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Page 1: Über das kryoskopische Verhalten von Glykogenacetat

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fjber das kryoskopische Verhalten von Glykogenacetat ;

von Kurt Hess und Richard Stahn. (Mit 2 Figuren im Text.)

In Verfolgung des aus den Cellulosearbeiten sich er- gebenden Arbeitsprogrammes l) haben wir auch Glykogen- acetat nach dem beschriebenen Verfahren kryoskopisch in Eisessig untersucht. Das Bild war auch hier dem der bisher nntersuchten Kohlenhydrate analog.

Als untere Grenze wurden Molekulargewichtswerte er- halten, die so weit unterhalb dem fur ein Hexa-acetylbiosan liegen, daS dieses nicht als die untere Grenze der Disper- gierbarkeit von Glykogenacetat gelten kann. Freilich haben wir bisher den Wert fiir ein Triacetylglucosan nicht er- reicht; die bei niederen Konzentrationen beobachteten Depressionen entsprachen regelmaJ3ig einem Molgewicht, das etwa in der Mitte zwischen dem fur ein Glucosan- und Biosanacetat lag, nnd zwar dabei so eindeutig, daB trotz- dem das Molgewicht eines Hexa-acetylbiosans fur das Glykogenacetat nicht in Frage kommen kann.

Wir haben bei fruherer Gelegenheit darauf hin- gewiesen, daI3 es sich schwer beurteilen la&, ob bei De- pressionen, die kleiner sind, als einem Glucosan entspricht, die kleinstmogliche Molekulart neben vollstihdig assoziiertem Material oder eine einheitliche Molekulart mittlerer Grofie vorliegt. Fur den in Frage stehenden Fall mu8 angenommen werden, da5 Glykogenacetat teilweise bis zu einem Tri- acetylglncosan gelost ist. Ob daneben nur hochassoziiertes Material oder auch z. B. ein Hexacetylbiosan gelost ist, muO vorlaufig nnentschieden bleiben.

Wie auf Grund unserer friiheren Beschreibungen aus Fig. 1 ohne weiteres hervorgeht, neigen die untersuchten

1) K. Hess u. G. Schultze , A. 448, 108 (1926). 2) K. Hess, Koll. Beih. Ambronn-Festschrift 1926, S. 93; vgl.

auch vorangehende XXV. Mitteilung uber Cellulose S. 81 8*

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116 Hess und S t a h n ,

Losungen auch wieder stark zur spontanen Assoziation und zwar auch in den verdunntesten Losungen. Wir wollen

Fig. 1. Molekulargewichtsbestimmungen von Triacetylglykogen in Eisessig im Vakuum.

daher unsere Vermutung nicht unterdriicken, dao in den Losungen allgemein neben der molekularen Glucosanform hochassoziierte Anteile vorliegen, die mit der Zeit (inner-

Fig. 2. Molekulargewichtsbestimmungen von Triacetylglykogen in Eisessig bei Gegenwart von Luft.

halb 1-2 Tagen) durch eine Art von Keimwirkungl) den molekular gelosten Anteil zur Assoziation veranlassen.

l) K. He s s , Koll. Beih. Ambronn-Festschrift S. 93.

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uber das k yoskopische Verhaltm von Glykogenacetat. 117

Das aus den teilweise molekularen Losungen ab- geschiedene Praparat hatte den Drehwert des urspriing- lichen Acetats, das Verseifungsprodukt den des Ausgangs- glykogens. Danach handelt es sich beim Losen des Qlykogen- acetates in Eisessig um einen reversiblen Vorgang, den wir auch hier kaum anders als eine den normalen Lo- sungsvorgangen nahe verwandte Erscheinung aufzufassen haben.

Ubrigens beobachtet man auch hier den fur die Celluloseacetate geltenden EinfluD von Luft auf das Losungsverhalten. Dieses Verhalten driickt sich in Fig. 2, genau wie fruher') fur die Celluloseacetate ge- funden wurde, aus.

Der Nachweis einer reversiblen Dispergierbarkeit von Glykogenacetat bis zu einem Triacetylglucosan stellt uns beziiglich der Maltosebildung aus dem zugrunde liegenden Kohlenhydrat vor eine recht interessante Folgerung. Nach- dem wir vor nunmehr vier Jahren den Nachweis fuhren konnten,2) daD der Cellobiosebildung aus Cellulose ein struktur-

l) K. H e s s u. Mitarbeiter, A. 435, 55, vgl. Fig. 10 (1923). 8, Anm. b e i der Kor rek tu r : M. Bergmann meint in einer

Mitteilung uber die Kartoffelstarke [A. 462, 145 (1927)], daS in den verschiedenen Celluloseformeln von Cross und Bevan und anderen, die Hypothese bereits ,,unausgesprochen" enthalten sei, daB die Cello- biosebildung auf sekundare Proeesse zuriicksufuhren ist. T a t s a c h - l i ch haben Cross und Bevan') mit aller Entschiedenheit ihrer An- sicht Ausdruck gegeben, daS die Glucosereste in der Cellulose unter- einander durch glucosidische O-Briicken verknupft sind, und daS ihre hypothetieche Formel (C,H,,O,), dahin verstanden werden soll, daS im Cellulosemolekul eine unbekannte groSe Anzahl von solchen Glucose- resten ringformig durch die O-Atome verkniipft sind, die in dem Klammerausdruck von diesen Autoren besonders konfiguriert angegeben werden. Bus solchen Formelbildern kann man beliebig Biosen und hahere Polysaccharide herausschneiden, ohne dal? dabei irgendwie von deren ,,sekundiirer" Bildnng die Rede sein konnte. Die Autoren er- blicken denn auch in ihrem bekannten Lehrbuch in der Cellobiose

*) 0. F. Cross u. E. I. Bevan, z. B. Ztschr. f. Farben- u. Textil- industrie 3, 197 (1904).

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118 Hess und S tahn ,

chemischer Aufbau im Sinne der Bildung von Dioxyathan aus Athylenoxyd zugrunde liegt und nachdem wir unlangst als ein vermittelndes Reaktionsglied zwischen Cellulose und Cellobiose ein echtes Biosan l) in hoher Ausbeute gewonnen haben, wird jetzt auch fur die Maltosebildung aus Glykogen ein grundsatzlich ahnlicher Reaktionsmechanismus auler- ordentlich wahrscheinlich.

Rir sind mit der Untersuchnng dieser Folgerungen fur die Glykogenchemie beschaftigt.

Versuche. Das verwendete Glykogen war uns in liebenswurdiger

Weise von der Firma E. Merck-Darmstadt aus Mies- muscheln bereitet worden. Es war bereits ein sehr reines Praparat: [a]b6 = + 188,7O (Wasser). Nach mehrmaligem Fallen aus wLBriger Losung rnit Alkohol bis zum konstanten Drehwert haben wir es in Form eines weiBen amorphen Pulvers bekommen vom Drehwert [a]b6 = + 194,8O (Wasser).

Das Acetat wurde nach der Vorschrift von H. P r ings - heim und M. Lassmannz) mit Pyridin und Essigsaure- anhydrid dargestellt. 9 g Glykogen waren durch 65 stundiges Erhitzen auf 65O mit 60 ccm Pyridin und 40 ccm Essig- saureanhydrid im Glycerinbad nahezu vollkommen gelost.

,,a special cleavage of the Cellulose" und weisen auf deren groBe Be- deutung fur die Cellulosekonstitution hin (C. F. Cross u. E. I. Bevan, Cellulose, London 1918, S. X). Tatstlchlich ist in der ganzen Kohlen- hydratchemie vor uns weder ,,unausgesprochen" noch ,,unbewiesen" eine Andeutung enthalten, daS die Cellobiose und Maltose irgendwie lzichz! in den naturlichen Polysacchariden vorgebildet eeien. Ganz im Gegenteil haben vor une die mit diesen Dingen beschaftigten Forscher ausnahmslos immer wieder diese Biosen als das sicherste Fundament fiir Erorterungen uber den Aufbau dieser beiden wichtigen Kohlen- hydrate bezeichnet. Wir nehmen in Anspruch, nicht nur zuerst auf die Moglichkeit der sekundiren Bildung dieser Biosen hingewiesen, sondern auch den experimentellen Beweis fur die vollig neue Sach- lage erbracht zu haben.

I) I(. Hess u. H. F r i e se , A. 460, 40 (1926). 7 H. Pr ingshe im u. M. LaSmann, B. %, 1412 (1922).

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Uber das kryoskopische Perhalten von Glykogenacetat. 1 19

Sach dem EingieDen in Eiswasser und griindlichem Aus- waschen auf der Nutsche ergaben sich 14,8 g vom Dreh- mert [a]b' = + 158,OO (Pyridin).

Zur Priifung des Praparates auf Einheitlichkeit haben wir eine Aufteilung durch fraktionierte Fallung aus Chloro- formlosung mit Ather durchgefuhrt, mobei auf Zusatz von wenig Ather schone kolloide Losungen entstehen, die bei einer bestimmten Atherkonzentration allmahlich auszuflocken beginnen. S o gewonnene Fraktionen zeigten Drehwerte, die von denen des zunachst anfallenden Acetates nur un- wesentlich verschieden waren. Sie schwankten zwischen + 159O und + 162O (Pyridin).

Wir haben auDerdem die Glykogenacetylierung mit Pyridin und Essigsaureanhydrid fraktioniert ausgefuhrt, d. h. die Anteile, die im Laufe der ersten 18 Stunden von dem Acetylierungsgemisch aufgenommen waren, von dem noch ungelosten Anteil abgetrennt und fur sich aufgearbeitet, ebenso den dann in folgenden 24 Stunden in Losung gehen- den Anteil und schliel3lich den nach weiteren 24 Stunden vollstandig gelosten Rest. Die in gleicher Weise auf- gearbeiteten Acetatfraktionen zeigten in der angegebenen Grenze ubereinstimmende Drehwerte in Pyridin, sowie auch fur ein Triacetylglucosan stimmenden Acetylgehizlt :

61,97-62,s Proc. Essigsaure, ber. 62,51 Proc.')

Ber. C 49,98 H 5,60 Gef. C 49,71 H 5,20

(vor der Analyse bei 78O, 0,l mm uber P,O, getrocknet). Wir neigen daher zu der Annahme, daO das untersuchte Praparat so weit chemisch einheitlich ist, wie man dies fur eine amorphe Substanz sagen kann. Es wird gegen 180° glasig und geht dann allmahlich ohne scharfe Grenze in Zersetzung iiber. Das Glykogenacetat zeigt nur ein schlecht zu charak- terisierendes Verhalten im Schmelzrohrchen. Wir haben Versnche im Gange, um das Glykogenacetat nach Moglich- keit in einen krystallisierten Znstand uberznfuhren.

0,1163 g Subst.: 0,2119 g COP, 0,0541 g H,O.

l) Nach Hess-Welte ien .

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120 Hess und Stahn,

Molekulargewichtsbest immungen bei Abwesenhei t von Luft.

Ausfiihrung wie friiher in der Apparatur der vorangehenden Mitteilung Hess-Schultze S. 81.

Konzentration in Proc.

_____._

0,107

0,202

0,209

0,203

0,299

0,305

0,382

0,589

Zeit nach dem Einwerfen des Schiffchens

in Stunden

% 2311,

lgll, 4W2

2311, 51%

' l a

47

1' / 2

1

6 23 4811, 77'12

'I, 2211, 50

4 21 35 59 70

'I e 18 44 66

1 21

A

0,0000 0,0097 0,0090

0,0185 0,0185 0,0205

0,0195 0,0180 0,0095

0,0190 0,0185 0,0185 0,0120 0,0080

0,0275 0,0285 0,0205

0,0330 0,0320 0,0290 0,0200 0,0000

0,0210

0,0200

0,0195 0,0195

0,0275 0,0155

Mo1.-Gew. @er. 288)

a, 430 466

425 425 384

416 449 840

417 430 430 649 989

434 409 563

360 371 410 595 m

703 760 760 750

832 1480

Zur naheren Einsichtnahrne des daran interessierten Lesers geben wir hier aus dem Laboratoriumsjournal die detaillierten Ablesungen des Gefrierpunktes einer eineigen L6sung im Verlauf von 70 Stunden wieder. Wir greifen willkiirlich die LGsung mit der Konzentration

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Uber das kryoskopische T'erhalten von Glykogenacetat. 12 1

0,305 Proc. heraus. Die Unterkiihlung betrug jeweils 0,3 bis 0,5 O. Sie wurde fur jede Ablesung einer ganzen Kurve miiglichst konstant ge- halten (& 0,03O).

4,067 4,062 4,080 4,086 4,094 4,098 4,108 4,110 4,125

4,099 4,098

4,096 4,098

4,099 4,098 I

Eisessig

_ _ ~ _ _ ~

4,116 4,118 4,128

4,130 4,132 4,131

4,132

4,130 4,131 1

4,095 4,085 4,086

4,100 4,099

4,099 4,098

4,099 4,099 I

Liisung

nach 35 Std.

4,094 4,090 4,100 4,097 4,102

4,102 4,102

nach 59 Std.

4,070 4,110 4,1121 4,1I2fl1 l1 4,110

nach 70 Std.

4,125 4,136

4,134 4,134

Auffallenderweise macht man bei vollstandiger Asso- ziation stets die Beobachtung, daS der Gefrierpunkt um einige tausendstel Grad iiber dem Gefrierpunkt des reinen Losungsmittels liegt. Eine ahnliche Beobachtung haben wir friiher auch bei Trimethylcellulose gemacht und besonders darauf hingewiesen. l) Vielleicht ist diese allgemein ge- machte Beobachtung darauf zuriickzufiihren, daS bei der Assoziation sonst nicht nachweisbare bzw. nicht entfernbare Fremdstoffe, wie z. B. Wasser, von dem assoziierten Teilchen adsorbiert werden, so daS der Gefrierpunkt des Losungs- mittels etwas steigt.

Regenerierung cles Acetates. Hierfiir warden die Losungen vereinigt, die zu den

Molekulargewichtsbestimmnngen benutzt worden waren. Vor- sichtiges Eindunsten im Vakuum bei 30° bis fast zur

I) K, Hess, W. Welt.zien u. E. Messmer, A. 4.35, 80 (1923).

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122 Hess u. Stahn, Bas kryoskop. Perhalten von Glykogenacetat.

Trockene, Verreiben des Ruckstandes und grundliches Waschen rnit Ather. Das farblose Pulver wurde uber Natronkalk, dann uber P,O, getrocknet.

[a]&' = (100 x 1,685) : (1 x 1,067) = I- 157,SO (Pyridin).

Zur Darstellung des Kohlenhydrates wurde das Praparat rnit "I,-methylalkoholischer Kalilauge bei Zimmertemperatur behandelt und nach dem Neutralisieren rnit n/,-methyl- alkoholischer Essigsaure das Kohlenhydrat rnit Methyl- alkohol ausgewaschen, nochmals in Wasser aufgenommen und nach dem Versetzen rnit einigen Tropfen "/,-Essigsaure rnit Xethylalkohol ausgefallt. Nach dem Trocknen bis zur Konstanz uber P,O,:

Asche. [a]aO= (100 X 1,95):(i X 1,014) =f 192,3O (Wasser). 0,11 Proc.

M o le kul a r ge w i c h t s b e s t immnn g e n b e i G e gen w a r t v o n Luft .

Diese wurden in der ublichen Beckmannapparatur (magnetische Riihrung) bei sorgfdtigster Fernhaltung von Luftfeuchtigkeit aus- gefiihrt. Die Gefrierpunkte wurden, wie oben, &us 4-6 hintereinander liegenden Ablesungen bestimmt ( rt 0,0015 O).

Koneentrstion in Proc.

0,098 0,099 0,101 0,196 0,207 0,295 0,396 0,504 0,508 0,590

A

0,016 0,027

0,023 0,027 0,027 0,039 0,028 0,027 0,042

rgl. auch Fig. 2.

0,020

MoLGew. (ber. 288)

238 143 199 333 298 425 393 714 734 548


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