für Studierende der Molekularen Medizin
im Rahmen des Isotopenpraktikums
14. März 2014
Thomas Meyer
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Vorlesung Strahlenbiologie
Ionisierende Strahlung
Direkt ionisierende Strahlung Indirekt ionisierende Strahlung
Geladene Teilchen• Protonen• Elektronen• Ionen
• ..
Ungeladene Teilchen• Photonen• Neutronen• ..Röntgen- und -Strahlen
Radioaktivität: radioaktiver Zerfall
Wir unterscheiden: geladene Teilchen oder ungeladene γ-Quanten (Photonen)Diese Teilchen oder Photonen ionisieren andere Atome - direkt oder indirekt.
Röntgenröhre oder Linearbeschleuniger: Quellen der RöntgenstrahlungRö-Quanten ionisieren andere Atome indirekt via Sekundärelektronen.
Fingerring-Dosimeter
Duales Spiral Computertomograph
LINAC (Linearbeschleuniger)
Ionisierende Strahlung: potentiell schädlich (Strahlenschutz), aber auch nützlich anwendbar in Diagnostik und Strahlentherapie
LET = E / x (keV / m)
E = übertragene Energie
x = Teilchenbahnsegment
Linearer Energietransfer (LET)
RBW = Energiedosis Rö-Strahlung / Energiedosis Strahlung bei gleicher Wirkung
Referenzstrahlung = 200-250 kV Röntgenstrahlung
Relative biologische Wirksamkeit (RBW)
Dosimetrische Größen
Energiedosis D = Energie/Masse [1J/1kg = 1 Gy]∆E / ∆m
Äquivalentdosis H = D x wR [1 Sv]
wR: Strahlenwichtungsfaktor
Äquivalent- Dosis HT = Σ wR x DT,R [1 Sv]
wR = Strahlungs-Wichtungsfaktor
DT,R = Äquivalent-Energiedosis, die durch die
Strahlung R erzeugt wird
Für eine Strahlungsart : H = wR x D [1 Sv]
Z.B. für Rö-Strahlung und ß–Strahler gilt: 1 Gy = 1 Sv
Strahlungs-Wichtungsfaktoren wR
Photonen, alle Energien 1
Elektronen, alle Energien 1
Neutronen, E < 10 keV 5
Neutronen, E = 10 bis 100 keV 10
Neutronen, E = 100 keV bis 2 MeV 20
Neutronen, E = 2 MeV bis 20 MeV 10
Neutronen, E > 20 MeV 5
Protonen, E > 2 MeV 5
Alphateilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne
20
1. Periphere Lymphozyten und rotes Knochenmark
2. Weibliche Brust
3. Schilddrüse
4. Lunge, Magen, Dickdarm
5. Knochenoberfläche
6. Andere Organe
7. Haut
Variable Strahlenempfindlichkeit einzelnerZelltypen/Organe
E = Σ wT x HT = Σ wT Σ wR x DT,R [1 Sv]T R
wT = Gewebe-Wichtungsfaktor
Σ wT = 1
Effektive Dosis: (Summe der gewichteten Organdosen)
Gewebe-Wichtungsfaktoren wT
Keimdrüsen 0.20
Knochenmark (rot) 0.12
Dickdarm 0.12
Lunge 0.12
Magen 0.12
Blase 0.05
Brust 0.05
Leber 0.05
Speiseröhre 0.05
Schilddrüse 0.05
Haut 0.01
Knochenoberfläche 0.01
Andere Organe und Gewebe 0.05
Σ wT = 1
Molekulare Ebene Schäden an Molekülen (DNA, Proteine)
Subzelluläre Ebene Schäden an Zellmembranen, Zellkern, Chromosomen, Mitochondrien
Zelluläre Ebene Zellzyklusveränderungen, Zelltod,Zelltransformation (Karzinogenese)
Gewebsebene Funktionsstörungen, ZentralnervensystemBlutbildung, Darm
Organismus Tod, LebenszeitverkürzungMutationen im Erbgut (Genetik)
Ebenen der Strahlenwirkung
Strahleninduzierte Kardiotoxizität
Für Herzdosen > 15 Gy oder fraktionierte Dosen > 36 Gy, ist das erste Zeichen einer Schädigung die akute Perikarditis. Diese kann entweder abklingen oder aber zu einer chronischen konstriktiven Perikarditis führen. Herzdosen > 8 Gy führen zu einer beschleunigten Atherosklerose‐Entstehung und damit zu einem höheren (ca. 1,5fach) Herzinfarkt‐Risiko.
Bei kleineren Dosen ist die Myokard‐Schädigung primär durch Schäden in der Mikrovaskulatur verursacht und kann zu einer interstitiellen Fibrose führen.
Jährliche Strahlenexposition durch
natürliche Strahlenquellen
Externe plus interne Quellen Effektive Jahresdosis
Kosmische Strahlenquellen 0.30 mSv/a
Terrestrische Strahlenquellen 0.15 mSv/a
Mittlere Gesamtbelastung 2.40 mSv/a
Lungendosis (Radonexposition) 20 bis 200 mSv/a
Schäden durch ionisierende Strahlung im Vergleich
Direkte Schäden durch Ionisationen : 30 bis 40%
Indirekte Schäden durch Wasser-Radikale (ROS) (Wasser-Radiolyse) und weitere reaktive Sauerstoffspezies, ROS: 60 bis 70%
(H2O → H2O+ + e- → OH• + H+ )Ion Radikal + Ion
Bystander-Effekte
sind von der Dosis unabhängig, werden manifest in unbestrahlten Zellen die:
1. im Kontakt mit bestrahlten Nachbarzellen sind
oder
2. von den bestrahlten Nachbarzellen gewisse
Signale erhalten haben
Die so induzierten de novo Effekte können wiederum Mutationen
Chromosomenaberrationen, maligne Transformation und
verzögerter Zelltod sein.
Effekte in unbestrahlten Zellen
bestrahlten und unbestrahlten Zellen innerhalb des bestrahlten Volumens
Effekte durch Signale zwischen:
bestrahlten Geweben und unbestrahlten Geweben außerhalbdes bestrahlten Volumens
Blyth und Sykes, Radiation Research 2011;176,139-157
Dosis-Effekt-Beziehungen
stochastischerEffekt
deterministischerEffekt
SchwereAnzahl
(erfordert sehr vielegeschädigte (=getötete)Zellen)
(erfordert einegeschädigte (=veränderte)Zelle)
Strahlendosis
Stra
hlen
effe
kt
Stochastische und deterministische Effekte
Biologische Wirkungen kleiner Dosen:
stochastische Effekte (Strahlenschutz!)
Genetische Wirkung: Schäden in Gonadenzellen
- manifest in F2 und späteren Generationen
Somatische Wirkung: Schäden in allen anderen
Zelle, manifest in Form von Leukämien, Lymphomen
und soliden Tumoren
Biologische Wirkungen großer Dosen:
deterministische Effekte (D = 2 bis 10 Gy)
z.B. Augenlinsentrübung, Erythem, Fibrose, Ulkus, Haarausfall, Knochenmark-Syndrom, Strahlenkrankheit, Strahlentod
Teratogene Wirkungen (Organfehlbildungen)
Augenlinsentrübung : Schwelle bei 0.5 Sv
Akute Strahlenkrankheit
Hautveränderungen: Erythema (juckende Hautrötungen)PurpuraBullae (Blasen)UlzeraHaarausfall (Alopezie)Nekrosen
Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, AppetitlosigkeitHämatopoetische Symptome:
Myelosuppression mit LeukopenieThromobozytopenie mit Petechien
Arterielle HypotonieNeurologische Symptome:
SchwindelKopfschmerzenBenommenheitStörungen des Zentralnervensystems (Krampfanfällen, Tremor, Ataxie)
Formelzeichen Bezeichnung Anmerkung
O2·− Hyperoxid-Anion freies Radikal, Second Messenger (alte Bezeichnung: Superoxid-Anion)
HO· Hydroxyl-Radikal freies Radikal, hochreaktiv
ROO· Peroxylradikal freies Radikal
RO· Alkoxylradikal freies Radikal, bei Lipiden
H2O2 Wasserstoff-peroxid Bildung anderer ROS, Second Messenger
ROOH Hydroperoxid
O3 Ozon
1O2 Singulett-Sauerstoff angeregtes Sauerstoffmolekül
Radikale sind Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Elektron, die meist besonders reaktionsfreudig sind.
Bestrahlte Zelle und mögliche Reaktionen
Zellzyklus-Arrest
DNA Reparatur
Seneszenz
Apoptose
fehlerhaft
fehlerfreiMitotischeKatastrophe
1.Mutationen2.Chromosomen-Aberrationen
3. Aneuploidie
Autophagie Nekroptose
Biologische Wirkungen ionisierender Strahlung
Die schädigende Wirkung ionisierender Strahlung auf Zellen, Gewebe und Organe wird hauptsächlich durch direkte Schädigungen des genetischen Materials, der DNA, verursacht.
DNA Doppelstrangbrüche
DNA Doppelstrangbrüche sind sehr zytotoxisch.phospho-H2AX foci;
Antikörper-Markierung
Basenschaden Basenverlust
Zuckerschaden
DNA-Doppelstrangbruch
DNA-Einzelstrangbruch
DNA-Protein Cross-link
DNA Interstrang-Link
8-oxo-Guanin
DNA Addukt
Strahlenwirkung auf DNA
Sinha, Häder, Photochem Photobiol Sci 2002;1,225-236
Entstehung von Cyclobutan-Pyrimidin-Dimeren durch UV-Strahlung: Enzymatische Wirkung der Photolyase
Sinha, Häder, Photochem Photobiol Sci 2002;1,225-236
Entstehung von toxischen und mutagenen 6-4-Photoaddukten durch UV-Strahlung: Enzymatische Rekonstition durch 6-4-Photolyase
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) → Schäden an vielen
Biomolekülen → oxidativer Stress
Strahleninduzierter oxidativer Stress ist bis zu mehreren Wochen
in bestrahlten Zellen nachweisbar.
Biomarker:
8-Oxo-2-desoxy-Guanosin
Urushibara et al., Radiation Protection Dosimetry, 2006;122:163-165.
Lokale Effekte in Abhängigkeit vom LET
DNA-Schäden durch Strahlung
Basenveränderungen (200/Gy)
H-Abstraktion an Zuckermolekülen
Einzelstrangbrüche (1000/Gy)
Doppelstrangbrüche (50/Gy)
DNA-DNA- und DNA-Protein-Quervernetzungen (40/Gy)
Mehrfachereignisse = Bulky Lesions (20-40/Gy)
DNA-Schäden pro 1 Gy
Basenschäden bd (modifizierte Basen und oxidative Addukte) 1 Gy induziert 4000 bis 5000 bd/Zelle(oxidat. Metabolismus induziert 10.000 bis150.000 bd/Zelle/Tag)
Einfachstrangbrüche SSB:1 Gy induziert 1000 SSBs/Zelle
Doppelstrangbrüche DSB:1 Gy induziert 30 bis 60 DSBs/Zelle
DNA-Cross-Links1 Gy induziert etwa 150 Cross-Links
Apoptose
Nekroptose
Autophagie
Induziert durch externe Stimuli unter Beteiligung der Todes –Rezeptoren und der entsprechenden Liganden TNF-alpha, FasL and TRAIL. Aktivierte RIP1 Kinase ist notwendig. Nekrostatine inhibieren diesen Zelltod.
Bildung von Autophagie-Vakuolen, sog. Autophagosomen die später mit Lysosomen fusionieren und mit Hilfe der lysosomalen Enzyme werden die Inhalte abgebaut. Beclin-1 ist wesentlich.
Interner (Mitochondrien-abhängiger) oder externer (Todesrezeptoren –abhängiger) Weg: beide Wege führen zu Aktivierung von Caspasen die für die klassische, p53-abhängige Apoptose wesentlich sind.
Apoptose Nekroptose Autophagie
Zelluläre Antworten auf Strahlenschäden
MaligneTransformation
Krebszelle mit multiplen komplexen Chromosomen-aberrationen
Spektral-Karyogramm einer Osteosarkoma-Metaphase (a: Multicolor-Spektralanzeige und b: Computergenerierte Farbanalyse)
Helman und Meltzer, Nature Rev Cancer, 2003;3,685-694
Translokation zwischen Chrosomom 9 und 22 im Philadelphia-Chromosom führt zum Rearrangement genetischen Materials mit Entstehung eines Bcr-Abl-Fusionsproteins und Entwicklung einer chronisch myeloischen Leukämie.
Lydon, Nature Med 2009;15,1153-11257
Übersicht: Verschiedene Mechanismen der Reparaturvon DNA-Schäden
McKinnon, Nature Reviews Neuroscience 2009;10,100-112
Grampurohit et al., J Cancer Res Therapeutics, 2011; 7, 205-207
Erhöhte Inzidenz von Malignomen bei Xeroderma pigmentosum
HyperpigmentisierungPhotosensitivitätKutane UlzeraNekrosen Aktinische HyperkeratoseBasaliome
Progerie-Syndrome
Werner-Syndrom (WS)
Bloom-Syndrom (BS)
Rothmund-Thomson-Syndrom (RTS)
Cockayne-Syndrom (CS)
Xeroderma pigmentosum (XP)
Trichothiodystrophy (TTD): Defekt des Nukleotid-Exzision-Repairs
Usuda et al., XPD R722W Mutation,J Human Genetics,2011;56,77-79
McKinnon, Nature Reviews Neuroscience 2009;10,100-112
Übersicht: Verschiedene Mechanismen der Reparaturvon DNA-Schäden
PARP1: poly (ADP-ribose)-polymerase
Fuss und Cooper PK, PLoS Biol 2006;4:e203.
Nukleotid-Exzision-Repair
Beteiligte Proteine und deren Funktionen
McKinnon, Nature Reviews Neuroscience 2009;10,100-112
Nukleotid-Exzision-Repair
Beteiligte Proteine und deren Funktionen
Chen und Nirodi, Clin Cancer Research, 2007;13,6555-6560
Die Role des Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors bei der Reparatur strahleninduzierter DNA-Schäden
Chen und Nirodi, Clin Cancer Research, 2007;13,6555-6560
Die Role des Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors bei der Reparatur strahleninduzierter DNA-Schäden
Knezevic et al. PNAS 2007;104:11286-11291
Der Transkriptionsfaktor p53 als Schalter für strahlen-induzierte Apoptose
Xu et al., Nature Chem Biol 2011;7,285-295
Begg et al., Nature Reviews Cancer2011;11,239-253
ATM: Ataxia telangiectasia mutated
CHK1/2: Checkpoint-Kinase 1/2
p21Waf/CIP: Cyclin-dependent kinase inhibitor (CKI)
CDC25A/C: Phosphatase Cell-Division-Cycle 25
Kopplung von Doppelstrangbrüchenmit Zellzyklusarrest
Herzlichen Dank