200 340 500 850

1700 8500

- E.-Z. Sek.

8

13 9

13 20 27 52

100 155 275 630 630 580 150

In Fig. 1 iat das Versuchsergebnis graphisch dargestellt, wobei der Logarithmus der mb/Liter H,02 als Abszisse und der negative Logarithmus von l/E.-Z. als Ordinate gewahlt ist. Die Reaktions- geschwindigkeit steigt mit ansteigender Konzentration erst an, erreicht ein Maximum1), sinkt ab, erreicht ein Minimum2), und steigt wieder an.

1) Das dem Minimum von log 1/E.-Z. entspricht. *) Das dem Maximum von log l/E.-Z. entspricht.

17*

Page 4: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

260 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

Diese Minima und Maxima traten bei Veranderung der Konzen- trationen, der Reaktionsteilnehmer und der Reaktionstemperaturen immer wieder auf, wenn auch die Entfarbungszeiten je nach den Reaktionsbedingungen sehr verschieden waren. Zunachst wurde die Lage des Mini mu m s d e r R e a k t i on sge s c h win d ig k e i t (Maximum von log l/E.-Z.) in ihrer Abhangigkeit von der Konzentration des

Fig. 1

Permanganats untersucht. Das Minimum lag bei allen Versuchen zwischen 340 und 850 mA/Liter Wasserstoffperoxyd, etwa bei 500 mdj l i te r . Die h d e r u n g der Reaktionszeit im Minimum, also bei einer Konzentration von 500 mk/Liter H,O,, in Abhangigkeit von der Konzentration des Permanganats geht aus der folgenden Tabelle hervor.

Je kleiner die Permanganatkonzentration im AugenbIick der Vermischung ist, um so langer ist die Zeit bis zur volligen Ent- farbung. Die Zeit wachst etwa dem Quadrate der Permanganat-

Page 5: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

E. H. Riesenfeld. Polymerisationsprodukte in konz. Wasserstoffperoxyd 261

MeBreihe

konzentration umgekehrt proportional. Aus Tabelle 3 ist die Ande- rung der Entfarbungszeit mit der Schwefelsaurekonzentration bei konstant gehaltener Permanganatkonxentration zu entnehmen.

Milliiiquivalente pro Liter E.-Z. -1 Sekunden KMnO, I H,SO, 1 H,O, __

Tabelle 2

9 8

10 11

100 0,25 500 9900 10 0,25 500 2280 1 0,25 500 1320 021 0,25 500 470

Tabelle 3

Milliaquivalente pro Liter E.-Z. Sekunden

In der Gegend des Minimums der Reaktionsgeschwindigkeit andert sich also die Reaktionszeit mit der Konzentration der Schwefel- saure in der Weise, daB sie um so groBer ist, je hoher die Konzen- tration der Schwefelsaure ist. Ganz roh kann man etwa sagen, daB die Entfarbungszeit der Quadratwurzel aus der Schwefelsaurekonzen- tration proportional anwachst.

Ebenso wie die Lage des Geschwindigkeitsminimums, ist auch die des Geschwindigkei t smaximums von der Konzentration des Permanganats unabhangig. Es liegt zwischen 5 und 10 mA/Liter H,O,. Der EinfluB der Permanganatkonzentration auf die Reaktionszeit ist im Geschwindigkeitsmaximum der Richtung nach der gleiche wie im Minimum. Dies geht aus Tabelle 4 hervor. Bei den in dieser auf- gefuhrten MeBreihen 12 und 13, und bei anderen, spater erwahnten MeBreihen enthielten die Ausgangslosungen noch Mn"-Ionen.

Die ohne Mn"-Zusatz zu langsam verlaufenden Reaktionen wurden bequemer meBbar, und die gemessenen Reaktionszeiten wurden leichter reproduzierbar, da der EinfluB der in jeder Mn0,'-Losung vorhandenen, kaum meBbaren Spuren Mn" zuriicktrat. Der Mn"-Zusatz erfolgte als MnSO, zur Losung. Zu dieser wurden beispielsweise bei MeBreihe 12 und 13 je 1 om3 0,005 n-MnSO, hinzugegeben.

Unerwartet zeigten diese Versuche, daB der EinfluB der Schwefel- saurekonzentration im Geschwindigkeitsmaximum nach der um-

Dieser Zusatz hatte einen doppelten Zweck.

Page 6: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

262 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

Milliaquivalente pro Liter Mn" I H,SO, I KMnO, 1 H,O,

MeBreihe '-

0,25 5 0,05 100 0,25 10 0,05 0,25 10

Zeit Sekunden

9 75 88 2,6 7,2

Dieses Verhalten der Schwefelsaure ist ganz normal. Denn nach der Reaktionsgleichung :

2Mn0,'+ 5H,O, + 6H'= 2Mn"+ 8H,O + 5 0 , nehmen die H'-Ionen an der Reaktion teil, ist also zu erwarten, daB diese durch Schwefelsaurexusatz beschleunigt wird. Demnach be- darf nur die Tatsache, da5 Schwefelsaurezusatz bei konzentriertem Wassers toff peroxyd en tgegengese tz t wirkt , einer besonderen Er- klarung. Man konnte daran denken, dies durch die Bildung von Monosulfopersaure :

H,SO, + H,O, = H2S0, + H,O xu erklaren. Denn Sulfomonopersaure wirkt nach BAEYER und VILLIGER (1. c.) nur langsam auf Permanganat ein. Diese Erklarung ist aber unzutreffend, denn (vgl. MeBreihe 8, 10 und 11 in Tabelle 3) schon ein sehr kleiner Zusatz von Schwefelsaure bringt eine sehr starke Reaktionsverzogerung hervor. Bei MeBreihe 10 z. B. enthalt die Losung auf 500 Milliaquivalente Wasserstoffperoxyd nur 1 Milli- aquivalent Schwefelsaure. Selbst wenn die Saure quantitativ Sulfo- monopersaure gebildet hatte, sollten immer noch 499 Milliaquivalente Wasserstoffperoxyd in der Losung vorhanden, die Reaktionsgeschwin- digkeit sollte also ungeandert sein.

Zur Erklarung des reaktionsverxogernden Einflusses der Schwefel- saure kann man die folgende, zunachst in der Luft hangende Annahme machen, die aber durch spater mitgeteilte Beobachtungen gestutzt wird. Wir nehmen an, daB in konxentrierten Wasserstoffperoxyd- losungen dieses als P ol y m e r i s a t i on s p r o d u k t (etwa als H404) vorliegt und daB die Reaktionstragheit konzentrierter Peroxyd- losungen daher ruhrt, daB dieses Polymerisationsprodukt sehr vie1 langsamer als H,O, mit Permanganat reagiert. Dann kann man weiter annehmen, da8 diese Reaktion durch Schwefelsaure noch

Page 7: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

E. H. Riesenfeld. Polymerisationsprodukte in konz. Wasserstoffperoxyd 263

mA/Liter H,O,

weiter verzogert wird. Das heifit aber nichts anderes als daS das Polymerisationsprodukt durch SchwefelsLure stabilisiert wird. Es ent- &eht nun die Frage, auf die hier nur hingewiesen werden soll, ob nicht auch die Wirkung anderer, bekannter Stabilisatoren darin besteht, daB sie die Reaktionsgeschwindigkeit des polymeren Wasserstoff- peroxyds negativ kataly sieren. Solche H404- S tabilisa toren muB ten sich, wie aus dem Folgenden hervorgeht, von denen des monomeren Peroxyds dadurch unterscheiden, daB ihre stabilisierende Wirkung erst in Losungen, die mehr als 500 Milliaquivalente Wasserstoff- peroxyd pro Liter enthalten, hervortritt. Die Verschiedenheit im Verhalten konzentrierter und verdunnter Peroxydlosungen zeigt sich auch bei der Mn"-Ionenkatalyse. Dies geht aus Tabelle 5 deutlich hervor, in der 2 MeBreihen nebeneinandergestellt sind, die sich nur durch ihren Gehalt an Mn"-Ionen unterscheiden.

- E.-Z. in Sekunden m&Liter MeBreihe 4 I MeDreihe 6 H,O,

Tabelle 5 1 m&Liter KMnO.,, 10 d / L i t e r H,SO,, 0 mA/Liter Mn" in MeBreihe 4

und 2 mA/Liter Mn" in MeBreihe 6

E.-Z. in Sekunden MeBreihe 4 1 MeBreihe 6

Die Reaktion zwischen Permanganat und verdiinntem H,02 wird durch den Zusatz der Mn"-Ionen so stark katalysiert, daD die Reaktionszeit unmel3bar klein wird. DaD auch bei einem Gehalt von 100-850 mA/Liter H,O,, bei dem, wie wir spiiter sehen werden, die Konzentrationen des Polymerisationsproduktes die des normalen Wmserstoffperoxyds iibertrifft, die Reaktion bei Anwesenheit von Mn"-Ionen unmeBbar sohnell verliiuft, erkliirt sich folgendermaBen. Das monomere Peroxyd reagiert bei Anwesenheit der Mn"-Ionen momentan. Da- durch wird das Gleichgewicht zwischen polymerem und monomerem Peroxyd zu- gunsten von letzterem versohoben. Daher wird sekundiir auch die Reaktions- geschwindigkeit des Polymerisationsproduktes durch Mn" beschleunigt.

Die Tatsache, daB das Maximum und das Minimum der Re- aktionsgeschwindigkeit unabhangig von der Konzentration des Per- manganats und der Schwefelsaure stets bei der gleichen Wasserstoff- peroxydkonzentration liegt, laBt sich ebenfalls durch obige Annahme erklaren. Die Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit bei Ansteigen der Wasserstoffperoxydkonzentration bis in das Gebiet von etwa 5 mA/Liter H202 ist normal (Kurventeil I in Fig. 1). In diesem Ge- biete sind keine auf Polymerisation hindeutenden Erscheinungen zu

Page 8: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

264 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

beobachten. Ebenso nimmt im Gebiete oberhalb 800 m8/Liter H,O, die Reaktionsgeschwindigkeit mit steigender Konzentration in an sich normaler Weise (Kurventeil 111 in Fig. 1) zu. Aber diese Losungen reagieren mit Permanganat mehr als 100 ma1 langsamer als zu erwarten war. Das erklart sich durch die obige Annahme, da13 diese Losungen kejn monomeres, sondern nur noch polymeres Peroxyd enthalten. Die anormale Abnahme der Reaktionsgeschwin- digkeit mit ansteigender Konzentration zeigt sich nur in dern Zwischengebiete von 5-800 mA/Liter (Kurventeil I1 in Fig. 1). Diese Anomalie kann durch die Annahme, daB in diesem Konzen- trationsbereich die Wasserstoffperoxydmolekeln etwa im Sinne des Gleichgewicht s 2H202 H404 teilweise polymerisiert sind, ebenfalls erklart werden.

Zu genauer Berechnung fehlen die erforderlichen Daten. Es mussen ciaher sowohl im Gebiete, in dem nur H,O,, wie im Gebiete, in dem nur H,O,-Molekeln angenommen werden, noch weitere ver- einfachende Annahmen gemacht werden. Wir setzen im Gebiete der kleinen Peroxydkonzentrationen (< 5 mA/Liter) die reziproke Ent- farbungszeit E.-Z.-l der Wasserstoffperoxydkonzentration H,O, pro- portional

Ferner machen wir die Annahme, daB diese Beziehung auch fur kon- zentriertere Losungen (im Interval1 zwischen 850 und 5 mAlLiter H,O,) gilt. Daraus laBt sich fur diese Losungen die wahre H,O,- Konzentration [H,O,]b,,. berechnen. Nimmt man an, daB das andere Peroxyd als Ha04 vorhanden ist, so kennt man auch die H,O,-Kon- zentration [H404]. Diese ist namlich gleich der halben Differenz zwischen der angewandten und der berechneten H,O,-Konzentration :

Nun nehmen wir zwischen den so berechneten H,O,- und H,O,-Kon- zentrationen ein Gleichgewicht an, fur das die Beziehung gilt

Das in runde Klammern eingeschlossene Glied enthalt die Ge- samtzahl der im Einheitsvolumen der Losung vorhandenen Peroxyd- molekeln. Aus dem Mittelwerte der so erhaltenen Konstanten k und K kann man die Entfarbungszeit zuriickbereohnen. Die so er-

Page 9: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

E. H. Riesenfeld. Polymerisationsprodukte in konz. Wasserstoffperoxyd 265

mA/Liter H20,

rechneten Werte stimmen mit den beobachteten groflenordnungs- maflig uberein. Eine bessere Ubereinstimmung ist bei den vielen vereinfachenden Annahmen der Berechnung und bei dem komplexen Zeitbegriff, der hier unter dem Namen Entfarbungszeit zusammen- gefaflt ist, nicht zu erwarten.

Tabelle 6 E.-Z. in Sek. mA/Liter E.-Z. in Sek.

gef. 1 ber. -- ___ gef. I ber.

0,20 36,O 0,50 1 I 14,3

7 J

5,O j 2,7

if0 I 3,O 2,6 I % 100 I 6,O I 6,6

I I

50 3,2 I 5,9

Page 10: Polymerisationsprodukte in konzentriertem Wasserstoffperoxyd

266 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 218. 1934

3. Fur diese Annahme spricht erstens die Tatsache, daB sie an- genahert (eine genauere Berechnung ist nicht leicht durchfuhrbar) die gemessenen Geschwindigkeiten zu berechnen gestattet.

4. Die Lage des Maximums und Minimums der Reaktions- geschwindigkeit hangt nur von der Peroxydkonzentration der Losung ab und ist von der Konzentration aller anderen Reaktionsteilnehmer unabhangig. Das beweist, daB nur die Peroxydmolekeln diese Ano- malie veranlassen.

5. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird im Maximum und im Minimum durch die gleiche MoIekelart verschieden beeinflufit. Schwefelsaurezusatz beschleunigt die Reaktion im Maximum und verzogert sie im Minimum ; Mn”-Ionen katalysieren die Reaktion sehr stark im Maximum, wenig im Minimum. Im Maximum und Minimum mussen also Permanganat und Wasserstoffperoxyd in ganz verschiedener Weise miteinander reagieren.

6. Nimmt man an, daB im Maximum monomeres, im Minimum polymeres Wasserstoffperoxyd reagiert, so enthalten Wasserstoff- peroxydlosungen von weniger als 5 mA/Liter nur monomeres und solche von mehr als 500 m8/Liter nur polymeres Peroxyd. Zwischen diesen beiden Konzentrationen stehen beide Molekelarten im Gleich- gewich t .

7. Eine MolekelgroBe von H404 fur das Polymerisationsprodukt reicht zur Erklarung der beobachteten Erscheinungen ausl).

Die mitgeteilten Versuche haben die Frl. stud. E. ENGELMANN und G. WASSERMANN ausgefuhrt, wofur ich ihnen bestens danke.

1) Anmerkung bei de r Kor rek tu r : Bei der katalytischen Zersetzung des Wasserstoffperoxyds im Dunkeln und durch Belichtung hatten ALLMAND u. STYLE (Journ. chem. SOC. London 1930, 596) ebenfalls ein Maximum der Reaktionsgeschwindigkeit beobachtet. Dieses liegt bei einer Konzentration von etwa 10 000 m&Liter H20z, wahrend ich ein Geschwindigkeitsmaximum zwischen 5 und 10 mA/Liter HzOz beobachtete. Losungen mit mehr als 1700 mA/Liter H,Oz wurden von mir nicht untersucht, wahrend andererseits ALLMAND u. STYLE nicht unter 50 mlf/Liter Hz02 heruntergingen.

Berlim, April 1934. Ph ysikalisch-chemisches Institut der Uni- versitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 3. Mai 1934.


Recommended