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50 Weltwoche Nr. 49.11Bild: ZVG

Derzeit ringen Vertreter von fast 200 Staatenim südafrikanischen Durban um ein Klimaab-kommen.DenBemühungenunterlegt sinddieErkenntnisse des Weltklimarats (IPCC). Diesebesagen, dass der von Menschen verursachteCO2-Ausstoss die Erde aufheizt. Würden nichtbald drastisch weniger Klimagase produziert,heisst es von Seiten des IPCC, seien katastro-phale Folgen für die Welt unabwendbar.

Der Weltklimarat genoss lange höchstesAnsehen. 2007 wurde ihm der Friedensnobel-preis verliehen. Inden letzten Jahrenmachtenaber irritierende Fehlleistungen des IPCCSchlagzeilen. Massgeblich beteiligte Forschergerieten wegen ihres Verhaltens unter Be-schuss. Die Protagonisten des Weltklimaratstaten den Vorwurf schlechter Arbeit aber alsfiese Attacke dunkler Mächte ab.

Die kanadische Journalistin DonnaLaframboise hat nun akribisch zum Welt-klimarat recherchiert. Sie hat führende Figu-ren des Rats unter die Lupe genommen, dieQuellenverzeichnisse der IPCC-Berichtedurchstöbert und ist den wissenschaftlichenGrundlagen einiger alarmierender Befundenachgegangen. Auf was sie gestossen ist, hatsie in einem Buch niedergeschrieben.Laframboise weist nach, dass im Weltklimaratkeineswegs die besten Forscher versammeltsind,wieunablässigbehauptetwird.Vielmehr

ist das Gremium von Aktivisten unterwan-dert, die fast ungehindert grüne Propagandabetreiben. Diese missachten systematisch ele-mentare Regeln wissenschaftlicher Arbeit –ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Laframboise führt zum einen eine ganzeReihe von Personen an, die beim IPCC blut-jung in einflussreiche Positionen gelangten,obwohl siekaumwissenschaftlicheVerdienstehatten. Richard Klein zum Beispiel war ab1997 die Verantwortung für ganze Kapitel inIPCC-Berichten übertragen worden, obwohler erst 2003 seine Doktorarbeit abschloss.Ebenfalls ohne diese wissenschaftliche Basis-qualifikation war Lisa Alexander, als sie 1999als Autorin des Weltklimarats ausgewähltwurde. Laurens Bouwer wurde 1999 sogar alsLeitautor des Weltklimarats verpflichtet, wie-wohl er noch nicht einmal sein Studium been-det hatte. Sein Studiengebiet waren eigentlichKlimawandel und Wasserressourcen. Den-noch schrieb er beim Weltklimarat an einemKapitel namens «Versicherungen und andereFinanzdienstleistungen» mit. Einzige Quali-fikation dafür war ein Praktikum bei derMünchener Rückversicherungs-Gesellschaft.

Eine hervorragende Qualifikation für eineeinflussreicheRollebeimWeltklimarat scheinteine Karriere bei einer Umweltorganisation zusein, wie Laframboise anhand vieler Beispiele

belegt. Der erwähnte Richard Klein, der mit25 Jahren ohne Doktortitel zum IPCC stiess,hatte zuvor als Greenpeace-Aktivist gewirkt.Bill Hare, der 2007 als eine von nur vierzig Per-sonen den zusammenfassenden «SynthesisReport» des IPCC mitverfasste, war seit 1992Greenpeace-Aktivist und diente 2007 dieserOrganisation sogar als «Chef-Klimaunter-händler». Richard Moss wirkt seit zwanzigJahren beim Weltklimarat mit, obwohl er zeit-weiligbeimWWFangestelltwar. JenniferMor-gan wurde 2010 vom IPCC ausgesucht, um aneinem der Berichte mitzuarbeiten, obwohl siezuvor jahrelang fürUmweltorganisationenge-arbeitet und insbesondere das weltweite Kli-mawandel-Programm des WWF geleitet hatte.

Laframboise deckt zudem auf, dass nichtweniger als 78 beim Weltklimarat involvierteForscher gleichzeitig auch Mitglied des Wissen-schaftlichen Beirats des WWF für dessen Klima-zeugen-Initiativesind,diederÖffentlichkeitdieangebliche Dringlichkeit des Klimawandelsklarmachen soll. 23 dieser Forscher waren sogarhauptverantwortlichfürmindestensjeeinKapi-tel imIPCC-Klimabericht von2007.Diebeteilig-ten IPCC-Wissenschaftler plagt offenbar keineSorge um ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie sichungeniert mit Umweltaktivisten solidarisieren.

Quellen nachträglich eingebaut

So viel weltanschauliche Schlagseite hatAuswirkungen auf die Resultate des Welt-klimarats. Im Januar 2010 stellte sich heraus,dass eine Aussage im IPCC-Bericht von 2007überein schnellesAbschmelzenderHimalaya-Gletscher falsch ist.Manerfuhr,dass sichdieseAussage lediglich auf eine vom WWF verbrei-tete Aussage abstützt. Wie Laframboise zeigt,handelt es sich bei diesem Vorkommnis nurum die Spitze des Eisbergs. Der IPCC-Berichtvon2007verlässt sichregelmässigaufBerichtevon Umweltorganisationen – zudem auch aufnicht publizierte Arbeiten, Zeitungsartikelund Medienmitteilungen. Davon, dass sämt-liche genutzten Quellen von höchster wissen-schaftlicher Qualität seien, wie die Vertreterdes IPCC unablässig behaupten, kann keineRede sein. Donna Laframboise zählte nach –zusammen mit einem Team, das sie unter-stützte: Von den insgesamt 18531 Referenzen,die der IPCC-Bericht von 2007 enthält, bezie-hen sichmindestens 5587Referenzen–also 30Prozent — auf Quellen, die nie eine wissen-schaftliche Begutachtung durchlaufen haben.Eine solche Begutachtung gehört aber zu den

Propaganda statt WissenschaftEine kanadische Journalistin weist in einem neuen Buch nach, dass der Weltklimarat nicht die bestenForscher versammelt, wie immer behauptet wird.Aktivisten sitzen im Gremium und betreiben grünePropaganda.Die Forschungsresultate sind häufig zweifelhaft.Von Alex Reichmuth

«Wie ein ungezogener Jugendlicher»: Journalistin Laframboise.

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51Weltwoche Nr. 49.11Bild: Salvatore di Nolfi (Keystone)

elementaren Qualitätskriterien wissenschaft-lichen Forschens.

Laframboise stellt zudem fest, dass derIPCC-Bericht von 2007 dutzendfach Studienzitiert mit Erscheinungsdatum nach demJanuar2006–obwohlderWeltklimarat immerbetonte, nur zuvor erschienene Literatur zuberücksichtigen. Diese Quellen wurden vonden IPCC-Autoren nachträglich eingebaut,nachdem die Begutachtung ihrer Texte durchwissenschaftliche Gutachter bereits abge-schlossen war.Die Journalistin führt Beispielean, wie IPCC-Autoren mit diesem Vorgehendie wissenschaftliche Qualitätskontrolle um-gingen, um selber verfasste Studien zu zi-tieren. So konnten sie den Klimawandel undseineFolgendramatischerdarstellen,als esderStand der Wissenschaft eigentlich zuliess.

Generell suchen sich die Autoren des Klima-rats unter verschiedenen wissenschaftlichenQuellen oft genau diejenigen heraus, die ihrervorgefassten Meinung eines dramatischenKlimawandels entsprechen. Als Beispiel fürdieses in der Wissenschaft verpönte cherry-picking führt Laframboise an, dass der IPCC-Bericht von 2007 vor den Schäden von Unwet-terkatastrophen wegen des Klimawandelswarnt. Dabei verweist der Bericht imWesentlichen auf eine Studie, die ebenfallsnach Redaktionsschluss erschienen war, näm-lich anlässlich einer WissenschaftskonferenzimMai2006.AndieserKonferenzwurdenaberauch 24 andere Studien präsentiert, die keinenZusammenhang zwischen Sturmschäden undmenschengemachtem Klimawandel sehen.Alldiese Studien ignoriert der IPCC-Bericht.

Laframboise konstatiert, dass der IPCC-Bericht von 2007 auch bei der Frage, ob wegender Erderwärmung die Hurrikan-Aktivität zu-nehme, zu einem Schluss fernab des Konsensesunter Wissenschaftlern kommt. Es gebe keineneinzigen Hurrikan-Experten, der einen Zusam-menhang zwischen der Hurrikan-Aktivität unddem Klimawandel sehe, hielt zum Beispiel dierenommierteWissenschaftszeitschrift Science imJanuar 2005 fest.Trotzdembezeichnet das IPCCeinen solchen Zusammenhang als wahrschein-lich. Grund dafür sind theoretische Berechnun-gen, denen der Weltklimarat mehr vertraut alsden Beobachtungen in der Realität. Generellhätten beim IPCC die sogenannten Klima-Modellierer das Sagen, die am SchreibtischAus-sagenaufgrundvonComputermodellenmachten,schreibt Laframboise – und nicht Wissenschaftler,die sich auf Beobachtungen stützten.

Insgesamt verhalte sich der Weltklimarat soselbstverliebt und schamlos wie ein ungezo-gener Jugendlicher, dem nie Grenzen gesetztworden seien, schreibt die Journalistin. Hoff-nung auf Verbesserung hat sie keine. «DasIPCC muss aufgelöst werden», fordert sie.

obdieMenschheit gegendenKlimawandelkämpfen solle. Insofern handle es sich umwissenschaftlicheAussagen, nicht um poli-tische, schreibt Stocker – was er in den be-treffenden Interviews betont habe.

Laframboise zieht zudem die Unabhän-gigkeit von Andreas Fischlin in Zweifel,Systembiologe an der ETH Zürich undebenfalls einer der führenden Wissen-schaftler beim IPCC. Sie hält fest, dassFischlin wie andere IPCC-Forscher demWissenschaftsbeirat der Klimazeugen-Ini-tiative des WWF angehört und sich somitin die Dienste der Umweltorganisationstellt (sieheHauptartikel).Weiter ist Fisch-lin Mitglied der Schweizer Delegation beiVerhandlungen zur Uno-Klimakonven-tion, die ein weltweitesAbkommenzurRe-duktion des CO2-Ausstosses zum Ziel hat.Diese Tätigkeit sei in höchstem Mass poli-tischunddarummitneutralerForschungs-arbeit unvereinbar, schreibt Laframboise.

Sie analysiert imWeiteren einKapitel imIPCC-Bericht von 2007, für das Fischlin dieVerantwortung trug. In diesem wird ge-warnt, dass zwanzig bis dreissig Prozentaller Tier- und Pflanzenarten einem höhe-ren Aussterberisiko ausgesetzt sein könn-ten, falls sichdieErdeummehrals zweibisdrei Grad erwärmt. Diese Aussage stützesich im Wesentlichen auf eine einzige Stu-die, die hoch umstritten sei, schreibt La-framboise. Zu dieser Studie seien mehrereäusserst kritische, wissenschaftlich begut-achtete Kommentare erschienen. Auf alldiese Kritik gehe das von Fischlin verant-wortete Kapitel aber mit keinem Wort ein,so Laframboise. Die umstrittene Studie seidenn auch von einem der Co-Autoren desIPCC-Kapitels mitverfasst worden.

AndreasFischlinweist alleKritikzurück.ErseieinzigeinerunabhängigenForschungverpflichtet, keinen Interessenvertretern.AlsgewählterWissenschaftsvertreter inderSchweizer Delegation an den Klimaver-handlungen habe er sich jeweils strikt andie vom Bundesrat festgelegten Positionenzu halten. Die von Laframboise kritisierteAussage zum Aussterberisiko im IPCC-Be-richt stütze sich nicht wie behauptet imWesentlichen auf eine, sondern auf 19 Stu-dien ab.«Alle damit zusammenhängendenwissenschaftlichen Fragen sind [...] ausge-wogen und eingehend diskutiert worden.»

Alex Reichmuth

Es sei regelmässig zubeobachten,dass sichführende Köpfe des Weltklimarats (IPCC)in der Öffentlichkeit politisch äusserten,schreibt Donna Laframboise in ihremBuch. Das widerspreche ihrer Rolle als un-abhängige, neutrale Wissenschaftler aberdiametral. Aufgefallen ist der Journalistindabei unter anderen der Berner ProfessorThomas Stocker, Co-Vorsitzender derIPCC-Arbeitsgruppe I, die sich mit denphysikalischen Grundlagen des Klima-wandels befasst. Sie zitiert Stocker mit derAussage, «alle Gesellschaften dieses Plane-ten» sollten «einen klaren Fahrplan zurReduktionvonKlimagasen»aufstellen.Ananderer Stelle habe Stocker dazu aufgeru-fen,Sanktionenvorzusehen fürLänder,dieihre Klimaziele verfehlten, sowie einenHandel mit Emissionszertifikaten einzu-richten. «Welcher Teil seiner AusbildungalsPhysikerbefähigt ihn,solchepolitischenEntscheidungen für uns alle zu treffen?»,fragt sich die Journalistin.

Die Passagen seien aus ihrem Zusam-menhang gerissen worden, verteidigt sichStocker auf Anfrage. Er habe bei diesenAussagenlediglichzumAusdruckgebracht,was die Menschheit tun müsse, falls sieeinen gefährlichen Klimawandel verhin-dern wolle. Er habe damit aber nicht dieAntwort auf die Frage vorweggenommen,

Weist Kritik zurück: ETH-Professor Fischlin.

Forschung

Einseitige DarstellungDie einflussreichen Schweizer Klimaforscher Thomas Stockerund Andreas Fischlin fallen durch Parteinahme auf.

Donna Laframboise: The Delinquent TeenagerWho Was Mistaken for the World’s Top Climate Expert.Ivy Avenue Press


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