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Reagenskapillaren, ein neuer Behelf fiir die Mikroanalyse, und ihre Anwendung

zum Nachweis -con Nitrat und Nitrit. Von F r i e d r i c h L. H a h n .

Aus dem Chemischen Institut der Universit~it Frankfurt am Main.

(Eingelangt am 14. M~irz 1930.)

Die empfindlichste und eine streng eindeutige Reaktion auf Nitri t ist unstreitig die Diazoprobe mit Sulfanils~iure und a-Naphthyl- amin. Fiir Nitrat gibt es zwei Reaktionen gleicher Empfindlichkeit: Die Diphenylaminprobe 1) (als Oxydationsreaktion mit Vorsicht zu behandeln!) und die Reduktion zu Nitri t mit ausschliel~ender :Dia- zoprobe, die natiirlich wieder eindeu~ig ist~). Wean trotzdem immer wieder neue Reaktionen beschrieben werden, die den be- kannten an Empfindlichkeit nicht iiberlegen und dabei Oxydations- reaktionen, also nicht einmal streng eindeutig sind3), so liegt das wohl in einem Umstand begriindet: Sowohl das Diazo- wie das Diphenylaminreagens f~irben sich beim Aufbewahren leicht an und werden dadurch zum Nachweis kleinster Mengen unbrauchbar. Ffir das Diazoreagens babe ich vor einiger Zeit eine einfache Berei- rungs- und Aufbewahrungsart angegeben, die diesen Mif~stand restlos vermeidet (vgl. Anm. 1); inzwischen ist gerade fiir die typisch mikrochemische Arbeitsweise eine Anordnung gefunden worden, die tiberaus einfaeh und allgemein zur Aufbewahrung sol- cher Reagentien geeignet ist, die durch irgendwelche Bestandteile der Laboratoriumsluft leiden kSnnen.

I) TILLMANS und SULTHOFF. Ztschr. angew. Chem. 28, I, 471 (1915). FR. L. HAHN und JAEGER. Ber. D. Chem, Ges. 58, 2340 (1925).

~) FR. L. HAHN und JA:EG~R. Ber. D. Chem. Ges. 58, 2335 (1925). a) Z. B. F. PAVI'.'LKA. Mikrochemie (N. Folge), 2, 46 (1930).

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Aus geeigneten Glasr5hren fertigt man Kapillaren von 1 bis 2 mm Durchmesser und diese wiederum zieht man in der Mikro- flamme in Abst~inden yon 5 bis 6 cm attf 0,1 his 0,2 mm Durchmesser aus; in der Mitte dieser diinnen Stellen bricht man dann die Kapil- laren auseinander, so dal~ also RShrchen yon folgender Form ent- stehen: Mittelteil 1 bis 2 mm Durchmesser und 5 bis 6cm lang, an jedem Ende ein verengtes Stiick yon 0,1 bis 0,2 mm Durch- messer und zirka 1 cm L~nge.

Diese RShrchen taucht man mit einem Ende in das Reagens, l~il~t es bis auf 0,5 bis 1 cm in den weiteren Tell einsteigen und schmilzt nun die feinen Enden, zun~tchst das untere, gefiillte, dann das obere zu. In dieser Weise kann man yon dem fr[sch herge- stellten Reagens eine grSf~ere Zahl Kapillaren abfiillen, deren ]ede dann zu einer einzelnen Probe dient.

Von der zu priifenden LSsung bringt man einen Tropfen auf einen 0b]ekttr~iger. Nun bricht man yon einer Reagenskapillare auf der gefiillten Seite die ~iul~erste Spitze ab, faf~t die Kapillare am entgegengesetzten Ende und erw~irmt sie oberhalb der LSsung in der Mikroflamme. Den austretenden Tropfen des Reagens tupf t man auf den Ob]ekttr~tger ab und bringt das offene Ende der Kapil- lare in den Probetropfen. Dieser wird, da die Kapillare sich ab- kiihlt, raseh und vollst~indig eingesogen; man taucht dann die Kapillare zum Nachspiilen noch kurz in den vorher ausgetriebenen Reagenstropfen und schmilzt das Ende wieder zu. Zeitdauer der beschriebenen Vorg~inge etwa 15 Sekunden. Danach kann man in der gesehlossenen Kapillare, wenn nStig, die Reaktion bei gewShn- licher oder erhShter Temperatur reifen lassen.

Wenn Reagentien einige Zeit nach der Kerstellung noch Trii- bungen absetzen, so kann man die Kapillaren, w~ihrend sie oben noch often sind, umknieken lassen, zuschmelzen und vor Gebrauch zentrifugieren, wie ich das kiirzlich beschrieben habe*) ; man zieht hierfiir die engen Stellen auf night weniger als 0,2 mm aus und kann dann das ganze Sediment mit der abzubrechenden Spitze ent- fernen.

Selbstverst~ndlich sind die Kapillaren so zu verwahren, dal~ auch ihre Aul~enfliiche vor Verunreinigung geschiitzt ist; notfalls kSn-

4) Mikrochemie, PRI~CL-F~STSCHaIFT, 127 (1929). Die Kapillaren halten fiber 5000 Umdrehungen in der Minute aus!

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nen sie aber vor Gebrauch leicht mit einem feuchten und dann einem trockenen Leinenlappen abgerieben werden.

D i p h e n y l a m i n r e a g e n s . Wahrend im allgemeinen die gewShnliche konz. Schwefelsaure zur Bereitung des Reagens un- geeignet ist (Blindproben farben sich blau), liefert die folgende ¥orschrift stets ein farbloses Reagens yon hoher Empfindlichkeit.

Ein Teil Diphenylamin wird mit zwanzig Teilen Natriumchlorid verrieben. Von diesem Gemisch werden 20 mg mit 1 cm ~ Wasser iibergossen und hierzu auf einen Guf~ 2 em a konz. Schwefelsaure gegeben. Unter Erwarmen und heftigem Aufschaumen geht sofort alles in LSsung~). Das Reagens ist damit gebrauchsfertig; in den Kapillaren halt es sich anscheinend unbegrenzt. Manchmal setzt sich am oberen Rande der Fliissigkeit ein griingrauer Anflug ab; er sitzt lest und stSrt daher die Probe nicht im mindesten; man mul~ nur soviel Reagens aus der Kapillare austreten lassen, dal~ der Rand nicht wieder erreicht wird.

E m p f i n d 1 i c h k e i t : Reagensglas Angewandtes Volumen 6) 1 cm ~ Erfassungsgrenze (NO~') 0,1 7 Grenzkonzentration . . . . . 10 -7

Kapillare 1 mm 3

0,01 ~, 10-5

D i a z o r e a g e n s . (Anm. 2).

E m p f i n d l i c h k e i t : Angewandtes Volumen Erfassungsgrenze (NO2') Grenzkonzentration . . . .

Es wurde bereitet, wie friiher angegeben

Pr~fzylinder Kapillare 100 cm ~ 1 mm ~

0,1 r 10-4 r 10-9 10-v

B 1 e i r e a g e n s fiir die Reaktion yon N Q ' zu NO,' (Anm. 2). Man zieht Kapillaren aus schwer schmelzbarem Glas, verengt sie in Abstanden yon etwa 12 cm, trennt sie in den Mitten der ver-

5) Vermutlich entfernt die HC1-Entwicklung im Augeablick des L~sens die in der Schwefels~ture vorhandenen Nitrose-Spuren, ehe sb mit dem Diphenylamin reagieren kSnnen.

6) A]le Volumina, mithin auch die Erfassungsgrenzen., kSnnea noch etwas kleiner sein; bei den angegebenen Grenzkonzentrationen sind die Reaktionen deutlich und unbedingt sicher.

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engten und der weiteren Teile und schmilzt die verengten Enden zu. Es entstehen also RShrchen yon 1 bis 2 mm Durchmesser und zirka 6 cm Liinge, an einem Ende often, am anderen in ein etwa 1 cm langes Stack yon 0,1 bis 0,2 mm Durchmesser fibergehend, dieses am Ende verschmolzen. Man ffillt wie zu einer Schmelz- punktbestimmung etwas rein zerriebenes Bleiformiat ein, zieht nun das offene Ende ebenfalls aus (Achtung: Nicht die Offnung in die Flamme bringen, sondern daneben erhitzen!), verkohlt alas Blei- formiat durch gelindes ErwSrmen fiber der Mikroflamme und s('hmilzt die obere Offnung zu.

Zum Gebrauch bricht man beide Spitzen ab, llil~t LSsung ein- treien, schmilzt zu, erwiirmt 5 bis 15 Minuten auf dem Wasserbad, 5ffnet die untere Spitze, treibt die LSsung durch Anwiirmen der Kapillare auf einen 0bjekttr~iger und priift sie mit Diazoreagens.

E m p [ i n d 1 i c h k e i t : Reagensglas Kapillare Angewandtes Volumen 1 cm 3 1 mm ~ Erfassungsgrenze ( N Q ' ) . 1 ? 4" 10 -3 ? Grenzkonzentration . . . . 10 -° 4" 10 --~

Ein Vergleich der Nitri t-Diazo-Probe und der Nitrat-Blei-Diazo- Probe zeigt, daI~ die Ausbeute an Nitri t bei der Reduktion des Nitrats mit Bleireagens zirka 13Yo fiir die Reagensglasprobe und zirka 52~ ffir die Kapillarprobe betriigt; so erkl~irt es sich, dai~ bei der Nitratprobe mit Obergang zu kleineren Stoffmengen die Grenzkonzentration nicht so stark ansteigt, wie man das sonst gewShnt ist.

Mikro-Niederschlagsreaktion au~ Nitrit. Handelt es sich nicht um den Nachweis allerkleinster Ni t r i t -

mengen, so verdient vor der Diazoprobe die schon friiher yon mir angegebene Fiillungsreaktion mit 2,4-Diamino-6-oxy-pyrimidin den VorzugT). Sie ist streng eindeutig, bequem auszufiihren und gerade yon solcher Empfindlichkeit, daft die ,,reinen" Reagentien des ge- wShnlichen Laboratoriums negative Blindproben geben. Sie eignet sich vorziiglich zur Mikroausfiihrung.

~) Bet. D. Chem. Ges., 50, 705 (1917). Die Salze der Base sind faxblos 16slich; Nitrit f~llt eine praktisch unl6sliche, erdbeerfarbene Nitroso-Verbindung. Die Dar- stellung des Reagens ist einfach; die Firma Merck, Darmstadt, wollte es iibrigens unter dem Namen ,,Rosit" vorriitig halten.

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In eine beiderseits offene, ein- oder beidseitig verengte Prtif- kapillare li~l~t man ein MikrotrSpfchen der zu priifenden LSsung und darauf die gleiche oder eine etwas grSl~ere Menge Reagens eintreten. Es kann die ges. LSsung des schwer 15slichen Sulfats oder die des Chlorids (0,1 g" cm-3), beide unter Zusatz yon etwas freier Si~ure, oder die LSsung der freien Base in 2n-Essigs~ure (0,1 g ' c m -3) verwendet werdenS). Tr i t t nicht eine mit blol~em Auge siehbtare Reaktion ein, so 1/il~t man das obere Ende der Ka- pillare in der Mikroflamme abknieken und zentrifugiert (Anm. 4). Man findet bei Anwendung von 1 ram3:

Gehalt der Probe Erscheinung

0,1 r deutliehe rosa Tr~ibung / sofort erkennbar 0,05 ~ sehwache rosa Trfibung ! 0,02 r starkes rosa Sediment | 0,01 r schwaches rosa oder gelbes Sediment / nach dem 0,005 ~, geringes gelbes Sediment Zentrifugieren

E m p f i n d l i c h k e i t :

Angewandtes Volumen Erfassungsgrenze (N02') . Grenzkonzentration . . . .

Reagensglas Kapillare 1 cm ~ 1 mm 3

20 ~ < 0,01 ~, 2,10-5 < 10-~

Hier t r i t t also der seltene Fall ein, dab die Mikroprobe der Reagensglasprobe nicht nur in bezug auf die Erfassungsgrenze um das 2000fache tiberlegen ist, sondern sie sogar in der Grenzkonzen- t rat ion zum mindesten erreicht, vielleicht sogar tibertrifftg); es zeigt sich sehr deutlich der grol~e Vorteil des Zentrifugierens.

s) Die LSsungen sind frisch zu bereiten, da besonders die mineralsauren sich allm/~hlich zersetzen; auf genaue Einhaltung der Konzentration kommt es aicht an.

9) Je nachdem, ob man nut den typisch erdbeerfarbenen oder auch den ab- normen gelbHchen Niederschlag als beweiskr/iftig ansehen will; dieser kommt ver- mutlich so zustande, dab bei sehr kleinen Nitritmengen verh/iltnism/iilig viel Pyrimidin mit niedergerissen wird. Auch die gef~frbten Niederschliige sind stets schwerer, als der angewandten Nitritmenge entspricht (vergh Anm. 7). Da die Blindproben einwandfrei ktar bleiben, daft man wohl auch die gelben Nieder- schliige als beweiskriiftig ansehen.

lO*


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