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PÀdagogische Hochschule Salzburg BeitrÀge aus Wissenschaft und Lehre

Ausgabe 13 2018

Schwerpunkt Berufs-Bildung

|1 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

VORWORT/EDITORIAL

Sehr geehrte Leserinnen und Leser!

Ein wesentliches Ziel von Bildung ist es, junge Men-schen auf das berufliche Leben vorzubereiten, sie „fit” zu machen fĂŒr ein er-fĂŒlltes und erfolgreiches Be-rufsleben.

Die Berufsbildung ist jener Zweig der Bildung, der sich

diesem Thema im Besonderen widmet. Da-her freut es mich sehr, dass sich Expert_innen aus der Berufsbildung in dieser Ausgabe von ph.script mit Fragen wie den Gelingensfak-

toren in der Berufsbildung, der Berufsbildung 4.0 oder der Entrepreneurship Education auseinandersetzen. Einige der vorliegenden BeitrÀge widmen sich auch bestimmten Be-rufsgruppen, beispielsweise den elementar-pÀdagogischen FachkrÀften oder den me-tallischen Lehrberufen.

Ich danke dem Redaktionsteam sehr fĂŒr das Aufgreifen dieses wichtigen und interessan-ten Themas!

Rektorin Mag.a Dr.in Elfriede Windischbauer

Editorial

Die Synthese zwischen Beruf und Bildung ist zweifelsohne substanziell. Die aktuelle Aus-gabe von ph.script setzt sich mit dem Ă€u-ßerst vielfĂ€ltigen Thema der Berufsbildung auseinander und weist entsprechend unter-schiedliche Perspektiven Lehrender diver-ser beruflicher Fachgruppen auf. Einerseits mĂŒssen junge Menschen auf die Berufswelt vorbereitet sein, auf der anderen Seite sind Lehrpersonen in der beruflichen Bildung vor immer wieder neue Herausforderungen gestellt, um ihre Expertise adĂ€quat und vor-bildhaft an die neue Generation zu vermit-teln.

Im ersten Teil der vorliegenden Ausgabe geht es um die Konzeption und um die Steuerung in der beruflichen Bildung. Der einfĂŒhrende Artikel von Christian Dorninger gibt einen Überblick ĂŒber das österreichi-sche Berufsbildungssystem und verweist auf Weiterbildungsangebote, die fĂŒr die Siche-rung von Fachqualifikationen im internatio-nalen Wettbewerb ausschlaggebend sind. In ihrem Beitrag zum Stichwort Industrie 4.0 werfen Elke Austerhuber, Eva-Maria Engels-

berger und Anton Lettner den Blick auf die zukĂŒnftigen beruflichen Erfordernisse auf dem Arbeitsmarkt. AktualitĂ€tsanspruch in Hinblick auf PrĂ€ventionsmaßnahmen, um der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwir-ken, erheben Constanze Hellmann und Tina Widmann in ihrem Beitrag ĂŒber das Erasmus-Projekt „Gelingensfaktoren in der Berufsbil-dung”. Sandra Leopolder, Alina Vitzthum, JĂŒrgen Bauer, JĂŒrgen Kaschube und Eduard Denk stellen das Salzburger Forschungspro-jekt „Improve” vor, durch das Absolvent_in-nen der PTS vermehrt fĂŒr die Lehre gewon-nen werden sollen. Franz Heffeter reflektiert in seinem Beitrag die Bildungssituation Ös-terreichs hinsichtlich der standardisierten und kompetenzorientierten Lehr-, Lern- und PrĂŒfungskultur im europĂ€ischen Kontext und verweist darin auf das zukunftsorientierte Unterrichtskonzept des Problem-Based Lear-nings. In ihrem Artikel „Entrepreneurship Edu-cation” fokussiert Elke Austerhuber die BMHS, deren SchlĂŒsselfunktion es ist, Jugendliche umfassend auf die Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft mithilfe moder-ner Lehr- und Lernmethoden vorzubereiten.

2| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

EDITORIAL

Mit der Professionalisierung in pĂ€dagogi-schen Handlungsfeldern setzt sich der zwei-te Teil der Ausgabe anhand von acht Bei-trĂ€gen auseinander. Anton Lettner befasst sich mit der Implementierung der Neuen Oberstufe im österreichischen Schulsystem. Über Nachhaltigkeit im Sinne einer Sensibili-sierung des Leitgedankens der GrĂŒnen PĂ€-dagogik im Berufsbildungsunterricht geht es im Beitrag von Angela Forstner-Ebhart und Wilhelm Linder. Den bedeutungsvollen und vielfĂ€ltigen Aspekt, den die ErnĂ€hrungsinter-vention nicht zuletzt in gesundheitsfördern-dem Sinn im Rahmen des Fachunterrichts ErnĂ€hrung an der Schule sowie im Studium zunehmend erfĂ€hrt, stellen Ursula Buch-ner und Susanne Obermoser zur Diskussion. Evelyn Kobler, Judith Kainhofer, Eva Kok-Ertl und Andrea Lenger erlĂ€utern in ihrem Arti-kel die aktuelle Berufsbildungssituation von ElementarpĂ€dagog_innen in Österreich im internationalen Kontext und in Hinblick auf die durch die PĂ€dagogische Hochschule gesetzten Weiterqualifizierungsmaßnah-men im Rahmen der FachkrĂ€fteausbildung. Den effektiven Umgang mit ePortfolios im Rahmen des eLearnings im Bachelorstu-dium „Information und Kommunikation” der Sekundarstufe Berufsbildung an der PH Oberösterreich stellen Klaudia Lettmayr und Claudia Malli-Voglhuber vor. Um die IT-Kompetenz geht es auch in Christoph Eders Beitrag ĂŒber die Vermittlung der fĂŒr die Be-rufswelt relevanten Technologien und di-gitalen Sprachen. Thomas Waldenberger reflektiert ĂŒber die Erfordernisse von Qualifi-zierungsmaßnahmen, die Ganztagsschulen an das pĂ€dagogische Berufsfeld stellen. Mit der Bedeutung des Lebenslangen Lernens im Rahmen von beruflicher Ausbildung in metalltechnischen Lehrberufen beschĂ€ftigt sich der Beitrag von Florian Mitsche.

Im dritten Teil der Ausgabe thematisieren fĂŒnf BeitrĂ€ge die potentialorientierten An-

sĂ€tze in der Berufsbildung. Mit dem Berufs-ausbildungsgesetz in Hinblick auf die Ent-wicklung der Einbindung benachteiligter Personen beschĂ€ftigt sich Edith Auinger-Pfund und auch Norbert JĂ€ger fokussiert in seinem Artikel die Integration bildungsbe-nachteiligter junger Menschen ins Berufsle-ben. Johann Lehrer, JĂŒrgen Bauer und GĂŒn-ther Wohlmuth behandeln in ihrem Beitrag die Herausforderungen, die an die pĂ€dago-gische Entwicklung von Berufsschulinterna-ten gestellt sind. Um die „Begabungs- und Begabtenförderung in der dualen Ausbil-dung als Merkmal der Professionalisierung” geht es in dem Artikel von Ramona Uhl. Und schließlich stellen Gabriele Tischler, Fred Kellner-Steinmetz und Lukas Mang das Pro-jekt „Talente-Check” vor, das als kostenlose Bildungs- und Berufsberatung an Salzburger Schulen in der 7. und 8. Schulstufe eingefĂŒhrt wurde.

Die vorliegende Ausgabe schließt mit drei Artikeln, in denen es um die Aspekte der Lehrer_innenbildung geht. Im einleitenden Beitrag betrachtet Michael Tockner die Reform des österreichischen Schul- und Bil-dungswesens durch Leo Graf von Thun-Ho-henstein aus schulrechtshistorischer Sicht. Es folgt Juliane Schmichs Beschreibung der Ergebnisse zu PIRLS (Progress in Internatio-nal Reading Literacy Study) 2016, indem die Lesekompetenzen sowie die Grundhaltung zum Lesen in der 4. Schulstufe vorgestellt werden. Die vorliegende ph.script-Ausgabe klingt mit einem Praxisbericht von Elke Pem-berger aus, in dem eine Untersuchung nach vier Jahren Schulgemeinschaft in einer Klas-se an der Praxis-NMS der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig bezĂŒg-lich des positiven Klassenklimas als PrĂ€ven-tionsmaßnahme gegen Schwierigkeiten im Schulalltag vorgestellt wird.

Claudia Christiane Lang

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Inhaltsverzeichnis

INHALT AUSGABE 13/2018

EDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

INHALTSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

SCHWERPUNKTHEMA: Berufs-Bildung

Das österreichische Berufsbildungssystem im internationalen VergleichChristian Doringer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Konzeption und Steuerung in der beruflichen Bildung

Berufsbildung 4.0 – den digitalen Wandel gestaltenElke Austerhuber, Eva-Maria Engelsberger, Anton Lettner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Gelingensfaktoren in der Berufsbildung Tina Widmann, Constanze Hellmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Improve – von der Schule in die Lehre – Anforderungen am Beispiel der PTSSandra Leopolder, Alina Vitzthum, JĂŒrgen Bauer, JĂŒrgen Kaschube, Eduard Denk . . . . . . 23

Kompetenzorientiertes Lehren, Lernen und PrĂŒfen in einem europĂ€ischen KontextFranz Heffeter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Entrepreneurship Education – das Mindset fĂŒr die Berufsbildung von heute!Elke Austerhuber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Professionalisierung in pÀdagogischen Handlungsfeldern

NOST in Change! – Lost in Change?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und Praxis

Anton Lettner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Nachhaltigkeit und Berufsbildung: GrĂŒne PĂ€dagogik als didaktische LeitlinieAngela Forstner-Ebhart, Wilhelm Linder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

ErnÀhrungsinterventionen in der Schule und professionelles Handeln im Lehrberuf: eine StandortbestimmungUrsula Buchner, Susanne Obermoser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Professionalisierung elementarpĂ€dagogischer FachkrĂ€fte in Österreich – die Rolle der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig innerhalb des aktuellen QualifizierungsdiskursesEvelyn Kobler, Judith Kainhofer, Eva Kok-Ertl, Andrea Lenger . . . . . . . . . . . . . . . . 57

ePortfolios mit Microsoft OneNote Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

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INHALT AUSGABE 13/2018

Inhaltsverzeichnis

Von HTML zu G-code: Digitale Sprachen in der sich wandelnden Berufs-/BildungsweltChristoph Eder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

ProfessionalitÀt im schulischen GanztagThomas Waldenberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Lebenslanges Lernen in der beruflichen Bildung. Perspektiven fĂŒr Agierende in metalltechnischen LehrberufenFlorian Mitsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Berufsausbildung nach § 8b Berufsausbildungsgesetz (BAG) – ein Erfolgsmodell?Edith Auinger-Pfund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Die Integration von bildungsbenachteiligten jungen Menschen ins BerufslebenNorbert JĂ€ger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Systematische pĂ€dagogische Weiter entwicklung der Berufsschulinternate (Internate als Bildungsinstitutionen) – KompensationspĂ€dagogische PerspektiveJohann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Praktische Intelligenz – praktisch und intelligent: Geht das ĂŒberhaupt?Begabungs- und Begabtenförderung in der dualen Ausbildung als Merkmal der Professionalisierung

Ramona Uhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Das Projekt Talente-Check Salzburg – Kostenlose Bildungs- und Berufsberatung fĂŒr die 7. und 8. SchulstufeGabriele Tischler, Fred Kellner-Steinmetz, Lukas Mang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Die Reform des österreichischen Schul- und Bildungswesens durch Leo Graf von Thun-Hohenstein – eine schulrechtshistorische Betrachtung (Teil 1) Michael Tockner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Aus- und Fortbildungsschwerpunkte von österreichischen Grundschullehrer_innen im EU-Vergleich. Ergebnisse zu PIRLS 2016Juliane Schmich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Positives Klassenklima?Eine Bilanz nach vier Jahren Schulgemeinschaft

Elke Pemberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

AUTORINNEN/AUTOREN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

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DAS ÖSTERREICHISCHE BERUFSBILDUNGSSYSTEM IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Christian Doringer

Das österreichische Berufsbildungssystem im internationalen VergleichChristian Doringer

Bei internationalen LĂ€ndervergleichen wird das österreichische Berufsbildungssystem gerne der Gruppe der dual orientierten Ausbildungssysteme Ă€hnlich dem der Bundesrepublik Deutschland oder dem der Schweiz zugeordnet. Die berufliche Erstausbildung in Österreich hingegen vereint vollzeitschulische und duale BildungsgĂ€nge in systemisch zusammenhĂ€ngender Form, wobei nicht selten regional eine Konkurrenzsituation zwischen diesen beiden Organisationsformen entsteht.Der Trend zur Akademisierung von beruflichen BildungsgĂ€ngen hatte Auswirkungen auf das VerhĂ€ltnis von mittleren und höheren Schulen – zugunsten letzterer. Die Verteilung der SchĂŒ-ler_innen im 9. Schuljahr ist noch immer problematisch und laufend in Diskussion, die Umge-hungspfade zu reduzieren und neue Formen der Berufsorientierung einzufĂŒhren. Der Zug zur ReifeprĂŒfung ist ungebrochen und erschwert die Bildungsplanung der Oberstufenformen.Die aktuellen Herausforderungen bestehen darin, die Berufsbildung fĂŒr Herausforderungen der Arbeitsplatztransformation der vierten industriellen Revolution gut aufzustellen und die nationa-len beruflichen Berechtigungen an den europĂ€ischen Qualifikationsrahmen anzupassen.

GrundsÀtzliches

In den letzten 20 Jahren ist der Wettbewerb zwischen vollzeitschulischen und dualen BildungsgĂ€ngen zugunsten der schulischen „höheren” Bildungsangebote verlaufen. BildungsgĂ€nge, die „höhere Schulen” mit ei-ner ReifeprĂŒfung und damit Hochschul- und UniversitĂ€tszugang anbieten können, ziehen mehr SchĂŒler_innen an als AbschlĂŒsse auf Facharbeiter_innenniveau. Mit dieser de-moskopischen Verschiebung und einer zu-sĂ€tzlichen ReifeprĂŒfung fĂŒr Lehrlinge (Lehre mit Matura) hat Österreich in den letzten Jahren mehr Maturant_innen als Nichtma-turant_innen aufzuweisen. Die ab 2008 ge-setzlich vorgesehene Möglichkeit neben der Lehre die sogenannte „BerufsreifeprĂŒfung” in vier sequentiellen TeilprĂŒfungen (Deutsch, Englisch, Mathematik, spezifischer Fach-bereich) ablegen zu können, wurde von Anfang an gut angenommen. Mittlerweile steigen auch die Absolvent_innenzahlen kontinuierlich. Im November 2017 wurden von den TrĂ€gerorganisationen der Bundes-lĂ€nder 6.658 Absolvent_innen angefĂŒhrt, das sind etwa 6% eines Altersjahrgangs von Lehrlingen.

Das österreichische Berufsbildungssystem lebt vom systemischen Zusammenhalt von vollzeitschulischen und dualen sowie hö-heren und mittleren BerufsbildungsgĂ€ngen. Diese ineinandergreifenden Formen können trotz mancher regionalen Konkurrenzsitua-tionen auch eine breite Angebotspalette von ZugĂ€ngen zu den Formen der Sekun-darstufe II erzeugen: Wer keine Lehrstelle bekommt, kann die Fachausbildung an ei-ner berufsbildenden mittleren Schule absol-vieren, wer die Anforderungen der höheren BildungsgĂ€nge nicht bewĂ€ltigt, kann eine Lehrstelle suchen oder an einer fachein-schlĂ€gigen mittleren Schule fortsetzen. Das Fachschulsystem ist mit 56 BildungsgĂ€ngen zwar nicht so breit aufgestellt wie die rund 200 Berufsbilder, die im dualen Bereich ab-zudecken sind, ist aber in den wesentlichen Berufsfeldern vertreten. Die besonders at-traktiven berufsbildenden höheren Schulen haben in den vergangenen zehn Jahren einen Zuwachs an SchĂŒler_innen, in den letzten drei Jahren allerdings auch eine Ab-nahme in den kaufmĂ€nnischen und human-beruflichen Angeboten zu verzeichnen. Die mit dem Abschluss verbundene Qualifika-tion – Hochschul- bzw. UniversitĂ€tsreife und

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DAS ÖSTERREICHISCHE BERUFSBILDUNGSSYSTEM IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Christian Doringer

Berufsqualifikation, gemeinsam mit entspre-chenden gewerblichen Berechtigungen bei der BerufsausĂŒbung – haben zur PopularitĂ€t der „Doppelqualifikation” (Berufsausbildung und Studienreife) dieser Bildungs- und Aus-bildungsformen beigetragen.

Erstausbildung und Weiterbildung waren in allen Berufsfeldern in der Vergangenheit streng getrennt, aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden gerade durch die Berufsbildung BrĂŒcken zum „lebensbeglei-tenden Lernen” geschlagen. Das Bildungsziel der Schulen fĂŒr BerufstĂ€tige gleicht dem der Tagesschulen, Kollegs vermitteln eine Fach-qualifikation fĂŒr Absolvent_innen allgemein-bildender Schulen und viele Anstrengungen befördern den „zweiten Bildungsweg”. Eine breite Palette von Kursen und LehrgĂ€ngen verhilft zum Nachholen von beruflichen Ab-schlĂŒssen. Meisterausbildungen (Meisterklas-sen, Meisterschulen) sind als ErgĂ€nzung der Erstausbildung aber vor allem in der berufli-chen Weiterbildung angesiedelt.

Aktuelle Tendenzen

Seit etwa 15 Jahren ist die Tendenz zu ver-spĂŒren, mittlere BildungsgĂ€nge durch höhe-re zu ersetzen. An regionalen Standorten, die durch ein spezifisches Handwerk bekannt geworden sind (Textiltechnik, Glastechnik, Holz- oder Metallbearbeitung, aber auch Gesundheits- und Sozialberufe), hat vor etwa hundert Jahren eine Fachschule Einzug ge-halten. In den 1970er-Jahren verdeutlichte

sich der Trend einerseits „Ingenieurqualifi-kationen” aus der Fachschule zu entwickeln und anderseits begann ein Trend zur „Aka-demisierung” aller Berufsausbildungen, die zu einer Art „Mantra” der Erziehungsberech-tigten fĂŒhrte: Der Sohn, die Tochter kann sich ihren Bildungsgang persönlich aussu-chen, aber mit dem 18. bzw. 19. Lebensjahr muss eine ReifeprĂŒfung als Sekundarschul-abschluss vorgewiesen werden können.

Die berufsbildenden mittleren und höhe-ren Schulen (BMHS) werden gegenwĂ€rtig von etwa 40% eines Jahrgangs besucht. Die Jugendlichen mĂŒssen noch vor Ende der Schulpflicht – am Ende der 8. Schulstufe – die Entscheidung treffen, ob sie in einer all-gemeinbildenden Schule bleiben oder ob sie in eine der berufsbildenden Angebots-formen wechseln. Abbildung 1 zeigt die Ver-teilung der SchĂŒler_innen nach Vollendung der Schulpflicht in der 10. Schulstufe.

Die Drop-out-Raten an den BMHS sind hoch, wenn sie auch in den letzten Jahren durch ein 2004 eingefĂŒhrtes QualitĂ€tsmanage-ment etwas zurĂŒckgegangen sind; allerdings findet ein Großteil der Austritte nach dem ersten Jahr in der Sekundarstufe respektive der neunten Schulstufe, also nach Absolvie-rung der allgemeinen Schulpflicht, statt. Die meisten dieser Drop-outs treten dann ohne Zeitverlust in die duale Lehrausbildung ein, was die Vermutung nahelegt, dass sie den Besuch der Polytechnischen Schule umge-hen wollen. In der im neunten Schuljahr be-

Tabelle 1: Anzahl der SchĂŒler_innen berufsbildender Schulen (Zahlen in 1000); Quelle: Statistik Austria 2017c, 48

Schultyp 1990 % w *) 2000 % w *) 2010 % w *) 2015 % w *)

Berufsschulen 149,8 35,2 132,6 34 137,9 34,5 117,4 33,7

BMS **) 67,1 59,2 64 60,2 78,8 59,6 73,2 59,4

BHS 99,2 47 123,7 50,1 137,6 51,1 133,5 49,3

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suchten Schule haben sie aber erhebliche Ressourcen gebunden. Drop-outs aus hö-heren Schulstufen berufsbildender mittlerer und höherer Schulen werden beim Übertritt in die duale Lehrausbildung die absolvierten Schulstufen voll oder grĂ¶ĂŸtenteils angerech-net. Drop-outs aus der Oberstufe der allge-meinbildenden höheren Schulen erleiden bei Übertritten in die duale Lehrausbildung grĂ¶ĂŸere Laufbahnverluste; ohne Zeitverlust sind fĂŒr sie nur bestimmte sozialberufliche mittlere Schulen und Schulen zur Ausbildung von Sportlehrer_innen zugĂ€nglich.

Lernort der BMHS-Formen ist die Schule, wo-bei auf eine Vielfalt von Sonderausbildungs-möglichkeiten (neben KlassenrĂ€umen in WerkstĂ€tten, Labors, KonstruktionssĂ€len, IT-/EDV- Zentren, betriebswirtschaftliche Labors der „Übungsfirmen”, LernkĂŒchen u.v.m.) ge-achtet wird.

ErgĂ€nzt wird die schulische Ausbildung durch verpflichtende Praktikumszeiten, die je nach Ausbildung vier Wochen bis drei Monate ĂŒber die gesamte Schulzeit umfas-sen können. Die Vielfalt der Lernorte ist eine wichtige Voraussetzung auch abstrakte Zu-sammenhĂ€nge in angepassten Lern- und Arbeitsumgebungen verstehen zu können.

Nach Absolvierung einer berufsbildenden höheren Schule können die 19-JĂ€hrigen ebenfalls direkt ins Berufsleben einsteigen, wofĂŒr sie gut qualifiziert sind und von der re-gionalen Wirtschaft zumeist sehr gut nach-gefragt werden, oder sie können uneinge-schrĂ€nkt ein Studium an einer beliebigen Hochschule/UniversitĂ€t beginnen. Diese Möglichkeit nehmen die jungen Schulab-gĂ€nger_innen je nach Art der besuchten BHS in unterschiedlichem Ausmaß wahr. So beginnen Absolvent_innen innerhalb der ersten drei Jahre nach Ablegung der Matu-ra 45,5% der land- und forstwirtschaftlichen und 48,7% der technisch-gewerblichen Schulen ein Studium, deutlich mehr sind es mit 59% bei den Absolvent_innen der kauf-mĂ€nnischen und der wirtschaftsberuflichen BHS (siehe Abbildung 2).

Weitere Entwicklungen ab 2018

Die zentralen ReformansĂ€tze der beruflichen Bildung in Österreich fĂŒr die kommenden Jahre lassen sich in zwei Bereiche gliedern:

ïżœïżœ Die HeranfĂŒhrung und Verbesserung der AusbildungsqualitĂ€t aller Schulformen in allen Wirtschaftssektoren an die Erforder-nisse einer „Industrie 4.0” einschließlich

Abbildung 1:

Verteilung der SchĂŒler_innen in

der 10. Schulstufe im Zeitverlauf

(Schuljahr 2006/07–2014/15)

Quelle und ©: Dornmayr und

Nowak 2016, S. 98

DAS ÖSTERREICHISCHE BERUFSBILDUNGSSYSTEM IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Christian Doringer

8| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

DAS ÖSTERREICHISCHE BERUFSBILDUNGSSYSTEM IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Christian Doringer

der damit verbundenen Dienstleistungs-bereiche, die möglicherweise treffender als „Digitalisierungsstrategien in allen Be-rufsfeldern” beschrieben werden können.

ïżœïżœ Eine klare Weiterbildungsstrategie fĂŒr alle Berufsbereiche, die aufbauend auf den Mustern europĂ€ischer Transparenzinst-rumente, vor allem auf den Niveaus des EuropĂ€ischen Qualifikationsrahmens, per-sönliche Nachweise fĂŒr alle Absolvent_in-nen von beruflichen Erstausbildungen er-möglicht.

Die zunehmende Digitalisierung verĂ€ndert Gesellschaft und Arbeitswelt in einem bisher nicht erwarteten Ausmaß. Dabei ist Industrie 4.0 zu einem hĂ€ufig benutzten Schlagwort geworden, wenn es um das Internet der Dinge und die Selbstorganisation von Wert-schöpfungsprozessen geht, die Produkte und Dienstleistungen nĂ€her an die BedĂŒrf-nisse des Marktes bringen sollen. Über eine gemeinsame Plattform „Industrie 4.0 Öster-reich” von Ministerien und Sozialpartnern

werden seit 2016 die damit verbundenen technischen, wirtschaftlichen, aber auch arbeitsrechtlichen und sozialwissenschaft-lichen Auswirkungen beleuchtet und die daraus folgenden Konsequenzen fĂŒr die Aus- und Weiterbildung erhoben. Da viele berufliche Bereiche von der zunehmenden Automatisierung in ganz Ă€hnlicher Weise wie die Industrie mittelbar oder unmittelbar betroffen sind (Stichwort Service 4.0, Land-wirtschaft 4.0), wird seit Herbst 2016 im Bil-dungsministerium eine begleitende Initiative gefĂŒhrt, in der alle schulfĂŒhrenden Abteilun-gen der Berufsbildung mit Expertinnen und Experten an der Entwicklung und Umset-zung einer gemeinsamen Strategie „Indust-rie 4.0 – Berufsbildung 4.0” mitwirken.

Die in diesem Zusammenhang durchge-fĂŒhrte Bestandserhebung ergab, dass die Berufsbildung durch entsprechende Koope-rationen, Projekte und Diplomarbeiten in Zusammenarbeit mit der Industrie und den Forschungsinstitutionen sowie mit dem Ein-satz von Lehrbeauftragten aus der Wirt-

Abbildung 2: Kumulierte Übertrittsraten von der Matura ins Hochschulsystem nach Schultyp

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DAS ÖSTERREICHISCHE BERUFSBILDUNGSSYSTEM IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Christian Doringer

schaft bereits jetzt gut auf die bisher ge-stellten Anforderungen der Industrie 4.0 vorbereitet ist. Highlights der interdisziplinÀ-ren Zusammenarbeit sind bereits laufende Projekte und Diplomarbeiten, die im Team in Kooperation von mehreren Standorten ver-teilt laufen.

Studien zum zukĂŒnftigen Qualifikationsbe-darf (insbesondere Pfeifer, 2016) zeigen auf, dass Mehrfachqualifikationen und interdis-ziplinĂ€re Zusammenarbeit, Prozessdenken und die damit verbundenen fachlichen, ĂŒberfachlichen und personalen Kompe-tenzen das reine Spezialist_innentum zu-nehmend ablösen. Entsprechende Mehr-fachqualifikationen wie Mechatronik und Wirtschaftsingenieurwesen (HTL), Digital Busi-ness (HAK), Mediendesign (HUM), Landtech-nik (HLFS) werden in der Berufsbildung seit vielen Jahren angeboten.

Des Weiteren zeigt sich, dass die neue kom-petenzorientierte Lehrplangeneration in der Berufsbildung des Zeitraums 2011-2016 bereits erfolgreich diese neuen Qualifikati-onsanforderungen der Studie zur Industrie 4.0 abdecken. Neben den obligaten fach-lichen Qualifikationen werden hohe Anfor-derungen an den ĂŒberfachlichen Bereich – wie ProblemlösungsfĂ€higkeit, Innovations-geist, interdisziplinĂ€re Zusammenarbeit so-wie zentrale personale Kompetenzen – ge-stellt, auf die bereits jetzt in allen Schularten besonderer Wert gelegt wird.

Seit dem Aufkommen des Internets wird an den berufsbildenden Schulen zunehmend eine vertiefende informatische Bildung an-geboten, die sich einerseits als umfassende IT-Ausbildung beispielsweise an der HTL wie-derfindet und sich anderseits – bei fast allen anderen Ausbildungen auch in der HAK, in den humanberuflichen und landwirtschaft-lichen Schulen – als IT-Kompetenz fĂŒr das zukĂŒnftige Berufsfeld manifestiert. Dabei kommt auch die Behandlung von Indus-trie 4.0 hinsichtlich Querschnittsthemen wie

Datensicherheit und Datenschutz, Big Data und ethische Fragen nicht zu kurz. Auch im geforderten Einsatz moderner Unterrichts-methoden wie kooperatives Lernen (Peer Learning) und eLearning (Lernplattformen, Web 2.0, Einsatz von Tablets, Notebooks) kann die Berufsbildung auf eine rund 15 Jahre lange Erfahrung zurĂŒckblicken.

Mit der Industrie 4.0 Ă€ndern sich die Berufs-bilder, die Arbeitsbedingungen und die im Rahmen der Ausbildung zu erwerbenden Kompetenzen. Durch den zu erwartenden Wegfall von RoutinetĂ€tigkeiten in der Pro-duktion und in der Verwaltung sind gene-rell höhere BildungsverlĂ€ufe und Weiterbil-dungsmöglichkeiten anzustreben. Betriebe der Industrie 4.0 benötigen nicht nur Aka-demiker_innen und Absolvent_innen der berufsbildenden Oberstufe, sondern auch umfassend gebildete „Praktiker_innen” von Berufsschulen und berufsbildenden mittle-ren Schulen. Eine verstĂ€rkte Nutzung digi-taler Werkzeuge in der Lehrlingsausbildung sowohl in der Berufsschule als auch und im Besonderen in den Ausbildungsbetrieben wird von Studienautoren empfohlen (Hau-segger, 2017). Diese dual Ausgebildeten mit hohem Praxisanteil können in der Industrie 4.0 einen wichtigen Stellwert erzielen. Pilot-anlagen und Pilotfabriken zum praktischen Erlernen der ZusammenhĂ€nge vernetzter Produktionssysteme sind wichtig und wer-den u.a. in Kooperation mit dem universitĂ€-ren Bereich betrieben bzw. genutzt.

Bei Groß- und Mittelbetrieben zĂ€hlt nicht allein die Erstausbildung – auch wenn sie als grundlegend und fundiert angesehen wird –, sondern die Weiterbildung in Drei- bis FĂŒnfjahreszyklen, die die Angestellten selbst bestimmen und organisieren mĂŒssen. Wenn man die Arbeitsmarktallokation von Absolvent_innen berufsbildender Schulen beurteilt, werden meist zwei Charakteristika genannt, die fĂŒr ein Verbleiben und einen Aufstieg im Großbetrieb ausschlaggebend sind:

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DAS ÖSTERREICHISCHE BERUFSBILDUNGSSYSTEM IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Christian Doringer

formalen Qualifikationen muss es die Mög-lichkeit geben, Weiterbildungsangebote in Richtung „nonformaler” Qualifikationen auf den Stufen 5 bis 8 des europĂ€ischen Qualifikationsrahmens (EQR = EuropĂ€ischer Qualifikationsrahmen) aufzunehmen. Diese werden in Österreich zukĂŒnftig von „Quali-tĂ€tsservicestellen”, die entsprechend dem NQR Gesetz 2016 zu errichten sind, quali-tĂ€tsgesichert. Die Weiterbildungszertifikate werden wohl meist von privaten Anbietern ausgestellt, erhalten dann aber den „NQR-Stempel” als QualitĂ€tsgarantie.

Mit derartigen Modellen der Weiterbildung kann es gelingen, die LĂŒcke zwischen beruf-licher Bildung und den Erfordernissen des Ar-beitsmarktes kleinzuhalten. Die Anforderun-gen an ein lebensbegleitendes fachliches Lernen, abhĂ€ngig, aber auch unabhĂ€ngig von der beruflichen Karriereleiter, muss zum persönlichen Anliegen aller StaatsbĂŒrger_in-nen gemacht werden. Nur so ist auch ein persönlicher Gewinn aus jeder Weiterbil-dungsmaßnahme zu erzielen.

1) Beherrscht der- oder diejenige die fach-lich-technischen oder kaufmÀnnischen Grundlagen so, dass eine Weiterentwicklung möglich ist?

2) Gibt es das Engagement und die Gele-genheit zur kontinuierlichen Weiterbildung fĂŒr immer kĂŒrzere Entwicklungsarbeiten an Produktzyklen?

EuropĂ€ische Berufsausbildungssysteme re-agieren darauf unterschiedlich: entweder mit einer sehr gehobenen Erstausbildung (sĂŒdeuropĂ€ische LĂ€nder und Frankreich), mit marktgetriebenen Qualifikationsnormen (die britischen NVQs – national vocational qualifications – sind ein Beispiel fĂŒr ein Netz von praxisbezogenen Qualifikationsniveaus), die sich quer ĂŒber alle Berufsbilder erstre-cken, und mit staatlich fixierten Berufsbildun-gen, die meist fĂŒr mehr als 200 Berufsfelder spezifische AusbildungsgĂ€nge anbieten mĂŒssen. Allen AnsĂ€tzen ist gemeinsam, im-mer konkretere, an die technischen und so-zialen Entwicklungen angepasste Weiterbil-dungsmodelle anbieten zu mĂŒssen.

Fazit

Österreich hat vor acht Jahren mit Konzep-ten zum lebensbegleitenden Lernen begon-nen, die aber in der praktischen Umsetzung deutlich zu wĂŒnschen ĂŒbrig ließen. Unter dem Aspekt europĂ€ischer QualitĂ€tsrahmen-bedingungen mĂŒssen nun Weiterbildungs-maßnahmen individuell verbindlicher und nicht nur abstrakten europĂ€isch genormten Niveaus zugeordnet werden. Neben den

Literatur

Dornmayr, H., & Nowak, S. (2016). Lehrlingsausbildung im Überblick 2016 - Strukturdaten, Trends und Perspektiven. IBW-Forschungsbericht Nr. 188. Wien, 2016.

Hausegger, T., Scharinger, C., Sicher J., & Weber, F. (2017). Qualifizierungs-maßnahmen im Zusammenhang mit der EinfĂŒhrung von Industrie 4.0. Studie im Auftrag der Austria Wirtschaftsservice GmbH – aws, der Arbeiterkammer Wien und des Bundesministeriums fĂŒr Verkehr, Infra-struktur und Technologie, bmvit. Wien, 2017.

Pfeiffer, S. (2015). Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Aus- und Weiterbil-dung. In ITA – Institut fĂŒr Technikfolgen-AbschĂ€tzung. (Hrsg.), Österrei-chische Akademie der Wissenschaften. Wien, 2016.

Statistik Austria. (Hrsg.). (2017b). SchlĂŒsselindikatoren und Analysen. Wien: DH-Media. http://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_NATIVE_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=107432.

https://bildung.bmbwf.gv.at/euint/eubildung_nqr/index.html

|11 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Berufsbildung 4.0 – den digitalen Wandel gestaltenElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

Die technologiegestĂŒtzte VerĂ€nderung der Arbeitswelt stellt zukĂŒnftige Absolvent_innen des be-rufsbildenden Schulwesens vor neue Anforderungen. Die entsprechenden Fachkompetenzen und transversalen/personalen Kompetenzen sind in den neuen LehrplĂ€nen des berufsbildenden Schul-wesens verankert. Die am Ende des vorliegenden Artikels aufgezeigte Qualifizierungsschiene „In-dustrie 4.0 – Berufsbildung 4.0” unterstreicht die aktuelle Bedeutung des Themas fĂŒr die Berufs-bildung und gibt Antwort auf diese Entwicklung.

Digitalisierung des Alltags und der Arbeitswelt

Die Digitalisierung, Automatisierung, Mecha-nisierung, Robotisierung und Elektrifizierung unseres Alltags und folglich der Arbeitswelt nehmen starken Einfluss auf die TĂ€tigkeit und ArbeitsablĂ€ufe von Arbeitnehmer_in-nen in vielen Berufsbildern. Erste Erfahrungen zeigen, dass manche Berufe auslaufen, an-dere hingegen neu hinzukommen werden. In allen Berufsfeldern ist aber festzustellen, dass Digital Skills immer mehr zum integralen Bestandteil relevanter Kompetenzanforde-rungen an zukĂŒnftige ArbeitskrĂ€fte werden. Die Verzahnung intelligenter Systeme in der industriellen GĂŒterproduktion (Industrie 4.0), in Dienstleistungsbereichen, im Bereich der Landwirtschaft, in der Medizin, im privaten Bereich („Smart Home”), im Bereich der So-zialberufe und in vielen anderen Bereichen fĂŒhrt immer mehr zu verĂ€nderten Arbeitspro-zessen und Aufgabenbereichen. Die zukĂŒnf-tigen SchulabgĂ€nger_innen mĂŒssen dieser verĂ€nderten Welt mit ihren Kompetenzen/mit ihren Dispositionen gerecht und folglich darauf vorbereitet werden. Eine Qualifikati-onsbedarfserhebung der Industriellenverei-nigung 2016 zeigt, dass sich ein anhaltender Trend zur Höherqualifizierung sowie zu Re-krutierungsschwierigkeiten insbesondere im „MINT-Berufsfeld” feststellen lĂ€sst (Schmid, Winkler & Gruber, 2016a, S. 1). Vor allem der Begriff „Industrie 4.0” ist in Bezug auf die di-gitalen Qualifizierungsanforderungen hier in den letzten Jahren zu einem Schlagwort

geworden. Die BerĂŒcksichtigung der neues-ten Forschungsergebnisse und Prognosen zu diesem PhĂ€nomen ist unumgĂ€nglich, wenn es um eine zukunftsorientierte Berufsbildung geht, die den aktuellen (Mega)Trends und Herausforderungen am Arbeitsmarkt ent-sprechen will. Parallel zu dieser Entwicklung hat auch in der Berufsbildung eine starke und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Industrie 4.0 begonnen. Ein entspre-chender Diskurs wird in diesem Zusammen-hang unter dem Überbegriff „Berufsbildung 4.0” gefĂŒhrt.

Dabei ist festzuhalten, dass es sich bei Indus-trie 4.0 „um einen Sammelbegriff mit einer großen Bandbreite und verschiedenen Aus-prĂ€gungen” (Hausegger, Scharinger, Sicher & Weber, 2016, S. 4) handelt. Es gibt also fĂŒr den Begriff „Industrie 4.0” keine einheitliche und abgrenzungsscharfe Definition. Als zen-trales Merkmal von Industrie 4.0 wird von den meisten Autor_innen das Vorhanden-sein cyberphysischer Systeme (CPS) ange-fĂŒhrt. Damit bezeichnet man die Verschmel-zung der physikalischen mit der virtuellen Welt, also die Vernetzung zwischen Mensch, Maschine, Produkt, Objekt und Informations- und Kommunikationstechnologie-System. CPS sind aber nicht nur ein PhĂ€nomen in in-dustriellen Prozessen. Sie finden auch Einsatz in der Hausautomatisierung (Smart Home), bei intelligenten Stromnetzen (Smart Grid), in der Medizin (E-Health) oder in Verkehr und Logistik (Smart Mobility). Selbst in Pflegebe-reichen wie zum Beispiel beim Einsatz von

BERUFSBILDUNG 4.0 – DEN DIGITALEN WANDEL GESTALTENElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

12| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Service-Robotern als Assistenzsysteme in der Betreuung alter Menschen ist diese Form der Digitalisierung zu beobachten (Helmrich et al., 2016, S. 19).

Christian Schrack vom BMBWF fasst Industrie 4.0 in Anlehnung an Hausegger et al. (2016) wie folgt zusammen: „Industrie 4.0 vernetzt die gesamte Wertschöpfungskette von Pro-dukten und damit verbundenen Dienstleis-tungen – von der Gestehung bis zum Recy-cling – durch weitgehende Automatisierung und Digitalisierung, mit der Zielsetzung die Kundenorientierung voranzutreiben und den Selbstorganisationgrad der Prozesse zu optimieren” (Schrack, 2017, S. 5). Vom Begriff „Industrie 4.0” ist der darĂŒber hinausgehen-de Begriff „Wirtschaft 4.0” zu unterscheiden.

WĂ€hrend wir unter „Industrie 4.0” die interaktive Vernetzung der analogen Produktion mit der digitalen Welt verste-hen, beschreibt „Wirtschaft 4.0” den Um-stand, dass die Digitalisierung nicht nur zu einem Wandel bei der industriellen Produktion [sic] sondern auch bei allen Dienstleistungsbranchen fĂŒhrt und damit sĂ€mtliche Lebensbereiche berĂŒhren wird (Wolter et al., 2015, S. 8).

Das in der Öffentlichkeit hĂ€ufig diskutierte Thema der „Digitalisierung der Arbeit” und das damit oft implizierte Aufzeigen von Zu-kunftschancen einerseits und Schreckens-visionen wie technologische AbhĂ€ngigkeit und Vernichtung von ArbeitsplĂ€tzen ande-rerseits bezieht sich hĂ€ufig nicht nur speziell auf die Digitalisierung und Automatisierung in der Industrie 4.0, sondern auch auf die zu-nehmende Digitalisierung in der Wirtschaft 4.0. Wilbers weist dem Begriff Wirtschaft 4.0 eine ĂŒbergeordnete Position zu, wenn er ausfĂŒhrt: „Auch mit Blick auf die BeschĂ€fti-gungsaspekte – der Einzel- und Großhan-del beschĂ€ftigt in Deutschland fast viermal mehr Menschen wie der Maschinenbau – scheint es wirtschaftspolitisch ratsam, die Themenstellung ‚Industrie 4.0’ breiter unter

der Perspektive ‚Wirtschaft 4.0’ anzugeben” (Wilbers, 2017, S. 17).

Alle strategischen Maßnahmen des Bil-dungssystems und der Wirtschaft in der Aus-, Fort- und Weiterbildung als Reaktion auf diesen (Mega)Trend können unter dem Schlagwort Berufsbildung 4.0 zusammen-gefasst werden. Doch welchen Qualifizie-rungsbedarf haben Arbeitnehmer_innen in den betroffenen Berufsbildern aktuell und zukĂŒnftig? Wie können Absolvent_innen des berufsbildenden Schulwesens auf diese An-forderungen bestmöglich vorbereitet wer-den?

Schmid, Winkler und Gruber (2016b) geben wichtige Hinweise, wie Industrie 4.0, Globa-lisierung, Demografie usw. als Megatrends den zukĂŒnftigen Qualifizierungsbedarf be-einflussen. In ihrer Analyse der IV-Qualifika-tionsbedarfserhebung aus dem Jahre 2016 schließen sie folgende Hauptergebnisse aus der Studie:

1. (Mega)Trends wirken schon seit LÀnge-rem in Richtung höherqualifizierte TÀtig-keit.

2. Die Bedeutung gleichzeitig wirkender (Mega)Trends wird in Zukunft steigen – Digitalisierung/Industrie 4.0 ist dabei we-sentlicher „Driver of Change”.

3. Die Anpassung an den technologischen Wandel kann ĂŒber Re-Qualifizierung/Wei-terbildung erfolgen.

4. Megatrends bewirken erhöhte Kompe-tenzanforderungen fĂŒr BeschĂ€ftigte.

5. Viele Mitarbeiter_innen sind nicht ausrei-chend qualifiziert fĂŒr die Herausforderun-gen Digitalisierung/Industrie 4.0 und Glo-balisierung.(Schmid et al., 2016b, S. 1–4)

Die Vielschichtigkeit des PhĂ€nomens Indust-rie 4.0 macht es nicht möglich, eine eindeu-tige Antwort auf die Frage nach universal passenden Qualifikationen zu finden. FĂŒr Ahrens und Spöttl (2015, S. 188) lassen sich in

BERUFSBILDUNG 4.0 – DEN DIGITALEN WANDEL GESTALTENElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

|13 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

der durchgehenden Vernetzung und Infor-mationstransparenz, in der steigenden Auto-matisierung von Produktionssystemen, in der Selbststeuerung und Entscheidungsfindung von Objekten, in der digitalen Kommuni-kation, in den interaktiven Management-funktionen und in der Flexibilisierung des Mitarbeitereinsatzes fĂŒnf Parameter fĂŒr die zukĂŒnftige Qualifizierung von FachkrĂ€ften generieren.

Ausgehend von diesen Parametern kön-nen unterschiedlichste Kompetenzmodelle und Übersichten fĂŒr Qualifikationsbedarfe diskutiert werden. Wichtig ist es dabei stets die Differenzierung und Konkretheit nicht aus den Augen zu lassen. Neben branchen-spezifischen Unterschieden werden ebenso divergierende Bedarfe zu berĂŒcksichtigen sein (Pfeiffer, 2015, S. 26). Das in Abbildung 1

aufgezeigte Arbeitsmodell des BMBWF gibt einen treffenden Überblick ĂŒber die qua-lifikationsrelevanten Dimensionen von Be-rufsbildung 4.0 und die entsprechenden Fachkompetenzen sowie ĂŒberfachlichen/transversalen und personalen Kompeten-zen, die eine zukunftsorientierte Berufsbil-dung im Fokus haben sollte.

Anforderungen an Berufsbildung 4.0

Mit der Offensive „Schule 4.0 – jetzt wird’s digital” lancierte das Bildungsressort ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Qua-lifizierung und Weiterentwicklung digitaler Kompetenzen, die durch gezielte Fort- und Weiterbildungsangebote fĂŒr PĂ€dagog_in-nen wie auch durch entsprechend verfĂŒg-bares Lehr-Lernmaterial sowie mittels Kom-petenzdiagnosechecks fĂŒr SchĂŒler_innen

BERUFSBILDUNG 4.0 – DEN DIGITALEN WANDEL GESTALTENElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

Arbeitsmodell Fachkompetenzen,ĂŒberfachliche/transversale und personale Kompetenzen

Abbildung 1: Arbeitsmodell Fachkompetenzen, ĂŒberfachliche/transversale und personale Kompetenzen, sinngemĂ€ĂŸ

nach Modell Pfeiffer (2015), adaptiert; Grafik: Christian Dorninger & Christian Schrack, BMBWF

14| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

erreicht werden soll. Dies entspricht den ge-forderten Fachkompetenzen.

Als weitere Maßnahme, die das Bildungs-ministerium zur zeitgemĂ€ĂŸen Vorbereitung kĂŒnftiger Absolvent_innen auf das bevor-stehende Berufs- wie Privatleben setzte, waren die zwischen den Jahren 2016 und 2018 kompetenzorientiert formulierten und fachspezifisch aktualisierten LehrplĂ€ne. Über 300 LehrplĂ€ne im Bereich der berufsbilden-den höheren und mittleren Schulen und der Berufsschulen wurden in den jeweiligen Curriculumskommissionen unter Mitwirkung von Sozial- und Wirtschaftspartnern den An-forderungen gemĂ€ĂŸ weiterentwickelt und kundgemacht.

Dies sollte im Wesentlichen auch die fachli-chen wie auch ĂŒberfachlichen und perso-nalen Kompetenzbereiche gezielt anspre-chen.

PĂ€dagogisch-didaktische Modelle wie „en-trepreneurship education (e.e.si)” oder „co-operatives offenes Lernen (COOL)” sowie ein verstĂ€rkter Praxisbezug beispielweise in Projektarbeiten, in den Reife- und Diplom-prĂŒfungsarbeiten oder auch in den mitt-lerweile fix verankerten Praktika, tragen vor allem zur Förderung der personalen Kompe-tenzen bei.

Cluster-Projekt und Hochschullehrgang „Berufsbildung 4.0 – Industrie 4.0”

FĂŒr die Fort- und Weiterbildung der PĂ€da-gog_innen hat das BMBWF die Qualifizie-rungsschiene Berufsbildung 4.0/Industrie 4.0 ins Leben gerufen. Von der Schulaufsicht ko-ordiniert werden Schulen unterschiedlichster berufsbildender Ausrichtung (kaufmĂ€nnisch, technisch-gewerblich, humanberuflich, Be-rufsschule) nominiert, sich in einer Partner-schaft aus dem Bereich der Wirtschaft sowie aus dem Bereich der Wissenschaft zu einem sogenannten Cluster-Projekt zusammenzu-schließen.

Das Bundesland Salzburg ist mit zwei schul-artenĂŒbergreifenden Clusterprojekten an dieser Initiative beteiligt, die seitens des In-stituts fĂŒr Fort- und Weiterbildung Sekundar-stufe II der PĂ€dagogischen Hochschule Salz-burg Stefan Zweig als Wissenschaftspartner begleitet und betreut werden (Cluster Pon-gau: BHAK/BHAS St. Johann, HLW Elisabethi-num, HTL Saalfelden, Eurofunk Kappacher; Cluster Tennengau: LBS Hallein, HTL Hallein, TSS Klessheim, Skidata).

Ziel dieser schulartenĂŒbergreifenden Clus-terprojekte ist es die Herausforderungen der digitalen Transformation zu erkennen sowie die dadurch entstehenden VerĂ€nderungen mit wirtschaftlichen, technischen, arbeits- und sozialwissenschaftlichen Aspekten visio-nĂ€r und interdisziplinĂ€r zu bearbeiten. Durch die Zusammenarbeit in Schulteams kann neben einem fachlichen Mehrwert vor al-lem auch eine Erweiterung der personalen Kompetenzen sowie im ĂŒberfachlichen Be-reich vernetztes und problemlösungsorien-tiertes ProzessverstĂ€ndnis erzielt werden.

Ausgehend von den zukĂŒnftigen Heraus-forderungen im Bereich der Berufsbildung wird seitens der PĂ€dagogischen Hochschu-le Stefan Zweig der dreisemestrige berufs-begleitende Hochschullehrgang „Indus-trie 4.0 – Berufsbildung 4.0” fĂŒr Lehrer_innen der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, Berufsschulen und Polytechnischen Schulen entwickelt. Ziel ist neben der fach-lichen Auseinandersetzung mit diesen zu-kunftsweisenden Themen die Planung und DurchfĂŒhrung entsprechender schularten-ĂŒbergreifender Kooperationsprojekte zwi-schen Wirtschaft, Arbeitswelt und Schule.

Das Curriculum sieht in der Absolvierung des Lehrgangs fĂŒr die Teilnehmer_innen drei in-einandergreifende pĂ€dagogisch-didakti-sche Handlungsfelder vor:

1. PrĂ€senzphasen mit fachtheoretischen In-puts (Block 1–3),

BERUFSBILDUNG 4.0 – DEN DIGITALEN WANDEL GESTALTENElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

|15 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

2. begleitende schulartenĂŒbergreifende Umsetzung von Praxisprojekten in Zusam-menarbeit mit Wirtschaftsbetrieben,

3. individuelle Schulstandortentwicklung im Sinne der „Berufsbildung 4.0”.

Im ersten PrĂ€senzblock „Ausbildung heu-te vs. geforderte Qualifikationen fĂŒr Mor-gen” erfolgt neben der Schaffung eines gemeinsamen VerstĂ€ndnisses von Industrie 4.0 auch eine Sensibilisierung fĂŒr die ver-Ă€nderten Anforderungen der Wirtschaft an die Berufsbildung der Zukunft. Aufbau-end auf diese Erkenntnisse folgt im zweiten PrĂ€senzblock „Smarte Lehr- und Lernkon-zepte in der Berufsbildung 4.0” eine inten-sive Auseinandersetzung mit verschiede-nen pĂ€dagogisch-didaktischen Tools fĂŒr ein modernes vernetztes Mindset. Da in der Berufsbildung 4.0 der Aspekt der Digi-talisierung durchwegs relevant ist, soll auch eine bewusste Auseinandersetzung mit der rechtlichen Situation im vernetzten digitali-sierten Unterricht erfolgen. „Open Innovati-

on fĂŒr die Schulentwicklung 4.0” ermöglicht im abschließenden PrĂ€senzblock den teil-nehmenden Schulteams die interdiszipli-nĂ€re Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Non-Profit-Organisationen und Schule und reflektiert deren Nachhaltigkeit fĂŒr die Be-rufsbildung 4.0 anhand der Praxisprojekte. Möglichkeiten im Sinne des Innovationsma-nagements fĂŒr die Schulentwicklung 4.0 sol-len dabei erkannt und deren Implementie-rung forciert werden.

Über die Dauer des gesamten Hochschul-lehrgangs werden schulartenĂŒbergreifende Kooperationsprojekte mit dem Fokus „Indus-trie 4.0 – Berufsbildung 4.0” in Zusammen-arbeit mit regionalen Wirtschaftspartnern entwickelt. Ziel ist es, gemeinsam ein inter-disziplinĂ€res Projekt mit SchĂŒler_innen zu ini-tiieren, durch das die StĂ€rken der jeweiligen Partner aus Bildung und Wirtschaft sichtbar werden und gleichzeitig eine praxisorientier-te Auseinandersetzung mit der zukunftswei-senden Thematik „Industrie 4.0” erfolgt.

BERUFSBILDUNG 4.0 – DEN DIGITALEN WANDEL GESTALTENElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

Abbildung 2: Hochschullehrgang „Industrie 4.0 – Berufsbildung 4.0”; Grafik: Elke Austerhuber

16| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ZusĂ€tzlich soll auch individuell am jeweili-gen Schulstandort eine Auseinandersetzung mit den Themenbereichen des Hochschul-lehrganges stattfinden, um eine optimale Ausrichtung der Berufsbildung an die be-ruflichen Herausforderungen der Zukunft zu gewĂ€hrleisten. Durch den Wissenstransfer mithilfe von schulinternen Fortbildungen, pĂ€dagogischen Konferenzen und Expert_in-nengesprĂ€chen, durch die Entwicklung und Umsetzung von vernetzten, fĂ€cherĂŒbergrei-fenden Unterrichtseinheiten bzw. Projekten sowie durch die Implementierung smarter Lehr- und Lernkonzepte sollen entsprechen-de Impulse gesetzt werden.

Fazit

Die Gestaltung des digitalen Wandels er-fordert das interdisziplinĂ€re Zusammenwir-ken aller Partner_innen. Die PĂ€dagogische Hochschule unterstĂŒtzt und begleitet diesen Prozess, um gelingende Transferleistungen zwischen Schule, Arbeitswelt und Wirtschaft 4.0 zu ermöglichen.

Mit dem vorliegenden Hochschullehrgang gewĂ€hrleistet die PĂ€dagogische Hochschu-le darĂŒber hinaus einen Beitrag zur Professio-nalisierung der PĂ€dagog_innen zu Berufsbil-dung 4.0 im Handlungsfeld Schule.

Literatur

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Schmid, K., Winkler, B., & Gruber, B. (2016a). FachkrĂ€ftebedarf und aktuelle Rekrutierungsschwierigkeiten. Ergebnisse der IV-Qualifikationsbefra-gung 2016. ibw research brief Ausgabe Nr. 95, 09/2016. Wien: ibw – In-stitut fĂŒr Bildungsforschung der Wirtschaft. Abgerufen am 02.08.2018 von https://www.ibw.at/resource/download/1003/ibw-researchbrief-95-de,pdf

Schmid, K., Winkler, B., & Gruber, B. (2016b). ZukĂŒnftiger Qualifizierungsbe-darf aufgrund erwarteter Megatrends. Ergebnisse der IV-Qualifikati-onsbefragung 2016. ibw research brief Ausgabe Nr. 96, 10/2016. Wien: ibw – Institut fĂŒr Bildungsforschung der Wirtschaft. Abgerufen am 02.08.2018 von https://www.ibw.at/resource/download/1005/ibw-researchbrief-96-de,pdf

Schrack, C. (2017). MINT, Digitalisierung und Industrie 4.0. Folien zum Vor-trag in der Österreichischen Wirtschaftskammer. Abgerufen am 02.08.2018 von https://bildung.erasmusplus.at/fileadmin/Dokumen-te/bildung.erasmusplus.at/Policy_Support/New_Skills/2017-11-20_OEAD_BMB_Vortrag_Schrack.pdf

Wilbers, K. (2017). Industrie 4.0 und Wirtschaft 4.0: Eine Chance fĂŒr die kauf-mĂ€nnische Berufsbildung. In K. Wilbers (Hrsg.), Industrie 4.0. Herausfor-derungen fĂŒr die kaufmĂ€nnische Bildung. Texte zur WirtschaftspĂ€da-gogik und Personalentwicklung (S. 9–51). Berlin: epubli GmbH.

Wolter, M.I., Mönnig, A., Hummel, M., Schneemann, C., Weber, E., Zika, G., Helmrich, R., Maier, T., & Neuber-Pohl, C. (2015), Industrie 4.0 und die Folgen fĂŒr Arbeitsmarkt und Wirtschaft: Szenario-Rechnungen im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen. IAB-Forschungsbericht 08/2015. Abgerufen am 02.08.2018 von https://www.iab.de/185/section.aspx/Publikation/k151019301

BERUFSBILDUNG 4.0 – DEN DIGITALEN WANDEL GESTALTENElke Austerhuber, Eva Engelsberger, Anton Lettner

|17 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Gelingensfaktoren in der Berufsbildung Tina Widmann, Constanze Hellmann

Seit 2017 ist die chance Agentur gemeinnĂŒtzige GmbH (gGmbH) Österreich-Vertreterin fĂŒr das Erasmus-Projekt „Gelingensfaktoren in der Berufsausbildung”. Mit Liechtenstein, der Schweiz und Italien werden lĂ€nderĂŒbergreifende Handlungsempfehlungen fĂŒr die duale Ausbildung zur UnterstĂŒtzung der Unternehmen und Lehrlinge vorgeschlagen. Dies erfolgt fĂŒr Österreich mittels Online-Befragung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Bundesland Salzburg zur ÜberprĂŒfung der vom Schweizer Berufscoach RĂ©my MĂŒller aufgestellten Hypothesen.

Österreich mischt im LĂ€ndervergleich mit

Die Ausbildung von jungen Menschen ge-hört zur wichtigsten und gleichzeitig zu einer besonders schwierigen Aufgabe in unserer Gesellschaft. Dabei ist das praxisorientierte System der dualen Berufsbildung von un-schÀtzbarem Wert.

Österreich, Liechtenstein, Italien und die Schweiz ĂŒberprĂŒfen und erarbeiten gemein-sam im gleichnamigen Erasmusprojekt „Ge-lingensfaktoren” in der Berufsbildung. MĂŒller (2014) hat insgesamt sechs Hypothesen auf-gestellt, die der vorliegenden Arbeit als Basis dienen:

H1: Die Anstellung folgt einem strukturierten Selektions-Prozess des Ausbildungsbe-triebes.

H2: Der Ausbildungsbetrieb trifft bei der Se-lektion der lernenden Person mit exter-ner UnterstĂŒtzung einen fundierten Ent-scheid zur Anstellung.

H3: UnterstĂŒtzung in schulischen Belangen gewĂ€hrt die Sicherstellung eines erfolg-reichen Ausbildungsverlaufs.

H4: Mit externer UnterstĂŒtzung bei Schwierig-keiten (Sprach-, Lerndefizite, Persönlich-keitsprobleme) wird der Ausbildungser-folg sichergestellt.

H5: Mit Schulung der Auftrittskompetenz ist die Fortsetzung der Laufbahn erfolgreicher.

H6: Eine Stelle und Weiterbildung nach er-folgreicher Ausbildung ist Ziel fĂŒr alle Be-teiligten.

Erasmus-Projektpartnerin fĂŒr Österreich ist die chance Agentur gGmbH mit Sitz im Bun-desland Salzburg (vgl. Abbildung1).

KMU, selbstverstÀndliche Abnehmer_ innen schulentlassener Jugendlicher?

Kernelement einer Lehrlingsausbildung sind die Unternehmen, ganz speziell die KMU, welche die Bereitschaft mitbringen, als Aus-bildungsbetriebe tĂ€tig zu werden. „Ohne Betriebe, die bereit sind, junge Leute auszu-bilden, wĂŒrde das deutsche Berufsbildungs-system nicht funktionieren.” (Schönfeld, Wen-zelmann, Dionisius, Pfeifer & Walden, 2010, S. 9).

„Auch wenn in etablierten Lehrlingsaus-bildungssystemen viele Betriebe ihr soziales Engagement betonen, Jugendliche auszu-bilden, um fĂŒr sie die Voraussetzungen fĂŒr einen erfolgreichen Eintritt in die Arbeits- welt zu schaffen, wird in der Regel das be-triebswirtschaftliche NutzenkalkĂŒl als legi-times Ziel im Vordergrund stehen” (Bliem, Schmid & Petanovitsch, 2014, S. 10). Den-noch zeigen Betriebsumfragen, dass die eigene Ausbildung nicht nur die wichtigste Möglichkeit ist, den Eigenbedarf an qualifi-zierten FachkrĂ€ften zu decken. Ausbildungs-plĂ€tze werden auch aus sozialer Verantwor-tung zur VerfĂŒgung gestellt (S. 69). Deshalb liegen auch die KMU und ihre BedĂŒrfnisse im Fokus der Studie.

GELINGENSFAKTOREN IN DER BERUFSBILDUNG Tina Widmann, Constanze Hellmann

18| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Stellenwert der Lehre steigern

Leider hinkt der Stellenwert der dualen Aus-bildung in Österreich in der öffentlichen Meinung noch immer hinter anderen Ausbil-dungsmöglichkeiten her.

„Ein Vorbild mit Leuchtturmfunktion fĂŒr andere LĂ€nder” (APA-OTS, 2014) sah der damalige StaatssekretĂ€r Wirtschaftskam-merprĂ€sident Harald Mahrer in der Lehr-lingsausbildung Österreichs. Überraschend dabei sei, so Mahrer, dass der großen in-ternationalen Anerkennung fĂŒr die duale Ausbildung Österreichs ein bemerkenswert geringes Image der Lehre im eigenen Land gegenĂŒberstehe. Der Fokus mĂŒsse daher

sein, die Lehrausbildung attraktiver zu gestal-ten und weiterzuentwickeln sowie die Zahl junger Menschen, die lediglich mit einem Pflichtschulabschluss auf den Arbeitsmarkt kommen, zu minimieren (APA-OTS, 2014).

Jugendliche mit erschwerter Ausgangslage

Besondere Herausforderung, aber auch be-sonderes Potential fĂŒr die Rekrutierung zu-sĂ€tzlicher FachkrĂ€fte ist die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Lehrlingsausbildung. Jugendliche mit Mi-grationshintergrund sind hier besonders un-terreprĂ€sentiert, im Schuljahr 2015/16 waren es in den Polytechnischen Schulen 32,3%.

GELINGENSFAKTOREN IN DER BERUFSBILDUNG Tina Widmann, Constanze Hellmann

DiechanceAgenturgemeinnĂŒtzigeGmbH ‱ wird gefördert vomBMEIA, Bildungsreferat des Landes Salzburg, von der Thoolen Foundation undOtto

WittschierStiftung‱ arbeitetprĂ€ventivundmobilanSchulen,mitJugendlichenundjungenErwachsenenvonzehnbis24Jahren,

derenElternundinmigrantischenCommunities,umSchul-oderLehrabbruchvorzubeugen ‱ trainiertJugendlichemiterschwerterAusgangssituation(NEETs–notineducation,employmentortraining;

Dropouts; ESL – early school leavers, also jene Jugendliche und junge Erwachsene, die keine Schulebesuchen,keinerArbeitnachgehenundsichnichtinberuflicherAusbildungbefindenunddiesauchnichtunmittelbaranstreben,sowiejĂŒngereJugendliche,dieschulabruchsgefĂ€hrdetsind;anerkanntejugendlicheFlĂŒchtlinge, um sie im Bildungsprozess zu halten, fĂŒr den Arbeitsprozess fit zu machen, sie in denArbeitsprozesszu(re)integrierenundihreSelbsterhaltungsfĂ€higkeitzufördern

‱ fördertSchĂŒler_innenbeimÜbergangzwischenSchuleundBeruf ‱ fördertQuereinsteiger_innenimösterreichischenBildungssystem ‱ vernetztundunterstĂŒtztöffentlicheInstitutionen,diesichfĂŒrdiebetroffenenJugendlicheneinsetzen ‱ suchtaufnehmendeBetriebe ‱ begleitetdieseBetriebemobilundnachBedarfbiszumLehr-bzw.Ausbildungsabschlussoderbiszueiner

derAusbildungentsprechendenfestenAnstellungderchanceKandidaten_innen ‱ bildet inZusammenarbeitmitUnternehmenundSchulenJugendlichealschanceBuddy/FAIRbessereraus,

koordiniertderenEinsatz,umPeer-to-Peer-HilfevonJugendlichenfĂŒrJugendliche,speziellvonLehrlingenfĂŒr(angehende)LehrlingeimBundeslandSalzburg,zufördern

‱ betreibt fĂŒr außerordentliche SchĂŒler_innen, nicht mehr schulpflichtige zugewanderte oder geflĂŒchteteJugendlichesowieweiblicheAsylberechtigtedaschanceKollegzumSprach-,Werte-undKompetenzerwerb(beiBedarfmitKinderbetreuung)

‱ setztsichfĂŒreineStĂ€rkungderdualenBerufsausbildungein Diechancearbeitetdabei: ‱ mitdemGet-Fit-Trainingsprogramm:esbeinhaltetWorkshops,Ausbildungs-,Berufsorientierungs-,

Sprach-,Lern-,Mental-,Kompetenz-,GewaltprĂ€ventions-undPraxistraining(beiBedarfin17Sprachen) ‱ mitdemGet-Lift-Trainingsprogramm:JugendlicheabdreizehnJahrenmiterschwerterAusgangslage

könneninregelmĂ€ĂŸigenwöchentlichenKurzeinsĂ€tzen(zweiStunden)fĂŒrmindestensdreiMonateinGewerbebetriebenderjeweiligenRegionpraktischtĂ€tigsein,umihreFĂ€higkeitenzuchecken,geregelteAblĂ€ufeundSelbstverantwortungzutrainieren.DieEinsĂ€tzeindenlokalenBetriebenerfolgenauffreiwilligerBasisinderschulfreienZeit

Abbildung 1: die chance Agentur gemeinnĂŒtzige GmbH

|19 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

LeistungsfĂ€higkeit der Jugendlichen, defizi-tĂ€re Bildungsinformation, Non-Take-Up von UnterstĂŒtzungsleistungen) liegt. Andererseits können auch die Betriebe mit Ressentiments gegenĂŒber Jugendlichen mit Migrationshin-tergrund vorbelastet sein.

MĂŒller (2014, S. 38) beschreibt HĂŒrden, die vom Übergang aus der Pflichtschule ins Be-rufsleben zum Tragen kommen:

ïżœïżœ keine eindeutige Entscheidung fĂŒr einen Berufïżœïżœ Entscheidung wird von der Familie nicht mitgetragenïżœïżœ unzureichende Leistungen in der Schuleïżœïżœ keine passende BewĂ€ltigung von Stresssi-tuationen

Im Vergleich dazu betrug der Anteil von Ju-gendlichen mit nicht deutscher Umgangs-sprache in den Berufsschulen nur 16,1% (Dornmayr & Nowak, 2017, S. 50). Eine der am dringendsten zu beantwortenden Fra-gen muss also sein: Warum verlieren wir am Übergang zwischen Polytechnischer Schule und Berufsschule genau die HĂ€lfte der Ju-gendlichen mit Migrationshintergrund?

Es sind nicht nur mangelhafte Deutsch-kenntnisse, vielmehr ist es ein BĂŒndel an Ur-sachen, das einerseits bei den Jugendlichen selbst (Informationsdefizite, mangelhafte Softskills, kaum ausgeprĂ€gte Career Ma-nagement Skills, höhere Entlohnung bei Hilfs-arbeiter_innen-TĂ€tigkeiten) und deren Eltern (bildungsfern, fehlerhafte EinschĂ€tzung der

GELINGENSFAKTOREN IN DER BERUFSBILDUNG Tina Widmann, Constanze Hellmann

Abbildung 2:

SchĂŒler_innen mit nicht-österrei-

chischer StaatsbĂŒrgerschaft

bzw. nicht-deutscher Umgangs-

sprache nach Schultyp

(Schuljahr 2015/16)

Quelle: Statistik Austria: Schulsta-

tistik 2015/16 + Ibw-Berechnung

20| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

chanceBuddy/FAIRbesserer – Jugendliche fĂŒr Jugendliche

In der Peer-to-Peer-Hilfe setzen sich speziell ausgebildete chanceBuddy/FAIRbesserer

ïżœïżœ mangelhafte Vorauswahl aufgrund unzu-reichender Berufswahlstrategienïżœïżœ InflexibilitĂ€t bei der Bewerbung

Weitere Risikofaktoren können aus der Er-fahrung unserer Arbeit ergĂ€nzt werden: dro-hender bzw. vollzogener Schulabbruch, bei Eltern mangelnde BildungsprĂ€senz, man-gelnde Kenntnis des Bildungssystems, kul-turelle Verschiedenheit der Erziehungsstile, mangelnde Deutschkenntnisse, Non Take Up von UnterstĂŒtzungsleistungen, ,Helikop-terelternÂŽ, mangelnde Career Management Skills, fehlende Rolemodels, Krankheitsbilder – vor allem jene, die durch PrĂŒfungsangst und Stress entstehen –, fehlende Einsatzbe-reitschaft.

Kopf-frei-Interventionsprogramm

80% der chance Kandidaten_innen leiden unter Stress, davon betroffen sind auch vie-le Lehrlinge. Die chance Agentur arbeitet sehr erfolgreich mit dem von Hellmann ent-wickelten Kopf-frei-Interventionsprogramm. Es wurde ein quasi-experimenteller Kon-trollgruppenplan mit Messwiederholung herangezogen, wobei zehn an PrĂŒfungs-angst leidende Kinder und Jugendliche im Bundesland Salzburg zwei Monate lang in zehn Interventionseinheiten mit mentalen Trainingsmethoden behandelt wurden (Hell-mann, 2017, S. 61). Um eine VerĂ€nderung der insgesamt fĂŒnf abhĂ€ngigen Variablen fest-zuhalten, wurde die Experimentalgruppe einmal zu Beginn, dreimal dazwischen und einmal am Ende des Kopf-frei-Interventions-programms mittels Fragebogen getestet. Die Kontrollgruppe (NMS Mittersill) erhielt kein Interventionsprogramm und wurde zum ers-ten, dritten und fĂŒnften Erhebungszeitpunkt der Experimentalgruppe befragt (S. 40).

Es hat sich sowohl in der Betrachtung der EinzelfĂ€lle als auch im Vergleich zur Kontroll-gruppe herauskristallisiert, dass Mentaltrai-ning eine erfolgsversprechende Maßnahme zur Reduktion von PrĂŒfungsangst und ge-

sundheitlicher Belastung durch Stress ist. Bei neun von zehn Kindern, die an dem Kopf-frei-Interventionsprogramm teilnahmen, konn- te die PrĂŒfungsangst von sehr hoch bzw. hoch auf gering bzw. sehr gering reduziert werden (S. 40).

Nach Absolvierung mentaler Trainingsme-thoden des Interventionsprogramms waren die Kinder mit sich selbst zufriedener als vor-her, sie konnten also ihr Selbstbewusstsein stÀrken.

Bei der Frage nach den ÄnderungswĂŒnschen an der Person/Persönlichkeit wurden Kon-zentration, Entspannungstechniken, Selbst- bewusstsein und Zielstrebigkeit am hĂ€ufigs-ten genannt. Dies wird im Interventionsplan behandelt, der sich auch wĂ€hrend der Lehr-zeit als UnterstĂŒtzung anbietet (S. 62).

GELINGENSFAKTOREN IN DER BERUFSBILDUNG Tina Widmann, Constanze Hellmann

Abbildung 3:

Änderungswunsch an der Person/Persönlichkeit

Quelle: Hellmann, 2017, S. 62

|21 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ehrenamtlich fĂŒr SchĂŒler_innen und Lehr-linge ein. Das Projekt chanceBuddy/FAIR-besserer wurde 2017 mit dem Intercultural Achievement Award ausgezeichnet. Die Er-fahrungen der chance Agentur zu diesem Thema beruhen auf einer wissenschaftli-chen Arbeit von Hellmann (2015). Im Schul-jahr 2013/14 fand eine Vollerhebung (alle 255 SchĂŒler_innen) der Landesberufsschule Zell am See mittels standardisierten Frage-bogens statt. Die Ergebnisse – fast 40% der Jugendlichen hatten Probleme in ihrer ver-gangenen Schulzeit und ca. 35% wollten die Schule schon einmal abbrechen – zeigen die Relevanz der UnterstĂŒtzung von Jugend-lichen fĂŒr eine erfolgreiche Arbeitsmarktinte-gration.

Nach Hellmann (S. 47–49) werden als An-sprechpersonen in der Schul- bzw. Ausbil-dungszeit primĂ€r Gleichaltrige bevorzugt. Der Großteil der Jugendlichen begrĂŒĂŸt ein Buddy-System und möchte sich selbst als Buddy fĂŒr andere Jugendliche zur VerfĂŒ-gung stellen. Dies bestĂ€tigt die Theorie der Peer-Education, dass unter Jugendlichen eine grĂ¶ĂŸere Vertrauensbasis und somit ein besserer Zugang zur jugendspezifischen Problematik herrschen. Ziel ist es, aus allen Berufssparten in Landesberufsschulen und Ausbildungsbetrieben im Bundesland Salz-burg Buddies zu finden. Sie können als Ro-lemodels und als Ansprechpersonen bei diversen Fragen/Problemen und fachlichen Angelegenheiten, als Lern- und Sprachun-terstĂŒtzer_innen, als Konfliktlots_innen sowie als Vertrauenspersonen fungieren und för-dernd in der Lehrlings-Rekrutierung und in der Weitergabe von Erfahrungen und Tipps tĂ€tig sein.

Elternarbeit

Der Bildungserfolg von Jugendlichen hÀngt wesentlich stÀrker vom familiÀren Hinter-grund als von der Schule ab (Sacher, 2013, S. 4). Mobile aufsuchende Elternarbeit, wenn nötig in der Muttersprache, birgt Er-

GELINGENSFAKTOREN IN DER BERUFSBILDUNG Tina Widmann, Constanze Hellmann

folgspotential. Eltern werden speziell von Jugendlichen der Zielgruppe als wichtige Berufsorientierungshelfer_innen gesehen, sind jedoch oft – auch aufgrund geringer Deutschkenntnisse – ĂŒber die Ausbildungs-möglichkeiten, welche in Salzburg herr-schen, mangelhaft informiert. Daher setzt die chance Agentur auf enge Zusammen-arbeit mit den und Information fĂŒr die Eltern durch interkulturell kompetente und mehr-sprachige Ausbildungstrainer_innen und den Berufsorientierungspass (bOp). Diese In-formation kann aufsuchend in EinzelgesprĂ€-chen und im Zuge von Elternabenden und Elternworkshops an Schulen oder in migran-tischen Communities stattfinden.

Forschungsablauf und Ausblick

Ziel der Befragung die Gelingensfaktoren in der Berufsausbildung betreffend ist es, die sechs von MĂŒller (2014) aufgestellten Zu-sammenhangshypothesen fĂŒr Österreich zu ĂŒberprĂŒfen und Handlungsempfehlungen zu geben, um die Bereitschaft der KMU zu erhöhen, mehr Lehrlinge einzustellen, Salz-burg zum lehrlingsfreundlichsten Bundes-land Österreichs zu machen und das Image der dualen Berufsbildung zu heben. Außer-dem sollen die Kriterien im Bundesland Salz-burg erhoben werden, die fĂŒr Personaler in Bezug auf die Einstellungsvoraussetzungen von Lehrlingen maßgeblich sind. Daraus ent-wickelt die chance Agentur den Ratgeber „Was sich Personaler_innen wirklich wĂŒn-schen” fĂŒr Jugendliche und setzt die Ergeb-nisse in PrĂ€ventionsworkshops um.

In Anlehnung an den Fragebogen von MĂŒl-ler (2014) – fĂŒr Österreich angepasst – wird im Sommer 2018 eine Online-Befragung im Bundesland Salzburg durchgefĂŒhrt. Mit die-ser Datenerhebungsmethode können Kos-ten und Zeit gespart und auch rĂ€umlich verstreute Personen erreicht werden (Bortz & Döring, 2006, S. 252; 260). Aus allen Lehrbe-trieben im Bundesland Salzburg werden per Zufall rund 500 ausgesucht und angeschrie-

22| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ben. Die Zielpopulation (KMU im Bundesland Salzburg) wird also aufgrund des Merkmals „Lehrbetrieb” in Teilpopulationen (Schich-ten) eingeteilt, wie etwa Sparte Gewerbe und Handwerk, Sparte Handel usw., und je-der dieser Schichten wird sodann eine Zu-fallsstichprobe entnommen. Es handelt sich somit um eine geschichtete Stichprobe, wel-che zu den probabilistischen Stichproben (Elemente haben dieselbe Auswahlwahr-scheinlichkeit) gehört und fĂŒr eine „seriöse wissenschaftliche Umfrageforschung” we-sentlich ist (S. 425). Die Datenauswertung er-folgt im Herbst 2018 mittels statistischer HĂ€u-figkeiten und Korrelationen, die Ergebnisse werden ab Jahresbeginn 2019 vorliegen und am 28. Februar gemeinsam mit RĂ©my MĂŒller beim Bildungstag in Salzburg prĂ€sen-tiert werden. Dabei werden auch die Ver-treter_innen der anderen LĂ€nder anwesend sein.

Folgende Handlungsempfehlungen wer-den aus langjĂ€hriger Erfahrung der chance Agentur fĂŒr Österreich erwartet:

ïżœïżœ Implementierung eines Buddy-Systems fĂŒr Lehrlingeïżœïżœ Kopf-frei-Interventionsprogramme fĂŒr Lehrlinge in enger Zusammenarbeit mit den KMUïżœïżœ Ausbau der aufsuchenden Elternarbeit

GELINGENSFAKTOREN IN DER BERUFSBILDUNG Tina Widmann, Constanze Hellmann

Literaturverzeichnis

APA-OTS Originaltext Service. (2014, Dezember 17). Lehrausbildung – glo-bales Vorbild mit schlechtem Image in Österreich. Bundesratsen-quete ĂŒber Perspektiven der Dualen Ausbildung. Abgerufen am 25.06.18 von https://www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20141217_OTS0204/lehrausbildung-globales-vorbild-mit-schlechtem-image-in- oesterreich

Bliem, W., Schmid, K., & Petanovitsch, A. (2014). Erfolgsfaktoren der dualen Ausbildung. Transfermöglichkeiten. Abgerufen am 25.06.2018 von http://www.ibw.at/components/com_redshop/assets/document/product/1392296354_fb177pdf

Bortz, J., & Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation. FĂŒr Hu-man- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer-Medizin-Verlag.

Dimmel, N. (2012). Stellungnahme Salzburg sind wir – Zukunft gemeinsam entwickeln. Salzburg: Expertise Expertenrat Integration im Auftrag von Landesregierung Salzburg/LR Widmann.

Dornmayr, H., & Nowak, S. (2017). Lehrlingsausbildung im Überblick: Struk-turdaten, Trends und Perspektiven. Abgerufen am 25.06.2018 von ht-tps://www.ibw.at/resource/download/1577/ibw-forschungsbericht-190,pdf

Hellmann, C. (2015). Das Buddy-System und sein Potential zur PrÀvention gegen Schul-, Lehr- und Ausbildungsabbruch (Unveröffentlichte Ba-chelorarbeit). UniversitÀt Salzburg.

Hellmann, C. (2017). (PrĂŒfungs)angst und Stress als Auslöser fĂŒr Schulab-bruch und -versagen. Der Einsatz von mentalem Training fĂŒr schuli-schen Erfolg und gesundheitliche Entlastung. Eine Interventionsfor-schung im Bundesland Salzburg (Unveröffentlichte Masterarbeit). UniversitĂ€t Salzburg.

MĂŒller, R. (2014). Ausbildungsbetriebe und ihre BedĂŒrfnisse in der Berufsbil-dung. Leitfaden und Handlungsempfehlung. Zug: Eigenverlag.

Sacher, W. (2013). Elternarbeit: Lohnt der Aufwand? Antworten aus Un-tersuchungen der letzten drei Jahrzehnte zur Elternarbeit. Lernende Schule, 61, 4–7.

Schönfeld, G., Wenzelmann, F., Dionisius, R., Pfeifer, H., & Walden, G. (2010). Kosten und Nutzen der dualen Ausbildung aus Sicht der Betriebe. Er-gebnisse der vierten BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung. Bielefeld: W. Ber-telsmann Verlag.

1 Wie schon Prof. DDr. Nikolaus Dimmel (2012) in „Salzburg sind wir – Zukunft gemeinsam entwickeln” ausfĂŒhrte, „geht es nicht um eine kontinuierliche Assistenz, 
 sondern um eine punktuelle und bedarfsorientierte Beratung und Begleitung 
.”.

ïżœïżœ bedarfsgerechte Begleitung im Lehrbe-trieb, z.B. beim Spracherwerb von Fach-ausdrĂŒcken1

ïżœïżœ Verbesserung des Take Up von Leistun-genïżœïżœ Voraussetzungen schaffen, um Jugendli-che mit Migrationshintergrund in die Leh-re zu bringen

|23 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Theoretischer Rahmen

Grundlegend bei der Entscheidung fĂŒr einen Beruf oder einer Stelle ist der Gedanke der Passung zwischen Angeboten und Anforde-rungen von Bewerber_innen und Organisati-onen (Kristof-Brown & Billsberry, 2013). Im Pro-zess der Berufswahl ist zwischen Selbst- und Fremdselektion zu unterscheiden (Rosenstiel & Nerdinger, 2000). WĂ€hrend Fremdselek-tion (Auswahl durch Unternehmen) dann greift, wenn zwischen realen Bewerber_in-nen unterschieden werden muss, bestimmt die Selbstselektion, welche Berufe oder Lauf-bahnen ĂŒberhaupt in Betracht gezogen werden oder ob eine konkrete Stelle attrak-tiv erscheint. Auf einem Arbeitsmarkt, in dem sich aus Sicht der Organisationen ein gefĂŒhl-tes Ungleichgewicht zwischen Organisati-onen als Nachfragende und qualifizierten Berufseinsteiger_innen als Arbeitssuchende einstellt, wird es daher immer wichtiger die Entscheidungsprozesse derjenigen zu ken-nen und zu verstehen, die ins Berufsleben eintreten. Entscheidungen, die in der Phase der Selbstselektion getroffen werden und zur frĂŒhzeitigen „Abwahl” von Berufslauf-bahnen fĂŒhren, können durch eine noch so gute Auswahl kaum korrigiert werden (von Rosenstiel, Nerdinger & Spieß, 1998).

Insgesamt lĂ€sst sich ein breites Bild der be-ruflichen Passung auf verschiedenen Ebe-nen zeichnen. Eine positive Entscheidung fĂŒr

Improve – von der Schule in die Lehre – Anforderungen am Beispiel der PTSSandra Leopolder, Alina Vitzthum, JĂŒrgen Bauer, JĂŒrgen Kaschube, Eduard Denk

Das Projekt „Improve” eruiert anhand einer Befragung von SchĂŒler_innen und Lehrlingen, wa-rum das Interesse an einer Lehre als Berufsausbildung fĂŒr SchulabgĂ€nger_innen gesunken ist. Wir stellen in konzentrierter Form Ergebnisse der Polytechnischen Schulen vor. BedĂŒrfnisse der SchulabgĂ€nger_innen im Selbstbild werden mit den Erwartungen von ausbildenden Betrieben im Land Salzburg kontrastiert; dadurch können mögliche Ansatzpunkte erfasst werden, um das Image und die QualitĂ€t der Lehre langfristig zu verbessern.

Bisheriger Forschungsstand

Seit Jahren wird im gesamten deutsch-sprachigen Wirtschaftsraum, aber auch im Land Salzburg, ein bedeutender FachkrĂ€f-temangel fĂŒr die Jahre bis 2030 prognosti-ziert (Bertelsmann-Stiftung, 2013). Die Gefahr eines FachkrĂ€ftemangels entsteht einerseits durch demographische VerĂ€nderungen (weniger junge Menschen steigen in das Berufsleben ein), andererseits werden be-stimmte Berufsfelder von geeigneten Schul-absolvent_innen nicht dem Bedarf entspre-chend nachgefragt (Wirtschaftsbund, 2012). Insbesondere fĂŒr Lehrberufe zeigt sich trotz insgesamt steigender Lehrstellenzahlen ein Mangel an geeigneten Bewerber_innen – der FachkrĂ€ftemangel ist demnach als qua-litativer Mangel und nicht als quantitativer Mangel zu verstehen (Bott, Helmrich & Zika, 2011). Dazu kommt, dass das Image der du-alen Ausbildung gering ist. In einer Studie se-hen 26,3 Prozent aller Befragten ĂŒberhaupt keinen Vorteil in einer Lehrausbildung (Arbei-terkammer Steiermark, 2016). In dem Manu-al Wirtschaftsprogram Salzburg 2020, heraus-gegeben von der Wirtschaftsabteilung der Salzburger Landesregierung, findet daher auch die Tatsache Eingang, dass lediglich 23 Prozent aller Betriebe Lehrlinge ausbilden und dass eine deutliche Steigerung dieser Zahl wĂŒnschenswert wĂ€re (Wirtschaftsabtei-lung der Salzburger Landesregierung, 2011).

IMPROVE – VON DER SCHULE IN DIE LEHRE – ANFORDERUNGEN AM BEISPIEL DER PTSSandra Leopolder, Alina Vitzthum, JĂŒrgen Bauer, JĂŒrgen Kaschube, Eduard Denk

24| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

eine Stelle wird dann getroffen, wenn soziale Rahmenbedingungen erfĂŒllt sind, wenn die berufliche Motivation mit den Angeboten der Stelle ĂŒbereinstimmt und wenn die Kom-petenzen den Anforderungen entsprechen (Malewski, 2013). Diese Erkenntnisse mĂŒssen mit den Anforderungen, die Organisati onen an ihre Mitarbeiter_innen stellen (Kirsch, 1995; Ziegler & Eisele, 2013), abgeglichen werden, um die Realisierungschancen von beruflichen Zielen und die Bedeutung be-stimmter Kompetenzen (Fach-, Sozial- und Methodenkompetenzen) klarer beurteilen zu können.

Der Berufseinstieg von Jugendlichen im Al-ter zwischen 14 und 19 Jahren und die Be-deutung der oben genannten inhaltlichen Kriterien sind bisher noch zu wenig erforscht. Zwar hat sich in den vorangegangenen Jahren das Interesse am Berufseinstieg von SchulabgĂ€nger_innen deutlich vergrĂ¶ĂŸert, im gesamten Raum der EU erscheint der Einstieg ins Berufsleben fĂŒr einen erhebli-chen Teil der Jugendlichen aber nur in er-schwertem Maße möglich und daher wer-den in fast allen Staaten der EU langfristige gesellschaftliche Folgewirkungen eines Aus-schlusses breiter Gruppen Jugendlicher vom Erwerbsleben und damit auch von der ge-sellschaftlichen Teilhabe befĂŒrchtet.

DemgegenĂŒber ist aber ein Mangel an ĂŒbergreifender Forschung festzustellen, die Berufswahl und der Berufseinstieg als Er-gebnis einer Entscheidung unter BerĂŒck-sichtigung multipler Faktoren wie Werte und Ziele, Kompetenzen und soziales Umfeld zu betrachten. DarĂŒber hinaus wird die Ent-wicklung der Wichtigkeit der Kriterien in der Phase nach dem Berufseinstieg noch zu wenig betrachtet. Gerade erste berufli-che Erfahrungen fĂŒhren zu einer deutlichen SchĂ€rfung der Wahrnehmung fĂŒr Ziele und eigene Kompetenzen (Kaschube & Lang, 1994). Diese Erfahrungen können SchĂŒler_in-nen der Neuen Mittelschulen (NMS) und der Polytechnischen Schulen (PTS) im Rahmen

der berufspraktischen Tage sammeln. Die-ser erste Einblick in den Arbeitsprozess reicht aber in der Regel nicht aus, um die Passung zwischen eigener Person und möglichem Beruf abklÀren zu können.

Ziel der Untersuchung

Ziel der Untersuchung ist es, GrĂŒnde des gesunkenen Interesses von SchulabgĂ€n-ger_innen an der Aufnahme einer Ausbil-dung im gewerblichtechnischen und kauf-mĂ€nnischen Bereich zu eruieren und dabei die Motivation von SchĂŒler_innen und Lehr-lingen zur Aufnahme einer Lehre besser zu beschreiben, beispielsweise durch das Kontrastieren der BedĂŒrfnisse und der Selbst-wahrnehmungen von SchulabgĂ€nger_in-nen mit den Erwartungen von ausbilden-den Betrieben im Land Salzburg. Auch die Passung zwischen der Anwerbung und dem Angebot fĂŒr SchulabgĂ€nger_innen mit den Anforderungen dieser Zielgruppe werden verglichen, um Defizite aufdecken zu kön-nen. FĂŒr die PĂ€dagogische Hochschule Salz-burg Stefan Zweig und die teilnehmenden Schulen bietet das Projekt durch die Gegen-ĂŒberstellung der Sichtweisen von SchĂŒler_ innen und Betrieben eine stĂ€rkere An-passung an die aktuelle RealitĂ€t des Be-rufseinstiegs durch die Konzeption und DurchfĂŒhrung von berufsvorbereitenden Maßnahmen. Im Hinblick auf die Bildungs- und Berufsorientierung im schulischen Kon-text gilt zu beachten, dass diese „ 
 in den letzten Jahren im Kontext des Lebenslangen Lernens zu einem wichtigen Thema gewor-den [ist], dem nicht nur am Übergang von der Pflichtschule zur Ausbildungs- bzw. Be-rufswahl, sondern im Laufe des Berufsle-bens eine hohe Bedeutung zukommt. Den eigenen Berufswunsch zu begrĂŒnden, setzt eine gewisse Berufswahlkompetenz vor-aus” (Lachmayr & Mayerl, 2017). Aus den Er-gebnissen lassen sich darĂŒber hinaus auch Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen der auszubildenden Betriebe entdecken und ableiten.

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|25 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Methodisches Vorgehen und Untersuchungsdesign

Die Datenerhebungen fanden im Zeitraum von 2015 bis 2017 auf drei Ebenen statt:

ïżœïżœ Erstens wurden Lehrlinge eines Salzbur-ger Betriebes zu Beginn der Lehre und zweitens SchĂŒler_innen der Schultypen PTS, NMS, HTL, in Teilen HAK/HAS und LBS im Zeitraum des Bewerbungsprozesses befragt. Die Ansprache der Schulen wur-de durch die PĂ€dagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig unterstĂŒtzt.

Befragungsinhalte:ïżœïżœ die Selbstwahrnehmung beruflicher Kompetenzen sowie deren erwartete Bedeutung fĂŒr den Berufseinstieg und den Erfolg in der Berufslaufbahnïżœïżœ die Bedeutung unterschiedlicher Infor-mationsquellen fĂŒr die Suche/Wahl ei-nes Arbeitgebersïżœïżœ konkrete Erwartungen an zukĂŒnftige Arbeitgeber_innen in Form von Stellen-wahlkriterien

ïżœïżœ Im Jahr 2017 fand schließlich eine Befra-gung von ausbildenden Betrieben mit folgenden Themen statt:ïżœïżœ Erwartung an die AusprĂ€gung beruf-licher Kompetenzen vs. die real wahr-genommenen AusprĂ€gungen bei Lehr-lingenïżœïżœ eigene Angebote und Anreize an Lehr-linge ïżœïżœ eingesetzten InformationskanĂ€le zur An- sprache von Lehrlingenïżœïżœ Wahrnehmung von Chancen/Prob - lemen bei der Besetzung von Ausbil-dungsplĂ€tzen

Wird ĂŒber die Schnittstelle von Schule und Beruf gesprochen, wird im Zusammenhang auf die Vorbereitung zur Lehre meist die PTS genannt. Der Bildungsauftrag der PTS wird im Schulorganisationsgesetz in § 28, Absatz 1 wie folgt dargestellt: „Die Polytechnische

Schule schließt an die 8. Schulstufe an und umfasst eine Schulstufe. Sie hat auf das wei-tere Leben insbesondere auf das Berufsle-ben dadurch vorzubereiten, als sie die Allge-meinbildung der SchĂŒler in angemessener Weise zu erweitern und zu vertiefen, durch Berufsorientierung auf die Berufsentschei-dung vorzubereiten und eine Berufsgrund-bildung zu vermitteln hat. Die SchĂŒler sind je nach Interesse, Neigung, Begabung und FĂ€higkeit fĂŒr den Übertritt in Lehre und Be-rufsschule bestmöglich zu qualifizieren sowie fĂŒr den Übertritt in weiterfĂŒhrende Schulen zu befĂ€higen” (BMBF, 2014).

Wie sieht diese Berufsqualifikation aus? SchĂŒler_innen, die zumeist aus den NMS an die PTS kommen, sind aufgrund der verbind-lichen Übung Berufsorientierung informiert und wissen in der Regel ĂŒber das duale System Bescheid. DarĂŒber hinaus werden die SchĂŒler_innen im Rahmen des berufs-grundbildenden Schuljahres an der PTS in den von Ihnen gewĂ€hlten Fachbereichen berufsgrundgebildet. Zur Auswahl stehen, abgesehen von schulstandortautonomen Fachbereichen, die Fachbereiche Holz, Bau, Elektro, Metall, Handel/BĂŒro, Dienstleistung und Tourismus. Die SchĂŒler_innen, die zwi-schen den Schuljahren 2013/14 bis 2016/17 den Schulversuch PTS 2020 besucht haben, konnten in der Orientierungsphase alle ge-nannten Fachbereiche kennenlernen. Teil-weise mussten sie sich fĂŒr den gewĂŒnsch-ten Fachbereich bewerben und somit ihre Wahl und damit auch ihre Passung fĂŒr die angestrebte berufliche Ausbildung begrĂŒn-den. Dies wird bereits im derzeit gĂŒltigen Lehrplan festgeschrieben: „Eine Orientie-rungsphase am Beginn des Schuljahres (§ 11 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes) dient dem SchĂŒler/der SchĂŒlerin zur AbklĂ€rung des anzustrebenden Berufsfeldes und der Einsicht in das Zusammenwirken der Berufe im Wirtschaftsleben sowie dem Aufbau ei-ner entsprechenden Lernmotivation fĂŒr das Schuljahr” (BMBF, 2014, S. 6). Neben berufsbil-denden Inhalten wird im Rahmen des Schul-

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26| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

jahres auch allgemeinbildendes Wissen ver-mittelt und vertieft: „Von ihrer persönlichen Situation ausgehend sind die Jugendlichen durch Vertiefung und Erweiterung der Allge-meinbildung sowie durch Vermittlung einer Berufsorientierung und einer Berufsgrundbil-dung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und fĂŒr eine weitere Ausbildung zu motivieren und zu befĂ€higen” (BMBF, 2014, S. 4). Neben der Orientierung hin zu einem Fachbereich bzw. zu einem Beruf sind vor allem in den didaktischen Maßnahmen des Schulversuchs PTS 2020 Themenfelder ver-ankert, die speziell fĂŒr das Berufsleben von Bedeutung sind und bei der Untersuchung von Improve eine Rolle spielen. Als Beispiele sind hier Persönlichkeitsbildung, persönliche und soziale Kompetenz sowie Selbstreflexion zu nennen (BMBF, 2016).

Da die PTS-SchĂŒler_innen die Hauptzielgrup-pe fĂŒr den Einstieg in eine Lehre sind, wer-den die Ergebnisse dieser Zielgruppe hier detailliert dargestellt.

Stichprobe und Ergebnisse

Die Stichprobe der Erstbefragung von PTS-SchĂŒler_innen umfasst einen 163 Mal be-antworteten Fragebogen aus acht Poly-technischen Schulen des Bundeslandes Salzburg. Die Geschlechterverteilung liegt in der Stichprobe bei 56,8% SchĂŒlern zu 43,2% SchĂŒlerinnen. 91,9% der SchĂŒler_innen wa-ren zum Zeitpunkt der Befragung 15 Jahre alt und jĂŒnger, 7,4% zwischen 16 und 17 Jah-re und 0,7% 18 Jahre oder Ă€lter.

Abbildung 1 zeigt die Annahmen ĂŒber die Wichtigkeit bestimmter Kompetenzen und deren AusprĂ€gung bei Lehrstellenbewer-ber_innen, fĂŒr das Finden und den Erfolg in der Lehre jeweils bewertet von PTS-SchĂŒ-ler_innen, Lehrlingen und Unternehmen. Die zu untersuchenden Aspekte wurden in die sechs Themenfelder Pflichtbewusstsein, Schulwissen, erweiterte schulrelevante FĂ€-higkeiten, Motivation bezĂŒglich Lernen und Leistung, Handlungskompetenz und soziale

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Themenfelder Kompetenzen

Pflichtbewusstsein PĂŒnktlichkeit; gewissenhaftes Arbeiten

Schulwissen

schulisches Fachwissen; Umgang mit Zahlen; schnelles Rechnen; deutsche Rechtschreibung und Ausdrucksweise; Englisch schreiben und sprechen

erweiterte schulrelevante FÀhigkeitenhandwerkliche Geschicklichkeit; Umgang mit Computer; KreativitÀt; Allgemeinbildung; schlau sein; frei reden und etwas prÀsentieren

Motivation bezĂŒglich Lernen und LeistungselbststĂ€ndig lernen; Lernbereitschaft; Selbstver-trauen; Anstrengungsbereitschaft

Handlungskompetenz

Sachverhalte durchdenken; eigenstĂ€ndig Auf-gaben erkennen; Verantwortungsbewusstsein fĂŒr eigenes Handeln; Arbeit organisieren; Anpas-sungsfĂ€higkeit an Umgebung; Entscheidungen treffen; unter Druck klaren Kopf behalten

soziale Kompetenz

respektvoller und höflicher Umgang; Anpas-sungsfĂ€higkeit an Menschen und Aufgaben; Teamarbeit; Verantwortung fĂŒr Team ĂŒberneh-men; KonfliktlösefĂ€higkeit

Tabelle 1: Zuordnung der bewerteten Aspekte zu den einzelnen Themenfeldern

|27 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Kompetenz gegliedert und werden stich-wortartig in Tabelle 1 angefĂŒhrt.

Die PTS-SchĂŒler_innen geben in fĂŒnf der sechs Bereiche dieselbe deutliche AusprĂ€-gung in ihrer EinschĂ€tzung der Wichtigkeit dieser Kompetenzen und der Annahme der eigenen AusprĂ€gung ĂŒber diese Kompeten-zen an. Nur bei der Handlungskompetenz sehen sie Defizite in ihrem persönlichen Ver-fĂŒgen ĂŒber die jeweilige FĂ€higkeit. Schulwis-sen sowie erweiterte schulrelevante FĂ€hig-keiten halten sie generell fĂŒr nur mittelmĂ€ĂŸig wichtig. Die befragten Lehrlinge unterschei-den sich schon dadurch von den SchĂŒler_innen, da sie alle Bereiche als sehr wichtig empfinden und ihre Kompetenzen in zwei der sechs Bereiche (Schulwissen, erweiterte schulrelevante FĂ€higkeiten) dagegen als nur mittelmĂ€ĂŸig ausgeprĂ€gt einschĂ€tzen.

Die Betriebe zeigen mit ihren Ergebnissen deutlich auf, dass ihrer EinschĂ€tzung nach neue Lehrlinge in fĂŒnf der sechs Bereiche (Pflichtbewusstsein, Schulwissen, Motivation bezĂŒglich Lernen und Leistung, Handlungs-kompetenz, soziale Kompetenz) Defizite in ihrer diesbezĂŒglichen AusprĂ€gung mitbrin-gen. Nur beim Themenfeld der mittelmĂ€ĂŸig wichtig bewerteten erweiterten schulrele-vanten FĂ€higkeiten deckt sich die Meinung ĂŒber die Wichtigkeit mit der ĂŒber das VerfĂŒ-gen der jeweiligen Kompetenz.

Besonders hervorzuheben ist, dass die Ein-schĂ€tzung ĂŒber die persönliche VerfĂŒgung hinsichtlich der abgefragten Kompetenzen bei den SchĂŒler_innen und Lehrlingen eine durchwegs positive Wahrnehmung aufzeigt, die sich nicht mit der Wahrnehmung der Be-triebe deckt.

IMPROVE – VON DER SCHULE IN DIE LEHRE – ANFORDERUNGEN AM BEISPIEL DER PTSSandra Leopolder, Alina Vitzthum, JĂŒrgen Bauer, JĂŒrgen Kaschube, Eduard Denk

Abbildung 1: Wichtigkeit und AusprĂ€gung hinsichtlich bestimmter Kompetenzen, die wichtig fĂŒr den Erhalt und den

Erfolg in einer Lehre sind, getrennt nach SchĂŒler_innen, Lehrlingen und Unternehmen

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DieBetriebezeigenmitihrenErgebnissendeutlichauf,dassihrerEinschĂ€tzungnachneueLehrlingeinfĂŒnfdersechsBereiche(Pflichtbewusstsein,Schulwissen,MotivationbezĂŒglichLernenundLeistung,Handlungskompetenz, sozialeKompetenz)Defizite in ihrerdiesbezĂŒglichenAusprĂ€gungmitbringen.NurbeimThemenfelddermittelmĂ€ĂŸigwichtigbewertetenerweitertenschulrelevantenFĂ€higkeitendecktsichdieMeinungĂŒberdieWichtigkeitmitderĂŒberdasVerfĂŒgenderjeweiligenKompetenz.Besondershervorzuhebenist,dassdieEinschĂ€tzungĂŒberdiepersönlicheVerfĂŒgunghinsichtlichderabgefragtenKompetenzenbeidenSchĂŒler_innenundLehrlingeneinedurchwegspositiveWahrneh-mungaufzeigt,diesichnichtmitderWahrnehmungderBetriebedeckt.WichtigkeitundAusprĂ€gunghinsichtlichbestimmterKompetenzenfĂŒrdenErhaltunddenErfolgineinerLehre

Abbildung1.WichtigkeitundAusprĂ€gunghinsichtlichbestimmterKompetenzen,diewichtigfĂŒrdenErhaltunddenErfolgineinerLehresind,getrenntnachSchĂŒler_innen,LehrlingenundUnternehmenAspektevonmöglichenLehrbetrieben,diefĂŒrdieSchĂŒler_innenundLehrlingebeiderWahleinesUn-ternehmensentscheidendsind,undgleichzeitigAspekte,diedurchdieUnternehmenselbstbeworbenwerden,wurdeninsiebenThemenfeldereingeteilt,diestichwortartiginTabelle2erlĂ€utertwerden.ImVergleichderBewertungderWichtigkeitdieserAspektedurchdieBefragungsgruppenzeigensichdeutlicheÜbereinstimmungen,wieinAbbildung2ersichtlichist.SowohldiesozialePassung(z.B.gutesArbeitsklima),die inhaltlichePassung(z.B.AusbildungimWunschlehrberuf),dieAufgaben(z.B.ver-antwortungsvolleAufgaben)alsauchdieVergĂŒtungwerdenvonallenGruppenalssehrwichtigbe-trachtet. DieRahmenbedingungen(z.B.UnternehmensgrĂ¶ĂŸe)sowiederprivateBezugderBewerber_innenzumBetriebundderAusbildung(z.B.gleicherBerufwieEltern)könnennichtdirektvomUnternehmen

Pflichtbewusstsein

Schulwissen

erweiterteschulrelevanten

FĂ€higkeitenMotivationbezĂŒglichLernenundLeistung

Handlungs-kompetenz

sozialeKompetenz

FarbverlĂ€ufe:außen=Kompetenz/innen=AusprĂ€gung

Kompetenzwenigerwichtigbzw.Aus-prÀgungwenigerstarkausgeprÀgt

Kompetenz mittelmĂ€ĂŸig wichtig bzw.AusprĂ€gungmittelstarkausgeprĂ€gt

Kompetenz sehr wichtig bzw. AusprÀ-gungstarkausgeprÀgt

PTS-SchĂŒler_innen

Unternehmen

Lehrlinge

EinheitlicheFarbesignalisiertgleicheAusprÀgunginderBewertungvonWichtigkeitundAusprÀgunghinsicht-lichbestimmterKompetenzen.FarbverlÀufesignalisierenUnter-schiedeinderBewertungzwischenWichtigkeitundAusprÀgunghinsicht-lichbestimmterKompetenzen.

Wichtigkeit und AusprĂ€gung hinsichtlich bestimmter Kompetenzen fĂŒr den Erhalt und den Erfolg in einer Lehre

28| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Aspekte von möglichen Lehrbetrieben, die fĂŒr die SchĂŒler_innen und Lehrlinge bei der Wahl eines Unternehmens entscheidend sind, und gleichzeitig Aspekte, die durch die Unternehmen selbst beworben werden, wur-den in sieben Themenfelder eingeteilt, die stichwortartig in Tabelle 2 erlĂ€utert werden. Im Vergleich der Bewertung der Wichtigkeit dieser Aspekte durch die Befragungsgrup-pen zeigen sich deutliche Übereinstimmun-gen, wie in Abbildung 2 ersichtlich ist. Sowohl die soziale Passung (z.B. gutes Arbeitsklima), die inhaltliche Passung (z.B. Ausbildung im Wunschlehrberuf), die Aufgaben (z.B. ver-antwortungsvolle Aufgaben) als auch die VergĂŒtung werden von allen Gruppen als sehr wichtig betrachtet.

Die Rahmenbedingungen (z.B. Unterneh-mensgrĂ¶ĂŸe) sowie der private Bezug der Bewerber_innen zum Betrieb und der Ausbil-

dung (z.B. gleicher Beruf wie Eltern) können nicht direkt vom Unternehmen beeinflusst werden und wurden in dieser Gruppe da-her nicht abgefragt. Die SchĂŒler_innen und Lehrlinge halten die Rahmenbedingungen fĂŒr nur mittelmĂ€ĂŸig wichtig. Der private Be-zug spielt fĂŒr die SchĂŒler_innen eine weniger wichtige Rolle, fĂŒr die Lehrlinge eine mittel-mĂ€ĂŸig wichtige.

Wichtige Aspekte eines Lehrbetriebes und Angebote durch solche Betriebe

Es fĂ€llt auf, dass die befragten Unterneh-men weniger auf das Angebot einer lang-fristigen Perspektive im Unternehmen (z.B. Karrierechancen nach der Lehre) oder auf das Image des Unternehmens setzen, als es fĂŒr die Auswahl eines Lehrbetriebes wichtig zu sein scheint, zumindest aus Sicht der be-fragten SchĂŒler_innen. FĂŒr die Lehrlinge sind

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Themenfelder Unternehmensaspekte

soziale Passung Arbeitsklima; Work-Life-Balance

inhaltliche Passung eigene FÀhigkeiten einsetzen können; Ausbil-dung im Wunschlehrberuf; gute Ausbildung im Betrieb

Aufgaben Möglichkeit zur selbststÀndigen Aufgabenerledi-gung; geordneter Aufgabenbereich; verantwor-tungsvolle Aufgaben; spannende und herausfor-dernde TÀtigkeit

langfristige Perspektive langfristig sicherer Arbeitsplatz; Aufstiegs- und Karrie-rechancen, Fortbildungsmöglichkeiten und Chance zum Aufgabenwechsel nach der Lehre; Möglichkeit zu Auslandsaufenthalten

Image Image in der Öffentlichkeit; ausgezeichneter Be-trieb fĂŒr Umgang mit Mitarbeiter_innen; Engage-ment des Arbeitgebers, z.B. sportlich oder sozial; Produkte, die man toll findet

VergĂŒtung Bezahlung und Sozialleistungen

Rahmenbedingungen nah am Zuhause; GrĂ¶ĂŸe des Unternehmens; frĂŒhere eigene Erfahrung mit Arbeitgeber

privater Bezug zu Betrieb und Ausbildung Ansehen des Lehrberufs bei Freund_innen und Familie; Verwandte/Freund_innen im Betrieb; gleicher Beruf wie Eltern

Tabelle 2: Zuordnung der bewerteten Aspekte zu den einzelnen Themenfeldern

|29 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

diese Aspekte in der Lehre nur noch mittel-mĂ€ĂŸig wichtig (vgl. Abbildung 2).

Wichtige Informationsquellen/-kanĂ€le zur Suche einer Lehrstelle bzw. fĂŒr Lehrstellenangebote

Die Nutzung von Informationsquellen zum Finden einer Lehrstelle bzw. von Informati-onskanÀlen zur Bekanntmachung von Lehr-stellenangeboten durch Unternehmen wer-den von den befragten Gruppen zum Teil unterschiedlich genutzt.

Die Möglichkeit einen Informationstag, ein Ferialpraktikum oder Schnuppertage im Unternehmen zu absolvieren stellt fĂŒr die befragten Unternehmen den wichtigsten Informationskanal dar. FĂŒr die SchĂŒler_innen und Lehrlinge ist dies neben GesprĂ€chen mit Eltern oder Verwandten ebenfalls eine sehr wichtige Informationsquelle. Sehr unter-schiedlich wird die klassische Stellensuche bzw. Recherche durch das Medium Zeitung genutzt. WĂ€hrend SchĂŒler_innen und Lehrlin-ge diese Quelle auf einem der letzten PlĂ€t-ze sehen, setzen die Unternehmen verstĂ€rkt

darauf. Auch die Onlinerecherche ĂŒber die Unternehmenswebsites wird von den Unter-nehmen als Informationskanal weit höher priorisiert, als von den SchĂŒler_innen und Lehrlingen genutzt.

Die Daten zeigen, dass die Gruppen einer-seits zwar teilweise gleiche Plattformen fĂŒr ihre Suche bzw. fĂŒr ihre Bewerbung von Lehr-stellen verwenden, andererseits aber auch deutliche Unterschiede aufweisen.

Eine strategische Anpassung der unterneh-mensseitig eingesetzten Kommunikationska-nĂ€le zur Informationsverbreitung ihrer Lehr-stellen an die BedĂŒrfnisse der SchĂŒler_innen könnte ihnen bereits helfen eine höhere An-zahl an Bewerber_innen zu generieren.

Schlussfolgerungen

Mithilfe der Ergebnisse kann an unterschied-lichen Aspekten angesetzt werden. Zum Beispiel sollten die Defizite in den schuli-schen FÀhigkeiten, die von allen befragten Gruppen bestÀtigt wurden, betrachtet und behandelt werden. Dabei gilt zu hinterfra-

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Tabelle2ZuordnungderbewertetenAspektezudeneinzelnenThemenfeldernThemenfelder UnternehmensaspektesozialePassung Arbeitsklima;Work-Life-BalanceinhaltlichePassung eigeneFÀhigkeiteneinsetzenkönnen;Ausbildungim

Wunschlehrberuf;guteAusbildungimBetriebAufgaben MöglichkeitzurselbststÀndigenAufgabenerledigung;

geordneterAufgabenbereich;verantwortungsvolleAufgaben;spannendeundherausforderndeTĂ€tigkeit

langfristigePerspektive langfristigsichererArbeitsplatz;Aufstiegs-undKarrie-rechancen,FortbildungsmöglichkeitenundChancezumAufgabenwechselnachderLehre;MöglichkeitzuAuslandsaufenthalten

Image ImageinderÖffentlichkeit;ausgezeichneterBetriebfĂŒrUmgangmitMitarbeiter_innen;EngagementdesArbeitgebers,z.B.sportlichodersozial;Produkte,diemantollfindet

VergĂŒtung BezahlungundSozialleistungenRahmenbedingungen nahamZuhause;GrĂ¶ĂŸedesUnternehmens;frĂŒhere

eigeneErfahrungmitArbeitgeberprivaterBezugzuBetriebundAusbildung AnsehendesLehrberufsbeiFreund_innenundFamilie;

Verwandte/Freund_innen im Betrieb; gleicher BerufwieEltern

WichtigeAspekteeinesLehrbetriebesundAngebotedurchsolcheBetriebe

Abbildung2.EntscheidungskritierienfĂŒrdieWahldesUnternehmensausSichtvonSchĂŒler_innenundLehrlingensowiedasUnternehmensangebotdieserKriterienausSichtderUnternehmen

sozialePassung

inhaltlichePassung

Aufgabe

langfristigePerspektiveImage

VergĂŒtung

Rahmen-bedingungen

privaterBezugzuBetrieb&Ausbildung

PTS-SchĂŒler_innen

Unternehmen

Lehrlinge

hoheWichtigkeitausSichtderBewerber_in-nen/ausgeprÀgtesAngebotderUnternehmen

mittelmĂ€ĂŸigeWichtigkeitausSichtderBewer-ber_innen/mittelmĂ€ĂŸig ausgeprĂ€gtes Ange-botderUnternehmenweniger Wichtigkeit aus Sicht der Bewer-ber_innen/wenigausgeprĂ€gtesAngebotderUnternehmen

Abbildung 2: Entscheidungskritierien fĂŒr die Wahl des Unternehmens aus Sicht von SchĂŒler_innen und Lehrlingen

sowie das Unternehmensangebot dieser Kriterien aus Sicht der Unternehmen

30| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

gen, welche Erwartungshaltung an eine berufsgrundbildende einjĂ€hrige Schule seitens der Befragten existiert, berufliches (Grund-)Wissen und die dazugehörende Handlungskompetenz zu vermitteln. Im Ge-genzug dazu, so die Erfahrung aus Sicht der Autor_innenschaft, wissen nicht alle Unter-nehmen um die Existenz der Fachbereiche sowie um den Bildungsauftrag der PTS. Diese Diskrepanz, die auch die vorliegende Studie skizziert, sollte durch intensivere Kooperation der handelnden Personen aus Wirtschaft und Schule reduziert, im Idealfall eliminiert werden. Außerdem zeigt sich, dass die SchĂŒ-ler_innen trotz berufspraktischer Tage den Rollenwechsel zum/zur Auszubildenden erst vollziehen und ihre Sichtweise auf notwen-dige (schulische) Inhalte verĂ€ndern können, sobald der Lehrvertrag unterschrieben und der Eintritt in den Ausbildungsbetrieb voll-zogen ist. Die Ergebnisse helfen außerdem zu verstehen, wie SchĂŒler_innen nach einer Lehrstelle suchen und an welchen Punk-ten Unternehmen ansetzen können, um sie noch besser erreichen zu können, sei es durch die InformationskanĂ€le oder auch durch die vermittelten Botschaften und Un-ternehmensaspekte, die beworben werden. Ein Ansatzpunkt fĂŒr Unternehmen sollte sein, langfristige Perspektiven nach der Lehre aufzuzeigen, um dem Image der Lehre als einer „Sackgasse” fĂŒr die berufliche Lauf-bahn entgegenzuwirken und damit die Lehre auch attraktiv im direkten Vergleich mit einer Laufbahn an höheren Schulen aussehen zu lassen. Besonders die Meinung der Eltern ist den SchĂŒler_innen als Informati-onsquelle und bei der Entscheidung fĂŒr eine Lehrstelle sehr wichtig, wobei aber im Rah-men des Forschungsprojektes dieser Aspekt nicht vertiefend untersucht wurde.

Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse sol-len im Folgeprojekt Improve 2 die Eltern und Schulen mehr einbezogen, weitere Themen erforscht sowie LĂ€ngsschnittbefragungen von SchĂŒler_innen unterschiedlicher Schu-len durchgefĂŒhrt werden.

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|31 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Kompetenzorientiertes Lehren, Lernen und PrĂŒfen in einem europĂ€ischen KontextFranz Heffeter

Seit Anfang des Jahrtausends sind die europĂ€ischen Bildungsstrategien vor dem Hintergrund der Schaffung vergleichbarer Systeme und Qualifikationen im Umbruch. Die europĂ€ischen BemĂŒ-hungen mĂŒndeten ĂŒber den Hochschulsektor im Bologna-Prozess (Walter, 2006) in einer Ge-samtsystematik von Qualifikationen, in der sich jegliche Kenntnisse und FĂ€higkeiten wiederfinden sollten (EuropĂ€ischer Qualifikationsrahmen). Als ErgĂ€nzung zur „Kompetenzorientierung” kann die „Outputorientierung” gesehen werden. Mit gewissen UnschĂ€rfen leitet sich davon das Synonym Lernergebnis ab. Die BildungsrealitĂ€t zeigte ursprĂŒnglich im Wesentlichen bei einer zugegebenermaßen etwas großzĂŒgigen Betrachtungs-weise als erstes Ergebnis in den Lernzielen der LehrplĂ€ne den Wechsel der Verben sollen zu können, jedoch keine intensivere Auseinandersetzung mit den qualitativ zu erzielenden Kompetenzen, ihrer Beschreibung, der Wege zur Zielerreichung und zur Messung derselben.

Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

In der österreichischen Bildungsdiskussion hat das Bundesinstitut fĂŒr Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung (BIFIE) den „Kompetenzbegriff nach Weinert” konse-quent verfolgt als

„die bei Individuen verfĂŒgbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven FĂ€hig-keiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit ver-bundenen motivationalen und sozialen Bereitschaften und FĂ€higkeiten, um die Problemlösung in variablen Situationen er-folgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können”. (Weinert, 2001, S. 27; so auch zitiert in der Einleitung Kompetenzmodel-le auf der Homepage des BIFIE, 2018).

Die Verordnung ĂŒber die Bildungsstandards (BGBl. II Nr 1, 2009) geht darĂŒber hinaus und definiert eingangs (BGBl. II Nr. 1/2009, zuletzt geĂ€ndert durch BGBl. II Nr. 185/2012) erstma-lig Bildungsstandards.

FĂŒr die berufsbildenden Schulen beschreibt die InformationsbroschĂŒre der Sektion Be-rufsbildung „Berufsbildende Schulen in Ös-

terreich” Bildungsstandards als „auf der Grundlage von Kompetenzmodellen erstell-te fachliche und fachĂŒbergreifende Kern-kompetenzen, die fĂŒr die weitere schulische Ausbildung von Bedeutung sind”. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeu-tung zur Vergleichbarkeit von Lernergebnis-sen auf einer europĂ€ischen Ebene betont (BMUKK, 2007, S. 47–48).

„In zwei Tagen um die Welt des kompeten-zorientierten Unterrichtens – eintauchen statt abtauchen” konnte man von 16.–17. November 2011. Dort hat Ursula Fritz (2011) das Kompetenzmodell fĂŒr die Berufsbildung dargestellt. Dabei erfolgt auch die Nennung des Taxonomiemodells von Anderson und Krathwohl (2001). Fritz stellt auch den Zusam-menhang mit dem EuropĂ€ischen und dem Nationalen Qualifikationsrahmen her, der ja auf den Deskriptoren der beiden Wissen-schaftler aufbaut.

Seither ist der kompetenzorientierte Unter-richt auf Bundesebene tatsĂ€chlich „abge-taucht” zugunsten anderer Themen. Wie wichtig die Auseinandersetzung damit aber ist und wie notwendig die PĂ€dagog_innen der berufsbildenden Schulen diese erach-ten, zeigen immer wiederkehrende Anfra-

KOMPETENZORIENTIERTES LEHREN, LERNEN UND PRÜFEN IN EINEM EUROPÄISCHEN KONTEXTFranz Heffeter

32| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

gen an die PĂ€dagogischen Hochschulen um schulinterne oder -ĂŒbergreifende Veran-staltungen.

Kompetenzmodelle als Basis fĂŒr Bildungsstrategien

Kompetenzerwerb spiegelt sich in der öster-reichischen Schule untrennbar mit den Bil-dungsabschlĂŒssen wider, allerdings in lange Zeit wenig reflektierter Form. Die Bedeutung fĂŒr die Ergebnismessung von Bildung be-schreiben Fleischer, Klieme, Kuper und Leut-ner (2013) pragmatisch als zentrale Voraus-setzung fĂŒr jegliches QualitĂ€tscontrolling im Bildungswesen.

Die eingangs zitierte Grunddefinition von Kompetenz(en) auf Basis der Forschungen des Entwicklungspsychologen Franz Weinert (Weinert, 2001) und der darauf fußenden deutschen Kompetenzforschung legt den Schwerpunkt auf den theoretischen Zugang und eine individuelle Messung von FĂ€higkei-ten. Dies gestaltet die Operationalisierung deutlich schwieriger, worauf auch Klieme (2006) verweist.

Das berufsbildende Schulwesen hat in der Fokussierung der Erarbeitung der berufsbe-zogenen Bildungsstandards auf die Bloom-sche Taxonomie und deren Weiterentwick-lung in den Interpretationen von Anderson und Krathwohl einen Ansatz gewÀhlt, der die Messbarkeit der ErgebnisqualitÀt in den Vordergrund stellt. Dies ist ein anderer Zugang, der von der Vordefinition zu errei-chender Kompetenzen ausgeht, den Grad der Zielerreichung misst und sich in der Kom-petenzdefinition der EuropÀischen Union durchgesetzt hat.

Fritz (2011) stellt folgerichtig auch den wich-tigen, allerdings wenig beachteten Bezug der operationalisierten Kompetenzmessung zum EuropĂ€ischen und (damals in Österreich noch lange in der Diskussionsphase befindli-chen) Nationalen Qualifikationsrahmen her.

In der Umsetzung der Entwicklung der Bil-dungsstandards haben die unter der Leitung von Fritz stehenden berufsbildenden Ar-beitsgruppen das Modell von Anderson und Krathwohl sehr konsequent angewendet.

Die schulartenspezifischen Definitionen fĂŒh-ren in den Dimensionen mit hohem Kreativi-tĂ€tsanteil zu unterschiedlichen Begriffen, die in den ErlĂ€uterungen jedoch deutlich hom-onym gesehen werden.

Überraschend ist jedoch, dass dieser öster-reichische Zugang zur modellhaften Kompe-tenzdarstellung lediglich fĂŒnf Dimensionen kennt und die Dimensionen 4 und 5 „Ana-lysieren” und „Interpretieren” der sechsteili-gen Bloomschen Taxonomie (Bloom, Engel-hart, Furst, Hill und Krathwohl, 1956) zu einer einzigen zusammenfĂŒgt.

Die Bloomsche Taxonomie fĂŒhrt im deutsch-sprachigen Raum allerdings generell eher ein Schattendasein. Umso höher ist es an-zurechnen, dass die Sektion Berufsbildung konsequent das Modell einsetzt und damit einen klaren Standard geschaffen hat. Im angloamerikanischen Lernforschungsraum wird das durch Anderson und Krathwohl (2001) weiterentwickelte Modell vor allem im universitĂ€ren Bereich fĂŒr ein kompetenz-

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Abbildung 1 (Fritz, 2011)

|33 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Lernergebnisse und Qualifikationsziele

Monika Auzinger und Karin Luomi-Messerer (2017) evaluieren in einer Studie des 3s labo-ratory den Stand der Lernergebnisorientie-rung in der österreichischen Berufsbildung. Sie attestieren gerade den LehrplĂ€nen der berufsbildenden höheren Schulen eine „voll-stĂ€ndige Lernergebnisorientierung” (Auzin-ger & Luomi-Messerer, 2017, S. 16). Dabei ist der Ansatz des von Jerome Bruner (1970) seit bereits 1960 entwickelten Spiralcurriculums in den meisten Schularten pĂ€dagogisches Prinzip geworden. In diesem Modell wird der

KOMPETENZORIENTIERTES LEHREN, LERNEN UND PRÜFEN IN EINEM EUROPÄISCHEN KONTEXTFranz Heffeter

orientiertes und problembasiertes Lernen und Lehren pragmatisch eingesetzt und so werden die Studierenden behutsam zur EigenstĂ€ndigkeit gefĂŒhrt (z.B. Armstrong P. oder APSNA’ Guidelines, 2018). In dieser Entwicklungsstufe wurde die Dimension der KreativitĂ€t in das Modell eingebracht und die qualitativ anspruchsvollsten beiden obersten Dimensionen getauscht (Ander-son & Krathwohl, 2001). Zudem wurden erst-mals „action verbs” verwendet, wie sie fĂŒr die Beschreibung von Lernergebnissen auf europĂ€ischer Ebene nicht nur fĂŒr MobilitĂ€-ten wesentlich sind (Anderson & Krathwohl 2001; Pohl, 1999). Dabei unterscheiden An-derson und Krathwohl die Dimensionen von Wissen und die kognitiven FĂ€higkeiten, die damit verbunden sind.

Abbildung 2 (Wilson, 2001)

Wissenserwerb durch das Aufgreifen bereits gelernter Inhalte (frĂŒher in Kreisen von Lehr-krĂ€ften gerne als „aufbauender Lehrstoff” bezeichnet) und durch das Anwenden auf höheren Ebenen kontinuierlich vertieft. So ist auch der Kompetenzerwerb in allen Dimen-sionen des Modells von Anderson und Krath-wohl auf allen Altersstufen und auf allen Stu-fen der intellektuellen Entwicklung möglich. Bruner (1970) fordert dafĂŒr die Anpassung der Lerninhalte in Form einer didaktischen Reduktion an die entwicklungs- und lernpsy-chologische Situation der Lernenden.

Die Orientierung zum Output/Ergebnis schu-lischen Lernens ist in den LehrplĂ€nen vorge-geben. Dies geschieht mit Hilfe von „action verbs”/”aktiven Verben” (Auzinger & Luomi-Messerer, 2017, S. 25), die sowohl internatio-nal gebrĂ€uchlich sind als auch jenen Begrif-fen entsprechen, welche die Expert_innen der Nationalagentur in ihren PrĂ€sentationen vermitteln, ersichtlich an den StandardprĂ€-sentationen des OEAD (2016–2018). Manch-mal erschweren unspezifische Verben („ver-stehen”, „sind sich bewusst”, „kennen”, 
) und Attribute („einfach”, „gehobene”, 
) die pĂ€dagogische Umsetzung. Auzinger und Luomi-Messerer (2017, S. 25) weisen auch auf die holistische Herangehensweise der LehrplĂ€ne hin, die hĂ€ufig nicht zwischen Kenntnissen und Fertigkeiten unterscheiden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Feststellbarkeit und der Definition des An-spruchsniveaus.

Der Nationale Qualifikationsrahmen und das Qualifikationsniveau der berufsbildenden höheren Schulen

Die Implementierung des NQR seit 2016 (Bun-desgesetz ĂŒber den Nationalen Qualifikati-onsrahmen – NQR-Gesetz – vom 15.03.2016, BGBl. I, 14/2016) fordert nachvollziehbare Ergebnisdefinitionen fĂŒr die Einordnung von Qualifikationen. Dies ist zwar im Schulwe-sen durch bereits erfolgte Einstufungen der dort erfolgenden formalen Qualifikationen

34| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

FĂŒr Niveau 5 fordert das Qualifikationsregis-ter hohe EigenstĂ€ndigkeit, selbststĂ€ndiges Erkennen von Problemen auch in unvorher-gesehenen Situationen selbststĂ€ndiges Re-cherchieren und das Herstellen von Quer-verbindungen, verbunden mit einer hohen ethischen Komponente der Reflexion ĂŒber das eigene Handeln und das von anderen (NQR Deskriptoren Niveau 5, 2017).

Die abschließenden PrĂŒfungen, also die Reife- und DiplomprĂŒfungen, haben sicher-zustellen, dass die Absolvent_innen berufs-bildender Schulen diese Anforderungen erfĂŒllen. Die durch den NQR gesetzten Stan-dards bedeuten aber nicht Maximalquali-fikationen, sondern Normalqualifkationen, also Niveaus und Kompetenzen, die jeder Absolvent und jede Absolventin zu erfĂŒllen hat. Dies soll die PrĂŒfungsstruktur in mehrfa-cher Hinsicht sicherstellen.

Ein wesentlicher Teilbereich, der das Qualifi-kationsniveau belegen kann, bedeutet die ErgebnisqualitĂ€t der Diplomarbeit. Diese selbststĂ€ndige Arbeit an einem Projekt hat in den letzten Jahren zu hervorragenden Er-gebnissen gefĂŒhrt.

Dem gleichen Anspruch folgen neben den zentral bzw. schulautonom festgelegten KlausurprĂŒfungen besonders die mĂŒndli-chen PrĂŒfungen. Dabei legt § 22 der PrĂŒ-fungsordnung fĂŒr die berufsbildenden Schulen fest, dass diese sowohl kompetenz-orientiert sein mĂŒssen als auch von einer Problemstellung auszugehen haben. Die Aufgabenstellung kann an höheren Schulen in voneinander unabhĂ€ngige Aufgaben mit Anforderungen fĂŒr Reproduktion, Transfer so-wie Reflexion und Problemlösung gegliedert sein (PrĂŒfungsordnung, 2012–2018, § 22 Z. 1).

Die Formulierungen lassen Interpretations-spielraum: Handelt es sich um eine oder um drei voneinander unabhĂ€ngige Aufgaben? Können oder mĂŒssen die Aufgaben in die in der Verordnung genannten drei Handlungs-

(jedoch noch immer nicht fĂŒr alle, so im Be-sonderen nicht fĂŒr AHS-AbschlĂŒsse) zumeist bereits geschehen, stellt aber fĂŒr die non-formalen (z.B. WIFI/BFI-Kurse, betriebsinterne Zertifikatsschulungen) sowie besonders fĂŒr die Validierung von informellen Qualifikati-onen eine erhebliche Herausforderung dar. Stephanie Mayer (2018) betonte seitens des BMBWF in der Keynote zur Österreichi-schen Validierungskonferenz die Bedeutung der Festlegung geeigneter Methoden und Instrumente fĂŒr die Nachvollziehbarkeit in der Dokumentation der Qualifikationen in diesen Bereichen. Diese mĂŒssen vergleich-bar und in ihren Unterschieden transparent erkennbar sein, also dem dargestellten An-spruch an Lernergebnisse entsprechen. Der Rat der EuropĂ€ischen Union unterstreicht das in der Neufassung der Empfehlung zur EQF-Richtlinie (2017).

Das Anforderungsprofil fĂŒr alle Niveaus des NQR gliedert sich in jeweils drei Bereiche: Wissen (Knowledge), Fertigkeiten (Skills) und Kompetenz (Competence).

Die berufsbildenden höheren Schulen qualifi-zieren ihre Absolvent_innen auf EQF-Niveau 5.

KOMPETENZORIENTIERTES LEHREN, LERNEN UND PRÜFEN IN EINEM EUROPÄISCHEN KONTEXTFranz Heffeter

Abbildung 3: Schirmmodell des NQR (NQR Österreichi-

sches Qualifikationsregister, 2017)

|35 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

KOMPETENZORIENTIERTES LEHREN, LERNEN UND PRÜFEN IN EINEM EUROPÄISCHEN KONTEXTFranz Heffeter

dimensionen gegliedert sein? Wo haben bei einer solchen Gliederung die Schwerpunk-te, sowohl inhaltlich als auch prĂŒfungszeit-lich, zu liegen?

Da in allen Schularten LehrkrĂ€fte Kom-petenzmodelle nur in geringem Umfang kennen (Sormann, 2011), gilt die Erstellung kompetenzorientierter PrĂŒfungsfragen all-gemein als schwierig. Dies fĂŒhrt dazu, dass im Rahmen der gesetzlichen PrĂŒfungszeit von mindestens zehn und maximal zwan-zig Minuten als Lösungsweg gerne ein Glo-balthema angesprochen wird, das dann in drei der Verordnung entsprechende Teilauf-gaben aufbereitet wird. In GesprĂ€chen mit prĂŒfenden LehrkrĂ€ften sehen diese hĂ€ufig die Problematik, dass man die Kandidat_in-nen zu den Lösungen „hinfĂŒhren” mĂŒsse, da diese andernfalls nicht voraussehbar (und damit in einem Erwartungskatalog abbild-bar) seien.

Die QualitĂ€t der Antworten bestimmt sich jedoch immer aus der Strukturiertheit und Problemlösungsorientiertheit der Aufgaben-stellungen. Die Entwicklung von Fallstudien (Cases) mit definiertem Lösungsauftrag, in dem die in der PrĂŒfungsordnung vorge-schlagenen Kompetenzbereiche ohne ex-plizite Nennung integriert und ein qualifizier-bares Ergebnis auf NQR-Niveau 5 impliziert wird, erscheint, wie erwĂ€hnt, noch nicht flĂ€-chendeckend ausgeprĂ€gt.

Wie können Kompetenzen festgestellt werden?

Die Ausgangssituation zeigt an den Schulen ein geringes Grundwissen ĂŒber Kompeten-zen an sich. In mehreren Fortbildungssemi-naren im Zusammenhang mit Spezifika der Didaktik der Berufsbildung oder zum Euro-pĂ€ischen QualitĂ€tssystem ECVET (European Credit System for Vocational Education and Training) konnte festgestellt werden, dass von 38 im Zuge von Plakatwanderun-gen zwischen 2015 und 2018 befragten

Personen lediglich sechs den Begriff NQR kannten und lediglich eine Person ĂŒber die Qualifizierungsanforderungen des Niveaus 5 Bescheid wusste.

Das Wissen zur praktischen Umsetzung von Theorien zum kompetenzorientierten Unter-richten erfordert derzeit trotz des Engage-ments der LehrkrĂ€fte noch umfangreiche Bildungsmaßnahmen (Auzinger & Luomi-Messerer, 2017).

Dazu ist es notwendig, dass LehrkrĂ€fte die geforderten Kompetenzen ĂŒber Inhalte operationalisieren. Spiral-Curricula geben dazu, wie bereits ausgefĂŒhrt, eine gute Ausgangsbasis. Operationalisierung der Kom petenzen erfordert zudem die Ausein-andersetzung damit, wie jeweilige Manifes-tationen von Kompetenzen stattfinden und messbar gemacht werden sollen. Im Zuge der EinfĂŒhrung des deutschen Bildungs-plans ab 2003 war dies ein wesentliches For-schungsthema.

Mathias Kessler und Gerhard Ziener (2004, S. 7–10) leiten allgemeine Deskriptoren aus der konkreten Umsetzung von Lehrplanin-halten ab. Die verwendeten Kategorien sind sowohl auf die österreichischen LehrplĂ€ne als auch im Besonderen auf die PrĂŒfungs-ordnung anwendbar und fĂŒr die praktische pĂ€dagogische Umsetzung hilfreich (vgl. Ab-bildung 4).

Der europĂ€ische Hintergrund der Kompe-tenzorientierung ist vielen LehrkrĂ€ften der-zeit noch nicht bewusst. Die Auseinander-setzung mit den Herausforderungen, die Lernergebnisse durch entsprechende Un-terrichtsformen und PrĂŒfungsgestaltung zu dokumentieren, muss konsequent betrieben werden und stellt eine Herausforderung fĂŒr eine systematische Weiterbildung fĂŒr Lehr-krĂ€fte und Schulaufsichtsorgane dar. Die Nutzung von europĂ€ischen MobilitĂ€tsmaß-nahmen (Validierung und Transfer) ist ein Bil-dungsziel.

36| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Problem-Based Learning als pÀdagogi-sches Konzept der Zukunft

Qualifizierung fĂŒr TĂ€tigkeiten auf NQR-Ni-veau 5 erfordert auf allen Ausbildungsstufen und in allen JahrgĂ€ngen auch einen darauf ausgerichteten Kompetenzerwerb. Selbst-stĂ€ndigkeit, Reflexion des eigenen Handelns und gemeinsames Entwickeln mĂŒssen mit dem Erwerb von Faktenwissen korrelieren. Frontalunterricht hat dafĂŒr beim notwendi-gen Erwerb von Grundlagen- und Fakten-wissen durchaus seine Bedeutung. Die Ziel-richtung muss aber ein problembasiertes Unterrichten sein. Problem-Based Learning als Unterrichtskonzept bietet einen konse-quenten Lernenden- und Team-orientierten Ansatz. WĂ€hrend es im Hochschulbereich und hier vor allem in der medizinischen Aus-bildung ausgehend von den Fallanalysen seit Langem auch curricular implementiert ist, erkennt Zumbach (2011), dass es in der

KOMPETENZORIENTIERTES LEHREN, LERNEN UND PRÜFEN IN EINEM EUROPÄISCHEN KONTEXTFranz Heffeter

Abbildung 4: Kessler und Ziener operationalisieren detailliert Kompetenzprofile fĂŒr die Messung des Unterrichts-

ertrags, hier bespielhaft fĂŒr die Dimensionen III und IV (Kessler & Ziener, 2004, S. 8)

österreichischen Lehr-Lern-Forschung „der-zeit noch ein Nischendasein” fĂŒhrt (Zum-bach, 2011, S. 7). Daran hat sich bis 2018 wenig geĂ€ndert, obwohl bereits Dorninger im Grundsatzpapier zum kompetenzorien-tierten Unterrichten in der Darstellung der Methoden kompetenzorientierten Unter-richtens deutlich auf die Möglichkeiten des selbsterfahrenden Lernens in Fallstudien (Cases, Problems) und die Erarbeitung im Team hinweist (nach Fritz, 2012, S. 8).

Die Lehrperson fungiert dabei als Coach und berĂ€t die Lernenden auf ihrem Weg der Erkenntnisgewinnung und der Selbstreflexi-on. Es handelt sich daher um eine vollstĂ€n-dig Lernenden-zentrierte Herangehenswei-se bei der Planung des Prozesses. Der Begriff des Unterrichts im klassischen Sinne entfĂ€llt. Die Lernenden haben selbst hohe Verant-wortung ĂŒber die Schritte, die zur Ergebnis-qualitĂ€t ihrer Arbeit fĂŒhren.

|37 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Problem-Based Learning (PBL) oder Prob-lemorientiertes Lernen (POL) kommt der kindgerechten Neugier am Erforschen von ZusammenhĂ€ngen sehr nahe. Problemori-entiert zu arbeiten erfordert in gewisser Wei-se Mut von den Lehrenden, da sie sich von der Ebene der klassischen Reproduktion zu-gunsten des Erkennens von ZusammenhĂ€n-gen deutlich entfernen. Dabei ist die Bereit-stellung von relevanten, kontext-bezogenen und lebensechten Situationen sowie von Ressourcen, Begleitung und Anleitung fĂŒr die Lernenden, bei der sie Wissenszusam-menhĂ€nge und ProblemlösungsfĂ€higkeiten entwickeln, essentiell (Mayo, Donnelly, Nash & Schwartz, 1993).

Die Ruhr-UniversitĂ€t Bochum stellt ihren Leh-renden eine umfangreiche Handreichung zur VerfĂŒgung, um sie zur Verwendung pro-blemorientierten und fallbezogenen Lehr-prozessen zu ermutigen und ihnen gleichzei-tig das entsprechende Handwerkszeug zu vermitteln. So könnte auch in Österreich ein Ansatz, aufbauend auf dem Grundlagen-papier von Dorninger (nach Fritz, 2012), auf den Studien von Zumbach (2011) und auf der Analyse zur Situation der Umsetzung des Arbeitens mit Lernergebnissen (Auzinger & Luomi-Messerer, 2017), erfolgen.

KOMPETENZORIENTIERTES LEHREN, LERNEN UND PRÜFEN IN EINEM EUROPÄISCHEN KONTEXTFranz Heffeter

Literatur

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Auzinger, M., & Luomi-Messerer, K. (2017). Umsetzung der Lernergebnisori-entierung in der österreichischen Berufsbildung – Status Quo. Wien: 3s research laboratory.

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Fritz, U. (Hrsg.). (2012). Kompetenzorientiertes Unterrichten an berufsbil-denden Schulen. Grundlagenpapier (5. Aufl.). Wien: Eigenverlag des BMUKK.

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Pohl, M. (1999). Learning to Think, Thinking to Learn. Models and Strategies to Develop a Classroom Culture of Thinking. Celtenham: Hawker Brownlow Education.

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Sormann, L. (2011). Umsetzung von Kompetenzmodellen im naturwissen-schaftlichen Unterricht. (unveröffentlichte Diplomarbeit). Karl-Fran-zens-UniversitÀt Graz. Abgerufen am 20.09.2017 von http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/2011_Diplomarbeit_Lisa_Sor-mann.pdf

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Zumbach, J. (2011). Problem Based Learning in Österreich. Eine Bestands-aufnahme. Salzburg: Eigenverlag UniversitĂ€t Salzburg.

38| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Entrepreneurship Education – das Mindset fĂŒr die Berufsbildung von heute!Elke Austerhuber

Ein zentraler Bestandteil in den LehrplĂ€nen der BMHS ist die Entrepreneurship Education. Es gilt, Jugendliche bereits wĂ€hrend ihrer Schulzeit mit einem „Entrepreneurial Mindset” aus-zustatten, um sie auf die verĂ€nderten Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten und sie zu KreativitĂ€t, Innovationsfreude, Einsatz- und Risikobereitschaft zu motivieren sowie fĂŒr das unter-nehmerische Denken und Handeln zu sensibilisieren, um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung verantwortungsbewusst mitzugestalten.

Entrepreneurship Education

Die Forcierung von Entrepreneurship hat auch die Kommission der EuropĂ€ischen Uni-on als SchlĂŒsselkompetenz der Zukunft (Key competences for lifelong learning, 2011) de-finiert. Dabei wird Entrepreneurship als Kom-petenz verstanden, die es ermöglicht, mit Initiative und Gestaltungswillen, KreativitĂ€t und Risikobereitschaft Ideen in die Tat umzu-setzen, unabhĂ€ngig ob dies im unternehme-rischen oder privaten Umfeld erfolgt.

Im Vergleich zum angloamerikanischen Raum gibt es im deutschsprachigen Raum ein differenziertes VerstĂ€ndnis ĂŒber Entrepre-neurship Education. „Handlungsorientierung ist das SchlĂŒsselkonzept fĂŒr die Entrepreneur-ship Education – hier steht das Lernen durch Erleben sowie selbst Erfahren im Mittelpunkt” (Stock, 2014, S. 2). Dabei gibt es laut Tramm & Gramlinger (2006) vier Dimensionen, die eine differenzierte Handlungsorientierung ermöglichen:

ïżœïżœ Entrepreneurship als unternehmerische bzw. wirtschaftliche SelbststĂ€ndigkeitïżœïżœ Intrapreneurship als berufliche SelbststĂ€n-digkeit, wobei nicht selbststĂ€ndige Perso-nen innerhalb eines Betriebes unterneh-merisch denken und handeln ïżœïżœ Selbstmarketing als eine Variante der beruflichen SelbststĂ€ndigkeit, wobei die Person das eigene Handeln und Tun re-flektiert, um sich weiterzuentwickeln und entsprechend zu vermarktenïżœïżœ Personale SelbststĂ€ndigkeit zur Förderung

von Autonomie und MĂŒndigkeit der Ler-nenden, um das eigene Leben aktiv, situ-ationsadĂ€quat und verantwortungsbe-wusst zu gestalten

Allen vier Dimension gemeinsam ist, dass Entrepreneurship Education Bildungspro-zesse erfordert, die „unternehmerische KreativitĂ€t, InnovationsfĂ€higkeit, Selbstwirk-samkeitsĂŒberzeugung, Leistungsmotivation, rationalen Umgang mit Risiko und Verant-wortungsbewusstsein fördern und die solche ökonomischen und ĂŒberfachlichen Kompe-tenzen vermitteln, die fĂŒr die Anbahnung, Realisierung und Reflexion unternehmeri-scher Initiative (Entrepreneurship) erforder-lich sind” (Kirchner & Loerwald, 2014, S. 39).

Entrepreneurship Education an den berufsbildenden Schulen

Das aktive (Er)Leben von Entrepreneurship Education ist den Salzburger berufsbilden-den Schulen ein großes Anliegen. Deshalb entschieden sich alle Salzburger Handels-akademien und einige humanberufliche Schulen an der Entrepreneurship-Zerti-fizierung seitens des BMBWF und des Impuls-zentrums fĂŒr Entrepreneurship Education teilzunehmen, um den Gedanken von e.e.si. (Entrepreneurship Education fĂŒr schulische Innovationen) in den Schulentwicklungs-prozess zu integrieren. Dabei verpflichten sich die Schulen entsprechend dem Trio-Modell der Entrepreneurship Education (Aff & Lindner, 2005) auf allen drei Ebenen aktiv zu sein:

ENTREPRENEURSHIP EDUCATION – DAS MINDSET FÜR DIE BERUFSBILDUNG VON HEUTE!Elke Austerhuber

|39 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Ebene eins, „Core Entrepreneurial Educa-tion”, umfasst die unternehmerische Quali-fikation im engeren Sinn. Dabei erfolgt der Erwerb von Kernkompetenzen fĂŒr die unter-nehmerische und berufliche SelbststĂ€ndig-keit.

Die Förderung einer Kultur der SelbststĂ€ndig-keit, der Offenheit fĂŒr Neues, der Empathie, der TeamfĂ€higkeit und der KreativitĂ€t, aber auch die Förderung einer Kultur von Risiko-bereitschaft und -bewusstsein ist die Zielset-zung der Ebene zwei.

Ebene drei, „Entrepreneurial Civic Educa-tion”, fördert die Kultur der MĂŒndigkeit, der Autonomie und der Verantwortung fĂŒr ge-sellschaftliche Themen, wobei insbesondere die ArgumentationsfĂ€higkeit, das Verant-wortungsbewusstsein und die Selbstreflexion in den Fokus rĂŒcken.

Entrepreneurship Education hat eine wichti-ge Querschnittsfunktion, da sie eine fĂ€cher-ĂŒbergreifende, ganzheitliche Dimension einnimmt und sich keinesfalls auf kaufmĂ€nni-sche FĂ€cher beschrĂ€nkt. Durch die Interdis-ziplinaritĂ€t werden Jugendliche auf die zu-kĂŒnftigen Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet. Neben Innova-

ENTREPRENEURSHIP EDUCATION – DAS MINDSET FÜR DIE BERUFSBILDUNG VON HEUTE!Elke Austerhuber

Abbildung 1: Trio-Modell (Aff & Lindner, 2005)

Bildquelle: http://www.youthstart.eu/de/approach/

tionsfreude, Employability sowie dem Erken-nen von Gelegenheiten (Opportunity Reco-gnition) sind es vor allem Risikobereitschaft, Eigenverantwortung, Durchsetzungswille, KreativitĂ€t, proaktive Handlungsbereitschaft, Offenheit, Problemlösungsorientiertheit, ver-netztes Denken und Agieren, Selbstbewusst-sein sowie Team- und KritikfĂ€higkeit, die fĂŒr eine erfolgreiche „Entrepreneurial Career” unabdingbar sind (Fritsch, 2016) und die in jedem Gegenstand gefordert und geför-dert werden können.

SchultypenĂŒbergreifende Entrepreneurship Education AktivitĂ€ten

FĂŒr die erfolgreiche Förderung der Entrepre-neurship Education bedarf es sowohl neuer Lehr- und LernzugĂ€nge als auch einer ak-tiven Partnerschaft mit der Wirtschaft. Am Institut fĂŒr Fort- und Weiterbildung, Sekun-darstufe II der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig, werden diesbezĂŒg-lich wichtige Impulse gesetzt, die diesem Prozess hin zur „Entrepreneurship-Schule” hilfreich zur Seite stehen und die Lehrer_in-nen-Professionalisierung unterstĂŒtzen.

Exemplarisch werden einige ausgewÀhlte Initiativen vorgestellt:

Junior-Companys – das erste eigene Unternehmen

Bei der Initiative „Junior Companys” haben SchĂŒler_innen die Möglichkeit, wĂ€hrend ei-nes Schuljahres ein reales Unternehmen zu grĂŒnden. Neben der Ideengenerierung, der Produktentwicklung, der Produktion und Fi-nanzplanung sowie der Vermarktung und dem Vertrieb der eigenen Produkte und Dienstleistungen gilt es auch die unterneh-merischen Herausforderungen in den Berei-chen Organisation und Leadership im Team zu meistern.

Salzburger Schulen stellen hierbei ein „Er-folgsmodell” dar, da neben zahlreichen Er-

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folgen im In- und Ausland auch schon so manche GeschĂ€ftsidee nach Ende des Junior-Jahres seitens der SchĂŒler_innen als Unternehmer_innen weitergefĂŒhrt wurde. Gerade diese interdisziplinĂ€re Form des Pro-jektunterrichts bedarf verĂ€nderter Lern- und LehrzugĂ€nge, deren Wissenstransfer bei spe-zifischen bundesweiten Fortbildungsveran-staltungen in Salzburg gewĂ€hrleistet ist.

Entrepreneurship.Days

Bei der schulartenĂŒbergreifenden Veran-staltung, den „Entrepreneurship Days” in Kooperation mit dem GrĂŒnderservice der Wirtschaftskammer Salzburg, haben SchĂŒ-ler_innen der AbschlussjahrgĂ€nge die Mög-lichkeit, sich mit UnternehmensgrĂŒnder_in-nen persönlich zu vernetzen und ihr bereits

ENTREPRENEURSHIP EDUCATION – DAS MINDSET FÜR DIE BERUFSBILDUNG VON HEUTE!Elke Austerhuber

Die Junior Company „Salzwerk” der HAK Hallein er-

hielt viele Auszeichnungen im In- und Ausland

Fotocredit: Neumayr

Debattier-Vize-Staatsmeisterin Laura K. (HAK Hallein)

Fotocredit: Mayrhofer

Debattiertag fĂŒr Westösterreich

WĂ€hrend er im anglo-amerikanischen Bil-dungswesen schon lange Tradition hat, so ist er noch eher unbekannt an Österreichs Schulen: der Debattierklub. Bei dieser in-terdisziplinĂ€ren Unterrichtsmethode geht es darum, dass die SchĂŒler_innen zu einem Thema Stellung nehmen, wertschĂ€tzend mit kontroversen Aussagen umgehen und ar-gumentativ ĂŒberzeugen. Die Teilnehmer_in-nen werden darauf sensibilisiert, Themen und Argumente in einer gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und philosophi-schen Auseinandersetzung kritisch zu disku-tieren. Bei der bundesweiten Veranstaltung „Debattiertag fĂŒr Westösterreich”, organi-siert vom Institut fĂŒr Fort- und Weiterbildung Sekundarstufe II der PĂ€dagogischen Hoch-schule Salzburg Stefan Zweig, waren mehr als einhundert Personen der berufsbilden-den Schulen anwesend, lernten diese Me-thode praktisch kennen und wurden als Multipaktor_innen fĂŒr die jeweiligen Schul-standorte ausgebildet.

Entrepreneurship.Days

Fotocredit: Neumayr

|41 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

vorhandenes Wissen rund um Entrepreneur-ship und UnternehmensgrĂŒndung zu erwei-tern. Zudem werden verschiedene GrĂŒn-derthemen in Teams bearbeitet, indem auf unterschiedliches Know-how von verschie-denen Schultypen zurĂŒckgegriffen wird. Da die von der BHAK/BHAS Hallein und der Mo-deschule Hallein erstmals initiierten Entrepre-neurship.Days großes Interesse hervorriefen, werden diese ab dem Schuljahr 2018/19 im gesamten Bundesland angeboten.

Neben den oben genannten Angeboten werden seitens der berufsbildenden Schu-len direkte Praxiskontakte mit Partnerunter-nehmen, Start-ups und Non-Profit-Organisa-tionen in Form von Unternehmensbesuchen, Business Lunches KamingesprĂ€chen, Ko-operationen im Rahmen der Übungsfirmen und in Hinblick auf Diplomarbeiten bzw. Abschlussprojekte etc. gepflegt. Die Teil-nahme an Debattierstaatsmeisterschaften, Businessplan- und Ideenwettbewerben, Entrepreneurship-Landes- und Staatsmeis-terschaften etc. stellen ebenso Fixpunkte im jĂ€hrlichen Entrepreneurship-Schulleben der SchĂŒler_innen dar.

Auch das Angebot im Bereich der Entrepre-neurship Education Lehrer_innenfortbildung an der PĂ€dagogischen Hochschule Salz-burg Stefan Zweig ist vielfĂ€ltig. Neben schul-internen Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Entrepreneurship Education, werden insbesondere Lehrveranstaltungen zu den Themen UnternehmensgrĂŒndung, Innova-tionsmanagement, Methodenkompetenz sowie Seminare zur Planung und Gestaltung von modernen Lehr- und Lernprozessen an-geboten und nachgefragt.

Fazit

In der sich immer rascher verĂ€nderbaren Welt ist es unerlĂ€sslich, sich bereits heute auf die Anforderungen von morgen einzu-stellen. Diese erfordern vernetzt denkende, eigenverantwortliche und verantwortungs-bewusst agierende Entrepreneur_innen und Intrapreneur_innen, die Wirtschaft und Gesellschaft aktiv mitgestalten. Durch das interdisziplinĂ€re schulische (Er)Leben von Entrepreneurship Education, durch die StĂ€r-kung bzw. die Weiterentwicklung der Persön-lichkeit und durch praxisnahes, projektorien-tiertes Lernen werden bereits wĂ€hrend der Schulzeit die Impulsgeber_innen fĂŒr die Ar-beitswelt von morgen nachhaltig gefördert.

ENTREPRENEURSHIP EDUCATION – DAS MINDSET FÜR DIE BERUFSBILDUNG VON HEUTE!Elke Austerhuber

Literatur

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42| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

NOST in Change! – Lost in Change?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und Praxis

Anton Lettner

Der Beitrag befasst sich zunĂ€chst mit den verĂ€nderten gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Ein-fĂŒhrung der Neuen Oberstufe (NOST). Nach einem Verweis auf relevante Theorien aus dem Bereich der Innovations- und Implementierungsforschung werden konkrete förderliche Faktoren zur Implementierung der NOST abgeleitet. Bevor abschließend die Frage nach der Zukunft der NOST gestellt wird, werden wichtige Umsetzungsmaßnahmen aus der Praxis von NOST-Schulen aufgezeigt.

Zum Status quo der NOST-EinfĂŒhrung

Bei der mit ihren Zielsetzungen und struktu-rellen Änderungen verbundenen Reform der Neuen Oberstufe handelt es sich um eine weitgreifende Innovation. Im Schuljahr 2017/18 waren bereits 53% der berufsbilden-den Schulen (185 Standorte) in Österreich in die Neue Oberstufe eingestiegen. Da-von wurden schon vorher 124 Standorte im Schulversuch als „Neue Oberstufe” gefĂŒhrt. UrsprĂŒnglich hĂ€tte die NOST mit Beginn des Schuljahres 2017/18 an allen mindestens dreijĂ€hrigen Oberstufenformen ab der 10. Schulstufe starten sollen. Nach heftiger Kri-tik von Eltern- und Lehrer_innen-Vertretung konnte der Start der NOST durch die Schul-standorte um ein bis zwei Jahre verschoben werden. Eine Gesetzesnovelle im FrĂŒhjahr 2018 rĂ€umte den Schulen noch einmal ei-nen weiteren Aufschub um bis zu zwei Jahre ein – also bis 2021/22. DarĂŒber hinaus konn-ten auch jene Schulen, die bereits vorher umgestellt hatten (26 der 345 AHS- bzw. 185 der 365 BMHS-Standorte), wieder aus der NOST „aussteigen”. Vor der weiterhin ange-strebten generellen EinfĂŒhrung im Schuljahr 2021/22 soll eine Evaluierung durch das Bun-desministerium fĂŒr Bildung, Wissenschaft und Forschung erfolgen.

Zur Begleitung der notwendigen Maßnah-men hinsichtlich der EinfĂŒhrung der NOST im Bereich der Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung ist es durchaus för-

derlich, einen Blick in den weiten Fundus des Innovationswissens zu werfen. Dies kann so manchen Schritt der Implementierung der NOST samt Individueller Lernbegleitung fĂŒr Agierende der Schulentwicklung am Schul-standort oder fĂŒr Verantwortliche im Rah-men der Fort- und Weiterbildung erleichtern. Da der Umfang der Forschungen und Pub-likationen in diesem Bereich sehr umfang-reich ist, wird hier nur eine Auswahl an Pub-likationen erwĂ€hnt, die fĂŒr Verantwortliche der NOST-Implementierung als hilfreiche Orientierung dienen können. Sie sind aber auch Ausgangsbasis fĂŒr die weiter unten abgeleiteten förderlichen Faktoren zur Ein-fĂŒhrung der NOST.

Einen Überblick zu den verschiedenen Ein-flussfaktoren auf Innovationserfolge bieten die „Gelingensbedingungen fĂŒr Innova-tionen in Schulen in Anlehnung an eine Architektur der Schule als Lernende Or-ganisation” von Holtappels (2013, S. 57). Er unterteilt die Gelingensbedingungen fĂŒr Innovationen in die drei Dimensionen: (1) Vision und Motivation, (2) Infrastruktur der Innovation und (3) Innovationsstrategi-en und -verfahren. Diese drei Dimensionen sind mit konkreten inhaltlichen Komponen-ten gefĂŒllt und erweitert (Holtappels, 2010, S. 102–03).

Altrichter und Wiesinger (2005) haben eine Übersicht ĂŒber förderliche und hinderliche Faktoren bei der Implementierung von Inno-

NOST IN CHANGE! – LOST IN CHANGE?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und PraxisAnton Lettner

|43 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

vationen vorgelegt. Sie haben diese in die vier Bereiche (1) Charakteristika der Inno-vation selbst, (2) Charakteristika des lokalen Kontexts, (3) Politik, Zentralverwaltung und externe Agenturen und (4) Organisation eingeteilt. Goldenbaum (2013) teilt die Ein-flussfaktoren auf die Implementation schuli-scher Innovationen in die vier Ebenen (1) In-novation, (2) LehrkrÀfte, (3) Einzelschule und (4) Schulsystem ein.

Altrichter und Wiesinger (2005) haben auch aufgezeigt, dass Implementierung nicht – wie in der Praxis leider noch sehr oft ange-nommen – punktuelle Umsetzung ab einem bestimmten Termin bedeutet. Es handelt sich vielmehr um einen lĂ€ngeren Entwick-lungsprozess, in dem die Neuerung erst „ge-macht” wird. „Implementation ist also ein

ïżœïżœ komplexer (d.h. unter vielfachen Bedin-gungen und Wechselwirkungen stehen-der)ïżœïżœ Prozess (d.h. er erstreckt sich in der Zeit)ïżœïżœ des Lernens auf verschiedenen Ebenen (d.h. individuelle Lernprozesse werden von ïżœïżœ Gruppenlernprozessen und organisati-onalem Lernen ergĂ€nzt, das nach einer VerĂ€nderung relevanter Strukturen, Pro-zesse und Kulturen strebt); ïżœïżœ der zu (partiell) neuen Kompetenzen, Ein-stellungen, Praktiken und IdentitĂ€ten der AkteurInnen ïżœïżœ und neuen Strukturen der betroffenen Organisationen fĂŒhrt, undïżœïżœ in dem sich Phasen der Forschung, Ent-wicklung und ‚Anwendung’ nicht streng unterscheiden lassen” (Altrichter & Wie-singer, 2005, S. 34).

Auch GrĂ€sel und Parchmann (2004) nennen Kriterien fĂŒr den Erfolg einer Implementati-on und leiten aus den Strategien fördernde und hemmende Einflussfaktoren auf den Prozess ab. Hameyer (Hameyer, 2014) zeigt eine detaillierte Landkarte zum Innovations-wissen auf und bietet einige SchlĂŒsselbefun-de, die fĂŒr Innovationsprozesse bedeutsam

sind. Folgend sollen aus den Erkenntnissen der erwĂ€hnten Arbeiten mögliche förder-liche Faktoren fĂŒr die Implementierung der NOST abgeleitet werden.

Förderliche Faktoren fĂŒr die Implementierung der NOST

1. Um zu frĂŒhe RĂŒckschlĂŒsse auf die Inno-vation NOST verhindern zu können, muss das grundsĂ€tzliche Wissen um den Pro-zess einer Innovation verdeutlicht wer-den. Der Innovationsprozess als Phasen-modell nach Giaquinta (Holtappels, 2013, S. 52) besteht aus den drei Phasen der 1. Initiation, der 2. Implementation und der 3. Institutionalisierung. Da die einzelnen BMHS in Österreich zu unterschiedlichen Terminen mit der NOST starteten oder noch starten werden, befinden sich die Schulen auch in unterschiedlichen Pha-sen mit einem jeweils unterschiedlichen Erfahrungsstand. Ja sogar innerhalb einer Schule können SchĂŒler_innen, Eltern und Lehrer_innen in unterschiedlichen Pha-sen dieses Prozesses lokalisiert werden, da die NOST aufsteigend eingefĂŒhrt wird und nicht immer alle Klassen von den Neuerungen der NOST betroffen sind. Hier gilt es vor allem einen schulinternen und schulĂŒbergreifenden Erfahrungsaus-tausch und Wissenstransfer zu gewĂ€hr-leisten. Innovationen brauchen Zeit und Zuversicht (Hameyer, 2014, S. 56).

2. Ein wichtiger Faktor fĂŒr die Implementie-rung der NOST ist die Dimension der „Vi-sion und Motivation” (Holtappels, 2013, S. 56). Am Schulstandort mĂŒssen ein po-sitives Innovationsklima und eine Inno-vationsbereitschaft geschaffen werden. Gerade die Ergebnisse der Implemen-tationsforschung zeigen immer wieder auf, dass Einstellungen der LehrkrĂ€fte gegenĂŒber Innovation und Überzeugun-gen fĂŒr die Umsetzung der VerĂ€nderung entscheidend sind (GrĂ€sel & Parchmann, 2004, S. 203).

NOST IN CHANGE! – LOST IN CHANGE?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und Praxis

Anton Lettner

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3. Jede Systemreform ist auf die Handeln-den der verschiedenen Ebenen des Mehrebenensystems Schule angewie-sen. Sie mĂŒssen die Reformidee anderer Akteurinnen und Akteure erst verstehen, dann weiterdenken und handlungs-mĂ€ĂŸig konkretisieren (Altrichter & Helm, 2013, S. 24). Diese notwendige „Rekon-textualisierung” birgt nicht nur die Ge-fahr, dass wesentliche Elemente einer Neuerung verloren gehen, sondern bie-tet auch die große Chance, dass Leh-rer_innen aufgrund eines erkennbaren möglichen eigenen Handlungsspielrau-mes der Innovation positiv gegenĂŒber-stehen. In der Praxis ist erkennbar, dass Schulstandorte unter Einhaltung der gleichen gesetzlichen Vorgaben unter-schiedliche Strategien und Umsetzungs-maßnahmen verfolgen. Diese hĂ€ngen meist von der Konstellation der Akteu-rinnen und Akteure am Schulstandort, von der Schulkultur und -tradition usw. ab. GrĂ€sel und Parchmann (2004, S. 204) stellen fest, dass die Lehrer_innen Inno-vationen gegenĂŒber aufgeschlossener sind, wenn sie die Möglichkeit sehen „die Vorgaben an ihr soziales Umfeld und die spezifischen Bedingungen der Klas-sen anzupassen” (Hameyer, 2014, S. 56), somit ist auch der Mehrwert ein wichti-ges Konstrukt von Innovationsprozessen. Bei Innovationen wird dieser oft von Lehrer_innen erwartet und dient dann auch als Gegenstand eines Bewertungs-prozesses. Der Mehrwert ist aber nicht immer direkt erkennbar und unterliegt je nach Sicht einer anderen Wertigkeit. Hier kann durchaus auch die Frage ge-stellt werden, ob es in der öffentlichen Diskussion zur NOST bisher gelungen ist, diesen Mehrwert transparent zu machen (Verdichtung der LernaktivitĂ€t bei SchĂŒ-ler_innen, Steigerung wirksamen Lernens, StĂ€rkung der Eigenverantwortung der SchĂŒler_innen, Förderung eines lernak-tivierenden Prozesses, ĂŒberschaubare kleinere „Lernpakete” fĂŒr die Semester-

prĂŒfungen, Ver minderung von Schulstu-fenwiederholungen usw.).

4. Auch ein Blick in die Organisationspsy-chologie und in das Change Manage-ment, speziell in die Phasenmodelle von VerĂ€nderungsprozessen, kann hier sehr hilfreich sein (Werther & Jacobs, 2014, S. 50–54). Beachtet werden muss, dass sich – wie unter Punkt 1 bereits erwĂ€hnt – in-nerhalb eines Lehrkörpers Kolleg_innen in unterschiedlichen Phasen der VerĂ€n-derung befinden. Dies kann zur Folge haben, dass zum jeweiligen Zeitpunkt unterschiedlichste BedĂŒrfnisse durch die Kolleg_innen artikuliert werden. WĂ€hrend die eine Gruppe noch Grundinformation benötigt, brauchen andere Kolleg_innen mehr Kommunikation, Austausch und Best-Practice-Beispiele, andere Kolleg_in-nen wiederum sind einige Schritte weiter und rufen nach speziellen Fortbildungs-angeboten oder verlangen bereits eva-luierende Maßnahmen. Hinzuweisen ist hier auch auf die Bedeutung des Wider-stands in VerĂ€nderungsprozessen. Dieser muss professionell als wertvoll erachtet werden, da er auf mögliche Unsicherheit oder auf mangelnde Information ĂŒber das Neue hinweisen kann (Hameyer, 2014, S. 55). Auf Widerstand muss auf je-den Fall mit VerstĂ€ndigung und weiterer Reflexion geantwortet werden, andern-falls besteht die Gefahr, dass sich der Wi-derstand emotional verschĂ€rft und, wie mittlerweile bei der NOST auch eingetre-ten, innovationshemmend wirkt.

5. Eine wichtige Rolle spielt bei der Imple-mentierung natĂŒrlich auch die Schullei-tung. Schulleitungen tragen zur positiven Implementierung wesentlich bei, wenn sie eine aktive Rolle als „facilitator of change” einnehmen (Altrichter & Wie-singer, 2005, S. 33). Sie haben sogar eine SchlĂŒsselrolle, weil ihre UnterstĂŒtzung Aus-wirkungen auf die Einstellungen und die Akzeptanz von VerĂ€nderungen in der ge-

NOST IN CHANGE! – LOST IN CHANGE?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und PraxisAnton Lettner

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samten Schule hat (GrÀsel & Parchmann, 2004, S. 203).

6. Der Fort- und Weiterbildung kommt eine bedeutsame Aufgabe in der UnterstĂŒt-zung aller Angebote im Bereich der Ini-tiation der Innovation (Information, Mo-tivation, Problemanalyse, Überzeugung) zu. Sie muss zusĂ€tzlich zur Implementation Ressourcen bereitstellen, Multiplikator_in-nen und SchlĂŒsselpersonen qualifizieren, Realisierungsoptionen sichtbar machen (Best-Practice-Beispiele), Beratung und Training anbieten (Altrichter & Wiesinger, 2005, S. 30). Da Implementierung ein lang-fristiger Prozess ist, mĂŒssen auch Fort- und Weiterbildung langfristig als flankierende Maßnahmen angeboten werden.

Konkrete Umsetzungsmaßnahmen

Vor dem Einstieg in die Neue Oberstufe setz-ten die berufsbildenden Schulen folgende Maßnahmen im Bereich der Schul- und Un-terrichtsentwicklung:

ïżœïżœ Professionalisierung des Lehrkörpers in Be- zug auf die kompetenzorientierten, seme-strierten LehrplĂ€ne, Festlegung der „nicht- kompensierbaren wesentlichen Bereiche” des Lehrplans innerhalb der Fachgruppenïżœïżœ Vertiefung der Kenntnisse zum kompe-tenzorientierten Lehren und PrĂŒfen in Ab-stimmung mit der nach wie vor weiterhin gĂŒltigen Leistungsbeurteilungsverord-nung (LBVO)ïżœïżœ Schaffung von Zeitfenstern fĂŒr die Durch-fĂŒhrung der Individuellen Lernbegleitung (ILB) innerhalb der KlassenstundenplĂ€neïżœïżœ Planung von schulstandortspezifischen AblĂ€ufen fĂŒr die DurchfĂŒhrung der Be-ratungsgesprĂ€che zur Betrauung nach § 55c SchUG (z.B. telefonische Benach-richtigung der Erziehungsberechtigten, Nutzung des Elternsprechtags, Betrauung in Anwesenheit der Eltern, DurchfĂŒhrung von eigenen „ILB-Konferenzen” nach Ausgabe der FrĂŒhwarnungen)

ïżœïżœ Schaffung von „PrĂŒfungsfenstern” fĂŒr die DurchfĂŒhrung der SemesterprĂŒfungen und Entwicklung eigener Formulare zur Administrierung der SemesterprĂŒfungenïżœïżœ Information der Schulgemeinschaft an den Schulstandorten (z.B. Elternaben-de fĂŒr die SchĂŒler_innen der 9. Schulstu-fe am Ende des Schuljahres/zusĂ€tzlich noch einmal am Beginn der 10. Schulstu-fe, Einbindung des SGA, PrĂ€sentationen am Tag der offenen TĂŒr, PrĂ€sentation der NOST und ILB auf der Schulwebsite usw.)ïżœïżœ Professionalisierung der Kolleg_innen in der Anwendung der Schulverwaltungs-software „Sokratesâ€ïżœïżœ Ausbildung von Individuellen Lernbeglei-ter_innen an den PĂ€dagogischen Hoch-schulenïżœïżœ Bereitstellung von RĂ€umen fĂŒr die Durch-fĂŒhrung der ILB sowie die Anschaffung entsprechender Materialien und von Li-teratur fĂŒr die praktische Arbeit in der ILBïżœïżœ Ausarbeiten von Möglichkeiten zur sinn-vollen Gestaltung eines Wiederholungs-jahres durch Repetent_innen der NOSTïżœïżœ Ermöglichung der neuen Elemente der Begabungsförderung in der NOST am Schulstandort (SemesterprĂŒfung ĂŒber noch nicht besuchte Unterrichtsgegen-stĂ€nde (§ 23b SchUG), Überspringen ein-zelner UnterrichtsgegenstĂ€nde (§ 26b SchUG), zeitweise Teilnahme am Unter-richt in einzelnen UnterrichtsgegenstĂ€n-den in einem höheren als dem besuch-ten Semester (§ 26c SCHUG) und die Möglichkeit der vorgezogenen TeilprĂŒ-fung im Rahmen der abschließenden PrĂŒfungen (§ 36 Abs. 3 SchUG))

Fazit

Die berufsbildenden Schulen (BMHS) neh-men bei der Implementierung der NOST eine Vorreiterrolle im österreichischen Schulwe-sen ein und gewÀhrleisten dadurch einen wertvollen Erfahrungstransfer in jene Schu-len, die in den folgenden Schuljahren mit der Neuen Oberstufe beginnen werden. Erst

NOST IN CHANGE! – LOST IN CHANGE?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und Praxis

Anton Lettner

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nach der vom Ministerium angekĂŒndigten Evaluierung und den angedeuteten gesetz-lichen Änderungen bis zum generellen Start der NOST 2021/22 wird sich zeigen, inwieweit die ursprĂŒngliche Idee und Vision der NOST tatsĂ€chlich verwirklicht wird. Erst dann wird sich auch herausstellen, ob die BemĂŒhun-gen der BMHS als „Driver of Change” erfolg-reich waren. „NOST in change!” kann also schon jetzt als RealitĂ€t angesehen werden. Die professionelle Begleitung durch die PĂ€-dagogischen Hochschulen will auch wei-terhin gewĂ€hrleisten, dass es fĂŒr die NOST-Schulstandorte zu keinem „Lost in change?” kommt.

NOST IN CHANGE! – LOST IN CHANGE?Anmerkungen zur Implementierung der Neuen Oberstufe (NOST) aus Theorie und PraxisAnton Lettner

Literatur

Altrichter, H., & Helm, C. (2013). Schulentwicklung und Systemreform. In H. Altrichter, & C. Helm (Hrsg.), Akteure und Instrumente der Schulent-wicklung. Band 7 der Reihe Professionswissen fĂŒr Lehrerinnen und Lehrer (S. 13–5). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Altrichter, H., & Wiesinger, S. (2005). Implementation von Schulinnovationen – aktuelle Hoffnungen und Forschungswissen. journal fĂŒr schulent-wicklung, 9(4), 28–36.

Goldenbaum, A. (2013). Implementation von Schulinnovationen. In H. RĂŒ-rup, & I. Bormann (Hrsg.), Innovationen im Bildungswesen. Analytische ZugĂ€nge und empirische Befunde (S. 149–72). Wiesbaden: VS.

GrĂ€sel, C., & Parchmann, I. (2004). Implementationsforschung – oder: der steinige Weg, Unterricht zu verĂ€ndern. Unterrichtswissenschaft 32(3), 196–214.

Hameyer, U. (2014). Innovationswissen – wirksame Schulentwicklung im System der Praxis. In H.G. Holtappels (Hrsg.), Schulentwicklung und Schulwirksamkeit als Forschungsfeld. TheorieansĂ€tze und Forschungs-erkenntnisse zum schulischen Wandel (S. 49–74). MĂŒnster: Waxmann.

Holtappels, H. G. (2010). Schule als lernende Organisation. In T. Bohl, W. Hel-sper, H.G. Holtappels, & C. Schnelle (Hrsg.), Handbuch Schulentwick-lung (S. 99–105). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Holtappels, H. G. (2013). Innovation in Schulen – TheorieansĂ€tze und For-schungsbefunde zur Schulentwicklung. In H. RĂŒrup, & I. Bormann (Hrsg.), Innovationen im Bildungswesen. Analytische ZugĂ€nge und empirische Befunde (S. 45–69). Wiesbaden: VS.

Werther, S., & Jacobs, C. (2014). Organisationsentwicklung – Freude am Change. Berlin: VS.

|47 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

von analytischen, motivationalen und so-zialen FĂ€higkeiten, wie sie das Konzept der Gestaltungskompetenz (De Haan, 2008) vorschlĂ€gt. Das Konstrukt der Gestaltungs-kompetenz wird anhand von zehn Teilkom-petenzen konkretisiert, dazu zĂ€hlen etwa die FĂ€higkeiten: weltoffen Wissen aufzubau-en, an Entscheidungsprozessen teilzuhaben oder Empathie zeigen zu können (De Haan, 2008, S. 32). Diese Kompetenzen leiten sich aus Prinzipien einer humanistischen Bildung ab. Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung (BNE) im beruflichen Umfeld steht damit vor der Herausforderung, eine BrĂŒcke zu span-nen zwischen der umsetzungsorientierten Qualifizierung fĂŒr konkrete Aufgaben sowie Problemstellungen und einer nicht-instru-mentellen, den Prinzipien der HumanitĂ€t ver-pflichteten Bildung. Dies fĂŒhrt zu folgender Fragestellung: Wie kann der Erwerb konkre-ter beruflich erforderlicher Fertigkeiten mit dem Erwerb von Gestaltungskompetenz im Sinne der BNE verknĂŒpft werden?

Zur Implementation von Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung

FĂŒr die Berufsbildung und insbesondere fĂŒr die Qualifizierung von LehrkrĂ€ften fĂŒr das berufsbildende Schulwesen stellt die kon-krete Implementation der Bildung fĂŒr Nach-haltige Entwicklung eine große Herausfor-derung dar. GemĂ€ĂŸ der österreichischen Strategie zur BNE „... geht es nicht bloß dar-um, Anliegen und Inhalte [...] didaktisch auf-

Nachhaltigkeit und Berufsbildung: GrĂŒne PĂ€dagogik als didaktische LeitlinieAngela Forstner-Ebhart, Wilhelm Linder

Das Konzept der GrĂŒnen PĂ€dagogik zielt darauf ab, beruflich Lehrende in ihrer Handlungs-kompetenz hinsichtlich des Nachhaltigkeitsgedankens zu sensibilisieren und didaktisch bei der Planung von Unterrichtsarrangements im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu unterstĂŒt-zen. Die Ausrichtung von Berufsbildungsunterricht an den Zielen der Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung (BNE) erfordert von Lehrpersonen besondere didaktische Strategien, da die Ausei-nandersetzung mit globalen Problemen von KomplexitĂ€t und WidersprĂŒchlichkeit geprĂ€gt ist. Lehrpersonen stehen vor der Herausforderung, Lerngelegenheiten im Unterricht zu schaffen, die Lernende auf zukĂŒnftige ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen vorbereitet.

Nachhaltigkeit als Herausforderung fĂŒr die Berufsbildung

„Nachhaltigkeit ist zuallererst die BekrĂ€fti-gung der Leitidee einer demokratisch ver-fassten Gesellschaft vor dem Hintergrund der neuen historischen Herausforderungen, insbesondere der ökologischen GefĂ€hrdun-gen” (Minsch, 2003, S. 10). Nachhaltige Ent-wicklung erfordert im beruflichen Umfeld konkrete, messbare Zielsetzungen und Maß-nahmen. GemĂ€ĂŸ der EU-Richtlinie 2014/95 von 2014 sind seit 2017 Großbetriebe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflich-tet, Compliance-Richtlinien fordern lĂ€ngst auch kleine Unternehmen dazu auf. Damit werden die Erstellung von Materialanalysen, die Bewertung von Energiesparpotenzialen oder die Planung und Gestaltung gesund-heits- und sozialvertrĂ€glicher Arbeitsprozes-se verpflichtend. Die dafĂŒr notwendigen technischen Kompetenzen sowie die damit verbundenen Prozess- und Management-fĂ€higkeiten sind wesentliche Elemente be-ruflicher Bildung und konkretisieren die Um-setzung von nachhaltiger Entwicklung auf betrieblicher Ebene.

Allerdings ist nachhaltige Entwicklung kein Transferprogramm von bekannten Kon-zepten in die Praxis: Vielmehr besteht das fundamentale Problem darin, dass Zu-kunftsprognosen von zahlreichen Variablen beeinflusst werden. Nachhaltige Entwick-lung erfordert daher auch die Entwicklung

NACHHALTIGKEIT UND BERUFSBILDUNG: GRÜNE PÄDAGOGIK ALS DIDAKTISCHE LEITLINIEAngela Forstner-Ebhart, Wilhelm Linder

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zubereiten [...], sondern Bildung fĂŒr nachhal-tige Entwicklung erfordert, dass sich Bildung selbst weiterentwickelt” (BMLFUW, 2008, S. 16). Folgerichtig wurde Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung auch nicht als eines von meh-reren Unterrichtsprinzipien implementiert, sondern als Leitprinzip zur Weiterentwicklung von Bildung selbst.

BNE erfordert ein didaktisches Konzept im Umgang mit komplexen Problemstellungen und kontroversen Themen, die unterschied-liche Perspektiven deutlich machen und systemisches Denken fördern. Dies thema-tisiert auch die angesprochene österrei-chische Strategie BNE: Sie hĂ€lt fest, dass fĂŒr die Berufsbildung die Integration nachhal-tiger Sichtweisen eine besondere Heraus-forderung darstellt, und empfiehlt, die not-wendigen Aushandlungsprozesse zwischen Umweltaspekten, sozialen Anliegen und wirt-schaftlichen Interessen als wichtige Lerner-fahrungen zu nĂŒtzen (BMLFUW, 2008, S. 17).

Das didaktische Konzept der GrĂŒnen PĂ€da-gogik zielt darauf ab, BNE zu konkretisieren. Es stellt den Anspruch, berufliche Hand-lungskompetenz mit Gestaltungskompetenz im Sinne von De Haan (2008) zu verknĂŒpfen. Nachstehend soll anhand der Darstellung des Konzeptes der GrĂŒnen PĂ€dagogik die-se VerknĂŒpfung auf Basis systemisch-konst-ruktivistischer Leitlinien (Arnold, 2012; Reich, 2005) beleuchtet werden.

Legitimation von Inhalten

Ein der BNE verpflichteter Unterricht erfordert die Auseinandersetzung mit globalen Prob-lemen. Das wirft die Frage nach Kriterien fĂŒr die Auswahl der Inhalte auf. Die Notwendig-keit der Legitimation von Unterrichtsinhal-ten findet sich in der bildungstheoretischen Didaktik nach Klafki (1995, S. 12). Die Frage nach der Gegenwarts- und Zukunftsbedeu-tung von Themen ist nachhaltigem Unter-richt immanent und bildet somit auch eine theoretische Grundlage der GrĂŒnen PĂ€da-

gogik. Die didaktische Analyse des bildungs-theoretischen Modells nach Klafki wurde in Folge um gesellschaftskritische Perspektiven erweitert als kritisch-konstruktives Modell (Klafki, 1995, S. 12). Es bildet das didaktische Planungsfundament eines Unterrichts, der sich SchlĂŒsselproblemen widmet und zum Ziel hat, Lernende zu Mitbestimmung, Soli-daritĂ€t und Eigenverantwortung heranzubil-den.

SchĂŒler_innen mit gesellschaftlichen SchlĂŒs-selproblemen zu konfrontieren, erfordert von der Lehrperson eine didaktische Reduktion. Themen sind entsprechend der Zielgruppe einer didaktischen Passung zu unterziehen, um Betroffenheit bei den Lernenden zu evo-zieren, die zu Partizipation und Reflexion auf-fordert. Autonomiefördernde Aufgaben, die eine grĂ¶ĂŸtmögliche Passung zwischen den lernseitigen BedĂŒrfnissen und den fachli-chen Anforderungen herstellen, sind nach Kater-WettstĂ€dt (2015, S. 270) voranzutrei-ben. Die Verwendung von offenen, vielfach sogar kontroversen Inhalten – gerade an der Schnittstelle zwischen Umwelt und Wirt-schaft – hat sich zu einem charakteristischen Element GrĂŒner PĂ€dagogik entwickelt.

Zur Relevanz von Vorstellungen der Lernenden

Die Bearbeitung von Problemstellungen in Lernarrangements zu Nachhaltigkeitsthe-men setzt die BerĂŒcksichtigung von Vorstel-lungen der Lernenden voraus, hier bietet das Konzept der didaktischen Rekonstrukti-on nach Kattmann, Duit, Gropengießer und Komorek (1997, S. 5) eine theoretische Basis. Neben der „fachlichen KlĂ€rung” und der „didaktischen Strukturierung” stellt das „Er-fassen von SchĂŒlervorstellungen [sic]” ein wesentliches Element im BeziehungsgefĂŒge dieser Teile dar.

Das Erheben der Lerner_innen-Perspektiven, ihrer lebensweltlichen Vorstellungen und deren In-Bezug-Setzen mit wissenschaftli-

NACHHALTIGKEIT UND BERUFSBILDUNG: GRÜNE PÄDAGOGIK ALS DIDAKTISCHE LEITLINIEAngela Forstner-Ebhart, Wilhelm Linder

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soziale Interaktion im Sinne einer Ko-Konst-ruktion gelernt wird.

Systemisches Denken und MehrperspektivitÀt

Themen der Nachhaltigkeit sind aufgrund globaler ökologischer Herausforderungen, dynamischer MĂ€rkte und sozialer Entwick-lungen von hoher KomplexitĂ€t. Oftmals las-sen Entscheidungen Dilemma-Situationen entstehen. Rost (2002, S. 8) beschreibt die Auseinandersetzung mit polyvalenten Ent-scheidungssituationen als besondere Her-ausforderung der BNE. Auch in der Berufs-welt treten immer mehr Fragestellungen in Bezug auf Nachhaltigkeit auf, die nicht durch lineare Handlungsempfehlungen sim-plifiziert werden sollten. Problemstellungen sind aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und in sprachlichen Aushand-lungsprozessen zu diskutieren. Mehrperspek-tivitĂ€t ist als Grundlage fĂŒr das AbwĂ€gen in polyvalenten Entscheidungsprozessen zu se-hen.

Um Strukturen und Prozesse in ihrer Ganz-heitlichkeit beleuchten zu können, ist der Erwerb von Systemkompetenz zentral. Die-se umfasst „Grundhaltungen, Wissen, Hand-lungs- und Methodenkompetenz ĂŒber das Wirksamwerden von Prinzipien der System-wissenschaften (z.B. RĂŒckkopplung, Nicht-linearitĂ€t, Selbstorganisation)” (Kriz, 2000, S. 13). Einflussfaktoren und Beziehungen sind darzustellen, um systemische Zusammen-hĂ€nge, Wechselwirkungen, RĂŒckkopplun-gen und langfristige Wirkungen zu erkennen. Modelle und Planspiele wie „Fishbanks oder Keep Cool” (Stroh, 2017, S. 93–94) unterstĂŒt-zen dabei, indem SystemverĂ€nderungen er-lebbar werden.

Irritation und Selbstreflexion

Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung will neue DenkrĂ€ume eröffnen. Wenn Lernende mit neuen Inhalten konfrontiert werden, wer-

chen Konzepten sind Herausforderungen von besonderer Relevanz. Vorstellungen der Lernenden, die im Kontext der persönlichen Überzeugungen fĂŒr die jeweilige Person ko-hĂ€rent und stimmig sind (Kattmann et al., 1997, S. 6), werden nicht nur von der didakti-schen Strukturierung und fachlichen KlĂ€rung beeinflusst, sondern beeinflussen ihrerseits diese maßgeblich. Eine Offenlegung dieser Perspektiven ist somit notwendig. Die Aus-einandersetzung mit einem Thema wird fĂŒr SchĂŒler_innen erst relevant, wenn es ihren Erfahrungshorizont erreicht.

Lernende ‚dort abzuholen, wo sie stehen’ bedeutet nicht nur einen Bezug zur Lebens-welt herzustellen, es erfordert auch, Lern-umgebungen zu schaffen, in denen eige-ne Vorstellungen geĂ€ußert werden dĂŒrfen (Forstner-Ebhart, 2018, in Druck). SchĂŒler_in-nen im Unterricht Möglichkeiten zu bieten, um Stellung zu beziehen, privates und po-litisches Handeln zu diskutieren, lĂ€sst die jungen Menschen erleben, dass sie eine aktive Position in der Gesellschaft inneha-ben. Kattmann et al. (1997) vertreten die Position, „daß es nicht darum gehen kann, die falschen Vorstellungen gewissermaßen wie Unkraut auszujĂ€ten und durch die rich-tigen Vorstellungen zu ersetzen” (Kattmann et al., 1997, S. 6). Vorstellungen, die als Deu-tungsstrategien hervortreten, spontan ge-Ă€ußerte Assoziationen, Alltagsmetaphern und Werthaltungen von Lernenden sind zu analysieren, um Lernhemmnisse, aber auch Lernförderliches fĂŒr die fachliche Auseinan-dersetzung zu verdeutlichen. Über die Iden-tifikation von Vorstellungen, die sich SchĂŒ-ler_innen machen, soll eine EinschĂ€tzung der Lernmöglichkeiten zu einem Thema gewĂ€hrleistet werden, um die mikrodidak-tische Strukturierung demgemĂ€ĂŸ zu ad-aptieren und die Lernenden bei einer Ver-Ă€nderung ihrer Vorstellungen zu begleiten. Nachhaltige Bildung ist „als konzeptioneller VerĂ€nderungsprozess zu verstehen, in dem Perturbationen veranlasst werden” (Forstner-Ebhart & Payrhuber, 2013, S. 265) und durch

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Unterrichtselemente der Irritation oder auch der Provokation werden zur Perturbation des Lernens genutzt. Das Ziel ist ein Unterricht, der sich durch Autonomie, vielfĂ€ltige Refle-xionsprozesse, intensiven kommunikativen Austausch im Sinne einer Ko-Konstruktion und systemische Modellierung von Problem-stellungen auszeichnet. Lerngelegenheiten, in denen SchĂŒler_innen ihre Wertvorstellun-gen an Prognosen nachhaltiger Entwicklung ĂŒberprĂŒfen, dienen der Bewusstseinsbildung fĂŒr das eigene zukĂŒnftige Handeln. Die Ana-lyse, Bewertung und Gestaltung zukĂŒnftiger Entwicklungen auf dieser Basis stellen Lern-ziele im Sinne der Gestaltungskompetenz dar.

NACHHALTIGKEIT UND BERUFSBILDUNG: GRÜNE PÄDAGOGIK ALS DIDAKTISCHE LEITLINIEAngela Forstner-Ebhart, Wilhelm Linder

den diese auf verfĂŒgbare Denkkonzepte bezogen, wobei vor allem das Wahrnehmen von Unterschieden zu bereits bestehenden Konzepten eine kognitive Aktivierung veran-lasst. „Es beginnt ein kognitiv konstruierender Prozess der Organisation und ÜberprĂŒfung, wie das irritierende Moment einzuordnen ist, somit ist Lernen ein forschender Prozess, wenn die Beweisbarkeit des Wissens ĂŒber-prĂŒft wird” (Posner, Strike, Hewson & Gertzog, 1982, S. 212).

Irritation meint mehr als Provokation: Sie wird ausgelöst durch Wahrnehmungen, die mit bestehenden Denkmustern nicht oder nicht zufriedenstellend erklĂ€rt werden können. Dies wiederum ermöglicht die Reflexion und damit die Weiterentwicklung der eigenen Positionen. Kritische Fragen und Impulse, die geeignet sind bestehende Konzepte infrage zu stellen, sind daher wesentliche didakti-sche Elemente der GrĂŒnen PĂ€dagogik.

Die BewĂ€ltigung – nicht die Auflösung – von WidersprĂŒchen ist ein Kennzeichen nach-haltiger Entwicklung. Die UN-Nachhaltig-keitsziele der Agenda 2030 sind nicht wider-spruchsfrei zu bewĂ€ltigen: Klimaschutz (Ziel 13) oder der Schutz der Ökosysteme (Ziel 14 und 15) sind mit Wirtschaftswachstum (Ziel 8) kaum in Einklang zu bringen. Dies gilt sowohl global als auch auf betrieblicher Ebene. Ir-ritationen, die einfache Lösungswege, wie beispielsweise die Forderung nach Verboten oder die BeschrĂ€nkung auf einige wenige Ziele, hinterfragen, fördern die Kompetenzen zur BewĂ€ltigung von WidersprĂŒchlichkeit.

Schlussfolgerungen

Lernsettings im Sinne der GrĂŒnen PĂ€dago-gik involvieren Lernende in hohem Maße und fördern dadurch aktive Partizipation und VerantwortungsĂŒbernahme. SchĂŒler_in-nen durchlaufen Entscheidungsprozesse im Unterricht, in denen Alternativen gegenein-ander abzuwĂ€gen sind und implizierte Wert-vorstellungen bewusst gemacht werden.

Literatur:

Arnold, R. (2012). Ich lerne, also bin ich. Eine systemisch-konstruktivistische Didaktik. Heidelberg: Carl-Auer.

Bormann, I., & De Haan, G. (Hrsg.). (2008). Kompetenzen der Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung. Wiesbaden: VS Verlag fĂŒr Sozialwissen-schaften.

Bundesministerium fĂŒr Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt-schaft, Bundesministeri-um fĂŒr Unterricht, Kunst und Kultur & Bundes-ministerium fĂŒr Wissenschaft und Forschung. (Hrsg.). (2008). Öster-reichische Strategie zur Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung. Wien: EigenvervielfĂ€ltigung.

De Haan, G. (2008). Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept der Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung. In I. Bormann, & G. de Haan (Hrsg.), Kompetenzen der Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung. Ope-rationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde (S. 23–43). Wiesbaden: VS Verlag fĂŒr Sozialwissenschaften.

Forstner-Ebhart, A. (in Druck). Lernen am Widerspruch – Conceptual re-construction im Unterricht fĂŒr nachhaltige Bildung. In K. Allabauer, A. Forstner-Ebhart, N. Kraker, & H. Schwetz (Hrsg.), Masterarbei ten in pĂ€dagogischen Berufsfeldern. PĂ€dagogischen Situationen theorie-geleitet begegnen. Wien: Facultas.

Forstner-Ebhart, A., & Payrhuber, A. (2013). „GrĂŒne PĂ€dagogik” zur Kon-zeptualisierung nachhaltiger Lernsettings an der Hochschule fĂŒr Ag-rar- und UmweltpĂ€dagogik. In I. Benischek et al. (Hrsg.), Empiri-sche Forschung zu schulischen Handlungsfeldern (S. 263–280). Wien: LIT Verlag.

Kater-WettstĂ€dt, L. (2015). Unterricht im Lernbereich Globale Entwicklung. MĂŒnster: Waxmann.

Kattmann, U., Duit, R., Gropengießer, H., & Komorek, M. (1997). Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion. Ein Rahmen fĂŒr naturwissenschafts-didaktische Forschung und Entwicklung. Zeitschrift fĂŒr Didaktik der Naturwissenschaften, 3(3), 3–18. Heidelberg: Springer.

Klafki, W. (1995). „SchlĂŒsselprobleme” als thematische Dimension eines zu-kunftsorientierten Konzepts von „Allgemeinbildung”. In W. MĂŒnzinger, & W. Klafki (Hrsg.), Die deutsche Schule (S. 9–14). Weinheim: Beltz.

Kriz, W. C. (2000). Lernziel: Systemkompetenz. Planspiele als Trainingsmetho-de. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Minsch, J. (2003). Politische Kultur der Nachhaltigkeit. In F. Radits, M.-L. Braunsteiner, & K. Klement (Hrsg.), Bildung fĂŒr eine Nachhaltige Ent-wicklung in der LehrerInnenbildung. Schriftenreihe zur Bildungsfor-schung, 2, 10–17. Baden: Badener Vordrucke.

Posner, G. J., Strike, K. A., Hewson, P. W., & Gertzog, W. A. (1982). Accommo-dation of a Scientific Conception: Toward a Theory of Conceptual Change. Science Education, 66, 211–227.

Reich, K. (2005). Systemisch-konstruktivistische PĂ€dagogik (5. Aufl.). Wein-heim: Beltz.

Rost, J. (2002). Umweltbildung – Bildung fĂŒr Nachhaltige Entwicklung. Zeit-schrift fĂŒr internationale Bildungsforschung und EntwicklungspĂ€da-gogik, 25(1), 7–12.

Stroh, M. (2017). Planspiele zur Nachhaltigkeit. In A. Petrik, & S. RappenglĂŒck (Hrsg.), Handbuch Planspiele in der politischen Bildung (S. 93–106). Schwalbach: Wochenschau Verlag.

|51 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

einhergehende Ermöglichung, persönliche Erkenntnisse und Befindlichkeiten frei in Mei-nung und Ausdruck direkt in den Äther zu bloggen und zu posten, steigern die Veröf-fentlichungen zum Thema ErnĂ€hrung ex-ponentiell. Diese WissensfĂŒlle erzeugt ein Narrativ, welches seinerseits Interventionen legitimiert: Die aus den diversen Wissens-bestĂ€nden begrĂŒndeten Empfehlungen werden vom Laien als widersprĂŒchlich wahrgenommen und ĂŒberfordern ihn in der BewĂ€ltigung seines ErnĂ€hrungsalltags. FĂŒr nach Orientierung und Sicherheit im ErnĂ€h-rungshandeln Suchende gibt es daher eine Heerschar von Berufenen, die Empfehlun-gen fĂŒr eine „richtige” ErnĂ€hrung anbieten.

Die Begehrlichkeiten, den Markt der Mei-nungsbildung zu ErnĂ€hrung, Gesundheit und ernĂ€hrungsbezogenem Konsum auch in der Schule zu bespielen, nehmen zu. In der Argumentation wird vorrangig auf die Ge-sundheitsdatenlage rekurriert, beispielsweise dass bei „jungen Menschen (15 bis 30 Jah-re) 
 der Anteil Übergewichtiger und Adi-pöser seit 2006/2007 deutlich gestiegen” ist (Griebler et al., 2016, S. V). Aus ErnĂ€hrungsbe-ratung und ErnĂ€hrungstherapie abgeleitete Interventionen durchdringen Schule ebenso wie Unterrichtsbehelfe, die im Rahmen von Gemeinschaftsverpflegung in der Schule gleich mit dem Essen mitgeliefert werden.

ErnÀhrungsinterventionen in der Schule und professionelles Handeln im Lehrberuf: eine StandortbestimmungUrsula Buchner, Susanne Obermoser

Die ErnĂ€hrung des Menschen ist Ziel fĂŒr eine Vielzahl von sehr unterschiedlich legitimierten Interventionen. Im folgenden Beitrag werden diverse ErnĂ€hrungsinterventionen dargelegt und dem professionellen Handeln im Lehrberuf gegenĂŒbergestellt. Schule als Ort Zukunft zu gestalten und Erwartungen der Studierenden an ihre Mission im Lehrberuf im Unterrichtsfach ErnĂ€hrung werden kritisch hinterfragt.

ErnĂ€hrung ist eine existentielle Notwendig-keit, die zu bewĂ€ltigen der einzelne Mensch alleine nicht imstande ist. ErnĂ€hrung zwingt die Menschheit zu Arbeit, die nicht nur das Wissen und die tĂ€glichen MĂŒhen der Pro-duktion von Nahrung als solche umfasst, sondern auch die Anstrengungen zur Rege-lung sozialer Verteilerpraxen einschließt. Seit alters gibt es eine FĂŒlle von Normen, die aus traditionellen, religiösen, ethischen, wissen-schaftlichen und rechtlichen Wertekontex-ten festlegen, wer, wann, was, wie und wie viel verzehren darf (muss, soll, kann). Damit bestimmt die ErnĂ€hrung des Menschen ne-ben ihrer primĂ€r existentiellen Erhaltungs-funktion, die physische, psychische, soziale und spirituelle BedĂŒrfnisse einschließt, öko-nomische, technische, Ă€sthetische und poli-tische Existenzweisen.

Die WissensbestĂ€nde zu ErnĂ€hrungsfragen, die ĂŒber Predigten, AufklĂ€rung der medizini-schen Policey1, ĂŒber Buchdruck und Zeitun-gen zuerst Menschen in sozialen RĂ€umen, spĂ€ter ĂŒber Radio, Fernsehen und Internet auch in privaten RĂ€umen erreichen, sind in ihrer enormen Bandbreite Zeugnis davon, dass Essen als „soziales TotalphĂ€nomen” –wie Marcel Mauss bereits 1923 feststellte (Barlösius, 2011, S. 21) – sĂ€mtliche Lebens-bereiche durchdringt. Die mit den neuen Medien und Kommunikationstechnologien

ERNÄHRUNGSINTERVENTIONEN IN DER SCHULE UND PROFESSIONELLES HANDELN IM LEHRBERUF: EINE STANDORTBESTIMMUNGUrsula Buchner, Susanne Obermoser

1 Bei der „medicinischen Policey” handelt es sich um einen Kanon von gesundheitsgerechten Verhaltensregeln, der um 1780 vom Arzt Johann Peter Frank verfasst wurde und das „Elend” als „Mutter der Krankheiten” bekĂ€mpfen sollte (Stöckel, 2004, S. 23).

52| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Wenn darĂŒber hinaus alle Expert_innen in Sachen ErnĂ€hrung sind und die Konstruktion von „Wirklichkeit” abhĂ€ngig von der Anzahl der Follower_innen gemacht wird, stellt sich die Frage: Was wollen bzw. können Schule und Unterricht in ErnĂ€hrung leisten?

Eine möglichst umfassende BerĂŒck-sichtigung der gesellschaftlichen Aus-handlungskontexte und der beteiligten Systeme erscheint notwendig, um der KomplexitĂ€t der gesellschaftlichen Aus-einandersetzung ĂŒber ErnĂ€hrung ge-recht zu werden, denn je nachdem aus welcher Perspektive oder in welchem Kontext ErnĂ€hrungskommunikation statt-findet, wird das PhĂ€nomen ErnĂ€hrung anders aufgefasst, mit Bedeutung verse-hen und verstanden (Godemann & Bar-telmeß, 2017, S. M693–M694).

Schule als Lernort – Schule als Lebenswelt

An Schule als Institution der Gesellschaft wer-den vielfĂ€ltige Ziele, Erwartungen und An-sprĂŒche herangetragen. Der Lehrplan (NMS, AHS Unterstufe wortident) formuliert als Auf-gabe von Schule im Sinne des § 2 des Schul-organisationsgesetzes den Erwerb von Wis-sen, die Entwicklung von Kompetenzen sowie die Vermittlung von Werten (SchOG, 2015).

Dabei ist die Bereitschaft zum selbststĂ€n-digen Denken und zur kritischen Reflexion besonders zu fördern. Die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler sind in ihrem Entwicklungs-prozess zu einer sozial orientierten und positiven Lebensgestaltung zu unterstĂŒt-zen (Lehrplan Erster Teil, Allgemeines Bil-dungsziel, Absatz 2 Gesetzlicher Auftrag). (BMBWF, o.D.).

Die gesellschaftlichen Funktionen von Schu-le werden in Qualifikation, Selektion (Allo-kation) und Integration (Enkulturation und Sozialisation) beschrieben. Eine Vielzahl gesellschaftlicher Anliegen und Problemla-

gen werden an Schule quasi als „Repara-turanstalt” der Gesellschaft herangetragen bzw. finden in Schule als ProjektionsflĂ€che von Zukunft ihren Ausdruck (Prisching, 2008). Eine FĂŒlle von gesellschaftlichen Leitvorstel-lungen sind als Bildungsanliegen in Unter-richtsprinzipien und ĂŒberfachlichen Kompe-tenzen (Eder & Hofmann, 2012) eingeflossen und artikulieren damit auch ZusammenhĂ€n-ge zwischen Alltagsgestaltung zur Daseins-vorsorge und nachhaltiger Entwicklung.

Schule ist nicht nur Lernort, sondern auch Le-benswelt in einer bestimmten Lebensphase und ĂŒbernimmt damit FĂŒrsorge in grundle-genden LebensvollzĂŒgen, die neben Erzie-hung und Bildung unter anderem auch Ge-sundheit (Hintz, Pöppel & Rekus, 1993) und somit auch ErnĂ€hrung umfassen. Der Public Health Ansatz erkennt in Schule einen idea-len Ort der PrĂ€vention. Die gesundheitsför-dernde Schule ist ein umfassendes QualitĂ€ts-entwicklungsprogramm, welches Strukturen schaffen, fördern und erhalten soll, die ein gesundheitsförderliches Lernen und Leben in der Schule fĂŒr alle beteiligten Personen unterstĂŒtzen: „The aim must be to make the healthier choice the easier choice for policy makers as well” (WHO, 1986).

ErnĂ€hrung ist ein Systemfaktor an Schulen. Gut verpflegt sein in der Schule ist eine we-sentliche Voraussetzung, die gesundes Auf-wachsen von Kindern und Jugendlichen unterstĂŒtzt (Gesundheits-Rahmenziel 6 und 7, BMASGK, 2018). Die im Setting-Ansatz enthaltene salutogenetische Orientierung geht davon aus, dass das „Doing Eating” eine alltĂ€gliche Erfahrung ist, die eine posi-tive ErnĂ€hrungssozialisation ĂŒber immersives Lernen ermöglicht. In der Gestaltung der Er-nĂ€hrungsversorgungssysteme in der Schule wird folgerichtig ein großes Potential fĂŒr das Lernen von Essverhalten erkannt.

Die Bildungs- und Lehraufgabe im Fachun-terricht in ErnÀhrung verfolgt eine aus dem BildungsverstÀndnis von Schule abgeleite-

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|53 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

te Zielsetzung: sich fĂŒr eine gesunde und nachhaltige ErnĂ€hrung entscheiden zu kön-nen. Unterricht wird nicht als Ess-Verhaltens-training verstanden, sondern erfordert die Auseinandersetzung mit dem PhĂ€nomen ErnĂ€hrung aus allen RationalitĂ€tsformen. Der dem schulischen ErnĂ€hrungsunterricht in der allgemeinbildenden Schule zugrun-de liegende Lehrplan unterstĂŒtzt ein Ver-stĂ€ndnis von Bildung, welches die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu erschlie-ßen (zu „lesen”) versteht. DifferenzfĂ€higkeit heißt zu erkennen, wann welche Perspektive angemessen ist – aber auch zu wissen, dass die Modi der Welterschließung inkommen-surabel sind und einander nicht ersetzen, sondern allenfalls ergĂ€nzen können (Dress-ler, 2006). Die aus den diversen Wirklich-keitswahrnehmungen entstehenden Am-biguitĂ€ten gilt es auszuhalten und daraus entstehende Spannungen und Konflikte in verantworteten Entscheidungen auszuhan-deln.

ErnÀhrungsinterventionen

Die vielseitigen WissensbestĂ€nde in ErnĂ€h-rung entstammen nicht nur einem hoch spezialisierten Wissenschaftssystem mit ein-schlĂ€gigen Expertisen, sondern mĂŒnden auch in sich immer weiter spezialisierenden Informations- und Kommunikationssyste-men (z.B. ErnĂ€hrungs-Beratungsstandards der Deutschen Gesellschaft fĂŒr ErnĂ€hrung (DGE), Nutrition Care Prozess mit standardi-sierter Sprache in der DiĂ€tetik). Die zuneh-mend ausdifferenzierten Handlungsfelder in pĂ€dagogischen, therapeutischen, recht-lichen und medizinisch-pflegerischen Be-langen lassen sich entlang bereichsspezifi-scher Logiken und Problemschwerpunkte beschreiben (vgl. Tabelle1). Immer geht es dabei auch um Privilegien von Berufsgrup-pen und Monopolstellungen, die ĂŒber Aus-bildungsstandards, AbschlĂŒsse, Ehrenkodizes und Ausschluss anderer gekennzeichnet sind (Helsper, KrĂŒger & Kleberg, 2000). Das

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RationalitĂ€tsformen. Der dem schulischen ErnĂ€hrungsunterricht in der allgemeinbildenden Schulezugrunde liegende Lehrplan unterstĂŒtzt ein VerstĂ€ndnis von Bildung, welches die Welt ausunterschiedlichen Perspektiven zu erschließen (zu „lesen“) versteht. DifferenzfĂ€higkeit heißt zuerkennen, wann welche Perspektive angemessen ist – aber auch zu wissen, dass die Modi derWelterschließung inkommensurabel sind und einander nicht ersetzen, sondern allenfalls ergĂ€nzenkönnen (Dressler, 2006). Die aus den diversen Wirklichkeitswahrnehmungen entstehendenAmbiguitĂ€ten gilt es auszuhalten und daraus entstehende Spannungen und Konflikte inverantwortetenEntscheidungenauszuhandeln.

ErnĂ€hrungsinterventionenDie vielseitigen WissensbestĂ€nde in ErnĂ€hrung entstammen nicht nur einem hoch spezialisiertenWissenschaftssystem mit einschlĂ€gigen Expertisen, sondern mĂŒnden auch in sich immer weiterspezialisierendenInformations-undKommunikationssystemen(z.B.ErnĂ€hrungs-BeratungsstandardsderDeutschenGesellschaftfĂŒrErnĂ€hrung(DGE),NutritionCareProzessmitstandardisierterSprachein der DiĂ€tetik). Die zunehmend ausdifferenzierten Handlungsfelder in pĂ€dagogischen,therapeutischen, rechtlichen und medizinisch-pflegerischen Belangen lassen sich entlangbereichsspezifischerLogikenundProblemschwerpunktebeschreiben(vgl.Tab.1).Immergehtesdabeiauch um Privilegien von Berufsgruppen und Monopolstellungen, die ĂŒber Ausbildungsstandards,AbschlĂŒsse, Ehrenkodizes undAusschluss anderer gekennzeichnet sind (Helsper, KrĂŒger&Kleberg,2000). Das trifft sowohl auf den Lehrberuf als auch auf die medizinisch-therapeutischenGesundheitsberufezu(Helsper,2004):

Tabelle 1: Übersicht ĂŒber die Ebenen, Kennzeichen und Ziele von ErnĂ€hrungsinterventionen (inAnlehnunganPudelundWestenhöfer,2003)

Interventionsebene Kennzeichen,Methoden/Maßnahmen ZieleErnĂ€hrungs-AUFKLÄRUNGBeispiele:GesundheitsseitederTageszeitung,AufklĂ€rungskampagnenwie„5amTag“usw.

ALLE 1. Vorliegenwissenschaftlichgesicherter

ErkenntnisseĂŒberZusammenhĂ€ngezwischenErnĂ€hrungundGesundheit

2. VorliegenevidenzbasierterDatenĂŒberErnĂ€hrungsdefiziteinderBevölkerung

ErnĂ€hrungskommunikationĂŒberMassenmedien

ĂŒ ÖffentlichkeitsarbeitvonInteressenverbĂ€nden

ĂŒ (gesetzlichvorgeschriebeneunddarĂŒberhinausgehende)ProduktinformationenvonFirmen

ĂŒ Alltagskommunikation:jedeeinzelnepersönlicheAussagezuErnĂ€hrung

WeckungeinesgrĂ¶ĂŸerenErnĂ€hrungsbewusstseins,SensibilisierungfĂŒrErnĂ€hrungsfragen

ErnĂ€hrungs-INFORMATIONBeispiele:ElternabendzumThema„gesundeJause“,Allergen-Informations-VO IN

TERESSIERTE

ErweiterungdesErnÀhrungswissenszukonkretenFragestellungenIn-Verkehr-BringenvonLebensmitteln,VermittlungundVermarktungvonProduktenundErnÀhrungsweisen(Influencer_innen)

Tabelle 1: Übersicht ĂŒber die Ebenen, Kennzeichen und Ziele von ErnĂ€hrungsinterventionen (in Anlehnung an Pudel und Westenhöfer, 2003)

54| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ERNÄHRUNGSINTERVENTIONEN IN DER SCHULE UND PROFESSIONELLES HANDELN IM LEHRBERUF: EINE STANDORTBESTIMMUNGUrsula Buchner, Susanne Obermoser

PublicHealthMaßnahmen,dieimNationalenAktionsplanErnĂ€hrungoperationalisiertsind,sindaufunterschiedlichenSystemebenenangesiedeltundzielenaufAktivierungvonpersonalenundsozialenRessourcenimSinneeinerVerhaltens-undVerhĂ€ltnisprĂ€vention.ErnĂ€hrungsinterventionenkönnenmitBlickaufdieSach-undBeziehungsebenehinsichtlichderVoraussetzungen,derMaßnahmenundderZieleunterschiedenwerden.DerUmgangmitMacht,dersichinnerhalbderInteraktionzwischenProfessionist_innenundLaienergibt,istsowohlfĂŒrtherapeutischealsauchpĂ€dagogischeBerufenurdurchreflexivePraxiszukontrollieren(Oevermann,1996).

ProfessionalisierungfĂŒrdenLehrberufBerufsbildung, die fĂŒr das Lehramt qualifiziert, erhebt den Anspruch, dass Lehrpersonen nebenfundiertem fachlichem und pĂ€dagogischem Wissen und Können auch Haltungen im Sinne eines

Interventionsebene Kennzeichen,Methoden/Maßnahmen Ziele

ErnÀhrungs-TRAINING(freiesGewerbe)

GESUNDE

INDIVIDU

EN

persönlicheInanspruchnahmevonEinzelpersonen/GruppenbeisubjektivnichtlösbarenVerhaltens-oderEntscheidungskonflikten

ĂŒ Klient_innenzentrierteBearbeitungimGesprĂ€ch

ĂŒ BewusstseinsbildungmithilfevonErnĂ€hrungstagebĂŒchern,biografischenMethoden

ĂŒ Verhaltensmodifikation,EinsatzsystemischerMethodenzurVerhaltensregulation

HilfestellungbeidereigenstÀndigenBewÀltigungdesProblems

ErnÀhrungs-BERATUNG(reglementiertesGewerbe:ErnÀhrungswissenschaftundDiÀtologievorbehalten)

LösungdesErnĂ€hrungsproblemsunterBerĂŒcksichtigungderindividuellenLebenssituation

ErnĂ€hrungs-THERAPIE(nurDiĂ€tologie/Ärzt_innen)

ernĂ€hrungsabhĂ€ngigeErkrankungvorliegend(Diagnose);entsprechendetherapeutischeMaßnahmeninkl.EinhalteneinergezieltenDiĂ€tformundggf.auchMedikamenteneinsatz

Heilungbzw.BesserungernÀhrungsabhÀngigerErkrankungen

Interventionsebene Kennzeichen,Methoden/Maßnahmen ZieleErnĂ€hrungs-ERZIEHUNGRaumfĂŒrpĂ€dagogischsinnvolleMaßnahmenliegtvor,zumBeispiel:Kindergarten,Schule,Hort,Freizeitcampusw.GefordertistdieMitarbeitallerPersonenimSystem!

VerhĂ€ltnisseermöglichenVerhalten:- Anleitungzu„richtigem“Verhalten:

VermittlungvonNormenausGesundheit,Gesellschaft(Kultur,Religion),Wirtschaft,Umwelt(vgl.dazudieDimensionenvonNachhaltigkeit)

- LernenamModell,erfahrungsbasiertesLernen,LernendurchBelohnung,VerstÀrkung,Moden,Trends,Nudgingusw.

StabilisierungeinesgesundheitsförderlichenErnÀhrungsverhaltens(EnkulturationundSozialisation)AdvocacyundEmpowerment

ErnÀhrungs-BILDUNGBildungs-undLehrauftragliegtvorBeitragzuumfassenderPersönlichkeitsbildung(AufgabevonSchule)StudiumdeseinschlÀgigenFachlehramts

professionellgeplanterUnterricht(DidaktischeAnalyse)undmethodischstrukturiertesVorgehen

ĂŒ KompetenzvermittlungaufallenLernebenenundDimensionen(Sach-,Selbst-undSozialkompetenz)

ĂŒ reflexiveunddiskursiveAuseinandersetzungmitErnĂ€hrungĂŒberALLEModiderWelterschließung

Wissenserwerb,UrteilsfĂ€higkeitundSelbststĂ€ndigkeitinderDaseinsgestaltung;Verantwortung(fĂŒrsichundandere)ĂŒbernehmen;BewusstseinĂŒberdieBedeutsamkeitderSachefĂŒrPerson/Gruppe/Welterkennen.

PublicHealthMaßnahmen,dieimNationalenAktionsplanErnĂ€hrungoperationalisiertsind,sindaufunterschiedlichenSystemebenenangesiedeltundzielenaufAktivierungvonpersonalenundsozialenRessourcenimSinneeinerVerhaltens-undVerhĂ€ltnisprĂ€vention.ErnĂ€hrungsinterventionenkönnenmitBlickaufdieSach-undBeziehungsebenehinsichtlichderVoraussetzungen,derMaßnahmenundderZieleunterschiedenwerden.DerUmgangmitMacht,dersichinnerhalbderInteraktionzwischenProfessionist_innenundLaienergibt,istsowohlfĂŒrtherapeutischealsauchpĂ€dagogischeBerufenurdurchreflexivePraxiszukontrollieren(Oevermann,1996).

ProfessionalisierungfĂŒrdenLehrberufBerufsbildung, die fĂŒr das Lehramt qualifiziert, erhebt den Anspruch, dass Lehrpersonen nebenfundiertem fachlichem und pĂ€dagogischem Wissen und Können auch Haltungen im Sinne eines

Interventionsebene Kennzeichen,Methoden/Maßnahmen Ziele

ErnÀhrungs-TRAINING(freiesGewerbe)

GESUNDE

INDIVIDU

EN

persönlicheInanspruchnahmevonEinzelpersonen/GruppenbeisubjektivnichtlösbarenVerhaltens-oderEntscheidungskonflikten

ĂŒ Klient_innenzentrierteBearbeitungimGesprĂ€ch

ĂŒ BewusstseinsbildungmithilfevonErnĂ€hrungstagebĂŒchern,biografischenMethoden

ĂŒ Verhaltensmodifikation,EinsatzsystemischerMethodenzurVerhaltensregulation

HilfestellungbeidereigenstÀndigenBewÀltigungdesProblems

ErnÀhrungs-BERATUNG(reglementiertesGewerbe:ErnÀhrungswissenschaftundDiÀtologievorbehalten)

LösungdesErnĂ€hrungsproblemsunterBerĂŒcksichtigungderindividuellenLebenssituation

ErnĂ€hrungs-THERAPIE(nurDiĂ€tologie/Ärzt_innen)

ernĂ€hrungsabhĂ€ngigeErkrankungvorliegend(Diagnose);entsprechendetherapeutischeMaßnahmeninkl.EinhalteneinergezieltenDiĂ€tformundggf.auchMedikamenteneinsatz

Heilungbzw.BesserungernÀhrungsabhÀngigerErkrankungen

Interventionsebene Kennzeichen,Methoden/Maßnahmen ZieleErnĂ€hrungs-ERZIEHUNGRaumfĂŒrpĂ€dagogischsinnvolleMaßnahmenliegtvor,zumBeispiel:Kindergarten,Schule,Hort,Freizeitcampusw.GefordertistdieMitarbeitallerPersonenimSystem!

VerhĂ€ltnisseermöglichenVerhalten:- Anleitungzu„richtigem“Verhalten:

VermittlungvonNormenausGesundheit,Gesellschaft(Kultur,Religion),Wirtschaft,Umwelt(vgl.dazudieDimensionenvonNachhaltigkeit)

- LernenamModell,erfahrungsbasiertesLernen,LernendurchBelohnung,VerstÀrkung,Moden,Trends,Nudgingusw.

StabilisierungeinesgesundheitsförderlichenErnÀhrungsverhaltens(EnkulturationundSozialisation)AdvocacyundEmpowerment

ErnÀhrungs-BILDUNGBildungs-undLehrauftragliegtvorBeitragzuumfassenderPersönlichkeitsbildung(AufgabevonSchule)StudiumdeseinschlÀgigenFachlehramts

professionellgeplanterUnterricht(DidaktischeAnalyse)undmethodischstrukturiertesVorgehen

ĂŒ KompetenzvermittlungaufallenLernebenenundDimensionen(Sach-,Selbst-undSozialkompetenz)

ĂŒ reflexiveunddiskursiveAuseinandersetzungmitErnĂ€hrungĂŒberALLEModiderWelterschließung

Wissenserwerb,UrteilsfĂ€higkeitundSelbststĂ€ndigkeitinderDaseinsgestaltung;Verantwortung(fĂŒrsichundandere)ĂŒbernehmen;BewusstseinĂŒberdieBedeutsamkeitderSachefĂŒrPerson/Gruppe/Welterkennen.

trifft sowohl auf den Lehrberuf als auch auf die medizinisch-therapeutischen Gesund-heitsberufe zu (Helsper, 2004).

Public Health Maßnahmen, die im Nationa-len Aktionsplan ErnĂ€hrung operationalisiert sind, sind auf unterschiedlichen Systemebe-nen angesiedelt und zielen auf Aktivierung

von personalen und sozialen Ressourcen im Sinne einer Verhaltens- und VerhĂ€ltnisprĂ€-vention. ErnĂ€hrungsinterventionen können mit Blick auf die Sach- und Beziehungsebe-ne hinsichtlich der Voraussetzungen, der Maßnahmen und der Ziele unterschieden werden. Der Umgang mit Macht, der sich innerhalb der Interaktion zwischen Profes-

|55 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ERNÄHRUNGSINTERVENTIONEN IN DER SCHULE UND PROFESSIONELLES HANDELN IM LEHRBERUF: EINE STANDORTBESTIMMUNGUrsula Buchner, Susanne Obermoser

2 Entwicklung von ProfessionalitĂ€t im internationalen Kontext3 und eine als „sechste Disziplin” ausgewiesene integrative FĂ€higkeit4 wie Erziehen, Unterrichten, Diagnostizieren, Beraten, Beurteilen, Administrieren, Innovieren5 Individuum, Gruppe, Kollegium, Eltern, Gesellschaft

sionist_innen und Laien ergibt, ist sowohl fĂŒr therapeutische als auch pĂ€dagogische Be-rufe nur durch reflexive Praxis zu kontrollieren (Oevermann, 1996).

Professionalisierung fĂŒr den Lehrberuf

Berufsbildung, die fĂŒr das Lehramt qualifi-ziert, erhebt den Anspruch, dass Lehrper-sonen neben fundiertem fachlichem und pĂ€dagogischem Wissen und Können auch Haltungen im Sinne eines Berufsethos entwi-ckeln. Paseka, Schratz und Schrittesser (2011, S. 24) haben dazu in ihrem EPIK2-Ansatz fĂŒnf DomĂ€nen3 als Ausdruck eines professionel-len Habitus beschrieben, die wie eine ver-bindende Klammer ĂŒber alle Schultypen hinweg die ProfessionalitĂ€t von Lehrenden bestimmen. Mit Blick auf die AnsprĂŒche an professionelles Handeln, die in den unter-schiedlichen Ebenen der ErnĂ€hrungsinter-ventionen sichtbar werden, spielen sowohl die Entwicklung eines Professionsbewusst-seins als auch die Reflexions- und DiskursfĂ€-higkeit eine zentrale Rolle.

Die Interaktionen in den diversen pĂ€dago-gischen Handlungsfeldern4 finden zwischen unterschiedlichen Akteur_innen5 statt. Nach Oevermann (1996) ist das ArbeitsbĂŒndnis, welches in den Interaktionen zum Ausdruck kommt, Kern eines professionellen Selbstver-stĂ€ndnisses. Eine reflexive Praxis, die „Vor-kehrungen enthĂ€lt, um die Riskanz und An-fĂ€lligkeit der Beziehung fĂŒr AbhĂ€ngigkeit erzeugende Dynamiken kontrollieren und reflektiert handhaben zu können” (Helsper, 2000, S. 7), wird auch von anderen Professi-onalisierungsansĂ€tzen als eine Kernkompe-tenz erkannt.

In der Auseinandersetzung mit dem Profes-sionsbewusstsein spielen die eigenen Vor-stellungen ĂŒber das Lernen im Fach und

der Umgang mit den vielfĂ€ltigen AnsprĂŒ-chen, die von externen Expert_innen an den Fachunterricht in ErnĂ€hrung herangetragen werden und gerne Deutungshoheit ĂŒber das eigene berufliche Handeln gewinnen, eine Rolle. In diesem Kontext ist die persön-liche „Mission”, die Studierende fĂŒr ihren zukĂŒnftigen Fachunterricht artikulieren, von Interesse. Welche handlungsleitenden Mo-tive finden sich bei den Studierenden? Die Mehrheit der im Rahmen der Studienein-gangsphase Befragten gibt an, sich bereits intensiv mit der Materie beschĂ€ftigt zu ha-ben und ĂŒber fachliches Wissen zu verfĂŒgen. Als handlungsleitendes Motiv fĂŒr ihre zukĂŒnf-tig gedachte berufliche TĂ€tigkeit rangiert „Gesundheit bzw. gesunde LebensfĂŒhrung” an erster Stelle.

Denkförderung im Fachunterricht (Entschei-dungsmĂŒndigkeit) und (legitime) AnsprĂŒche an Essverhalten-Lernen in der Schule im Sin-ne des Settingansatzes ergĂ€nzen einander, ersetzen einander aber nicht. Die im Fach-unterricht behandelten Perspektiven auf die ErnĂ€hrung des Menschen dĂŒrfen und mĂŒssen sich von normativen Vorgaben aus dem Gesundheitsdiskurs lösen (Suter & Hög-ger, 2014). ErnĂ€hrung in seiner Bedeutsam-keit als SchlĂŒsselproblem der Menschheit (Klafki, 2007) darf in seiner Weite auf der Su-che nach allgemein GĂŒltigem durchdacht werden: ErnĂ€hrung ist Quelle von Genuss ebenso wie Mittel zur Askese und spirituelle Erfahrung, dient der Selbstoptimierung, ist Berufs- und/oder Familienarbeit ebenso wie FreizeitvergnĂŒgen, Mittel der Inklusion eben-so wie Stilmittel einer sozialen und kulturellen Distinktion. ErnĂ€hrung als Teil des Konsum- und Lebensstils ist nie nur privat, sondern im-mer auch politisch.

Dieses BildungsverstĂ€ndnis enthĂ€lt das Risi-ko, dass Professionist_innen fĂŒr den Lehrbe-

56| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ruf nicht garantieren können, was fĂŒr das Unterrichtsfach ErnĂ€hrung gemeinhin auf Gesundheit reduziert eingefordert wird: Ein in die Autonomie entlassener Mensch wird seine Lebenspraxis angesichts der Belastun-gen und Risiken meistern, auch abweichend von Wissen und Empfehlungen, die er in der Schule gelernt hat (Helsper et al., 2000).

ERNÄHRUNGSINTERVENTIONEN IN DER SCHULE UND PROFESSIONELLES HANDELN IM LEHRBERUF: EINE STANDORTBESTIMMUNGUrsula Buchner, Susanne Obermoser

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|57 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Professionalisierung elementarpĂ€dagogi-scher FachkrĂ€fte in Österreich – die Rolle der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig innerhalb des aktuellen QualifizierungsdiskursesEvelyn Kobler, Judith Kainhofer, Eva Kok-Ertl, Andrea Lenger

Mit der Anhebung des Kindergartens von einer Betreuungseinrichtung fĂŒr Kinder von drei bis sechs Jahren zur elementaren Bildungsinstitution erfuhr die frĂŒhe Bildung einen Bedeutungszu-gewinn. Positive Effekte qualitĂ€tsvoller FrĂŒhförderung stehen in Zusammenhang mit einer hö-herwertigen Qualifizierung der FachkrĂ€fte. Der Artikel beleuchtet die derzeitige Berufsbildung von KindergartenpĂ€dagog_innen im Kontext internationaler Professionalisierungsdebatten und schließt mit dem Beitrag der PH Salzburg Stefan Zweig in diesem Qualifizierungsdiskurs.

ElementarpĂ€dagogik – Zahlen und Fakten

Die ElementarpÀdagogik umfasst die The-men der Bildung, Sozialisierung, Erziehung und Betreuung von Kindern bis zum Schu-leintritt in elementaren Bildungseinrichtun-gen1 (IV, 2015, S. 7).

In Österreich befinden sich 219.336 unter sechsjĂ€hrige Kinder in 4.574 elementaren Bildungseinrichtungen zu 11.436 Gruppen, 36.067 elementarpĂ€dagogische FachkrĂ€f-te2 begleiten und fördern die Kinder dort in ihrer Entwicklung (Statistik Austria, 2017).

WÀhrend die Anforderungen an elemen-tarpÀdagogische FachkrÀfte in der Pra-xis durch sich verÀndernde soziale Ge-gebenheiten und hohe bildungs- und integrationspolitische Erwartungen kontinu-ierlich ansteigen (Umsetzung von Bildungs-

PROFESSIONALISIERUNG ELEMENTARPÄDAGOGISCHER FACHKRÄFTE IN ÖSTERREICH – DIE ROLLE DER PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULE SALZBURG STEFAN ZWEIG INNERHALB DES AKTUELLEN QUALIFIZIERUNGSDISKURSES

Evelyn Kobler, Judith Kainhofer, Eva Kok-Ertl, Andrea Lenger

zielen, Sprachförderung, Inklusion, Zusam-menarbeit mit Eltern etc.), stagniert die flĂ€chendeckende Anpassung der Grund-ausbildungsform in Österreich seit Jahr-zehnten. Dem OECD-Bericht „Education at a glance” (OECD, 2014) zufolge, sind Öster-reich und die Slowakei die letzten EU-LĂ€nder, in denen elementarpĂ€dagogische Fach-krĂ€fte noch nicht die Möglichkeit haben, in ihrer Grundausbildung einen akademischen Abschluss (Qualifikationsebene 6 nach IS-CED3 2011, UNESCO Institute for Statistics, 2012) zu erwerben. Die Ausbildung erfolgt in Österreich an den Bildungsanstalten fĂŒr Ele-mentarpĂ€dagogik (BAfEP/frĂŒher BAKIP)4 auf der Ebene Sekundarstufe II. Innerhalb des adaptierten Systems ISCED 2011 wird der 4. und 5. Jahrgang der BAfEP der Stufe ISCED 5 zugeordnet und vom UNESCO Institute for Statistics als „short cycle tertiary education” bezeichnet (UIS, 2012, p. 48). „Diese Stufe ist fĂŒr postsekundĂ€re AbschlĂŒsse konzipiert, die

1 Der Begriff „elementare Bildungseinrichtung” umfasst alle institutionellen Formen non-formaler Bildung von Kindern bis zum Schuleintritt, wie Kinderkrippen/Krabbelstuben (Betreuung und Bildung von Kindern bis zum 3. Lebensjahr) und KindergĂ€rten (Bildung und Betreuung von Kindern bis zum Schuleintritt) (IV, 2015, S. 7).

2 Die gesetzlich gĂŒltige Berufsbezeichnung lautet nach wie vor KindergartenpĂ€dagogin bzw. KindergartenpĂ€dagoge. In diesem Artikel orientieren wir uns an der im wissenschaftlichen Kontext verwendeten Berufsbezeichnung „ElementarpĂ€dagog_in” und fassen beide Geschlechter unter „elementarpĂ€da-gogische FachkrĂ€fte” zusammen.

3 International Standard Classification of Education4 BAfEPs (= BHS, 5-jĂ€hrig) schließen mit einer Doppelqualifikation ab: Die Reife-und DiplomprĂŒfung eröffnet den Zugang zum Hochschulbereich sowie zu

gesetzlich geregelten Berufen und ermöglicht somit die unmittelbare BerufsausĂŒbung (BMBWF, 2018a, Abs. 2).

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professionelles Wissen, Fertigkeiten und Kom-petenzen, praxisorientiert vermitteln 
 und kann als erster Teil eines Bachelorprogramms definiert sein” (BMBWF, 2018a, Abs. 11). Der Kolleg-Lehrgang5 an den BAfEPs ist ebenso auf postsekundĂ€rer Ebene angesie-delt. Aus der Sicht von Fachleuten können die BAfEPs eine Vielzahl, aber nicht alle der fĂŒr den Beruf notwendigen FĂ€higkeiten und Qualifikationen vermitteln (IV, 2015, S. 20).

Im internationalen Vergleich zeigt sich eine weitere österreichische Besonderheit dar-in, dass in allen anderen EU-Staaten, bis auf Deutschland, die Bildungsministerien fĂŒr die frĂŒhkindlichen Bildungsinstitutionen (fĂŒr Kin-der ab drei Jahren) zustĂ€ndig sind.

Österreich sieht sich im Bereich der ZustĂ€n-digkeiten mit einer massiv reformerschwe-renden Kompetenzzersplitterung kon- frontiert: Die Verantwortlichkeit fĂŒr die Ausbil-dung von elementarpĂ€dagogischen Fach-krĂ€ften an den BAfEPs liegt beim Bund und wird derzeit zentral vom BMBWF geregelt.

Im Zuge der Regierungsbildung in Österreich 2017 wurde die Aufnahme der elementaren Bildung in die Agenden des Bildungsminis-ters angekĂŒndigt. Im Juli 2018 wurde mit der neuen GeschĂ€fts- und Personaleinteilung in der Sektion I „Allgemeinbildung und Berufs-bildung” des BMBWF eine Abteilung fĂŒr „Ele-mentarpĂ€dagogik, SozialpĂ€dagogik und vorschulische Integration” (Abteilung I/4) etabliert, die u.a. fĂŒr die Koordination und Umsetzung der Bund-LĂ€nder-Vereinbarung im Bereich der ElementarpĂ€dagogik, Inte-grationsfragen, sprachliche und interkultu-relle Bildung in elementarpĂ€dagogischen Einrichtungen, rechtliche, organisatorische und pĂ€dagogische Maßnahmen fĂŒr frĂŒh-

kindliche Entwicklung, Übungs- und Besuchs-stĂ€tten sowie sĂ€mtliche pĂ€dagogische, inhaltliche und berufsfachliche Angelegen-heiten der Bildungsanstalten fĂŒr Elementar-pĂ€dagogik und SozialpĂ€dagogik zustĂ€ndig ist (BMBWF, 2018b, S. 35). Laut telefonischer Auskunft von Frau MinRin Mag.a Ulrike Zug (BMBWF, Abt. I/4) vom 13.09.2018 zeugt dies – dem Regierungsprogramm folgend – von einer „deutlichen Aufwertung der elemen-taren Bildung”. Konkret bedeutet es, dass Empfehlungen fĂŒr beispielsweise rechtli-che, organisatorische und pĂ€dagogische Maßnahmen hinsichtlich der frĂŒhkindlichen Entwicklung seitens des BMBWF zwar aus-gesprochen werden, die Umsetzung jedoch weiterhin den LĂ€ndern obliegt: „An der LĂ€n-derkompetenz hat sich nichts geĂ€ndert.”

GemĂ€ĂŸ Art. 14 Abs. 4 Bundes-Verfassungsge-setz idgF ist das Kindergarten- und Hortwe-sen in der Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Daraus ergeben sich gravie-rende gesetzliche Unterschiede in den Be-reichen Angebot und QualitĂ€t: unterschied-licher PersonalschlĂŒssel, unterschiedliche Gruppen- und RaumgrĂ¶ĂŸen, differierende Öffnungszeiten, eminente Auffassungsun-terschiede zu Bildung und Betreuung, ver-schiedene Arbeitsbedingungen mit unter-schiedlicher Bezahlung. Das Mosaik der elementaren Bildungssituation in Österreich wird noch ergĂ€nzt durch unterschiedliche Ausbildungsformen fĂŒr Helfer_innen/Assis-tent_innen6, die im Kindergarten angestellt sind.

In Salzburg werden Angebote zur Fort- und Weiterbildung elementarpÀdagogischer FachkrÀfte vom ZEKIP7, der KPH Edith Stein und der PH Salzburg sowie von privaten TrÀ-gereinrichtungen organisiert. Der erste Uni-

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5 6 Semester, Matura oder BerufsreifeprĂŒfung vorausgesetzt6 exemplarisch: KĂ€rnten 14 Monate berufsbegleitend, Tirol teilweise keine Ausbildung erforderlich, Salzburg 116–148 Einheiten je nach anbietender Institution7 Zentrum fĂŒr KindergartenpĂ€dagogik, Land Salzburg8 Der ULG ElementarpĂ€dagogik ist eine Kooperation von UniversitĂ€t Salzburg, Bildungshaus St. Virgil und Land Salzburg und stellt neben dem BA-Studium

„Sozialmanagement in der ElementarpĂ€dagogik” (seit 2014 an der FH Campus Wien) und dem Studiengang „BABE+ Bachelor of Arts: Bildung & Erziehung +” (seit 2014 Kinder in Wien (KIWI) in Kooperation mit der Hochschule Koblenz) erste österreichische TertiĂ€risierungsformen dar.

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versitĂ€tslehrgang fĂŒr ElementarpĂ€dagogik8 hat 2014 in Salzburg mit dem Schwerpunkt Leitung gestartet. Seit 2018 kann an der Uni-versitĂ€t Salzburg der Schwerpunkt Elemen-tarpĂ€dagogik9 im Umfang von 24 ECTS-AP belegt werden, der zur Arbeit in Tagesbe-treuungseinrichtungen10 qualifiziert.

Auch im Bereich universitĂ€rer LehrstĂŒhle fĂŒr ElementarpĂ€dagogik liegt Österreich unter dem europĂ€ischen Durchschnitt. An deut-schen UniversitĂ€ten und Hochschulen bei-spielsweise ist die ElementarpĂ€dagogik seit vielen Jahren eine kleine, jedoch etablierte Teildisziplin11, wohingegen es in Österreich bislang zwei universitĂ€re LehrstĂŒhle fĂŒr Ele-mentarpĂ€dagogik gibt12.

Professionalisierungsbestrebungen im Sinne einer tertiĂ€ren Grundausbildung blickten bislang auf eine erfolglose Geschichte in Ös-terreich zurĂŒck: Im Zuge der Bildungsreform 2013 war innerhalb der „PĂ€dagog_innenbil-dung neu” auch die Eingliederung elemen-tarpĂ€dagogischer FachkrĂ€fte vorgesehen, orientiert an Ausbildungsformen in anderen europĂ€ischen LĂ€ndern, die jedoch durch massiven Widerstand von LĂ€ndern und Ge-meinden erfolgreich blockiert wurde.

Vor diesen HintergrĂŒnden begrĂŒĂŸen wir die aktuelle Entwicklung im Feld: Ein Bachelor-studium ElementarpĂ€dagogik im Umfang von 180 ECTS, 6 Semester berufsbegleitend, wird ab Herbst 2018 an den PĂ€dagogischen Hochschulen österreichweit, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, angeboten.13 Ein langersehnter Meilenstein in der Geschich-te der Akademisierung der ElementarpĂ€d-agogik in Österreich mit einem Haken: Der Zugang zum Studium ist auf BAfEP/BAKIP-Absolvent_innen beschrĂ€nkt.

Professionalisierung – wozu?

Im Hinblick auf das Gelingen frĂŒhkindlicher Bildungsprozesse, v.a. unter dem Postulat ei-nes ko-konstruktiven Bildungszugangs14, neh-men elementarpĂ€dagogische FachkrĂ€fte eine SchlĂŒsselrolle ein. Die pĂ€dagogische QualitĂ€t ihrer tĂ€glichen Arbeit am Kind und der damit einhergehende Einfluss auf die Entwicklung der Kinder sind maßgeblich von der Qualifizierung der FachkrĂ€fte geprĂ€gt (Blossfeld et al., 2012). FĂŒr Österreich spre-chen sich Empfehlungen von Eurydice und UNICEF fĂŒr einen 50%-Anteil von tertiĂ€r aus-gebildetem Personal in elementarpĂ€dago-gischen Institutionen aus, u.a. auch um dem EU-Standard nĂ€herzukommen (IV, 2015, S. 20). Sinnvoll erscheint ein akademischer Ab-schluss im Hinblick auf den Transfer der aktu-ellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis und somit der besseren Vorbereitung auf die BerufsrealitĂ€t durch fachspezifische-re Inhalte (Hackl, Gesirick, Hannes & Kapella, 2015, S. 127). Damit verbundene Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten könn-ten fĂŒr das Anheben des MĂ€nneranteils in-nerhalb der BerufsdomĂ€ne sorgen und die kaum vorhandene Geschlechter-DiversitĂ€t positiv beeinflussen: Aktuell sind in Öster-reich 3,5% mĂ€nnliche FachkrĂ€fte in elemen-taren Bildungsinstitutionen (1,9%/119 Perso-nen in Kinderkrippen und 1,4%/453 Personen in KindergĂ€rten) beschĂ€ftigt (Statistik Aust-ria, 2017).

Der Berufsstand leidet immer noch unter dem Nimbus einer „PĂ€dagogik zweiter Klasse” und erfĂ€hrt insgesamt zu wenig WertschĂ€tzung und Anerkennung [Her-vorhebung durch die Verfasser_innen]. FĂŒr eine Aufwertung des Berufs ist eine Auf-wertung der Ausbildung notwendig und

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9 innerhalb der Studien PĂ€dagogik, Erziehungswissenschaft, Psychologie und Lehramtsstudien10 Das sind gemĂ€ĂŸ § 3 Abs. 2 Salzburger Kinderbetreuungsgesetz idgF Krabbelgruppen, alterserweiterte Gruppen und Schulkindgruppen.11 derzeit 115 StudiengĂ€nge zur KindheitspĂ€dagogik oder fachlich affine StudiengĂ€nge12 UniversitĂ€t Graz: Lehrstuhl fĂŒr ElementarpĂ€dagogik, UniversitĂ€t Innsbruck: Stiftungsprofessur fĂŒr ElementarpĂ€dagogik13 Diese Tatsache bedingt auch zunehmend mehr Stellen fĂŒr ElementarpĂ€dagogik an den PĂ€dagogischen Hochschulen.14 Die Ko-Konstruktion als Lehr-Lernzugang ist im bundeslĂ€nderĂŒbergreifenden BildungsRahmenPlan fĂŒr elementare Bildungseinrichtungen (Charlotte-BĂŒhler-

Institut, 2009) mehrmals explizit ausgewiesen.

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förderlich. Dies wĂŒrde auch eine bessere Bezahlung ermöglichen. Derzeit gibt es – zusĂ€tzlich zu den unterschiedlichen Zeit-bewertungen fĂŒr Bildungsarbeit – nicht nur große regionale und trĂ€gerspezifi-sche Gehaltsunterschiede im Berufsfeld, sondern auch einen deutlichen „Ge-haltsgap” bei den EinstiegsgehĂ€ltern von ElementarpĂ€dagoginnen und -pĂ€da-gogen und LehrkrĂ€ften (IV, 2015, S. 21).

Eine Anhebung der Ausbildung auf tertiĂ€re Ebene bedeutet gleichzeitig auch eine An-hebung des Alters der Auszubildenden. Die damit verbundene bewusste Entscheidung fĂŒr den Beruf könnte auch dazu beitragen, dass kĂŒnftig mehr als rund 30% der BAfEP-Absolvent_innen unmittelbar in den Beruf einsteigen und in Folge regionale Personal-engpĂ€sse in den Institutionen kompensiert werden könnten (IV, 2015, S. 20).

Was bedeutet Professionalisierung?

Innerhalb der elementaren Bildung lÀsst sich keine explizit theoretische Fundierung des Begriffes der Professionalisierung finden. Dif-ferierende Modelle und Professionskonzepte aus anderen erziehungswissenschaftlichen Subdisziplinen, wie beispielsweise aus der SozialpÀdagogik, werden dem elementar-pÀdagogischen Kontext ein-/angepasst (Hoffmann, 2013, S. 315).

Demnach kann Professionalisierung ei-nerseits auf formale statusabhÀngige In-dikatoren wie beispielsweise auf den Aus-bildungsgrad oder auf die spezifischeren merkmalsorientierten Modelle wie bei-spielsweise auf das dokumentierte Fach-wissen oder auf das sich dem Gemeinwohl verschriebene pÀdagogische Handeln re-kurrieren. Das VerstÀndnis von Professiona-lisierung kann andererseits auch empirisch ausgerichtet sein und qualitÀtssichernde

bzw. wirksamkeitsevaluierende messbare As-pekte beinhalten wie etwa die Genese und die Ausgestaltung pÀdagogischer Interakti-onen (Thole & Polutta, 2011, S. 108).

Diese differenten AnsÀtze stellen Möglich-keiten dar, die AusprÀgung von Professio-nalitÀt zu beschreiben oder zu messen und Professionalisierungsprozesse in ihren Teilbe-reichen unter den vorgegebenen PrÀmissen zu analysieren. Je nach Perspektive, die Wis-senschaft und Politik einnehmen, resultieren unterschiedliche Professionalisierungsstrate-gien, entweder fokussiert auf Akademisie-rung oder auf domÀnenspezifische Qualifi-zierung, orientiert an den Bildungsbereichen in den RahmenplÀnen und Kompetenzka-talogen wie z.B. Sprache, MINT-FÀcher etc. (Hoffmann, 2013, S. 316).

Abgesehen davon, „dass formale struktur-theoretische Fassungen von Professionali-tĂ€t die sie bestimmenden Mechanismen nur unzureichend aufklĂ€ren” (Thole & Polut-ta, 2011, S. 108), sind im deutschsprachigen Raum auch die dementsprechenden Struk-turen noch nicht in dem Maß etabliert15, um ein alleiniges Professionalisierungsmerkmal geltend machen zu können.

Innerhalb der ElementarpÀdagogik hat es sich durchgesetzt, von professioneller Hand-lungskompetenz zu sprechen (Anders, 2012, S. 11), und es wird u.a. versucht, kompetenz-theoretische Fragestellungen mit jeweils unterschiedlichen empirischen Operatio-nalisierungen und Bereichsfokussierungen zu beantworten. Der Kompetenzbegriff ori-entiert sich an der Definition von Weinert (1999). Demnach lÀsst sich Kompetenz am besten damit beschreiben, den Aufgaben im jeweiligen Bereich verantwortungsvoll zu begegnen und den Anforderungen erfolg-reich gerecht zu werden. Im elementarpÀd-agogischen Alltag zeichnen sich die Hand-

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15 5% des frĂŒhpĂ€dagogischen Personals, vorwiegend in Leitungsfunktion, hat in Deutschland einen akademischen Abschluss (Autorengruppe FachkrĂ€fteba-rometer, 2017, S. 30).

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lungsanforderungen dadurch aus, „dass sie als Interaktionssituationen nicht stan-dardisierbar sind, jedoch oft hochkomplex und mehrdeutig sowie vielfach schlecht vorhersehbar” (Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch, 2011, S. 17). Daraus können Kompetenzen abgeleitet werden, die es ermöglichen, „ausgehend von wis-senschaftlich-theoretischem Wissen und re-flektiertem Erfahrungswissen in diesen kom-plexen Situationen selbst organisiert, kreativ und reflexiv ‚Neues’ zu schaffen (bezogen auf Denken und Handeln), aktuellen Anfor-derungen zu begegnen und Probleme zu lösen” (Fröhlich-Gildhoff et al., 2011, S. 17). Im folgenden strukturtheoretischen Modell pro-fessioneller Handlungskompetenz sind diese mehrdimensionalen FĂ€higkeitskonzepte hie-rarchisch abgebildet. Vgl. Abbildung 1.

Es wird angenommen, dass professionelle Kompetenzen grundsĂ€tzlich „erlernbar und dementsprechend durch Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote ansprechbar und verĂ€nderbar sind. Sie entwickeln sich fortlau-

fend wĂ€hrend der professionellen Karriere eines Individuums in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt” (Anders, 2012, S. 9).

Qualifizierung: BeitrÀge der PÀdagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig

Bachelorstudium ElementarpÀdagogik(Studiengangsleitung: Judith Kainhofer)

An der PH Salzburg Stefan Zweig startet mit Wintersemester 2018/19 das Bachelorstudi-um ElementarpÀdagogik, vorerst mit einer Gruppe von Studierenden. Zulassungsvor-aussetzung ist ein BAfEP/BAKIP-Abschluss.

Das Curriculum wurde in Kooperation von PH OÖ, PHDL und PH Salzburg unter Feder-fĂŒhrung von Ursula Svoboda (PHDL) und Thomas WahlmĂŒller (PH OÖ) entwickelt, von-seiten der PH Salzburg waren Eva Kok-Ertl, Andrea Lenger sowie ab 2018 Evelyn Kobler und Judith Kainhofer beteiligt. Es baut auf dem oben explizierten ProfessionsverstĂ€nd-

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Abbildung 1: Fröhlich-Gildhoff,

Nentwig-Gesemann & Pietsch,

2011, S. 17

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nis auf und postuliert fĂŒr die Umsetzung ei-nen konstruktivistischen Ansatz.

Das Studium verfolgt gemĂ€ĂŸ § 8 Abs. 1 HG 2005 idgF das Ziel Personen in pĂ€dagogi-schen Berufsfeldern wissenschaftlich auszu-bilden. Die konkrete Zielsetzung umfasst eine breite wissenschaftlich-reflektorische bil-dungswissenschaftliche und elementarpĂ€d-agogische Vertiefung der Grundausbildung, mit inhaltlichen Schwerpunktsetzungen auf Diversity Education sowie FĂŒhrungs- und Lei-tungskompetenz (Leadership), als auch die Entwicklung einer elementarpĂ€dagogisch professionellen Handlungskompetenz. Von den insgesamt 180 ECTS-AP entfallen 30 ECTS-AP auf pĂ€dagogisch-praktische Studien.

Die Absolvent_innen erwerben mit dem Ba-chelorstudium ElementarpÀdagogik einen vollwertigen akademischen Grad, Bachelor of Education (B.Ed.), der anschlussfÀhig ist.

Neben diesem Akademisierungsangebot in der Ausbildung bietet die PH Salzburg Stefan Zweig FWB-Angebote fĂŒr elementar-pĂ€dagogische FachkrĂ€fte im Rahmen von HochschullehrgĂ€ngen sowie gemeinsame Fortbildungen mit dem ZEKIP und SCHILFs fĂŒr Volksschul-Kindergarten-Teams an.

Hochschullehrgang „Praxisanleitung im Elementarbereich” (HLG PRE) (Lehrgangsentwicklung und -leitung: Eva Kok-Ertl und Andrea Lenger)

Studien kommen zu dem Ergebnis, dass dem Lernort Praxis fĂŒr den Erwerb pĂ€dagogischer ProfessionalitĂ€t und Handlungskompetenz im pĂ€dagogischen Feld eine wesentliche Bedeutung zukommt (Prinz, Teuscher & WĂŒn-sche, 2014, S. 16). „Denn letztendlich ist es die Praxisanleiterin, die den Lerntransfer zwi-schen Theorie und Praxis sichert, die implizit Vermitteltes explizit macht und die Verant-wortung fĂŒr die QualitĂ€t der Ausbildung in der Fachpraxis ĂŒbernehmen kann” (Fischer & Speck-Giesler, 2014, S. 11). Im Rahmen der

Ausbildung an den BAfEPs wird das Thema „Anleitung in der Praxis” nicht vermittelt. Daraus resultierte die Idee, eine Fort- bzw. Ausbildung zur TĂ€tigkeit der Praxisanleitung zu konzipieren. Der Hochschullehrgang ver-steht sich als fachliche „NachrĂŒstung” und ist fĂŒr jene der elementarpĂ€dagogischen Fach- und LehrkrĂ€fte gedacht, die SchĂŒ-ler_innen und Studierende des Kollegs der BAfEP betreuen.

Der HLG „Praxisanleitung im Elementarbe-reich” (6 ECTS-AP) wurde in Zusammenar-beit mit dem Land Salzburg und der KPH Edith Stein bereits drei Mal durchgefĂŒhrt.

Innerhalb des HLG finden drei thematische Blöcke in zwei Semestern statt. Block 1 um-fasst die Grundlagen der Praxisanleitung: Rollenbild und Aufgaben der Praxisanlei-terin/des Praxisanleiters, berufsbiographi-sche Aspekte und Anleitungsstile. In Block 2 werden rechtliche Grundlagen der Pra-xisbetreuung, aktuelle Lehrplaninhalte der Ausbildung und die Umsetzung des Bildungs-rahmenplans (Charlotte-BĂŒhler-Institut, 2009) vermittelt. Block 3 fokussiert die Themen Kommunikation und Beratung: Vertiefung von GesprĂ€chsfĂŒhrungstechniken, Möglich-keiten der LeistungsrĂŒckmeldung und Erhö-hung der Beratungskompetenz bilden den Schwerpunkt.

Begleitend unterstĂŒtzt die DurchfĂŒhrung ei-ner kollegialen Hospitation die Reflexion der Anleitungsrolle.

Hochschullehrgang „FrĂŒhe sprachliche Förderung im Kindergarten und Schul-eingangsbereich” (HLG FS) (Lehrgangsleitung: Gabriele Breitfuß-Muhr)

FĂŒr die spezifische Sprachförderung brau-chen PĂ€dagog_innen neben generel-len pĂ€dagogischen Kompetenzen auch Sprachförderkompetenzen wie spezifisches Fachwissen, fachdidaktisches Wissen so-wie Handlungskompetenzen im Bereich

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Kompetenzzentrum ElementarpÀdago-gik an der PH Salzburg

An der PH Salzburg Stefan Zweig werden die genannten Professionalisierungsstrate-gien und Angebote im 2017 gegrĂŒndeten Kompetenzzentrum ElementarpĂ€dagogik zusammengefĂŒhrt.

Das Format des Kompetenzzentrums (CC) zielt darauf ab, die einschlĂ€gigen Kompe-tenzen im Haus zu bĂŒndeln, die Vernetzung zwischen den handelnden Personen und den beteiligten Abteilungen an der PH zu stĂ€rken und dadurch eine nachhaltige Ent-wicklung anzustoßen sowie insgesamt das Dreieck „Forschung – Lehre – Praxis” im be-treffenden Bereich zu stĂ€rken.

Die fachlichen Schwerpunkte des CC Ele-mentarpĂ€dagogik orientieren sich zum ei-nen an den professionellen und gesellschaft-lichen BedĂŒrfnissen, zum anderen gehen sie auch ganz wesentlich von den fachlichen Forschungs- und Interessensschwerpunkten der beteiligten Personen aus.

Das Aufgabenspektrum des CC Elementar-pÀdagogik umfasst neben den genannten Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten u.a.:

ïżœïżœ die Entwicklung und StĂ€rkung der Ele-mentarpĂ€dagogik an der PH Salzburg

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Evelyn Kobler, Judith Kainhofer, Eva Kok-Ertl, Andrea Lenger

der Sprachförderung (MĂŒller, Smits, Geyer & Schulz, 2014).

MĂŒller et al. (2014) weisen auf eine große HeterogenitĂ€t hinsichtlich linguistischen Fachwissens und auf einschlĂ€gigen Qualifi-zierungsbedarf bei pĂ€dagogischen Fach-krĂ€ften in der vorschulischen Sprachförde-rung hin. Dieser Befund bestĂ€tigt Ergebnisse frĂŒherer Studien zum Fachwissen (Thoma, Ofner, Seybel & Tracy, 2011).

Der zweisemestrige HLG „FrĂŒhe sprachliche Förderung im Kindergarten und Schulein-gangsbereich” (6 ECTS-AP) wird in Koope-ration mit dem Land Salzburg durchgefĂŒhrt und ist in drei thematische Blöcke geglie-dert:

WĂ€hrend in Modul 1 psycholinguistisches Grundlagenwissen zu Erst-, Zweitspracher-werb, SprachentwicklungsauffĂ€lligkeiten und interkultureller Kommunikation im Zentrum stehen, fokussieren Modul 2 und 3 auf die kindgerechte DurchfĂŒhrung von Sprach-standsbeobachtung inklusive Auswertung, Interpretation und Förderplanerstellung so-wie die Planung, DurchfĂŒhrung und Evaluie-rung von Sprachfördermaßnahmen auf den einzelnen sprachlichen Ebenen (Methodik/Didaktik der Sprachförderung und -bildung).

Im Herbst 2018 startet der HLG bereits zum dreizehnten Mal.

Abbildung 2: Team des CC ElementarpĂ€dagogik v.l.: Judith Kainhofer (Leitung), Eva Kok-Ertl, Gabriele Breitfuß-Muhr,

Robert Schneider-Reisinger, Heike Niederreiter, Evelyn Kobler, Christina Brandauer; nicht am Bild: Andrea Lenger

64| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ïżœïżœ die Verzahnung mit der Lehrer_innenbil-dung, insbesondere mit der Primarstufen-pĂ€dagogikïżœïżœ Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung von PĂ€dagog_innen und Studierenden fĂŒr den Bereich elementare Bildungïżœïżœ Forschung zu elementarpĂ€dagogi-schen Themenfeldern mit klar definierten Schwerpunkten

Forschung im Bereich Elementar-pÀdagogik an der PH Salzburg

Im Bereich der ElementarpĂ€dagogik lie-gen die Forschungsschwerpunkte derzeit im linguistischen bzw. sprachförderungs-bezogenen Bereich (Judith Kainhofer), in der Forschung zur Professionalisierung von elementarpĂ€dagogischen FachkrĂ€ften im Bildungsbereich Natur und Umwelt (Evelyn Kobler) sowie zur Nahtstelle Kindergarten-Volksschule (Gabriele Breitfuß-Muhr, Christi-na Brandauer).

Ziel sĂ€mtlicher ForschungsaktivitĂ€ten ist ne-ben der Wissensgenerierung (Erforschung der jeweiligen Fragestellung, Dissemination durch wissenschaftliche VortrĂ€ge und Pu-blikationen) der bedeutsame Transfer ins Praxisfeld, insbesondere ĂŒber die Bildungs-angebote der PH Salzburg Stefan Zweig (forschungsgeleitete Lehre) sowie durch Publikationen fĂŒr die Zielgruppe der PĂ€da-gog_innen.

Fazit

Vor dem Hintergrund der internationalen Professionalisierungsdebatten ist nicht die Tatsache, dass die Ausbildung pĂ€dagogi-scher FachkrĂ€fte in Österreich derzeit an berufsbildenden höheren Schulen (BAfEPs) stattfindet, problematisch zu sehen, sondern vielmehr die bisherige BeschrĂ€nkung auf eine rein nicht-akademische Ausbildung elementarpĂ€dagogischer FachkrĂ€fte in Ös-terreich.

In anderen DomĂ€nen, etwa wirtschaftlichen oder technischen FĂ€chern, gibt es in Öster-reich schließlich auch eine gut funktionieren-de Koexistenz von berufsbildenden höheren Schulen und einschlĂ€gigen StudiengĂ€ngen an UniversitĂ€ten und Hochschulen – wobei der Zugang zu diesen Studienangeboten, anders als im Falle des Bachelorstudiums ElementarpĂ€dagogik an den PĂ€dagogi-schen Hochschulen, nicht auf einen Formal-abschluss aus einer facheinschlĂ€gigen BHS beschrĂ€nkt ist.

Die Berufsberechtigung als Kindergarten-pĂ€dagog_in kann nach derzeit geltendem österreichischen Recht nur an BAfEPs er-worben werden. Eine wissenschaftlich fun-dierte oder anders geartet zwingende Be-grĂŒndung fĂŒr diese EinschrĂ€nkung besteht nicht, sie könnte vom Gesetzgeber jederzeit geĂ€ndert werden, um dadurch den Weg fĂŒr einen weiteren regulĂ€ren Ausbildungsweg zur KindergartenpĂ€dagog_in bzw. Elemen-tarpĂ€dagog_in zu eröffnen.

Das ist eine Grundsatzentscheidung, die die Politik zu treffen hat!

Dass vonseiten der TrÀger von KindergÀrten und anderen Kinderbetreuungs-/Kinder-bildungseinrichtungen (insbesondere von Gebietskörperschaften wie Gemeinden) zum Teil Vorbehalte und Sorgen hinsichtlich möglicher finanzieller Auswirkungen einer Akademisierung elementarpÀdagogischer FachkrÀfte bestehen, ist einerseits nach-vollziehbar, sollte andererseits jedoch aus fachlicher Sicht angesichts der dargelegten internationalen Professionalisierungsdebat-ten und Qualifizierungsdiskurse sowie der gesellschaftlichen Herausforderungen kein Entscheidungskriterium sein.

Die Effizienz qualitĂ€tsvoller frĂŒher Bildung ist empirisch belegt. Die Bedeutung der elementarpĂ€dagogischen FachkrĂ€fte in-nerhalb des QualitĂ€tsdiskurses ist evident.

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Neben dem individuellen und gesellschaft-lichen Nutzen, erhöhter Lernfreude und Lernbereitschaft, Verbesserung kognitiver und sozialer FĂ€higkeiten bei Kindern gibt es auch langfristig positive volkswirtschaft-liche Effekte: „Jeder in frĂŒhe Bildung inves-tierte Euro bringt volkswirtschaftlich gese-hen einen mindestens achtfachen Nutzen” (IV, 2015, S. 11 unter Verweis auf Dreer & Schneider, 2012). „PrĂ€ventive Investitionen in frĂŒhkindliche Bildung zahlen sich”, laut In-dustriellenvereinigung, „fĂŒr Kinder, Familien, Gesellschaft und Wirtschaft aus” (IV, 2015, S. 11).

Als PÀdagogische Hochschule können wir auch im Rahmen der derzeitigen gesetzli-chen Möglichkeiten Angebote setzen, die der Professionalisierung und wissenschaftlich fundierten fachlichen (Weiter-)Qualifizierung von elementarpÀdagogischen FachkrÀften dienen.

Die derzeitige Entwicklung und mit ihr die In-itiativen der PH Salzburg ist als PlĂ€doyer fĂŒr eine Entwicklung hin zu einer auch tertiĂ€ren Ausbildung mit reflektorischer, forschungs-/wissenschaftsbezogener Ausrichtung bei gleichzeitigem Fokus auf den Transfer in die Praxis zu verstehen.

DarĂŒber steht das Ziel, PĂ€dagog_innen best-möglich dahingehend zu qualifizieren, den immensen Herausforderungen, die unsere Gesellschaft und die Arbeit im elementar-pĂ€dagogischen Feld bereithĂ€lt, fundiert und reflektorisch auf Basis neuer wissen-schaftlicher Erkenntnisse aus den Teildiszipli-nen der Grundlagenwissenschaften zu be-gegnen. Dies ist etwas, das nur eine tertiĂ€re Bildungseinrichtung mit den dort vorhande-nen Strukturen bieten kann!

Literatur

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PROFESSIONALISIERUNG ELEMENTARPÄDAGOGISCHER FACHKRÄFTE IN ÖSTERREICH – DIE ROLLE DER PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULE SALZBURG STEFAN ZWEIG INNERHALB DES AKTUELLEN QUALIFIZIERUNGSDISKURSES

Evelyn Kobler, Judith Kainhofer, Eva Kok-Ertl, Andrea Lenger

66| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ePortfolios mit Microsoft OneNote Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber

Dieser Beitrag betrachtet ePortfolios aus verschiedenen Perspektiven und stellt einen kurzen Er-fahrungsbericht aus dem Studienzweig „Information und Kommunikation” der Sekundarstufe Berufsbildung der PH Oberösterreich dar. Ziel des Projekts war es, Microsoft OneNote (als Alter-native zu anderen Plattformen) fĂŒr die ePortfolio-Arbeit zu verwenden.

Einleitung

Bei ePortfolios handelt es sich um digitale Sammelmappen, die durch multimediale Inhalte ergĂ€nzt werden können und spezi-ell im eLearning eingesetzt werden, um den persönlichen Lernweg und Lernzuwachs sowie die Kompetenzen von Studierenden ĂŒber einen bestimmten Zeitraum hinweg darzustellen und zu reflektieren. AbhĂ€ngig von den digitalen Kompetenzen der Studie-renden können in ePortfolios Verlinkungen, gezielte Freigaben sowie Such- und Kom-mentarfunktionen die EffektivitĂ€t steigern und das Feedback vereinfachen (Czerwion-ka, Knutzen & Bieler, 2010).

Im Lehrveranstaltungsblock PPS/FD (PĂ€da-gogisch Praktische Studien und Fachdidak-tik) vormals SPS/FD (Schulpraktische Studien und Fachdidaktik) am Institut BerufspĂ€dago-gik der PH OÖ im Studienzweig „Information und Kommunikation”1 (im Folgenden IK) wird seit 2010 das im Curriculum verankerte FĂŒh-ren eines Portfolios und dessen abschließen-de PrĂ€sentation von den Studierenden ver-langt. Bis 2015 hatten die Studentinnen und Studenten ausgedruckte Artefakte in einem Ordner und parallel dazu als ePortfolio auf der Lernplattform Moodle (Exabis-Plugin) gesammelt. Die Gestaltungsmöglichkeiten von Moodle waren jedoch nicht zufrie-denstellend und die Plattform Mahara, die bessere Gestaltungsmöglichkeiten bietet, stand damals wie heute nicht zur VerfĂŒgung.

Des Weiteren gab es auch noch offene Fra-gen zum lebenslangen Zugriff, zur Zugriffsein-

schrĂ€nkung und zur Datensicherheit. Es galt also eine Alternative zu finden, die kosten-gĂŒnstig, praktisch und einfach in der Anwen-dung ist und den Studierenden auch nach ihrem Abschluss zur VerfĂŒgung steht. Im Jahr 2017 kam noch die Anforderung dazu, dass die Plattform den Richtlinien der DSGVO entsprechen muss. So entstand die Idee, Mi-crosoft OneNote zur ePortfolio-Arbeit zu ver-wenden.

Lehr- und Lernziele des ePortfolios (in IK)

EingefĂŒhrt wurde die Portfolio-Arbeit, um den Studentinnen und Studenten die Pla-nung, DurchfĂŒhrung und Reflexion des Kom-petenzerwerbs sowie das Evaluieren der persönlichen Lernerfahrungen bewusst zu machen und sie zu einer selbstsicheren Po-sitionierung in der fachlichen Auseinander-setzung mit dem Lernstoff zu fĂŒhren. Durch die Portfolio-Arbeit lernen die Studierenden, sich neue Ziele fĂŒr ihr individuelles Lernen zu setzen. DarĂŒber hinaus bietet das ePortfo-lio Möglichkeiten, den eigenen Lernprozess aufgrund eines Lerntagebuchs zu intensi-vieren, sich auszutauschen, gegenseitige Feedbacks zu geben und vernetzt zu ar-beiten, um die erworbenen fachlichen, per-sönlichen und sozialen Kompetenzen ohne zusĂ€tzliches bewusstes Zutun noch weiter zu steigern. Die Studierenden sollen Gefallen am Sammeln und Weiterentwickeln der ei-genen Leistungen finden. Durch die Arbeit am ePortfolio wird den Studentinnen und Studenten das didaktische Potential prak-tisch vor Augen gefĂŒhrt, denn nur so werden sie die Portfolio-Arbeit auch im Unterricht bei

ePORTFOLIOS MIT MICROSOFT ONENOTE Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber

1 Bis zum Studienjahr 2016/17 hieß der Studienzweig „Informations- und KommunikationspĂ€dagogik”.

|67 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ben, widerspiegeln. Aus diesem Grund kann kein Portfolio dem anderen gleichen, selbst wenn die Inhalte in Rahmenform vorgege-ben sind. Durch diese Reflexion sollen sich die Studierenden aber auch der eigenen Kompetenzen bewusst werden und ihre in-dividuellen StÀrken und Begabungen erken-nen.

Ziel dieser ePortfolio-Arbeit, die sich ĂŒber alle acht Semester zieht, ist es, dass sich bei den Studentinnen und Studenten die Arbeit mit ePortfolios als selbstverstĂ€ndlicher Bestand-teil des Lernens etabliert. Durch die Selbst-reflexion können sie ihren persönlichen Lern- und Bildungsweg finden und erkennen, wie sie persönlich die Ausbildung wahrnehmen und wie sie sich in den vier Jahren ihres Ba-chelorstudiums verĂ€ndert haben, wie sich ihre Sicht auf die TĂ€tigkeit als Lehrerin/Leh-rer gewandelt hat und wie ihr Wissen und Können gewachsen ist. Sie halten damit die Lernprozesse, die sie durchlaufen, schriftlich fest und die einzelnen Schritte vom Beginn des Studiums bis zum Ende sind damit doku-mentiert. Der eigene Lernfortschritt bleibt so-mit sicht- und erinnerbar, womit ein Grund-stein fĂŒr Lebenslanges Lernen gelegt ist. Dies wirft natĂŒrlich die Fragen nach einem eben-falls lebenslangen Zugriff, nach Zugriffsein-schrĂ€nkungen und nach der Datensicher-heit auf.

Die Studierenden sollen sich außerdem Ge-danken zum Design und Inhalt des eigenen ePortfolios machen und, abgesehen von den inhaltlichen Vorgaben, diesem eine persönliche Note verleihen, indem sie die eigene KreativitĂ€t in die Gestaltung einflie-ßen lassen. Und hier stĂ¶ĂŸt man mit Mood-le an Grenzen, denn Moodle bietet, selbst mit dem eigenen Plug-in fĂŒr die ePortfolio-Erstellung, im Hinblick auf die Gestaltungs-möglichkeiten leider nicht dieselben Mög-lichkeiten an wie z.B. Mahara oder Microsoft OneNote.

ihren kĂŒnftigen SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern gewinnbringend anwenden.

Im Rahmen des PPS-Unterrichts setzen sich die Studentinnen und Studenten in den 8 Semestern ihres Studiums mit der Rolle der Lehrerin/des Lehrers sowie in der Interaktion mit SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern auseinander. Sie besuchen Unterrichtsstunden von Fach-lehrerinnen und -lehrern an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen und halten aktiv mindestens acht Stunden. Schließlich absolvieren sie im 5. Semester ein dreiwö-chiges Pflichtpraktikum an einer Schule ihrer Wahl. Sie eignen sich im Rahmen ihrer Aus-bildung einschlĂ€giges Wissen und professi-onelle Kompetenzen an, um ein möglichst großes Repertoire fĂŒr die BewĂ€ltigung des Lehrberufs zu besitzen. Es geht also nicht nur um ihre fachliche, sondern auch um ihre persönliche Entwicklung, ihre persönliche Auseinandersetzung mit dem Erlernten und den Reflexionen, die die Studierenden von ihren Kolleginnen und Kollegen sowie ihren Lehrenden erhalten.

Bereits ab dem 2. Semester sollen die ePort-folios – um eventuelle LĂŒcken zu schließen – in Partnerarbeit besprochen werden. Außer-dem sollen die Studentinnen und Studenten Erfahrungen im Argumentieren, weshalb sie die verschiedenen Dokumente ausgewĂ€hlt haben, sammeln. Die bisher erreichten Lern-ziele werden dabei noch einmal analysiert und gefestigt. Diese gegenseitige Reflexion soll in jedem Semester stattfinden und eben-falls im Portfolio dokumentiert werden. Die Studentinnen und Studenten können ihr er-worbenes Wissen individuell darstellen und sollen ohne stĂ€ndige Aufforderung durch die Lehrperson selbststĂ€ndig – nach den im Konstruktivismus2 angedachten Erkennt-nissen – arbeiten. Daher wird das ePortfolio nicht nur das erworbene Wissen, sondern auch die Art und Weise, wie sich die Studie-renden dieses Wissen zu eigen gemacht ha-

ePORTFOLIOS MIT MICROSOFT ONENOTE Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber

2 Der Konstruktivismus besagt, dass jeder Mensch aufgrund der eigenen Erfahrungen eine individuelle Wahrneh-mung der „Wirklichkeit” hat und sie/er folge-richtig die Wirklichkeit aufgrund der eigenen Wahrnehmung abbildet.

68| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Microsoft OneNote und die AnsprĂŒche an ein ePortfolio

Der Entscheidung fĂŒr Microsoft OneNote als ePortfolio-Plattform im Studienzweig IK lagen folgende Anforderungen zugrunde (Baumgartner, Himpsl-Gutermann & Zauch-ner, 2009):

Handlungsziel, AktivitÀt und Sicht: Es muss ersichtlich sein, welcher Lernprozess reflek-tiert wurde, warum welche Artefakte ge-sammelt wurden, wie die Lernprodukte evaluiert wurden und wie die persönliche Entwicklung reflektiert, geplant und prÀsen-tiert wurde.

Zugriff und Feedback: Die EigentĂŒmerin bzw. der EigentĂŒmer des ePortfolios muss sich von jenen Personen (Kolleginnen/Kollegen, Leh-renden), denen (fĂŒr einen bestimmten Zeit-raum) Zugriff fĂŒr Feedback, Evaluierung etc. gegeben wird, einwandfrei unterscheiden lassen.

Material, Auswahl und Reflexion: Aus den abgelegten Texten, Reflexionen, Artefakten, Feedbacks etc. muss die persönliche Ent-wicklung ablesbar sein bzw. unterschieden werden können, ob die Materialien lediglich „abgelegt” wurden oder ob die Auswahl zielgerichtet erfolgt ist.

Außerdem wurde das Programm aufgrund folgender vier Aspekte gewĂ€hlt (Buzzetto-More & Alade, 2008):

1. MedienpÀdagogischer Aspekt: Das Einbinden und Kommentieren mul-

timedialer Inhalte in die Dokumentation des Lernprozesses wie z.B. Hyperlinks, Da-teianlagen, Bild-, Ton- oder Videodatei-en sind möglich und fördern – ebenso wie die Nutzung des Programms selbst – die Fachkompetenz der Studierenden. Die Lernfortschritte sowie das Feedback durch Kolleginnen/Kollegen und Lehr-personen sind ersichtlich und können so-

wohl zeitlich als auch personenbezogen zugeordnet werden.

2. Wirtschaftlicher Aspekt: Microsoft OneNote steht allen Bildungs-

einrichtungen in Österreich im Rahmen von Office 365 gratis zur VerfĂŒgung, es entstehen daher keine zusĂ€tzlichen Kos-ten. Sollte nach Studienabschluss kein Office-Programm zur VerfĂŒgung stehen, kann die gebĂŒhrenfreie Variante von OneNote genutzt werden.

3. Aspekt des Lebenslangen Lernens: Die Daten, die in einem ePortfolio auf

OneNote gespeichert sind, stehen den Studierenden ĂŒber das Studium hinaus zur VerfĂŒgung und können weitergege-ben und/oder weiterverarbeitet werden.

4. Aspekt der Datensicherheit: Die Daten der Studierenden unterliegen

den Sicherheitsbestimmungen von Mi-crosoft und können sowohl lokal als auch (dies ist jedoch Voraussetzung, um ein ePortfolio mit anderen Personen teilen zu können) auf einem sicheren Cloud- Speicher (z.B. OneDrive, Dropbox) ab-gelegt werden. Das ePortfolio kann ĂŒber OneNote daher ausgewĂ€hlten Personen, auf Wunsch sogar fĂŒr einen vorbestimm-ten Zeitraum und mit eingeschrĂ€nkten Nutzungsrechten, zur VerfĂŒgung gestellt werden. OneNote ermöglicht es ĂŒber-dies, bestimmte Abschnitte, die beispiels-weise private Notizen enthalten, die nie-mand sehen soll, mit einem Kennwort zu sichern und somit gĂ€nzlich „unsichtbar” zu schalten.

Praktische Umsetzung

Nachdem die Umstellung der ePortfolio-Plattform von Moodle auf OneNote am In-stitut BerufspĂ€dagogik fĂŒr den Studienzweig „Information und Kommunikation” beschlos-sen war, wurde im Studienjahr 2015/16 die praktische Umsetzung in Angriff genommen. Die ePortfolio-Arbeit mit OneNote wird jĂ€hr-lich evaluiert und angepasst. Folgende Vor-gehensweise hat sich bewĂ€hrt:

ePORTFOLIOS MIT MICROSOFT ONENOTE Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber

|69 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

keiten der eingeschrĂ€nkten Weitergabe von NotizbĂŒchern es gibt; wie RĂŒckmel-dungen, Feedbacks etc. gegeben und verarbeitet werden können und wie bei der Beurteilung von ePortfolios vorzuge-hen ist

Aufbau des OneNote-ePortfolios

Das GrundgerĂŒst des ePortfolios ist in 3 Ab-schnittsgruppen (Meine Persönlichkeit, Re-flexionen und Materialien) sowie in verschie-dene Abschnitte und Seiten unterteilt, die mit persönlichen Texten, Artefakten, Reflexi-onen, Feedbacks usw. gefĂŒllt werden sollen.

Jede Studentin und jeder Student erhĂ€lt die-ses Notizbuch als Arbeitspaket. Das Handout zum Umgang mit dem ePortfolio ist im Ab-schnitt „ErlĂ€uterung zum ePortfolio” abge-legt und kann daher jederzeit aufgerufen werden. Auf einzelnen Seiten des Notizbu-ches gibt es kurze Hinweise, welche Inhalte hier eingefĂŒgt werden sollen, davon abge-sehen ist das Notizbuch leer.

Bereits ab dem 1. Semester werden die Stu-dierenden zur Arbeit am ePortfolio mit One-Note angeleitet. Sie erhalten (ebenso wie die Lehrpersonen)

ïżœïżœ ein Handout mit ErlĂ€uterungen, didakti-schen und praktischen Hinweisen zu Port-folio-Arbeit, Lehr- und Lernzielen sowie Beurteilungskriterien ïżœïżœ ein vorgefertigtes ePortfolio-Paket fĂŒr OneNote (siehe Abbildung 1), das als GerĂŒst fĂŒr die Inhalte verwendet werden soll, um eine Vergleichbarkeitsbasis bei der Beurteilung der ePortfolios zu schaf-fen sowieïżœïżœ eine mehrstĂŒndige Einschulung im Um-gang mit dem Programm OneNote. In dieser Schulung erfahren die Studieren-den, wie das Notizbuch aufgebaut ist und wie und wo man unterschiedliche Artefakte und Multimedia-Inhalte ein-binden kann; welche Inhalte unbedingt notwendig sind; welche Möglichkeiten es gibt ein Lerntagebuch – auch visuell an-sprechend – zu fĂŒhren; welche Möglich-

ePORTFOLIOS MIT MICROSOFT ONENOTE Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber

Abbildung 1: Aufbau des OneNote-ePortfolios fĂŒr PPS

70| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Das vorgegebene GerĂŒst kann jederzeit um Abschnittsgruppen, Abschnitte und/oder Seiten erweitert werden, die in Abbildung 1 dargestellten Vorgaben sollen jedoch nicht verĂ€ndert werden.

Neben der Sicherung auf einer privaten Plattform oder auf einem externen Spei-chermedium kann ein Notizbuch gedruckt, als PDF-Dokument gespeichert, in eine Web-seite eingebunden oder in Microsoft Word weiterverarbeitet werden.

Lessons learned

Aufgrund von RĂŒckmeldungen Studierender und Lehrender (mittels Interviews im Rah-men der AbschlussprĂ€sentationen) kann der Einsatz von OneNote zur FĂŒhrung des ePort-folios evaluiert werden. Die Erfahrungen der Nutzer_innen können wie folgt zusammen-gefasst werden:

ïżœïżœ Die Arbeit mit ePortfolios macht Fort-schritte ebenso sichtbar wie Herausfor-derungen oder eventuelle Zweifel. Hier deckt sich unsere Erfahrung mit zahlrei-chen Forschungsergebnissen (GlĂ€ser-Zi-kuda & Hascher, 2007). Ebenso entspricht die Möglichkeit des selbstregulierten und selbstgesteuerten Lernens den Erkennt-nissen der Motivationstheoretiker (z.B. die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan, 1985, oder die Flow-Theorie von CsĂ­kszentmihĂĄlyi, 1975). ïżœïżœ Das Arbeiten mit dem Programm selbst hat den Studierenden nach einer kurzen Eingewöhnungszeit keine Schwierigkei-ten bereitet. Lediglich beim Synchroni-sieren der Dateien mussten sie lernen geduldig zu sein, wenn die Datenmenge aufgrund der eingebauten Multimedia-Inhalte etwas grĂ¶ĂŸer wurde. Auch das Freigeben des eigenen ePortfolios und das Arbeiten in den ePortfolios der Kolle-ginnen und Kollegen hat keine Probleme verursacht.

ïżœïżœ Die Studierenden fĂŒhren an, dass sie ihre Selbstreflexion aufgrund der RĂŒckmel-dungen ihrer Kolleginnen und Kollegen und des Feedbacks der Lehrenden ver-bessern konnten. Sie haben ihren eige-nen Lernprozess aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten gelernt. Die Kommunikation und Kooperation wurden sowohl von den Studierenden als auch von den Lehrenden als förderlich erlebt und die Sozial- und Selbstkompetenzen ebenso wie der Zusammenhalt gestĂ€rkt. ïżœïżœ Die Sicherung ihres OneNote-ePortfolios auf eine private Plattform wurde als un-kompliziert wahrgenommen. ïżœïżœ Den Lehrenden sind, aufgrund des vor-gegebenen GerĂŒsts, die Navigation in den Portfolios und deren Beurteilung leichtgefallen.

Die Notwendigkeit einer Strategie zur EinfĂŒh-rung eines neuen Tools hat sich bewahrhei-tet. Durch die Vorbereitung der Unterlagen und die Einschulungen der Studierenden und Vortragenden war die nötige Akzep-tanz gegeben.

FĂŒr zukĂŒnftige Forschungszwecke wĂ€re es in-teressant beispielsweise den Fragen nachzu-gehen, ob das ePortfolio von den Studieren-den zu Bewerbungszwecken herangezogen wird oder ob es auch nach dem Abschluss des Studiums noch weitergefĂŒhrt wird.

ePORTFOLIOS MIT MICROSOFT ONENOTE Klaudia Lettmayr, Claudia Malli-Voglhuber

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|71 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Relevanz des Programmierens im Unterricht

Als fundamentale Ideen werden in der Di-daktik „Prinzipien, Denkweisen und Metho-den” bezeichnet, die lĂ€ngerfristig gĂŒltig sind. Neue Erkenntnisse können durch sie leichter erschlossen werden, da sie eine Variation von bereits Vertrautem sind (Schwill, 1993).

Die Bedienung von standardisierten Pro-grammen wie Microsoft Word oder Excel entspricht zwar der Erwartungshaltung an den Informatikunterricht, sie genĂŒgt aber den langfristigen Anforderungen nicht. Da vermehrt die Frage gestellt wird, wel-che FĂ€higkeiten in der kĂŒnftigen Berufswelt nachgefragt sein werden, hat das Thema Programmieren indirekt an Relevanz im öf-fentlichen Diskurs gewonnen.

FĂŒr das VerstĂ€ndnis, wie Computer, Roboter und Automaten funktionieren, ist Einblick in Programmiersprachen vonnöten. Initiativen wie Hour of Code, Code Week oder der Rasperry Pi-Minicomputer setzen die Förde-rung von Programmierkenntnissen bei Kin-dern und Jugendlichen zum Ziel. Die Hour of Code wird im englischen Sprachraum öffentlichkeitswirksam durch Prominente wie Malala Yousefzai und Barack Obama be-worben (Hour of Code, 2015).

Diese Ziele werden zunehmend an Schulen verfolgt: In Großbritannien wurde im Jahr 2014 ein durchgehendes Pflichtfach „Co-

Von HTML zu G-code: Digitale Sprachen in der sich wandelnden Berufs-/BildungsweltChristoph Eder

Das Thema Programmieren ist fĂŒr die Bereiche Informatik, MINT und Digitale Grundbildung in seinem Inhalt von großer Bedeutung. Der Unterricht und damit die Aus-, Fort- und Weiter-bildung von Lehrerinnen und Lehrern stehen zur Vermittlung von gleichbleibenden Ideen vor der Herausforderung einer stĂ€ndigen Auswahl von pĂ€dagogisch sinnvollen und in der Berufswelt relevanten Technologien und Sprachen. Die vorliegende Arbeit zeigt aktuelle Überlegungen aus der Praxis des Informatikunterrichtes mit Fokus AHS auf.

Einleitung

Ein oft zitierter Satz von E. W. Dijkstra lautet:

„In der Informatik geht es genauso we-nig um Computer wie in der Astrono-mie um [die Bedienung der] Teleskope.” (NZZ, 2012)

Die im Titel genannten Sprachen HTML und G-code sind digitale Sprachen, aber keine Programmiersprachen. Beide symbolisieren Zukunftstechnologien in ihrem jeweiligen zeitlichen Kontext: In den 1990er-Jahren war es das aufkommende Internet und damit verbunden die FĂ€higkeit, Inhalte struktu-rieren und online stellen zu können (HTML, Sprache fĂŒr Webseiten).

Aktuell wird dem 3d-Druck ein Zukunftspo-tential nachgesagt. DafĂŒr mĂŒssen Figuren gezeichnet und anschließend fĂŒr den 3d-Drucker aufbereitet werden (G-code, An-steuerungssprache fĂŒr 3d-Drucker).

Das Unterrichtsfach Informatik muss sich lau-fend auf das „next big thing” einstellen. Der Ausspruch von Dijkstra veranschaulicht die Schwierigkeit in der Informatik-Didaktik In-halte zu definieren, die in Alltags- und Berufs-welt langfristig relevant bleiben.

Die Programmierung ist eines dieser gleich-bleibenden Themen, auch wenn dieses durch neue Sprachen und Plattformen lau-fend erweitert wird.

VON HTML ZU G-CODE: DIGITALE SPRACHEN IN DER SICH WANDELNDEN BERUFS-/BILDUNGSWELTChristoph Eder

72| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ding” fĂŒr das Alter von 5–14 Jahren einge-fĂŒhrt, das eine Abgrenzung zum vorherigen IKT-Lehrplan darstellt (Cellan-Jones, 2014). Bisherige Themen wie Word oder Excel wer-den durch bestĂ€ndige Inhalte ersetzt, z.B. wie Programme hergestellt werden können – „
 not just how to work a computer, but how a computer works and how to make it work for you” (Gove, 2014, Abs. 14).

In Österreich waren in der Langform des Gymnasiums Programmierinhalte bisher in der 5. Klasse im Fach Informatik vorgesehen. Der Lehrplan nennt als Lehrstoff „Algorith-men erklĂ€ren, entwerfen, darstellen und in einer Programmiersprache implementieren” (Bundesgesetzblatt II 219/2016).

Eine Änderung tritt im Schuljahr 2018/19 mit der Digitalen Grundbildung in Kraft, die fĂŒr die Sekundarstufe I (NMS und AHS) verbind-lich fĂŒr alle SchĂŒlerinnen und SchĂŒler einge-fĂŒhrt wird. Im Rahmen von zwei verpflichten-den Wochenstunden sieht der Lehrplan u.a. Programmierinhalte vor (siehe Abbildung 1). Da die Gesamtwochenstundenzahl und die Ressourcen (Werteinheiten) unverĂ€ndert bleiben, mĂŒssten im Rahmen der Schulau-tonomie andere FĂ€cher entsprechend ge-kĂŒrzt werden – oder die Inhalte werden in andere PflichtgegenstĂ€nde integriert (Bun-desgesetzblatt II 219/2016).

Entscheidungskriterien: Wahl der Programmiersprache

Die Wahl der Programmiersprache fĂŒr den Unterricht erfolgt vorschlagsweise anhand folgender Kriterien:

1. Relevanz in der Berufswelt2. Altersbezogenheit3. Einsatzzweck/Spezialisierung

Neben diesen vorwiegend pĂ€dagogischen Kriterien sind weitere Limitierungen zu berĂŒck-sichtigen wie beispielsweise Hardwarevor-aussetzungen, Installationsaufwand, etwaige Lizenzkosten. Sinnvollerweise wird denjeni-gen Umgebungen der Vorzug gegeben, die mit vertretbarem Aufwand auch am GerĂ€t zu Hause nutzbar sind. Ein nicht zu verges-sender Faktor sind Qualifikation und Erfah-rungsschatz der unterrichtenden Lehrperson.

Im Folgenden werden Programmierspra-chen anhand der genannten Kriterien be-leuchtet. Die Auflistung erhebt keinen An-spruch auf VollstÀndigkeit und richtet sich nach Praxiserfahrungen.

Relevanz in der Berufswelt

Eine AnnÀherung an die Relevanz in der Berufswelt liefert die Frage, welche Pro-

VON HTML ZU G-CODE: DIGITALE SPRACHEN IN DER SICH WANDELNDEN BERUFS-/BILDUNGSWELTChristoph Eder

Computational Thinking – Kreative Nutzung von Programmiersprachen

SchĂŒlerinnen und SchĂŒler


Digitale Grundbildung (2-stĂŒndiges Fach):

ïżœïżœ erstellen einfache Programme oder Webanwendungen mit geeigneten Tools, um ein bestimmtes Problem zu lösen oder eine bestimmte Aufgabe zu erfĂŒllenïżœïżœ kennen unterschiedliche Programmiersprachen und Produktions-ablĂ€ufe

schulautonome Vertiefung (Erweiterung auf 3 oder 4 Stunden):

ïżœïżœ beherrschen grundlegende Programmierstrukturen (Verzweigung, Schleifen, Prozeduren)ïżœïżœ reflektieren die Grenzen und Möglichkeiten von Simulationen

Abbildung 1: Lehrstoff der Digitalen Grundbildung in der Sekundarstufe I, Ausschnitte

(Bundesgesetzblatt II 71/2018)

|73 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

for Applications als Auslaufmodell deklariert (Stack Overflow, 2017). Letztere Sprachen wurden in der Vergangenheit nicht selten im Schulunterricht eingesetzt.

Nebenbei wurden soziodemographische Merkmale erhoben, die RĂŒckschlĂŒsse auf das Berufsfeld liefern: Beispielweise waren 88,6% der Antwortenden mĂ€nnlichen und 7,6% weiblichen Geschlechts (Stack Over-flow, 2017).

Zur Nennung von CSS (Sprache, die das De-sign von Webseiten festlegt) und SQL (Spra-che zur Abfrage und Bearbeitung von Da-tenbanken) in den Listen ist anzumerken, dass diese zwar statistisch erfasst wurden, sie aber keine Programmiersprachen sind.

grammiersprachen weltweit derzeit am hÀufigsten angewandt werden. Von der beim Austausch von Quellcodes populÀren Plattform GitHub (GitHub, 2017) wurden die jÀhrlichen Pull Requests (vereinfacht: fertig-gestellte Programmabschnitte) je Program-miersprache erhoben. Bemerkenswert ist, dass Java nicht mehr Platz 2 einnimmt, da Python binnen eines Jahres eine Zuwachsra-te von 40% verzeichnete. Begleitet wird dies vom Umstand, dass Python immer hÀufiger an Schulen und UniversitÀten zum Einsatz kommt.

Die auf den Bereich Programmierfragen und -antworten spezialisierte Plattform Stack Overflow (Stack Overflow, 2017) befragt da-gegen jĂ€hrlich Expertinnen und Experten ĂŒber die verwendeten Programmierspra-chen. Das Resultat in Abbildung 2 zeigt im Vergleich zur GitHub-Auswertung fast iden-te Nennungen, wenn auch in unterschiedli-cher Reihung.

JavaScript ist die erstplatzierte Programmier-sprache in beiden Auswertungen. Trotzdem kann hier keine sichere Empfehlung fĂŒr den Unterricht abgeleitet werden: Eine hĂ€ufige Kritik an JavaScript betrifft die Syntax. Ein Beispiel dafĂŒr sind Gotchas (Cardy, 2011), frei ĂŒbersetzt: irrefĂŒhrende Regeln, die Fehler herausfordern. Des Weiteren ist JavaScript einerseits auf das Web beschrĂ€nkt, ande-rerseits werden vergleichbare Argumente auch gegen Sprachen wie PHP (ebenfalls eine Sprache fĂŒr dynamische Inhalte von Webseiten) vorgebracht. Positiv ist die nied-rige EinstiegshĂŒrde, da Browser wie Chrome und Firefox sowie einfache Texteditoren auf jedem PC installiert sind.

Eine Art Trendprognose liefert die „Wanted-Liste” (noch nicht damit programmierend, aber Interesse habend), die Python und Ja-vaScript am hĂ€ufigsten nennt – umgekehrt werden auf der „Dreaded-Liste” (damit pro-grammierend, aber kein Interesse mehr da-ran habend) Visual Basic 6 und Visual Basic

VON HTML ZU G-CODE: DIGITALE SPRACHEN IN DER SICH WANDELNDEN BERUFS-/BILDUNGSWELTChristoph Eder

GitHub

Octoverse 2017

Stack Overflow

Developer Survey 2017

1. JavaScript JavaScript

2. Python SQL

3. Java Java

4. Ruby C#

5. PHP Python

6. C++ PHP

7. CSS C++

8. C# C

(GitHub, 2017) (Stack Overflow, 2017)

Abbildung 2: Rankings der populÀrsten Programmier-

sprachen

Altersbezogenheit

Im Unterricht sollten Inhalte auf das Alter der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler entsprechend re-duziert bzw. abstrahiert werden.

In der Primar- und Sekundarstufe I lautet das Ziel, grundlegende Inhalte wie Kontroll-strukturen (wiederholte und bedingte Ab-

74| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

lÀufe) und Algorithmik (Beschreibung von AlltagsablÀufen) in einer spielerischen Wei-se nÀherzubringen. In Abbildung 3 wird ein Auszug aus einer in einer Schulstunde be-wÀltigbaren Aufgabe gezeigt (Zielsetzung: ab 2. Schulstufe).

Bekanntheit erlangt hat die Umgebung Scratch (8–16 Jahre) und deren Abspaltung ScratchJr (Alter: 5–7 Jahre). Diese funktionie-ren ebenfalls nach dem Baukastenprinzip, ermöglichen aber frei gestaltbare Aufga-benstellungen und damit eine lĂ€ngere Be-schĂ€ftigung.

In der Sekundarstufe II ist ein schrittweises HeranfĂŒhren an komplexere Programmier-sprachen möglich. DafĂŒr existieren spieleri-sche Lernumgebungen wie Java-Hamster oder Kara (u.a. fĂŒr Python, Java). Beim vor-zeitigen Einsatz vollwertiger Programmier-sprachen muss bedacht werden, dass eine unĂŒbersichtliche OberflĂ€che und komplexe Syntax den Fokus von den grundlegenden Funktionsprinzipien nehmen könnten.

Einsatzzweck/Spezialisierung

In der Umfrage von Stack Overflow wur-de erhoben, in welchen Bereichen Soft-wareentwicklerinnen und -entwickler tÀtig sind, wodurch auf in der Berufswelt nach-

gefragte Bereiche rĂŒckgeschlossen werden kann: Unter den am hĂ€ufigsten genannten befinden sich Webprogrammierung (73%), Desktop-Programme (29%), Handyapps (23%) und Datenbanken (14%) (Stack Over-flow, 2017).

Daraus kann abgeleitet werden, dass Web-programmierung und Desktop-Programme nach wie vor sinnvolle Einsatzbereiche sind. FĂŒr mobile Apps spricht der erfahrungsge-mĂ€ĂŸ hohe Motivationsfaktor, da SchĂŒlerin-nen und SchĂŒler mit dem PrivatgerĂ€t arbei-ten können. Eine HĂŒrde besteht darin, dass die Betriebssysteme iOS (Apple) und And-roid (nahezu alle anderen Smartphones) zwei getrennte Ökosysteme darstellen. Wird beispielsweise AppInventor eingesetzt, kön-nen nur Android-User teilnehmen – vice ver-sa gilt fĂŒr Swift Playgrounds, dass es nur am iPad lĂ€uft. Eine Einheitlichkeit könnte durch die oft diskutierte Bereitstellung von Tablets durch Schulen geschaffen werden, aller-dings wurde sie aus finanziellen, politischen oder pĂ€dagogischen GrĂŒnden bisher nicht breitenwirksam umgesetzt.

Bericht aus der Praxis

Am BRG Salzburg wird das Unterrichtsfach Informatik durchgehend ĂŒber acht Jahre angeboten. Programmierinhalte sind im

VON HTML ZU G-CODE: DIGITALE SPRACHEN IN DER SICH WANDELNDEN BERUFS-/BILDUNGSWELTChristoph Eder

Abbildung 3: Beispiel fĂŒr Flappy-Spiel, Level 4 von 10: Links lĂ€uft das Programm ab, in der Mitte befinden sich die zur Ver-

fĂŒgung gestellten Bausteine, auf der rechten Seite wird das Programm Schritt fĂŒr Schritt gebaut (Hour of Code, 2015)

|75 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

schulautonomen Lehrplan explizit in der 3., 6. und 7. Klasse vorgesehen. Eine be-stimmte Programmiersprache ist nicht vor-geschrieben, da dies aufgrund der lang-fristigen GĂŒltigkeit von LehrplĂ€nen nicht zweckmĂ€ĂŸig wĂ€re.

Die schriftliche (nichtstandardisierte) Reife-prĂŒfung wird am Schulstandort erstellt und muss ĂŒber alle Gruppenteilungen eines Jahrgangs hinweg einheitlich sein. Differie-rende Programmiersprachen stellen kein Problem dar: Die Aufgabenstellung wird so gewĂ€hlt, dass eine Lösung in einer Program-miersprache eigener Wahl möglich ist. Unter gegebenen Voraussetzungen ist auch eine im Unterricht nicht behandelte Sprache zulĂ€ssig.

In den 3. und 4. Klassen des Schuljahres 2017/2018 wurden am BRG u.a. folgende Programmierumgebungen verwendet, wo-bei Unterschiede zwischen den Gruppen bestanden: Processing (Grafiken zeichnen mit Java), Kara (Python-Lernumgebung), Micro:bit-Minicomputer (JavaScript) und OpenSCAD (3d-Zeichnen im Programmier-stil). In den 7. Klassen des Schuljahres 2017/18 wurden ĂŒber die bisherige Oberstufe ver-teilt die Lernprogrammiersprachen Scratch und AppInventor sowie JavaScript, PHP, C#, Visual Basic .NET und Python unterrichtet. Es war eine Vielzahl an Lehrerinnen- und Lehrerteams daran beteiligt, weshalb die Nennung der GrĂŒnde fĂŒr diese Entscheidun-gen den Rahmen dieses Beitrags sprengen wĂŒrde.

Zudem wird am BRG ein schulstufenĂŒber-greifendes Freifach Robotics angeboten, in dem Roboter zusammengebaut und pro-grammiert werden. Ein Unterschied zur her-kömmlichen Programmierung ist, dass Ein-gaben ĂŒber Sensoren anstatt durch Maus/Tastatur und Ausgaben mittels RĂ€dern und Greifarmen statt ĂŒber den Bildschirm er-folgen. Durch Aufgaben wie „Wer schafft es zuerst, dass der Roboter die Rampe er-klimmt?” kann eine motivierende Lernsituati-on bei SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern herbeige-fĂŒhrt werden.

Die in Abbildung 4 dargestellten Program-me bewirken dasselbe Resultat: Ein Robo-ter mit zwei AntriebsrĂ€dern soll zunĂ€chst fĂŒr zwei Sekunden geradeaus fahren, danach soll sich fĂŒr dieselbe Zeit nur ein Rad dre-hen, was eine Rechtsdrehung bewirkt. Eine schwierige Herausforderung lautet, ein Pro-gramm von grafischer in textorientierte Form zu â€žĂŒbersetzen”. Dies ist auch in umgekehr-ter Reihenfolge denkbar: SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, die noch nie mit Python program-miert haben, könnten den Auftrag bekom-men, das Python-Programm durch Lesen zu interpretieren, Vermutungen ĂŒber den Ablauf anzustellen und anschließend in der schon bekannten EV3-Software (zugehörig zum Baukasten Lego Mindstorms EV3) nach-zubauen.

Fazit

Digitale Sprachen und insbesondere Pro-grammiersprachen besitzen große Relevanz

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Abbildung 4: gleiches Resultat in unterschiedlichen Sprachen: EV3-Software (grafisch) und Python; ein schwieriges

Ziel ist das Übersetzen von der einen in die andere Richtung (eigene Screenshots, 2018)

76| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

fĂŒr die Berufswelt der Zukunft, gleichzeitig dehnt sich deren Einsatz auf mehr Schulstu-fen aus. Dazu existieren einige sogenannte Lernsprachen wie z.B. Scratch, die Program-mierkonzepte spielerisch und kindgerecht vermitteln. Eine Alternative stellen Spielro-boter dar, die den Unterricht dynamisch ge-stalten. Zum VerstĂ€ndnis der wesentlichen Grundlagen kann mit diesen Formen bereits viel erreicht werden.

Der Sprung von diesen Lernumgebungen hin zum Einsatz vollwertiger Programmier-sprachen, dem Codieren in Textform, ist und bliebt eine Herausforderung. Dieses Ziel vor Augen habend ist es nĂŒtzlich, dass SchĂŒle-rinnen und SchĂŒler hĂ€ufiger und vor allem frĂŒhzeitig mit den ersten Programmierschrit-ten und -denkweisen konfrontiert werden.

Literatur

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Schwill, A. (1993). Fundamentale Ideen der Informatik. Zentralblatt fĂŒr Di-daktik der Mathematik Nr. 1.

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|77 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ProfessionalitÀt im schulischen GanztagThomas Waldenberger

Die gesellschaftlichen VerĂ€nderungen erfordern den Ausbau ganztĂ€giger Schulformen, wodurch sich neue TĂ€tigkeitsbereiche im pĂ€dagogischen Berufsfeld ergeben. Gegenstand vorliegenden Bei-trags ist die Professionalisierung jener Mitarbeiter_innen, die an Ganztagsschulen den erweiterten Personalstamm der Standorte bilden. Das inhaltliche Spektrum erstreckt sich ĂŒber Forschungser-gebnisse und Entwicklungsstand von Qualifizierungsmaßnahmen bis hin zu Bildungsangeboten der PĂ€dagogischen Hochschulen.

Ganztagsschule heute

An die Ganztagsschule werden hohe Erwar-tungen gestellt. Sie soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewĂ€hrleisten, neue Lern- und Fördermöglichkeiten eröffnen, soziales Lernen und Persönlichkeitsentwicklung der SchĂŒler_innen fördern, Bildungsbenachteili-gungen abbauen, Integration und Inklusion voranbringen etc.. Diese Auflistung hat kei-nen Anspruch auf VollstĂ€ndigkeit und ließe sich noch um vieles erweitern.

Oelkers (2011) sieht in der ganztĂ€gigen Schulform eine VerĂ€nderung des Erfahrungs-feldes Schule fĂŒr alle Beteiligten:

ïżœïżœ Neben den LehrkrĂ€ften treten mit dem zusĂ€tzlichen pĂ€dagogischen Personal weitere Bezugspersonen in Erscheinung.ïżœïżœ Das schulische Angebot wird erweitert.ïżœïżœ Es kommt zu einer vermehrten Einbin-dung der Eltern.

„Schulen sind nicht mehr allein in der Defi-nitionsmacht der Lehrerinnen und Lehrer sowie der ihnen nahestehenden SchulpĂ€d-agogik” (Oelkers, 2011, S. 5).

An die Ganztagsschule werden damit zeit-gemĂ€ĂŸe Herausforderungen gestellt, deren BewĂ€ltigung auch speziell fĂŒr diesen Bereich geschultes Personal erfordert.

Es ist zu fragen, welche Humanressourcen, Professionen und Qualifikationen neben der Lehrerschaft die pÀdagogische QualitÀt ei-ner Ganztagsschule sicherstellen. Die Erwei-terung des Personalstamms durch pÀdago-

gisch tÀtige KrÀfte bildet per se noch keinen QualitÀtszuwachs, wiewohl Oelkers (2011) die Qualifizierung dieser Personengruppe als zentrales Element der QualitÀtssicherung festmacht.

Aufgaben und Anforderungen

Die Aufgaben des pÀdagogischen Perso-nals umfassen drei wesentliche Arbeitsfelder:

ïżœïżœ freizeitpĂ€dagogischer Bereichïżœïżœ Unterricht unterstĂŒtzender Bereichïżœïżœ organisatorischer Bereich

Ein differenziertes Aufgaben- und Kom-petenzprofil findet sich bei Speck (2010, S. 13–21). Er beschreibt als grundlegende Aufgaben Organisation, Bereitstellung und DurchfĂŒhrung adĂ€quater Angebote fĂŒr Lernzeiten und Freizeit, Erziehungs- und Ko-operationsaufgaben, Anpassungsleistungen an das schulische System, Mitarbeit bei der VerknĂŒpfung von Unterricht und außerun-terrichtlichen Angeboten, Mitarbeit bei der Koordinierung des Ganztagsbereiches und Mitarbeit bei der Sichtbarmachung des konzeptionellen Zusammenhangs der nach-mittĂ€glichen Angebote mit dem vormittĂ€gli-chen Unterricht.

In Bezug auf dieses Aufgabenprofil sieht Speck (2010) die Erwartungshaltung der Schule und der mit ihr zusammenhÀngen-den Interessensgruppen an die pÀdago-gischen Mitarbeiter_innen unter anderem in einer hohen Kooperationsbereitschaft und Kommunikationskompetenz, in der FÀ-higkeit fachlich-inhaltlich und methodisch-

PROFESSIONALITÄT IM SCHULISCHEN GANZTAGThomas Waldenberger

78| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

didaktisch ansprechend und angemessen mit SchĂŒler_innen und Gruppen zu arbeiten und adĂ€quat mit schulischen Regeln, Zeit-rhythmen und Rollenerwartungen umgehen zu können.

Empirische Forschung zum schulischen Ganztag

Da die Entwicklung ganztĂ€giger Schulfor-men in Österreich hinsichtlich Professionali-tĂ€t der pĂ€dagogischen Mitarbeiter_innen bislang kaum beforscht wurde, richtet sich der Blick in vorliegendem Beitrag auf die Ganztagsschulforschung in Deutschland. Diese stĂŒtzt sich zu einem großen Teil auf die Befunde der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG – Studie zur Entwick-lung von Ganztagesschulen, 2012–2015).

StEG ist ein Konsortialprojekt des Deutschen Instituts fĂŒr Internationale PĂ€dagogische Forschung (DIPF), des Deutschen Jugendins-tituts (DJI), des Instituts fĂŒr Schulentwicklungs-forschung (IFS) der Technischen UniversitĂ€t Dortmund sowie der Justus-Liebig-UniversitĂ€t Gießen. Die Studie besteht aus drei mehr-jĂ€hrigen Phasen, die in ihren Schwerpunkt-setzungen und Befunden aufeinander auf-bauen.

Phase eins (2005–2011) analysiert, wie Ganz-tagsschule die persönliche und fachliche Entwicklung von SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern beeinflusst. Phase zwei (2012–2015) befasst sich mit der Strukturierung und Organisati-on von Ganztagsschulen. Phase drei (2016–2019) analysiert Gestaltungsmerkmale von Ganztagsangeboten und deren Einfluss auf individuelle Förderung.

Verbindendes Element aller drei Phasen ist ein durchgÀngiges Bildungsmonitoring in Form einer Befragung der Schulleitungen zu Entwicklungsprozessen hinsichtlich Orga-nisation und Strukturen, Ressourcen, pÀda-gogischer Konzeption sowie Angebot und Teilnahme.

Anhand des empirischen Materials von StEG zeigt Leussidis (2016, S. 24) auf, dass sich die Befunde hinsichtlich ProfessionalitĂ€t und Qualifikation der pĂ€dagogischen Mitar-beiter_innen großteils auf den Bereich der Kooperation mit den LehrkrĂ€ften beziehen. Speck (2010) bedient sich ebenso der Da-ten von StEG, wenn er festhĂ€lt, dass als eine essentielle Gelingensbedingung fĂŒr die pĂ€-dagogische Arbeit an Ganztagsschulen die Zusammenarbeit zwischen Lehrer_innen-schaft und dem heterogenen Personal mit unterschiedlichen Qualifikationen (pĂ€dago-gische vs. nicht pĂ€dagogische Qualifikation, Studium vs. Nicht-Studium, Ausbildung vs. Nichtausbildung) zu sehen ist.

Innerschulische Kooperation

Ein Teil der Ergebnisse der zweiten Phase von StEG liefert RĂŒckschlĂŒsse zu ModalitĂ€ten in-nerschulischer Kooperation. Die deskriptiven Befunde der bundesweiten Befragung von Schulleitungen (2015) zeigen, dass es mit zunehmender professioneller HeterogenitĂ€t der pĂ€dagogischen Mitarbeiter_innen zu ei-ner VerĂ€nderung der KooperationsintensitĂ€t mit den LehrkrĂ€ften kommt, was bedeutet, dass höher qualifiziertes Personal intensiver kooperiert als niedriger qualifiziertes. Bei der Kooperation mit niedriger qualifiziertem Personal kommt es zu einer vermehrten Po-larisierung der Aufgabenbereiche und Zu-stĂ€ndigkeiten. Lehrer_innen unterrichten, die anderen leisten die Betreuungsarbeit sepa-riert zu den vorgegebenen Zeiten, wobei Absprachen vorwiegend an den Schnittstel-len stattfinden.

In der Interpretation dieser Ergebnisse hebt Carle (2014, S. 69) hervor, dass gerade zu-sĂ€tzlich zu diesen Schnittstellen ebenso formalisierte wie auch informelle Koope-rationssituationen fĂŒr die Umsetzung einer partizipativ erarbeiteten und konzeptionell verankerten gemeinsamen Zielvorstellung erforderlich sind. Die IntensitĂ€t der Koope-ration ist von großer Bedeutung, wenn die

PROFESSIONALITÄT IM SCHULISCHEN GANZTAGThomas Waldenberger

|79 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

pĂ€dagogischen Ziele der gesamten Schule ĂŒber die bloße Betreuungsfunktion hinaus-gehen. Die zentrale Frage dabei ist jedoch laut Carle (2014), ob ein VerstĂ€ndigungs- prozess zum pĂ€dagogischen SelbstverstĂ€nd-nis zwischen Lehrer_innenschaft und pĂ€-dagogischen Mitarbeiter_innen ĂŒberhaupt stattgefunden hat, da der pĂ€dagogische Erfolg auch wesentlich damit zusammen-hĂ€ngt, „ob die Kooperationsbedingungen und der Inhalt der Kooperation pĂ€dago-gisch und didaktisch förderlich sind” (Carle, 2014, S. 69).

Professionalisierung der Professionen

Der Ganztagsbetrieb an deutschen Schu-len ist durch eine große berufsstrukturelle Vielfalt gekennzeichnet. Neben den Lehr-krĂ€ften sind Erzieher_innen, SozialpĂ€da-gog_innen, HeilpĂ€dagog_innen sowie Mitar-beiter_innen fĂŒr den freizeitpĂ€dagogischen Bereich tĂ€tig. Dieser gesamte Personenkreis ist durchwegs heterogen, sowohl im Hinblick auf seine Qualifikationen als auch in Bezug auf Umfang und Art der BeschĂ€ftigung.

Oelkers sieht das Berufsfeld nicht nur als Schule an sich, sondern als „Schule in und mit einem Ganztagsbetrieb” (Oelkers, 2011, S. 6). Er kritisiert, dass es fĂŒr dieses Professi-onsfeld unterschiedliche AusbildungsgĂ€n-ge gibt, die jedoch „nicht auf gemeinsame Berufsaufgaben zugeschnitten sind und auch sonst wenig miteinander gemein ha-ben” (Oelkers, 2011, S. 9). Die heutige Aus-bildung, so Oelkers, richtet den curricularen Schwerpunkt primĂ€r auf Schule im Sinne des TĂ€tigkeitsfeldes der Lehrer_innen, ohne speziell auf Ganztagsschulen zugeschnitten zu sein. Der Autor sieht die grundlegenden Voraussetzungen, um die neuen Herausfor-derungen der Ganztagsschule angehen zu können, in der Heranbildung einer gemein-samen IdentitĂ€t der beteiligten Professionen und in der Entwicklung von Einstellungen, die sich auf das besondere Handlungsfeld des Ganztagesbetriebs beziehen.

Derzeit gibt es in Deutschland keine speziel-le Ausbildung an Hochschulen fĂŒr das frei-zeitpĂ€dagogische Personal im schulischen Ganztag. Die hochschulische Qualifizierung fĂŒr diesen Personenkreis spielt an den Insti-tutionen bisher eine untergeordnete Rolle, obwohl, wie Oelkers (2011) betont, eine An-hebung auf Hochschulniveau ein entschei-dender Schritt fĂŒr die Professionalisierung der pĂ€dagogisch TĂ€tigen in diesem Ar-beitsfeld wĂ€re. Dazu braucht es, so Oelkers, „eine Erweiterung des Anforderungsprofils in Richtung schulische TĂ€tigkeiten, die qualifi-ziert beschrieben werden mĂŒssen” (Oelkers, 2011, S. 10). Die Anhebung der Ausbildung auf Hochschulniveau ist in Deutschland aus KostengrĂŒnden derzeit nicht absehbar, was bedeutet, dass die EinfĂŒhrung der Ganz-tagsschulen ohne Einflussnahme auf die Ausbildungsunterschiede der verschiede-nen Professionen erfolgt ist.

Situation in Österreich

In Österreich werden derzeit die meisten Ganztagsschulen in getrennter Form ge-fĂŒhrt. Der Schulbetrieb ist, ausgenommen an Tagen mit Nachmittagsunterricht, in den vormittĂ€glichen Unterrichtsteil und den nachmittĂ€glichen Betreuungsteil gegliedert. Dieser wiederum besteht aus Lernzeiten und Freizeitteil. Somit gibt es an den Schu-len eine klar getrennte Aufgabenverteilung: WĂ€hrend sich Lehrer_innen auf die Kernauf-gabe des Unterrichtens konzentrieren, ĂŒber-nimmt das weitere pĂ€dagogische Personal die Freizeitgestaltung, was einen steigenden Bedarf an pĂ€dagogisch ausgebildeten Per-sonen nach sich zieht. Das Bundesministeri-um fĂŒr Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF, 2018) in diesem Zusammenhang auf den Hochschullehrgang fĂŒr FreizeitpĂ€-dagogik, der entwickelt wurde, um dem oben dargestellten Bedarf Rechnung zu tragen. Eine Arbeitsgruppe aus Vertreter_in-nen mehrerer PĂ€dagogischer Hochschulen entwickelte bereits 2011 Rahmenvorgaben zur Erstellung des Curriculums fĂŒr den Hoch-

PROFESSIONALITÄT IM SCHULISCHEN GANZTAGThomas Waldenberger

80| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

schullehrgang, der seit 2012 an fast allen PĂ€dagogischen Hochschulen angeboten wird. ZusĂ€tzlich wurden 2017 Rahmenvorga-ben fĂŒr einen weiteren Ausbildungsgang mit besonderem Schwerpunkt auf Lernhilfe im Rahmen der Lernzeiten entwickelt. Bei die-sem Hochschullehrgang fĂŒr Erzieher_innen in Bezug auf Lernhilfe handelt es sich um eine kombinierte Ausbildung zur Begleitung von Lernprozessen sowie zur Gestaltung des Frei-zeitteils. Beide HochschullehrgĂ€nge werden an der PH Salzburg Stefan Zweig ab 2019/20 in studienĂŒbergreifender modularer Form angeboten. Die Zielgruppe fĂŒr diese Hoch-schullehrgĂ€nge besteht sowohl aus Perso-nen, die bereits in der Ganztagsschule tĂ€tig sind und sich nun auch formal qualifizieren mĂŒssen, als auch aus Personen, die zukĂŒnftig in diesem Arbeitsfeld tĂ€tig werden wollen.

Ausbildung an der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig

Die oben erwĂ€hnten Rahmenvorgaben sind unter BerĂŒcksichtigung der Praxisrele-vanz entstanden und lassen Spielraum fĂŒr regionale und standortspezifische Beson-derheiten. Beim Hochschullehrgang fĂŒr Frei-zeitpĂ€dagogik liegt die Besonderheit des Angebots der PH Salzburg Stefan Zweig in der organisatorischen Ausrichtung der Pra-xismodule: Aufgrund der Erfahrungen aus den HochschullehrgĂ€ngen 2012/13 und 2013/14 sowie den qualitativen Befragun-gen der Absolvent_innen hinsichtlich Umset-zung und Nachhaltigkeit ergab sich fĂŒr die

FolgelehrgÀnge eine Erweiterung der Prak-tika in Form eines zusÀtzlichen geblockten Abschlusspraktikums an der PraxistagesstÀt-te der PH Salzburg Stefan Zweig.

Beim Hochschullehrgang Erzieher_innen fĂŒr die Lernhilfe wurde, im Gegensatz zu ande-ren PĂ€dagogischen Hochschulen, in den Modulen zur Begleitung von Lernprozessen zugunsten der ĂŒberfachlichen Themen-felder PĂ€dagogische Diagnostik, Lern- und Begabtenförderung, Lese- und Recht-schreibschwĂ€che, Dyskalkulie und e-Lear-ning auf eine fachliche Schwerpunktset-zung in Deutsch, Mathematik und Englisch verzichtet.

Die Evaluation der bisherigen Hochschul-lehrgĂ€nge fĂŒr FreizeitpĂ€dagogik hinsichtlich der Relevanz der Ausbildungsinhalte zeigt, dass die Themen Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation, Konfliktmanagement, Teamentwicklung und DiversitĂ€t von den Absolvent_innen als vorrangig erachtet wer-den. Spielerische, kĂŒnstlerisch-kreative und bewegungsorientierte AktivitĂ€ten werden erst in weiterer Folge als relevant gesehen. 71% der Befragten (N=118) konnten inner-schulische Kooperationsstrukturen vorwie-gend mit Schulleitungen und Lehrer_innen weiterentwickeln. Hinsichtlich der Umset-zungsmöglichkeit von Ausbildungsinhalten in Bezug auf die berufliche Alltagssituation ergab die SelbsteinschĂ€tzung der Absol-vent_innen auf einer zehnstufigen Skala fol-gendes Bild (vgl. Abbildung 1):

PROFESSIONALITÄT IM SCHULISCHEN GANZTAGThomas Waldenberger

Abbildung 1: Umsetzung der

Ausbildungsinhalte im berufli-

chen Alltag.

Graphik Umfrage Online

|81 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Literatur

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Leussidis, E. (2016). Aufgaben und VerĂ€nderungsbedarf des weiteren pĂ€-dagogisch tĂ€tigen Personals an Ganztagsschulen. (S. Dippelhofer, Hrsg.) Justus-Liebig-UniversitĂ€t Giessen/Gießener BeitrĂ€ge zur Bil-dungsforschung(11), S. 10–36.

Oelkers, J. (Oktober 2011). Ganztagsschulen – eine Herausforderung des deutschen Schulsystems. Vortrag auf dem ersten MĂŒnchner Ganztagskongress am 26. Oktober 2011. MĂŒnchen. Abgerufen am 03.06.2018 von https://ebmpg.files.wordpress.com/2011/11/ganzta-geskongress-1111011.pdf

Radisch, F., Klemm, K., & Tillmann, K.-J. (Februar 2018). Was ist eine gute Ganztagsschule? Eine qualitative Analyse gelungener Schulpraxis. (D. V. Grundschulverband, Hrsg.) Grundschule aktuell – Zeitschrift des Grundschulverbandes, 141, S. 6–9.

Speck, K. (2010). Qualifikation, ProfessionalitĂ€t und pĂ€dagogische Eig-nung des Personals an Ganztagsschulen. Der pĂ€dagogische Blick. Zeitschrift fĂŒr Wissenschaft und Praxis in pĂ€dagogischen Berufen(1), S. 13–21.

StEG – Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen. Abgerufen am 14.06.2018 von http://www.projekt-steg.de/content/%C3%BCber-steg

Wichmann, M. (2014). Vom EinzelkĂ€mpfertum zur Kooperationskultur – Mul-tiprofessionelle Teamarbeit an Ganztagsschulen. In U. Erdsiek-Rave, & M. John-Ohnesorg (Hrsg.), Individuell fördern mit multiprofessionellen Teams (S. 60–65). Berlin: Freidrich Ebert Stiftung.

ZĂŒhlke, C., Supper, S., & Krinecki, J. (2015). Praxis-Handbuch Ganztagsschu-le. Vorgaben und Anregungen zur Gestaltung ganztĂ€giger Schulen in Baden-WĂŒrttemberg (2. Ausgabe). (Serviceagentur "GanztĂ€gig ler-nen" Baden-WĂŒrttemberg, Hrsg.) Stuttgart. Abgerufen am 10.06.2018 von www.bw.ganztaegig-lernen.de/sites/default/files/SAG_Praxis-handbuch_151027.pdf

PROFESSIONALITÄT IM SCHULISCHEN GANZTAGThomas Waldenberger

Demnach sind 18,4% der Befragten der Mei-nung, dass sie die Ausbildungsinhalte im be-ruflichen Alltag zu 100% umsetzen können.

Dieses Bild könnte symptomatisch fĂŒr den derzeitigen Stellenwert des pĂ€dagogischen Personals an Ganztagsschulen in Österreich und Deutschland gesehen werden. Einer-seits scheint multiprofessionelle Kooperation als ein wichtiger Bestandteil der pĂ€dagogi-schen Wirkarbeit gesehen zu werden, an-derseits erhebt sich die Frage, inwiefern die-se Zusammenarbeit in der Praxis tatsĂ€chlich eine Rolle spielt. Dies hĂ€ngt eng mit einer „Begegnung auf Augenhöhe” zusammen, die mit einer wechselseitig gleichwertigen Wahrnehmung der handelnden Personen einhergeht. Diese lĂ€sst sich jedoch fĂŒr das Personal des freizeitpĂ€dagogischen Berei-ches schwer erreichen, wenn es lediglich mit Betreuungsaufgaben vor und nach der Unterrichtszeit befasst ist. ProfessionalitĂ€t im schulischen Ganztag sollte als ganzheitliche Entwicklungsaufgabe angesehen werden, die ĂŒber personelle Qualifikationsmaßnah-men hinausgeht.

82| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Lebenslanges Lernen in der beruflichen Bildung. Perspektiven fĂŒr Agierende in metalltechnischen LehrberufenFlorian Mitsche

Die Bedeutung Lebenslangen Lernens fĂŒr die persönliche sowie fĂŒr die gesellschaftliche Entwick-lung wird zunehmend anerkannt. Die hier vorgestellte empirische Untersuchung soll aktuelles Verhalten und Erleben im Handlungskontext der beruflichen Ausbildung in metalltechnischen Lehrberufen sowie die Motivationslage hinsichtlich formaler und nonformaler Weiterbildung be-schreiben, um Agierende der beruflichen Aus- und Weiterbildung bei der Ableitung von prakti-schen Handlungsanweisungen zu unterstĂŒtzen.

RĂŒckblick

Die internationale Diskussion zum Lebens-langen Lernen wird im europÀischen Raum vergleichsweise spÀt reflektiert.

WĂ€hrend international nicht-formalisierte und informelle Lernprozesse (out-of-school-education) in den 1950er Jahren vorwie-gend in der Erwachsenenbildung diskutiert werden (Knowles, 1951), bestimmt in den 1960er und 1970er Jahren die Problematik der Entwicklungshilfe – ein geringer Ausbau-grad des formalen Bildungssystems in LĂ€n-dern der dritten Welt und hohe Kosten der Entwicklung komplexer formaler Aus- und Weiterbildungssysteme – die bildungspoliti-sche Diskussion (Schiersmann, 2007, S. 27–28).

In den 1970er Jahren beginnt auch in den IndustrielĂ€ndern ein Diskurs ĂŒber bildungs-politische Anforderungen im Zusammen-hang mit VerĂ€nderungen der Arbeitswelt, mit einer wissenschaftlich-technischen Re-volution und mit zunehmenden Informati-onsströmen (Overwien, 2001, S. 359).

In einem in der internationalen Fachöffent-lichkeit viel beachteten Bericht der Faure-Kommission der UNESCO wird die grund-legende bildungspolitische Bedeutung informeller Lernformen festgestellt, die dem-nach etwa 70% allen menschlichen Lernens umfassen (Faure et al., 1972, S. 181–210).

Mitte der 1990er Jahre wird in einem UNESCO-Bericht der vom ehemaligen PrĂ€-sidenten der EU-Kommission, Jaques Delors, 1993 ins Leben gerufenen internationalen Kommission Bildung fĂŒr das 21. Jahrhundert die Notwendigkeit einer breit angelegten Grundbildung betont, die vor allem die FĂ€-higkeit zu lebensbegleitendem Lernen ver-mitteln soll. Jaques Delors beschreibt eine holistische und einheitliche Vision der Bil-dung, die auf den Paradigmen des lebens-lĂ€nglichen Lernens und auf vier SĂ€ulen des Lernens gestĂŒtzt ist – learning to know, lear-ning to do, learning to live together und learning to be (Delors, 1996, S. 37). Learning to be baut auf die AusfĂŒhrungen des Faure-Reports auf (Faure et al., 1972).

Vor dem Hintergrund einer weltweiten wirtschaftlichen Rezession und seit den 1970er Jahren (bis auf die zweite HÀlfte der 1980er Jahre) stÀndig gestiegener Arbeits-losigkeit nehmen nun auch die EuropÀi-schen Gemeinschaften die internationale Diskussion zum Lebenslangen Lernen auf (Kommission der EuropÀischen Gemein-schaften, 1994, S. 11).

Ein wesentlicher Meilenstein in der bildungs-politischen Entwicklung Lebenslangen Ler-nens in Europa ist „ . . . das Ziel, die Union zum wettbewerbsfĂ€higsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen . . . ” gemĂ€ĂŸ Ziffer fĂŒnf der

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|83 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Euro-pÀischen Rates im MÀrz des Jahres 2000 auf einer Sondertagung in Lissabon (EuropÀi-sches Parlament, 2000a).

Maßnahmen im Anschluss an die Sonder-tagung in Lissabon werden beschlossen (EuropĂ€isches Parlament, 2000b, Ziffer 33) und schließlich mit der Herausgabe des Me-morandums ĂŒber Lebenslanges Lernen eine Diskussion ĂŒber die praktische Umsetzung eines Konzepts zur Förderung der BeschĂ€fti-gungsfĂ€higkeit und der sozialen Integration in Gang gesetzt (Kommission der EuropĂ€i-schen Gemeinschaften, 2000, S. 10–11).

Weitere wichtige Meilensteine sind die Emp-fehlungen des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates zu SchlĂŒsselkompetenzen fĂŒr lebensbegleitendes Lernen (EuropĂ€isches Parlament & Rat der EuropĂ€ischen Union, 2006), zur Einrichtung eines europĂ€ischen Bezugsrahmens fĂŒr die QualitĂ€tssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (EuropĂ€isches Parlament & Rat der Euro-pĂ€ischen Union, 2009a) und zur Einrichtung eines EuropĂ€ischen Leistungspunktesystems fĂŒr die Berufsbildung (ECVET), die die An-rechnung, Anerkennung und Akkumulierung individueller Lernergebnisse erleichtern soll (EuropĂ€isches Parlament & Rat der EuropĂ€i-schen Union, 2009b).

Voraussetzungen fĂŒr Lebenslanges Lernen

SchlĂŒssel zur StĂ€rkung von Europas Wett-bewerbsfĂ€higkeit und zur Verbesserung von BeschĂ€ftigungsfĂ€higkeit und Anpas-sungsfĂ€higkeit der ArbeitskrĂ€fte sind dem Memorandum ĂŒber Lebenslanges Lernen nach der Zugang zu aktuellen Informatio-nen und Wissen sowie die Motivation und BefĂ€higung zur intelligenten Nutzung dieser Ressourcen (Kommission der EuropĂ€ischen Gemeinschaften, 2000, S. 5–6). Die individu-elle Lernmotivation und eine möglichst gro-ße Vielfalt an Lerngelegenheiten sind das

RĂŒstzeug fĂŒr eine erfolgreiche Implementie-rung des Lebenslangen Lernens. Bildungs- und Ausbildungssysteme sollten sich an die individuellen BedĂŒrfnisse und WĂŒnsche an-passen, es sollte also jeder die Möglichkeit haben selbst gewĂ€hlte, offene Lernwege einzuschlagen (Kommission der EuropĂ€i-schen Gemeinschaften, 2000, S. 9).

Problemstellung

Bereits im Bericht von Delors wird die Not-wendigkeit einer breit angelegten Grundbil-dung betont, die vor allem die FĂ€higkeit zu lebensbegleitendem Lernen vermitteln soll (Delors, 1996, S. 21), wichtige Mittel dazu sind der Zugang zu aktuellen Informationen so-wie die Motivation und BefĂ€higung zur intel-ligenten Nutzung dieser Ressourcen (Kom-mission der EuropĂ€ischen Gemeinschaften, 2000, S. 5–6).

Um Ausbildungs- und Weiterbildungssyste-me an die individuellen BedĂŒrfnisse und WĂŒnsche der Lernenden anpassen zu kön-nen (Kommission der EuropĂ€ischen Ge-meinschaften, 2000, S. 9–10), mĂŒssen ent-sprechende empirische Befunde erarbeitet werden.

Empirische Untersuchung

Zielsetzung der im Folgenden dargestellten empirischen Untersuchung ist es, nĂ€here Er-kenntnisse ĂŒber Zielgruppen fĂŒr die Planung der UnterrichtstĂ€tigkeit an Berufsschulen in metalltechnischen Berufen zu gewinnen.

Die vorliegende Untersuchung ist als deskrip-tive Querschnittstudie in Ex-post-facto-An-ordnung konzipiert. Die wissenschaftlichen Befunde dieser populationsbeschreiben-den Untersuchung sollen aktuelles Verhalten und Erleben im Handlungskontext der be-ruflichen Ausbildung in metalltechnischen Lehrberufen sowie die Motivationslage der Lernenden hinsichtlich formaler und non-formaler Weiterbildung beschreiben und

LEBENSLANGES LERNEN IN DER BERUFLICHEN BILDUNG. PERSPEKTIVEN FÜR AGIERENDE IN METALLTECHNISCHEN LEHRBERUFEN

Florian Mitsche

84| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Agierende der beruflichen Aus- und Weiter-bildung bei der Ableitung von praktischen Handlungsanweisungen unterstĂŒtzen (Dö-ring & Bortz, 2016, S. 51–52).

Die Untersuchungspopulation (n = 719) er-streckt sich auf alle im Bundesland Salzburg im Schuljahr 2013/14 an Berufsschulen un-terrichteten SchĂŒlerinnen und SchĂŒler der Gruppenlehrberufe Metalltechnik (Haupt-gruppe) sowie der Lehrberufe Werkzeug-bautechnik und Zerspanungstechnik (Ver-gleichsgruppe).

Die Untersuchung basiert auf einer Befra-gung von 158 SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern der Landesberufsschule Hallein im Juni 2014. Die Auswertung der empirischen Daten er-folgt durch (teilweise multiple) bivariate Analysen der HĂ€ufigkeitsverteilungen dicho-tomer Variablen.

Bei den zugrunde liegenden Kreuztabel-lenanalysen wird die nominalskalierte Variable Berufsgruppe (mit den entspre-chenden AusprÀgungen Hauptgruppe und Vergleichsgruppe) als unabhÀngige Variable eingesetzt (Spalten) und mit den nominalskalierten Variablen der einzelnen Fragestellungen aus dem Fragebogen zur Untersuchung der HÀufigkeitsverteilungen in Beziehung gesetzt (Zeilen).

Die Ergebnisse der gegenstĂ€ndlichen em-pirischen Untersuchung wurden als Bache-lorarbeit an der PĂ€dagogische Hochschule Oberösterreich eingereicht, diese ist unter einer Open Access Lizenz online verfĂŒgbar (Mitsche, 2015).

Befragung mittels Online-Fragebogen

Der Fragebogen gliedert sich in vier Abschnit-te, wobei der erste Teil den demografischen und soziokulturellen Kontext der Befragten beschreibt. In den folgenden drei Abschnit-ten des Fragebogens werden Angaben er-hoben, die fĂŒr die Berufswahl der untersuch-

ten Population ausschlaggebend waren, ebenso Angaben zur SelbsteinschĂ€tzung der fachbezogenen Leistungen sowie An-gaben zur Motivation bezĂŒglich beruflicher Weiterbildung (Mitsche, 2015, Anhang 1).

Soziodemografische Merkmale

Tendenziell besuchten Befragte der Haupt-gruppe zuletzt vor ihrer Lehrausbildung hĂ€ufiger eine Schule mit niedrigerem Aus-bildungsniveau als jene in der Vergleichs-gruppe. In der Vergleichsgruppe weisen die Berufsbildenden höheren Schulen die grĂ¶ĂŸ-te HĂ€ufigkeit auf (Mitsche, 2015, S. 25–26).

Die LehrbetriebsgrĂ¶ĂŸe sowohl nach Mitar-beiteranzahl als auch nach Anzahl der aus-zubildenden Lehrlinge ist in der Hauptgrup-pe ĂŒberwiegend durch handwerkliche und mittelbetriebliche Strukturen geprĂ€gt, wĂ€h-rend in der Vergleichsgruppe ĂŒberwiegend großbetriebliche Strukturen vorherrschen (Mitsche, 2015, S. 27–28).

Berufsorientierung

Die Berufsorientierung der Untersuchungs-population stĂŒtzt sich im Wesentlichen auf Berufspraktika, Berufsinformationsportale und sonstige berufliche Informationen im Internet sowie Berufsinformationsmessen. DarĂŒber hinaus ist die Berufsorientierung deutlich geprĂ€gt vom Bekanntenkreis, ins-besondere in der Vergleichsgruppe (Mit-sche, 2015, S. 28–29).

BezĂŒglich Berufsberatung spielt der Bekann-tenkreis die grĂ¶ĂŸte Rolle, mehr als die HĂ€lfte der Befragten der Vergleichsgruppe sowie ein Drittel der Hauptgruppe nutzen diese Möglichkeit.

Der Anteil der Befragten, die vor ihrer Be-rufswahl einen Einblick in den Berufsalltag erhalten haben, ist in beiden Gruppen sehr hoch. Mehr als vier FĂŒnftel der Befragten der Hauptgruppe haben ein Berufspraktikum

LEBENSLANGES LERNEN IN DER BERUFLICHEN BILDUNG. PERSPEKTIVEN FÜR AGIERENDE IN METALLTECHNISCHEN LEHRBERUFENFlorian Mitsche

|85 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

beitgeberinnen oder Arbeitgeber das von ihnen verlangen, ist der weitaus ĂŒberwie-gende Teil aller Befragten bereit sich auch in der Freizeit weiterzubilden (Mitsche, 2015, S. 46–48).

Ausblick

Die empirischen Befunde der hier vorge-stellten Untersuchung sollten dem Entwurf weiterfĂŒhrender Untersuchungen zugrunde gelegt werden. Zwischenzeitlich ist jedoch eine breite Basis an statistischen Analysen und empirischen Untersuchungen zur be-ruflichen Aus- und Weiterbildung verfĂŒgbar, interdisziplinĂ€r und sowohl in internationaler als auch in nationaler oder regionaler Aus-prĂ€gung. Diese Publikationen können bei-spielsweise sekundĂ€rstatistischen Analysen unterzogen werden.

Auswahlbibliografie Berufsbildung

Eine Auswahlbibliografie zum Thema Berufs-bildung ist online verfĂŒgbar und wird lau-fend nachgefĂŒhrt (Mitsche, 2018). EintrĂ€ge können in verschiedenen Zitierstilen zitiert werden oder in den gĂ€ngigen Zitierforma-ten zur Aufnahme in eigene Literaturdaten-banken exportiert werden.

Nutzerinnen und Nutzer der Literatursoft-ware Zotero (siehe http://zotero.org) kön-nen die Auswahlbiografie als Gruppenbib-liothek einbinden, damit wird die laufende Aktualisierung gewÀhrleistet.

LEBENSLANGES LERNEN IN DER BERUFLICHEN BILDUNG. PERSPEKTIVEN FÜR AGIERENDE IN METALLTECHNISCHEN LEHRBERUFEN

Florian Mitsche

absolviert, in der Vergleichsgruppe ist dieser Anteil mit rund drei Viertel nur geringfĂŒgig niedriger (Mitsche, 2015, S. 30–31).

Fachliche SelbsteinschÀtzung

Die Ergebnisse der gegenstĂ€ndlichen Unter-suchung zur SelbsteinschĂ€tzung der Befrag-ten zeigen in den meisten Fachbereichen eine unterschiedlich ausgeprĂ€gte Tendenz, die eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten im Vergleich zur schulischen Leistungsbeurtei-lung zumindest in den gehobeneren Leis-tungsbereichen zu unterschĂ€tzen (Mitsche, 2015, S. 31–36).

Der ĂŒberwiegende Teil der Befragten fĂŒhlt sich von der Berufsschule gut auf die TĂ€tig-keit im Lehrbetrieb vorbereitet und mehr als drei Viertel der Befragten fĂ€llt es leicht dem Unterricht in der Berufsschule zu folgen. Dem steht allerdings ein erheblicher Anteil an Lehrlingen gegenĂŒber, die sich im Lehrbe-trieb oft ĂŒberfordert fĂŒhlen (Mitsche, 2015, S. 36–41).

Bereitschaft zur Weiterbildung

Die Bereitschaft zur formalen Weiterbildung ist relativ hoch. Der weitaus ĂŒberwiegende Teil aller Befragten ist bereit, nach der Lehr-ausbildung (bzw. im Fall der BerufsreifeprĂŒ-fung bereits wĂ€hrend der Lehrausbildung) an Maßnahmen zur formalen Weiterbildung teilzunehmen. Die MeisterprĂŒfung nimmt dabei mit einer HĂ€ufigkeit der Nennungen von mehr als zwei Drittel der Befragten den ersten Rang ein, gefolgt von der Berufsrei-feprĂŒfung. Statistisch signifikant ist die hohe Bereitschaft zur Absolvierung der Berufsreife-prĂŒfung sowie eines weiterfĂŒhrenden Studi-ums in der Vergleichsgruppe (Mitsche, 2015, S. 41–44).

Ähnlich hoch ist die Bereitschaft der Befrag-ten zu nonformaler Weiterbildung. Um ihre Karriereaussichten sowie ihr Wissen und ihre Kenntnisse zu verbessern und wenn ihre Ar-

Literatur

Delors, J. (1996). Learning: the treasure within (Report to UNESCO of the International Commission on Education for the Twenty-first Century). Paris: UNESCO Publishing. Abgerufen von http://unesdoc.unesco.org/images/0010/001095/109590eo.pdf

Döring, N., & Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften (5. vollstĂ€ndig ĂŒberarbeitete, aktu-alisierte und erweiterte Aufl.). Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.

EuropÀisches Parlament. (Hrsg.). (2000a). EuropÀischer Rat. Lissabon, 23./24. MÀrz 2000. Schlussfolgerungen des Vorsitzes. Abgerufen von http://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_de.htm

86| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

EuropÀisches Parlament. (Hrsg.). (2000b). EuropÀischer Rat. Santa Maria da Feira, 19./20. Juni 2000. Schlussfolgerungen des Vorsitzes. Abgeru-fen von http://www.europarl.europa.eu/summits/fei1_de.htm

EuropĂ€isches Parlament, & Rat der EuropĂ€ischen Union. Empfehlung des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu SchlĂŒsselkompetenzen fĂŒr lebensbegleitendes Lernen, 2006/962/EG ABl. L 394 § (2006). Abgerufen von http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006H0962

EuropĂ€isches Parlament, & Rat der EuropĂ€ischen Union. Empfehlung des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 zur Einrich-tung eines europĂ€ischen Bezugsrahmens fĂŒr die QualitĂ€tssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, 2009/C 155/01 ABl. C 155 § (2009). Abgerufen von http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009H0708(01)

EuropĂ€isches Parlament, & Rat der EuropĂ€ischen Union. Empfehlung des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 zur Einrichtung eines EuropĂ€ischen Leistungspunktesystems fĂŒr die Berufsbildung (ECVET), 2009/C 155/02 ABl. C 155 § (2009). Ab-gerufen von http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009H0708(02)

Faure, E., Herrera, F., Kaddoura, A.-R., Lopes, H., Petrovsky, A. V., Rahnema, M., & Ward, F. C. (1972). Learning to be: The world of education today and tomorrow. Paris: UNESCO Publishing. Abgerufen von http://unes-doc.unesco.org/images/0000/000018/001801e.pdf

Knowles, M. S. (1951). Informal Adult Education: A Guide for Administrators, Leaders, and Teachers. New York: Association Press. Abgerufen von https://hdl.handle.net/2027/mdp.39015016201900

Kommission der EuropĂ€ischen Gemeinschaften. (1994). Wachstum, Wett-bewerbsfĂ€higkeit, BeschĂ€ftigung: Herausforderungen der Gegen-wart und Wege ins 21. Jahrhundert. Weißbuch. Luxemburg: Amt fĂŒr amtliche Veröffentlichungen der EuropĂ€ischen Gemeinschaften. Ab-gerufen von https://publications.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/0d563bc1-f17e-48ab-bb2a-9dd9a31d5004

Kommission der EuropĂ€ischen Gemeinschaften. (2000). Memorandum ĂŒber Lebenslanges Lernen (Arbeitsdokument der Kommissionsdienst-stellen No. SEK(2000) 1832). BrĂŒssel: Kommission der EuropĂ€ischen Gemeinschaften. Abgerufen von https://www.yumpu.com/de/do-cument/view/7466367/memorandum-uber-lebenslanges-lernen

Mitsche, F. (2015). Lebenslanges Lernen in der beruflichen Bildung: Pers-pektiven fĂŒr Akteure in metalltechnischen Lehrberufen (Bachelor-arbeit). PĂ€dagogische Hochschule Oberösterreich, Linz. https://doi.org/10.5281/zenodo.1325160

Mitsche, F. (2018). Vocational Training: Auswahlbibliografie „Berufsbildung” [Zotero Gruppenbibliothek]. Abgerufen von https://www.zotero.org/groups/2206865/vocational_training/

Overwien, B. (2001). Debatten, Begriffsbestimmungen und Forschung-sansĂ€tze zum informellen Lernen und zum Erfahrungslernen. In Se-natsverwaltung fĂŒr Arbeit, Soziales und Frauen: Tagungsband zum Kongreß „Der flexible Mensch” (S. 359–376). Berlin: BBJ-Verlag. Abgerufen von https://www.uni-kassel.de/fb05/fileadmin/groups/ w_150701/bbj.pdf

Schiersmann, C. (2007). Berufliche Weiterbildung (1. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag fĂŒr Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage.

LEBENSLANGES LERNEN IN DER BERUFLICHEN BILDUNG. PERSPEKTIVEN FÜR AGIERENDE IN METALLTECHNISCHEN LEHRBERUFENFlorian Mitsche

|87 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Berufsausbildung nach § 8b Berufsausbil-dungsgesetz (BAG) – ein Erfolgsmodell?Edith Auinger-Pfund

Im Jahr 2006 wurde im Berufsausbildungsgesetz durch die „Berufsausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2” die Möglichkeit geschaffen, Jugendlichen mit schlechten Einstiegschancen zu einer Berufs-ausbildung zu verhelfen. Der Begriff „Inklusive PĂ€dagogik” ist im Berufsausbildungsgesetz nicht verankert. Die vor 2015 bestehende „Integrative Berufsausbildung” ist heute die „Berufsausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2”. Der Artikel beleuchtet die Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen fĂŒr die Einbindung benachteiligter Personen in die duale Berufsausbildung. Die angefĂŒhrten Statisti-ken aus OÖ und Österreich zeigen, dass dieses Modell als Erfolgsmodell bezeichnet werden kann.

Auswirkungen der Berufsausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2 auf den Arbeitsmarkt

Das Angebot fĂŒr eine möglichst flĂ€chen-deckende Berufsausbildung fĂŒr junge Men-schen ist Österreichs Antwort auf Jugend-arbeitslosigkeit, eine Chance fĂŒr schwer vermittelbare Jugendliche, aber auch eine Chance fĂŒr Berufsschulen neue pĂ€dago-gische Wege zu beschreiten. Auch fĂŒr die Wirtschaft eröffnen sich Möglichkeiten bei

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

einem schrumpfenden Angebot an Lehr-lingen durch diese Ausbildung Jugendliche zu erreichen, die ansonsten fĂŒr den Arbeits-markt verloren wĂ€ren.

Mit einer Jugendarbeitslosenquote von 9,8% (Wirtschaftskammer Österreich, WKO) liegt Österreich im Jahr 2018 an viertbester Stelle in der EuropĂ€ischen Union und damit nach wie vor deutlich unter dem europĂ€ischen Durchschnitt (EU-28) von 16,8% (vgl. Abbil-dung1).

Abbildung 1: Jugendarbeitslosigkeit EU-LĂ€nder in %, Mai 2018, (WKO, 2018)

43,6

38,6

37,7

27,4

24,7

23,9

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19,3

18,9

18,8

18,3

17,9

17 16,8

15,4

14,8

14,4

13,3

12,9

12,1

12,1

11,2

11 10,7

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9,8

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6,8

0

5

10

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50

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Polen

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Litauen

Bulgarien

Estland

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Österreich

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Tschechien

Deutschla


88| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Diese im internationalen Vergleich gĂŒnsti-ge Position verdankt Österreich nicht zuletzt dem dualen Ausbildungssystem und den zielgerichteten Angeboten der aktiven Ar-beitsmarktpolitik in Verbindung mit der Be-rufsausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2 (Ju-gend am Werk, 2017).

Die inklusive Berufsausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2 wird von der Berufsausbildungs-assistenz betreut. Das gesetzlich verankerte bedarfsorientierte Interventions-Angebot der Berufsausbildungsassistenz gilt als Er-folgsmotor zwischen der österreichischen Ausbildungsgarantie/-pflicht und dem Be-streben, Jugendlichen mit BeeintrĂ€chtigun-gen eine erfolgreiche Höherqualifizierung durch anerkannte AusbildungsabschlĂŒsse zugĂ€nglich zu machen und die individuell bestmögliche Erwerbskarriere zu fördern (Ju-gend am Werk, 2017).

Die Berufsausbildungsassistenz ist in jedem Bundesland unterschiedlich organisiert. In Oberösterreich werden diese Jugendlichen seit 2017 ausschließlich von der „Jugend am Werk GmbH” im Rahmen der Ausbildungswe-ge „VerlĂ€ngerte Lehre” oder „Teilqualifikati-on” flĂ€chendeckend mit passgenauen Un-terstĂŒtzungsangeboten sowie lösungs- und konsensorientierten Umsetzungsstrategien fĂŒr alle im Ausbildungsprozess Beteiligten be-gleitet (Jugend am Werk, 2017). In anderen BundeslĂ€ndern gibt es z.T. mehrere Anbieter, die diese Dienstleistung zur VerfĂŒgung stellen.

Historische Entwicklung Berufs-ausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2

Der erste Schritt in jĂŒngerer Vergangenheit zur Verbesserung der Eingliederung von be-nachteiligten Jugendlichen erfolgte im Jahr 2000. Zu diesem Zweck wurde das BAG um den § 8b ergĂ€nzt, der die sogenannte „Vor-lehre” enthielt (BGBl. I Nr. 83/2003).

§ 8b. (1) Zur Verbesserung der Eingliede-rung von benachteiligten Jugendlichen

mit persönlichen Vermittlungshindernis-sen in das Berufsleben kann der Bildungs-inhalt des ersten Lehrjahres eines Lehrbe-rufes im Rahmen einer Vorlehre vermittelt werden, um fĂŒr diese Personen den An-tritt eines in der Lehrberufsliste angefĂŒhr-ten Lehrberufs oder den Übertritt in einen in der Lehrberufsliste angefĂŒhrten Lehr-beruf zu erleichtern.

2003 wurde der Grundstein fĂŒr die noch heute relevante Fassung des BAG gelegt. Der § 8b wurde novelliert. Es entstand die sogenannte „integrative Berufsausbildung” nach § 8b Abs. 1 und 2.

„Integrative Berufsausbildung”

§ 8b. (1) Zur Verbesserung der Eingliede-rung von benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann am Beginn oder im Laufe des LehrverhĂ€ltnisses im Lehr-vertrag eine gegenĂŒber der fĂŒr den Lehr-beruf festgesetzten Dauer der Lehrzeit (§ 7 Abs. 1 lit. b) lĂ€ngere Lehrzeit vereinbart werden. Die sich auf Grund der Lehrbe-rufsliste ergebende Lehrzeit kann um höchstens ein Jahr, in AusnahmefĂ€llen um bis zu zwei Jahre, verlĂ€ngert werden, sofern dies fĂŒr die Erreichung der Lehrab-schlussprĂŒfung notwendig ist.

(2) Zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen mit per-sönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann in einem Ausbildungs-vertrag die Festlegung einer Teilqualifika-tion durch EinschrÀnkung auf bestimmte Teile des Berufsbildes eines Lehrberufes, allenfalls unter ErgÀnzung von Fertigkei-ten und Kenntnissen aus Berufsbildern weiterer Lehrberufe, vereinbart werden. In der Vereinbarung sind jedenfalls die zu vermittelnden Fertigkeiten und Kennt-nisse und die Dauer der Ausbildung fest-zulegen. Die Dauer dieser Ausbildung kann zwischen einem und drei Jahren

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

|89 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

konferenz im Juni 2017 auf die informelle Bezeichnung „IBA” fĂŒr „Individuelle Berufs-ausbildung” geeinigt.

... In § 8b Abs. 3 entfĂ€llt die Wortfolge „in einer integrativen Berufsausbildung”.In § 8b Abs. 4 wird im Einleitungssatz die Wortfolge „in einer integrativen Berufs-ausbildung” durch die Wortfolge „gemĂ€ĂŸ Abs. 1 oder Abs. 2” ersetzt. [...] (BGBl. I - Nr. 78/2015).

Gesetzliche Grundlagen als Voraus-setzung fĂŒr die Berufsausbildung nach § 8b Abs. 1 und 2

Berufsausbildungsgesetz (BAG) § 8b ff

Wie bereits oben beschrieben, schafft das BAG die Voraussetzung fĂŒr die Berufsaus-bildung benachteiligter Personen. Es bietet sowohl die Möglichkeit der „verlĂ€ngerten Lehrzeit” (§ 8b Abs. 1) als auch die der „Teil-lehre” (§ 8b Abs. 2).

Im Fall der verlĂ€ngerten Lehrzeit haben die Betroffenen lĂ€nger Zeit einen Lehrbe-ruf zu erlernen, als es das BAG im Regelfall vorsieht. Die Ausbildungsinhalte sowohl im Lehrbetrieb als auch in der Berufsschule sind jedoch dieselben wie bei einer Lehre nach § 1 BAG. Der/die Auszubildende kann am Ende einer verlĂ€ngerten Lehrzeit zur Lehrab-schlussprĂŒfung antreten und einen vollwerti-gen Lehrabschluss erwerben.

Bei der Teilqualifikation werden im Ausbil-dungsbetrieb und in der Berufsschule nur Teile des betreffenden Lehrberufs vermit-telt. Damit ist es den Auszubildenden nicht möglich, einen vollwertigen Lehrabschluss zu erwerben. Es ist jedoch wÀhrend der Ausbildungsdauer möglich, sehr individu-ell auf die FÀhigkeiten dieser Jugendlichen einzugehen. Vor allem in der Berufsschule können die zu vermittelnden Inhalte stark eingeschrÀnkt werden (siehe Lehrplan-Ver-ordnung).

betragen. Ein Ausbildungsvertrag ĂŒber eine Teilqualifizierung hat Fertigkeiten und Kenntnisse zu umfassen, die im Wirt-schaftsleben verwertbar sind (BGBl. I – Nr. 79/2003).

2010 wurde die „Integrative Berufsausbil-dung” um die Möglichkeit der Schaffung von ĂŒberbetrieblichen Ausbildungseinrich-tungen nach § 8c ergĂ€nzt. Diese Ausbil-dungseinrichtungen fungieren seither als „Ersatzlehrbetriebe”, in denen die Jugend-lichen ihre Ausbildung absolvieren können, sofern sie keine BeschĂ€ftigung in einem Un-ternehmen auf dem sogenannten „ersten Arbeitsmarkt” finden. Die Jugendlichen wer-den vom AMS den ĂŒberbetrieblichen Aus-bildungseinrichtungen zugewiesen, die die erforderlichen Berufspraktika fĂŒr die Auszu-bildenden organisieren und vermitteln. Des Weiteren bieten sie den Jugendlichen auch ergĂ€nzende Kurse, Ausbildungen und För-derunterricht an. Diese GesetzesĂ€nderung fĂŒhrte in OÖ zu einem kontinuierlichen An-stieg der Auszubildenden nach § 8b Abs. 1 und 2.

§ 8c. (1) Das Ausbilden von Personen in einer integrativen Berufsausbildung ge-mĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 oder Abs. 2 in Ausbil-dungseinrichtungen, die weder von ei-nem Lehrberechtigten gefĂŒhrt werden noch Schulen oder im § 29 angefĂŒhrte Anstalten sind, bedarf einer Bewilligung des Bundesministers fĂŒr Wirtschaft, Familie und Jugend, soweit nicht die Vorausset-zungen des § 30b vorliegen (BGBl. I - Nr. 40/2010).

2015 fĂŒhrte eine neuerliche Novellierung des BAG zum Wegfall der Bezeichnung „in-tegrative Berufsausbildung”. Diese Ausbil-dungsvariante wird seither als Berufsausbil-dung gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 bezeichnet. Zur einfacheren Bezeichnung haben sich die Landeskoordinatorinnen und -koordina-toren in Abstimmung mit den Schulaufsichts-organen fĂŒr Berufsschulen bei einer Bundes-

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

90| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Wenn ein Lehrling nach § 8b Abs. 2 an der Berufsschule nach einem eingeschrĂ€nkten Lehrplan unterrichtet wird, wird dieser Lehr-plan durch Bescheid des Landesschulrates erlassen. Das Berufsschulzeugnis enthĂ€lt fol-genden Hinweis: „Er/Sie wurde gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 2 des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, unter Anwendung des § 4 der Verordnung ĂŒber die LehrplĂ€ne fĂŒr Berufs-schulen (Lehrplan 2016), BGBl. Nr. 211/2016 in der jeweils geltenden Fassung, unter-richtet” (Zeugnisformularverordnung, BGBl. 211/2016).

Einige KollektivvertrĂ€ge enthalten besonde-re Tarifbestimmungen fĂŒr Lehrlinge nach § 8b BAG, so z.B. der Kollektivvertrag fĂŒr Han-delsangestellte (WKO, ÖGB, 2017).

Lehrplanverordnung § 4

In der Lehrplanverordnung § 4 finden sich die Bestimmungen darĂŒber, wie und in wel-chem Ausmaß die Lehrinhalte fĂŒr die Ausbil-dung nach § 8b Abs. 2 verĂ€ndert werden können.

§ 4. (3) Im Rahmen der zusĂ€tzlichen Lehr-planbestimmungen haben die Landes-schulrĂ€te unter Bedachtnahme auf die gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 8 des Berufsausbildungs-gesetzes Ausbildungsziele und -inhalte sowie auf die persönlichen FĂ€higkeiten und BedĂŒrfnisse der BerufsschĂŒlerinnen und BerufsschĂŒler individuell oder nach Möglichkeit auch generell

1. die Bildungs- und Lehraufgaben, die Lehrstoffe und das Stundenausmaß in den einzelnen PflichtgegenstĂ€nden sowie2. an Stelle von PflichtgegenstĂ€nden verbindliche Übungen unter entspre-chender Adaptierung der Bildungs- und Lehraufgaben, der Lehrstoffe und des Stundenausmaßes festzulegen. DarĂŒber hinaus können zur Erlangung der fest-gelegten Ausbildungsziele und -inhalte sowie zu den persönlichen FĂ€higkeiten und BedĂŒrfnissen der SchĂŒlerinnen und

SchĂŒler entsprechend unverbindliche Übungen und FreigegenstĂ€nde festge-legt werden (Verordnung ĂŒber die Lehr-plĂ€ne fĂŒr Berufsschulen, 2016).

LDG § 52 Abs. 3

Das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 bietet die Möglichkeit die zusĂ€tzlichen Leis-tungen, die Lehrer_innen im Rahmen der Berufsausbildung gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 erbringen, abzugelten. Dies erfolgt ĂŒber eine Lehrpflichtverminderung (Budgetbegleitge-setz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009): „Lehrpflichtver-minderung fĂŒr Berufsausbildung gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2: FĂŒr Lehrpflichtverminderungen gemĂ€ĂŸ § 52 Abs. 3 LDG 1984 stehen den Schulen pro SchĂŒler/in gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 maximal 10 Unterrichtseinheiten pro Schul-jahr zu (Erlass des LSR OÖ A1-96/1-14, 2014).

Entwicklung der Individuellen Berufsausbildung (IBA) Oberösterreich in Zahlen

Abbildung 2 zeigt den prozentuellen Anteil der Lehrlinge gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 in den oberösterreichischen Berufsschulen am Stichtag 15.05.2017.

Die Zahlen der Lehrlinge gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 steigen seit 2008 stetig, sie stehen jedoch in starkem Zusammenhang mit der Art der Lehrberufe, die an den jeweiligen Berufsschulen unterrichtet werden. So ist deutlich zu erkennen, dass die Zahlen in den OÖ Schulen mit technischen Berufen (Far-be Orange in der unten stehenden Grafik) eindeutig unter denjenigen liegen, in denen kaufmĂ€nnische (blau) bzw. gewerbliche (grĂŒn) Lehrberufe unterrichtet werden.

Der prozentuelle Anteil der Lehrlinge gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 an der GesamtschĂŒler_in-nenzahl hat sich in OÖ seit 2008 beinahe verdreifacht. Dies zeigt deutlich die zuneh-mende Bedeutung der Ausbildung gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 (vgl. Abbildung 3).

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

|91 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

Abbildung 2: IBA-SchĂŒler in % der GesamtschĂŒler_innenzahlen nach Schulart Stichtag 15.05.18

(LSR fĂŒr OÖ, Abt. B4, 2018)

Abbildung 3: IBA-SchĂŒler_innen OÖ in % der GesamtschĂŒler_innen gesamt, 15.05.2018 (LSR fĂŒr OÖ, Abt. B4, 2018)

16,616,314,6

12,911,6

7,7

5,0 4,8

21,0

18,2

14,3

11,310,58,2 7,6

6,4

2,6

10,48,5 8,4

4,93,9 3,4 2,7 2,2 1,9

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0gewerbliche Berufsschulen kaufmÀnnischeBerufsschulen technische Berufsschulen

2,7%3,2%

3,9%

4,7%5,0%

5,4%5,9%

6,6% 6,8%7,0%

8,0%

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

92| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

In absoluten Zahlen weisen die IBA-SchĂŒler_innen in OÖ zwar einen leichten RĂŒckgang bzw. eine Stagnation auf, dies liegt jedoch daran, dass die GesamtschĂŒler_innenzahl an oberösterreichischen Berufsschulen seit 2010 stetig sinkt. So waren es 2010 noch ins-gesamt 30.635 SchĂŒler_innen, 2017 jedoch nur noch 25.127 (vgl. Abbildung 4).

AusbildungsabschlĂŒsse und -abbrĂŒche in Oberösterreich

Von den 2.866 von Jugend am Werk in OÖ be-treuten Jugendlichen haben im Berichtszeit-raum (2017) 817 Teilnehmer_innen ihre Aus-bildung beendet (Jugend am Werk, 2017).

406 Teilnehmer_innen haben ihre Ausbil-dung im Berichtsjahr 2017 mit der positiv absolvierten Lehrabschluss- bzw. Teillehrab-schlussprĂŒfung oder durch Wechsel in eine regulĂ€re Lehre erfolgreich beendet. Das entspricht fast 50% der insgesamt 817 Been-digungen im Berichtszeitraum (Jugend am Werk, 2017) (vgl. Abbildung 5).

Bezogen auf die 2.866 von Jugend am Werk in OÖ betreuten Jugendlichen ergibt sich fĂŒr 2017 eine Drop-out-Quote (Endigungen vor Ablauf, Auflösung durch Lehrling, Auflö-sung durch Lehrbetrieb, einvernehmliche Auflösung) von 8,1% (Steigerung von 2016 auf 2017 um 0,4%) (Jugend am Werk, 2017).

Zahlen bezĂŒglich der Individuellen Berufsausbildung Österreich

Österreichweit zeigt sich ein Ă€hnlicher Trend, wie die Statistik der absoluten Zahlen fĂŒr IBA-SchĂŒler_innen zeigt. GeringfĂŒgige Abwei-chungen der statistischen Werte sind durch die unterschiedlichen Stichtage zu erklĂ€ren (OÖ: 15.05., Ö: 31.12. des jeweiligen Jahres). Außerdem scheinen die der WKO gemel-deten Lehrlinge nicht zur GĂ€nze als SchĂŒ-ler_innen an den Berufsschulen auf (Befrei-ung von der Berufsschule, außerordentliche SchĂŒler_innen, ...) (vgl. Abbildung 6).

Die Statistik zeigt außerdem, dass der Anteil an IBA-Lehrlingen im Burgenland zwar am

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

Abbildung 4: Entwicklung GesamtschĂŒler_innen und IBA-SchĂŒler_innen OÖ, Stichtag 15.05.18 (LSR fĂŒr OÖ, Abt. B4, 2018)

2933130579 30635 30110 29478 28912 28076

2707326033

25127 25045

792

993

1198

1423

1475

1573

1652

1776

1764

1764

2009

953

1000

1036

1043

1041

1043

1015

1001

987

1004

972

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

35000

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

SchĂŒlerzahlen gesamt

IBA-SchĂŒler gesamt

Lehrer

Linear (IBA-SchĂŒler gesamt)

|93 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

Abbildung 5: AbschlĂŒsse und AbbrĂŒche in OÖ (Jugend am Werk, 2017)

50%

9%

41% AbschlĂŒsse(inkl.regulĂ€reLehreundWechselinregulĂ€reLehre)

AuflösungenProbezeit

SonstigeAbbrĂŒche

Abbildung 6: IBA-Lehrlinge in Österreich absolut, Stichtag 31.12. des jeweiligen Jahres (WKO, 2018)

94| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

höchsten ist, allerdings gibt es im Burgen-land die geringste Anzahl an Lehrlingen insgesamt. In absoluten Zahlen gemessen, weisen Wien und OÖ den grĂ¶ĂŸten Anteil an IBA-Lehrlingen auf (vgl. Abbildung 7 und 8).

Leider gibt es derzeit keine Möglichkeit, die Laufbahnen der Absolvent_innen nach Ab-schluss der Berufsausbildung nach BAG 8b Abs. 1 und 2 zu verfolgen.

Resumee

Abschließend kann angemerkt werden, dass die 2003 geschaffene Berufsausbildung gemĂ€ĂŸ § 8b Abs. 1 und 2 ein zielfĂŒhrendes Modell ist, das in ganz Österreich zu einer geringen Arbeitslosigkeit unter Jugendli-chen fĂŒhrt.

Arbeitgeber_innen, Berufsschule und Be-rufsausbildungsassistenz arbeiten gemein-sam an der Ausbildung der betreffenden Jugendlichen, um persönliche Defizite bzw.

BeeintrĂ€chtigungen auszugleichen und die betreffenden Jugendlichen fĂŒr das Berufsle-ben zu stĂ€rken. Es darf angenommen wer-den, dass der Besuch der Berufsschule und der Status als „Lehrling” auch auf die soziale Stellung der Jugendlichen einen positiven Einfluss haben und somit dem Grundgedan-ken der Inklusion Rechnung tragen.

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

Abbildung 7: Anteil der IBA-Lehrlinge in % der Gesamtlehrlinge in Österreich, nach BundeslĂ€ndern, Stichtag 31.12.17

(WKO, 2018)

11 %

6 % 5 %

9 %

4%

8 %

5 % 6 %

10 %

7 %

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

B K NÖ OÖ Sbg. Stm. T Vbg. W Ö

Literatur

BGBl. I - Nr. 40/2010. (2010).

BGBl. I - Nr. 78/2015. (2015).

BGBl. I – Nr. 79/2003. (2003).

BGBl. I Nr. 83/2003. (2000).

Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009. (2009).

Erlass des LSR OÖ A1-96/1-14. (2014).

Jugend am Werk. (2017). Jahresbericht & Jahresstatistik. Linz: Sozialmins-teriumservice.

LSR fĂŒr OÖ, Abt. B4. (2018).

Verordnung ĂŒber die LehrplĂ€ne fĂŒr Berufsschulen. (2016).

WKO. (Mai 2018). www.wko.at. Abgerufen von www.wko.at: http://wko.at/statistik/Extranet/Bench/jarb.pdf

WKO. (15. 02. 2018). www.wko.at. Abgerufen von www.wko.at: https://www.wko.at/service/zahlen-daten-fakten/daten-lehrlingsstatistik.html

WKO, ÖGB. (01.01.2017). ZUSATZPROTOKOLL Kollektivvertrag fĂŒr die Han-delsangestellten Österreichs.

Zeugnisformularverordnung, BGBl. 211/2016. (2016).

|95 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

BERUFSAUSBILDUNG NACH § 8B BERUFSAUSBILDUNGSGESETZ (BAG) – EIN ERFOLGSMODELL?Edith Auinger-Pfund

Abbildung 8: IBA-Lehrlinge absolut nach BundeslÀndern, Stichtag 31.12.17 (WKO, 2018)

1.941

1.713

1.186

850

572 413 405 331 291

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

OÖ W Stm. NÖ T K Vbg. Sbg. B

96| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Die Integration von bildungsbenachteiligten jungen Menschen ins BerufslebenNorbert JĂ€ger

Unser Bildungssystem ist im höchsten Maße selektiv und BildungsabschlĂŒsse hĂ€ngen immer noch von der sozialen Herkunft ab. Zu viele junge Menschen in Österreich haben keinen Schul- oder Lehrabschluss. Dieser Artikel beschĂ€ftigt sich mit jenen jungen Menschen, denen es gelungen ist ihre Bildungsbenachteiligung und AusbildungsabbrĂŒche zu ĂŒberwinden und mit der Beantwor-tung der Frage, welche internen und externen Ressourcen ihnen dabei geholfen haben, konkrete Schritte fĂŒr eine erfolgreiche Integration ins Berufsleben zu setzen.

Einleitung

Wir leben in einer Zeit, in der unser Bildungs-system stĂ€ndigen VerĂ€nderungen unterwor-fen ist. Bildungspolitische Maßnahmen wie die EinfĂŒhrung des verpflichtenden Kinder-gartenjahres, die EinfĂŒhrung der Neuen Mit-telschule, der Ausbau der Ganztagsschulen, die EinfĂŒhrung der Modularisierten Ober-stufe sowie der Standardisierten Reife- und DiplomprĂŒfung, die PĂ€dagog_innenbildung Neu, die Ausbildungspflicht bis 18 und nicht zuletzt die Digitalisierungsstrategie Schule 4.0 sollen helfen das Wissen und die Kom-petenzen der SchĂŒler_innen zu steigern, um schließlich bei internationalen Vergleichs-tests wie der PISA-Studie so gut wie möglich abzuschneiden.

Trotz aller Reformen und VerĂ€nderungsmaß-nahmen zeigt sich unser Bildungssystem jedoch im höchsten Maße selektiv und Bil-dungsabschlĂŒsse sind immer noch an die soziale Herkunft geknĂŒpft. In Österreich ha-ben ca. 13% der jungen Menschen keine Lehre oder Schule der Sekundarstufe II ab-geschlossen und befinden sich auch in kei-ner weiteren Ausbildung (Landauer, 2016).

JĂ€hrlich verlassen in Österreich ca. 7.500 Jugendliche unser Bildungssystem, ohne die erforderlichen Mindestqualifikationen fĂŒr einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsle-ben erworben zu haben. Die GrĂŒnde von Bildungsbenachteiligung sind vielfĂ€ltig. Sie kann einerseits durch soziale Ungleichhei-

ten verursacht werden, andererseits können schwierige Lebenssituationen und (Aus-)Bil-dungsabbruch die Ursache von Bildungsbe-nachteiligung sein (Linde & Linde-Leimer, 2014).

Dennoch gelingt es jungen Menschen im-mer wieder, den scheinbar vorgezeichneten Pfad zu verlassen und trotz ihrer Benach-teiligung erfolgreich zu sein. Die hier vorge-stellte Studie wurde im Studienjahr 2016/17 im Rahmen einer Masterarbeit am Institut fĂŒr Erziehungswissenschaft und Bildungsfor-schung, Abteilung fĂŒr Erwachsenen- und Berufsbildung, an der Alpen-Adria-Universi-tĂ€t Klagenfurt durchgefĂŒhrt. Sie beschĂ€ftigt sich mit jenen jungen Menschen, die es ge-schafft haben ihre Bildungsbenachteiligung und AusbildungsabbrĂŒche zu ĂŒberwinden und bereits konkrete Schritte fĂŒr eine erfolg-reiche Integration ins Berufsleben zu setzen. Sie zeigt auf, welche internen und externen Ressourcen ihnen dabei geholfen haben (JĂ€ger, 2017).

Ausgangssituation

Bildungsbenachteiligung bedeutet, dass Personen oder Gruppen ĂŒber weniger Parti-zipationschancen und weniger Möglichkei-ten verfĂŒgen, an Bildung teilzuhaben. Abwe-senheit von Bildung wird als Bildungsdefizit bezeichnet (Kastner, 2011). Dabei stellt sich Bildungsbenachteiligung als Kompetenzar-mut und Zertifikatsarmut dar. Kompetenzar-mut bedeutet, dass Menschen ĂŒber unzurei-chende Kompetenzen fĂŒr eine erfolgreiche

DIE INTEGRATION VON BILDUNGSBENACHTEILIGTEN JUNGEN MENSCHEN INS BERUFSLEBENNorbert JĂ€ger

|97 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

gesellschaftliche Teilhabe und eine erfolg-reiche ErwerbstĂ€tigkeit verfĂŒgen. Von Zertifi-katsarmut spricht man, wenn jemand maxi-mal ĂŒber einen Pflichtschulabschluss verfĂŒgt. In der PIAAC-Erhebung wird der eklatante Zusammenhang zwischen Zertifikatsarmut und Kompetenzarmut sichtbar. So sind 41,6% der Early School Leavers in der Altersgruppe der 16- bis 24-JĂ€hrigen im Bereich Lesen von Kompetenzarmut betroffen (Lentner & Ba-cher, 2014).

Doris Landauer (2016) hat in ihrer Studie „Bildungsarmut und ihre lebenslangen Fol-gen” die vielfĂ€ltigen Folgen von Bildungsar-mut aufgezeigt. Neben der Tatsache, dass mangelhafte Bildung den Lebensstandard drĂŒckt und Menschen mit maximal Pflicht-schulbildung wesentlich weniger verdienen, sind sie in ĂŒberdurchschnittlichem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen. Dadurch sind sie auch in ĂŒberdurchschnittlichem Maße auf Sozialleistungen angewiesen und von Ar-mut betroffen. Diese Situation wirkt sich oft negativ auf die Gesundheit von Menschen aus, was zu einer massiven VerkĂŒrzung der Lebenserwartung fĂŒhren kann. Eine fehlen-de Erstausbildung reduziert in Folge lebens-lang die Weiterbildungsbeteiligung. Betrof-fene Menschen beteiligen sich erheblich weniger an demokratischen Prozessen, was besonders an der Wahlbeteiligung sichtbar wird. Menschen, die höchstens den Pflicht-schulabschluss absolviert haben, sind auch ĂŒberproportional hĂ€ufig von Freiheitsstrafen betroffen. Damit besteht also ein deutlicher Zusammenhang zwischen höherer Bildung aller Bevölkerungsschichten und dem Wohl-stand eines Landes (Landauer, 2016).

Die PrĂ€vention von frĂŒhzeitigem Schulab-bruch als Ursache von Bildungsbenach-teiligung und Bildungsarmut steht deshalb auch im Mittelpunkt von nationalen und internationalen Strategien. Schulabbruch ist kein spontan auftretendes Ereignis, sondern ein komplexer Prozess, bei welchem meh-rere Faktoren eine Rolle spielen. Risikofakto-

ren, welche zu einem Schulabbruch fĂŒhren können, liegen einerseits in der betroffenen Person selbst (Mikroebene) sowie auch in der Familie und den Peers (Mesoebene), andererseits können diese Risikofaktoren in Gesellschaft, Schulsystem und Arbeitsmarkt (Makroebene) des Individuums angesiedelt sein (Linde & Linde-Leimer, 2014).

Als Einflussfaktoren auf der Mikroebene werden IdentitĂ€t, körperliche und geistige Gesundheit, Begabung, persönliche Werte und persönliche Kompetenzen, aber auch Verhalten, Arbeit nach der Schule oder bio-graphische Ereignisse genannt. Die Einfluss-faktoren auf der Mesoebene lassen sich in die Lebensbereiche Familie, Peers und Schule gliedern. FamiliĂ€re Situationen wie Migrationshintergrund, Bildungsarmut, Ar-beitslosigkeit und Alkoholismus sowie Erzie-hungsverhalten und UmbrĂŒche in der Fa-milienkonstellation wirken sich negativ auf den Selbstwert und auf den schulischen Er-folg von Kindern aus. Ebenso hat der Freun-deskreis nachgewiesenermaßen einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten Drop-out- gefĂ€hrdeter Jugendlicher. Auch der Lebensraum Schule, die QualitĂ€t des Schul- und Klassenklimas und die Lehrer_in-nen-SchĂŒler_innen-Beziehung beeinflussen die soziale Bindung und die Motivation und Leistungsbereitschaft von SchĂŒler_innen. Zu den Einflussbereichen auf der Makroebe-ne zĂ€hlen die gesellschaftlichen Bedingun-gen, die Situation am Arbeitsmarkt und die Konzeption des Bildungssystems. Die gesell-schaftlichen Bedingungen sind durch eine Chancenungleichheit fĂŒr SchĂŒler_innen aus sozial schwachen Familien gekennzeichnet. Diese verfĂŒgen ĂŒber geringere finanzielle Ressourcen, erfahren zu wenig Lernunter-stĂŒtzung sowie ungenĂŒgende Berufs- und Bildungsorientierung. Durch die frĂŒhe Selek-tion in Verbindung mit einer geringen Durch-lĂ€ssigkeit des Schulsystems werden beson-ders die Bildungslaufbahnen schwĂ€cherer SchĂŒler_innen negativ beeinflusst (Linde & Linde-Leimer, 2014).

DIE INTEGRATION VON BILDUNGSBENACHTEILIGTEN JUNGEN MENSCHEN INS BERUFSLEBENNorbert JĂ€ger

98| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Bildungserfolg wie auch Bildungsbenach-teiligung hĂ€ngen also mit ungleichen Res-sourcen zusammen, wobei sich drei Haupt-risikogruppen herauskristallisiert haben. Bei Jugendlichen aus sozioökonomisch schwa-chen Schichten mit Migrationshintergrund ist eine viermal höhere Drop-out-Quote festzustellen, da es SchĂŒler_innen mit einer andere Erstsprache im Schulsystem oft nicht gelingt, sich die Landessprache auf einem entsprechend hohen Niveau anzueignen. Jugendliche mit arbeitslosen Eltern haben ein dreimal so hohes Risiko die Schule ab-zubrechen. Junge Menschen aus bildungs-fernen Familien, deren Eltern maximal ĂŒber einen Pflichtschulabschluss verfĂŒgen, haben ein diesbezĂŒglich fĂŒnfmal höheres Risiko ge-genĂŒber Kindern aus bildungsnahen Eltern-hĂ€usern (Linde & Linde-Leimer, 2014).

Untersuchung

Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, was bildungsbenachteiligte Jugendliche und Jugendliche in schwierigen Lebenssitu-ationen nach einer abgebrochenen Schul- oder Berufsausbildung benötigen, um einen Weg ins Berufsleben zu finden.

Als Erhebungsmethode wurde das narra-tive Interview gewĂ€hlt, da es vermeidet im Voraus zu definieren, was zum Thema gehört und was nicht. Durch die offene ErzĂ€hlsituati-on wird den Interviewpartner_innen die Ge-staltung der ErzĂ€hlung ĂŒberlassen, ganz un-abhĂ€ngig davon, welche Themen die/den Zuhörer_in unter welcher Perspektive inter-essieren (Rosenthal & Loch, 2002). Der/Dem Forschenden eröffnet sich die Möglichkeit die subjektiven Sichtweisen der Befragten sowie deren soziale Wirklichkeit sichtbar zu machen, zu rekonstruieren und zu analysie-ren (Jakob, 2013).

Es wurden junge Menschen befragt, die ihre Bildungsbenachteiligung und/oder ihren Ausbildungsabbruch ĂŒberwunden haben. Als Interviewpartner_innen nahmen vier

weibliche und zwei mĂ€nnliche Jugendliche als im Feld agierende Expert_innen am For-schungsprozess teil. FĂŒr die Auswahl der In-terviewpartner_innen waren die Kriterien (Aus-)Bildungsabbruch oder Arbeitslosigkeit sowie erfolgreiche Lehr- und/oder Arbeits-stellensuche leitend.

Die Auswertung der narrativ-biographischen Interviews erfolgte mittels biographischer Fallrekonstruktion nach Rosenthal (2014). Dabei werden die einzelnen Segmente ei-nes Interviews nicht unter Kategorien sub-sumiert, sondern die Funktion und Position dieser Segmente in der Gegenwart des ErzÀhlens herausgearbeitet. Eine wesentli-che Rolle bei dieser Methode spielt dabei die Unterscheidung von erzÀhltem und er-lebtem Leben. In der erzÀhlten Lebensge-schichte untersucht man die Bedeutung in der Gegenwart, in der erlebten Lebensge-schichte ist die Bedeutung zum Zeitpunkt des Geschehens wichtig. Diese beiden Ebe-nen werden miteinander verglichen, um die Bedeutung der einzelnen Sequenzen zu ver-stehen (Rosenthal, 2014).

Darstellung der Ergebnisse

Die Auswertung zeigt auf, welche Ressour-cen betroffenen Jugendlichen dabei helfen erfolgreiche Schritte zur Integration ins Be-rufsleben zu setzen:

Als interne Ressourcen können die persön-lichen Eigenschaften, Einstellungen und FÀ-higkeiten sowie das nötige Selbstbewusst-sein genannt werden.

Bei den externen Ressourcen sind positi-ve Beziehungen zu denjenigen Menschen, die den betroffenen Jugendlichen etwas zutrauen, sowie Strukturen und Regeln von entscheidender Bedeutung.

Um aus einer Benachteiligung ausbrechen zu können und Erfolg bei der Integration ins Berufsleben zu haben, bedarf es eigener

DIE INTEGRATION VON BILDUNGSBENACHTEILIGTEN JUNGEN MENSCHEN INS BERUFSLEBENNorbert JĂ€ger

|99 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Ressourcen und FĂ€higkeiten der Jugendli-chen. Die Interviewpartner_innen sprechen in diesem Zusammenhang von der persönli-chen Einstellung und dem Willen, am Leben etwas Ă€ndern zu wollen. Der eigene Antrieb und Ehrgeiz sind fĂŒr sie entscheidend, um erste wichtige Schritte setzen zu können. Selbstdisziplin ist fĂŒr sie eine maßgebliche Charaktereigenschaft, um auch wirklich durchzuhalten zu können. Manchmal war das negative Beispiel anderer ausschlag-gebend dafĂŒr, die eigene Situation zu ĂŒber-denken und den ersten Schritt zu setzen, da man sich dessen bewusst wurde, wie man nicht werden will.

Neben den eigenen FĂ€higkeiten braucht es auch jemand anderen, der die jungen Men-schen dabei unterstĂŒtzt, dass sie sich weiter-entwickeln. Sie brauchen Personen, denen sie vertrauen können und die an sie glau-ben. Diese Bezugspersonen können dem eigenen Umfeld entstammen, wie Eltern, LebensgefĂ€hrten oder auch Freunde. Oft sind es aber auch Therapeut_innen und Trai-ner_innen, die in Einrichtungen wie Street-work oder Jugend am Werk eine wichtige Mentor_innenrolle fĂŒr die Betroffenen ein-nehmen. Diese Beziehungen können einen entscheidenden Einfluss auf den weiteren Lebensweg haben, da auch oft BerufswĂŒn-sche und Einstellungen aus objektiver Sicht korrigiert werden. DafĂŒr bildet das gegen-seitige Vertrauen eine wichtige Basis.

Wenn junge Menschen lĂ€nger ohne Aufga-be und Arbeit waren, mĂŒssen sie sich erst an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen. Dies gelingt nur in kleinen Schritten mit TĂ€tig-keiten von wenigen Stunden, welche die Be-troffenen wieder an die Arbeit heranfĂŒhren. So kann es gelingen den Jugendlichen zu Erfolgserlebnissen zu verhelfen und fĂŒr Struk-tur in ihrem Leben zu sorgen.

Die Biographie der Interviewpartner_innen ist meist geprÀgt von Misserfolgserlebnissen in der Schule sowie Frustrationen bei der Su-

che nach einer Lehrstelle oder nach einem Ausbildungsplatz. Über lange Zeit werden nur negative Erfahrungen gemacht und die Jugendlichen weisen eine Biographie des Scheiterns auf. Sie beenden die Schule und niemand „wartet” auf sie, es gibt kei-ne Arbeit fĂŒr sie. Durch die Hilfe beim Ver-fassen von Bewerbungen, beim Trainieren von BewerbungsgesprĂ€chen und durch die sinnvolle BetĂ€tigung in entsprechenden Ein-richtungen können die jungen Menschen unterstĂŒtzt und Erfolgserlebnisse angebahnt werden. Diese wirken sich positiv auf ihr Selbstbewusstsein aus und sie können sich ihrer Persönlichkeit und ihrer Talente bewusst werden.

ResĂŒmee und Ausblick

Jugendliche im Alter von fĂŒnfzehn Jahren sind oft ĂŒberfordert mit der Berufswahl und haben Probleme beim Übergang zwischen Schule und Beruf. Manche fĂŒhlen sich zu jung zum Arbeiten, andere wieder wĂ€hlen den falschen Beruf. Erst durch gezielte, lĂ€n-ger anberaumte Berufsorientierungsphasen mit kontinuierlichen Praktika in verschiede-nen Bereichen können diese Menschen den fĂŒr sie passenden Beruf finden.

Die Interviewpartner_innen sprachen aber auch ĂŒber Faktoren, die sie in ihrer Entwick-lung behindert hatten. Dazu zĂ€hlen z.B. die hohen Erwartungen von Eltern an das zu er-reichende Bildungsniveau der Kinder. Diese können dem dadurch entstehenden Druck nicht standhalten und scheitern. Der nega-tive Einfluss falscher Bezugspersonen kann ihre Entwicklung hemmen und erst eine Trennung von diesen Personen ermöglicht es, aktiv an einer Änderung der Lebenssitu-ation zu arbeiten.

Abschließend kann festgestellt werden, dass es in Österreich eine Vielzahl von arbeits-marktfördernden Maßnahmen gibt, welche darauf abzielen, Jugendliche „aufzufan-gen” und diese bei der Integration ins Be-

DIE INTEGRATION VON BILDUNGSBENACHTEILIGTEN JUNGEN MENSCHEN INS BERUFSLEBENNorbert JĂ€ger

100| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

rufsleben zu unterstĂŒtzen und zu begleiten. Institutionen wie Jugend am Werk, das Be-rufsförderungsinstitut u.a. leisten wertvolle Arbeit, wenn es darum geht benachteilig-ten Jugendlichen Halt zu geben und ihnen beim Übergang ins Berufsleben zu helfen. Wenn man allerdings davon ausgeht, dass der Ursprung von Bildungsbenachteiligung oft im sozialen und familiĂ€ren Kontext zu fin-den ist, mĂŒssen so frĂŒh wie möglich Maßnah-men gesetzt werden, um spĂ€teren Benach-teiligungen und Problemen am Arbeitsmarkt prĂ€ventiv entgegenzuwirken.

Literatur

Jakob, G. (2013). Biographische Forschung mit dem narrativen Interview. In B. FriebertshĂ€user, A. Langer, & A. Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitati-ve Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (4., durchge-sehene Aufl.). (S. 219–233). Weinheim: Beltz Juventa.

JĂ€ger, N. (2017). „Ich kann das, ich mache das jetzt!” Die Integration von bildungsbenachteiligten jungen Menschen ins Berufsleben (Unveröf-fentlichte Masterarbeit). Alpen-Adria-UniversitĂ€t Klagenfurt.

Kastner, M. (2011). Vitale Teilhabe: Bildungsbenachteiligte Erwachsene und das Potenzial von Basisbildung. Wien: Eduard Löcker.

Landauer, D. (2016). Bildungsarmut und ihre lebenslangen Folgen. Wien: AMS.

Lentner, M., & Bacher, J. (2014). Jugendliche und junge Erwachsene mit geringen Kompetenzen. In Statistik Austria (Hrsg.), SchlĂŒsselkompe-tenzen von Erwachsenen – Vertiefende Analysen der PIAAC-Erhe-bung 2011/12 (S. 280–295). Wien: Statistik Austria.

Linde, S., & Linde-Leimer, K. (2014). „
damit niemand rausfĂ€llt!” Grundla-gen, Methoden und Werkzeuge fĂŒr Schulen zur Verhinderung von frĂŒhzeitigem (Aus-) Bildungsabbruch (2. Aufl.). Wien: BMBF.

Rosenthal, G. (2014). Biographieforschung. In N. Baur, & J. Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S. 509–520). Wiesbaden: VS Springer Verlag fĂŒr Sozialwissenschaften.

Rosenthal, G., & Loch, U. (2002). Das Narrative Interview. In D. Schaeffer, & G. MĂŒller-Mundt (Hrsg.), Qualitative Gesundheits- und Pflegefor-schung (S. 221–232). Bern: Huber.

DIE INTEGRATION VON BILDUNGSBENACHTEILIGTEN JUNGEN MENSCHEN INS BERUFSLEBENNorbert JĂ€ger

|101 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Systematische pĂ€dagogische Weiter entwicklung der Berufsschulinternate (Internate als Bildungsinstitutionen) – KompensationspĂ€dagogische PerspektiveJohann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnther Wohlmuth

Der Beitrag beschĂ€ftigt sich mit pĂ€dagogischen Fragestellungen im Rahmen von Berufsschulin-ternaten, wissend, dass die theoretisch-pĂ€dagogische Grundstruktur einer solchen Einrichtung weitestgehend determiniert ist von verschiedenen Faktoren. Es handelt sich um Kurzzeitinter-nate – die Verweildauer der BerufsschĂŒler_innen betrĂ€gt im Regelfall ca. zehnWochen –, die es erforderlich machen, pĂ€dagogische Begleitmaßnahmen zeitlich, organisatorisch und inhaltlich auf die persönlich-individuellen und empirisch erkannten BedĂŒrfnisse der BerufsschĂŒler_innen zu fokussieren. Evident ist, dass diese fortwĂ€hrend durch wissenschaftliche Erhebungen definiert werden mĂŒssen.

PĂ€dagogik im Kurzzeitinternat und Zielsetzung des Forschungsprojekts

Eine vornehmlich und damit prioritĂ€re per-sönlichkeitsbildende Ausrichtung einer Inter-natsphilosophie, wie sie das Langzeitinternat im Besonderen charakterisiert, kann im Kurz-zeitinternat nur am Rande wirksam werden, insofern, als besonderer Wert auf sensible Sprache und Kommunikation mit Blick auf PluralitĂ€t von Menschen, Kulturen und Religi-onen gelegt wird. Dieser Anspruch wird tĂ€g-lich an HeimschĂŒler_innen und Erzieher_in-nen gestellt. Die reflektierte Entwicklung und AusprĂ€gung einer an ethisch-moralischen und rechtsstaatlichen Werten orientierten Haltung ist ein Bildungsziel der PĂ€dagogik im Kurzzeitinternat.

Die Wertehaltung der BerufsschĂŒler_innen ist nach deren Aussage durch das familiĂ€re Umfeld und durch die Sozialisation im Be-trieb besonders geprĂ€gt, wie eine Untersu-chungsperson bemerkte:

Höflichkeit gehört auf jeden Fall dazu. Das ist ganz ein großes Thema. Das ist mir so gelernt worden. Ich freue mich auch da-rĂŒber, wenn ein anderer auch GrĂŒĂŸ Gott sagt, oder es gibt auch viele bemerkte

Leute, die nicht einmal GrĂŒĂŸ Gott sagen können oder sonst was, aber fĂŒr mich Höflichkeit ist ein großes Thema, das Her-kommen, das Auftreten ist fĂŒr mich auch ein großes Thema ... (Kand_5, Abs. 27).

Diese Aussage darf Pars pro Toto verstanden werden.

Eine systematische pĂ€dagogische Weiter-entwicklung der Berufsschulinternate durch eine wissenschaftlich gestĂŒtzte bildungspo-litische Diskussion anzustoßen ist daher ein Ziel dieses Forschungsprojekts. Grundlagen dafĂŒr mögen neben einer standortbezoge-nen Forschung – wie im gegenstĂ€ndlichen Fall – international anerkannte Jugendstu-dien sein, deren Ergebnisse auch fĂŒr die Entwicklung von InternatspĂ€dagogiken au-ßerordentlich wichtig sind, jedoch in diesem Beitrag aufgrund seiner Fokussierung auf ein eigenes Forschungsprojekt nicht referiert werden, zumal dies die vorgegebene GrĂ¶ĂŸe des Beitrags nicht zulĂ€sst.

Auch geht es nicht um eine Analyse der bisherigen wissenschaftlichen Studien, die sich mit InternatspĂ€dagogik beschĂ€ftigen – wenngleich einige AnsĂ€tze aufgegriffen werden –, sondern um ForschungszugĂ€n-

SYSTEMATISCHE PÄDAGOGISCHE WEITER ENTWICKLUNG DER BERUFSSCHULINTERNATE (INTERNATE ALS BILDUNGSINSTITUTIONEN) – KOMPENSATIONSPÄDAGOGISCHE PERSPEKTIVE

Johann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth

102| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

ge, die noch nicht verfolgt wurden, weil sie vielleicht nur „
 bedingt zu verlĂ€sslichen, im strengen Sinne methodisch gesicherten Er-gebnissen fĂŒhren 
.” (Winkler, 2003, S. 148).

Vielmehr soll das Forschungsprojekt einer-seits die Aufgaben und Möglichkeiten von Berufsschulinternaten darstellen und ande-rerseits gleichzeitig den Bedarf und die Be-dĂŒrfnisse der BerufsschĂŒler_innen und einen damit verbundenen möglichen VerĂ€nde-rungsprozess aufzeigen. Die dahingehend erhobenen Daten dienen in einem ersten Schritt einer AnnĂ€herung an das Thema und zeigen vorrangig erste Ergebnisse aus der Sicht der projektbeteiligten InternatsschĂŒ-ler_innen.

Ausgangslage zum sachbezogenen Lernen im Internat

Neueste Befunde der Bildungs- und Berufs-bildungsforschung werden in der Berufs-bildung intensiv diskutiert. Verwiesen sei an dieser Stelle auf zwei Keynotes auf der 6. Österreichischen Berufsbildungsforschungs-konferenz vom 5.–6. Juli 2018 in Steyr. Jutta Allmendinger1 (2018) stellte sich in ihrem Re-ferat „Non vitae sed scholae discimus? Zur Zukunft der Bildung von gestern” der unge-heuren Herausforderung, Charakteristika der heutigen Lern- und Wissensgesellschaft fĂŒr die Berufsbildung herzauszuarbeiten. Geoff Hayward2 (2018), zweiter Keynot-Speaker, spannte das Thema der moralischen Dimen-sion der beruflichen Bildung mit dem Titel „Re-imagining the moral purpose of VET” auf, das ganz dem Motto des Kongresses ent-sprach: B=BB?! BILDUNG=BERUFSBILDUNG?!

Der Kontext des Schul- und Bildungswesens wird von zwei Faktoren, nÀmlich der demo-graphischen Entwicklung und des sozio-ökonomischen Hintergrunds der österrei-

chischen SchĂŒler_innen bestimmt. Wichtige Faktoren, die fĂŒr einen Erfolg bzw. Misserfolg der Jugendlichen in der Berufsbildung ver-antwortlich sein können, lassen sich folgen-dermaßen festmachen:

ïżœïżœ die Gleichaltrigengruppe (z.B. Peer-group),ïżœïżœ der Ausbildungsbetrieb undïżœïżœ das außerschulische Umfeld (z.B. Berufs-schulinternate)

Die Überlegungen bzw. Kriterien bei der Aus-wahl eines Heims bzw. Internats durch die Erziehungsberechtigten sind im Allgemeinen vielfĂ€ltig und oftmals auch, bezogen auf die zu begleitenden Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, defizitorientiert.

In der wissenschaftlichen Literatur werden die Motive folgendermaßen beschrieben:

„1. Hoffnung auf Entlastung2. UnterstĂŒtzung bei Lern- und Persönlich-keitsproblemen3. bestmögliche Förderung bis hin zur Thera-pie” (Ladenthin, 2009b, S. 22).

Die von Ladenthin erhobenen Motive fĂŒr den Eintritt in ein Langzeitinternat sind auf die Berufsschulinternate nicht ĂŒbertrag-bar. Erziehungsberechtigte und BerufsschĂŒ-ler_innen begrĂŒnden die Entscheidung, ein Berufsschulinternat zu besuchen, mit der VerĂ€nderung der Ausbildungs- und Arbeits-welt (Schwerpunktberufsschulen) und den damit verbundenen hohen Anforderungen an eine zeitliche und rĂ€umliche MobilitĂ€t. Eine Kultur der pĂ€dagogischen Begleitung und LernunterstĂŒtzung aufgrund sich ver-Ă€ndernder BedĂŒrfnisse der Lehrlinge (Aus-zubildenden) – so ein erstes Ergebnis des Forschungsprojekts – gilt es jedoch weiterzu-entwickeln. „Im Hinblick auf den Unterricht

SYSTEMATISCHE PÄDAGOGISCHE WEITER ENTWICKLUNG DER BERUFSSCHULINTERNATE (INTERNATE ALS BILDUNGSINSTITUTIONEN) – KOMPENSATIONSPÄDAGOGISCHE PERSPEKTIVEJohann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth

1 PrĂ€sidentin des Wissenschaftszentrums Berlin fĂŒr Sozialforschung (WZB) und Professorin fĂŒr Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-UniversitĂ€t zu Berlin

2 University of Cambridge Berlin, Professor and Head of the Faculty of Education

|103 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

bietet sich bei Internaten die Möglichkeit ei-nes stark anlassbezogenen Lernens, sodass in der Freizeit jene Erfahrungen zielgerecht organisiert werden können, die im systema-tischen Unterricht aufgearbeitet werden” (Ladenthin, 2009, S. 25–26).

Definition von Internaten

InternatspĂ€dagogik im Allgemeinen und Kurzzeitinternate im Besonderen befinden sich nur am Rande im Fokus bildungswis-senschaftlich-systematischer Studien (Haep, 2015, S. 20). Winkler (2003, S. 148) bringt das stiefmĂŒtterliche Dasein einer Heim- bzw. In-ternatsforschung auf den Punkt: „Wenn Heimerziehungsforschung lange nur wuss-te, dass sie nichts weiß, so beginnt sie nun zunehmend zu ahnen, wo sie fragen und suchen muss.” Gabriel und Winkler (2003) verweisen auf die Forschungsarbeit von Gonschorek (1979), in dessen Mittelpunkt eine exemplarische qualitativ-kritische Ana-lyse der Möglichkeiten und Grenzen der personellen Bedingungen der Erziehung und Sozialisation in Internaten aus Sicht der Betroffenen steht. Sie versuchen Kontexte und Perspektiven der Internatserziehung in ihrer disziplinĂ€ren HeterogenitĂ€t zu erfassen und grundlegende theoretische Überlegun-gen mit konkreten Erfahrungen zu verknĂŒp-fen. Strock, Galuske und Thole (2003) geben einen Überblick ĂŒber statistische Daten und empirische Forschungen zur Internatserzie-hung. Wie eine pĂ€dagogische Teamsitu-ation verĂ€ndert werden kann, in dem alle Teammitglieder in Kommunikation und Inter-aktion gĂŒnstig auf die Lernenden im Sinne einer Einststellungs- und VerhaltensĂ€nde-rung agieren, versuchen PĂŒtz und Mösslein (1983) darzustellen. Lauermann (2003) un-tersucht Internat und Schule in der koope-rativen Zusammenarbeit und Wechselbezie-hung als zwei eigenstĂ€ndige pĂ€dagogische Teilsysteme mit jeweils eigenem Profil.

Empirische Untersuchungen ĂŒber die kurz-fristige Heimerziehung gibt es wenige, le-

diglich Hansen (1994) ĂŒberprĂŒfte mit stan-dardisierten psychologischen Testverfahren psychische VerĂ€nderungen der Proband_in-nen. Internatsaufenthalte und -erziehung, die eher als kurze biographische Episoden (im vorliegenden Fall vier bis zehn Wochen) geplant sind, haben andere Zielsetzungen und pĂ€dagogische Aufgaben als langfris-tige Internatsaufenthalte. Das Internat als Lernort ist im berufsbildenden Bereich – und speziell im Bereich der dualen Ausbildung – nicht nur als Wohn- und SchlafstĂ€tte zu se-hen, vielmehr zĂ€hlt es zu den Aufgaben von Berufsschulinternaten, „
 junge Menschen beim Lernen und bei der Entwicklung ihrer je eigenen Persönlichkeit zu unterstĂŒtzen” (Loer, 2015, S. 199).

Der Fokus der systematischen pĂ€dagogi-schen Weiterentwicklung von Berufsschul-internaten fußt auf der Erkenntnis, dass sich die handelnden Personen im Klaren sein mĂŒssen, dass ihre Aufgaben auf verschie-denen Ebenen zu erfĂŒllen sind. Sie mĂŒssen Kenntnis darĂŒber haben, wie Wissen erwor-ben und wie mit dem erworbenen Wissen sinnvoll umgegangen wird. Bei jungen Be-rufsschĂŒler_innen geht es vorrangig nicht nur um die Mitgestaltung von Erziehung und Unterricht, sondern auch um FĂŒrsorge, die sonst unter UmstĂ€nden von den Erziehungs-berechtigten geleistet werden wĂŒrde (Loer, 2015, S. 199). Ladenthin (2009a) spricht von drei Funktionen der Internate in unserer Ge-sellschaft: der Aufgabe der ‚Kompensation’ im Sinne von Defiziten, der ‚Organisation’ so-wie der ‚ErgĂ€nzung’ im Sinne eines zusĂ€tzli-chen pĂ€dagogischen Angebots, das Schule und Erziehungsberechtigte unterstĂŒtzt. Die erstgenannten Funktionen werden primĂ€r nicht von den Berufsschulinternaten (Kurz-zeitinternaten) ĂŒbernommen. Vielmehr wird der Fokus auf eine Lernbegleitung und -unterstĂŒtzung gelegt, wobei – wie bereits ausgefĂŒhrt – auf die Herausbildung einer modernen Verantwortungskultur als sekun-dĂ€res Bildungsziel besonders Wert gelegt wird. Die Kurzzeitinternate fĂŒr Berufsschulen

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Johann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth

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spezialisieren sich also auf eine der oben genannten Funktionen (Ladenthin, 2009a, S. 270–271) und erweitern diese um eine sozi-alethische Dimension, wie dies auch in der Keynote von Hayward (2018) bei der 6. Be-rufsbildungsforschungskonferenz 2018 erĂ€u-tert wurde.

GrundsĂ€tzlich gehen die zu untersuchen-den Berufsschulinternate nicht von einer DefizitpĂ€dagogik aus, vielmehr steht ein lernunterstĂŒtzendes und lernbegleitendes pĂ€dagogisches Konzept im Vordergrund. Dies bedeutet jedoch nicht, dass erkannte Defizite (schulisches Grundlagenwissen bzw. -können, das fĂŒr das Erlernen eines Berufes unerlĂ€sslich ist) unberĂŒcksichtigt bleiben. Vielmehr werden in diesen FĂ€llen individuel-le Fördermaßnahmen und UnterstĂŒtzungen angeboten.

Das untersuchte Internat versteht sich als eine pÀdagogische Einrichtung, welche mehrere Aufgaben wahrnimmt:

1. Aufgrund der Schwerpunktberufsschulen ist der tĂ€gliche Berufsschulbesuch vom Wohnort aus nicht möglich. Die Konse-quenz daraus ist eine lehrgangsmĂ€ĂŸi-ge Organisation der Berufsschulzeit mit gleichzeitiger Unterbringung der Berufs-schĂŒler_innen in Berufsschulinternaten. Hier muss von Kurzzeitinternaten gespro-chen werden, mit einer Verweildauer von vier bis zehn Wochen. Neben den nach-folgenden lernpĂ€dagogischen Überle-gungen dient das Berufsschulinternat den jungen Erwachsenen als Wohn- und Schlafort und Ort der Verpflegung (La-denthin, 2009a, S. 208; Loer, 2015, S. 208).

2. Bei minderjĂ€hrigen SchĂŒler_innen fĂ€llt durch einen Internatsaufenthalt eine mögliche notwendige Begleitung der LernunterstĂŒtzung durch Erziehungsbe-rechtigte weg. Hier ĂŒbernimmt das Be-rufsschulinternat pĂ€dagogische Aufga-ben im Sinne einer Lernbegleitung und -unterstĂŒtzung, gegebenenfalls auch

durch kompensationspĂ€dagogische An-gebote, die das Haus durch erfahrene PĂ€dagog_innen selbst bereitstellt oder durch externe Personen (Lehrlingscoa-ching) zur VerfĂŒgung stellt.

3. Das pĂ€dagogische Wahrnehmen von Konflikten und RegelverstĂ¶ĂŸen in Form von individuellen GesprĂ€chen oder GruppengesprĂ€chen, im Sinne einer Kon-fliktregelung durch das pĂ€dagogische Personal, fĂŒhren mitunter zu einer ver-stĂ€rkten Konflikt- und KommunikationsfĂ€-higkeit von BerufsschĂŒler_innen gemĂ€ĂŸ dem sozialen Lernen. In Internaten erge-ben sich viele AnlĂ€sse fĂŒr das soziale Ler-nen. So werden bei der Mitgestaltung des Internatslebens das Wir-GefĂŒhl und das Verantwortungsbewusstsein der Jugend-lichen gestĂ€rkt. „Die KlĂ€rung von Konflik-ten oder das Diskutieren und Überlegen, z.B. zur Gestaltung des Miteinanders im gemeinsamen Alltag, stĂ€rken die Kom-munikations- und DialogfĂ€higkeit ebenso wie ein lösungsorientiertes Denken” (Loer, 2015, S. 209).

4. Eine der wesentlichen Gelingensfaktoren bzw. -bedingungen, im Sinne des pĂ€da-gogischen Konzeptes, ist das Wissen um die Tatsache, dass sich das pĂ€dagogi-sche Feld Internat in einem unmittelbaren Kontext mit den Lehrpersonen der Berufs-schule auf der einen Seite und den Lehr-betrieben bzw. den Erziehungsberechtig-ten bei minderjĂ€hrigen SchĂŒler_innen auf der anderen Seite befindet. Ein fortwĂ€h-render offensiver und fĂŒr die Lernenden transparenter Dialog zwischen den ein-zelnen Akteur_innen ist erforderlich, um wesentliche Ziele des Berufsschulinter-nats zu erreichen, die da sind: altersad-Ă€quate Persönlichkeitsbildung im Sinne von Verantwortungskultur, WertschĂ€tzung, Toleranz etc. und nicht zuletzt der erfolg-reiche Abschluss der Lehrgangsklassen bzw. eine erfolgreiche pĂ€dagogische Be-gleitung zur LehrabschlussprĂŒfung.

5. Das pÀdagogische Konzept umfasst nicht nur lerntheoretische Grundlagen

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wicklung und AusprÀgung einer an ethisch-moralischen und an rechtsstaatlichen Werten orientierten Grundhaltung.

Die pĂ€dagogische Verantwortung der pro-fessionellen Akteur_innen liegt darĂŒber hin-aus in der Begleitung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich in einer du-alen beruflichen Ausbildung befinden (La-denthin, 2009b, S. 25–27). Das pĂ€dagogische Konzept und damit das Handeln der „Erzie-her_innen” – dabei handelt es sich um Per-sonen mit erziehungswissenschaftlicher Aus-bildung, Berufsschullehrer_innen, aber auch um Personen mit basalen pĂ€da gogischen Kenntnissen – orientiert sich an BerufsschĂŒ-ler_innen mit spezifischen beruflichen Aus-richtungen und damit verbundenen Interes-sen, StĂ€rken und SchwĂ€chen. Besonders zu berĂŒcksichtigen ist – und dies ist eine außer-ordentliche Herausforderung fĂŒr eine gelun-gene PĂ€dagogik im Kurzzeitinternat –, dass drei Lernorte im Blickfeld pĂ€dagogischen Handelns sein mĂŒssen: der Lehrbetrieb, die Berufsschule und das Internat. SĂ€mtliche Ak-teur_innen sind in der Verantwortung dies-bezĂŒgliche Kommunikationsebenen pro- aktiv zu bespielen, wobei rechtliche Rah-menbedingungen (Stichwort: Datenschutz-grundverordnung) penibelst zu berĂŒcksich-tigen sind. Dies trifft im Besonderen auch auf die Kommunikation mit Eltern zu, wobei zu berĂŒcksichtigen ist, ob die BerufsschĂŒ-ler_innen minder- oder volljĂ€hrig sind bzw. ob eine EinverstĂ€ndniserklĂ€rung volljĂ€hriger BerufsschĂŒler_innen vorliegt, um allenfalls Er-ziehungsberechtigte ĂŒber erziehungs- und ausbildungsrelevante VorfĂ€lle und Entwick-lungen zu informieren.

Lernbegleitende und lernunterstĂŒtzende Maßnahmen (im Rahmen der tĂ€glichen Stu-dierstunde, des Förderunterrichts etc. – im Sinne einer kompensatorischen PĂ€dago-gik) werden den BerufsschĂŒler_innen pro-aktiv angeboten; dies umrahmt von einem umfangreichen Freizeit- und Informations-angebot. Eine wichtige Gelingensvoraus-

und Überlegungen, sondern ist auch ab-gebildet in der rĂ€umlichen und zeitlichen Struktur des Internats, wie beispielsweise in den ausreichend vorhandenen an-sprechenden BegegnungsrĂ€umen und einer Vielzahl von sportlichen AktivitĂ€ten sowie in freizeitpĂ€dagogischen Angebo-ten, die dem Erkennen der eigenen StĂ€r-ken und SchwĂ€chen dienen.

Dementsprechend verstehen sich die Be-rufsschulinternate als (landeseigene) Ein-richtungen, die junge Erwachsene (Minder-jÀhrige und VolljÀhrige) am Weg zu einer beruflichen Ausbildung und zur persönli-chen Reifung professionell und temporÀr begleiten.

Derzeitiges pÀdagogisches (Lern-)Konzept des beforschten Berufsschul-internats

Das theoretisch-pĂ€dagogische Grundmus-ter einer solchen Einrichtung ist weitest-gehend determiniert von verschiedenen Faktoren. Zum einen handelt es sich um Kurzzeitinternate (Ladenthin, 2009b, S. 23–25), die die BerufsschĂŒler_innen im Regelfall ca. zehn Wochen lang, in den Abschlussklassen ca. vier bis fĂŒnf Wochen nutzen. In diesem kurzen Internatsaufenthalt sollten pĂ€dago-gische Begleitmaßnahmen zeitlich, organi-satorisch und inhaltlich auf die empirisch er-kannten BedĂŒrfnisse der BerufsschĂŒler_innen abgestimmt werden.

Zum anderen kann eine vornehmlich und damit prioritĂ€re persönlichkeitsbildende Ausrichtung einer Internatsphilosophie, wie sie das Langzeitinternat im Besonderen cha-rakterisiert, nur am Rande wirksam werden, insofern, als besonderer Wert auf eine sen-sible Sprache und Kommunikation mit Blick auf PluralitĂ€t von Menschen, Kulturen und Religionen gelegt wird. Dieser Anspruch wird tĂ€glich an InternatsschĂŒler_innen und Erzieher_innen gestellt. Das sekundĂ€re Bil-dungsziel der InternatspĂ€dagogik ist die Ent-

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Johann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth

106| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

setzung ist ein intensiver Erfahrungs- und In-formationsaustausch des Internatspersonals – im Wesentlichen auf der Ebene der pĂ€da-gogischen Leitung – mit den Lehrer_innen der Berufsschule; selbstverstĂ€ndlich unter strenger BerĂŒcksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Auch externe Ex-pert_innen (Stichwort: Lehrlingscoaching) sind zunehmend fĂŒr die psychologische und pĂ€dagogische Begleitung und UnterstĂŒt-zung von BerufsschĂŒler_innen, so ein Bedarf erkannt wird, hinzuzuziehen.

Forschungszugang – Datenerhebung – Auswertungsmethode

Die strukturierende qualitative Inhaltsana-lyse, die sich in vielen Forschungsprojekten bewĂ€hrt hat, wird in der wissenschaftlichen Literatur in verschiedenen Varianten be-schrieben. Als Beispiel sei die inhaltlich-re-duktive Auswertung bei Lamnek (1995, S. 110–124) genannt. Beim vorliegenden For-schungsprojekt wurde fĂŒr die inhaltlich struk-

turierende Inhaltanalyse mit der deduktiv-in-duktiven Kategorienbildung nach Kuckartz (1999, S. 202–205) gearbeitet. „Die Mischung von A-priori-Kategorienbildung und Katego-rienbildung am Material geschieht nahezu ausschließlich in eine Richtung: Es wird mit A-priori-Kategorien begonnen, im zweiten Schritt folgt die Bildung von Kategorien bzw. Subkategorien am Material” (Kuckartz, 2016, S. 95).

Kuckartz (2016, S. 100–117) beschreibt den Analyseprozess in sieben Phasen (vgl. Abb. 1). Aus initiierender Textarbeit, dem Schrei-ben von Code-Memos und Theorie-Memos – die konzeptuelle Begriffe (Labels), para-digmatische Eigenschaften und Indikatoren fĂŒr den Prozess enthalten (Strauss, 2010, S. 169–172) - und kurzen Fallzusammenfassun-gen, besteht der erste Auswertungsschritt. Aus diesen analytischen Memos werden anschließend Codes und Kategorien gene-riert. „Codes and categories are found not just in the margins or headings of interview

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Abbildung 1:

Ablaufschema einer inhaltlich

strukturierenden Inhaltsanalyse

(Kuckartz, 2016, S. 100)

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transkripts and field notes – they are also embedded within analytic memos” (Salda-na, 2015, S. 54).

Im vorliegenden Projektablauf werden in der ersten Phase (vgl. Abb. 1) die aus der For-schungsfrage abgeleiteten Kategorien des Kategoriensystems – anders als bei einer mit deduktiven Kategorien arbeitenden Inhalts-analyse – nur als Ausgangspunkt verwendet. In der zweiten Phase erfolgt das Entwickeln von thematischen linearen Hauptkategori-en (Kuckartz, 1999, S. 200) – hĂ€ufig mehr oder weniger aus der Forschungsfrage abgeleitet –, mit denen der Codierungsprozess arbei-tet. Es erfolgt die Bildung von Subkategorien aus dem Material der zugeordneten Haupt-kategorie, jeweils in mehrstufigen Verfahren. Nachdem die Kategorien empirisch direkt am Material entwickelt werden, beginnt der eigentliche Codierungsprozess nach der bewĂ€hrten Technik des konsensuellen Co-dierens, bei der der Text zunĂ€chst von zwei Codierern getrennt bearbeitet wird, die sich dann im zweiten Schritt zusammensetzen und die Codierungen gemeinsam auf Über-einstimmung ĂŒberprĂŒfen und diskutieren (Hopf & Schmidt, 1993). FĂŒr den ersten Co-dierungsprozess in der dritten Phase wird der Codierungsprozess so gestaltet, dass jeder Text sequenziell Zeile fĂŒr Zeile vom Beginn bis zum Ende der transkribierten Interviews analysiert und Textabschnitte den Katego-rien zugewiesen werden. Textpassagen, die fĂŒr die Forschungsfrage nicht relevant sind, bleiben uncodiert. Wo Textabschnitte unter-schiedliche Themen enthalten, erfolgt die thematische Codierung in mehreren Kate-gorien. Die vierte Phase ist bestimmt durch das Zusammenstellen aller mit der gleichen Kategorie codierten Textstellen. Danach er-folgt in der fĂŒnften Phase das induktive Be-stimmen von Subkategorien am Material, wobei Definitionen fĂŒr die dieselben entwi-ckelt und durch Zitate aus dem Material er-gĂ€nzt werden. In der sechsten Phase erfolgt in einem zweiten Prozess das Codieren des gesamten Materials mit dem ausdifferen-

zierten Kategoriensystem. Dabei wird we-gen des kleinen Samples hinsichtlich der An-zahl der Subkategorien eher pragmatisch vorgegangen, da es nicht zielfĂŒhrend er-scheint, „
 bei relativ wenigen Forschungs-teilnehmenden sehr viele Subkategorien bzw. MerkmalsausprĂ€gungen zu unterschei-den” (Kuckartz, 2016, S. 110). Es ist selbstre-dend, dass bei den Forschenden, die im pĂ€dagogischen Feld des Internats arbeiten, bereits eine Vorab-Kategorisierung im Sinne eines Vor-Urteils vorhanden ist. FĂŒr Gadamer (1990, S. 255–290) sind diese „Vorurteile” al-lerdings Bedingungen des Verstehens, ohne die Urteile und Erkenntnisse gar nicht mög-lich wĂ€ren. Diese Vorstruktur allen Verstehens wird nicht als ein isolierender, sondern als ein produktiver Faktor betrachtet. Einfache und komplexe Analysen erfolgen in der siebten Phase. Mit einer hermeneutischen Heran-gehensweise werden Sequenz fĂŒr Sequenz biographische Prozessstrukturen der inter-viewten Jugendlichen freigelegt (Köngeter, Mangold & Strahl, 2016, S. 91–96).

Die Analysen der biographischen kontras-tiven FĂ€lle brachten allerdings – wie noch nĂ€her erlĂ€utert wird – in diesem Pilotpro-jekt wenig Antworten auf die zentrale For-schungsfrage der EffektivitĂ€tssteigerung der Lernleistungen und -bedingungen im Inter-nat.

Sieben TeilzeitinternatsschĂŒler_innen im Al-ter von 17 bis 20 Jahren, allesamt im dritten bzw. vierten Ausbildungsjahr, konnten fĂŒr die Interviews gewonnen werden. Davon sind drei weiblich und vier mĂ€nnlich und erler-nen unterschiedliche technische Berufe. Zum Zeitpunkt der Datenerhebungen, die im Schuljahr 2016/17 stattfanden, besuchten die Untersuchungspersonen die Berufsschu-le. Die Auswahl erfolgte zufĂ€llig. Die ca. ein-stĂŒndigen Interviews fanden in deren Freizeit im Internatsbereich statt.

Die qualitativ ausgewerteten Interviews wurden zwischen Strukturierung und Offen-

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108| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

heit gefĂŒhrt, mit dem Ziel, wie Kruse (2015) es formuliert, „
 den Befragten so viel offenen Raum wie möglich zu geben, damit diese so weitgehend wie möglich ohne fremdge-steuerte Strukturierungsleistungen und theo-retische Vorannahmen – die von außen an sie herangetragen werden – ihre subjektiven Relevanzsysteme, Deutungen und Sichtwei-sen verbalisieren können” (Kruse, 2015, S. 148). Bei der vorliegenden Befragung wurde mit einem sehr offenen narrativen Einstieg begonnen und danach entlang des Inter-viewleitfadens die (Lern-)Erfahrungen der jungen Erwachsenen anhand von vier The-menblöcken erhoben, nach der praktischen Leitformel „
 so viel Offenheit wie möglich, so viel Strukturierung wie nötig 
” (S. 149).

Ziele der Pilotstudie sind eine diagnostische Analyse der momentanen Lernsituation in Kurzzeitinternaten und die Erhebung von WĂŒnschen an LernunterstĂŒtzungsmaßnah-men durch die Internatsbewohner_innnen, um langfristig ein bedarfsgerechtes und theoriegestĂŒtztes pĂ€dagogisches Konzept fĂŒr Berufsschulinternate zu entwickeln.

Ergebnisse der Pilotstudie

Die Familiensituation im vorliegenden For-schungskontext wurde mit der Haupt-kategorie „Familiensituation und Famili-enorganisation” und den Subkategorien „Migrationshintergrund”, „Erwerb der deut-schen Sprache”, „Beziehung zu den Eltern” und „finanzielle Situation” codiert. Hinsicht-lich der Hauptkategorie „FamiliĂ€rer (Bil-dungs-)Hintergrund” lĂ€sst sich festhalten, dass die Mehrzahl der befragten Jugend-lichen und jungen Erwachsenen in einem eher problembehafteten Umfeld aufwuch-sen. So gab Kand_2_f an, sie habe eine al-leinerziehende Mutter, die ihr große Frei-rĂ€ume zugestanden habe. „Also, bei mir zu Hause bin ich eigentlich eher locker aufge-wachsen und habe als kleines Kind eigent-lich alles tun können, weil die Mama allein-erziehend, der Papa ist weg und ich habe

echt eine schöne Kindheit gehabt und sie hat mich auch echt viel tun lassen, also nicht so eingeengt wie die anderen Famili-en” (Kand_2_f, Abs. 5). Ein anderer Befragter (Kand_4, Abs. 5) erlĂ€utert seine Familiensitu-ation folgendermaßen: „Ja also, ich bin in einer fĂŒnfköpfigen Familie aufgewachsen mit zwei jĂŒngeren Schwestern und, ja, ich kann mich eigentlich an eine sehr schöne Kindheit erinnern, auf jeden Fall. Ja, eigent-lich habe ich schon von klein auf immer meine KreativitĂ€t ausgelebt und ja genau, zu meinen Geschwistern auch: Meine jĂŒngs-te Schwester hat das Down-Syndrom. Ge-nau, also das hat auch einen starken Einfluss auf die Familie gehabt, natĂŒrlich”. Bemer-kenswert ist, wie schon erwĂ€hnt, dass die Be-fragten angaben trotz problematischen Fa-milienhintergrunds eine glĂŒckliche Kindheit gehabt zu haben.

Hinsichtlich der Subkategorie „Erwerb der deutschen Sprache” wurde von Interview-ten mit Migrationshintergrund das Deutsch anderer Zugewanderter kritisiert, aber auch deren Eltern wurden in die Pflicht genom-men: „Die Eltern mĂŒssen das so machen, dass zu Hause auch Deutsch geredet wird. ... Es ist gut fĂŒr das Kind, es ist gut fĂŒr daheim, es ist gut fĂŒr die Eltern. Die Eltern entwi-ckeln sich weiter, wir entwickeln uns weiter” (Kand_1_Abs. 19).

Die Mehrzahl der Befragten verweist darauf, dass ihre Eltern ĂŒber keine Hochschulreife verfĂŒgen bzw. nicht akademisch ausgebil-det sind. Aus der Untersuchung der Famili-ensituation einer Untersuchungsgruppe sind allerdings keine unmittelbaren Zusammen-hĂ€nge zu den Kernforschungsfragen „Ler-nerfahrungen im Internat” und „Leistungs-bereitschaft vor und wĂ€hrend der Lehre” analysierbar.

Die ĂŒberwiegende Anzahl der Untersu-chungspersonen geben an, dass sie vor der Lehre und Berufsschule ĂŒber eine geringe-re Leistungsbereitschaft verfĂŒgten als zum

SYSTEMATISCHE PÄDAGOGISCHE WEITER ENTWICKLUNG DER BERUFSSCHULINTERNATE (INTERNATE ALS BILDUNGSINSTITUTIONEN) – KOMPENSATIONSPÄDAGOGISCHE PERSPEKTIVEJohann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth

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feldkonzentration (z.B. Maschinenbautech-nik, Technische Zeichner_innen usw.) – und bei der Begleitung eine Individualisierung und ein bedarfsgerechtes Angebot erfor-derlich. Daher betonen die befragten Be-rufsschĂŒler_innen, dass es fĂŒr die Motivation im Internat zu lernen unerlĂ€sslich ist, wenn die fachliche Hilfestellung und Begleitung besonders an möglichen Aufgabenstel-lungen in Hinblick auf bevorstehende Leis-tungsĂŒberprĂŒfungen an der Berufsschule bzw. hinsichtlich der LehrabschlussprĂŒfung (LAP) orientiert ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Auswahl von Erzieher_innen im Bereich der Lernbegleitung (Lehrer_innen der benötig-ten Fachgruppen zur Lieferung des fach-spezifischen Supports mit einer entsprechen-den pĂ€dagogischen Expertise im Bereich der Heim- bzw. Internatsbegleitung3).

Aus der Sicht der BerufsschĂŒler_innen ist eine Lernorganisation im Internat dann zielfĂŒh-rend, wenn sie unmittelbar auf den zu erler-nenden Beruf und die damit verbundenen Frage- und Aufgabenstellungen abzielt. All-gemeine, thematisch-ĂŒbergreifende Förder-kure werden als nicht hilfreich empfunden – „... nur Förderkurse sind nur die grundle-genden Kurse ...” (Kand_1, Abs. 31) – fach-spezifische UnterstĂŒtzung dagegen wird sehr gewĂŒnscht.

Eine LernunterstĂŒtzung personeller Natur fĂŒr die Lerninhalte an der Berufsschule – d.h. je-mand von der Firma lernt mit den Lehrlingen – wird von den Befragten nicht angegeben. Von mehreren Befragten wird jedoch auf eine Lernmotivation materieller Natur im Sin-ne eines finanziellen Anreizes hingewiesen: „Also bei uns ist es so in der Firma, ich muss den Heimbeitrag selber bezahlen, das sind die 800 Euro, und wenn ich einen ausge-zeichneten Erfolg habe, kriege ich das vom Chef zurĂŒck” (Kand_1, Abs. 25). Ein ande-rer SchĂŒler wĂŒnscht sich im Betrieb als Ler-

Zeitpunkt der Befragung – d.h. wĂ€hrend der Berufsausbildung –, was eine signifikante Aussage ist. FĂŒr einige Befragte ist offensicht-lich in der Sekundarstufe I die Notwendigkeit des Lernens nicht erkennbar. Eine Kandida-tin gibt als Ursache schlechter Lernleistun-gen in der Sekundarstufe I die ĂŒberzogenen schulischen Erwartungen ihres Vaters an, die zu einem Abbruch der höheren Schule fĂŒhrten. Die hohe Leistungserwartung bzw. der hohe Leistungsdruck habe zu einer Mi-nimierung der vorhandenen Leistungsbereit-schaft gefĂŒhrt. Der Vater wollte, dass „... ich immer besser hĂ€tte sein mĂŒssen, da wollte ich einfach nicht mehr. Und ja, das hat er von Anfang an gemacht” (Kand_3_f, Abs. 56). Die höhere Leistungsbereitschaft in der Berufsschule geht bei sehr vielen Lernenden vermutlich mit dem höheren eigenen Reife-prozess einher.

BezĂŒglich der Lernorte wĂŒnschen sich die Auszubildenden die Möglichkeit zum lĂ€rm-freien RĂŒckzug, wo sie auch niemand stört: „Im Computerraum sind meistens die ande-ren, ... die lernen fĂŒr ein anderes Fach und dann hört du das und es ist halt so laut, dass man einfach wenig Ruhe hat” (Kand_2_f, Abs. 64).

Wie oben erwĂ€hnt, sind Erzieher_innen Per-sonen mit erziehungswissenschaftlicher Ausbildung, Berufsschullehrer_innen, aber auch Personen mit basalen pĂ€dagogi-schen Kenntnissen. Von den Auszubilden-den werden Förderkurse vorwiegend durch Fachlehrpersonen als besonders hilfreich empfunden, besonders vor Leistungsfest-stellungen: „Ja es wĂ€re fein, ... wenn du am Donnertag Schularbeit hast, dass man sonst einen Lehrer [Fachlehrperson, Anm.] fragen kann, ... weil ich ... nicht glaube, dass ein Er-zieher in Mathematik oder was ganz hinbe-kommt” (Kand_2_f, Abs. 68). Aus Sicht der HeimschĂŒler_innen sind auch bei der fach-lichen UnterstĂŒtzung – im Sinne einer Berufs-

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3 Von Erziehung kann beim Profil eines Kurzzeitinternates im klassischen Sinne – wie in der wissenschaftlichen Literatur ĂŒblich – nicht gesprochen werden.

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nender besser wahrgenommen zu werden, mit mehr RĂŒckmeldung und UnterstĂŒtzung: „Mein Arbeitgeber informiert sich meines Wissens nach nicht sehr stark ĂŒber die Leis-tungen [in der Schule, Anm.]” (Kand_5, Abs. 58). Die Autoren sehen besonderen Hand-lungsbedarf in der Kooperation zwischen Schule, Internat und Betrieb.

Die Befragten verweisen darauf, dass bei Zimmerbelegungen verstĂ€rkt darauf RĂŒck-sicht genommen werden sollte, dass SchĂŒ-ler_innen, die denselben Beruf erlernen, sich gemeinsam ein Zimmer teilen. Dies sei hinsichtlich gemeinsamen Lernens Ă€ußerst wĂŒnschenswert und lernmotivierend, so die SchĂŒler_innen. Hervorgehoben wird auch, dass eine gute Zimmergemeinschaft zu ei-ner erhöhten Lernbereitschaft fĂŒhre. „Also ich lerne auf jeden Fall mit meinen Kollegen zusammen, dadurch dass ich in meinem Zimmer, wir sind zu viert im Zimmer und zwei außer mir sind noch in meiner Klasse und das trifft sich halt gut, dass man da zusammen lernt” (Kand_4, Abs. 60). Befinden sich je-doch SchĂŒler_innen mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund in einem Zimmer, so sei dies aufgrund unterschiedlicher Fra-ge- und Aufgabenstellungen fĂŒr das ge-meinsame Lernen nicht zielfĂŒhrend. Es werden daher auch Lernstörungen durch Zimmerkolleg_innen, die kaum Einsicht fĂŒr die Notwendigkeit des Lernens zeigen, an-gefĂŒhrt.

Eine LernunterstĂŒtzung im Sinne eines Men-torings (SchĂŒler_innen helfen SchĂŒlern_in-nen) findet derzeit im Internat nur fallweise und selten auf Initiative von SchĂŒler_innen (vornehmlich jenen der Abschlussklassen) statt. Ein zu entwickelndes bedarfsorientier-tes Mentoring-System könnte in die beste-hende Lernorganisation und -kultur ohne grĂ¶ĂŸere Schwierigkeiten integriert werden, sofern die BerufsschĂŒler_innen an der Pla-nung und Umsetzung Interesse zeigen. Voraussetzung ist die Einbeziehung der BerufsschĂŒler_innen im Sinne einer Partizipa-

tionsmaßnahme bei der Entwicklung dieses Angebots. Den begleitenden PĂ€dagog_in-nen muss es gelingen, den Nutzen fĂŒr alle Beteiligten sichtbar zu machen. Genannt seien hier nur die AusprĂ€gung einer TeamfĂ€-higkeit, aber auch das Festigen und Erwei-tern der Wissenskompetenz aller Beteiligten.

In der tĂ€glichen Lernstunde haben die Be-rufsschĂŒler_innen die Möglichkeit individu-elle fachliche UnterstĂŒtzung bei den Erzie-her_innen (Fachlehrer_innen) abzuholen. Einige der Befragten empfinden die Pflicht-lernstunde als lernförderlich, da aus ihrer Sicht gelernt werde, was zu lernen sei. (Die Pflichtlernstunde wurde wĂ€hrend des Unter-suchungszeitraums auf eine freiwillige Lern- bzw. Fragestunde umgestellt.) In der Lern-stunde im Zimmer, so die Befragten, wĂŒrde hingegen anderen Dingen nachgegangen, bis ein_e Erzieher_in zur Kontrolle komme. Kand_3_f kritisiert, dass in der Studierstunde nicht ĂŒber fachliche Themen diskutiert wer-den dĂŒrfe. Gefordert wird eine gegenseitige UnterstĂŒtzung durch Peers. Kand_3_f bevor-zugt wiederum eine offizielle Studierstunde, wĂŒnscht einen organisierten Zusatzlernort und zusĂ€tzliche fachspezifische Lernzei-ten „
 dass man eine Stunde im Speise-saal macht mit einer Zusatzstudierstunde” (Kand_2_f, Abs. 66), wenn mehr zu tun sei, da im Zimmer der LĂ€rm und damit die Ablen-kung das Lernen erschweren.

Fazit

In dieser Pilotstudie konnten aus organisa-torischen GrĂŒnden BerufsschĂŒler_innen aus nur einem Berufsschulinternat befragt und deren Aussagen analysiert werden. Den Au-toren ging und geht es bei der Erforschung der PĂ€dagogik im Kurzzeitinternat darum, scheinbar klare VerhĂ€ltnisse auf ihre varia-blen ZusammenhĂ€nge hin zu untersuchen und transparent zu machen sowie unwĂ€g-bare BegleitumstĂ€nde aufzuspĂŒren und zu ergrĂŒnden, worauf erzieherischer und lern-unterstĂŒtzender Einfluss beruht.

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Gelingensfaktoren mögen sein:

1. ein individualisiertes Angebot an lern-begleitenden und lernunterstĂŒtzenden Maßnahmen – auch im Sinne einer kom-pensatorischen PĂ€dagogik

2. eine intensive Kooperation der Akteur_in-nen der drei Lernorte: Berufsschulinter-nat, Berufsschule und Lehrbetrieb, selbst-verstĂ€ndlich unter BerĂŒcksichtigung der rechtlichen Bestimmungen (Datenschutz-grundverordnung)

3. Beiziehung externer Expert_innen hinsicht-lich einer psychologischen und pÀda-gogischen Begleitung (Stichwort: Lern-coaching), sofern ein Bedarf festgestellt wurde.

Die Grenzen der LeistungsfĂ€higkeit und Nachhaltigkeit von Berufsschulinternaten als pĂ€dagogische Einrichtungen sind dem eingeschrĂ€nkten zeitlichen Rahmen ge-schuldet. Empirische Forschungsergebnis-se zu Internatswirklichkeiten, bezogen auf eine kurzfristige InternatsunterstĂŒtzung und -begleitung, sind den Autoren nicht be-kannt. „Fast selbstverstĂ€ndlich war und ist es wahrscheinlich noch, die Resultate von Heimerziehung vorwiegend mit Negativem zu verbinden” (Freigang, 2003, S. 38). Bei die-ser Betrachtungsweise geraten die eher so-zialstrukturellen Ursachen der Probleme der in (Teilzeit-)Internaten untergebrachten Ju-gendlichen aus dem Blickfeld.

Forschungsergebnisse zur InternatspĂ€da-gogik weisen darauf hin, dass die Grenzen der klassischen InternatspĂ€dagogik im Kurz-zeitinternat relativ rasch sichtbar werden und dementsprechend das Kurzzeitinternat in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtung rĂŒcken sollte.

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Johann Lehrer, JĂŒrgen Bauer, GĂŒnter Wohlmuth

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112| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Praktische Intelligenz – praktisch und intelligent: Geht das ĂŒberhaupt?Begabungs- und Begabtenförderung in der dualen Ausbildung als Merkmal der Professionalisierung

Ramona Uhl

Der Mangel an Lehrlingen und in Folge das Fehlen von qualifizierten FachkrĂ€ften vermindern die hohe WettbewerbsfĂ€higkeit unserer Wirtschaft. Die Onlineausgabe der Zeitung „Die Presse” weist am 31.08.2018 darauf hin, dass nach SchĂ€tzung der Wirtschaftskammer in Österreich derzeit 162 000 FachkrĂ€fte fehlen.Die begabten Auszubildenden zu fokussieren, deren Potenziale zu entdecken, zu fördern und weiterzuentwickeln sind eine wichtige Aufgabe der BerufspĂ€dagogik. Begabungs- und Begabten-förderung aus dem Blickwinkel der „praktischen Intelligenz” als Commitment aller Akteure und Akteurinnen im dualen System sind ein Professionalisierungsmerkmal in der dualen Ausbildung. In weiterer Folge kann dies zu einer Reduktion des Mangels an Facharbeitern und Facharbeite-rinnen fĂŒhren.

Einleitung

Um in der heutigen global vernetzten und digitalisierten Gesellschaft erfolgreich sein zu können, ist es mehr denn je notwendig ĂŒber FĂ€higkeiten, Kompetenzen und Fertig-keiten zu verfĂŒgen, die ĂŒber das Fachwissen hinausgehen. Der Begriff der Professionali-sierung wird fĂŒr diese FĂ€higkeiten oftmals inflationĂ€r und oberflĂ€chlich im Sinne von erstrebenswerten Handlungsweisen im Be-rufsalltag verwendet. Nach Berner (2016) steht dieser Begriff fĂŒr hochstehendes Han-deln und Verhalten, besonders in Krisen- oder Konfliktsituationen.

Hochstehendes Handeln schließt das Ein-gehen auf die DiversitĂ€t, die Förderung der IndividualitĂ€t und das Erkennen sowie die Bezug- und Einflussnahme im Hinblick auf unterschiedliche Begabungen sowohl in der Alltagsgesellschaft als auch im berufspĂ€da-gogischen Bereich ein. Im nationalen und internationalen Vergleich ist die Thematik fĂŒr die Lehre wenig erforscht. Um die hohe WettbewerbsfĂ€higkeit unserer Wirtschaft weiter zu erhalten, bedarf es eines bega-bungs- und begabtenfördernden Systems in der dualen Ausbildung.

Professionalisierung in der Berufsbildung

Ein kurzer geschichtlicher RĂŒckblick zeigt die Pfeiler, auf denen die aktuelle Professio-nalisierungsdebatte in der Berufsbildung ba-siert. Als Reaktion auf die AufklĂ€rungspĂ€da-gogik, in der eine ausschließliche „Bildung zur Brauchbarkeit” herrschte, stellte sich am Anfang des 19. Jahrhunderts ein neuhuma-nistisches Bildungsideal ein (Gruber, 2004, S. 157).

Die humanistischen Bildungsinhalte der Antike – Latein, Griechisch und das Wissen ĂŒber die antiken Philosophen – sind Inhal-te der Allgemeinbildung, ĂŒber welche die Menschenbildung ausschließlich ermöglicht wird und nach deren Absolvierung die Be-rufsbildung erfolgt. Die Gleichzeitigkeit von Allgemein- und Berufsbildung gilt nach der Ausschließungsthese als „unsauber” und wird daher abgelehnt. Dieser Standpunkt stellt die Allgemeinbildung ĂŒber die Berufs-bildung, welche als Vorbereitung eines Indi-viduums auf die Arbeitswelt gesehen und nicht im Sinne der Menschenbildung be-trachtet wird. Die Systeme der beruflichen Bildung definieren sich traditionell ĂŒber Fachlichkeit und Fachwissen (Uhl, 2017).

PRAKTISCHE INTELLIGENZ – PRAKTISCH UND INTELLIGENT: GEHT DAS ÜBERHAUPT?BEGABUNGS- UND BEGABTENFÖRDERUNG IN DER DUALEN AUSBILDUNG ALS MERKMAL DER PROFESSIONALISIERUNGRamona Uhl

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Als Antwort auf diese Sichtweise dreht die klassische Berufsbildungstheorie das VerhĂ€lt-nis von Allgemein- und Berufsbildung um, streicht die gegenseitigen VerschrĂ€nkungen heraus und weist nach, dass ĂŒber die Berufs-bildung Allgemeinbildung entsteht. Der bil-dende Wert von Arbeit und Beruf wird her-vorgehoben. Der BegrĂŒnder der klassischen Berufsbildungstheorie Georg Kerschenstei-ner hat mit der Aussage „Berufsbildung steht an der Pforte zur Menschenbildung” einen integrierten Ansatz von Berufs- und Allge-meinbildung statuiert (Spranger, 1931, S. 192). Eduard Spranger, dessen kulturphilosophi-scher Denkansatz in dem Dreistadiengesetz von der grundlegenden Bildung ĂŒber die Be-rufsbildung zur Allgemeinbildung dargestellt ist, stellt fest: „Der Weg zu der höheren All-gemeinbildung fĂŒhrt ĂŒber den Beruf und nur ĂŒber den Beruf.” (Spranger, 1923, zitiert nach Knoll, 1965, S. 17–18). Diese Theorien wurden bereits im Jahr 1923 kritisch infrage gestellt mit der Argumentation, dass sich die Pforte zur höheren Allgemeinbildung nur fĂŒr einige öffnet. Der Widerstand der Eliten gegen eine gemeinsame Organisation der Allgemein- und Berufsbildung war groß, denn diese wur-de aufgrund der mangelhaften Resultate in der Lehrlingsausbildung als Halbbildung betrachtet. ReformpĂ€dagog_innen und die kritischen Berufsbildungstheorien in der Zeit von 1960 bis 1970 hinterfragen ebenfalls die Theorien von Kerschensteiner und Spranger kritisch, wobei sich hier der Kreis mit Litt und Blankertz schließt, die die Meinung vertreten, dass Allgemeinbildung immer nur im Kontext von Berufsbildung stattfindet. Der deutsche Ausschuss fĂŒr Erziehungs- und Bildungswesen (1966) und der deutsche Bildungsrat (1970) betonen, dass allgemeine und berufliche oder theoretische und praktische Bildung nicht isoliert betrachtet werden können (BĂŒchter, 2017, S. 35–36).

Der strukturtheoretische Ansatz von Oever-mann (1996) entspricht den AnsÀtzen von Kerschensteiner und Spranger, nÀmlich dass Allgemein- und Berufsbildung im Sinne der

ProfessionalitĂ€t im pĂ€dagogischen Kontext nicht getrennt betrachtet werden können. Unter ProfessionalitĂ€t im pĂ€dagogischen Kontext wird nach Oevermann das pĂ€da-gogische Handeln als weiterfĂŒhrende Erzie-hung und Bildung außerhalb der Familie und Verwandtschaft bezeichnet. Dabei ist die Vermittlung von Wissen, Technik und Traditi-on ein wichtiger Bereich (Uhl, 2017, S. 45–47). Ziel der Sozialisation ist es, die jugendliche Person als ganzen Menschen auszubilden. Dabei muss berĂŒcksichtigt werden, dass sowohl Familie, pĂ€dagogische Berufsausbil-dung und – im Falle der dualen Ausbildung – zusĂ€tzlich auch die betriebliche Ausbildung unterschiedlich gewertet werden und auch anders ablaufen, jedoch alle im gesamten Kontext erzieherisch wirken (Oevermann, 1996, S. 145). Nach Schelten (2005, S. 128) wird durch eine moderne Theorie der Be-rufsbildung der Unterschied zwischen Allge-meinbildung und Berufsbildung immer mehr aufgelöst, er sieht in der Verallgemeinerung der Berufsbildung sogar eine Integration von Berufsbildung und Allgemeinbildung. Die sich zwischen beiden entwickelnde Gleich-wertigkeit wird auch in der Zuordnung der acht Niveaustufen von Allgemeinbildung und Berufsbildung im Nationalen Qualifika-tionsrahmen (NQR) ab 2018 deutlich. Die BefĂ€higungen in der Berufsbildung stehen als eigene ausgewiesene Qualifizierungslinie gleichwertig neben den Niveaustufen der Allgemeinbildung und zeigen die Indikato-ren der Zuordnung zur jeweiligen Niveaustu-fe (Uhl, 2017, S. 47).

Begabungs- und Begabtenförderung

Begabung ist nach Stamm (2013, S. 34) ein sogenannter „Trendbegriff” und kein prĂ€-ziser verwendbarer Terminus. Konsens be-steht darin, dass der Begriff „Begabung” den Menschen holistisch in seinen Leistungsbe-reichen erfasst und Begabung als solche durch aktive Lern- und Entwicklungspro-zesse im Konnex von Person und Umwelt gefördert und entwickelt werden kann. Be-

PRAKTISCHE INTELLIGENZ – PRAKTISCH UND INTELLIGENT: GEHT DAS ÜBERHAUPT?BEGABUNGS- UND BEGABTENFÖRDERUNG IN DER DUALEN AUSBILDUNG ALS MERKMAL DER PROFESSIONALISIERUNG

Ramona Uhl

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gabungsfördernde Lehr- und Lernarrange-ments fokussieren die Fragen „Was sind die konkreten Ziele, die mit den Fördermaßnah-men erreicht werden sollen?” sowie „Wie nachhaltig sind die tatsĂ€chlich durchge-fĂŒhrten Maßnahmen?”. Die Maßnahmen zur Begabtenförderung sollen in einem theore-tischen Modell fundiert sein und auch die Besonderheiten der Zielgruppe berĂŒcksich-tigen. Maßnahmen zur Förderung der Be-gabungen sind auf die besonderen StĂ€rken mit dem Fokus, die vorhandenen Potenzia-le auszuschöpfen, ausgerichtet. Dies dient auch der Weiterentwicklung der Persönlich-keit (Stumpf, 2012, S. 88–90).

Laut Studien von Stamm (2009; 2012; 2018) zu Begabungs- und Leistungsexzellenz in der Berufsbildung könnte

... die Heranbildung von FachkrĂ€ften mit klugem Kopf und goldenen HĂ€nden ein guter NĂ€hrboden werden fĂŒr die Siche-rung der beruflichen QualitĂ€t im interna-tionalen Vergleich und damit zu einem wichtigen Entwicklungsfaktor des 21. Jahrhunderts. Erstes Ziel muss allerdings nicht nur die Steigerung der Leistungsex-zellenz sein, sondern ebenso die Unter-stĂŒtzung der Potenzialentfaltung und die Entfaltung der Sozialkompetenz” (Stamm, 2007, S. 272).

Wie unterscheiden sich beruflich ĂŒberdurch-schnittlich begabte von beruflich durch-schnittlich begabten Lehrlingen? Stamm (2013, S. 32) spricht vom „blinden Fleck” der beruflichen Grundbildung. In ihren LĂ€ngs-schnittstudien (2009; 2012) stellt Stamm fest, dass ĂŒberdurchschnittlich Begabte in der dualen Ausbildung eine soziale Tatsache sind (ca. 8% eines Jahrganges), ca. 20% in der vorhergehenden Schule als Minderleis-ter und Minderleisterinnen galten und ĂŒber Persönlichkeitsmerkmale wie Motivation und Stressresilienz verfĂŒgen. Umweltfaktoren wie gutes Betriebsklima sowie ein förderliches, anregendes und herausforderndes Umfeld

sind weitere wichtige Indikatoren. Die be-sondere Anerkennung durch den Ausbild-ner und durch die Ausbildnerin verstÀrkt die LeistungsfÀhigkeit.

Praktische Intelligenz

Sternberg (1985; 2001) erweitert den Begriff der Intelligenz, indem er zwischen analyti-scher, kreativer und praktischer unterschei-det. Gardner (2008) differenziert in seinem Modell der „multiplen Intelligenzen” acht unabhĂ€ngige Dimensionen der Intelligenz. WĂ€hrend Gardners Ansatz in der Wissen-schaft kritisch gesehen wird, finden PĂ€dago-gen und PĂ€dagoginnen dieses Konzept sehr praktikabel und verwenden es im Bereich der Begabtenförderung (Rohrmann & Rohr-mann, 2005, S. 32–34).

Holistische Potenzialentfaltung in der dualen Ausbildung ist deutlich auf den Bereich der „praktischen Intelligenz” fokussiert. „Prakti-sche Intelligenz besteht zum großen Teil aus handlungsorientiertem, implizitem Wissen. Dieses implizite Wissen wird weitgehend in der alltĂ€glichen LebensbewĂ€ltigung erwor-ben und nicht in der Schule. Es ist proze-durales Wissen (Wissen, wie) und nicht de-klaratives Wissen (Wissen, was)” (Sternberg, Wagner, Williams & Horvarth, 1993, zitiert nach Woolfolk, 2008, S. 146).

Stamm (2013, S. 33–34) versteht unter „prak-tischer Intelligenz” die FĂ€higkeit erfolgreich oder nicht erfolgreich komplexe Probleme in natĂŒrlichen bzw. Alltagssituationen zu be-wĂ€ltigen und intuitiv Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dieses Wissen wird nicht di-rekt oder verbal gelehrt und ist außerhalb von systematischen Anweisungen. Nach Stamm zeigen Untersuchungen zu Situatio-nen in Arbeitskontexten, dass zwischen dem impliziten Wissen und dem bereichsspezi-fischen Wissen positive Korrelation besteht und Wechselbeziehung zwischen tradierten Intelligenztestungen und implizitem Wissen negativ ist (2007, S. 42-44).

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|115 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Das duale System in Österreich

GemĂ€ĂŸ Stand 31.12.2017 waren in Öster-reich 106 613 Lehrlinge in 28 204 Ausbil-dungsbetrieben und 203 Lehrberufen in Ausbildung. Oberösterreich gilt mit 22 779 Lehrlingen als Lehrlingsland Nr. 1 in Öster-reich und die Wirtschaftskammer Oberöster-reich fördert das duale System mit gezielten und nachhaltigen UnterstĂŒtzungsmaßnah-men sowohl auf der Seite der Ausbildungs-betriebe als auch aufseiten der Lehrlinge (Wirtschaftskammer Österreich, 2018).

SkillsAustria, EuroSkills und WorldSkills – Erfolgsgeschichten der dualen Ausbildung

FĂŒr sehr begabte Lehrlinge besteht die Mög-lichkeit ihre FĂ€higkeiten und Fertigkeiten bei nationalen und internationalen Wettbewer-ben zu prĂ€sentieren und unter Beweis zu stellen.

Zur Qualifikation fĂŒr WorldSkills und Euroskills werden von SkillsAustria, dem nationalen Se-kretariat innerhalb der Organisation der Wirt-schaftskammer, die österreichischen Staats-meisterschaften koordiniert. Coaching und die Entsendung des österreichischen Teams zu den internationalen Wettbewerben so-wie Öffentlichkeitsarbeit fallen ebenfalls in den Aufgabenbereich von SkillsAustria.

Die Wirtschaftskammer Österreich entsen-det seit 1961 regelmĂ€ĂŸig Teilnehmer und Teil-nehmerinnen zu Berufsweltmeisterschaften. Das Team Austria war mehrmals weltweit beste Nation (Lyon 1995; St. Gallen 1997; Montreal 1999) bzw. unter den Top 3 (Seoul 2001; St. Gallen 2003; Leipzig 2013). Von 1961 bis 2016 kann die Bilanz von 551 Teilnehmern und Teilnehmerinnen in 529 Team-Bewerben und insgesamt 206 Medaillen und 192 Leis-tungsdiplomen „Medallion for Excellence” gezogen werden. Im Oktober 2017 war Abu Dhabi Mittelpunkt der 44. WorldSkills Berufs-weltmeisterschaften. Im Wettbewerb, an

dem 1200 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in 51 Berufen aus 77 WorldSkills Nationen teilnahmen, konnte das Team Austria insge-samt 11 Medaillen und 16 Leistungsdiplome erkĂ€mpfen. Von den elf Medaillen glĂ€nzen vier in Gold, drei in Silber und vier in Bronze. Wie bei den WorldSkills sind die Ergebnisse bei den EuroSkills sehr beachtlich. Nach fĂŒnf Teilnahmen wurde das Team Austria mit ins-gesamt 154 Teilnehmern und Teilnehmerin-nen mehrmals beste Nation Europas (Spa-Francorchamps 2012; Lille 2014; Göteborg 2016) und erreichte insgesamt 90 Medaillen (75 in Einzel- und 15 in Teambewerben) und zusĂ€tzlich 24 „Medallion for Excellence" Leis-tungsdiplome (Wirtschaftskammer Öster-reich, 2018).

Nationale und internationale Wettbewer-be bieten die Möglichkeit Exzellenz zu zei-gen, sind jedoch nicht die einzige Möglich-keit der Begabtenförderung, denn um in solchen Wettbewerben erfolgreich zu sein und bestehen zu können, braucht es mehr als nur Begabung im jeweiligen beruflichen Ausbildungsfeld. Im Modell der Erfolgsintel-ligenz nach Sternberg (1997) werden die Persönlichkeitsmerkmale dargestellt, die we-sentlich sind, um erfolgreich sein zu können. Eine sinnvolle und wirksame Begabtenförde-rung im dualen Ausbildungssystem hat auch das Modell der Erfolgsintelligenz nach Stern-berg (2001) zu beachten und entsprechend zu berĂŒcksichtigen.

Begabungs- und Begabtenförderung im dualen System im Institut Berufs-pĂ€dagogik an der PH OÖ

DiversitĂ€t, Förderung der IndividualitĂ€t und Erkennen, Fördern und Weiterentwickeln un-terschiedlicher Begabungen sind nicht nur in der Alltagsgesellschaft, sondern auch im berufspĂ€dagogischen Bereich, insbesonde-re in der dualen Ausbildung, eine Notwen-digkeit, um die „besten Köpfe des Landes” zu fördern und einen Braindrain, also ein Ab-wandern der hochqualifizierten ArbeitskrĂ€f-

PRAKTISCHE INTELLIGENZ – PRAKTISCH UND INTELLIGENT: GEHT DAS ÜBERHAUPT?BEGABUNGS- UND BEGABTENFÖRDERUNG IN DER DUALEN AUSBILDUNG ALS MERKMAL DER PROFESSIONALISIERUNG

Ramona Uhl

116| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

te ins Ausland, zu verhindern. Die hohe Wett-bewerbsfÀhigkeit unserer Wirtschaft und die internationale Anerkennung unserer dualen Ausbildung basiert auf einem begabungs- und begabtenfördernden System in der du-alen Ausbildung, auch auf tertiÀrer Ebene.

An der PĂ€dagogischen Hochschule Ober-österreich im Institut BerufspĂ€dagogik wer-den dazu seit 2011 innovative Maßnahmen und Angebote gesetzt. Die Verankerung des Themas im Curriculum LehrerInnenbildung NEU (2017), das Angebot von Wahlpflicht-fĂ€chern, Fort- und Weiterbildungen und die mehrmalige DurchfĂŒhrung eines europa-weit einzigartigen Lehrgangs im Ausmaß von 15 EC LehrgĂ€ngen, basierend auf dem Rahmencurriculum zur Begabungs- und Be-gabtenförderung des Bundesministeriums fĂŒr Bildung, Wissenschaft und Forschung, spiegelt sich in Lehr- und Lernsettings als Good Practice-Beispiel in enger Kooperati-on mit nationalen und internationalen Part-nern. Diese AktivitĂ€ten und Maßnahmen bewirken eine große Expertise im Institut und fĂŒhren zu nationaler und internationaler An-erkennung. Die kooperative und synerge-tische Auseinandersetzung und Förderung von Begabungen von unterschiedlichen Blickwinkeln zieht eine VerĂ€nderung von Haltungen und Einstellungen nach sich. Die-se VerĂ€nderung soll bei der Förderung der Zielgruppen, bei den Lehrlingen, wirksam werden.

Zukunftsperspektiven

Die gesellschaftlichen Entwicklungen zei-gen, dass im Bereich der dualen Ausbildung die Bereiche DiversitÀt, IndividualitÀt und Erkennen, Entwickeln und Weiterentwickeln der unterschiedlichen Begabungen noch stÀrker intensiviert werden können. Dazu be-darf es des intensiven Austauschs von nati-onalen und internationalen Kooperations-partnern des Institutes BerufspÀdagogik an der PÀdagogischen Hochschule Oberöster-reich, an den Berufsschulen und in den Be-

trieben, um die Talente der Auszubildenden vermehrt zu fördern.

Das derzeitige Forschungsanliegen der Autorin ist es in Zusammenarbeit mit Ulrike Kempter ein Beobachtungstool – ausge-hend vom jeweiligen Berufsfeld – zum Er-kennen von besonderen Begabungen im Bereich der Auszubildenden zu entwickeln und zu evaluieren. Das Tool basiert auf den kognitiven, kreativen, praktischen sowie per-sönlichkeitsbezogenen FĂ€higkeiten der Pro-banden und Probandinnen und ist derzeit in der Test- und Evaluierungsphase.

Um die WettbewerbsfĂ€higkeit unserer Wirt-schaft zu erhalten, ist es notwendig ein be-gabungs- und begabtenförderndes System in der dualen Ausbildung zu forcieren. Die Wirtschaft kann es sich nicht leisten auf die Talente und die besonderen Begabungen zu verzichten. Die immer wieder diskutierte „Akademisierung der Gesellschaft” wurde bereits 2014 von Margit Stamm (Feller, 2014) bei einem Vortrag auf der Didacta in Basel diskutiert. Dieser Akademisierung können viele junge begabte Menschen nicht ent-sprechen. Außerdem wertet die Akademi-sierung auch die „praktische Intelligenz” ab. Den jungen begabten Menschen als Individuum in einer begabungsfördern-den Umgebung mit begabungsfördernden Maßnahmen – unabhĂ€ngig von der Bega-bungsrichtung – in den Mittelpunkt zu stellen ist eine wesentliche Aufgabe einer jeden Gesellschaft.

PRAKTISCHE INTELLIGENZ – PRAKTISCH UND INTELLIGENT: GEHT DAS ÜBERHAUPT?BEGABUNGS- UND BEGABTENFÖRDERUNG IN DER DUALEN AUSBILDUNG ALS MERKMAL DER PROFESSIONALISIERUNGRamona Uhl

Literatur

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PRAKTISCHE INTELLIGENZ – PRAKTISCH UND INTELLIGENT: GEHT DAS ÜBERHAUPT?BEGABUNGS- UND BEGABTENFÖRDERUNG IN DER DUALEN AUSBILDUNG ALS MERKMAL DER PROFESSIONALISIERUNG

Ramona Uhl

118| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Das Projekt Talente-Check Salzburg – Kostenlose Bildungs- und Berufsberatung fĂŒr die 7. und 8. SchulstufeGabriele Tischler, Fred Kellner-Steinmetz, Lukas Mang

Bildungs- und Berufsberatung in hoher QualitĂ€t soll allen SchĂŒler_innen eines Jahrgangs im Bundesland Salzburg zugĂ€nglich gemacht werden. Welche Problemstellungen und Herausfor-derungen mit einem Projekt einhergehen, das dieses Ziel verfolgt, soll im vorliegenden Beitrag praxisnah diskutiert werden.

Einleitung

Durch die rasche VerĂ€nderung der gesell-schaftlichen Rahmenbedingungen besteht ein steigender Bedarf an professioneller Be-ratung fĂŒr Menschen in allen Lebenslagen. Neue Bildungsangebote entstehen und er-lauben eine große Anzahl an Möglichkei-ten zur Gestaltung von Bildungswegen. Dies fĂŒhrt einerseits zur Spezialisierung der Aus-bildung (wie etwa die Studienangebote an den Fachhochschulen), erhöht aber gleich-zeitig die Verwirrung hinsichtlich der Ausbil-dungsentscheidung.

Des Weiteren gibt es einen Mangel an Fach-krĂ€ften und ausgebildeten Spezialist_innen. Um die besten Talente ist ein „War for Ta-lents” auf dem Arbeitsmarkt (Werding, 2013) ausgebrochen. Kein_e Jugendliche_r darf ,verloren gehen’, denn alle FĂ€higkeiten wer-den gebraucht. AusbildungsabbrĂŒche sind nicht nur individuelle Probleme, sondern stel-len die Gesellschaft insgesamt vor eine Her-ausforderung.

Die Wirtschaftskammer Salzburg bietet schon seit vielen Jahren ein kostenpflich-tiges Angebot, um die Potentiale von Ju-gendlichen und Erwachsenen zu testen und so möglichen Fehlentscheidungen hinsicht-lich der Aus- und Weiterbildung entgegen-zusteuern. Interessierte können seit ĂŒber 20 Jahren ihre FĂ€higkeiten und Begabungen

mittels psychologischer Testverfahren und in einem anschließenden psychologischen Be-ratungsgesprĂ€ch erforschen.

Aufgrund des positiven Feedbacks, der ge-steigerten Nachfrage und des sich immer stĂ€rker differenzierenden Bildungswesens wurde von der Wirtschaftskammer Salzburg die Initiative ergriffen und ein modernes Test-studio mit dem Ziel einer nahezu flĂ€chen-deckenden Testung aller Jugendlichen des Landes Salzburg errichtet. Um die Testung und Beratung fĂŒr PflichtschĂŒler_innen im Klassenverband kostenlos anbieten zu kön-nen, einigten sich die Wirtschaftskammer Salzburg und das Land Salzburg die opera-tiven Kosten zu je 50% zu tragen. Im Oktober 2015 startete der Talente-Check Salzburg mit der neuen Teststrecke.

Definition Bildungs- und Berufsberatung

Um das Projekt und die damit verbundenen Herausforderungen erlÀutern zu können, soll erst geklÀrt werden, was unter Bildungs- und Berufsberatung zu verstehen ist und wie sich der Talente-Check Salzburg in den Definitio-nen wiederfindet.

Im internationalen Diskurs wird der Begriff „Guidance” hĂ€ufig verwendet, um die beratende Leistung in Zusammenhang mit Bildung und Beruf zu beschreiben. Im deutschsprachigen Raum spricht man oft

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pauschalisierend von „Bildungsberatung”, was der KomplexitĂ€t von Angeboten in diesem Bereich nicht gerecht wird. HĂ€rtel und Krötzl (2008, S. 3) schlagen die etwas ,sperrige’, aber treffendere Bezeichnung „Infor mation, Beratung und Orientierung fĂŒr Bildung und Beruf (IBOBB)” vor. Treffen-der deshalb, weil konkreter aufgezeigt wird, worin die Beratungsleistung besteht, und die AbkĂŒrzung auch darauf hinweist, dass „Guidance” nicht ausschließlich auf Bera-tung zu reduzieren ist. Übertragen auf die Angebote des Talente-Check Salzburg kann die Bezeichnung IBOBB wie folgt interpre-tiert werden:

Informationen ĂŒber Persönlichkeitseigen-schaften, Interessen, FĂ€higkeiten und Po-tentiale, ĂŒber die Bildungs- und Berufs-landschaft, den Arbeitsmarkt und mögliche Karrierewege werden im Rahmen eines BeratungsgesprĂ€ches, basierend auf objek-tiven Testergebnissen und auf dem Wissen der Berater_innen, vermittelt und dienen als Orientierung fĂŒr eine Bildungs- und Berufs-wahlentscheidung.

Das Angebot des Talente-Check Salzburg ist zum einen eine zielgerichtete individualisier-te Information, Beratung und Orientierung fĂŒr Bildung und Beruf (IBOBB), zum anderen aber auch nur eine punktuelle Maßnahme. Bolder (1984) betont, dass keine Entschei-dung, die ein Individuum trifft, auf nur einem oder wenigen Faktoren beruht. Vielmehr ist es die spezifische Konfiguration aller Para-meter der Individuen, die darĂŒber entschei-den, wie EntschlĂŒsse getroffen werden. Die Bildungs- und Berufswahlentscheidung ist als multifaktoriell beeinflussbarer Prozess zu sehen, der kontinuierlich begleitet werden sollte, damit milieuspezifische Eigenwelten des Subjekts um weitere Perspektiven ange-reichert werden können. Der Talente-Check soll daher als Baustein innerhalb eines Ent-scheidungsprozesses gesehen werden, der z.B. auch im Rahmen des Berufsorientie-rungsunterrichts weiter begleitet wird.

Ziel des Talente-Check Salzburg

Der Talente-Check Salzburg wurde 2015 er-richtet, um eine kostenlose hochqualifizier-te Bildungsberatung fĂŒr alle Jugendlichen (7./8. Schulstufe) anzubieten. Durch eine de-taillierte Beratung werden Jugendliche und ihre Eltern in der Ausbildungsentscheidung unterstĂŒtzt. „Was man gerne macht, macht man gut” (Prentice Mulford) und was man gut macht, macht man gerne. Wenn die Passung zwischen Talenten und Ausbildungs-anforderungen hoch ist, steigen die Motiva-tion und das SelbstwertgefĂŒhl der Jugend-lichen, zudem wird die Wahrscheinlichkeit fĂŒr AusbildungsabbrĂŒche dadurch reduziert. Die Testung und Beratung ermöglicht den Jugendlichen sich selbst besser kennenzu-lernen (Persönlichkeit, Interessen und Bega-bungen) und mit einem/r Berater/Beraterin realistische Ziele fĂŒr den Ausbildungsweg zu erarbeiten.

Herausforderungen

Bei der Umsetzung des Projektes waren ver-schiedene Problemstellungen und Heraus-forderungen zu meistern.

Wo soll die flÀchendeckende Testung stattfinden?

Bei der Schaffung von RĂ€umlichkeiten, die der Absolvierung von standardisierten Test-verfahren dienen sollen, ergeben sich ganz spezifische Anforderungen an die Raumge-staltung.

ïżœïżœ Es sollte sichergestellt werden, dass alle SchĂŒler_innen die Tests unter densel-ben Voraussetzungen absolvieren kön-nen (unabhĂ€ngig von Parametern wie etwa der KlassenstĂ€rke). Die theoretische Maximalanzahl an SchĂŒler_innen, die gleichzeitig getestet werden können, ori-entierte sich an der ursprĂŒnglich maximal zulĂ€ssigen KlassengrĂ¶ĂŸe von 36 SchĂŒ-ler_innen. Damit war klar, dass der Raum

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120| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Abbildung 1: Testcocons

Bildquelle: Talente-Check Salzburg

Abbildung 2: Kletterwand

Bildquelle: Talente-Check Salzburg

fĂŒr 36 Testkandidat_innen großzĂŒgig Platz bieten soll. ïżœïżœ Es sollten SchĂŒler_innen den Talente-Check als positives Erlebnis wahrneh-men und ĂŒber die gesamte Testung (Nettotestzeit: 180 Minuten) hinweg mit möglichst hoher Konzentration an den Aufgabenstellungen arbeiten. Im For-schungsfeld der Architekturpsychologie konnte gezeigt werden, dass die Gestal-tung von RĂ€umlichkeiten signifikanten Einfluss auf das Wohlbefinden der darin arbeitenden Personen hat (Rieck, 2011).

Mit dem Umbau eines bestehenden Res-taurants wurde eine 700m2 große Erlebnis-welt – der Talente-Checkpoint – geschaffen. Die Innenarchitektur ist farbenfroh und ju-gendgerecht gestaltet. Mit den Cocons (Ab- bildung 1) wurden Testinseln fĂŒr die Jugend-lichen geschaffen, die den Testbetreuer_in-nen trotzdem genug Überblick gewĂ€hren, um bei Fragen zu Aufgabenstellungen unter- stĂŒtzend eingreifen zu können. Die Chill-Out-Area mit SitzsĂ€cken, die Kletterwand (Abbil-dung 2) sowie interaktive Spiele bieten fĂŒr jede_n die passende PausenbeschĂ€ftigung.

Wie soll ein klassenweiser Talente-Check logistisch ablaufen?

Eine weitere Herausforderung bestand dar-in, den gesamten Prozess möglichst effizient

und unkompliziert fĂŒr SchĂŒler_innen, Eltern und Lehrende zu gestalten. Folgender Ab-lauf wurde nach mehreren Testphasen eta-bliert:

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Problemstellung Lösung

Anmeldungtelefonisch durch LehrkrÀfte

SchĂŒlerregistrierung online an der Schule

Anreise

automatisierte An-gebotslegung von Busunternehmen aus der jeweiligen Region ĂŒber die Website des Talente-Check Salz-burg oder Zusendung von Tagestickets fĂŒr öffentliche Verkehrs-mittel

Instruktion und stan-dardisierte Begleitung am Testtag

geschulte Guides

Testauswertungautomatisiert ĂŒber Verwaltungsplattform

Koordination und Ter-minvereinbarung der BeratungsgesprÀche

ĂŒber Online-Tool möglich

Erstellung der Tester-gebnismappe

teilautomatisiert

Anonymisierung der Testergebnisse

nach sechs Monaten werden alle Tester-gebnisse anonymisiert

|121 Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

Wie soll die Teststrecke gestaltet werden?

Die Kombination der Testverfahren, die eine Messung möglichst vieler bildungs- und be-rufsrelevanter FĂ€higkeiten, Interessen und Persönlichkeitseigenschaften mit möglichst hoher Treffsicherheit in angemessener Test-zeit ermöglichen soll, war anspruchsvoll. Denn außerdem musste gewĂ€hrleistet sein, dass potentiell alle SchĂŒler_innen im Bun-desland das Angebot der klassenweisen Testung auch in Anspruch nehmen können.

Im Detail spielten unter anderem folgende Überlegungen eine Rolle:

ïżœïżœ Wie strukturiert man den Testablauf, wenn bis zu 36 SchĂŒler_innen (maximal zulĂ€s-sige KlassengrĂ¶ĂŸe) die verschiedenen Aufgaben in unterschiedlichem Tempo bewĂ€ltigen?ïżœïżœ Wie kann man die Instruktion möglichst klar und einfach formulieren, sodass alle SchĂŒler_innen des Bundeslandes die Aufgabenstellungen bestmöglich verste-hen?ïżœïżœ Wie kann man die AttraktivitĂ€t der Aufga-ben erhöhen und die Zusammenstellung der Testbatterien (kognitive Tests, Persön-lichkeitstest, Interessenstests, haptische Tests) variieren, sodass die Bearbeitungs-motivation konstant hoch bleibt?ïżœïżœ Wie können Testergebnisse dargestellt werden, sodass das Wesentliche schnell sichtbar, das Ergebnis durch zu starke Ver-einfachung jedoch nicht verfĂ€lscht wird?

Unter diesen PrĂ€missen erfolgte die Zusam-menstellung der Teststrecke basierend auf langjĂ€hrigen Erfahrungen des Psycholog_in-nenenteams der Wirtschaftskammer Salz-burg und in Abstimmung mit dem Landes-schulrat fĂŒr Salzburg. Wie die Erfahrung und die RĂŒckmeldung von SchĂŒler_innen, Eltern und Expert_innen zeigt, wurden die Her-ausforderungen gut bewĂ€ltigt. Der Talente-Check Salzburg hat im In- und im Ausland mehr als nur Interesse geweckt. Einige hoch-

rangige Persönlichkeiten aus Politik und anderen Institutionen haben nach einem Besuch im Talente-Check ganz konkrete Projekte zum Aufbau von Testzentren nach Salzburger Vorbild angestoßen.

Wie und von wem sollen die Test-ergebnisse dargestellt und interpretiert werden?

Eine zusĂ€tzliche Herausforderung stellt die potentielle Missinterpretation von Testergeb-nissen dar. Es ist sehr wichtig, dass geschul-te Psycholog_innen die Beratung ĂŒberneh-men. Denn es geht nicht nur um die Inhalte, sondern auch um eine positive GesprĂ€chs-fĂŒhrung, um die wertschĂ€tzende Vermittlung der Testergebnisse an die Jugendlichen und deren Eltern sowie um eine objektive Ein-schĂ€tzung des Potenzials der SchĂŒlerin bzw. des SchĂŒlers.

Die Information und Beratung im Talente-Check Salzburg stĂŒtzt sich hauptsĂ€chlich auf zwei psychologische Konzepte zur Ent-wicklung der Berufslaufbahn:

Der Matching-Ansatz (Trait & Factor Theorie nach Parsons, 1909)

„Die Theorie des Matching-Ansatzes geht davon aus, dass die Berufswahl ein bewusst-rationaler Vorgang ist, in dem der BerufswĂ€hler versucht, den Beruf zu ergreifen, der am besten zum individu-ellen Persönlichkeitsmuster passt. Die Be-rufswahl ist also lösbar durch die ‚richtige’ Zuordnung, Passung von Persönlichkeits-struktur zur Anforderungsstruktur” (Institut fĂŒr Bildungscoaching, 2018, S. 3).

Gemessen werden FĂ€higkeiten, Werthaltun-gen, Lernbereitschaft sowie soziale Kom-petenz. Voraussetzung ist eine objektive Merkmalsbeschreibung, wie sie durch Tests erhoben werden kann: Handlungsaspek-te, denen der Matching-Ansatz zugrunde liegt, sind beispielsweise Eignungstests, Leis-

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122| Schwerpunktthema BERUFS-BILDUNG

tungstests oder Neigungsanalysen. Im Talen-te-Check werden folgende Testverfahren eingesetzt: MOI1, N292, Motivations-Fragebo-gen, IBF3, WMT4, ibw5-Teststrecke zur Erfassung beruflich relevanter Fertigkeiten, die auch fĂŒr allgemeinbildende und berufsbildende Schulen wichtig sind.

Im BeratungsgesprÀch werden die doku-mentierten Persönlichkeitsstrukturen, Interes-sen, Talente und Fertigkeiten in Bezug zu den durch diverse Schulen und Berufe gestellten Anforderungen gesetzt.

Laufbahn-Entwicklungstheorie (Super, 1953)

Die Laufbahn-Entwicklungstheorie bezieht sich auf den gesamten Lebenslauf und be-tont auch den sozialen Einfluss auf die beruf-liche Entwicklung.

Voraussetzung ist die positive Selbstwert-schĂ€tzung, eine klare und realistische Selbst-einschĂ€tzung sowie die Selbstwirksamkeits-einschĂ€tzung. Dabei werden personale (Intelligenz, Schulbildung, Schulleistung, Be-dĂŒrfnisse, Interessen, Werthaltungen, Selbst-wertgefĂŒhl) und situative Determinanten (familiĂ€re Bedingungen, Ausbildungs- und BeschĂ€ftigungsmöglichkeiten, berufliche TĂ€tigkeitsmerkmale) zur Berufs- und Aus-bildungsentscheidung herangezogen. Die Karriereentwicklung wird als wesentlicher Teil des personalen Selbstkonzepts gesehen (beeinflusst durch physisches und mentales Wachstum, durch Erfahrung, durch Umwelt-bedingungen sowie durch Anregung allge-mein).

Fazit

Der Talente-Check Salzburg ist in der Salzbur-ger Bildungslandschaft gut aufgenommen.

Seit Oktober 2015 wurden fast 14.000 Pflicht-schĂŒler_innen im Klassenverband getestet, dies entspricht in etwa 85% der Zielgruppe pro Jahr und knapp 95% aller Neuen Mittel-schĂŒler_innen. Die Kund_innenzufriedenheit, die im Anschluss an das BeratungsgesprĂ€ch mittels eines Fragebogens erhoben wird, ist mit einem Durchschnittswert von 1,2 (nach Schulnotensystem) ausgesprochen hoch. Fast alle SchĂŒler_innen und Eltern geben nach dem BeratungsgesprĂ€ch an, dass die erhaltenen Informationen nĂŒtzlich waren.

Die ValiditĂ€t und ReliabilitĂ€t der eingesetz-ten Testverfahren wird immer wieder von den bei BeratungsgesprĂ€chen anwesen-den Eltern bestĂ€tigt, die ĂŒberrascht sind, wie treffsicher die Tests das Verhalten, die Eigen-schaften, die Interessen und die StĂ€rken ih-rer Kinder beschreiben.

Das alles zeigt, dass ein sehr großer Bedarf nach IBOBB vorhanden ist und der Talente-Check Salzburg eine wichtige Orientie-rungshilfe darstellt.

Ausblick

Der Talente-Check Salzburg arbeitet weiter am Ziel eine flĂ€chendeckende Testung al-ler PflichtschĂŒler_innen im Alter von 13/14 Jahren zu erreichen und so allen Salzburger Jugendlichen eine kostenlose Testung und Beratung bieten zu können. ZusĂ€tzlich sollen neue Zielgruppen angesprochen werden. Ab Herbst 2018 werden erstmalig Beratungs- und Coachingformate fĂŒr begabte SchĂŒ-ler_innen sowie fĂŒr jene, die nicht ihr volles Leistungspotential abrufen können (Undera-chiever), angeboten. Auch Maturant_innen benötigen nach der Matura oftmals Orien-tierungshilfe, um ihre FĂ€higkeiten besser ein-schĂ€tzen zu können und so den richtigen

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1 Multimethodische Objektive Interessensbatterie2 Neigungstest N293 Intelligenz-Basis-Faktoren4 Wiener Matrizen Test5 Institut fĂŒr Bildungsforschung der Wirtschaft

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Literatur

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DAS PROJEKT TALENTE-CHECK SALZBURG – KOSTENLOSE BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG FÜR DIE 7. UND 8. SCHULSTUFEGabriele Tischler, Fred Kellner-Steinmetz, Lukas Mang

Ausbildungsweg unter dem vielfĂ€ltigen An-gebot an Studienrichtungen, weiterfĂŒhren-den Schulen und Lehrberufen zu finden. Und nicht zuletzt wĂ€chst auch die Zahl der Er-wachsenen, die im Laufe ihres Berufslebens ihre FĂ€higkeiten immer wieder durchleuch-ten möchten. Denn FĂ€higkeiten und Talente kann man sein Leben lang entdecken und fördern.

124| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

Die Reform des österreichischen Schul- und Bildungswesens durch Leo Graf von Thun- Hohenstein – eine schulrechtshistorische Betrachtung (Teil 1) Michael Tockner

Der Autor nimmt eine schulrechtshistorische Betrachtung vor, deren Fokus sich im hier vorliegen-den ersten von zwei Teilen auf die Vorgeschichte und die Rahmenbedingungen der Reformen des Leo Graf von Thun-Hohenstein in der zweiten HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts richtet und der sich im zweiten Teil, welcher in der nĂ€chsten Ausgabe von ph.script folgen wird, mit deren QualitĂ€t und nachhaltigem Hineinwirken in das 21. Jahrhundert beschĂ€ftigt. Ein Blick auf den Vielvölkerstaat und seine Anforderungen an das Schulwesen eröffnet dabei die Möglichkeit zur Einsicht, dass fĂŒr Österreich (unabhĂ€ngig von seiner politischen oder geografischen GrĂ¶ĂŸe) das Fremde immer schon Teil seiner selbst war und dies stets auch im Schul- und Bildungswesen seinen Platz hatte und sei-nen Ausdruck finden konnte und musste. Solcherart findet die schulrechtshistorische Betrachtung mĂŒhelos ihren AnknĂŒpfungspunkt an das aktuelle Schuljahr 2018/19.

DIE REFORM DES ÖSTERREICHISCHEN SCHUL- UND BILDUNGSWESENS DURCH LEO GRAF VON THUN-HOHENSTEIN – EINE SCHULRECHTSHISTORISCHE BETRACHTUNG (TEIL 1) Michael Tockner

2006, S. 139–140). Durch die Pragmatische Sanktion Kaiser Karl VI. vom 19. April 1713 (diese legte neben der kĂŒnftigen Unteilbar-keit der habsburgischen Erbkönigreiche und LĂ€nder auch die Erbfolge neu fest) wurde diese KontinuitĂ€t unter Einbeziehung auch weiblicher Nachkommen gewĂ€hrleitstet. Dies verlief allerdings nicht friktionsfrei und in der Folge bestritten mehrere KurfĂŒrsten die RechtmĂ€ĂŸigkeit der Pragmatischen Sankti-on und damit den Thronfolgeanspruch Ma-ria Theresias bzw. forderten die Abtretung einzelner Gebiete. Dies fĂŒhrte zum Österrei-chischen Erbfolgekrieg, der nach mehreren militĂ€rischen Auseinandersetzungen und ei-nigen Gebietsverlusten schließlich 1748 im Frieden von Aachen, unter grundsĂ€tzlicher Anerkennung der Pragmatischen Sanktion, beigelegt wurde (Brauneder, 1994, S. 85–87).

Mit der Pragmatischen Sanktion wurde das Fundament eines modernen Staates grund-gelegt (Brauneder, 1985, S 141–143). Aus dem durch Personalunion geeinten Kon-glomerat unterschiedlicher Herrschaften entstand eine Realunion mit gemeinsamen In stitutionen. Dies bedingte einen Machtver-lust regionaler AutoritĂ€ten aus Adel und Kir-

Auf dem Weg zu einer Reform des Schul- und Bildungswesens

Begriff und Inhalt von Schule bzw. Schulwe-sen sind fĂŒr den vorliegenden Artikel weit zu fassen, nĂ€mlich als Bildungswesen ĂŒber-haupt, das die (Aus-)Bildung der Lehrer_in-nen und die damit vonseiten des Staates verbundenen Interessen einbezieht und den Blick insoweit notwendig auch auf Hoch-schulen und UniversitĂ€ten richtet. Um zu ver-stehen, warum sich das Bildungswesen wie entwickelt hat, ist auf die historischen und politischen Vorbedingungen einzugehen.

Politisches Klima und Interessenlage des Staates

Die Habsburger zÀhlten vom Mittelalter bis zur Abdankung des letzten österreichisch-ungarischen Kaisers Karl I. am 11. Novem-ber 1918 zu den einflussreichsten Adelsge-schlechtern in Europa. 1273 war mit Rudolf I. der erste Habsburger als König des Heiligen Römischen Reiches gewÀhlt worden. Von 1439 bis 1806 waren nahezu alle deutschen Könige und römisch-deutschen Kaiser An-gehörige des Hauses Habsburg (Neumann,

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DIE REFORM DES ÖSTERREICHISCHEN SCHUL- UND BILDUNGSWESENS DURCH LEO GRAF VON THUN-HOHENSTEIN – EINE SCHULRECHTSHISTORISCHE BETRACHTUNG (TEIL 1)

Michael Tockner

Trivialschulen in sĂ€mmtlichen Kayserlichen Königlichen ErblĂ€ndern” (unterzeichnet am 6. Dezember 1774) die EinfĂŒhrung einer ge-nerellen Schulpflicht. Der Begriff der Schul-pflicht beinhaltet auch sein begriffliches Gegenteil, nĂ€mlich das völlig neue gesetz-liche Recht auf Teilnahme am Unterricht, das sich e contrario aus der Pflicht zur Teil-nahme ergibt. Anzumerken ist, dass es sich heute gem. § 11 Abs. 1 SchPflG um eine Unterrichtspflicht handelt, die auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privat-schule ohne Öffentlichkeitsrecht oder durch die Teilnahme an hĂ€uslichem Unterricht (§ 11 Abs. 3 SchPflG) erfĂŒllt werden kann – dies unter der PrĂ€misse der Gleichwertigkeit mit dem Unterricht an einer öffentlichen Schule. Der Verwaltungsgerichtshof fĂŒhrte dazu grundlegend aus: VwGH 25.04.1974, Zl. 0016/74: „Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass die Gleichwertigkeit des hĂ€uslichen Unterrichts im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Volksschule nicht ge geben ist, wenn gewichtigere GrĂŒnde gegen die Gleichwertigkeit sprechen, als fĂŒr die Gleichwertigkeit.” Dazu mit gleichem Tenor eine aktuellere Entscheidung des Bun-desverwaltungsgerichts: BVwG 13.09.2016, W 2242134353-1.

Im Zuge der allgemeinen Schulpflicht wur-den auf dem Land einklassige Volksschulen fĂŒr die sechs- bis zwölfjĂ€hrigen Kinder einge-richtet. Ein Projekt, das sich schon aus orga-nisatorischen GrĂŒnden (Mangel an Lehrer_innen, Fehlen von geeigneten Schulbauten etc.) in seiner praktischen Umsetzung lange Zeit als schwierig erwies.

Beim Tod von Maria Theresia im Jahre 1780 bestanden aber bereits 500 solcher Trivi-alschulen. Zum Vergleich (zu beachten ist dabei jedoch die deutlich geringere flĂ€-chenmĂ€ĂŸige Ausdehnung Österreichs und die im Gegensatz dazu gestiegene Bevölke-rungszahl): Heute gibt es in Österreich ĂŒber 6.000 Schulen, in denen in ĂŒber 55.000 Klas-sen etwa 1,135 Millionen SchĂŒlerinnen und

che, ein Prozess, der das 18. Jahrhundert ge-prĂ€gt hat. Zentrale Behörden unter direkter Kontrolle und voller finanzieller AbhĂ€ngigkeit des Staates traten an die Stelle selbststĂ€n-dig agierender Regionalregime. Dazu be-nötigte der Staat eine Vielzahl an Beamten. Bildung, im engeren Sinne Schule, sollte die erforderliche Anzahl von Beamten fĂŒr den Staatsdienst verfĂŒgbar machen. Bildung war somit weder Ideal noch Selbstzweck, im Gegenteil wurde in einem Zuviel an Bildung sogar eine Gefahr fĂŒr das Staatswesen ge-sehen (Heindl, 1991).

Maria Theresia und ihre Bildungspolitik

Trotz der Bestrebungen das Bildungswesen weg von kirchlichen Einrichtungen und hin zu einem staatlich kontrollierten Bildungs-wesen umzugestalten, musste auch Maria Theresia auf Kirchenvertreter zurĂŒckgreifen, um ihre Reformideen auf den Weg zu brin-gen. Eine bedeutende Rolle kam dabei dem schlesischen Augustiner-Abt Johann Ignaz Felbiger zu, der von Friedrich II. eigens zu diesem Zweck nach Österreich entsandt worden war. Zwischen 1749 und 1760 wur-de unter der Leitung von Gerard von Swie-ten eine erste Theresianische Schulreform auf den Weg gebracht. Die im Jahre 1760 gegrĂŒndete „Studien- und BĂŒcher-Zensur-Hofkommission” markierte den Beginn einer zentral, durch den Staat, gesteuerten Bil-dungspolitik (Die Welt der Habsburger, 2018). Den Geist der Zeit spiegelt aber der Titel eines Vortrags von Karl Heinrich Seibt wohl bestmöglich wider: „Von dem Einflusse der Erziehung auf die GlĂŒckseligkeit des Staats.” (Goethezeitportal, 2018). Hierzu ist anzumer-ken: Heute formuliert Art 14 Abs. 5a B-VG das Werden von Kindern und Jugendlichen zu u.a. „glĂŒcklichen [
] Menschen” als Ziel schulischen Handelns – eine (Verfassungs-)Bestimmung, die leider weitgehend unbe-kannt und unbeachtet ist.

1774 folgte mit der „Allgemeinen Schulord-nung fĂŒr die deutschen Normal-, Haupt und

126| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

DIE REFORM DES ÖSTERREICHISCHEN SCHUL- UND BILDUNGSWESENS DURCH LEO GRAF VON THUN-HOHENSTEIN – EINE SCHULRECHTSHISTORISCHE BETRACHTUNG (TEIL 1) Michael Tockner

de das Theologiestudium zugunsten prakti-scher FĂ€cher unter staatlicher Leitung neu ausgestaltet. Alle Pfarrer sollten neben den Schulen MustergĂ€rten anlegen und betreu-en und so auch den Bauern neue Anbau- und Bewirtschaftungsmethoden nĂ€herbrin-gen. Die Studienhofkommission leitete unter Joseph II. Gottfried van Swieten (der Sohn Gerard van Swietens). Ihm gelang es mehr-mals Joseph II. von Einsparungsideen im Bil-dungswesen abzubringen, der beispielswei-se zugunsten des Ausbaus der Trivialschulen Einsparungen bei den ohnehin schlecht aufgestellten UniversitĂ€ten vornehmen woll-te. Van Swieten jun. erkannte, dass die Gym-nasialausbildung ebenso wie die – noch in lateinischer Sprache – erfolgende Ausbil-dung an den UniversitĂ€ten unzureichend war. Das Klassenlehrerprinzip entsprach nicht mehr den spezieller werdenden An-forderungen an die Lehrer_innen, wurde aber aus KostengrĂŒnden beibehalten. Unter Franz II./I. und auch wĂ€hrend nahezu der gesamten Regentschaft Ferdinand I. kam es im Bereich des Bildungswesens wieder zu RĂŒckschritten. Der Staat verbot zeitweise ein Studieren im Ausland, ja sogar das blo-ße Reisen ins Ausland wĂ€hrend des Studiums (Studienhofdekret vom 03.08.1829), wachte mit Argusaugen ĂŒber Lehrinhalte an Schu-len sowie an UniversitĂ€ten und verhinderte so eine moderne Lehrer_innenausbildung. Der Staat fĂŒrchtete alles, was an Bildung nicht unbedingt notwendig erschien, ver-bot den Lehrer_innen ein Abweichen nicht nur von den Lehrinhalten, sondern auch von den Texten der LehrbĂŒcher. Der Hofpredi-ger Jakob Frint, dem großer Einfluss auf den kaiserlichen Hof nachgesagt wird, sah als Inhalt des Studiums gar nur alles an, „was die SchĂŒler der Philosophie zu guten Chris-ten und rechtschaffenen BĂŒrgern zu bilden” geeignet sei. (Hinweis des Autors: Original-quelle nach Recherche plausibel, aber nicht zugĂ€nglich. Offenlegung der Fundstel-le: Zitat ĂŒbernommen aus Stachel (1999), dort als Quelle angegeben: Sauer [Wer-ner], Österreichische Philosophie zwischen

SchĂŒler von rund 125.000 Lehrer_innen un-terrichtet werden (Juranek, 2016, S. 1).

Es gelang also nicht unmittelbar alle Kinder zu unterrichten, die Zahl der Analphabet_in-nen blieb weiterhin hoch. In den StĂ€dten richtete man Hauptschulen mit drei Klas-sen ein, Lehrer_innen erhielten ihre Ausbil-dung in den Normalschulen, ein Mehr an Ausbildung war noch nicht vorgesehen. Gleichzeitig wurde das höhere Schulwesen modifiziert und die staatlicherseits forcierte SĂ€kularisierung im Bereich der Hochschu-len vorangetrieben. Hierbei ist besonders auf die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 hinzuweisen – diesem oblag bis dahin die Leitung der UniversitĂ€t Wien. Die medizinische FakultĂ€t der UniversitĂ€t Wien wurde besser ausgestattet und die Universi-tĂ€t um die Neue Aula (heute Sitz der Aka-demie der Wissenschaften) erweitert (Pohl & Vocelka, 1993, S. 303–305). Neben der The-resianischen MilitĂ€rakademie (gegrĂŒndet 1752) und der Akademie der Orientalischen Sprachen (heutige Diplomatische Akade-mie, gegrĂŒndet 1754) stiftete Maria Theresia 1746 die Theresianische Akademie, indem sie das Sommerschloss ihres Vaters, Kaiser Karl VI, die Favorita, zu einer Schule umwid-mete. Das Theresianum wird noch heute als öffentliches Gymnasium mit Internatsbetrieb gefĂŒhrt (Stiftung Theresianische Akademie, 2018).

Joseph II. und die Folgezeit

Auch Joseph II. (1741–1790) hatte in seiner Regierungszeit mit der weiteren Umsetzung der unter Maria Theresia eingeleiteten Re-formen zu kĂ€mpfen. Das Ideal der möglichst effizienten Nutzbarmachung jedes einzel-nen Individuums fĂŒr die Zwecke und zum Nutzen des Staates war noch nicht verwirk-licht. Auch war die Kirche immer noch Hei-mat der bildungspolitischen Elite. Joseph II. versuchte daher die Pfarrer, die im ganzen Land in großer Zahl ihre Pfarren betreuten, als Staatsbeamte zu gewinnen. DafĂŒr wur-

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DIE REFORM DES ÖSTERREICHISCHEN SCHUL- UND BILDUNGSWESENS DURCH LEO GRAF VON THUN-HOHENSTEIN – EINE SCHULRECHTSHISTORISCHE BETRACHTUNG (TEIL 1)

Michael Tockner

Allein dies zu erkennen setzt schon ein ge-wisses Maß an Bildung voraus. Im Vorfeld der Thun-Hohenstein’schen Bildungsreform wur-de im Wesentlichen die Meinung vertreten, dass Bildung nur den Zwecken des Staates zu dienen hat und ein Zuviel an Bildung, insbesondere an musischer Bildung, nicht nur unnĂŒtz, sondern fĂŒr den Staat gefĂ€hr-lich sein kann. Das kontrastiert stark mit den heute vom Verfassungsgesetzgeber formu-lierten AnsprĂŒchen an das Bildungssystem, die, ebenso wie die Maßnahmen der Thun-Hohenstein’schen Reform des Schul- und Bil-dungswesens, in Teil II des Artikels dargestellt werden, der in der nĂ€chsten Ausgabe von PH-Script erscheinen wird.

AufklĂ€rung und Restauration. BeitrĂ€ge zur Geschichte des FrĂŒhkantianismus in der Do-naumonarchie (Rodopi, 1982), S. 304). Der Staat versuchte durch die SchĂŒler_innen die Lehrer_innen und durch diese wieder-um die SchĂŒler_innen zu ĂŒberwachen und so Linientreue sicherzustellen. Letztlich konn-te sich aber auch der absolutistische Staat der Erkenntnis nicht verschließen, dass mit schlecht ausgebildeten Lehrer_innen das fĂŒr die staatliche Administration erforderliche Ausbildungsniveau nicht zu erreichen war, und so wurde 1824 etwa das Lateinische als Unterrichtssprache abgelöst und damit eine ZugangshĂŒrde fĂŒr höhere Bildung abge-baut. Die Einsetzung einer Unterkommission an der Studienhofkommission zur Erarbei-tung von grundlegenden ReformvorschlĂ€-gen erfolgte spĂ€t, nĂ€mlich erst im Jahr 1841, doch auch danach kam es bis zur Revolu-tion 1848 zu keinen weiteren Schritten zur Umsetzung von Reformen im Bildungswesen.

VorlÀufiges Fazit zu Teil I/II

Bildung, wie auch deren Fehlen, steht im-mer im Interesse des Staates, mit Bildung ist ein Staat zu machen. Politik macht Bildung, indem sie ĂŒber Zugang zu und Umfang von Bildungsmaßnahmen entscheidet. Das Ausmaß der Bildung, die den BĂŒrger_innen gewĂ€hrt wird, wirkt in der Folge zurĂŒck auf die Politik, prĂ€gt und gestaltet so wiederum das Recht als Produkt einer demokratischen politischen Willensbildung. Art 1 B-VG for-muliert: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.” Dazu ist in Zeiten des Populismus anzumerken: Es geht also nicht das Recht (schlechthin) vom Volk aus, sondern das Recht der Republik.

Literatur

Brauneder, W. (1985). Die Pragmatische Sanktion – das Grundgesetz der Monarchia Austriaca. In K. Gutkas (Hrsg.), Prinz Eugen und das baro-cke Österreich (S. 85–87; S.141–143). Salzburg: Residenz Verlag.

Brauneder, W. (1994). Die Pragmatische Sanktion als Grundgesetz der Mo-narchia Austriaca von 1713 bis 1918. In W. Brauneder (Hrsg.), Studi-en I: Entwicklung des Öffentlichen Rechts (S. 85–115). Frankfurt: Lang Verlag.

Bundesgesetz ĂŒber die Schulpflicht Schulpflichtgesetz 1985. (SchPflG) BGBl. Nr. 76/1985 idF BGBl. I Nr. 56/2016

Bundes-Verfassungsgesetz. (B-VG) BGBl. Nr. 1/1930 (WV) idF BGBl. I Nr. 22/2018

Die Welt der Habsburger. (2018). Die maria-theresianischen Reformen. Ab-gerufen am 14.02.2018 von http://www.habsburger.net/de/kapitel/die-maria-theresianischen-reformen

Goethezeitportal. (2018). Eine Rede von Karl Heinrich Seibt, Prof. der schö-nen Wissenschaften und der Moral zu Prag zum Eingange seiner Vor-lesungen ĂŒber die Erziehungskunst gehalten. Prag, 1771 im Verlag der Mangoldischen Buchhandlung. Abgerufen am 25.03.2018 von http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/werke/seibt_erziehung.pdf

Heindl, W. (1991). Gehorsame Rebellen. BĂŒrokratie und Beamte in Öster-reich 1789 bis 1848. In E. BruckmĂŒller, K. Poier, G. Schnedl, & E. Schulev-Steindl (Hrsg.), Studien zu Politik und Verwaltung. Bd. 36. Wien: Böhlau.

Juranek, M. (2016). Das österreichische Schulrecht. EinfĂŒhrung in die Praxis. Wien: Verlag Österreich.

Neumann, F. (2006). Schnellkurs Mittelalter. Köln: Dumont.

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Stachel, P. (1999). Das österreichische Bildungssystem zwischen 1749 und 1918. In K. Acham (Hrsg.), Geschichte der österreichischen Human-wissenschaften. Bd. 1, Historischer Kontext, wissenschaftssoziologische Befunde und methodologische Voraussetzungen (S. 115–146). Wien: Passagen Verlag.

Stiftung Theresianische Akademie. (2018). Geschichte des Kuratoriums der Theresianischen Akademie. Abgerufen am 29.01.2018 von http://www.theresianum.ac.at/kuratorium/ueber-uns/geschichte.

128| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

Aus- und Fortbildungsschwerpunkte von österreichischen Grundschullehrer_innen im EU-Vergleich. Ergebnisse zu PIRLS 2016.Juliane Schmich

Dieser Beitrag beschreibt anhand von PIRLS-2016-Daten Ergebnisse zur Aus- und Fortbildung von Grundschullehrer_innen aus österreichischer Perspektive und im Vergleich zum Durchschnitt der 23 EU-LĂ€nder. Zusammenfassend zeigen sich die grĂ¶ĂŸten Unterschiede zwischen Österreich und den verglichenen EU-LĂ€ndern in der Schwerpunktsetzung bei Aus- und Fortbildung in der Leseförderung, in den Theorien des Lesenlernens, in der pĂ€dagogischen Psychologie sowie in der Literatur.

AUS- UND FORTBILDUNGSSCHWERPUNKTE VON ÖSTERREICHISCHEN GRUNDSCHULLEHRER_INNEN IM EU-VERGLEICH. ERGEBNISSE ZU PIRLS 2016.Juliane Schmich

erweisen sich die Lernergebnisse – vermittelt ĂŒber Merkmale der Lehrpersonen und des Unterrichts – als bedeutsam. Als Merkmale von Lehrpersonen können deren Aus- und FortbildungsaktivitĂ€ten angenommen wer-den (worauf sich dieser Artikel beschrĂ€nkt).

Die Ergebnisse von TALIS 2013 (Teaching and Learning International Survey 2013) zeigen, dass die Fortbildung, an der Lehrer_innen teilgenommen haben, aus ihrer Sicht einen mittleren bis starken positiven Effekt auf ihren Unterricht hat (OECD, 2014). DarĂŒber hinaus gibt es in der Literatur breite Zustimmung darĂŒber, dass Lehrer_innen ĂŒber eine solide Beherrschung des Inhalts des zu unterrich-tenden Fachs verfĂŒgen sollten (Tucker, 2011). Es gibt auch immer mehr Belege dafĂŒr, dass die Aus- und Fortbildung von Lehrer_innen ein deutlicher PrĂ€diktor fĂŒr die Leistung von SchĂŒler_innen ist (Darling-Hammond, 2000).

Fragestellung und Methodik

Zeigen sich Unterschiede zwischen österrei-chischen Grundschullehrer_innen und dem Durchschnitt der 23 EU-VergleichslĂ€nder hin-sichtlich der BeschĂ€ftigungsintensitĂ€t in Aus- und Fortbildung mit verschiedenen Themen-bereichen (z.B. Lesedidaktik, Leseförderung u.Ä.m.)?

Der genaue Wortlaut der Frage an die Lehr-krĂ€fte lautet: „Wie intensiv haben Sie sich im

Einleitung

Im Bildungsbereich nehmen Lehrer_innen eine zentrale Rolle ein. Ihre mannigfaltigen Aufgaben sollen mit den aktuellen gesell-schaftlichen Entwicklungen und Herausfor-derungen Schritt halten. Damit gewinnt die Aus- und Fortbildung von Lehrer_innen, die in den vergangenen Jahren einige strukturelle Änderungen wie z.B. die Akademisierung durchlaufen hat, immer mehr an Bedeutung.

Angesichts dessen ist die PIRLS-Studie (Pro-gress in International Reading Literacy Stu-dy) dazu geeignet, die Klassenlehrer_innen der an PIRLS teilnehmenden Klassen zu den Schwerpunkten ihrer Aus- und Fortbildung zu befragen. PIRLS erhebt die Lesekompetenz von SchĂŒler_innen auf der vierten Schulstufe und befragt auch deren Grundschullehrer_innen mittels Fragebogen zu verschiedenen Themenbereichen, darunter auch die Aus- und Fortbildung (Wallner-Paschon & Widau-er, 2017).

Theoretischer Rahmen und bisheriger Forschungsstand

Auf Basis einer empirisch-analytischen Schul-theorie zur Binnenstruktur von Schulen hat sich in den vergangenen Jahren die Schulef-fektivitĂ€tsforschung mit dem Fokus auf Lern-ergebnisse etabliert (Blömeke & Herzig, 2009; Ditton, 2000). FĂŒr die QualitĂ€t einer Schule

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AUS- UND FORTBILDUNGSSCHWERPUNKTE VON ÖSTERREICHISCHEN GRUNDSCHULLEHRER_INNEN IM EU-VERGLEICH. ERGEBNISSE ZU PIRLS 2016.

Juliane Schmich

förderung, sind nach der grĂ¶ĂŸten Differenz zwischen Österreich und dem Durchschnitt der teilnehmenden 23 EU-VergleichslĂ€nder sortiert.

Aus GrĂŒnden der Übersichtlichkeit wird auf eine Darstellung der einzelnen LĂ€nder/Ge-biete in der Grafik verzichtet. Die Ergebnisse auf LĂ€nderebene werden im Text aufgegrif-fen, sofern eine ErwĂ€hnung interessant ge-nug erscheint. Die genauen Zahlen finden sich in Abbildung 2.

57% der österreichischen Grundschulleh-rer_innen berichten ĂŒber eine Schwerpunkt-setzung in Aus- und Fortbildung im Bereich Leseförderung. Der Durchschnitt der 23 EU-VergleichslĂ€nder liegt bei 16%. FĂŒr die Lese-förderung zeigt sich anteilsmĂ€ĂŸig der grĂ¶ĂŸte Unterschied in der Schwerpunktsetzung von allen zehn Themenbereichen zwischen Ös-terreich und den 23 EU VergleichslĂ€ndern (40 Prozentpunkte2). Interessant ist hier, dass in keinem anderen EU-Vergleichsland ein im Durchschnitt höherer Prozentwert erreicht wird. Beispielsweise geben 30% der deut-schen LehrkrĂ€fte an, dass Leseförderung ein Schwerpunkt ist – dies ist nach Österreich die zweithöchste Angabe, gefolgt von ita-lienischen und portugiesischen LehrkrĂ€ften mit je 29%. Die niedrigsten Anteile an Leh-rer_innen mit Schwerpunktsetzung in Bezug auf Leseförderung befinden sich in Slowe-nien (4%) und England (8%). Bei tieferge-hender Analyse stellt sich heraus, dass sich Österreichs Anteil statistisch signifikant von allen anderen 23 EU VergleichslĂ€ndern un-terscheidet (vgl. Abbildung 2).

Die zweitgrĂ¶ĂŸte Differenz zwischen Öster-reich (44%) und dem EU-23-Durchschnitt (28%) (zugunsten Österreichs) zeigt sich bei Theorien des Lesenlernens mit 16 Prozent-punkten. Mit diesem Schwerpunkt liegt Ös-

Rahmen Ihrer Aus- und Fortbildung mit den folgenden Gebieten beschĂ€ftigt?” Zu zehn verschiedenen Themenbereichen (siehe Abbildung) wurde die IntensitĂ€t der Ausei-nandersetzung in drei Stufen (â€žĂŒberhaupt nicht” – „Überblick oder EinfĂŒhrung in das Gebiet” – „war ein Schwerpunkt”) erfasst. Die Antwortkategorien der verwendeten Frage wurden dichotomisiert (Themenge-biet war kein Schwerpunkt in der Aus- und Fortbildung/Themengebiet war ein Schwer-punkt in der Aus und Fortbildung).

Die Berechnungen wurden mit den auf Lehrer_innenebene gewichteten PIRLS-2016-Daten ausgefĂŒhrt. FĂŒr die Vergleiche sind die bei PIRLS 2016 teilnehmenden 231 EU-LĂ€nder bzw. -Gebiete herangezogen worden.

Zu beachten ist, dass es sich bei diesen An-gaben um SelbstauskĂŒnfte und -einschĂ€t-zungen der Lehrer_innen handelt und nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, um eine nach Ă€ußeren Kriterien erfasste und beurteilte Schwerpunktsetzung. Die interna-tional vorgegebene Frageformulierung be-inhaltet auch, dass die IntensitĂ€t hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik sowohl wĂ€hrend der Erstausbil-dung als auch wĂ€hrend der Fortbildung in der Erhebung berĂŒcksichtigt wird.

Ergebnisse

Abbildung 1 zeigt die Anteile an Grund-schullehrer_innen, die angeben, dass das je-weilige Thema ein Schwerpunkt in ihrer Aus- und Fortbildung ist. Die roten Balken stellen die Anteile an Grundschullehrer_innen in Ös-terreich dar, die grauen Balken entsprechen dem Durchschnitt der 23 EU-VergleichslĂ€n-der, die an PIRLS 2016 teilgenommen haben. Die Themenbereiche, beginnend bei Lese-

1 Folgende 23 EU-VergleichslĂ€nder fließen in diesen Durchschnitt ein: Belgien – flĂ€mischer Teil, Belgien – französischer Teil, Bulgarien, DĂ€nemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien – England, Großbritannien – Nordirland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Niederlande, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn.

2 Differenz ergibt sich durch Runden.

130| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

AUS- UND FORTBILDUNGSSCHWERPUNKTE VON ÖSTERREICHISCHEN GRUNDSCHULLEHRER_INNEN IM EU-VERGLEICH. ERGEBNISSE ZU PIRLS 2016.Juliane Schmich

tistisch bedeutsam geringeren Anteilen an Lehrer_innen im Hinblick auf das besagte Hauptaugenmerk gibt. Allen LĂ€ndern vor-an ist fĂŒr 82% der bulgarischen und 80% der tschechischen Lehrer_innen die PĂ€dagogi-sche Psychologie ein Schwerpunkt in ihrer Aus- und Fortbildung.

Der Bereich der Literatur weist den grĂ¶ĂŸten Abstand von 30 Prozentpunkten zwischen dem EU-23-Durchschnitt und Österreich auf. Besonders intensiv mit Literatur beschĂ€fti-gen sich 96% der polnischen und je 87% der bulgarischen sowie der slowakischen Leh-rer_innen, wenig intensiv scheint dies fĂŒr den französischsprachigen Teil Belgiens zu gelten (7%) (vgl. Abbildung 1 und 2).

Diskussion und Ausblick

Die bei PIRLS 2016 erhobenen Kategorien zur IntensitĂ€t in Aus- und Fortbildung betref-fen hauptsĂ€chlich den Bereich Lesen. Aus- und Fortbildung von Grundschullehrer_in-nen umfasst in Österreich – wie in vielen anderen LĂ€ndern auch – jedoch viel mehr als Lesen (wie z.B. alle weiteren FĂ€cher wie Rechnen, Sachunterricht usw. sowie auch Unterricht gestalten, Differenzierung, Inklu-sion, HeterogenitĂ€t, Klassengemeinschaft u.v.m.). Die oben angefĂŒhrten Ergebnisse sind auch unter diesem Gesichtspunkt zu in-terpretieren, in dem Sinn, dass nicht alles ein Schwerpunkt sein kann.

Im PIRLS-Fragebogen wird nach der Intensi-tÀt der BeschÀftigung mit bestimmten Ge-bieten in der Aus und Fortbildung gefragt. Dabei wird nicht konkret angegeben, ob es sich um formale Lerngelegenheiten (in-tentionales Lernen innerhalb von Bildungs-einrichtungen) handelt, oder ob auch nonformale Lerngelegenheiten (Lernge-meinschaften von LehrkrÀften, Fachliteratur) oder informelle Lerngelegenheiten (Lernen

terreich im Vergleich zu fast allen LĂ€ndern statistisch bedeutsam höher (beispielsweise Deutschland 24%, Finnland 10%, Slowenien 6%). Eine Ausnahme stellt Litauen dar, wel-ches mit 56% einen statistisch auffallend hö-heren Anteil erreicht als Österreich.

Anteile in ungefĂ€hr Ă€hnlicher Höhe des EU-23-Durchschnitts und Österreichs zeigen sich in den Bereichen Deutsch/Lesen/Schreiben, frĂŒhkindliche Bildung, SonderpĂ€dagogik, Deutsch als Fremdsprache, Lesedidaktik und Lesediagnostik.

Im Bereich Deutsch/Lesen/Schreiben3 ge-ben dabei 73% der österreichischen Leh-rer_innen und im EU-23-Durchschnitt 70% der Lehrer_innen an, dass dies ein Schwerpunkt in der Aus- und Fortbildung ist, was den höchsten Anteil von allen Themengebieten darstellt. AuffĂ€llig niedrig sind auf LĂ€nder-ebene die diesbezĂŒglichen themenspezifi-schen Angaben der finnischen Lehrer_innen mit 23% sowie die der italienischen (34%) und der niederlĂ€ndischen (35%) Lehrer_in-nen. Allen LĂ€ndern voran beschĂ€ftigen sich laut ihren Angaben 97% der bulgarischen Lehrer_innen schwerpunktmĂ€ĂŸig in ihrer Aus- und Fortbildung mit ihrer Testsprache (Landessprache).

Die Lesedidaktik ist fĂŒr viele Lehrer_innen in Österreich (57%) und auch fĂŒr Lehrer_innen im EU-23-Vergleich (59%) ein Schwerpunkt.

Die PĂ€dagogische Psychologie stellt fĂŒr rund ein Drittel der österreichischen Lehr-krĂ€fte (33%), aber fĂŒr 55% der LehrkrĂ€fte im EU-23-Vergleich einen Schwerpunkt dar. In-teressant ist hier, dass die LĂ€nder entweder statistisch bedeutsam höhere Anteile an Lehrer_innen mit diesem Schwerpunkt oder in ungefĂ€hr Ă€hnlicher Höhe (– also ohne statistisch bedeutsamen Unterschied zu Ös-terreich –) haben, es aber kein Land mit sta-

3 International vorgegeben ist hier, aus dem Englischen „language of test” in die jeweilige Landessprache zu ĂŒbersetzen. FĂŒr Österreich wurde hier die Be-zeichnung fĂŒr das Fach „Deutsch/Lesen/Schreiben” verwendet.

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AUS- UND FORTBILDUNGSSCHWERPUNKTE VON ÖSTERREICHISCHEN GRUNDSCHULLEHRER_INNEN IM EU-VERGLEICH. ERGEBNISSE ZU PIRLS 2016.

Juliane Schmich

Abbildung 2: Schwerpunkte in Aus- und Fortbildung bei Grundschullehrer_innen: Alle 24 EU-LĂ€nder im Detail (PIRLS, 2016)

Abbildung 1: Schwerpunkte in Aus- und Fortbildung bei Grundschullehrer_innen: Österreich im Vergleich mit dem

Durchschnitt der 23 EU-LĂ€nder (PIRLS, 2016)

132| ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

AUS- UND FORTBILDUNGSSCHWERPUNKTE VON ÖSTERREICHISCHEN GRUNDSCHULLEHRER_INNEN IM EU-VERGLEICH. ERGEBNISSE ZU PIRLS 2016.Juliane Schmich

AuffĂ€llig fĂŒr Österreich sind die Zahlen fĂŒr das Gebiet Literatur und es ist unklar, ob es auf diesem Gebiet ein unterschiedliches VerstĂ€ndnis gibt, was den ursprĂŒnglichen englischen Begriff „literature” betrifft. Eine naheliegende Möglichkeit ist, Literatur und Lesestoff fĂŒr Kinder der Altersgruppe dar-unter zu verstehen. Eine weitere wĂ€re, auch Buchbesprechungen bzw. Autor_innenlesun-gen hinzuzunehmen. Unter Literatur könnte aber auch verstanden werden, dass sich Lehrer_innen selbststĂ€ndig mit Fachliteratur beschĂ€ftigen. Dies bleibt jedoch ungeklĂ€rt.

Abschließend kann die Empfehlung von Nusche, Radinger, Busemeyer und Theisens (2016, S. 186) an Österreich in Bezug auf die Lehrer_innenfortbildung unterstrichen wer-den, die besagt, dass die individuelle Wahl der Lehrer_innenfortbildung stĂ€rker an die Ergebnisse der Leistungsbeurteilung fĂŒr Leh-rer_innen sowie an die Notwendigkeiten des Schulentwicklungsplans geknĂŒpft werden sollte.

ist eine „Begleiterscheinung” in der tĂ€gli-chen Arbeit von LehrkrĂ€ften (Richter, 2011)), die Lehrer_innen sicherlich auch umsetzen, berĂŒcksichtigt werden sollen. Es können also nur Vermutungen darĂŒber angestellt wer-den, ob LehrkrĂ€fte nur formale Lerngelegen-heiten bei der Beantwortung berĂŒcksichtigt haben oder ob nonformale und informelle Lerngelegenheiten ebenfalls in die EinschĂ€t-zung der IntensitĂ€t eingeflossen sind. Eine Differenzierung in dieser Hinsicht gibt es be-reits in anderen Studien (z.B. TALIS) und wĂ€re natĂŒrlich auch fĂŒr PIRLS wĂŒnschenswert.

Womit lassen sich nun die vor allem großen Unterschiede zugunsten Österreichs in den Bereichen Leseförderung und Theorien des Lesenlernens und zuungunsten Österreichs in den Bereichen PĂ€dagogischer Psycholo-gie und Literatur erklĂ€ren?

Aus der Perspektive der formalen Lernge-legenheiten betrachtet sind einige Bestre-bungen der PĂ€dagogischen Hochschulen, Lehren aus verschiedenen international vergleichenden SchĂŒler_innenleistungs-studien (z.B. PIRLS 2006; TIMSS 2007; PIRLS/TIMSS 2011) zu ziehen, offenbar vor allem in den Bereich der Leseförderung, aber auch in den Bereich der Lesedidaktik in Aus- und Fortbildung geflossen. Im Zuge dieser Be-strebungen ist das Gebiet der Theorien des Lesenlernens in Österreich vergleichsweise wichtiger als im EU-23-Vergleich. Zugleich – wenn man den Angaben der Lehrer_innen Glauben schenkt – ist die Lesediagnostik nicht nur in Österreich, sondern auch im EU-23-Vergleich wenig bedeutsam. Es sei die Frage erlaubt, wie die BemĂŒhungen um Le-seförderung, Lesedidaktik, Theorien des Le-senlernens und Deutsch/Lesen/Schreiben fruchten können, wenn die dafĂŒr vermut-lich notwendige vorangehende Analyse von vorhandenen StĂ€rken und SchwĂ€chen bei SchĂŒler_innen, also die Lesediagnostik, fĂŒr viele Lehrer_innen (82%) keinen Schwer-punkt darstellt.

Literatur

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|133ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

Positives Klassenklima?Eine Bilanz nach vier Jahren Schulgemeinschaft

Elke Pemberger

Ein gutes Klassen- und Schulklima ist ein Gegenspieler gegen Gewalt an Schulen, begĂŒnstigt die Leistungsbereitschaft von Lernenden und fördert letztendlich die seelische Gesundheit aller Betei-ligten – die der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, der Lehrpersonen und der Eltern. Wie kann ein gutes Klassenklima gefördert werden? In einem Vierjahresprojekt mit einer Klasse wurde mit Hilfe einer regelmĂ€ĂŸigen GesprĂ€chsrunde im Klassenrat versucht, dem Klassenklima positiv entgegenzuwir-ken. Der vorliegende Beitrag soll daraus gewonnene Erkenntnisse aus der Praxis aufzeigen.

POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

In der Fachliteratur wird Klima einerseits als meteorologischer Fachbegriff des typischen jĂ€hrlichen Ablaufs der Witterung fĂŒr ein be-stimmtes geografisches Gebiet beschrie-ben. Andererseits wird der Begriff Klima als AtmosphĂ€re oder Beziehung zwischen Per-sonen, Gruppen, Staaten o.Ä. definiert, das durch bestimmte Ereignisse oder UmstĂ€nde hervorgerufen wird.

Eder (1996, S. 17) verwendet den Begriff Kli-ma auch zur Beschreibung sozialer VerhĂ€lt-nisse in Gruppen, in denen die Bedeutung des Wohlbefindens eine wichtige Rolle spielt. Nach Eder (1996) setzt die Forschung sich im Wesentlichen mit der theoretischen Grundlegung des „Klimakonstrukts” ausei-nander und stellt die Ableitung theoretisch begrĂŒndeter Hypothesen ĂŒber die Auswir-kung des Klimas in den Vordergrund. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Frage ge-legt, welche Folgen das Klima hat und wie es sich ĂŒber die Wahrnehmung der Lernen-den auf deren Erleben und Verhalten aus-wirkt. Bis heute besteht keine Einigkeit, was konkret unter dem Begriff Klima zu verstehen ist (Eder, 1996, S. 17)

Klassenklima in der Literatur

Nach Lewin (1953, zitiert in Brunner, 2016, S. 28) ist „die GrĂ¶ĂŸe des Erfolges, den eine Lehrerin hat, nicht nur von ihrer Geschick-lichkeit, sondern zu einem großen Teil von der AtmosphĂ€re abhĂ€ng[ig], die sie schafft. Diese AtmosphĂ€re ist etwas Unfassbares; sie

Einleitung

In meiner tĂ€glichen Arbeit als Lehrerin an der Praxis-NMS der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig habe ich erfahren, dass das Klassenklima ein maßgeblicher Faktor fĂŒr eine lernförderliche Umgebung ist.

Im Schuljahr 2013/14 wurde ich Klassenvor-stĂ€ndin einer ersten Klasse mit 25 SchĂŒlerin-nen und SchĂŒlern. Diese Klasse begleitete ich vier Jahre lang. Von Beginn an war es mir wichtig fĂŒr ein positives Klassenklima zu sorgen. Um dies verwirklichen zu können, bot mir der regelmĂ€ĂŸige Klassenrat, der mit den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern praktiziert wurde, ein pĂ€dagogisch sinnvolles Instrument.

In diesem Projekt möchte ich versuchen auf die folgende Frage eine Antwort zu finden: Haben die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler mei-ner Klasse in ihrer Zeit an der Praxis-NMS das Klassenklima als positiv empfunden?

Theoretische Grundlagen zum Klassenklima

Zu Beginn werden relevante Begriffe de-finiert, die theoretischen Grundlagen be-schrieben und Einflussfaktoren auf und durch das Klassenklima angefĂŒhrt.

Der Begriff Klassenklima

Mit Schule und Unterricht wird der Begriff Klassenklima oft in Verbindung gebracht.

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

3. Im kollektiven Klima wird die Klimasitu-ation in Gruppen untersucht. Es werden Kleingruppen evaluiert, die sich in Schu-len gebildet haben.

BĂŒlter und Meyer (2004, S. 31–34) nennen folgende Kennzeichen als Voraussetzung fĂŒr ein „lernförderliches Klassenklima”: Ge-rechtigkeit, verlĂ€sslich eingehaltene Regeln, geteilte Verantwortung, Vertrauen, FĂŒrsor-ge, Begeisterung und Humor (siehe Abb. 1). Diese Merkmale ergĂ€nzen und stabilisieren sich gegenseitig. Es kann jedoch passieren, dass sie auch in Widerspruch zueinander geraten. Dies ist dann der Fall, wenn bei-

ist eine Eigenheit der sozialen Lage im Gan-zen und ließe sich wissenschaftlich messen, wenn man von diesem Punkt aus an sie he-ranginge.”

Ritter (2008, S. 8) unterscheidet den Begriff Klima in Zusammenhang mit Schule auf drei unterschiedliche Arten:1. Das individuelle Klima zeigt auf, wie un-

terschiedlich die Wahrnehmung von Menschen auf ihre unmittelbare Umge-bung sein kann.

2. Das aggregierte Klima stellt dar, wie sich die durchschnittliche Wahrnehmung in-nerhalb einer Gruppe verhÀlt.

Abbildung 1: Voraussetzungen

und Wirkungen eines lernfreund-

lichen Klimas (BĂŒlter & Meyer,

2004, S. 32)

|135ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

SchĂŒlerin oder eines SchĂŒlers ist, desto hilfs-bereiter empfindet sie bzw. er Klassenkame-radinnen und Klassenkameraden. Motivierte Lernende nehmen Unterricht zudem seltener als Überforderung wahr (Eder, 1996, S. 139).

WohlbefindenIn der Schulgemeinschaft, in der Men-schen gemeinsam etwas anstreben und in der die Bedeutung des Wohlbefindens eine wesentliche Rolle spielt, trifft man im-mer wieder auf den Begriff Klima. „Im Le-ben eines Menschen ist das Streben nach GlĂŒck und Wohlbefinden von zentraler Bedeutung.” (Ritter, 2008, S. 10) Betrachtet man sich selbstreflektierend und die per-sönliche Situation, so lĂ€sst sich das eigent-liche Befinden am besten beschreiben, weil damit der emotionale Zustand einer Person gemeint ist, wobei die Subjektivi-tĂ€t eine entscheidende Rolle spielt. Um die Befindlichkeit einer Klasse innerhalb einer Schule zu erlĂ€utern, werden zur Selbstwahr-nehmung Elemente aus der direkten Um-welt der Betreffenden herangezogen. „FĂŒr SchĂŒlerinnen und SchĂŒler sind vor allem die Lebensbereiche Familie, Schule und Peer-gruppe von Bedeutung” (Eder, 2007, S. 18).

LehrpersonDas Ergebnis einer Untersuchung von Eder (2001) zeigt, dass das analysierte Lehrper-sonenverhalten einen Zusammenhang zwi-schen den Strategien von Disziplinierung der Lehrperson und der Wahrnehmung des Klassenklimas durch die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler erkennen lĂ€sst. Das Klassenklima wird insgesamt positiver wahrgenommen, wenn Lehrende eine sogenannte sozialpĂ€-dagogische Orientierung, die das individu-elle Eingehen und Reagieren auf bestimm-ten Situationen charakterisiert, aufweisen.

Wirkungen des Klassenklimas

Das Klassenklima wirkt sich auf unterschied-liche Weise im Schulalltag aus. „Zahlreiche Untersuchungen zu den Auswirkungen des

POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

spielsweise kollektive Gerechtigkeit und FĂŒr-sorgepflicht aufeinanderprallen. Diese Wi-dersprĂŒche können ausbalanciert, jedoch nicht beseitigt werden.

In der derzeitigen pÀdagogisch-psychologi-schen Forschung werden drei unterschied-liche Beschreibungen in der Verwendung des Begriffes Klassenklima gebraucht. Diel und Nieder (2010, S. 7) fassen diese wie folgt zusammen:

ïżœïżœ zur Bezeichnung der emotionalen Grund-tönung [Hervorhebung im Original] einer pĂ€dagogischen GesamtatmosphĂ€re, wobei er [der Klima-Begriff, Anm. E.P.] auf die emotionale QualitĂ€t sozialer Bezie-hungen und die emotionale Befindlich-keit in der Klasse abzielt;ïżœïżœ zur Bezeichnung der Grundorientierun-gen und Werthaltungen [Hervorhebung im Original] in erzieherischen Umwelten;ïżœïżœ zur Bezeichnung subjektiv wahrgenom-mener (Lern-)Umwelten [Hervorhebung im Original], in dem Sinne, dass unter Kli-ma die Gesamtheit aller wahrgenomme-nen Merkmale der Klasse oder der Schule zu verstehen ist. (Diel & Nieder, 2010, S. 7)

Einflussfaktoren auf das Klassenklima

Das Klassenklima wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, diese sind jedoch oft schwer fassbar. Verschiedenen Persönlich-keiten mit unterschiedlichem Umfeld entwi-ckeln sich in einem sozialen Prozess inmitten der Institution Schule als Wertevermittler. Es gibt nur einen geringfĂŒgigen Zusammen-hang zwischen soziodemographischen Merkmalen der Lernenden, wie z.B. Alter, Herkunft und Wahrnehmung des Klassenkli-mas. Jedoch haben folgende Faktoren sehr wohl Einfluss auf das Klima in einer Klasse:

SchulmotivationDie Schulmotivation hat maßgeblichen Ein-fluss darauf, wie Klassenklima wahrgenom-men wird. Je höher die Schulmotivation einer

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

schaftliche, einvernehmliche Lösung zu fin-den. SchĂŒlerinnen und SchĂŒler ĂŒbernehmen somit Verantwortung fĂŒr Prozesse des eige-nen Lernens und beteiligen sich aktiv an der Mitgestaltung des Unterrichts und Schulle-bens, sowohl inhaltlich als auch methodisch.

Als geistiger Vater des Klassenrats wird John Dewey (1859–1952), ein amerikanischer Phi-losoph und PĂ€dagoge, angesehen. Der französische ReformpĂ€dagoge Celestin Frei-net (1856–1966) hat jene konzeptionelle Ent-wicklung des Klassenrats vorgenommen, die wir nun vorfinden.

Merkmale des Klassenrats

Der Klassenrat bedarf bestimmter organi-satorischer Standards sowie institutioneller Regeln, um einen Rahmen zu bieten, der eine erfolgreiche Umsetzung ermöglicht. Bestimmte wiederkehrende Elemente ge-ben SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern eine gewis-se Form von Sicherheit, sich dem Wagnis eines Klassenrats zu stellen. Er bietet einen Rahmen, Demokratie zu lernen. Blum (2015) meint, dass es dabei weniger um das Ab-stimmen geht, „sondern um die FĂ€higkeiten, die unsere Demokratie erst lebenswert ma-chen, nĂ€mlich um das Ernstnehmen anderer Meinungen (Toleranz, Akzeptanz), um das angemessene Vorbringen eigener Interes-sen, WĂŒnsche und Anliegen und um das Ein-ĂŒben des Ringens um gemeinsame, fĂŒr alle tragbare Lösungen” (Blum, 2015, S. 53).

RaumUm dem Klassenrat den Charakter einer Versammlung von gleichberechtigten Per-sonen zu verleihen, findet dieser im Sitzkreis statt. Wichtig dabei ist, dass sich alle betei-ligten Personen anschauen können. Dies gilt als ein Ausdruck von Gleichheit und Ge-meinsamkeit.

ZeitDer Klassenrat sollte als Fixtermin im Wo-chenplan festgelegt sein. Das bedeutet,

wahrgenommenen Klassenklimas belegen, dass ein positives Lernklima sowohl das Leis-tungsverhalten, den Lernerfolg (Noten) und die Einstellung zur Schule als auch das So-zialverhalten der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler beeinflusst” (Diel & Nieder, 2010, S. 9).

Klassen, die sich durch einen großen An-teil an Toleranz und an KohĂ€sion – sprich Klassenzusammenhalt, Zufriedenheit und Zielgerichtetheit – auszeichnen, erzielen durchgĂ€ngig bessere Lernergebnisse als Vergleichsklassen. Laut Eder (2001) betei-ligen sich Lernende mit positiven Klimaer-fahrungen mehr am Unterrichtsgeschehen, erleben ein geringeres Ausmaß an Belastun-gen, stören seltener und haben tendenziell ein positives Konzept in der Selbstleistung.

Schwarzer (1983, S. 129) bezeichnet ein Klassenklima als gĂŒnstig, in dem Lernende aufgrund eines verringerten Leistungs- und Konkurrenzdrucks untereinander ein hohes Ausmaß an Hilfsbereitschaft und Geborgen-heit spĂŒrbar werden lassen. Dies fĂŒhrt in wei-terer Folge zu einem Erleben von Autonomie sowie zur Einhaltung von Regeln.

Der Klassenrat

In den gemeinsamen Schuljahren fanden wir uns wöchentlich oder alle 14 Tage zu einem Sesselkreis zusammen, um den gemeinsamen Klassenrat zu praktizieren. Nach einer festge-legten Struktur wurden gesammelte Anlie-gen gemeinsam besprochen. Diese Form des regelmĂ€ĂŸigen Austausches sollte posi-tiven Einfluss auf das Klassenklima ausĂŒben.

Was ist der Klassenrat?

Der Klassenrat ist nach Blum (2015, S. 51) eine regelmĂ€ĂŸig stattfindende GesprĂ€chsrunde, bei der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler gemein-sam mit der Lehrkraft in einem strukturierten Rahmen konkrete Themen, Anliegen, Proble-me und Konflikte der Klassengemeinschaft ansprechen. Ziel dabei ist, eine gemein-

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

Dies kann jederzeit und ohne den Unter-richt zu stören verwendet werden, um akute Themen einzutragen. Es bietet Kindern eine Art Ventil, und die Betroffenen können sich nach dem Aufschreiben meist besser auf den Unterricht konzentrieren.

Eine weitere Alternative bietet die Klassen-ratsbox, in die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, aber auch Lehrende Zettel mit notierten Anliegen werfen. Diese ,geheime’ Heran-gehensweise verhindert beispielsweise, dass Kinder im Verlauf der Schulwoche von Mit-schĂŒlerinnen und MitschĂŒlern gedrĂ€ngt werden, das Thema wieder von der Tages-ordnung zu nehmen. Diese Form der Vorbe-reitung zum Klassenrat wurde in unserem Fall angewendet.

Rollen im KlassenratIm Klassenrat wird die Hierarchie im Ver-gleich zum Alltag in umgekehrter Weise an-gewendet. Das bedeutet, dass die Leitung des Klassenrats in die HĂ€nde von SchĂŒlerin-nen und SchĂŒlern gelegt wird und die The-men weitgehend durch sie eingebracht werden. Die Leitung – ich nenne es lieber die Moderation – des Klassenrats mag fĂŒr manche Kinder eine anspruchsvolle Aufga-be sein, da der Klassenrat gut strukturiert, ein Zeitrahmen eingehalten, die AtmosphĂ€re ruhig, das GesprĂ€ch umsichtig und respekt-voll geleitet und die Meldungen gerecht berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen. Sinnvoll er-scheint daher ein Aufteilen der Aufgaben oder der Einsatz von Assistentinnen und As-sistenten sowie Vertreterinnen und Vertre-tern. AnfĂ€nglich benötigten die Moderato-rin und der Moderator meine UnterstĂŒtzung den Klassenrat zu leiten, sie wuchsen jedoch von Woche zu Woche in ihrer Aufgabe.

Es gibt unterschiedlich pĂ€dagogische Her-angehensweisen die Moderation an SchĂŒ-lerinnen und SchĂŒler zu vergeben – sei es beispielweise reihum nach Klassenliste, sei es nach freiwilligen Meldungen oder sei es, wie in unserem Fall, nach Übergabe der Rollen

dass SchĂŒlerinnen und SchĂŒler ein aktuelles Anliegen nicht sofort behandeln können, sondern dieses mit zeitlicher Verzögerung besprochen wird. Friedrichs (2009, S. 58) meint dazu: „Was aufseiten der Lehrenden als Entlastung des Fachunterrichts begrĂŒĂŸt wird, bedeutet fĂŒr die Kinder, Frustrationstole-ranz zu ĂŒben. FĂŒr sie ist es wichtig, verlĂ€sslich zu wissen, wann ihr Thema dran sein wird.” In der Regel wird die letzte Unterrichtseinheit einer Schulwoche zur Abhaltung des Rats als sinnvoll betrachtet, um etwaige Konflikte noch vor dem Wochenende zu besprechen – der Ärger kann somit in der Schule gelas-sen werden und die Betroffenen können unbeschwert ins Wochenende gehen. In un-serem Fall haben wir den Klassenrat in die erste Unterrichtseinheit zu Wochenbeginn gelegt. Ein ErzĂ€hlen vom Wochenende und ein Ausblick auf die kommende Schulwo-che konnten somit implementiert werden.

Auch der Zeitrahmen des Klassenrats ist klar festgelegt. Start- und Endzeit werden schrift-lich festgehalten – mit meiner Projektklas-se wurde eine Sitzung mit einer maximalen Dauer von 25 Minuten festgelegt.

Vorbereitung der Themen des Klassenrats in Form der KlassenratsboxEs gibt unterschiedliche Formen, den Klas-senrat vorzubereiten. Eine Wandzeitung bie-tet beispielsweise die Möglichkeit, Themen nach Rubriken wie „Ich lobe ...”, „Ich kritisie-re ...”, „Ich wĂŒnsche ...” zu sammeln. Es wer-den somit sichtbar Anliegen dargelegt. Die-se transparente Vorgehensweise wird von manchen Lehrpersonen als problematisch eingeschĂ€tzt, wenn kritische Anmerkungen fĂŒr alle sichtbar aushĂ€ngen. FĂŒr die Wand-zeitung spricht, dass alle Themen des bevor-stehenden Klassenrats allen bekannt sind. Die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, aber auch die Lehrpersonen können sich darauf einstellen und sich gedanklich vorbereiten.

Eine andere Form ist das Eintragen von Pro-blemen in ein sogenanntes Klassenratsbuch.

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2. Besprechen der Ergebnisse der vorangehenden SitzungDie BeschlĂŒsse der vergangenen Sitzung werden von der Moderatorin, vom Mo-derator vorgelesen. Die Beteiligten wer-den gebeten, kurze RĂŒckmeldung dazu zu geben.

3. Verlesen der Anliegen der KlassenratsboxDie in der Box gesammelten Anliegen werden vorgelesen. Die Einbringenden der Anliegen werden befragt, ob das The-ma noch aktuell ist. Eine Reihenfolge der Anliegen wird anschließend festgelegt.

4. Besprechung der AnliegenDas jeweilige Anliegen wird vorgelesen. Die bzw. der Einbringende kann sein An-liegen noch persönlich kommentieren und ausfĂŒhrlich erklĂ€ren. Je nach Anlie-gen können weitere Beteiligte gehört werden, die in der Ich-Form ihre Kom-mentare, ihre Wahrnehmungen einbrin-gen, ohne Schuldzuweisungen zu formu-lieren.

5. Gemeinsame LösungsfindungIst das Anliegen klar dargelegt, werden in einer Brainstorming-Phase Lösungsvor-schlĂ€ge gesammelt. Liegt ein Konflikt vor, so entscheiden die Betroffenen, welcher Lösungsvorschlag fĂŒr sie in Frage kommt. Gibt es Anliegen, die die gesamte Klas-se betreffen, kann eine Abstimmung ĂŒber die LösungsvorschlĂ€ge vorgenommen werden.

6. Schriftliches Festhalten der ErgebnisseSchließlich werden die Anliegen und ab-gestimmten Lösungsschritte schriftlich in einem Protokollheft festgehalten.

Wozu der Klassenrat?Wo Menschen zusammenleben und zusam-menarbeiten, wird kommuniziert. Man trifft auf unterschiedliche Ansichten und Meinun-gen, aber auch auf Konflikte, die gelöst wer-den sollen. „Der Klassenrat eröffnet dabei viele Lernchancen. Wir verbinden damit in der Schule immer auch pĂ€dagogische Zie-le” (Blum 2015, S. 53).

durch die gewĂ€hlten Klassensprecherinnen und Klassensprecher. Ein Rotationsprinzip wurde von meinen SchĂŒlerinnen und SchĂŒ-lern nicht gewĂŒnscht.

Eine ProtokollfĂŒhrerin bzw. ein ProtokollfĂŒhrer hĂ€lt die Ergebnisse fest, eine ZeitwĂ€chterin bzw. ein ZeitwĂ€chter achtet auf die Zeit. Die letzten beiden Aufgaben wurden in dieser Klasse bei jeder Sitzung an unterschiedliche Personen ĂŒbertragen.

Regeln FĂŒr ein erfolgreiches Gelingen des Klassen-rats sind Regeln, die von allen Beteiligten eingehalten werden, sehr wichtig. Dabei ist der Ansatz, dass Regeln von den SchĂŒlerin-nen und SchĂŒlern selber entwickelt werden, fĂŒr mich ein sinnvoller. Die Identifikation mit dem Regelwerk ist seitens der Kinder defi-nitiv grĂ¶ĂŸer. FĂŒr den Klassenrat der Projekt-klasse wurden folgende Regeln gemeinsam festgelegt:

ïżœïżœ Ich melde mich mit Handzeichen, wenn ich etwas sagen möchte.ïżœïżœ Ich höre zu, wenn andere sprechen.ïżœïżœ Ich rede nur, wenn ich an der Reihe bin.ïżœïżœ Ich spreche nur ĂŒber Personen, die an-wesend sind.ïżœïżœ Ich beleidige und beschimpfe niemanden.ïżœïżœ Was im Klassenrat besprochen wird, bleibt in unserer Klasse.

Ablauf des KlassenratsDer Ablauf des Klassenrats muss mit den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern besprochen wer-den. Im Laufe der Zeit automatisiert sich die-ser und die Betroffenen erwerben Sicherheit in der DurchfĂŒhrung. Der fĂŒr die Projektklasse festgelegte Ablauf sieht wie folgt aus:

1. BegrĂŒĂŸung und Eröffnung Die Moderation begrĂŒĂŸt die Anwesen-den, eine Person zum Protokollieren wird gesucht. Jeweils zwei Freiwillige dĂŒrfen zu Beginn zwei positive Erlebnisse des ver-gangenen Wochenendes einbringen.

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

Lernende” des Hessischen Referenzrahmens SchulqualitĂ€t. Bei dem vom Institut fĂŒr Qua-litĂ€tsentwicklung entwickelten Fragebogen handelt es sich um ein Instrument fĂŒr SchĂŒ-lerinnen und SchĂŒler. Die auf dieser Grundla-ge basierenden Ergebnisse bieten einen dif-ferenzierten Einblick in das Klassenklima, das innerhalb der Lerngruppe vorherrscht (Diel & Nieder, 2010, S. 4–29).

Der Fragebogen erfasst die Dimensionen Toleranz, Hilfsbereitschaft, Lern- und Leis-tungsbereitschaft, KohÀsion/Klassenzu-sammenhalt, Störneigungen, Aggression, Wettbewerb/Konkurrenz und Leistungssank-tionierung. Dabei zÀhlen Toleranz, Hilfsbereit-schaft, Lern- und Leistungsbereitschaft sowie KohÀsion/Klassenzusammenhalt zu den in-haltlich positiven Dimensionen, Störneigun-gen, Aggression, Wettbewerb/Konkurrenz und Leistungssanktionierung zu den inhalt-lich negativen Dimensionen. Jede Dimensi-on enthÀlt mehrere Aussagen/Items.

FĂŒr dieses Projekt werden Teile des o.g. Fra-gebogens verwendet, um ein Feedback von den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern zum er-lebten Klassenklima einzuholen. Dabei han-delt es sich um folgende zwei Dimensionen mit acht Items:

ïżœïżœ Hilfsbereitschaft: Zur Dimension Hilfsbereit-schaft zĂ€hlen unterschiedliche Formen der emotionalen und instrumentellen UnterstĂŒtzung, beispielsweise einander aufmuntern oder sich gegenseitig Din-ge borgen. Diese Faktoren schaffen eine AtmosphĂ€re des FĂŒreinander-Sorge-Tra-gens.

ïżœïżœ Aggression: Zur Dimension Aggression gehören Aspekte der physischen und psychischen Angriffslust innerhalb einer Klasse sowie das Ausgrenzen von Mit-schĂŒlerinnen und MitschĂŒlern.

Warum werden nur diese beiden Dimensi-onen fĂŒr die Evaluation eingesetzt? In An-

Der Klassenrat vermittelt einerseits unter-schiedliche Kompetenzen: personale Kom-petenzen wie z.B. Selbst- und Fremdwahr-nehmung, soziale Kompetenzen in Form von Kommunikations- und KonfliktfĂ€higkeit, methodische FĂ€higkeiten wie beispielswei-se das Verfassen von Protokollen, Entwickeln von Konfliktlösungsmöglichkeiten und letzt-lich auch fachliche Kompetenzen in der mĂŒndlichen Kommunikation.

Der Klassenrat stĂ€rkt andererseits auch die Lernmotivation durch die erworbenen o.g. Kompetenzen, er eröffnet die Erfahrung der Zugehörigkeit und Selbstwirksamkeit im Sin-ne „ich darf und kann etwas bewegen”, er fördert ein positives Klassenklima, da SchĂŒle-rinnen und SchĂŒler fern von Leistung wahr-genommen und gehört werden und sie au-ßerdem Konflikte konstruktiv zu lösen lernen. Der Klassenrat stĂ€rkt somit die Klassenge-meinschaft.

Auch in der PrĂ€vention von Gewalt und Mobbing bietet der Klassenrat eine nĂŒtzli-che Plattform. Erkennt man als Lehrperson frĂŒhzeitig, dass sich Mobbingprozesse an-bahnen, so kann rasch gegengesteuert und an einer Lösungsfindung gearbeitet werden.

Untersuchung

Stichprobe

Der im Rahmen des Projektes verwendete Fragebogen wurde von insgesamt vierund-zwanzig SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern, davon elf MĂ€dchen und dreizehn Buben, in einer vierten Klasse einer Neuen Mittelschule be-antwortet. Die Auswertung erfolgt nicht ge-trennt nach Geschlechtern.

Instrument

Der Fragebogen zur Erfassung des zu erhe-benden Klassenklimas in der Sekundarstufe orientiert sich an den Kriterien der QualitĂ€ts-bereiche V „Schulkultur” und VI „Lehrer und

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

Auswertung

Hohe Werte in der Dimension Hilfsbereit-schaft (vgl. Tabelle 1) deuten auf eine po-sitive Wahrnehmung des Klassenklimas hin. Hohe Werte in der Dimension Aggression (vgl. Tabelle 2) lassen hingegen erkennen, dass die Befragten das Klassenklima als pro-blematisch empfinden.

Feedback Dimension Hilfsbereitschaft

Antwortverhalten der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler in der Dimension Hilfsbereitschaft:

Item 1 – In meiner Klasse helfen wir uns ge-genseitig, wenn jemand Hilfe benötigt: Auf zweiundzwanzig der Befragten trifft es zu oder eher zu, dass – wenn nötig – gegensei-tig Hilfeleistung erfolgt. Nur zwei Jugendliche geben an, dass dies eher nicht auf sie zutrifft.

Item 2 – In meiner Klasse findet man schnell jemanden, mit dem man zusammenarbei-ten kann: Ähnlich verhĂ€lt es sich mit dem Finden einer Partnerin bzw. eines Partners in Arbeitsphasen. Hier geben sechzehn SchĂŒ-lerinnen und SchĂŒler an, dass dies auf sie zutrifft. Auf sechs Kinder trifft diese Aussage

betracht meiner anfĂ€nglichen Beobach-tungen der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler im Umgang miteinander innerhalb der Klasse gab es ein tendenzielles Aggressionsverhal-ten und die Kinder zeigten wenig Hilfsbereit-schaft. Die anderen Dimensionen schienen hingegen nicht so deutlich positiv oder ne-gativ ausgeprĂ€gt zu sein.

ZusĂ€tzlich werden am Ende Fragen formu-liert, um ein Meinungsbild von den SchĂŒlerin-nen und SchĂŒlern zu den Themen Klassenrat und Klassenklima zu erhalten.

Am Beginn des Fragebogens wird auf die AnonymitĂ€t hingewiesen, um möglichst au-thentische Antworten von den SchĂŒlerin-nen und SchĂŒlern zu erhalten. Eine perso-nenbezogene Frage betrifft die Frage des Geschlechts. Zur Beantwortung der Fragen steht den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern ein vierfach abgestuftes Format an Antwort-möglichkeiten zur VerfĂŒgung. Es reicht von (1) = „Trifft zu” ĂŒber (2) „Trifft eher zu” und (3) = „Trifft eher nicht zu” bis (4) = „Trifft nicht zu”. Die vorliegenden Daten werden nach der Methode der deskriptiven Statistik aufberei-tet. Bei diesem Vorgehen werden die quan-titativen Daten verdichtet.

Tabelle 1: Feedback Dimension Hilfsbereitschaft

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

Feedback Dimension Aggression

Antwortverhalten der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler in der Dimension Aggression:

Item 5 – In meiner Klasse hĂ€nseln manchmal einzelne ihre MitschĂŒler/innen ohne Grund: Ein Kind gibt an, dass in der Klasse gehĂ€n-selt wird. Auf vier Kinder trifft dies eher zu. Zehn Kinder geben an, dass dies auf sie eher nicht zutrifft. Neun SchĂŒlerinnen und SchĂŒler geben an, dass keine HĂ€nseleien in der Klas-se vorkommen.

Item 6 – In meiner Klasse werden einzel-ne ausgeschlossen: Dass Klassenmitglieder ausgeschlossen oder eher ausgeschlossen werden, stimmt nur fĂŒr zwei der Befragten. Dreizehn geben an, dass dies eher nicht zu-trifft. Wiederum neun Kinder stimmen nicht zu, dass ein Ausschließen einzelner Personen aus der Klasse stattfindet.

Item 7 – In meiner Klasse suchen einige stĂ€n-dig Streit: Vier Personen meinen, dass einige MitschĂŒlerinnen und MitschĂŒler eher Streit suchen. Vierzehn Kinder geben an, dass auf sie dies eher nicht zutrifft. Auf sechs Personen trifft diese Aussage gar nicht zu.

eher zu. Nur zwei der Befragten stimmen die-ser Aussage eher nicht zu.

Item 3 – In meiner Klasse finden sich immer wieder Personen, die jemanden aufmun-tern, wenn er/sie sich bedrĂŒckt fĂŒhlt: Auch in diesem Item, ob SchĂŒlerinnen und SchĂŒler andere aufmuntern, wenn diese bedrĂŒckt sind, gibt die eindeutige Mehrheit von zwei-undzwanzig der Befragten an, dass dies zu-trifft oder eher zutrifft. Auf zwei der Befragten trifft diese Aussage eher nicht zu.

Item 4 – In meiner Klasse kann man sich jederzeit Materialien ausborgen, wenn je-mandem etwas fehlt: Die Aussage, ob sich SchĂŒlerinnen und SchĂŒler jederzeit Materia-lien ausborgen können, trifft auf elf Personen zu, auf acht trifft es eher zu. Drei Kinder je-doch finden, dass dies eher nicht zutrifft. FĂŒr ein Kind findet ein gegenseitiges Ausborgen von Materialien unter den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern nicht statt.

Betrachtet man das Antwortverhalten aller vier Items in puncto Hilfsbereitschaft additiv, nĂ€mlich ob die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler die Klassenmitglieder als hilfsbereit erleben, so geben 88,5% der Befragten an, dass dies auf sie zutrifft oder eher zutrifft.

Tabelle 2: Feedback Dimension Aggression

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POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

zu. Drei Kinder geben an, dass die Aussage eher nicht zutrifft. FĂŒr zwei Personen ist der Klassenrat unwichtig.

Item 11 – In meiner Klasse kann ich im Klas-senrat Dinge offen ansprechen: Dass Dinge offen angesprochen werden können, trifft auf elf Kinder zu, auf fĂŒnfzehn Kinder eher zu. Auf keine der befragten Personen trifft dies eher nicht oder nicht zu.

Item 12 – In meiner Klasse hat der Klassenrat maßgeblich zu einem guten Klassenklima beigetragen: Diese Aussage stimmt oder stimmt eher fĂŒr zwanzig der Befragten. Le-diglich auf drei Kinder trifft dies eher nicht zu. Eine Person sieht in dem Klassenrat keinen maßgeblichen Faktor bezĂŒglich eines positi-ven Klassenklimas.

Item 13 – In meiner Klasse ist das Klassenkli-ma sehr gut. Zehn SchĂŒlerinnen und SchĂŒler befinden das Klassenklima als sehr gut. Dies trifft auch noch eher auf dreizehn weitere der Befragten zu. Lediglich fĂŒr eine Person stimmt diese Aussage nur bedingt.

Zusammenfassung und Ausblick

RĂŒckblickend auf die Untersuchung kann festgehalten werden, dass die Mehrheit der befragten SchĂŒlerinnen und SchĂŒler ange-

Item 8 – In meiner Klasse kommt es schon vor, dass jemand andere verprĂŒgelt: Die SchĂŒle-rinnen und SchĂŒler geben hier fast alle an, dass es keine PrĂŒgeleien in der Klasse gibt. Lediglich auf eine Person trifft dies eher zu.

Die Dimension der Aggression zeigt ein Ă€hn-liches Bild wie die der Hilfsbereitschaft. Be-trachtet man alle vier Items der Skala Ag-gression gemeinsam, so geben 87,5% der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler an, dass dass es kein aggressives oder ein nur wenig aggres-sives Verhalten in der Klasse gibt.

Feedback Klassenrat und Klassenklima

Antwortverhalten der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler als Feedback zu Klassenrat und Klas-senklima (vgl. Tabelle 3).

Item 9 – In meiner Klasse verlaufen GesprĂ€-che im Klassenrat immer respektvoll: Sieben SchĂŒlerinnen und SchĂŒler geben an, dass die GesprĂ€che im Klassenrat immer respekt-voll ablaufen, fĂŒnfzehn stimmen dem eher zu. Nur auf zwei der Befragten trifft dies eher nicht zu.

Item 10 – In meiner Klasse ist der regelmĂ€-ßige Klassenrat sehr wichtig: Dass der Klas-senrat fĂŒr die Befragten wichtig ist, bejahen dreizehn Personen, auf sechs trifft es eher

Tabelle 3 – Feedback Klassenrat und Klassenklima

|143ASPEKTE DER LEHRERiNNENBILDUNG

POSITIVES KLASSENKLIMA? EINE BILANZ NACH VIER JAHREN SCHULGEMEINSCHAFTElke Pemberger

gruppe eignet. Jedoch sollte diese Evaluie-rung mehrmals innerhalb der vier Schuljahre durchgefĂŒhrt werden, um einerseits Proble-men rasch auf den Grund gehen zu können und um andererseits die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler umgehend mit in die Verantwortung nehmen zu können an der Gestaltung von VerĂ€nderungsprozessen teilzuhaben.

Dieser Praxisbericht soll Lehrpersonen ermu-tigen das Instrument Klassenrat zur PrĂ€ven-tion von Problemen und zur Lösungsfindung von Schwierigkeiten im Schulalltag sowie zur Schaffung eines positiven Klassenklimas ein-zubetten. FĂŒr mich stellt es ein erfolgreiches Modell dar.

ben Hilfsbereitschaft in Form von Hilfeleis-tung, Zusammenarbeit und Aufmunterung in ihrer Klasse zu erleben. Dies ist ein positives Ergebnis. Es werden kaum MitschĂŒlerinnen und MitschĂŒler gehĂ€nselt oder ausgeschlos-sen, nur wenige geben an, dass Klassenmit-glieder Streit suchen. PrĂŒgeleien gibt es so gut wie keine. Somit ist zu sehen, dass das Aggressionspotential sehr niedrig ist. Summa summarum zeigen die Ergebnisse, dass sich die Klassenmitglieder mehrheitlich gut ver-stehen, hilfsbereit sind und wenig Aggressivi-tĂ€t zeigen – wichtige Faktoren, um ein gutes Klassenklima zu schaffen.

Dass der Klassenrat von der Mehrheit der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler als ein treffliches Instrument angesehen wird, um Dinge of-fen anzusprechen, ist Fakt, da keine und keiner der Befragten angibt, dass dies nicht oder eher nicht zutrifft. Auch der respektvol-le Umgang innerhalb des Klassenrats wird von 92% ganz oder eher bestĂ€tigt. Meines Erachtens bietet somit der Klassenrat eine Plattform, um AggressivitĂ€t entgegenzuwir-ken – ein wichtiger Faktor, um eine gutes Klassenklima zu fördern. Auch das Ergebnis, dass der Klassenrat fĂŒr 80% der Befragten maßgeblich zu einem guten Klassenklima gefĂŒhrt hat, ist ein passables. Jedoch zeich-net sich ab, dass dieses Instrument nicht fĂŒr alle hilfreich war. Es wĂ€re somit interessant zu erfahren gewesen, was den entsprechen-den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern fehlte. Auch empfand eine der fĂŒnfundzwanzig befrag-ten Personen das Klassenklima als nicht sehr gut – mein Anspruch ist aber, dass sich jede und jeder wohlfĂŒhlen soll. Die GrĂŒnde dafĂŒr gilt es in meiner Folgeklasse herauszufinden – eventuell durch regelmĂ€ĂŸiges Einholen von Feedback oder durch das Erstellen von Soziogrammen –, um rascher nachjustieren zu können.

FĂŒr weitere Klassen nehme ich aus diesem Projekt mit, dass sich diese Evaluation als zuverlĂ€ssiges Diagnoseinstrument bezĂŒg-lich des Klassenklimas innerhalb einer Lern-

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Abbildung

Abbildung 1: Voraussetzungen und Wirkungen eines lernfreundlichen Kli-mas. In H. BĂŒlter, & H. Meyer (Hrsg.), Was ist ein lernfreundliches Klima? Voraussetzungen und Wirkungen. PĂ€dagogik, 11(56), 32. 3

144| AUTORINNEN/AUTOREN

Ursula BuchnerProf.in Mag.a, Dipl. PĂ€d.in: Lehramt fĂŒr den ernĂ€hrungswirtschaftlichen und haushaltsökonomi-schen Fachunterricht an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen; Studium der Psy-chologie und PĂ€dagogik; Ausbildungen in GesprĂ€chspsychotherapie, Fach- und Verhaltens-training; seit 1987 LehrtĂ€tigkeit in der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Studienfach ErnĂ€hrung und Haushalt an der PH Salzburg Stefan Zweig mit dem Arbeitsschwerpunkt Fachdidaktik; Schulbuchautorin

Edith Auinger-PfundMag.a: MeisterprĂŒfung fĂŒr Konditorei; Lehramt fĂŒr Berufsschullehrer_innen an der BerufspĂ€da-gogischen Akademie Linz; Studium der Sozialwirtschaft an der JKU Linz; Landeskoordinatorin fĂŒr Inklusive Berufsausbildung nach BAG 8b(1) und (2) am LSR OÖ; Vortragende an der PH OÖ (Institut fĂŒr BerufspĂ€dagogik)

Eduard DenkMag. MSc.: Kommunikationswissenschaftler; Unternehmenskommunikation und strategisches Marketing; 1999–2011 Leiter Forschungsförderung & Marketing an der Paris Lodron UniversitĂ€t Salzburg & PrivatuniversitĂ€t Schloss Seeburg; seit 2012 Inhaber der Perform Salzburg OG; 2014 GrĂŒnder des Forschungsinstituts fĂŒr Wirtschaftspsychologie

Elke Austerhuber MMag.a MSc.: Studium der WirtschaftspĂ€dagogik und Betriebswirtschaft an der UniversitĂ€t Innsbruck sowie Online-Media Marketing; Mitarbeiterin am Institut fĂŒr Fort- und Weiterbildung Sekundarstufe II an der PH Salzburg Stefan Zweig und Referentin in den Bereichen Entrepre-neurship Education, Berufsbildung 4.0, ILB; Landeskoordinatorin fĂŒr Entrepreneurship (HAK); Lehrerin fĂŒr kaufmĂ€nnische FĂ€cher und SchulqualitĂ€tsprozessmanagerin an der BHAK/BHAS Hallein

JĂŒrgen BauerProf. BEd Bakk. phil. MA: Lehramt fĂŒr Hauptschule und Polytechnische Schule; Studium der Erzie-hungswissenschaft an der UniversitĂ€t Salzburg; Lehrender an der PH Salzburg Stefan Zweig mit den Schwerpunkten Bildungs- und Berufsorientierung; SchĂŒler_innen- und Bildungsberatung; Integration/Inklusion; Polytechnische Schule/Berufsgrundbildung; Berufsbildung – Fachbereich Duale Ausbildung sowie Technik und Gewerbe; Abteilungsleitung Abteilung PTS; Leitung der Servicestelle ProjektbĂŒro A–Z; Praktikumsverantwortlicher im BLuE-Hochschulprogramm

MinR Dipl.-Ing.Mag. Dr. Christian DorningerSekt.Chef. Dr.: Doktoratsstudium Technische Physik; Lehramt fĂŒr Physik/Chemie/ Mathema-tik; Leiter der Sektion II im BMBWF (Berufsbildung, Erwachsenenbildung); diverse Funktionen im Ressort und in EU-Gremien; Vorsitz in der BundesreifeprĂŒfungskommission und NQR-Steue-rungsgruppe; Mitglied der General Directors for Vocational Education and Training (DGVT); Lehrbeauftragter an der UniversitĂ€t Linz; Publikationen im Bereich Kernphysik, eLearning und Bildungsthemen aller Art

Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

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Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

Christoph EderMag.: Lehramtsstudium Informatik und Geographie an der UniversitĂ€t Salzburg; Lehrer am BRG Salzburg; TĂ€tigkeit fĂŒr die PH Salzburg Stefan Zweig (seit 2012) u.a. im Bereich Fachdidak-tik Informatik im Unterrichtspraktikum

Franz HeffeterHR Mag. Dr.: Direktor der Tourismusschule Klessheim a.D.; Mitgestalter in Projekten fĂŒr QualitĂ€ts-management an Schulen sowie mehrerer Lehrplangenerationen im humanberuflichen Schul-wesen; Projektleiter fĂŒr die Entwicklung des Tourismusstudiengangs an der FH Salzburg sowie des MBA Tourismus; Mitglied des Expertenteams der österreichischen Nationalagentur OEAD mit den Schwerpunkten Kompetenzorientierung und QualitĂ€tssicherung im Rahmen des Eu-ropean Qualification Framework; Autor von SchulbĂŒchern und Fachartikeln zur Berufsbildung; Vortragender an der PH Salzburg Stefan Zweig

Eva-Maria EngelsbergerMag.a: ausgebildete WirtschaftspĂ€dagogin mit Schwerpunkt Organisations- und Personal-entwicklung, Projekt- und Prozessmanagement, Change Management; privatwirtschaftliche TĂ€tigkeit bei international agierenden Konzernen in MĂŒnchen und Lausanne; 14 Jahre LehrtĂ€-tigkeit an berufsbildenden Schulen; Administratorin; TĂ€tigkeit am Landesschulrat fĂŒr Salzburg, am BMB(F), an der PH Salzburg Stefan Zweig; derzeit Stabstelle Bildungsdirektor fĂŒr Salzburg

Angela Forstner-EbhartHS-Prof.in Univ.-Lektorin Dr.in MEd.: Lehramt fĂŒr Hauptschulen; Studium zum Master of Education an der University of Derby; Dissertationsstudium im Fachbereich Psychologie an der Univer-sitĂ€t Wien; Lehrende an der Hochschule fĂŒr Agrar- und UmweltpĂ€dagogik und an der Uni-versitĂ€t Wien im Bereich Bildungswissenschaft und PĂ€dagogische Psychologie; Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Nachhaltigkeitsbildung, Kompetenzorientierung, Förderdiagnostik, Lehrer_innenbildung; Mitglied der ÖFEB und der IGSP

Constanze HellmannBA MA: Studium Erziehungswissenschaft an der UniversitĂ€t Salzburg; diplomierte Mental- und EFT-Trainerin, Ausbildungstrainerin bei die chance Agentur gGmbH; Projektleiterin Fuchsbau „Erlebnis-, Lern- und Spieletreff”, „mittendrin statt nebenan”; Referentin in der Fort- und Weiter-bildung der PH Salzburg Stefan Zweig

Norbert JĂ€gerProf. Ing. BEd MA: Professor an der PH KĂ€rnten – Viktor Frankl Hochschule, Institut fĂŒr BerufspĂ€d-agogik; LehrtĂ€tigkeit in den Bereichen Methodik, Didaktik und Evaluation in der Aus-, Fort- und Weiterbildung; Mitglied der Lenkungsgruppe BerufspĂ€dagogik im Entwicklungsverbund SĂŒd-Ost; Forschungsschwerpunkte im Bereich Bildungsbiografien

146| AUTORINNEN/AUTOREN

Evelyn M. KoblerMag.a: Lehramtsstudium fĂŒr Romanistik und Philosophie, Psychologie; KindergartenpĂ€dago-gin und FrĂŒherzieherin; Lehrende an der BAfEP (Salzburg und Bischofshofen); Referentin in der Fort- und Weiterbildung (elementarpĂ€dagogische FachkrĂ€fte) am ZeKiP und an der KPH Edith Stein; Referentin an der PH OÖ im HLG Elementardidaktik; Doktoratsstudium an der School of Education (UniversitĂ€t Salzburg) im Themenbereich ElementarpĂ€dagogik; Forschungsassisten-tin fĂŒr ElementarpĂ€dagogik an der PH Salzburg Stefan Zweig

Judith KainhoferHS-Prof.in Mag.a Dr.in: Studium der Linguistik und Germanistik an der UniversitĂ€t Salzburg sowie PĂ€dagogik/Bildungswissenschaft; Hochschulprofessorin fĂŒr Linguistik mit Schwerpunkt (frĂŒhe) Sprachförderung, Spracherwerb; Leiterin des Kompetenzzentrums ElementarpĂ€dagogik an der PH Salzburg Stefan Zweig; Forschungsschwerpunkte: unauffĂ€lliger und beeintrĂ€chtigter Spracherwerb, Sprachförderung/-bildung, DaZ, Mehrsprachigkeit, Sprachförderkompetenz von PĂ€dagog_innen, Syntax und Sprachvergleich

Eva Kok-ErtlProf.in Mag.a: Lehramtsstudium fĂŒr Germanistik und Philosophie, Psychologie, PĂ€dagogik; Kin-dergartenpĂ€dagogin; Supervisorin; Referentin in der Fortbildung (KindergartenpĂ€dagog_in-nen); Lehrende an der BAfEP Salzburg; Lehrende am Institut fĂŒr FWB Sekundarstufe II der PH Salzburg Stefan Zweig (Unterrichtspraktikum, ILB); Konzeption und DurchfĂŒhrung des Hoch-schullehrgangs „Praxisanleitung im Elementarbereich″

JĂŒrgen KaschubePrivatdozent Dr. M.A.: Wirtschaftspsychologe; Promotion und Habilitation in Psychologie an der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen; seit 2012 Inhaber der Perform Salzburg OG; 2014 GrĂŒnder des Forschungsinstituts fĂŒr Wirtschaftspsychologie

Fred Kellner-SteinmetzMag.: Diplomstudium Psychologie; Arbeits-, Wirtschafts-, Organisationspsychologe; Gesund-heitspsychologe; Schulpsychologe; Lektor FH/UniversitÀt; Lehrbeauftragter am LFI; seit 1997 Bildungs- und Berufsberater in der Wirtschaftskammer Salzburg und Psychologischer Leiter des Talente-Check Salzburg

Claudia Christiane LangMag.a Dr.in MA: Studium der Germanistik fĂŒr Lehramt an der UniversitĂ€t Salzburg und der Bild-nerischen Erziehung an der Hochschule Mozarteum Salzburg; Promotion an der Germanistik, UniversitĂ€t Salzburg, im Bereich der MediĂ€vistik; Masterstudium „ProfessionalitĂ€t im Lehrberuf”, UniversitĂ€t Klagenfurt (Master of Arts in Education); Lehrerin an einem Gymnasium in Salzburg; Lehrbeauftragte an der fachdidaktischen Abteilung der Germanistik, UniversitĂ€t Salzburg; Mit-arbeiterin an der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig in Forschung sowie Lehre im Bereich der Aus- und Fortbildung

Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

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Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

Johann LehrerProf. Mag.: Studium der Germanistik und Geschichte an der UniversitĂ€t Salzburg; AHS/BHS-Lehramt fĂŒr Deutsch, Geschichte und Sozialkunde; Studium an der BerufspĂ€dagogischen Akademie des Bundes in Linz, Lehramt fĂŒr Berufsschulen; Abteilungsleiter Berufsschulen am Institut fĂŒr Fort- und Weiterbildung Sekundarstufe II an der PH Salzburg Stefan Zweig; Lehrender im Studiengang Sekundarstufe Berufsbildung Fachbereich Duale Ausbildung sowie Technik und Gewerbe, Schwerpunkte: DiversitĂ€t und Inklusion, Schulpraxis und Begleitung; Forschung in der beruflichen Bildung

Klaudia LettmayrProf.in BEd., MSc: Lehramtsstudium Informations- und KommunikationspĂ€dagogik und Master-studium eLearning und Content-Management; seit 2003 Lehrende an der PH OÖ, von 2009 bis 2013 Studiengangsleiterin fĂŒr Informations- und KommunikationspĂ€dagogik und seit 2013 Institutsleiterin des Instituts BerufspĂ€dagogik fĂŒr Aus- und Weiterbildung und damit Verantwort-liche fĂŒr die Erstellung, Umsetzung und Evaluierung der Curricula Sekundarstufe Berufsbildung einschl. E-Learning

Andrea LengerM. Sc.: in Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung; Lehrende an der Bildungsan-stalt fĂŒr ElementarpĂ€dagogik in Salzburg und im Lehrgang fĂŒr Inklusive ElementarpĂ€dagogik Bischofshofen (Kommunikation und Supervision); SonderkindergartenpĂ€dagogin und FrĂŒh-förderin; PH Salzburg Stefan Zweig: Konzeption und DurchfĂŒhrung des Hochschullehrganges „Praxisanleitung im Elementarbereich”; Referentin fĂŒr Kommunikation und Teamentwicklung in der Erwachsenenbildung

Anton LettnerProf. Mag.: Lehramtsstudium fĂŒr Geschichte und ReligionspĂ€dagogik an der UniversitĂ€t Salz-burg; Hochschullehrer fĂŒr Schul- und Unterrichtsentwicklung (2017/18) und Abteilungsleiter fĂŒr die BMHS (2015–2018) am Institut fĂŒr Fort- und Weiterbildung Sekundarstufe II an der PH Salz-burg Stefan Zweig; seit September 2018 Direktor des Katechetischen Amtes der Erzdiözese Salzburg

Sandra Leopolder MSc: Studium der Psychologie an der Paris Lodron UniversitĂ€t Salzburg, zuvor Ausbildung zur Kauffrau fĂŒr Marketingkommunikation; seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungs-institut fĂŒr Wirtschaftspsychologie und Mitarbeit bei Improve; seit Januar 2018 Arbeits- und Or-ganisationspsychologin bei der Perform Salzburg OG

Linder Wilhelm Mag.: Lehramtsstudium Biologie an der UniversitĂ€t Wien; langjĂ€hrige Mitarbeit im Forum Um-weltbildung und weiteren Initiativen der außerschulischen Natur- und UmweltpĂ€dagogik; Mitarbeit an UNESCO-Publikationen zu Themen der Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung; seit 2008 Lehrender an der Hochschule fĂŒr Agrar- und UmweltpĂ€dagogik mit den Schwerpunkten Ökologie und heimische Kulturlandschaften, NaturpĂ€dagogik sowie GrĂŒne PĂ€dagogik und Bildung fĂŒr nachhaltige Entwicklung

148| AUTORINNEN/AUTOREN

Lukas Mang MA: Masterstudium der Erziehungswissenschaften an der UniversitÀt Salzburg; seit 2015 Teil des Talente-Check Teams und seit MÀrz 2018 Leiter_innen Stellvertreter des Talente-Check Salzburg

Elke PembergerBEd. Dipl. PĂ€d.in: Lehramt fĂŒr Hauptschulen in Englisch sowie Biologie & Umweltkunde an der PĂ€dagogischen Akademie Salzburg; seit 2004 Lehrende an der Praxis-NMS der PH Salzburg Stefan Zweig; Praxislehrperson im Rahmen der schulpraktischen Studien; SchĂŒler- und Bil-dungsberaterin; Ausbildung zum Writing-Rater fĂŒr die Englisch BildungsstandardĂŒberprĂŒfung; Referentin in der Fort- und Weiterbildung; derzeit Ausbildung zur Hochschuldidaktikerin (LG KPH Edith Stein); Schulbuchautorin

Florian MitscheIng. BEd.: Seit 1997 Beratender Ingenieur fĂŒr Maschinenbau; Studium an der PH OÖ und an der PH Salzburg Stefan Zweig; Lehramt fĂŒr Berufsschulen – Gruppenlehrberufe Metalltechnik

Juliane SchmichMag.a Dr.in: Studium PĂ€dagogik an der UniversitĂ€t Salzburg; Researcher am Bundesinstitut fĂŒr Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) mit Schwerpunkt Lehrer_innen; National Project Manager fĂŒr TALIS 2008 und TALIS 2018; Lehrbe-auftragte an der UniversitĂ€t Salzburg Fachbereich Erziehungswissenschaft

Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

Claudia Malli-VoglhuberBEd MA: Lehramtsstudium Informations- und KommunikationspĂ€dagogik und Masterstudium eEducation; seit 2012 Lehrende in der Aus-, Fort- und Weiterbildung an der PH OÖ am Insti-tut BerufspĂ€dagogik fĂŒr Aus- und Weiterbildung im Bereich Information und Kommunikation; beteiligt an der Entwicklung von Curricula; Lektorin; eDidaktikerin; eBuddy; Mitarbeiterin im eLearning-Strategie-Team der PH OÖ; Referentin in der Aus-, Fort- und Weiterbildung

Susanne ObermoserMag.a Dr.in: Studium der ErnĂ€hrungswissenschaften an der UniversitĂ€t Wien; LSB ErnĂ€hrungs-beratung, Schwerpunkt Erwachsenenbildung; seit Sommersemester 2017 Lehrende an der PH Salzburg Stefan Zweig im Bereich Allgemeinbildung Sekundarstufe „ErnĂ€hrung und Haushalt/Haushaltsökonomie und ErnĂ€hrung”; Projektmitarbeiterin an der Paris Lodron UniversitĂ€t Salz-burg in Kooperation mit der Salzburger Gebietskrankenkasse und der PH Salzburg Stefan Zweig

|149AUTORINNEN/AUTOREN

Michael TocknerProf. Mag.: Jurist, mit pĂ€dagogischer und theologischer Zusatzqualifikation; im Rahmen der Rektoratsassistenz an der PH Salzburg Stefan Zweig u.a. zustĂ€ndig fĂŒr Fragen des Hochschul- und Studienrechts; Dissertationsprojekt zum schulischen und hochschulischen Nachteilsaus-gleich fĂŒr Menschen mit Behinderungen; Lehre neben Schulrecht auch zu Politischer Bildung, Kinder- und Menschenrechten und fremden Lebenswelten

Thomas WaldenbergerProf. B.Ed. MAS: Lehramt fĂŒr Hauptschulen (E, BS), Ausbildung zum Fach- und Verhaltenstrainer an der UniversitĂ€t Salzburg/Salzburg Management Business School; Ausbildung zum Trainer fĂŒr Unterrichtsentwicklung am PI Salzburg; Ausbildung zum akademischen Hochschuldidaktiker an der PH OÖ; Lehrender an der PH Salzburg Stefan Zweig in der Fort- und Weiterbildung in den Bereichen Schul- und Unterrichtsentwicklung und schulische Tagesbetreuung

Ramona UhlProf.in Mag.a Dr.in MBA: Professorin an der PH OÖ, Institut BerufspĂ€dagogik; LehrtĂ€tigkeit in in-ternationalen Bildungskooperationen; Lektorin an der FH Wels und an der JKU Linz; zertifizierte REHA Trainerin; Assessorin des EFQM; langjĂ€hrige Erfahrungen in der Wirtschaft und im Banken-bereich; aktuelle Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: ProfessionalitĂ€t, Simulation Gaming, Schul- und Unterrichtentwicklung, Begabungsforschung und Begabtenförderung

Tina WidmannMag.a Dr.in: Studium der Rechtswissenschaften an der Paris Lodron UniversitĂ€t Salzburg; Ge-schĂ€ftsfĂŒhrerin; Ausbildungstrainerin die chance Agentur gGmbH; diplomierte Mentaltrai-nerin; Autorin (KinderbĂŒcher/SachbĂŒcher/Lernunterlagen/wissenschaftliche BeitrĂ€ge,
); Referentin in der Fort- und Weiterbildung an der PH Salzburg Stefan Zweig; davor Juristin (Wirt-schaftsförderungsinstitut, Kinder- und Jugendanwaltschaft, selbstĂ€ndig); evangelische Religi-onspĂ€dagogin; Professorin fĂŒr politische Bildung und Recht; LR a D. Landesregierung Salzburg

Gabriele TischlerMag.a, MBA: Studium der Anglistik und FĂ€cherbĂŒndel Wirtschaft an der UniversitĂ€t Graz, MBA Studium an der University of New Orleans, USA; weitere Auslandsaufenthalte in Frankreich, Griechenland, Tschechien, Schweiz, Deutschland; seit 2015 Leiterin des Talente-Check Salz-burg

Alina VitzthumMSc: Studium der Psychologie an der UMIT – Private UniversitĂ€t fĂŒr Medizinische Informatik und Technik in Hall in Tirol; 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilian Universi-tĂ€t MĂŒnchen im Rahmen des LEADS- Projekts; 2016 Zertifizierung zur Arbeitspsychologin; seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsinstitut fĂŒr Wirtschaftspsychologie und Mit-arbeit bei Improve; seit 2018 Arbeits- und Organisationspsychologin bei der Perform Salzburg OG

Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

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GĂŒnter WohlmuthHS-Prof. Mag. Dr. OStR: Studium der Erziehungs- und Kommunikationswissenschaft an der Uni-versitĂ€t Salzburg; Studium an der PH OÖ Lehramt Berufsbildung; Fachbereichsleitung fĂŒr Be-rufsbildung am Institut fĂŒr Bildungswissenschaften und Forschung; Studienorganisation Bache-lor- und Masterstudien fĂŒr Sekundarstufe Berufsbildung; Fachbereich Duale Ausbildung sowie Technik und Gewerbe; LehrtĂ€tigkeit fĂŒr Bildungswissenschaften, Berufsdidaktik und PĂ€dago-gisch-Praktische Studien; Mitglied des Bundesforums fĂŒr BerufspĂ€dagogik des BMBWF

Autorinnen und AutorenAusgabe 13/2018

AUTORINNEN/AUTOREN

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Impressum

ph.scriptBeitrÀge aus Wissenschaft und Lehre PÀdagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig Ausgabe 13/2018 erscheint ein- bis zweimal jÀhrlich

Medieninhaberin, Verlegerin: PĂ€dagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig Akademiestraße 23 A- 5020 Salzburg

Herausgeber: Rektorat der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig Rektorin Elfriede Windischbauer

Redaktion: Ursula Buchner, Sabine Harter-Reiter, Claudia Christiane Lang, Judith Kainhofer, Silvia Kronberger, Pia Pröglhöf, Elisabeth Seethaler, GĂŒnter Wohlmuth

Chefredaktion: Silvia Giger Alle Artikel wurden einem Peer Review unterzogen

Lektorat: Claudia Christiane Lang

Layout/Satz: Hans-Peter Priller

Bilder, falls nicht anders angegeben: PH Salzburg Stefan Zweig

Bilder Umschlag: GĂŒnter Wohlmuth, Colourbox/PH Salzburg Stefan Zweig

Druck: Druckgrafik Elixhausen Gnann & Wagner GmbH Sachsenheimstraße 7 5161 Elixhausen

Offenlegung gemĂ€ĂŸ § 25 Mediengesetz:ph.script ist die Informationsschrift der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig und enthĂ€lt BeitrĂ€ge aus Wissenschaft und Lehre. Im Zentrum stehen Informa-tionen ĂŒber Aspekte der Lehrer_innenbildung, wissen-schaftliche Arbeiten, Projekte, Kooperationen und Pu-blikationen von Mitarbeiter_innen der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig sowie Gastautor_in-nen. Die veröffentlichten BeitrĂ€ge geben nicht not-wendigerweise die Meinung des Heraus gebers wider.

Haftungsausschluss: SÀmtliche Angaben in dieser Zeitschrift erfolgen trotz sorgfÀltiger Bearbeitung ohne GewÀhr. Eine Haftung der Autor_innen, der Verleger_innen und des Heraus-gebers ist ausgeschlossen.

Nutzungsbedingungen:Nachdruck oder sonstige Wiedergabe und Veröffent-lichung, elektronische Speicherung und kommerzielle VervielfÀltigung, auch einzelner BeitrÀge, können nur mit schriftlicher Genehmigung der Medieninhaber erfolgen.

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Inhalt

PÀdagogische Hochschule Salzburg BeitrÀge aus Wissenschaft und Lehre

Ausgabe 13 2018

ISSN 2411-4405

Das österreichische Berufsbildungssystem im internationalen Vergleich 5 Berufsbildung 4.0 – den digitalen Wandel gestalten 11 Gelingensfaktoren in der Berufsbildung 17 Improve – von der Schule in die Lehre – Anforderungen am Beispiel der PTS 23 Kompetenzorientiertes Lehren, Lernen und PrĂŒfen in einem europĂ€ischen Kontext 31 Entrepreneurship Education – das Mindset fĂŒr die Berufsbildung von heute! 38 NOST in Change! – Lost in Change? 42 Nachhaltigkeit und Berufsbildung: GrĂŒne PĂ€dagogik als didaktische Leitlinie 47 ErnĂ€hrungsinterventionen in der Schule und professionelles Handeln im Lehrberuf: eine Standortbestimmung 51 Professionalisierung elementarpĂ€dagogischer FachkrĂ€fte in Österreich – die Rolle der PĂ€dagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig innerhalb des aktuellen Qualifizierungsdiskurses 57 ePortfolios mit Microsoft OneNote 66 Von HTML zu G-code: Digitale Sprachen in der sich wandelnden Berufs-/Bildungswelt 71 ProfessionalitĂ€t im schulischen Ganztag 77 Lebenslanges Lernen in der beruflichen Bildung. Perspektiven fĂŒr Agierende in metalltechnischen Lehrberufen 82 Berufsausbildung nach § 8b Berufsausbildungsgesetz (BAG) – ein Erfolgsmodell? 87 Die Integration von bildungsbenachteiligten jungen Menschen ins Berufsleben 96 Systematische pĂ€dagogische Weiter entwicklung der Berufsschulinternate (Internate als Bildungsinstitutionen) – KompensationspĂ€dagogische Perspektive 101 Praktische Intelligenz – praktisch und intelligent: Geht das ĂŒberhaupt? 112 Das Projekt Talente-Check Salzburg – Kostenlose Bildungs- und Berufsberatung fĂŒr die 7. und 8. Schulstufe 118 Die Reform des österreichischen Schul- und Bildungswesens durch Leo Graf von Thun-Hohenstein – eine schulrechtshistorische Betrachtung (Teil 1) 124 Aus- und Fortbildungsschwerpunkte von österreichischen Grundschullehrer_innen im EU-Vergleich. Ergebnisse zu PIRLS 2016 128 Positives Klassenklima? 133


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