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Eine grundlegende Wendebei der Investitionsfinanzierungist nicht in Sicht. Was bedeutetdas für Krankenhäuser?

Orsag: Die mit der dualen Finan-zierung ursprünglich beabsichtig-te Trennung von operativem undinvestivem Bereich weicht in Zu-kunft weiter auf. Krankenhäuser,die vor größeren baulichen Inves-titionen stehen, werden diese imRegelfall nur zum Teil über Förder-mittel abdecken können. Der ver-bleibende Teil ist dann über denKapitalmarkt zu finanzieren unddie Kapitalkosten aus dem operati-ven Betrieb heraus zu erwirtschaf-ten. Und hier beginnt die Schwie-rigkeit, denn die Vergütung überFallpauschalen entspricht einerVergütung von durchschnittlichenKosten der Kalkulationshäuser.Die tatsächlichen Kosten einesHauses können hiervon deutlichabweichen. In den meisten Fällenergibt sich aus der operativen Ver-gütung jedenfalls kein zusätzli-cher finanzieller Handlungsspiel-raum. Für die Krankenhäuser be-deutet dies immer häufiger, dassgerade größere Investitionen nichtisoliert, sondern in einem strategi-

Quo vadis Finanzierung?Interview mit Dr. Mark Lönnies und Robert Orsag

Viele Krankenhausgebäude sind in der Ver-gangenheit sukzessive „gewachsen“, so dassAlter und Zustand einzelner Gebäudeteile oftsehr heterogen sind. Wenn die bauliche Sub-stanz einzelner Baukörper aufgezehrt ist, kanndieser Umstand unmittelbar zu wirtschaftli-chen Einbußen für das Krankenhaus führen,weil zum Beispiel Patienten fernbleiben oderVergütungen im Bereich der Hotelleistungenpartiell gekürzt werden. Es besteht Hand-lungsdruck. Wie aber sollten Krankenhäusermit Investitionserfordernissen vor dem Hinter-grund des bekannten Investitionsstaus undder unzureichenden jährlichen Landesförde-rung umgehen?

Keywords: Finanzierung, Investition, Kredit-vergabe

schen Gesamtkontext betrachtetwerden sollten. Denn eine bauli-che Veränderung eröffnet Poten-ziale für Veränderungen des medi-zinischen Leistungsspektrumsoder für die Gestaltung effiziente-rer Prozesse. Dies ist einerseits ei-ne Chance, andererseits gleichzei-tig aber auch eine Verpflichtungfür die Häuser.

Dr. Lönnies: Krankenhäuser müs-sen damit rechnen, dass die Finan-zierungssystematik und -höheauch weiterhin nicht geeignet seinwerden, um den Investitionsstauin den Häusern zu beheben. EinigeBundesländer haben die Notwen-dig- und Sinnhaftigkeit erkannt, inKrankenhausstrukturen zu inves-tieren. Aktuell plant die neue Lan-desregierung in Nordrhein-Westfä-lischen beispielsweise eine Erhö-

Foto: simontk – Fotolia

Robert OrsagSeniorberater CURACON GmbH

Münster

Dr. Mark LönniesVorsitzender Geschäftsführer

Christophorus Trägergesellschaft mbH Coesfeld

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hung der investiven Förderung. Al-lerdings ist nicht davon auszuge-hen, dass das Volumen ausrei-chend sein wird, um den aufgelau-fenen Investitionsstau tatsächlichzu beheben.

Größere bauliche oder technischeInvestitionen werden auch weiter-hin nicht zu 100 % aus Landesmit-teln finanziert werden können, sodass zur Realisierung auf externeFinanzierung zurückgegriffen wer-den muss beziehungsweise dieMaßnahme aus dem operativenBetrieb zu finanzieren ist. DieseVorgehensweise geht mit einer er-heblichen Belastung der Folgejah-re einher, da Abschreibungen undZinsen langfristig wirken.

Das Dilemma ist offensichtlich: Ei-nerseits sind die Krankenhäuserzur Erhaltung der Versorgungs-qualität sowie zur Optimierung derProzesse – und damit zur Verbes-serung der Wirtschaftlichkeit - ge-zwungen, große Investitionen zutätigen, andererseits sind die da-für notwendigen Mittel nicht aus-reichend verfügbar. Es mehrensich die Beispiele, bei denen Kran-kenhäuser aufgrund der dannselbst zu schulternden Belastun-gen an den wirtschaftlichen Ab-grund getrieben werden.

Welche Hausaufgaben habenKrankenhäuser zu erledigen?

Dr. Lönnies: Die Krankenhäusermüssen einen Spagat bewältigen.Einerseits ist es notwendig, eineklare Strategie und langfristigePlanung zu verfolgen. Anderer-seits müssen kurzfristige Hand-lungsoptionen erarbeitet werden,um auf kurzfristige Einflüsse ad-äquat reagieren zu können. DieseAspekte sind optimalerweise in ei-nem mehrjährigen Businessplandarzustellen. Ein gut strukturierterBusinessplan ist dazu geeignet,als Entscheidungsgrundlage so-wohl für die eigenen Gremien alsauch für mögliche Finanzierungs-partner zu dienen. Darüber hinausfungiert er als Kontrollinstrumentfür das Management selbst. Analy-sen zur medizinischen Leistungs-struktur, zu Marktanteilen, Ein-zugsgebieten, personellen Qualifi-kationen, baulichen und betriebs-organisatorischen Strukturen, vor-

handenen Kooperationen sowie zumöglichen Potenzialen bilden dieBasis, um strategische Handlungs-optionen zu erarbeiten und an-schließend in eine fundierte Mehr-jahresplanung zu überführen.

Die Mehrjahresplanung sollte ein-zelne Entwicklungen der Gewinn-und Verlustrechnung, der Bilanzund der Liquidität beinhalten. Be-sonders bedeutsam ist in diesemZusammenhang auch eine umfas-sende Chancen- und Risikenanaly-se, um sowohl positive als auchnegative Entwicklungsszenarienzu berücksichtigen. Aufgrund derVielzahl von unvorhersehbarenEinflussfaktoren wie auch derschnelllebigen gesetzlichen Rah-menbedingungen sind Handlungs-optionen zu identifizieren, um aufkurzfristige Veränderungen rea-gieren zu können.

Orsag: Das entspricht auch mei-nem Verständnis. Bei den vielenVoranalysen geht es darum, denwirtschaftlichen und medizini-schen Status Quo einer jeden Fach-abteilung zu ermitteln und mitein-ander zu vereinen. Hierbei und beider Ableitung zukünftiger Poten-ziale ist die enge Einbindung derÄrzteschaft von großer Bedeutung.Wenn anschließend die medizin-strategische Grundausrichtungfeststeht, geht es um die Erarbei-tung möglicher Maßnahmen, mitdenen die Ziele erreicht werdenkönnen.

Dies kann sowohl Veränderungenim operativen als auch im investi-ven Bereich mit sich bringen. DieBewertung einzelner Maßnahmenist dann hoch komplex, nicht zu-letzt, weil jede einzelne Maßnah-me einen individuellen Start- be-ziehungsweise Investitions- undFinanzierungszeitpunkt hat, un-terschiedlich lange in der Umset-zung benötigt und gegebenenfallseine Anlaufphase benötigt. Außer-dem sind an der Bewertung einerjeden Maßnahme verschiedeneUnternehmensbereiche beteiligt.Es ergeben sich beispielsweise Fra-gen wie:

Wo erwarte ich einen Leistungszu-wachs, wo eventuell einen Rück-gang und welche neuen Leistun-gen möchte ich zukünftig anbie-

ten? Welche Effekte werden mitBlick auf Fälle, Fallschwere, Ver-weildauer erwartet? Was bedeutetdies für meine Erlössituation imKontext zukünftiger Budgets?Kann ein Wachstum gegebenen-falls mit der vorhandenen Kapazi-tät erreicht werden oder sind In-vestitionen erforderlich? In wel-cher Höhe sollte investiert wer-den? Wie verteilen sich Investitio-nen und Finanzierungsbausteineauf den Planungshorizont? WelcheFinanzierungsformen kommen inBetracht und wie wird bilanziert?Welche Veränderungen ergebensich aus der neuen Belegungspla-nung auf die Personalplanung?

Die Auflistung ist längst nicht voll-ständig, es wird aber schnell klar,dass es eine gesamtverantwortli-che Person im Krankenhaus gebenmuss, bei der alle Fäden zusam-menlaufen und dass eine Synchro-nisation aller individuellen Be-reichsinformationen nur mit vielTransparenz und mit Kommunika-tionsgeschick und -ausdauer mög-lich ist. Zudem müssen die vorge-nannten Instrumentarien wie etwaeine integrierte Mehrjahrespla-nung vorliegen.

Hat das Bankdarlehen als klassi-sche Finanzierungsform ausge-dient?

Orsag: Nein. Grundsätzlich gibt eszwar viele mögliche Finanzie-rungsformen im Kontext von Im-mobilieninvestitionen, Finanzie-rungen durch Eigenkapital zumBeispiel im Zuge einer Kapitaler-höhung sind aber in der Praxiseher die Ausnahme. Gleiches giltfür Mezzanine Finanzierungen alsMischform zwischen Eigen- undFremdkapital. Die Erfahrung, diewir auch aktuell in vielen Bera-tungsprojekten machen, ist, dassdie klassische Fremdfinanzierungdurch eine Bank oder durch meh-rere Banken im Zuge eines Konsor-tiums nach wie vor die erste Wahlist.

Dr. Lönnies: Das Angebot mögli-cher Finanzierungsinstrumentefür Immobilieninvestitionen vonKrankenhäusern ist in den letztenJahren deutlich größer geworden.Die Prüfung alternativer Instru-mente bei anstehenden Investiti-

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onsentscheidungen ist Pflicht. DieWahl des Finanzierungsinstru-mentes ist aber in die Strategie desUnternehmens einzubetten. Sokann beispielsweise die Verknüp-fung einer Investitionsfinanzie-rung mit der Fremdvergabe destechnischen Gebäudebetriebs füreinige Häuser interessant sein. An-dere Häuser besitzen hohe Eigen-kompetenz bei der technischenBetriebsführung und würden be-deutsames Fachwissen aus derHand geben, so dass eine derartigeVerknüpfung nicht zielführend ist.Festzustellen ist, dass durch diezunehmende Zahl von Konsortial-finanzierungen das krankenhaus-spezifische Know-How bei denBanken gestiegen ist, was sichwiederum in Abschlüssen klassi-scher Bankdarlehen widerspie-gelt.

Nach welchen Kriterien werdenEntscheidungen über die Kredit-vergabe getroffen?

Orsag: Wenn Kreditinstitute Busi-nesspläne vorgelegt bekommen,haben diese in der Regel alle eingutes Ende für sich. Die Herausfor-derung, denen die Banken gegen-überstehen ist, diejenigen heraus-zufiltern, bei denen die subjekti-ven positiven Erwartungen auchobjektiviert realisierbar sind. Umdie Bonität eines Krankenhauseszu beurteilen, werden bei der Bankvielschichtige quantitative Analy-sen (Kennzahlenanalyse, Pla-nungsplausibilisierung, isolierteAnalyse der geplanten Maßnah-men, Risikobewertung, Feststel-lung von Sicherheiten und so wei-ter) durchgeführt. Daneben wer-den branchenbezogene Fragestel-lungen wie zum Beispiel die Mark-situation, das Geschäftsmodell ei-nes Hauses im Wettbewerb, Allein-stellungsmerkmale, aber auchKontinuität des Managements be-gutachtet. Alles zusammen wirdgewürdigt und mündet dann in ei-ner Bonitätsbeurteilung. Letztereentscheidet über die Kreditverga-be und in welcher Bandbreite sichdie Konditionen bewegen.

Dr. Lönnies: Besondere Relevanzbei Entscheidungen zur Kreditver-gabe haben die Kriterien Steue-rungsinstrumente und Handlungs-optionen. Dass ein Businessplan

mit all seinen Elementen plausibelist, ist eine Grundvoraussetzung.Die Krankenhausgeschäftsfüh-rung muss adäquate Steuerungs-instrumente besitzen und beherr-schen, um die angestrebten Zielezu erreichen. Auftretende Abwei-chungen vom Planungsansatzmüssen schnell erkannt und geeig-nete Maßnahmen eingeleitet wer-den. Die Qualität der eingesetztenControlling-Instrumente, aberauch die Führungsstruktur desKrankenhauses ist in diesem Kon-text bedeutsam. Darüber hinausträgt die klare Definition vonHandlungsoptionen maßgeblichzu einer positiven Kreditvergabebei.

Wie können die Chancen bei einerklassischen Finanzierung fürKrankenhäuser verbessert wer-den?

Dr. Lönnies: Hilfreich ist ein Wech-sel in die Perspektive des finanzie-renden Instituts. Ist eine Strategiedes Krankenhauses erkennbar?Fußt die Finanzierungsanfrage aufnachvollziehbaren Analysen undBewertungen? Sind Chancen undRisiken ausreichend differenziertdargestellt? Hat das Managementangemessene Steuerungsinstru-mente, um bei sich änderndenRahmenbedingen zeitnah und ziel-gerichtet reagieren zu können? Dieeigene, positive Beantwortung die-ser Fragen trägt zur Verbesserungder Finanzierungschancen bei.Ferner ist grundsätzlich ist einfrühzeitiger und offener Austauschzwischen Krankenhaus und Fi-nanzinstitut zu empfehlen, um dasbeidseitige Verständnis für Bedar-fe, Sichtweisen und Anforderun-gen zu schaffen.

Orsag: Ein Blick durch die Brilledes anderen ist auch in meinen Au-gen sehr hilfreich, um letztlichauch mit den Kapitalgebern einenzielgerichteten Informationsaus-tausch sicherstellen zu können.Transparenz und Detailtiefe sindhier wertvolle Attribute, wenn esdarum geht, Mehrjahresplanungenden Kreditinstituten vorzustellen.Denn letztlich geht es in diesemSchritt darum, nachzuweisen, dassdie zukünftig erwartete wirtschaft-liche Entwicklung eines Kranken-hauses ausreichend hoch ist, um

auch unter Berücksichtigung sämt-licher Risiken den aus der Finan-zierung resultierenden Kapital-dienst zu leisten. Im Beratungsall-tag stellen wir fest, dass es Kran-kenhäusern oftmals an einem fürdiesen Fall wichtigen Instrumenta-rium der integrierten Mehrjahres-planung (mit und ohne Maßnah-men) fehlt, so dass beispielsweisebilanzielle Auswirkungen auf dieEigen- und Fremdkapitalquotennicht ablesbar sind. Zudem solltedie aus dem Gesamtwerk abgeleite-te Liquiditätsplanung über den ge-samten Planungshorizont den in-vestiven und zum Beispiel ausmöglichen Kapazitätseinschrän-kungen oder Anlaufphasen resul-tierenden operativen Liquiditäts-bedarf abbilden.

Im Kontext des Finanzierungsma-nagements sehe ich grundsätzlichzwei Möglichkeiten, Einfluss aufdie Darlehenszinsen zu nehmen. Jegründlicher und transparenter einBusinessplan ist, desto mehr Ant-worten kann er geben, was wieder-um Vertrauen schafft und zu einerbesseren Bonität führen kann. Zu-dem empfehle ich allen, die einengrößeren Fremdmittelbedarf ha-ben, neben der Hausbank nochweitere potenzielle Finanzierungs-partner anzusprechen. Nicht umdie Hausbank zu ärgern, sondernum einen Marktabgleich zu erhal-ten. Die Hebelwirkung ist in jedemFall enorm, denn schon ein gering-fügig besserer Zinssatz führt zu ei-ner spürbaren Entlastung über diegesamte Finanzierungsdauer.

Welches Fazit ziehen Sie?

Dr. Lönnies: Sofern sich an der För-dersituation nichts grundlegendändert, wird für die Krankenhäu-ser zukünftig ein professionellesInvestitions- und Finanzierungs-management noch mehr an Bedeu-tung gewinnen. Denn erst wenn dieInvestitionsfähigkeit der Kranken-häuser sichergestellt ist, könnenmedizinstrategische Versorgungs-konzepte umgesetzt werden.

Herr Dr. Lönnies, Herr Orsag, vie-len Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte KU Fachredak-teur Marcel Leuschner