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Page 1: Über Chalkogenolate. 167. Untersuchungen über 1,2-Hydrazin-bis(monothioformiate)

Z . anorg. allg. Chem. 633 (1986) 109-117 J. A. Barth, Leipzig

Uber Chalkogenolate. I67 [ 1 3

Untersuehungen uber I, 2-Hydrazin-bis(m~nothioforrniate)

G. GATTOW” und S. LOT%

Mainz, Institut fiir Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Universitat

I n h a l t s u b e r s i c h t . Hydrazin rcagiert mit COS in Gegenwart von Natriummethoxid zu Na,[SOC-NH-KH-COS]. Wird das Ratriumsalz rnit Methyliodid umgesetzt, dann entsteht der S, S’-Dimethylester. Die Verbindungen wurden rnit Infrarot-, Kernresonanz- und Massenspektren charakterisiert.

Bei der Reaktion von H,CS-CO-NH-NH-CO-SCH, mit Lawessonschem Reagenz bildet 1 I

sich 2,6-Dimethylthio-l, 3,4-thiadiazol H,CS-C=N-N=C(-SCH,)-S.

On Chalcogcnolates. 167. Studies on 1,2-Hydrazine-bis (monothioformates) A b s t r a c t . IIydrazine reacts with COS in the presence of sodium methoxidc to produce

Na,[SOC-KH-NH-COS]. It forms with methyl iodide the S, S’-dimethyl ester. The compounds have been investigated by means of infrared, nuclear magnetic resonance, and mass spectra.

The reaction of H,CS-CO-NH-NH-CO-SCH, with Lawesson reagent yields 2,5-dimethyl- I I

thio-l,3,4thiadiazole H,CS -C=N-N=C( - SCH,) - S.

Im Zusammenhang mit unseren Untersuchungen uber 1,2-Hydrazin-bis(di- thioformiate) [ 2, 31 haben wir uns mit den Monothioverbindungen [SOC-NH-NH-COS]2- befafit. Ziel der Untersuchungen war es festzustellen, ob sich aus dem S, S’-Dimethylester durch eine Sulfurierungsreaktion der 1,2- Hydrazin-bis(dithi0ameisensaure)-S, S’-dimethylester gewinnen lafit, der sich bis jetzt jeder ublichen Darstellungsrnethode entzogen hat ; vgl. [I].

Der S, S‘-Dimethylester der 1,2-Hydrazin-bis(monothioameisens~ure) wurde erstmals 1923 von ARNDT u. Mitarb. [4] durch Umsetzung von Hydrazin rnit Chloromonothiokohlenaure-S-methylester hergestellt. NACHBAUR und GOT- TARDI [5] beschrieben die Darstellung von Dinatrium-I, 2-hydrazin-bis(monothio- formiat), aus den1 sie durch Reaktion mit Methyliodid den S, S’-Dimethylester gewinnen konnten.

I. Dinatrium - 1,2 -hydrazin-bis (monothiof ormiat) Die Darstellung von Dinatrium-I, 2-hydrazin-bis(monothioformiat) erfolgte in

Anlehnung an die von [5] beschriebene Methode durch Umsetzung von Hydrazin mit Carbonylsulfid in Gegenwart von Natriummethoxid.

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A r b ei t s v o r s c h r i f t Na,,[SOC-NH-NH-COB]. In eine auf 0°C abgekiihlte Losung von 5,0 g (0,l mol) H,N--NH2. H,O (99%ig) und 11,O g (0,2 mol) Na.OCH, in 130 em3 abs. Methanol wird unter Riihren bis zur neutralen Reaktion der Losung COS (97,6%ig) eingeleitet (Dauer etwa 3-4 h). ubersehiissiges COS wird durch Einblasen von N, entfernt. Anschlieaend wird die Losung auf etwa 30°C erwarmt und mit Diethylether bis zur bleibenden Triibung versetzt. Abkiihlung nuf -30°C fiihrt zur Abscheidung des Salzes, das abgesaugt,, mit Ethanol und Ether gewasehen und an der Olpumpe von anhaftendem Losungsmittel befreit wird. Ausbeute etwa 87% der Theorie, bezogen auf die eingesetzte Menge an Hydrazinhydrat. Die Identitat des Na,[SOC-NH-NH-COS] wurde mit Hilfe spektroslropischer Methoden bewiesen.

Das Dinatrium-I, 2-hydrazin-bis(monothioforniiat) ist eine kristalline, farb- und geruchlose Substanz, die hygroskopisch und bei Raumteniperatur nur be- greiizt haltbar ist. Sie ist leicht lijslich in Wasser, weniger in Methanol und Di- inethylsulfoxid, unloslich in Chloroform und Diethylether.

Beiin Erhitzen zersetzt sich die Verbindung bei etwa 193OC unter Gasent- wicklung (Heiztischmikrosliop). Ihre nach der Schwebeniethode (Tetrachlor- kohlenstoff/Bromoform-Gemische) bestiminte Dichte betriigt dy = 1,67S( 10) g/ cm3, Molvolumen Vz: = 1 1 7 , l cm3/mol.

Werden waBrige Losungen von Na2[SOC-NH-NH-COS] mit in Wasser gelosten Schwer- und ~bergangsmetallsalzen versetzt, dann bilden sich niit folgenden Ionen schwerlosliche Niederschkge (Farbe in Klammern) : TI+ (farblos), Pb2+ (gelb), Bi3+ (gelbbraun) und Zn2+ (farblos). Mit Ag+-, CoZL-, Cu2+- und NiZL- Ionen entstehen die entsprechenden Sulfide.

Tabelle 1 hfrarotspektrum") yon Nal[SOC-NH-N€I-COSl, prapariert als Knr-PreBling iind Nnjol-Verreihung

KBr-PreBling Nu jol-Verreibung Miigliche Zuordnuiig [cm-'1 [cm-l]

3310 vs

2 180 vw 1550 m-s, sh

1650 8, br

1465 m-s 1445 s 1150 s

940 m 890 w 820 w, br 745w-m

3330s 3200 8, br

1590 8

1575 vs 1555 s 1520 m 1480 m

1170 s 1140 m, sh 1095 w-In 1055 m 1020 w-m v(N-N)?

v(C-O), 6(N-H)

6(N-H)

*(C-N), v ( C - S ) G(NNC). v ( C - 0 )

I t

940 w 885 m 810 vw 7 3 0 w z(NC0Y)

Y(N-H) 685 m 675 w 560/540 m-s 560/540 m

{ Y(C-S), S(SC0) 495 m 490 W--ITI

465 m 470w-m r a) Es bedenten : Y = Valensschwingung, 6 = i.p. Deformationsschwingg, y = 0.0.p. Deformationsschwingu~ig, e = rocking-Schwingung, T = twisting-Schwingung. Geschatzte relative Intensitaten der Ahsorptionsmaxima: vs = sehr stark, a = stark, m = mittel, w = schwach, vw = sehr schwach, br = breit, sh = Schulter.

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G. GATTOW u. S. LOTZ, 1, 2-Hydrazin-bis(monothioformiate) 111

In den In f r a ro t spek t r en (Bereich 4000-400 em-l, KBr-PreBling und Nujol-Verreibung) von Dinatrium-l,2-hydrazin-bis(monothioformiat) treten Ab- sorptionsbanden auf, deren Maxima mit moglichen Zuordnungen in Tab. 1 zu finden sind. Die Spektren zeigen je nach Art der Probenpraparation signifikante Unterschiede. Die Bandenintensitaten einiger Gruppenschwingungen variieren je nach Art der Praparation, aul3erdem werden Bandenverschiebungen um durch- schnittlich 10 cm-l beobachtet. Ursache dafur sind unterschiedliche Wechsel- wirkungen der polaren Gruppen des Anions mi t dem Priiparationsmittel.

Die Zuordnung der Randen erfolgte auf der Grundlage der Spektren von KIXOC-NH-NH,] und der perdeuterierteii Verbindung [K-8].

Das Spektrum zeigt zwei (N-H)-Valenzschwingungen, wobei cliejenige bei niederer Frequenz auf Wasserstoffbriicken N-H.. * 0 bzw. N-H.. ' 8 zuruclrgefuhrt werden kann.

Bemerkenswert ist die offensichtlich durch Schwachung des CN-Doppelbindungsanteils hervor- gerufene Kopplung der beiden Amid 111-Banden (v(CN)/S(NH)), die zu einer Anhebung von 6(N-H) und einer starkwen Absenkung von v(C-N) im Verglcich zum Dikalium-l,2-hydrazin-bis(dithio- formiat) [2] fiihrt.

Die Schwingungsmoden der (C0S)-Gruppierung sind wegen ihrer Kopplung mit (N-H)-Defor- mations- und (C-N)-Valenzschwingungen nur versuchsweise zugeordnet. Die C- S-Valenzkraft- konstante sollte gegenuber dem 1, 2-Hydmzin-bis(dithioformiat)-Anion leicht absinken, jedoch hoher sein als beispielsweise beim S-Methylmonothiocarbarnat [GI, wo der Doppelbindungsanteil der C-S-Bindung zugunst,en der v(C=O)-Schwingung verringert ist.

Das Pro tonenresonanzspekt rum (80,17 MHz) einer lO%igen Losung von Na,[SOC-NH-NH-COS] in Dimethylsulfoxid-d, zeigt bei 30 "C ein Singulett mit einer auf TMS (innerer Standard) bezogenen chemischen Verschiebung von 6,(NH) = 7,55 ppm. Das Signal ist gegeniiber dem entsprechenden in der Di- thioverbindung [ 21 urn etwa 3 ppm hochfeldverschoben.

Anders als H,CS-CS-NH-NH, [9] liegt Na,[SOC-NH-NH-COS] in Losung nur in einer Konformation vor. Dieses bestatigen auch 'H-NMR-Messungen an H,CO-CS-NH-NH, und H,CS-CO-NK-NH, in Deuterochloroform, die in Losung nur eine Konformation zeigen [7].

Das 13C-NMR-Spektrum (20,15 MHz, breitbandentkoppelt, 20%ige Losung in Dimethylsulfoxid-d,) weist bei 30 O C ein Resonanzsignal bei S,(COS) =

183,6 ppni (relativ zu TMS) auf.

Die schon im Infrarotspektrum von Na,[SOC-NH-NH-COS] im Vergleich zur entsprechenden Dithioverbindung [2] beobaehtete Verminderung des Doppelbindungsanteils der C-S-Bindung zugunsten der C- 0-Bindung wird auch im l3C-NMR-Spektrum deutlich. Die chemische Verschiebung des quartaren C-Atoms liegt im Vergleich zur Dithioverbindung um etwa 14 ppm zu hoherem Feld hin verschoben.

Im Massenspe k t rum (ElektronenstoBionisation, 70 eV, Probentemperatur 22 "C) wird der Peak des Molekiilions erwartungsgemiifl nicht registriert. Der Basispeak stammt von dem Bruchstiick COSf. Mit iiber 10% relativer Haufigkeit treten noch die Fragmentionen CS+, CS+ + 1H und C-N-Nf auf.

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11. S, S'-Dimethylester der I, 2-Hydrazin-bis (nionothioamoisensllurs)

an das von NACHBAUR und GOTTARDI [5] beschriebene Verfahren hergestellt . Das S, S'-Dimethyl-l,2-hydrazin-bis(monothioformiat) wurde in Anlehnung

A r b ei t s v o r s c h r i f t H,CS-CO-NH-NH-CO-SCH,. I n eine geruhrte Suspension von 4,Y g (0,025 mol) Na,[SOC-PITH-NH-COS] in 50 em3 Ethanol werden bei 20°C innerhalb 30 min 7, l g (0,050 mol) H,CI derart getropft, daB die Temperatur der Reaktionsmischung nicht 20°C uber- steigt,. Each weiterem Riihren (etwa 2 11) wird die klare Losung am Rotavapor eingedampft und der Riickstand mit Diethylether extrahiert. Die vereinigten Extrakte werden filtriert und der Ether verdanipft. Die zuruckbleibonde Substanz wird mit mehreren Portionen Wasser gewaschen, um die letzten Reste h'al zu beseitigen. Trocknen an der Olpumpe fuhrt zu einem farblosen, pulvrigen Produkt. Ausbeute etwa 43% der Theorie, bezogen auf die eingesetzte Menge an Dinatriumsalz.

Analyse. Die Bestimmung der C-, H- und N-Qehalte erfolgte nach den ublichen Met,hoden, die dcs S-Gohaltos nach dem Verfahren von SCHONICER [lo]. C 26,62 (ber. 26,64); H 4,22 (4,47); N 15,GO (15,55); 6 35,52 (35,59)%. Im Massenspektrum (9. weiter unten) Peak des Molekulions mit 39% relntiver Haufigkeit.

Der 1,2-Hydrazin-bis(monothioameisensaure)-S, S'-dimethylester ist eine farb- und geruchlose Substanz, die bei Zimmertemperatur unzersetzt haltbar und im Gegensatz zum Dinatriumsalz nicht hygroskopisch ist. Sie ist in Ethanol, Di- ethylether und Diinethylsulfoxid gut loslich, wenig lijslich in Chloroform und Wasser, unloslich in Ligroin.

Der Dimethylester schmilzt bei 173OC (1 74OC nach [j]). Die nach der Schwebe- methode (Tetrachlorkohlenstoff/Dichlormethan-Gemische) bestimmte Dichte be- tragt d'f' = 1,499(10) g/cm3, Molvolumen V;: = 120,2 cm?/mol.

Das Inf r a ro t s p e k t r u m (Bereich 4000- 400 cni-l, KRr-PreSlinge) des S, S'-Dimethylesters der 1,2-Hydrazin-bis(monothioameisensaure) weist Ab- sorptionsbanden auf, deren Maxima init versuchsweisen Zuordnungen in Tab. 2 aufgelistet sind.

Tahellc 2

\V?llen2dhl Mogliche Wellenzalil 3l;IBgliche [enlrll Zuordnuiig [cin-'1 Zuordnung

Iiii~arots],ektru~na) van H,CS --CO -iYH -3'1%-CO -SC11,

3 260 vs 3080w 3010 in 2940 w 2860 w 1 6 8 0 s 1650 7.8

1540 w-ni 1525 n1 1500 in, br 1130w-111 I390 vw 1 3 2 5 w-rri l 2 9 0 m 1210 I l l

1 1 7 0 s 1110 n i

9 i 5 \ Y - ! n

920 m 905/893 w- 740/730 w i 0 S w 675 w-Ill

645 ni 610 w - I l l

575 W - I I I

540 rii

520/510 w- 400 "-111

-nl

a ) Erldutcriiirgeii s. Fullnote der Tab. 1 . Sdhrrr Einzelheitcn vpl. Text.

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G. GATTOW u. S. LOTZ, 1, 2-Hydrazin-bis(monothioformiate) 113

Die in Tab. 2 angegebenen Absorptionsmaxima stammen von einem Produkt, das in Diethyl- ether gelost war und im Olpumpenvakuum gefriergetrocknet wurde. Fiihrt man die entsprechende Prozedur mit Methanol anstelle von Ether durch und fertigt ein 1nfrarot.spektrum an, dann zeigen sich Unterschiede beziiglich der Bandenlagen und 1ntensitat.en besonders in den Bereichen 1540 bis 1250 cm-l und 700-540 cm-l. Das Spektrum der aus Ether gewonnenen Verbindung zeigt eine An- za,hl Banden, die im Spektrum der aus Methanol erhalt,enen Substanz fehlen: 1210, 1110, 905, 730, 705, 645 und 540 cm-I. Dieses unterschiedliche spektroskopische Verhalten kann die Existenz voii Konformationsisomeren im festen Zustand andeuten, wobei die Art des Losungsmittels sowie die Temperatur die Bildnng des eiitsprechenden Konformationsisomeren beeinflussen.

Als Interpretationsgrundlage des Infrarotspektrums dienten die bekannten Spektren von S-Methylestern der Monothio- [8] und Dithiocarbamidsaure [ll], vom S-Methylester der Dithiocarbazidsiiure [9] und vom 1,2-Hydrazin-bis(mono- thioformiat)-Ion (s. Kapitel I) sowie das Spektrum nach NH + ND-Austausch (mehrfaches Losen der Verbindung in Methanol-dl mit anschliel3ender Gefrier- trocknung im Olpumpenvakuum ; etwa 50% Deuterierungsgrad).

Bemerkenswert erscheint uns die Aufspaltung der (N-H)- und (C=O)-Valenz- schwingungsbanden, die die Existenz von N-H. ..O-Wasserstoffbrucken erwarten 1aBt. Aus dem Spektrum der partiell deuterierten Verbindung ergibt sich zusiitzlich eine Kopplung der v(C=O)- und b(N-H)-Schwingungsmoden.

Im lH-NMR-Spektrum (80,17 MHz) des in Dimethylsulfoxid-d, gelosten S, S'-Dimethylesters (10%ige Losung) werden bei 30 "C zwei Singuletts mit fol- genden, auf TMS (innerer Standard) bezogenen chemischen Verschiebungen beob- achtet : (S,(SCH,) = 2,17 ppm und 6,(NH) = 9,97 ppm. Die Multiplizitiiten und integrierten Protonenverhaltnisse entsprechen den theoretischen Erwartungen.

I m Vergleich zu Monothiocarbazid- [ 71, Dithiocarbamid- [ll] und Dithiocarbazidslture-S-methyl- estern [12] (SH(SCH,) = 2,30-2,75 ppm) tritt die Resonanz der Methylprotonen bei hoherem Feld auf, was einer VergroBerung der elektronischen Abschirmung der Methylgruppe entspricht. Als Ursache dafur kann eine ausgedehnte Delokalisation von freien n-Elektronen des N- und S-Atoms angenommen werden.

Die Resonanz des (NH)-Protons ist im Vergleich zum Monothiocarbilzidsaure-S-methylester [7] um 2,7 pprn und zum Dinatrium-l,2-hydrazin-bis(monothioformiat) (9. Kapitel I) um 2,4 pprn tieffeldverschoben.

H,CS -CO-NH-NH-CO -SCH, bei der MeBtemperatur in Losung keine Konformationsisomerie; vgl. Kapitel I.

I m Gegensatz zum Dithiocarbnzidsaure-S-methylester [9] zeigt

I m I3C-NMR -Spekt rum (20,1.3 MHz, breitbandentkoppelt, Dimethyl- sulfoxid-d, als Losungsmittel) treten bei 30 O C zwei Resonanzsignale bei 6,(CO) =

1'72,5 ppm und Gc(SCH,) = 11,2 ppm auf (bezogen auf TMS).

Das Resonanzsignal der Methylthiogruppe ist gegeniiber dem in Dithiocarbamid- [ 131 und Di- thiocarbazidsaure-S-estern [14] zu hoherem Feld hin verschoben. Die Resonanz des Carbonyl-C-Atoms tritt gegeniiber der im [SOC-NH-NH-COS]Z--Ion (s. Kapitel I) gleichfalls hochfeldverschoben nuf nnd erreicht fast die an N-substitniertcn Formamiden [ G I sowie an N-Formyldithiocarbamid- saureestern [l6] und Alkylestern der N-Methyl-N-formyldithiocarbnmidsiiure 1171 gemessenen Werte von 6,(CO) = 161-IGG ppm.

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Das 13C-NMR-Spektrum gibt ebenfalls keinen Hinweis auf das Vorliegen von Konformations- isomeren in Losung.

Im Massenspektru m (Elektronenstoflionisation, 70 eV, Probentemperatur 22 "C) werden Bruchstiicke gefunden, die in Tab. 3 aufgelistet sind. Das Molekiilion M+ wird init 38,70/, relativer Haufigkeit registriert, der Basispeak riihrt von dem Fragmention H,CS-COf her. Der Zerfall steht im Einklang mit der Konstitution des Molekuls, alle erwarteten Bruchstucke werden beobachtet.

Tabelle 3 Massenspektrum") von H,CS-CO-NH-NH-CO-SCH,

yo relative Fragmention m/e 76 relative Fragmention Haufigkeit Hanf igkei t

w e

180 38,7 M + G2 4,6 H3C- S - CH,+ 1 6% 8,(i HS - CO-KH --NH - CO - SH' ($1 5.6 COX+ + 1H 1:33 77,G H,CS--0- NH-NH- CO+ 60 2,7 COS +

J 3 % 79,l H3CS-CO-NH-NH-CO+- 1H 1 9 "(i,G HZCS' -1- 2H 105 3,:3 H3CS--CO-?S,H' 48 19,2 H3CF + 1H 94 2,s H3CS - SCH3f 47 91,7 H,CS+ 89 2,ci H,CSN2H' 4G 19,4 H,CS+ - 1H 79 2.7 HSCS - S+ 46 4 4 9 H3CS+ - 2H 77 10,7 CS,+ + 1H 44 3,4 CS+, CO,+ 76 8,s cs,I- 43 5,5 ? 75 100,o H3CS-CO+

:') Es wurden nur Massenpeaks mit einer relativen Haufigkeit > 3,5% berucksichtigt. Durch 34S hervorgerufene Isotopenpeaks sind nicht angegeben.

Der Hmiptweg der Fragmentierung verlauft uber eine H,CS-CO-Eliminierung. Das Auftreten von Disulfiden, die beim Zerfall von Dialkyltrithiocarbonaten SC(SR), unter massenspektroskopi- schen Bedingungen beschrieben wurden [18], sowie das Fragmention H,CS+- in seinen protonierten und deprotonierten Formcn (m/e = 49- 44) konnten beobachtet werden. tfberraschend ist der Befund, daO der Peak der 1, 2-Hydrazin-bis(monothioameisensaure) (m/c = 152) auftritt.

111. Versuche zur Sulfuriorung yom S, S'-Dirnethylestor der l,%Hydrazin-bis(monothi0- ameisensaure)

Als Sulfurierungsreagentien eignen sicli P4Sl0 (vgl. z. B. [19, 201) und Lawessonsches Reagenz (= 2,4-Bis(4-methoxypheny1)-1, 3,X, 4-dithiophosphetan-2,4-disulfid) [LO, 211, die jedoch in der Regel Reaktionstemperaturen zwischen 80 und 120°C unter Verwendung eines inerten Losungs- mittels verlangen. Verschiederie Autoren beschriebcn die Verwendung von Laa~essonschem Reagenz und davon abgeleitete Verbindungen im Temperaturbereich 0- 60 "C [62, 231.

Der S, S'-Dimethylester der 1,2-Hydrazin-bis(monothioameisensaure) sollte sich zuni entsprechenden Dithioester bisulfurieren lassen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen bei der Synthese und Handhabung von Salzen des Methylesters der N-Dithiomethylen-dithiocarbazidsaure [24] sowie vorangehender Versuche zur Herstellung der Ester von 1,2-Hydrazin-bis(dithiocarbonsauren) [I] erschien es

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angebracht, die Sulfurierungsreaktion unter moglichst rnilden Bedingungen durch- zufiihren. Dabei wurde in Anlehnung an die Vorschrift von YDE u. Mitarb. [23] mit Lawessonschem Reagenz in Tetrahydrofuran bzw. Toluol zuniichst bei Raum- temperatur, dann auch bei erhohter Temperatur gearbeitet, wobei gleichzeitig der EinfluS des Liisungsmittels auf die Produktxusbeute untersucht werden sollte.

Ver s u chs b ed ing ungen. Molares Einsatzverlialtnis Lawessonsches Reageiiz (9iod)ig) zum S, S'-Dimethylester der 1, 2-Hydrazin-bis(monothioameiscn&ure) von 1 : 1, Raumtemperatur, Argon als Schutzgas, abs. Tetrahydrofuran als Losnngsmittel, Variation der Reaktionszeit (3,& 48 h), dunnschichtchromatographisclie Verfolgung der Reaktion. Trennnng der Reakt,ionsprodukte darc-h Saulenchromatographie a uf Kieselgel G60, Lanfrriittel Chloroform.

Aufgrund massenspektrometrischer Untersuchungen der angefallenen Reak- tionsprodukte konnten weder der I72-Hydrazin-bis(dithioameisensaure)-S, S'- dimethylester noch mogliche Zerfallsprodukte nachgewiesen werden. Es zeigte sich, daI3 die Ausgangskomponenten unverandert vorliegen. Die Variation der Reaktionszeit und des Liisungsmittels hlieb dabei ohne EinflulJ auf den Reaktions- verlauf .

Arbeitet inan dagegen bei hiiheren Temperaturen, dann kommt es zur Um- setzung zwischen dem 1,2-Hydrazin-bis(monothioameisensaure)-X, S'-dimethyl- ester und Lawessonschem Reagenz. Als Reaktionsprodukt entsteht 2,5-DimethyI-

thio-l,3,4-thiadiazol H,CS-&=N-N=C(-SCH,)-d, uber das wir kiirzlich berichtet haben [I ] ; dcrt weitere Literaturhinweise.

_-

Versuchsdnrchfuhrung. Unter Argonatmospliare werdeii 1,8 g (0,01 mol) H,CS-CO-XH-PITH-CO-SCH, mit 4,2 g (0,01 mol) Lawessonschem Reagenz in 200 cm3 abs. Tetrahydrifuran bzw. abs. Toluol am RuckfluB gekocht, wobei die Keaktionszeit variiert wurde (1,b- 48 h). Der Fortgang der Reaktion wurde im regelmaBigen Zeitabstanden dunnschichtchromat,o- graphisch untersucht. ilnsehliefjend wird das nicht umgeset,ztc Lawessonsche Reagenz a.bfiltriert und das Filtrat eingeengt. Letzte Losungsmittelreste werden durch Olpumpenvakuum entfernt.

Die massenspe k t r o m e t r i s c he Un t e r suc h u n g des Filtrat-Ruckstandes ergab das Vorliegen von nicht umgesetztem S, S'-Dimethylester der 1,2-Hydrazin-bis(monothioarneisensaure) (m/e= 180), nicht umgesetztcm Lawessonschem Reagenz (m/e = 404 und 202) bzw. dessen oligomere Zersetzungs- produkte und 2,5-Dimethylthio-l, 3,4-thiadiazol (m/e = 178).

Die in den lH-NMR- u n d 13CC-NMR-Spektren auftretenden Resonanzsignale konnten durch Spektrenvergleich (s. Kapitel I1 und [l]) eindeutig den massenspektrometrisch identifizierkm Komponenten des Filt.rat-Riicksta.ndes zugeordnet, werden.

Aus dem Vergleich der Peakflachenintegrale der Methyl-Protonenresonanz- signale voin 1,2-Hydrazin-bis(monothioameisensaure)-S,S'-dimethylester und 2,5-Dirnethylthio-l, 3,4-thiadiazol ergab sich fur eine Reaktionsdauer von 24 h folgender prozentualer Uinsatz an H,CS-CO-NH-NH--0-SCH,: 10- 15% in Tetrahydrofuran (Sdp. GCiOC) und 70--80% in Toluol (Sdp. 111 "C). Der gr6Rere Umsatz in Toluol als Losuiigsmittel lrann auf die hohere Reaktionstemperatur zuriickgefuhrt werden.

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Kachfolgend wurde eine Trennung der Komponcnten des Filtrat-Ruckstandes durch Saulen- chromatographie (Kieselgel GGO, KorngriiBe 0,063- 0,200 mm (70- 230 mesh ASTM), Laufmittel Chloroform, Saulendimension: 26 mm O, 400 mm Lange) durchgefuhrt., Die massen- und NMR- spektroskopischen Untersucliungeu dcr cinzelnen Fraktionen bestatigten obige Untersuchnngen am Filtrat-Riickstand.

Zusammenfassend lassen sich folgende Aussagen machen :

1 . Die Sulfurierungsreaktion vom S, KDimethylester der 1,2-Hydrazin-bis- (monothioameisensaure) mit Lawessonschem Reagenz lauft nur bei Reaktions- temperaturen > G O O C mit ausreichender Geschwindigkeit sb. Dabei bildet sich kein Dithioprodukt, sondern hauptsachlich 2,5-Dimethylthio-I, 3,4-thiadiazol.

2. Die Thiadiazolbildung tritt schon wahrend der Reaktion ein und nicht erst unter massenspektrometrischen Bedingungen bzw. durch Kontakt mit polaren Gruppon des Saulenmaterials bei der Chromatographie.

3. Das Entstehen von 2,5-Dimethylthio-l, 3,$-thiadiazol kann als Beweis fur die intermediare Bildung des 1,2-Hydrazin-bis(dithioameisensaure)-S, S'-dimethyl- esters angesehen werden.

4. Aussagen zum Mechanismus der Cyclisierung siiid ohne weitere Unter- suchungen nicht moglich.

6. Es zeigt sich Analogie zu ahnlichen Systemen. So fuhrten Versuche ver- schiedener Autoren zur Sulfurierung von 1,2-DibenzoyIhydrazin mit P4S,, [ 251 oder Lawessonschem Reagenz [ 261 nicht zur entsprechenden Dithioverbindung, sondern es entstsnd unter RingschluB das 2,5-Diphenyl-l, 3,4-thiadiazol

H ~ c ~ - d = ~ - N= C( - C,HJ - b . Fur die Unterstutzung der Arbeit danken wir sehr dem Fonds der Chemischen Industrie.

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Bei der Redaktion eingegangen am 4. Juli 1985.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. G. GATTOW und Dip1.-Chem. S. LOTZ, Inst. f. Anorg. Chemie u. Analyt. Chemie d. Univ., Johann-Joachim-Becher-Weg 24, D-6500 Mainz