Was ist RaumZeit?
Ohne Gravitation ist die Welt flach
Max Camenzind
Akademie Heidelberg
November 2014
• Hermann Minkowski führt 1908 den Begriff der RaumZeit ein Metrik, kausale Struktur.
• Linienelement auf gekrümmten Flächen nach Gauß 2-Sphäre als Prototyp.
• Theorema Egregium von Gauß.
• Verallgemeinerung auf beliebige n-dimensionale Mannigfaltigkeiten durch Bernhard Riemann im Jahre 1854 erst 1876 publiziert.
• 1915: Die RaumZeit von Albert Einstein beschreibt die Gravitation mit Gravitation ist die Welt gekrümmt.
Inhalt
Hermann Minkowski Mathematiker 1864 – 1909
war Einsteins Lehrer ETH
ging 1907 nach Göttingen
1908
Minkowski zur SR: »Ach, der Einstein?
Der schwänzte doch immer die Vorlesungen
– dem hätte ich das gar nicht zugetraut.«
Einstein: »überflüssige Gelehrsamkeit«
Der Vortrag über „Raum und Zeit“, den Hermann Minkowski auf der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Köln gehalten hat, bildet die letzte seiner genialen Schöpfungen. Leider ist es ihm nicht beschieden gewesen, den feineren Ausbau seines kühnen Entwurfs einer Mechanik, in welcher die Zeit den drei Dimensionen des Raumes koordiniert ist, zu vollenden. Denn ein tragisches Geschick hat den als Mensch und Forscher gleich geschätzten Verfasser auf der Höhe seines Lebens und Schaffens am 12. Januar d. J. der Wissenschaft, seinen Lieben und Freunden jäh entrissen. Halle a. S., den 20. Februar 1909 A. Gutzner
Aus dem Vorwort
Ich respektiere aber noch das Dogma, daß Raum und Zeit je eine
unabhängige Bedeutung haben. Ich will einen Raumpunkt zu einem
Zeitpunkt, d. i. ein Wertsystem x,y,z,t einen Weltpunkt nennen. Die
Mannigfaltigkeit aller denkbaren Wertsysteme x,y,z,t soll die Welt
heißen. Ich könnte mit kühner Kreide vier Weltachsen auf die Tafel
werfen. Schon eine gezeichnete Achse besteht aus lauter
schwingenden Molekülen und macht zudem die Reise der Erde im
All mit, gibt also bereits genug zu abstrahieren auf; die mit der
Anzahl 4 verbundene etwas größere Abstraktion tut dem Mathe-
matiker nicht wehe. Um nirgends eine gähnende Leere zu lassen,
wollen wir uns vorstellen, daß aller Orten und zu jeder Zeit etwas
Wahrnehmbares vorhanden ist. Um nicht Materie oder Elektrizität zu
sagen, will ich für dieses Etwas das Wort Substanz brauchen. Wir
richten unsere Aufmerksamkeit auf den im Weltpunkt x,y,z,t
vorhandenen substantiellen Punkt und stellen uns vor, wir sind
imstande, diesen substantiellen Punkt zu jeder anderen Zeit wieder
zu erkennen. Einem Zeitelement dt mögen die Änderungen dx,dy,dz
der Raumkoordinaten dieses substantiellen Punktes entsprechen.
Hermann Minkowski: Raum und Zeit
Hermann Minkowski: Raum und Zeit
Wir erhalten alsdann als Bild sozusagen für den ewigen
Lebenslauf des substantiellen Punktes eine Kurve in der
Welt, eine Weltlinie, deren Punkte sich eindeutig auf den
Parameter t von −∞ bis +∞ beziehen lassen.
Die ganze Welt erscheint aufgelöst in solche Weltlinien,
und ich möchte sogleich vorwegnehmen, daß meiner
Meinung nach die physikalischen Gesetze ihren
vollkommensten Ausdruck als Wechselbeziehungen
unter diesen Weltlinien finden dürften.
ds² = c²dt² - dx² - dy² - dz² = c²dt´² - dx´² - dy´² - dz´²
Län
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Welt
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„Die in einem beliebigen Weltpunkte vorhandene
Substanz kann stets bei geeigneter Festsetzung von
Raum und Zeit als ruhend aufgefaßt werden.“
Das Axiom bedeutet, daß in jedem Weltpunkte stets der
Ausdruck
positiv ausfällt oder, was damit gleichbedeutend ist,
daß jede Geschwindigkeit v stets kleiner als c ausfällt.
Es würde danach für alle substantiellen
Geschwindigkeiten c als obere Grenze bestehen und
hierin eben die tiefere Bedeutung der Größe c liegen.
In dieser anderen Fassung hat das Axiom beim ersten
Eindruck etwas Mißfälliges. Es ist aber zu bedenken, daß
nun eine modifizierte Mechanik Platz greifen wird, in der die
Quadratwurzel aus jener Differentialverbindung zweiten
Grades eingeht, so daß Fälle mit Überlichtgeschwindigkeit
nur mehr eine Rolle spielen werden, etwa wie in der
Geometrie Figuren mit imaginären Koordinaten.
F = c²dt² - dx² - dy² - dz²
c2t2−x2−y2−z2=0
Durch das Weltpostulat wird eine gleichartige Behandlung der vier
Bestimmungsstücke x,y,z,t möglich. Dadurch gewinnen, wie ich jetzt
ausführen will, die Formen, unter denen die physikalischen Gesetze
sich abspielen, an Verständlichkeit. Vor allem erlangt der Begriff der
Beschleunigung ein scharf hervortretendes Gepräge.
Ich werde mich einer geometrischen Ausdrucksweise bedienen, die
sich sofort darbietet, indem man im Tripel x,y,z stillschweigend von z
abstrahiert. Einen beliebigen Weltpunkt O denke ich zum Raum-Zeit-
Nullpunkt gemacht. Der Kegel
Fig. 2
mit O als Spitze (Fig. 2) besteht aus zwei Teilen, einem mit Werten t<0,
einem anderen mit Werten t>0. Der erste, der Vorkegel von O, besteht,
sagen wir, aus allen Weltpunkten, die „Licht nach O senden“, der
zweite, der Nachkegel von O, aus allen Weltpunkten, die „Licht von O
empfangen“.
Kausale Struktur der RaumZeit Moderne Sprechweise
3-Raum
Zeitartig
Raumartig
Lichtartig, Null
In jedem Ereignis
ist ein Lichtkegel
definiert, der die
RaumZeit aufteilt.
Nennen wir in Analogie zum Vektorbegriff im Raume jetzt
eine gerichtete Strecke in der Mannigfaltigkeit der x,y,z,t
einen Vektor, so haben wir zu unterscheiden zwischen den
zeitartigen Vektoren mit Richtungen von O nach der
Schale +F=1, t >0 und den raumartigen Vektoren mit
Richtungen von O nach −F=1. Die Zeitachse kann jedem
Vektor der ersten Art parallel laufen. Ein jeder Weltpunkt
zwischen Vorkegel und Nachkegel von O kann durch das
Bezugsystem als gleichzeitig mit O, aber ebensogut auch
als früher als O oder als später als O eingerichtet werden.
Jeder Weltpunkt diesseits O ist notwendig stets früher, jeder
Weltpunkt jenseits O notwendig stets später als O. Dem
Grenzübergang zu c=∞ würde ein völliges Zusammen-
klappen des keilförmigen Einschnittes zwischen den Kegeln
in die ebene Mannigfaltigkeit t = 0 entsprechen. In den
gezeichneten Figuren ist dieser Einschnitt absichtlich mit
verschiedener Breite angelegt.
1915 Einsteins Grund-Idee: Gravitation ist keine Kraft, Gravitation ist Geometrie der 4-dimensionalen RaumZeit
Μεδεις αγεωμέτρητος εισιτω
μον τήν στήγων.
Let none ignorant of geometry
enter my door.
Legendary inscription over
the door of Plato’s Academy
Fläche in E³ ist Mannigfaltigkeit
Abbildung Fläche:
(u,v) (x(u,v),y(u,v),z(u,v))
Frage:
Wie misst man Abstände?
Wie sehen Geodäten aus?
Wie berechne ich Fläche?
Winkel df (Rektaszension) rdq
Großkreise Winkel q
(Deklination)
r sin(q) df
Nach Pythagoras:
ds² = r² dq² + r²sin²q df²
ds² = g11
dq² + g22
df²
Metrische Funktionen:
g11
= r² , g22
= r²sin²q
Messen auf der Kugelfläche S²
Sphäre mit Radius r
1. Fundamentalform einer Fläche = induzierte Metrik gik der Fläche
ds² = E du² + 2F du dv + G dv² (nach Gauß)
= g11(u,v) du² + 2 g12(u,v) du dv + g22(u,v) dv²
Länge einer Flächenkurve
Geodäten auf einer Fläche
Inhalt einer Fläche
Winkel zwischen Tangenten
Tangenten-
Ebene
Haupt-
Krümmungs-
Ebenen
Normale
Gauß: Krümmung von Flächen
Gauß-Krümmung:
K = 1/(R1R2)
= R1212
R1,R2: Krümmungsradien
Während Gauß in den Jahren 1821 bis 1825 das
Königreich Hannover vermessen hatte, vermutete er,
dass sich die Krümmung der Erdoberfläche allein
durch die Längen- und Winkelmessung bestimmen
lässt. Tatsächlich brauchte Gauß noch einige Zeit, um
diese Aussage zu beweisen. Auch war sein Beweis
alles andere als unkompliziert und einfach. Aus
diesem Grunde bezeichnete er den Satz als egregium
Theorema, „hervorragend wichtigen Lehrsatz“.
Theorema Egregium
Die Gaußsche Krümmung K hängt lediglich
von den Koeffizienten der Matrix gik(u,v) der
ersten Fundamentalform und deren ersten
und zweiten Ableitungen ab.
Kindheit
Prof. Dr. Dörte Haftendorn, Universität Lüneburg, www.mathematik-verstehen.de, Vortrag Johanneum Lüneburg 2006
Bernhard Riemann
wurde 17. September 1826
in Breselenz bei
Dannenberg geboren.
Sein Vater war dort Pastor.
Studium und Mathematik
Berlin • Steiner
• Jacobi
• Dirichlet
dieser folgt 1855 Gauß nach,
ihm folgt 1859 Riemann auf den
Lehrstuhl in Göttingen
1847-49
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Die von Herrn Riemann eingereichte Schrift legt ein
bündiges Zeugniß ab von den gründlichen und tief
eindringenden Studien des Verf. in demjenigen Gebiete,
welchem der darin behandelte Gegenstand angehört; von
einem strebsamen ächt mathematischen
Forschungsgeiste, und von einer rühmlichen
productiven Selbstthätigkeit. Der Vortrag ist
umsichtig und concis, theilweise selbst elegant: der
größte Theil der Leser möchte indeß wohl in einigen
Theilen noch eine größere Durchsichtigkeit der
Anordnung wünschen. Das Ganze ist eine gediegene
werthvolle Arbeit, das Maaß der Anforderungen,
welche man gewöhnlich an Probeschriften zur
Erlangung der Doctorwürde stellt, nicht bloß
erfüllend, sondern weit überragend.
Das Examen in der Mathematik werde ich übernehmen.
Prof. Dr. Dörte Haftendorn, Universität Lüneburg, www.mathematik-verstehen.de, Vortrag Johanneum Lüneburg 2006
Weg zur Mannigfaltigkeit Wissenschaftliche Arbeiten bei Gauß
ein halbes Jahr vor Gauß‘ Tod
Dissertation 1851
„Grundlagen für eine allgemeine Theorie der
Funktionen einer veränderlichen complexen Größe“
Habilitationsschrift 1853
„Über die Darstellbarkeit einer Funktion durch
eine trigonometrische Reihe“
Habilitationsvortrag 1854
“Die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde
liegen”. Erfindung der Riemannschen
Mannigfaltigkeiten. absolut genial!
Erst 1876 in den gesammelten Werken publiziert.
Der Begriff der Mannigfaltigkeit geht auf Bernhard
Riemann zurück. In seinem Habilitationsvortrag Ueber
die Hypothesen welche der Geometrie zu Grunde liegen,
den er 1854 unter anderem vor Carl Friedrich Gauß hielt,
führte er den Begriff der Mannigfaltigkeiten ein. Er
spricht von discreten und stetigen Mannigfaltigkeiten,
die n-fach ausgedehnt sind, beschränkt sich zu dieser
Zeit also auf Gebilde, die in den Rn eingebettet sind. Auf
diesen Mannigfaltigkeiten kann man Winkel und
Abstände messen. In späteren Arbeiten entwickelte er
die riemannschen Flächen, die wahrscheinlich die ersten
abstrakten Mannigfaltigkeiten waren.
Mannigfaltigkeiten werden zur Abgrenzung manchmal
abstrakt genannt, um auszudrücken, dass sie keine
Teilmengen des euklidischen Raums sind, sondern
eigenständige Gebilde.
Um auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit von Längen, Abständen, Winkeln und Volumen zu sprechen, benötigt man eine zusätzliche Struktur. Eine Riemannsche Metrik g (auch Metrischer Tensor genannt) definiert im Tangentialraum jedes Punktes der Mannigfaltigkeit ein Skalarprodukt. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer riemannschen Metrik heißt Riemannsche Mannigfaltigkeit. Durch die Skalarprodukte sind zunächst Längen von Vektoren und Winkel zwischen Vektoren definiert, davon ausgehend dann auch Längen von Kurven und Abstände zwischen Punkten auf der Mannigfaltigkeit, sowie Geodäten als die kürzeste Verbindung zwischen 2 Pt.
Die Riemannsche
Mannigfaltigkeit
Die
Sp
häre
S²
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ein
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Kart
en
darg
este
llt.
Flächen in En sind
Mannigfaltigkeiten.
Umgekehrt:
Ist jede Mannigfaltigkeit als
Fläche in einem En einbettbar? Versuchen Sie, es rauszufinden!
Affine Struktur der Kugel
Tangentenebenen in verschiedenen Punkten haben a priori
nichts miteinenander zu tun.
Zur Deckung gebracht durch Rotation 2 Rotationsmatrizen A
Dies definiert affinen Zusammenhang: V(x+n) = V(x) + AnV(x)
Transport von Vektoren längs Kurven Parallelverschiebung
Transport
von Vektoren
soll metrisch
sein
Winkel
zwischen 2
Vektoren
ändert sich
nicht!
Sonst hätte
man Torsion.
, Effekt der
Krümmung
auf Transport
von Vektoren
auf Kugel
Vektoren
werden gedreht
Winkel a Maß
der Krümmung
Riemann Krümmung
V
TV E1
E2
Riemann: 6 Rotationsmatrizen
TVa = R
a
bcd V
b [E
1
c E
2
d]
ab, cd = 01, 02, 03, 12, 13, 23
Gravitation RaumZeit =
Riemann lokal Minkowski
ds2 giji, j 0
n
dx idx j
• Ein Riemannscher Raum ist eine Punktmenge, auf der man
messen kann. Minkowski: ein Punkt (t,x,y,z) = Ereignis, n=4.
• gij ist der Metrische Tensor (symm. Tensor 2. Stufe) : 10 Funktionen für den 4-dimensionalen Raum Dim = 4, n = 4 • Vorschrift, den Abstand zwischen zwei Punkten zu berechnen. • Aus metrischem Tensor folgen Riemann und Ricci Tensoren . Der metrische Tensor bestimmt auch die Geodäten (Trajektorien der frei fallenden Körper) mittels Christoffel-Symbole.
Ex1: RaumZeit eines Sterns
Sonne, Erde, Neutronensterne, SL
Symmetrie lässt
nur 2 Funktionen
frei:
F(r): „Gravitations-
potenzial“
B(r): Krümmung
des 3-Raumes
B(r) > 1: Volumen
größer als
Euklidisch
(r,f)-Fläche
Ra
um
Ze
it S
tern
ko
lla
ps
Co
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assere
ich
en
Ste
rns k
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uf
SL
och
Min
ko
wsk
i R
au
mZ
eit
Ex2: Expandierendes Universum
Heutige Weltmodelle
a(t) : Expansionsfaktor Streckung des 3-Raumes
k = 1, 0, -1 : Krümmungstyp des 3-Raumes
Streckung der Minkowski RaumZeit