Stakeholdermanagement anhand des
Beispiels „Premium Cola“
Hausarbeit im Rahmen des Seminars:
Sustainable Entrepreneurship
WS 2011/2012
Abgabe: 31.03.2012
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3
2. Theoretische Aspekte des Stakeholdermanagements 4
2.1 Der Stakeholderansatz und das Unternehmensumfeld 4
2.2 Ideen und Relevanz des Stakeholdermanagements 7
2.3 Der Stakeholderdialog 7
3. Stakeholdermanagement am Beispiel des Unternehmens „Premium Cola“ 9
3.1 Vorstellung des Unternehmens 9
3.2 Bestimmung und Management relevanter Stakeholder 11
3.3 Vernetzung der Stakeholder 16
4. Kritische Bewertung und Fazit 18
5. Literaturverzeichnis 22
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Stakeholder-Konzept 5
Abbildung 2: Unternehmensumfelder und ihre Stakeholder 5
Abbildung 3: Das „Premium-Betriebssystem“ 11
Abbildung 4: Die Premium Cola-Flasche 13
Abbildung 5: Anteile Pro Flasche 16
Abbildung 6: Premiums Stakeholder-Netzwerk 18
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1. Einleitung
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Umfeld von Unternehmen, insbesondere mit den
darin agierenden Stakeholdern. Jedes Unternehmen ist in ein Umfeld eingebettet, das bei
Entscheidungen berücksichtigt werden muss, da die Beziehungen eines Unternehmens zu
seinem Umfeld sowie die Umfeldbedingungen wichtige Faktoren für den Erfolg eines
Unternehmens bilden. Ein Unternehmen darf demnach nie isoliert betrachtet werden, da
sonst die Erfolgschancen nicht vollkommen ausgeschöpft werden können (vgl. Witte 2007).
Auch im Management des Unternehmens ist es von großer Bedeutung das Umfeld stets zu
berücksichtigen, da oft schnelle Reaktionen auf Veränderungen gefordert sind. Zum einen
für den Erfolg des Unternehmens und zum anderen zur Zufriedenstellung aller Stakeholder,
die direkt oder indirekt von den Tätigkeiten des Unternehmens betroffen sind. Da
Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft immer enger gestrickt sind, ist es
heutzutage nicht mehr denkbar, dass Unternehmen unentdeckt und unbewertet von der
Öffentlichkeit ihren Tätigkeiten nachgehen. Sie stehen im breiten Licht der Öffentlichkeit und
berühren gesellschaftliche Interessen und Ansprüche durch ihr Handeln, sind aber ebenso
von Handlungen betroffen, die im Namen öffentlicher Interessen ausgeübt werden (vgl.
Oertel 2000, 1). Zum Beispiel existiert heutzutage eine enorme Macht von Seiten der
Konsumenten, die in der Lage sind, direkten Druck auf dem Umsatz unliebsamer
Unternehmen zu machen, anstatt über den Umweg der Politik zu gehen (vgl. Oertel 2000, 2).
Ziel dieser Hausarbeit ist es zu untersuchen, ob der Dialog mit Stakeholdern tatsächlich als
ein Instrument für Unternehmenserfolg dient. Die Arbeit wird in einen theoretischen und
einen praktischen Teil gegliedert. Es folgen zunächst theoretische Aspekte über den Ansatz
des Stakeholdermanagements, seine Relevanz für das Umfeldmanagement eines
Unternehmens und die Einordnung einzelner Stakeholder in verschiedene Umwelten, sowie
Interdependenzen zwischen diversen Stakeholdergruppen und das Konzept des
Stakeholderdialogs. Anschließend wird das Stakeholdermanagement anhand des Beispiels
Premium Cola, einer alternativen Getränkemarke, näher erläutert und analysiert. Angehend
mit einer kurzen Vorstellung des Unternehmens, folgt die Definition der relevanten
Stakeholder, sowie ihre Vernetzung und die Zuordnung zu den jeweiligen Umfeldern von
Premium Cola. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einem kurzen Fazit und einer kritischen
Bewertung, inwieweit das Stakeholdermanagement von Premium Erfolgschancen ergreift,
die sonst nicht möglich wären. Begleitet wird die Untersuchung von der Forschungsfrage, ob
und wie ein vollkommen nachhaltiges Stakeholdermanagement umgesetzt werden kann. Der
Begriff der Nachhaltigkeit wird durch die drei Säulen „Ökologie“, „Ökonomie“ und „Soziales“
getragen, demnach müssen in einem nachhaltigen Unternehmen alle drei Aspekte in
Einklang gebracht werden. Durch ein integriertes Stakeholdermanagement ist es möglich
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auch die sozioökonomischen Funktionen zu erzielen, indem Dialoge geführt werden, der die
wechselseitigen Forderungen klärt und abwägt (vgl. Kim 2002, 4). Dieser Dialog wird an dem
Praxisbeispiel detaillierter untersucht, da Premium ein Positivbeispiel für ein sehr intensives
und ausführliches Stakeholdermanagement darstellt.
2. Theoretische Aspekte des Stakeholdermanagements
2.1 Der Stakeholderansatz und das Unternehmensumfeld
Das Stakeholderkonzept wurde erstmals 1963 vom Stanford Research Institute in San
Francisco eingesetzt im Gegenzug zum Shareholderkonzept, um zu verdeutlichen, dass
Shareholder nicht die einzigen Anspruchs- oder Interessengruppen von Unternehmen sind
(vgl. Kim 2002, 5). Ziel des Shareholder-Ansatzes ist einzig der Wertzuwachs des
Unternehmens, um das Geld der Aktionäre zu mehren. Das Umfeld des Unternehmens lässt
sich jedoch nicht nur durch wirtschaftliche Kategorien beschreiben. „Jede Transaktion hat
direkte und indirekte Auswirkungen auf die Handlungsfelder Dritter innerhalb und außerhalb
des Unternehmens“ (Oertel 2000, 6). Aus dieser Annahme resultierte die Betrachtung der
Stakeholder. Stakeholder werden definiert als Individuen oder Gruppen, die an ein
Unternehmen einen materiellen oder immateriellen Anspruch („Stake“) haben (vgl. Figge &
Schaltegger 2000, 11). Alle Stakeholder stehen in einer interaktiven Austauschbeziehung zur
Unternehmung. Sie erbringen Leistungen für das Unternehmen, erwarten aber im Gegenzug
auch die Erfüllung ihrer Ansprüche und Interessen. Somit wird ein bestimmter Nutzen für die
Stakeholder generiert. (vgl Oertel 2000, 7).
Das Umfeld eines Unternehmens kann auf viele verschiedene Weisen dargestellt werden. In
Abbildung 1 gibt Schaltegger einen Überblick über die verschiedenen Stakeholder eines
Unternehmens. Da Unternehmen in unterschiedlichen Umfeldern stehen, existieren auch
ebenso verschiedenartige Stakeholdergruppen. Das generelle gesellschaftliche Umfeld
impliziert verschiedene Umfelder, in denen das Unternehmen eingebettet ist. Dazu gehören
das soziokulturelle Umfeld, das politische Umfeld, das technologische Umfeld, das
wirtschaftliche Umfeld und das juristische Umfeld. Diesen übergeordneten
Gestaltungskräften können verschiedene Interessen- und Anspruchsgruppen zugeordnet
werden, die sich in dem institutionellen gesellschaftlichen Umfeld befinden.
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Abb. 1: Stakeholder-Konzept (Quelle: Schaltegger & Sturm 1994, 9)
In Abbildung 2 wird noch einmal mit einer anderen Graphik deutlich gemacht, dass jede
Stakeholdergruppe einem bestimmten Umfeld zugeordnet werden kann.
Abb. 2: Unternehmensumfelder und ihre Stakeholder (Quelle: in Anlehnung an Schaltegger Vorlesungfolien „Einführung in das Nachhaltigkeitsmanagement 2010)
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So fallen zum Beispiel Gruppen wie Wissenschaftler, Ingenieure, Universitäten und
Fachhochschulen in das technologische Umfeld, während Lieferanten, Kunden und das
Management dem ökonomischen Umfeld zugeordnet werden können. Das institutionelle
gesellschaftliche Umfeld wird also von dem generellen gesellschaftlichen Umfeld umfasst,
wobei alle Umfelder mit ihren Stakeholdern in der natürlichen Umwelt eingebettet sind (s.
Abbildung 1). Im zentralen Mittelpunkt befindet sich das Unternehmen selber, welches
umgeben ist von seinen Interessen- und Anspruchsgruppen.
Man unterscheidet zwischen unternehmensinternen und externen Stakeholdern (vgl.
Schaltegger et al. 2003, 36). Zu den internen Stakeholdern gehören Mitarbeiter,
unterschiedliche Managementebenen oder Abteilungen. Externe Stakeholder sind
beispielsweise Eigentümer, Lieferanten, Konkurrenten, Endabnehmer, Kreditgeber und
Medien. Zwischen den Stakeholdern und ihren Umfeldern existieren Interdependenzen. In
der Praxis sind die Umfelder ziemlich stark verknüpft und überschneiden sich in vielen
Bereichen. Die Stakeholder können aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden (vgl.
Schaltegger et al. 2003, 47) und unterscheiden sich signifikant in ihrer Beziehung und in
ihrem Einflusspotential auf das Unternehmen (vgl. Kim 2002, 6). Ihre Klassifizierung ist
eigentlich nie überschneidungsfrei, d.h. sie können gleichzeitig unterschiedlichen Gruppen
angehören. Deshalb wird davon ausgegangen, dass Akteure einer Kernanspruchsgruppe
angehören und in erster Linie deren Interessen verfolgen (vgl. Oertel 2000, 11). Generell
werden durch die zahlreichen Anspruchs- und Interessengruppen unterschiedliche
Erwartungen und Ansprüche an das Unternehmen gestellt. Kunden erwarten, dass ihre
Bedürfnisse befriedigt werden, Mitarbeiter fordern Sicherheit und fairen Lohn, das
Management seine berufliche Erfüllung, die Eigentümer eine Unternehmenswertsteigerung,
Umweltinitiativen fordern z.B. nachhaltiges Verhalten und die Öffentlichkeit eine gerechte
Zukunftssicherung (vgl. Kim 2002, 7). Es sind aber nicht alle Stakeholder für jedes
Unternehmen relevant. Jedes Unternehmen muss im Einzelfall untersuchen, welchen
Ansprüchen welcher Anspruchsgruppen es gegenübersteht (vgl. Oertel 2000, 12). Die
Bedeutung einer Anspruchsgruppe ist von drei Faktoren abhängig: dem Vertrautheitsgrad,
dem Abhängigkeitsgrad und dem Einflussgrad. Diese entscheiden, wie wichtig und
bedeutend die jeweiligen Stakeholder für das Unternehmen sind. Der Vertrautheitsgrad misst
die Unsicherheit, die das Unternehmen gegenüber den Ansprüchen empfindet. Der
Abhängigkeitsgrad beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, sich den erhobenen
Ansprüchen zu entziehen, während der Einflussgrad analysiert, inwieweit eine
Anspruchsgruppe fähig ist, das Unternehmen zu beeinflussen, um ihre Ansprüche
durchzusetzen (vgl. Oertel 2000, 11).
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2.2 Ideen und Relevanz des Stakeholdermanagements
In der Wirtschaft wird zwischen dem strategischen und dem normativen
Stakeholdermanagement unterschieden. Spricht man von strategischem
Stakeholdermanagement, werden die Interessen der Stakeholder lediglich aufgrund
möglicher positiver ökonomischer Effekte untersucht. Bei einem normativen
Stakeholdermanagement wird den legitimen Stakeholderinteressen ein Wert an sich
zugeschrieben. Die Betrachtung und Einbeziehung der Stakeholder dient in diesem Falle
nicht nur instrumental der Unternehmenssicherung. Die Legitimation der Ansprüche kann
durch einen Stakeholderdialog bestimmt werden. (vgl. Brink)
Ein erfolgreiches Stakeholdermanagement muss die Verhaltensweisen der
Anspruchsgruppen zutreffend interpretieren und nicht nur ihre Ideologien verstehen (vgl.
Oertel 2000, 27). Eine weitere Herausforderung ist die dynamische Veränderung von
Stakeholdern im Zeitverlauf. Die Dynamik muss als wichtiger Ansatzpunkt in die
Managementanforderungen aufgenommen werden, da eine schnelle Anpassung an
Veränderungen im Umfeld überlebenswichtig für ein Unternehmen ist. (vgl. Oertel 2000, 11)
Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, wie ein Stakeholdermanagement umzusetzen
ist. Zunächst einmal muss unterschieden werden zwischen der Stakeholderanalyse und dem
Stakeholdermanagement. Die Stakeholderanalyse betrifft die Identifikation und Priorisierung
der Stakeholder und ist dem Stakeholdermanagement vorangestellt. Hier werden
Stakeholder auf ihre Ansprüche, Interessen und ihr Verhalten analysiert. Die gewonnenen
Erkenntnisse können in den Managementprozess integriert werden. Das
Stakeholdermanagement impliziert Verhandlungen, Kommunikation,
Beziehungsmanagement und Motivation der Stakeholder, damit diese auf der einen Seite im
Sinne und zum Wohle der Unternehmung handeln und auf der anderen Seite ihre eigenen
Ansprüche und Interessen befriedigt werden können (vgl. Harrison et al. 1994, 17).
2.3 Der Stakeholderdialog
Der Stakeholderdialog ist ein wichtiges Instrument für das Management der Anspruchs- und
Interessengruppen. Es handelt sich um ein strukturiertes Gespräch zwischen
Unternehmensvertretern und den gesellschaftlichen Interessensgruppen des Unternehmens
(vgl. Doeko). Der Dialog kann virtuelle Formate annehmen oder vor Ort durchgeführt werden.
Ziel ist es, einen Wert für alle zu schaffen, die von den Auswirkungen der Handlungen eines
Unternehmens betroffen sind.
Ein Stakeholderdialog kann verschiedene Ziele verfolgen, die vorher genau definiert werden
sollten. Ein Dialog schafft Transparenz und zeigt, wo mögliche Konfliktpotenziale in der
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Gegenwart und in Zukunft liegen und von welcher Seite Widerstand zu erwarten ist. Man
kann Dialoge in die Wege leiten, um die Meinung der Stakeholder zu jeweiligen
Unternehmenstätigkeiten zu erfahren und ihre Vorstellungen und Einwände besser
verstehen zu lernen. Auch für bestimmte (Nachhaltigkeits-) Strategien kann ein Dialog
mögliche Stärken und Schwächen sichtbar machen, bevor sich ein Unternehmen damit an
die Öffentlichkeit wagt. Generell dient der Stakeholderdialog dazu, die Gesellschaft und das
Unternehmen näher zueinander zu bringen und möglicherweise neue Kommunikationswege
einzutreten und miteinander zu kooperieren. Auch auf Seiten der Stakeholder entstehen
neue Erkenntnisse und mehr Verständnis. (vgl. Leitschuh-Fecht 2005, 10)
Das Unternehmen, sowie die Stakeholder können von einem Dialog auf mehrfache Weise
profitieren. Unternehmen wird ermöglicht, neue Kooperationspartner zu finden und durch das
ständige Gespräch mit gesellschaftlichen Gruppen ihre Perspektiven und Sichtweisen von
der Welt außerhalb des Betriebes zu erweitern. Auch Eskalationen in der Öffentlichkeit
können mit einem Stakeholderdialog vermieden werden, da mögliche Unzufriedenheiten
vorher geklärt werden können. Stakeholder erhalten mit einem Dialog eine Plattform für ihre
Anliegen, um ihren Argumenten Gehör zu verschaffen und ihre Anspruchsbefriedigung zu
realisieren. Sie haben die Möglichkeit komplementäres Wissen einzubringen, das dem
Unternehmen in dieser Form nicht vorhanden ist. Trotzdem sind viele Stakeholder skeptisch
gegenüber Stakeholderdialogen, da sie Angst haben als „nachhaltiges Feigenblatt“
missbraucht zu werden. (vgl. Leitschuh-Fecht 2005, 11)
Um solche Risiken zu vermeiden, müssen wichtige Bedingungen erfüllt und Vorbereitungen
getroffen werden. Zunächst müssen die Ziele eines Dialogs für alle Anwesenden offen
formuliert und klar definiert werden. Die Stakeholder müssen erkennen, dass das
Unternehmen es ernst meint und die gewonnenen Erkenntnisse für ihre zukünftige
Unternehmensführung nutzen wird. Während des Dialogs sollte Klarheit und Ehrlichkeit
herrschen. Informationen müssen offen auf den Tisch gelegt werden, damit am Ende auch
sinnvolle Entscheidungen getroffen werden. Image- und Marketingaspekte haben in einem
Stakeholderdialog nichts verloren. Die Bereitschaft zu ernsthaften Gesprächen und
Kompromissen schwindet, sobald das Unternehmen den Dialog mit der Absicht beginnt,
damit sein Image nach außen verbessern zu können. Äußerst wichtig für ein Gespräch mit
Gruppen aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen ist gegenseitiges Zuhören, ohne in
eine Rechtfertigungshaltung zu verfallen, sowie Wertschätzung und Geduld für fremde
Kulturen, Werte- und Zielsysteme. Es kann eine Weile dauern, bis die Teilnehmer und
Teilnehmerinnen eines Dialogs zueinander finden und eine gemeinsame
Kommunikationsplattform gefunden haben. Hierbei sollte man nicht die Geduld verlieren und
seinen Gesprächspartnern Aufmerksamkeit, gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen
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entgegen bringen und erkennen, dass andere Perspektiven auch den eigenen Horizont
erweitern können (vgl. Leitschuh-Fecht 2005, 15). Es muss eine sorgfältige und kluge
Auswahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen stattfinden. Kritische sowie positiv
zugewandte Meinungen gegenüber den Tätigkeiten des Unternehmens sollten vertreten
sein. Außerdem ist es von Nutzen, wenn sich die anwesenden Personen auszeichnen durch
Kompetenz und Interesse an dem Projekt. Es ist notwendig, dass einige Spielregeln des
Dialogs festgelegt werden, sowie eine unabhängige Moderation gesichert wird, die von allen
akzeptiert wird und ergebnisorientiert angelegt ist. Es ist ebenso wichtig keine
Schnellschlüsse zu ziehen und Geduld für die Ergebnisfindung aufzubringen. Erst wenn der
Dialog als langfristiges Unterfangen betrachtet wird, können produktive Resultate erlangt
werden. (vgl. Leitschuh-Fecht 2005, 16)
3. Stakeholdermanagement am Beispiel des Unternehmens „Premium
Cola“
In diesem Kapitel wird das Stakeholdermanagement anhand des Beispiel Premium Cola
näher erläutert. Nach einer kurzen Vorstellung des Unternehmens, erfolgt die Definition der
relevanten Stakeholder von Premium, sowie ihre Vernetzung untereinander.
3.1 Vorstellung des Unternehmens
Bei dem Unternehmen Premium Cola handelt es sich um ein Hamburger
Getränkeunternehmen, das 2001 von einer Gruppe junger Menschen gegründet wurde und
ein eigenes alternatives Getränkelabel herstellt und vertreibt. Offizieller Inhaber der Marke ist
Uwe Lübbermann, faktisch gehört sie aber dem Kollektiv (vgl. Mously 2009, 21).
Entstanden ist das Getränkelabel durch eine Protestaktion 1999 gegen die Mineralbrunnen
Überkingen-Teinach AG, da diese die Kultmarke Afri-Cola gekauft hatte und die Rezeptur
heimlich veränderte. Der Inhalt bestand überraschenderweise nur noch aus 60% weniger
Koffein und stattdessen mehr Zucker. Daraufhin wurde die Interessengruppe Premium
gegründet, die von dem neuen Besitzer der Cola-Marke forderte, zur alten Rezeptur
zurückzukehren. Die Beschwerden wurden angehört und ein Krisenmanager eingestellt, der
die Protestierenden betreuen sollte. An der Situation geändert wurde jedoch nichts (vgl.
Premium Cola, Geschichte). Durch Zufall wurde der ehemalige Hersteller von Afri-Cola
ausfindig gemacht, der über das ursprüngliche Rezept verfügte. Anfangs wurden 1000
Flaschen produziert für den kleinen Kreis der Menschen, die sich von der Getränkeindustrie
betrogen fühlten (vgl. Mously 2009, 22). Als die Anfrage auch von Seiten einiger
Gastronomen stieg, wurde zum ersten Mal über die Gründung eines Unternehmens
nachgedacht. Hierbei sollte es sich aber vielmehr um eine Art Kollektiv handeln, bei dem alle
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Beteiligten nach dem Prinzip der Konsensdemokratie über jegliche Aktivitäten des
Unternehmens mitbestimmen können und die Entscheidungsgewalt nicht auf eine Person
konzentriert ist. Es sollte der Beweis erbracht werden, dass Moral und Wirtschaft zusammen
funktionieren können (vgl. Premium Cola, Betriebssystem). Im Laufe der Zeit wurde das
„Premium-Betriebssystem“ erarbeitet, eine Struktur aus ökologisch und sozial gerechter
Betriebswirtschaft. Ziel ist es, „ethisch korrekt“ zu handeln und Abstand von traditionellen
wirtschaftlichen Zielen zu nehmen. Ein großer Unterschied zu anderen Unternehmen ist
demnach der komplette Verzicht auf Gewinn und expansives Wachstum (vgl. Mously 2009,
23). Zu Anfang wurden sechs moralische Prinzipien definiert, die als Grundlage aller
weiteren Entscheidungen dienen sollten, mittlerweile jedoch etwas überholt sind und daher
nicht näher erläutert werden: Geschichte, Kraft, Geschmack, Aufrichtigkeit, Konsequenz,
Leben (vgl. Premium Cola, Begriffe).
Inzwischen wird neben der Premium-Cola auch Premium-Bier vertrieben, sowie der
Premium-Kaffee und die Frohlunder-Limonade. Diese beiden Produkte befinden sich jedoch
noch in ihrer Aufbauphase.
Gesteuert wird das Projekt über ein Internet-Kollektiv mit einer Mailingliste und einem Forum,
bei denen jeder Schritt von allen Beteiligten laufend diskutiert und abgewogen werden kann.
Vom Abfüller über Mitarbeiter, Sympathisanten, Lieferanten, Händler bis zum
Endverbraucher ist jeder stimmberechtigt und kann jede Entscheidung blockieren (vgl.
Mously 2009, 24). Es gibt weder ein Firmengebäude, noch eigene Produktionsanlagen oder
Lastkraftwagen. Die Leistung des Kollektivs ist vielmehr die Steuerung der „Hardware“, also
die des gesamten Netzwerks, mit einer Art gedanklicher „Software“, dem „Premium-
Betriebssystem“ (vgl. Premium Cola, Betriebssystem). Die Mitarbeiter arbeiten vom Ort des
Geschehens aus und klären Angelegenheiten über Internet und Telefon. Produktion, Logistik
und Handel werden jeweils von selbstständigen Experten als regelmäßige Auftragnehmer
erledigt (vgl. Premium Cola, Betriebssystem). Mittlerweile gibt es 179 Beteiligte, die in
Österreich, der Schweiz und Deutschland verteilt sind (vgl. Mously 2009, 21). In Deutschland
gibt es fünf Verteilerketten, die die Produkte dann regional an Einzelhändler verteilen.
Bei dem Betriebssystem von Premium handelt es sich um eine Form des „Open Franchise“.
Das Geschäftsmodell darf demnach beliebig kopiert, verbreitet und für kommerzielle Zwecke
genutzt werden, solange die Herkunft durch einen Link zur Premium Internetseite angegeben
wird und die Weitergabe an Dritte unter mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgt (vgl.
Premium Cola, Betriebssystem). Das Betriebssystem basiert auf den drei Handlungsfeldern
Soziales, Ökonomie und Ökologie, sowie aus diversen Schutz- und Transferfeldern (s. Abb.
3). Unter jede Dimension fallen Module, die mehr oder weniger Pflicht für die Übernahme
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des Betriebssystems sind, sowie zusätzliche Module, die nach Belieben kopiert werden
dürfen.
Abb. 3: Das „Premium-Betriebssystem“ (Quelle: in Anlehnung an Premium Cola, Betriebssystem)
3.2 Bestimmung und Management relevanter Stakeholder
Premium Cola versucht mit seinem außergewöhnlichen Betriebssystem die Bedürfnisse
seiner Stakeholder zu befriedigen und sie in allen wichtigen Entscheidungen mit
einzubeziehen. Im Folgenden werden die relevanten Stakeholdergruppen von Premium
bestimmt und erklärt, wie das Kollektiv sein Stakeholdermanagement in die Tat umsetzt. Die
folgenden Angaben über das Stakeholdermanagement der einzelnen Interessen- und
Anspruchgruppen fallen alle unter die fünf genannten Module des „Premium
Betriebssystems“.
Da die Entscheidungsgewalt nicht auf eine Person beschränkt ist, sondern alle Beteiligten in
dem Problemlösungsprozess mit eingebunden sind, existiert kein richtiges Management des
Unternehmens. Daher werden nur die Mitarbeiter aus der Gruppe der unternehmensinternen
Stakeholder betrachtet. Weitere Stakeholder von Premium, wie Kunden, Händler,
Lieferanten, Gastronomen und Wettbewerber, lassen sich dem ökonomischen Umfeld
zuordnen. Da ein weiteres Handlungsfeld des Unternehmens die Ökologie ist, wird die
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Umwelt als Stakeholder indirekt repräsentiert durch Umweltschutzverbände und
Nichtregierungsorganisationen, die aus dem politischen und soziokulturellen Umfeld
stammen können. Selbstverständlich sind das nicht die einzigen Umfelder, in denen das
Kollektiv eingebettet ist. Dazu kommen beispielsweise noch Forschungseinrichtungen und
Universitäten aus dem technologischen Umfeld oder Lobbying-Organisationen und Verbände
aus dem politischen Umfeld. In dieser Arbeit wurde sich jedoch auf die wichtigsten
Stakeholder von Premium Cola beschränkt, da es sonst den Rahmen sprengen würde.
Mitarbeiter
Das Kollektiv beruht auf dem Konzept einer virtuellen Firma, d.h. es existiert weder ein
Firmengebäude noch Büros für die Mitarbeiter. In dieser virtuellen Organisationsform haben
die mitarbeitenden Kollektivisten mehr Freiheiten als in üblichen Geschäftsbeziehungen, da
sie ihre Arbeit bequem von zu Hause aus oder unterwegs erledigen können. Zudem spart
dieses Modul Reise-, Transport- sowie Papierkosten, da die Kommunikation auf digitaler
Ebene stattfindet (vgl. Premium Cola, Soziales). Kollektivisten, die über längere Zeit
Aufgaben zur Zufriedenheit des Unternehmens erfüllt haben, erhalten in bestimmten
Situationen Freiräume für eigene Entscheidungen. Sie müssen aber jederzeit damit rechnen,
dass ihnen diese Vorzüge im Nachhinein wieder angenommen werden, sobald sie ihre Arbeit
nicht mehr nach den Bedürfnissen aller Beteiligten erledigen. Dadurch entsteht ein starkes
Motiv, so zu arbeiten, dass alle Stakeholder zufrieden gestellt werden (vgl. Premium Cola,
Soziales).
Ein weiteres Basismodul des Betriebssystems unterstreicht die Notwendigkeit, dass
bestimmte Mindeststandards im Unternehmen eingehalten werden müssen. So zum Beispiel
gehört die Arbeit der Kollektivisten mit einem Mindestlohn entlohnt, der jedoch nicht von allen
Mitarbeitern angenommen wird. Viele Menschen arbeiten nebenberuflich bei Premium und
legen ihre Entlohnung als Reserve für das Kollektiv oder auf einer Umweltbank an (vgl.
Premium Cola, Soziales). Außerdem gelten soziale Mindeststandards z.B. bei der
Herstellung, Logistik, Handel oder dem Verkauf. Es existieren nur Kooperationen mit
Händlern und Lieferanten, die ihre Mitarbeiter gerecht behandeln und angemessen
entlohnen. Es wurde bereits die Zusammenarbeit mit einem Großhändler beendet, der
seinem Sortierer einen unverschämt geringen Lohn zahlte (vgl. Premium Cola, Soziales).
Kunden
Damit die Produkte für die Endabnehmer möglichst transparent sind, werden alle relevanten
Informationen auf der Internetseite verfügbar gemacht, sprich Herkunft der Zutaten,
Komponenten des Getränks sowie Kontaktdaten, Flaschenstatistiken, Kontobewegungen,
Gesprächstermine, Berichte von Verhandlungen, Rechtsgrundlagen, Hintergründe zu
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Entscheidungen, strategische Perspektiven und einige andere. Dadurch entsteht eine
gewollter Druck, alle Aktivitäten möglichst ehrlich und gerecht zu gestalten (vgl. Premium
Cola, Soziales). Auch ungeplante und negative Vorfälle und Störungen werden im Block
veröffentlich, sodass Kunden über keine Aktivitäten des Kollektivs im Unwissen gehalten
werden.
Um Preiserhöhungen und Belastungen der Kunden zu vermeiden, wird strikt auf unnötige
Werbung verzichtet. Das Kollektiv arbeitet vielmehr mit dem Konzept der Pull-
Kommunikation, bei dem Kunden aktiv nach angebotenen Informationen über das Produkt
suchen können. Um das Produkt und das Betriebssystem bekannter zu machen, setzt
Premium Cola auf soziale Medien wie dem Blog/Forum, Facebook, Twitter sowie Links zu
Fanprofilen (vgl. Premium Cola, Ökonomie/ Premium Cola, Transfer). Durch den Verzicht auf
Werbung und andere Maßnahmen, wie Sponsoring, Rückvergütung, Preisverhandlungen,
Platzierung etc. konnten im Jahr 2008 vier Cent Preissenkung pro Flasche erzielt werden.
Daraufhin ist die Zahl der Endabnehmer gestiegen und das Vertrauensverhältnis zwischen
Unternehmen und Kunden wurde verbessert (vgl. Premium Cola, Ökonomie).
Abb. 4: Die Premium Cola-Flasche (Quelle: Premium Cola, Download)
In Abbildung 4 ist das bereits zum Markenzeichen gewordene schlichte Aussehen der
Premium Cola-Flasche erkennbar. Da das Produkt mit Geschmack und Qualität überzeugen
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soll, besteht es aus einem sehr reduzierten Design mit einer klaren Flasche, einem weißen
Kronkorken und einem schmalen schwarzen Etikett. Ein Logo, Kleingedrucktes sowie eine
Halsbinde, die normalerweise verhüllt, dass die Flüssigkeitsmenge von Flasche zu Flasche
variiert, existieren nicht (vgl. Mously 2009, 22). Es wird vielmehr auf allen möglichen Wegen
versucht, eine Täuschung des Kunden zu vermeiden.
Um dem Alkoholismus entgegenzuwirken, wird von jeder verkauften Flasche ein bestimmter
Anteil (über 10%) abgezweigt, da durch den Verkauf des Premium-Biers auch Zielgruppen
angesprochen werden, die unter Alkoholsucht leiden (vgl. Premium Cola, Soziales).
Händler und Lieferanten
Die Handelsbeziehungen zwischen dem Kollektiv und seinen Partnerunternehmen werden
nicht durch schriftliche Verträge gesichert. Sie bestehen vielmehr aus Vertrauen und werden
per Handschlag oder Mail abgeschlossen. Als Konsequenz daraus wächst das Interesse
einer gegenseitigen ehrlichen Behandlung und führt zu einer Struktur mit jahrelangen
Partnerschaften. (vgl. Premium Cola, Soziales)
Es werden keine festen Termine für Händler und Lieferanten festgelegt, um Stress und
Schlafmangel zu vermeiden. Außerdem findet eine Überprüfung statt, ob LKW-Fahrer ihre
Pausen einhalten können. (vgl. Premium Cola, Soziales)
Es wurden Festpreise für Premium-Cola und Premium-Bier festgelegt, die dafür sorgen, dass
sich mehrere Getränkehändler einer Stadt nicht über den Preiswettbewerb befehden.
Händler, die nur kleinere Mengen bestellen, werden unterstützt durch die Subvention des
Lieferweges mit einem Anti-Mengenrabatt. Rechnungen werden bei Eingang sofort
beglichen, Skonti jedoch nicht angenommen, da Sofortzahlung eigentlich die Regel im
Miteinander sein sollte. Zinsen auf Forderungen werden nicht genommen, falls
Verhandlungspartner mal nicht in der Lage sein sollten, ihre Rechnungen sofort zu
begleichen. Wenn z.B. ein Händler einen Großhändler nicht bezahlt, wird der Schaden aus
der Premium-Kasse beglichen und später wieder in Raten von dem Zahlungsunfähigen
zurückgeholt. Sollte ein Gastronom oder ein Händler unverschuldet auf Premium-Produkten
sitzen bleiben, bietet Premium die Warenrücknahme an plus eventueller Frachtkosten. (vgl.
Premium Cola, Ökonomie)
Wettbewerber
Das Ziel von Premium Cola ist es, ihre Arbeitsweise in den Rest der Welt zu tragen, um
diese ein Stück besser zu machen. Deshalb wird das „Premium Betriebssystem“ auch als
Form des Open Franchise auf der Internetseite veröffentlicht und darf kostenlos
übernommen werden. Das Kollektiv bietet ebenso Beratung bei der Umsetzung an, wobei
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die Arbeitszeit und Reisekosten erstattet werden müssen. Auch Neugründungen werden
sehr durch das Wissen und Erfahrungen von Premium unterstützt, zumal das Kollektiv somit
auch andere Unternehmen zu einer besseren Arbeitsweise in Feldern Ökonomie, Ökologie
und Soziales animieren möchte. Wer aktuelle oder zukünftige Module des Betriebssystems
kopiert, darf sein Produkt auch „Premium“ nennen, solange ein Link zur Premium
Internetseite besteht (vgl. Premium Cola, Transfer). Die Annahme, dass man miteinander
weiter kommt als gegeneinander, ist der Grund für die Kooperation mit einer Reihe anderer
kleiner Marken, da man sich auf diesem Weg gegenseitig Hilfe anbieten kann.
Zusammenarbeit könnte zum Beispiel erfolgen durch einen Leergut-Pool für die gemeinsame
Nutzung, die Lieferung über den Premium-Verteiler oder das Teilen eines
„Außendienstleisters“ (vgl. Premium Cola, Transfer). Premium Cola steht also nicht im
offenen Wettbewerb mit anderen Mitstreitern, sondern dient eher als Vorbild für andere
Wettbewerber.
Umwelt
Umweltschutzverbände und Nichtregierungsorganisationen haben Interesse an
umweltfreundlichen Prozessabläufen und ressourcenschonenden Aktivitäten des
Unternehmens und besitzen viel Einfluss durch die Medien.
Die umweltorientierten Maßnahmen von Premium Cola fallen unter das Modul „Ökologie“.
Das Kollektiv verzichtet auf überflüssige Etiketten auf der Flasche, wodurch unter anderem
Papier gespart, Belastungen während der Herstellung verringert und die Etikettendrucke
reduziert werden. Außerdem wird nur FSC- bzw. PEFC-zertifiziertes Etikettenpapier bedruckt
und casein-freier (veganer) Leim verwendet. Die Flaschen sind aus Mehrwegglas und bei
den Transportkisten handelt es sich um schwarzes Kisten, die wesentlich mehr
Recyclingmaterial enthalten. Ein bestimmter Prozentanteil pro Flasche wird in die Pflege
einer Streuobstwiese investiert, um CO2-Belastungen durch den Transport auszugleichen.
Dieser Anteil macht ungefähr 5% aller Einnahmen aus. Kunden, die in Kopenhagen oder
Spanien sitzen, werden aufgrund ihrer weiten Entfernung abgelehnt. Außerdem werden nur
LKW losgeschickt, die voll ausgelastet sind. Es gibt wenige große Getränkegroßhändler in
Deutschland, zu denen die Ware aus treibstoffsparenden Gründen gebündelt gefahren wird.
Diese verteilen daraufhin die Produkte regional an kleine Einzelhändler weiter. (vgl. Premium
Cola, Ökologie)
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3.3 Vernetzung der Stakeholder
Das wichtigste Instrument des Stakeholdermanagements von Premium ist der
Stakeholderdialog, der dem Großteil unter Punkt 2.3 genannten Bedingungen für einen
erfolgreichen Dialog entspricht. Es wird auf verschiedene Weisen versucht, keinen der
relevanten Stakeholder in irgendeiner Art auszubeuten. Nach dem Prinzip der
Konsensdemokratie haben alle oben genannten Stakeholder über die Mailingliste und das
Forum von Premium die Möglichkeit, sich an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen, aber
auch Unzufriedenheiten kundzutun und zusammen mit anderen Beteiligten eine zu Lösung
finden. Es wird so lange diskutiert, bis alle mit dem Endergebnis einverstanden sind (vgl.
Premium Cola, Soziales). Neben einem maximalen Outsourcing, indem Produktion, Logistik
und Handel von selbstständigen Partnerunternehmen erledigt werden, betreibt das
Unternehmen ebenfalls maximales Insourcing, da alle Beteiligten bei allen Fragen der
gesamten Organisation gleichberechtigt mitreden können (vgl. Premium Cola, Soziales).
Zum Beispiel wird auf der Internetseite von Premium die Preispolitik nachvollziehbar bis ins
kleinste Detail abgestimmt und für jeden öffentlich gemacht.
Abb. 5: Anteile Pro Flasche (Quelle: Lübbermann Präsentation vom 08.12.2011)
Abbildung 5 zeigt anhand einer einzelnen Flasche, welchen Anteil die Beteiligten jeweils
bekommen. Die Zutaten machen hier den kleinsten Teil aus, während der Rest durch
Dienstleistungen erbracht wird, sprich durch die Abfüller, das Kollektiv, die Großhändler, die
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Händler und die Gastronomen. Auf diesem Weg wird beispielsweise auch bestimmt, welchen
Anteil der Markeninhaber Uwe Lübbermann erhält. Dieser Fakt motiviert zu einer fairen
Behandlung aller weiteren Stakeholder, da sonst sein Beitrag geschmälert werden kann.
Zusätzlich schafft die Vorgehensweise Klarheit darüber, wie viel Geld verfügbar ist und was
ausgegeben werden kann. (vgl. Premium Cola, Soziales/ vgl. Premium Cola, Ökonomie)
Durch eine flaschenweise Kalkulation wird ein Gewinnstreben auf Kosten anderer
ausgeschlossen, da kein Gewinnanteil existiert. Die Anteile je Flasche werden entweder
direkt an Beteiligte gezahlt oder als Reserve einbehalten für eventuelle Strukturkosten oder
Ähnliches. Die Konsequenz dieser Kalkulation ist, dass niemand mehr Geld bekommen
kann, indem er die Ausgaben für jemand anderen kürzt. (vgl. Premium Cola, Ökonomie) Der
Fall einer Gewinnerwirtschaftung würde bedeuten, dass in irgendeinem Teil des Netzwerks
einem Stakeholder zu viel Geld abgenommen wurde. Premium stellt demnach ein
Geschäftsmodell vor, bei dem niemand ausgebeutet werden kann (vgl. Bergmann 2006).
In dieses Netzwerk wird nicht jeder aufgenommen. Neue Kollektivisten bekommen nur dann
Zugang, wenn sie mindestens einen Kollektivisten persönlich kennengelernt (vgl. Premium
Cola, Kollektiv) und für in Ordnung befunden haben. Es handelt sich folglich um ein
Netzwerk, in dem jeder Teilnehmer sehr bedacht ausgesucht wird. Nicht ohne Grund sprach
Bergmann von einer Cola, die es aus Prinzip nicht überall gibt „und dort wo es sie gibt, ist sie
eine Art Gütesiegel für die jeweilige Lokalität“ (Bergmann 2006).
Abbildung 6 zeigt einen groben Überblick des Stakeholder-Netzwerks von Premium. Ein
wenig unübersichtlich macht es trotzdem deutlich, wie viele geschäftliche Verbindungen
zwischen den Stakeholdern existieren. Im Zentrum steht das Untenehmen selber, das mit
vielen anderen Interessen- und Anspruchsgruppen kooperiert. Wenn man bedenkt, dass alle
Geschäftsbeziehungen nicht durch Verträge, sondern durch Handschlag abgeschlossen
wurden und jeder Einzelne die Möglichkeit hat, jederzeit zu gehen, wird deutlich, wie wichtig
die Wahl der Beteiligten ist. Die Beziehungen basieren voll und ganz auf Vertrauen, welches
durch eine Kommunikation auf sehr persönlicher Ebene aufgebaut wird. Im Falle von
Problemen finden eher Aushandlungen statt, als der Austausch von Partnern (vgl. Premium
Cola, Soziales). Getrennt wird sich erst, wenn es keine andere Alternative mehr gibt. Daher
setzt das Kollektiv auf eine sorgfältige Auswahl ihrer Netzwerkteilnehmer, um langjährige
und treue Partnerschaften zu bilden. Wer also nicht ethisch und korrekt handelt, mit dem
erfolgt keine Zusammenarbeit. Durch den ständigen offenen Dialog werden diese
Beziehungen aufrechterhalten und organisiert. Premium erhält dadurch eine große
Planungssicherheit, die z.B. eine flaschenweise Kalkulation der Anteile ermöglicht, was in
anderen Unternehmen so nicht umgesetzt werden kann.
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Abb. 6: Premiums Stakeholder-Netzwerk (Quelle: Lübbermann Präsentation vom 08.12.2011)
Ein weiterer Aspekt, der Premium von anderen Unternehmen unterscheidet, ist die
Gleichberechtigung aller Teilnehmer des Dialogs. Faktoren wie Vertrautheits-,
Abhängigkeits- oder Einflussgrad, die die Relevanz eines Stakeholders für ein Unternehmen
bestimmen, spielen bei Premium keine Rolle. Hier wird jeder gleichbehandelt und ist zum
selben Anteil stimmberechtigt. Unsicherheiten gibt es nicht, weil Geschäftsbeziehungen auf
Vertrauen und nicht auf Verträgen basieren. Sie tragen also nicht, wie in anderen
Unternehmen, zum Risiko bei. Da kein Stakeholder existenziell von Premium oder anderen
Beteiligten abhängig ist, kann jeder unabhängige Entscheidungen treffen. Auch der
Einflussgrad ist unbedeutend für das Kollektiv, da die Stakeholder von Premium keinen
Nutzen daran haben, andere zu ihrem Vorteil zu beeinflussen.
Durch die Gleichberechtigung aller Teilnehmer fällt die Einteilung in externe und interne
Anspruchsgruppen weg, da sich alle Stakeholder auf dem gleichen Informationsstand
befinden.
4. Kritische Bewertung und Fazit
Anhand des Beispiels von Premium Cola wird deutlich, dass eine einfache Analyse der
Wertschöpfungskette nicht ausreicht. Das Umfeld eines Unternehmens muss aktiv
organisiert und in die unternehmerischen Tätigkeiten integriert werden. Ein regelmäßiger
Stakeholderdialog ist essentiell, um sich im Zeitverlauf den dynamischen Veränderungen des
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Umfelds anzupassen. Der Dialog von Unternehmen mit verschiedenen externen Gruppen
hat in jüngerer Zeit zu Recht an Bedeutung gewonnen (vgl. Schaltegger et al. 2002, 43). Um
heutzutage auf dem Markt bestehen zu können, sind inter- und transdisziplinäre Ansätze von
großer Bedeutung.
Jede einzelne Anspruchsgruppe stellt eine Perspektive dar, die das
Unternehmensmanagement für sich nutzen kann, um sich mit dem Thema der Nachhaltigkeit
zu befassen. Es müssen Netzwerke hergestellt werden, um Antworten auf Umwelt- und
Nachhaltigkeitsfragen zu finden, da Stakeholder in vielen Fällen das nachhaltige Verhalten
von Unternehmen beeinflussen. Durch den Austausch mit Stakeholdern können
beispielsweise Kunden die Ansprüche mit erweiterten Möglichkeiten und wahrgenommenen
Qualitätsvorteilen erhöhen. Auch Gesetzgeber und Normierungsorganisationen können
Standards anheben, indem sie den „Stand der Technik“ neu definieren. (vgl. Schaltegger et
al. 2003, 47ff.)
Premium Cola führt nicht nur eine Stakeholderanalyse durch, sondern ein durchdachtes
Stakeholdermanagement, das normative Charakteristika aufweist und nicht nur instrumental
der Unternehmenssicherung dient. Das Kollektiv erhofft sich dadurch keinen ökonomischen
Gewinn, sondern betrachtet die Interessen und Ansprüche seiner Stakeholder als Werte an
sich. Um die Forschungsfrage dieser Arbeit zu beantworten, ob und wie ein nachhaltiges
Stakeholdermanagement umzusetzen ist, müssen zunächst die drei Säulen der
Nachhaltigkeit betrachtet werden.
Den ökologischen und sozialen Aspekten wird Premium mehr als gerecht, jedoch handelt
das Kollektiv aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht nicht nutzenorientiert. Das
ökonomische Ziel einer Gewinnerwirtschaftung wird nicht verfolgt wird. Trotzdem kann das
Kollektiv durch die einzigartige Weise überleben, seine Stakeholder in allen Entscheidungen
mitreden zu lassen und das Unternehmen selber zu gestalten. Es ist nicht möglich dieses
Konzept des Stakeholdermanagements in kommerziellen Unternehmen anzuwenden,
welche versuchen einen Mehrwert aus ihren Aktivitäten zu erzielen. Bei Premium zählt
vielmehr die intrinsische Motivation, alle Gruppen mit einzubeziehen, die direkt oder indirekt
von dem Unternehmen betroffen sind. Zum Beispiel erhält das Kollektiv keinen Nutzen,
indem es eigene Ressourcen für Großhändler aufbringt, die nicht korrekt von Gastronomen
bezahlt wurden.
Ein weiterer Aspekt, der die Übertragbarkeit des Stakeholdermanagements auf andere
Unternehmen erschwert, ist die Tatsache, dass die Stakeholder bei Premium seit Beginn der
Gründung miteinbezogen wurden, sodass mögliche Reibungspunkte von Anfang an aus dem
Weg geräumt wurden und der ständige Dialog eher zur Prävention von Disharmonien dient.
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Die Interessen der Stakeholder haben zur Gestaltung Premiums beigetragen und nicht
umgekehrt. Kommerzielle Unternehmen, die erst nach der Entstehung von Konflikten über
ein Stakeholdermanagement nachdenken, stehen vor den Herausforderungen der
Informationsasymmetrien zwischen den Stakeholdern und dem Unternehmen. Anders als bei
Premium Cola haben Stakeholder oft nicht dieselben Grundeinstellungen und
Zielvorstellungen. Die Schaffung eines gemeinsamen Wissensstandes und die Erarbeitung
eines Konzepts für die Form des Dialogs stellen einen relativ hohen Aufwand dar (vgl.
Schaltegger et al. 2002, 45). Zugleich können unvollständige Informationen oder
Desinformationen die Gespräche scheitern lassen und sich negativ auf das
Unternehmensimage auswirken (vgl. Schaltegger et al. 2002, 45). Auch die Größe Premiums
trägt entscheidend zum Erfolg des Stakeholderdialogs bei. Würde es sich um größere
Organisationen handeln, die sogar international verbreitet sind, wäre es wesentlich
komplizierter einen Dialog auf die Beine zu stellen. Es ist schwierig alle gesellschaftlich
wichtigen Gruppen bei komplexen Themen mit vielen betroffenen Stakeholdern zu
berücksichtigen (vgl. Schaltegger et al. 2002, 45). Premium hat außerdem den Vorteil
verhältnismäßig einfacher Produkte und disziplinierter Geschäftsbeziehungen (vgl.
Bergmann 2006). Stakeholderdialoge dauern daher nicht so lange wie in Unternehmen mit
einem größeren Leistungsprogramm und einer höheren Anzahl heterogener
Anspruchsgruppen.
Premiums Umgang mit seinen Wettbewerbern ist auf der einen Seite sehr effektiv, um das
nachhaltige Betriebssystem in der Wirtschaft zu verbreiten, auf der anderen Seite sollte der
Wettbewerb trotzdem immer erhalten bleiben, da Konkurrenten im Zusammenspiel von
Innovation und Imitation neue Benchmarks und Anregungen für ihre Produktpolitik erhalten
und somit auch zur Nachhaltigkeit beitragen.
Bei Premium Cola handelt es sich um ein Ecopreneuship (vgl. Schaltegger & Petersen 2001,
18 ff.): Das Unternehmen agiert in einer Alternativszene, die durch Utopien und Werte
geprägt ist, und versucht aus der Masse hervorzutreten. Alle Beteiligten des Kollektivs leben
authentisch und selbstbestimmt. Wertschöpfung und Gütertransfer werden innerhalb der
Szene praktiziert. Durch diese familiäre Atmosphäre befinden sich alle Teilnehmer des
Dialogs auf derselben Kommunikationsebene. Es gibt weder einen Moderator, noch
hierarchische Strukturen. Es entscheidet einzig und allein das beste Argument. Fakt ist, dass
das Kollektiv nicht mit anderen Unternehmen vergleichbar ist. Das Stakeholdermanagement
beweist, dass sich Konsensentscheidungen in Stakeholderdialogen erzielen lassen und eine
partizipative Unternehmensführung zu nachhaltigen Produkten führen kann. Normatives
Stakeholdermanagement kann demnach auch als ein Instrument für Unternehmenserfolg
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dienen. Jedoch agiert es in einer Alternativszene, in der Kunden bereit sind mehr für
nachhaltige Produkte zu zahlen und kein Preiswettbewerb existiert.
Generell geht ein Stakeholdermanagement über ökonomische Faktoren heraus und
betrachtet ebenso soziale und ökologische Aspekte. Die Dimension der Ökonomie darf
trotzdem nicht außer Acht gelassen werden, zumindest nicht bei kommerziellen
Unternehmen. Premium entstand aus einer Protestaktion und hat sich vor allem die
Bedürfnisbefriedigung der Kunden zum Ziel gesetzt. Eine Kommerzialisierung des Produkts
würde die Marke in kürzester Zeit zerstören (vgl. Bergmann 2006). Aus diesem Grunde muss
ein Mittelweg gefunden werden, in dem soziale, ökologische und ökonomische Faktoren
vereint werden. Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, welche individuell zu
entwickelnde Art von Stakeholderdialog seinen Anforderungen entspricht.
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