Unterschiedliche Weltsichten der Internationalen Beziehungen: die
Ontologie einer Wissenschaft
Einführender ÜberblickEinführender Überblick
Die wissenschaftstheoretische Grundtriade
ERKENNTNISINTERESSE
FRAGESTELLUNG
SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES
Einführender ÜberblickEinführender Überblick
• Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse. Jüngste Aufl. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001
• John Ziman: Wie zuverlässig ist wissenschaftliche Erkenntnis? Braunschweig 1982
• Heinrich Schmidt/Georgi Schischkoff (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Jüngste Aufl. Stuttgart: Kröner 1991
Die wissenschaftstheoretische Grundtriade
Theoretische Weltsicht
FRAGESTELLUNG
SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES
Internationale Beziehungen
Erkenntnisinteresse
Zivilisierung des Konfliktaustrags:
Reduzierung gewaltsamer Formen, Strukturen und Prozesse des Konflikt-austrags zugunsten der Förderung zunehmend gewaltfreier, rechtsförmiger Modi der Konfliktbearbeitung.
STRUKTUR
PROZESS
Internationale Beziehungen als Nullsummenspiel
KRIEG
KONFLIKT
Zivilisierung des Konfliktaustrags durch seine Verrechtlichung
• Gewaltsame Interessendurchsetzung
• Rüstung/Rüstungswettläufe
• Sicherheitsdilemma
• (sozioökonomische) Dependenz und
• Abhängigkeit durch (Fremd-) Herrschaft
Verteilungsungerechtigkeit/Marginalisierung
• (negative) Interdependenz als Beschränkung von Handlungsoptionen
Internationale
Anarchie
(gewaltsame Regulierung von Beziehungen)
Internationale
Gesellschaft
(Verregelung von Beziehungen)
Überlagerung internationaler Konfliktformationen durch multi- und transnationale (Interessen-) Verflechtungs- und Entscheidungsprozesse
Kooperation
Frieden
• Abschreckung
• Gleichgewichtspolitik
• Kollektive Verteidigung
• Rüstungskontrolle
• Kollektive Sicherheit
• Peace Enforcement/ Peace Keeping
• Peace Building
• Integration
• (Kon-) Föderation
• (positive) Interdependenz:
(friedens-) stabilisierende Wirkungen
von Interdependenzverflechtungen
• funktionale Spillover-Effekte
Internationale Beziehungen als positives Summenspiel
The Billard-Ball-Model of International Politics
Pulling forces
Pushing forces
International Politics
Society A
Akteur A
Society B
Akteur B
IGO
Foreign Policy A
Foreign Policy B
Internationale Politik
Cobweb model of international Relations
Das methodologisch-ontologische Bezugsfeld
REALISMUS NEOREALISMUS
TRADITIONALISMUS
qualitativ, historisch- hermeneutisch
SZIENTISMUS
quantitativ, empirisch-nomologisch
IDEALISMUS
Spinnweb-Modell internationaler Politik
GLOBALISMUS , REGIME-ANSÄTZE
Billard-Ball-Modell internationaler Politik
Exkurs:Drei Vorstellungs- oder
Analyseebenen der Internationalen Beziehungen
Three Images
Kenneth Waltz. 1954. Kenneth Waltz. 1954. Man, the State, and War. What are the causes of war?
First Image: Human nature
Second Image: The State
Third Image: The International System
ANSATZEBENEN DER TYPOLOGIE VON KRIEGSURSACHEN NACH WALTZ
1. Natur des Menschen
Die Gewalt liegt in den Akteuren – oder: Kriege entstehen in den Köpfen der Menschen als Folge von Dummheit, Selbstsucht oder fehlgeleiteten aggressiven Impulsen
2. Wesen der menschlichen Gesellschaft
Die Gewalt liegt in der Organisation und Struktur der Akteure – oder: Kriege sind das Ergebnis despotischer Herrschaft, mangelnder rechtsstaatlicher Verfassung der Staaten und ungerechter Verteilung sozioökonomischer Werte in einer Gesellschaft
3. Struktur des internationalen Systems
Die Gewalt liegt im (Staaten-) System – oder: Kriege sind das notwendige Korrelat eines anarchischen internationalen Naturzustandes souveräner Akteure, die im Innern über das Monopol legitimer physischer Gewaltanwendung verfügen und im Aussenverhältnis keiner höheren Macht unterworfen sind
Großtheorien internationaler Beziehungen
Die Entwicklung der Lehre von den Internationalen Beziehungen hat - in Reaktion auf außerwissenschaftliche, politisch-gesellschaftliche Krisenphänomene - eine Reihe unterschiedlicher Großtheorien internationaler Beziehungen gezeitigt, die die Phänomene der internationalen Politik
mit je unterschiedlichem Erkenntnisinteresse und davon abhängiger Fragestellung auf der Grundlage je verschiedener anthropologischer, ethisch-
normativer und methodischer Vorverständnisse zu erfassen suchen.
Diese Großtheorien differieren im Blick auf ihre ontologischen, d.h. die Natur des Erkenntnisgegenstandes betreffenden Grundannahmen:
Grosstheorien internationaler Beziehungen (II)
sie formulieren unterschiedliche Prämissen und Annahmen
• über die Beschaffenheit, Qualität und Struktur des internationalen Milieus, d.h. des Handlungs(um)feldes internationaler Akteure;
• über Beschaffenheit, Qualität und Charakter der in diesem Handlungs(um)feld (überwiegend) handelnden Einheiten, d.h. der internationalen Akteure selbst;
• über die von diesen verfolgten Interessen und Ziele sowie über die
Mittel, die zur Verwirklichung dieser Interessen und Ziele gemeinhin eingesetzt werden.
Theorienkonkurrenz, nicht Theorienwechsel
Jede Großtheorie zeichnet ein für sie charakteristisches Weltbild internationaler Beziehungen; Großtheorien und wissenschaftliche Weltbilder konkurrieren miteinander, ohne daß letztlich entschieden werden kann, welche dieser Großtheorien und Weltbilder die (einzig) richtige Deutung der internationalen Wirklichkeit darstellt.
Denn dazu würde die Wissenschaft einen archimedischen Punkt über und außerhalb der Konkurrenz ihrer Großtheorien - oder gleichsam eine Meta-Großtheorie - benötigen, die es erlaubte, Kriterien für die Wahrheit oder Falschheit jener Prämissen zu etablieren, auf die die einzelnen Großtheorien ihre Aussagen zurückführen. Ein solcher archimedischer Punkt ist gegenwärtig nicht in Sicht!
Großtheorie Akteur Milieu Strukturprinzip
Realismus
Nationalstaat
Staatenwelt als anarchischer (Natur-)
Zustand
vertikale Segmentierung,
unlimitiertes Nullsummenspiel um
Macht, Einfluss, Ressourcen
Englische
Schule
Staatenwelt als rechtlich verfasste
internationale Staatengesellschaft
vertikale Segmentierung, durch Norm und
Übereinkunft geregeltes
Nullsummenspiel
Idealismus Individuum Weltgesellschaft als internationale
Gesellschaft der Individuen
universalistische Verfassung
GROßTHEORIEN INTERNATIONALER BEZIEHUNGEN
GROßTHEORIEN INTERNATIONALER BEZIEHUNGEN
Großtheorie Akteur Milieu Strukturprinzip
Interdependenz-orientierter Globalismus
individuelle oder gesellschaftliche Akteure
transnationale Gesellschaft
funktionale, grenzübergreifende
Vernetzung
Imperialismus-theorien
individuelle oder gesellschaftliche Akteure,
die Klasseninteressen vertreten
internationale Klassengesellschaft
gesellschaftlich: horizontale
grenzübergreifende Schichtung;
(macht-)politisch: vertikale Segmentierung
der imperialistischen Konkurrenten
Dependenzorientierter Globalismus:
Dependenztheorien und Theorien des kapitalistischen
Weltsystems
gesellschaftliche und nationalstaatliche
Akteure, die Klasseninteressen
vertreten
kapitalistisches Weltsystem als
Schichtungssystem von Metropolen und
Peripherien
horizontale Schichtung nationaler Akteure im
Weltsystem; strukturelle Abhängigkeit der
Peripherien von den Metropolen; strukturelle
Heterogenität der Peripherien
Realismus Pluralismus Strukturalismus
Hauptakteure Staaten Staaten und nichtstaatliche
gesellschaftliche Akteure
gesellschaftliche und nationalstaatliche
Akteure, die Klasseninteressen
vertreten
Kernfragen und Hauptprobleme
Internationale Anarchie; Sicherheitsdilemma;
Machtstreben
Transnationalismus und Interdependenz, aber keine klaren Problem-hierarchien zwischen
Sachgebieten
Ausbeutung, Imperialismus,
(Entwicklung der) Unterentwicklung in
Zentrums-Peripherie-Relationen
Hauptprozesse Streben nach militärischer und/ oder ökonomischer
Sicherheit; Balance of Power
Bargaining; Management von
Problemkomplexen; Veränderung der Wertehierarchien
Streben nach ökonomischer
Dominanz
Hauptergebnisse Krieg oder (negativer) Frieden
Erfolgreiches Management komplexer
Interdependenz
Spaltung der Weltgesellschaft
zwischen Zentrum und Peripherie;
kontinuierliche Ausbeutung der (armen)
Peripherie durch das (reiche) Zentrum
Perspektivische Konsequenzen unterschiedlicher IB-Theorien Perspektivische Konsequenzen unterschiedlicher IB-Theorien
Literaturtipp
• Gert Krell: Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen. 2. Aufl. Baden-Baden: Nomos 2003
• Siegfried Schieder/Manuela Spindler (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen. 2.Aufl. Opladen: B.Budrich 2006 [UTB 2315]
• Dario Battistella: Théories des relations internationales. 2e ed.rev.& augm. Paris: Presses Science Po 2006
Nützliche Website
• http://www.oup.com/uk/orc/bin/9780199271184/01student/zcases/
• zu John Baylis & Steve Smith (eds.), The Globalization of World Politics, 3.Aufl. Oxford 2005
• The 1999 Kosovo Crisis• The Gulf War 1990 – 1991• The Iraq War 2003• Jeweils aus der Sicht von:• # Realist, # Liberal, # Marxist & Radical,# Alternative
Theories
Konsequenzen unterschiedlicher Großtheorien – Verschiedenheit
der (wissenschaftlichen) Weltsichten