2484 Glemser und Biermann Jahrg. 100
Chern. Ber. 100, 2484-2490 (1967)
Oskar Glemser und Udo Biermann
Reaktionen mit Stickstofftrifluorid, 1V 1)
Uber Reaktionen des Stickstofftrifluorids mit einigen Oxychloriden und Oxfluoriden der Nichtmetalle Aus dern Anorganisch-Chernischen lnstitut der Universitat Gottingen
(Eingegangen am 7. Februar 1967)
Bei den Reaktionen der Nichtmetalloxychloride COC12, POCl3, SOCl2 und SOzC12 rnit NF3 erfolgt ein Chlor-Fluor-Austausch, der den angewandten Reaktionstemperaturen entsprechend zu chlor-fluorhaltigen bzw. vollstandig fluorierten Produkten fiihrt. Das NF3 wird dabei zu Nz defluoriert. Bei den Umsetzungen rnit Nichtrnetalloxyfluoriden sind Fluorierungen rnit und ohne Sauerstoffentzug moglich. Im ersten Fall bilden sich NOF und Nichtrnetallfluoride, die gegebenenfalls in einer Sekundarreaktion sich zu Nitrosylverbindungen urnsetzen. Im zweiten Fall entstehen Nichtrnetalloxyfluoride unter Defluorierung von N F3 zu Nz.
Nachdem wir in der 111. Mitteilungl) iiber Umsetzungen von NF3 mit verschiedenen Verbindungen des Vanadins, Chroms, Molybdans und Wolframs berichteten, teilen wir im folgenden unsere Ergebnisse uber den Chlor-Fluor-Austausch bei den Oxy- chloriden COC12, POCl3, SOClz und SO2Clz sowie uber die Reaktion der Oxy- fluoride NOF, NOzF, POF3, SOFz und SOzF2 rnit NF3 mit. Die Versuche wurden teils rnit stromendem NF3 im Nickelrohr, teils im Nickelautoklaven unter Druck vorgenommen.
I. Oxychloride 1. COCl2
Werden bei 400" NF3 und Phosgen im Verhaltnis 1 : 1 durch ein Nickelrohr ge- leitet, so bildet sich quantitativ (bezogen auf umgesetztes NF3) COF2 neben Chlor (Gleichung (1)). Bei 400" macht sich aber bereits der thermische Zerfall von COC12 in CO und Clz bemerkbar, so daI3 einerseits die Reaktion von CO und NF32) zu COF2 nicht auszuschlieljen, andererseits stets CO in den Reaktionsprodukten nach- weisbar ist.
Senkt man die Reaktionstemperatur auf 310" und werden die Ausgangsprodukte im Verhaltnis 1 : 2 eingesetzt, so bilden sich COFCl (65%), COF, (35%) und Chlor, gemaI3 Gleichung (2) :
3 COC1z + 2 NF3 - 3 COF2 + 3 Clz + NZ ( 1 ) 3 COClz + NF3 ----+ 3 COFCl + 1 1 / ~ Cl2 + '/z Nz (2)
1) 111. Mitteil.: 0. Glemser, J . Wegenerund R . Mews, Chem. Ber. 100,2474 (1967), vorstehend. 2) Vgl. 11. Mitteil.: 0. Glemser und U. Biermann, Chem. Ber. 100, 1184 (1967) (Reaktion
von CO mit NF3).
1967 Reaktionen rnit Stickstofftrifluorid (IV.) 2485
Arbeitet man zwischen 310 und 400°, dann liegt der COFz-Anteil im Reaktionsge- misch entsprechend niedriger als bei 400", z. B. fallen bei 360" 15 % COFCl und 85 % COF2 an (vgl. Tab. 1).
2. POClJ
Ein aquimolekulares Gemisch aus POC13 und NF3 wandelt sich im Autoklaven bei 250" quantitativ in POF3 und Chlor um, wahrend bei 195" (Verhdtnis NF3: POC13 wie 2 : 3) ein Reaktionsgemisch aus POF3, POFzCl, POFC12 und Clz entsteht (Gleichungen (3) und (4), Tab. 1). Wird aber POC13 bei 310" mit einem UberschuB an NF3 im Nickelrohr umgesetzt, dann bilden sich rnit 70% Ausbeute NOPF6 neben POF3 und Chlor, gemal3 Gleichung (3), (5) und (6):
250° POCI3 + NF3 --+ POF3 + 11/2 Clz + Nz (3)
3. SOCl,
SOC4 rnit 80 % Ausbeute SOFz und C12 gemail3 Bei 360" im Nickelrohr rnit einem Uberschul3 von NF3 umgesetzt, entstehen aus
3SOClz+2NF3 - 3 S O F 2 + 3 C l z + N z (7)
Sinkt die Reaktionstemperatur unter 360°, so nimmt der Anteil an SOF2 stetig ab, bis bei 280" nur noch Spuren von SOF2 gebildet werden. Bei den fur die Reaktion von NF3 rnit SOClz erforderlichen Temperaturen ist ein teilweiser Austausch des Chlors gegen Fluor zu SOFCl nicht moglich, weil dieses bereits bei Raumtemperatur in SOFz und SOC12 zerfallt.
4. SO~CIZ
Mengen S02F2, S02FC1, Cl2 und NZ gemal3 S02C12 gibt rnit NF3 im UberschuB bei 265 bis 360" im Nickelrohr wechselnde
3 SOzCIz + 2 NF3 - 3 S02F2 + 3 Clz + Nz (8) 3 S02C12 + NF3 - 3 SOzFCl+ 1112 Clz + 112 Nz (9)
Bei 265" enthalt das Gemisch 70% SOzFC1 und 30% S02F2, bei 360" 80% SOzF2 m d 15% SOzFCl.
II. Oxyfhoride (vgl. Tab. 2)
1. NOF und NOzF
CsF im Autoklaven bis auf 440" tritt keine Reaktion ein. Beim Erhitzen von NOF und NO2F rnit NF3 (Verhaltnis 1 : 1) in Gegenwart von
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1967 Reaktionen mit Stickstofftrifluorid (IV.) 2489
2. POF3
(80% Ausb.) und wenig PF5 entsprechend den Gleichungen (5) und (6). Aus POF3 und NF3 (Verhaltnis 1 : 1) entstehen im Autoklaven bei 480" NoPF6
3. SOF2
Aus SOF2 erhalt man beim Erhitzen rnit NF3 (Verhaltnis 1 : 1) im Autoklaven auf 440" SOzF2 und SF6 im Mengenverhaltnis von etwa 1 : 3, neben NO und N02. Das gleichzeitige Auftreten von SFg neben S02F2 legt die Vermutung nahe, da13 als Primiirprodukt der Fluorierungsreaktion SOF4 entsteht, das sich dann thermisch in SOzF2 und SFg spaltet.
Zur Klarung der Frage, ob sich SOF4 als Primarprodukt bilden kann, wurden SOFz und NF3 im Verhaltnis 3 : 2 in Gegenwart von CsF im Autoklaven auf 400" erhitzt. Dabei bilden sich in 50-proz. Ausbeute SOF4 neben S02F2, SF6 und N2. Insgesamt 1aRt sich daher der Ablauf der Reaktion von SOF2 mit NF3 formulieren gemal3
Bemerkenswert ist, daR S02F2 rnit NF3 (Verhaltnis 1 : 1) in Gegenwart von CsF bei 450" im Autoklaven nur Spuren von sF6, NO und NO2 gibt.
Diskussion der Ergebnisse
Die bis jetzt erzielten Ergebnisse lassen erkennen, daB NF3 als mildes und selektives Fluorierungsmittel wirkt. So wird rnit Nichtmetalloxychloriden ein Chlor-Fluor-Aus- tausch erzielt, wobei je nach Reaktionstemperatur ein (Gleichungen (2), (9)), zwei (Gleichung (4)) oder alle Chloratome (Gleichungen (l), (3), (7), (8)) durch Fluor ersetzt werden konnen. Bei diesen Reaktionen wird NF3 bis zu N2 defluoriert, und das durch Fluor ersetzte Chlor findet man in elementarer Form wieder.
Bei der Umsetzung von Nichtmetalloxyfluoriden rnit NF3 findet man die von uns bei der Reaktion von NF3 rnit Nichtmetalloxiden2) festgestellten Regelnfur den Reak- tionsablauf wieder :
a) Bei der Fluorierung unter Sauerstoffentzug bilden sich primar NOF und das entsprechende Nichtmetallfluorid (Gleichungen ( 5 ) , (1 l)), wobei dann NOF rnit die- sem weiterhin sich zu einer Nitrosylverbindung vereinigen kann (Gleichung (6)).
b) Bei der Fluorierung ohne Sauerstoffentzug entstehen die entsprechenden Nicht- metalloxyfluoride unter Defluorierung von NF3 zu N2 (Gleichung (10)).
Dem Herrn Bundesrninister fiir wissenschaftliche Furschung, der Stifrung VoIks wugenwerk und der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir fur finanzielle und apparative Hilfe.
2490 Glemser und Biermann Jahrg. 100
Beschreibung der Versuche
1. Reaktion mit stromendem NF33) im Nickelrohr: An einem Ende des Nickelrohres (650 mm lang, 3 mm dick, 34 mm Durchmesser) ist von a d e n ein aufgesetzter, wassergekiihlter Mes- singring angebracht. Zur Heizung wird ein elektrischer Ofen beniitzt, der sich iiber das Nickel- rohr schieben I U t . In eine Glasfalle vor dem Rohr, in die das Nichtmetalf~~yhulogenid ein- gefullt und das kurz unterhalb seiner Siedetemperatur gehalten wird, leitet man NF3 ein. Dabei dient die Glasfalle als Blasenzahler und NF3 als Tragergas. Die gasfarmigen Reaktions- produkte werden in einem System von Quarzfallen, die durch verschiedene Kuhlbader auf unterschiedliche Temperaturen gebracht werden, auskondensiert. Den AbschluR des Systems bilden zwei mit flussiger Luft gekuhlte Fallen. In der vorletzten Falle wird NF3 ausgefroren, die letzte dient zum AusschluR der Luftfeuchtigkeit.
Versuch 8 (Tub. 1 ) : Am kalten Ende des Nickelrohres setzt sich NOPF6 in schonen, farb- losen Kristallen ab.
NOPF6 (175.0) Ber. F65.2 N 8.0 P 17.72 Gef. F65.0 N7.8 P 17.5
NOPF6 wurde in Wasser hydrolysiert, wobei HPF6 und Stickoxide entstehen. Von HPF6 wurde das 19F- und 3lP-NMR-Spektrum in waljriger Losung aufgenommen. Das 19F-NMR- Spektrum wurde gegen CCl3F und das 3lP-NMR-Spektrum gegen 85-pi-02. Phosphorsuure als auBeren Standard gemessen.
HPF6 Lit.4) 19F JP-F 713 -700 Hz, 31P JP-F 708 Hz Gef. 19F JP-F 702 Hz, 31P JP-F 705 Hz
2. Reuktionen mit NF3 unter Druck: Die Umsetzungen in einem Nickelautoklaven (130 ccm)S) wurden, wie bereits beschriebenz), ausgefuhrt.
Die Reaktionsprodukte wurden durch Tieftemperaturdestillation i. Hochvak. getrennt und durch Molmassenbestimmung sowie das charakteristische IR-Spektrum identifiziert. Alle Einzelheiten iiber Versuchsbedingungen, Ausbeuten usw. sind aus den Tabellen 1 und 2 zu entnehmen.
3) Darstellung bei 0. Glemser, J. Schroder und J. Knaak, Chem. Ber. 99, 371 (1966). 4) H. S. Gutowsky, D. W. McCall und C. P. Slichter, J. chem. Physics 21, 279 (1953). 5) Beschreibung bei 0. Glemser, H. W. Roesky, K. H. Hellberg und H. U. Werther, Chem. Ber.
[69/671 99, 2652 (1966).