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Zur Kenntnis der Chromsaure als Oxydationsmittel 1. Von

KARL SEUBERT und J. CARSTENS.

Vor einigen Jnhren hat der eine von uns (S.) in Gemeinschaft init A. HENKE * die Einwirkung von Kaliumbichromat auf Kalium- jodid bei Anwesenheit von freier Saure in ihrer Abhangigkeit von Zeit , Verdiinnung und dem gegenseitigen Mengenverhaltnis von Chromat, Jodid und freier Saure eingehend untersucht und das fur die jodometrische Bestimmung der Chromate Wesentliche aus der grolsen Menge der Versuchsesgebnisse mitgeteilt. Wir gelangten damals zu dem Schluk, dafs bei geeigneter Ausfiihrung die jodo- metrische Bestimmung der Chromsaure in bezug auf Genauigkeit der Ergebnisse , wie auch Schnelligkeit der Ausfiihrung allen An- forderungen der analytischen Praxis genugt. Spater wurde (von S. und KLJATSCHKO~) die Reaktion in der etwas vereinfachten Form untersucht, dali statt Kaliumbichromat freie Chromsaure, bzw. eine Auflosung von Chromtrioxyd , statt Kaliumjodid freier Jodwasser- stoff zur Anwendung gelangte; Zeit, Konzentration und die Menge der zugesetzten ,,indifferenten" freien Mineralsauren (Salzsaure und Schwefelsaure) wurden wie fruher variiert. Wie vorauszusehen, war der Reaktionsverlauf in allen Stucken demjenigen zwischen Chromat und Jodid bei Anwesenheit von freien starken Sauren analog, ab- gesehen von einer kleinen Beschleunigung bei Verwendung von Chromsaure und Jodwasserstoff, der sich durch den etwas hoheren Gehalt der Losung an Wasserstoff ionen erklkt.

Die vorliegende Abhandlung3 beschaftigt sich mit der Frage der

Diplomarbeit, Hannover 1900. Auszug in Zeitschr. angew. Chem.

Diplomarbeit, Hannover 1902. Auf meine Veranlassung hat Herr J. CABSTENS diese und verwandte

Reaktionen bearbeitet und die Ergebnisse in seiner Iuauguraldissertation (Hannover 1903) zusammengestellt; die vorliegende Mitteilung ist ein Auszug a m eincm Teile der kleinen Schrift. S.

___ ___

1900, 1147.

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Ordnung der Reaktion zwischen Chromat und Jodid.

Die Reaktion zwischen Chromaten und Jodiden bei Gegenwnrt von Sauren gehort nach der ublichen Schreibweise zu den ]loch- molekularen, denn selbst wenn man die einfachste Form wkihlt :

CrO, + 3HJ = Cr(OH), + 35

ist sie vierter, in Ionen gescbrieben aber siebenter Ordnung:

Crf03 + 3H. + 3J’ = Cr(OH), + 3 J . Will man jedoch das Endergebnis in der Qleichung zum Bus-

druck bringen, so ruckt sie in noch weit hohere Ordnungen auf‘, z. B.:

Cr,O,” + 6 J + 6Cl’ + 14H’ = 2 CrCl, + 7H,O + 35,.

Nun sind aber nach unserer heutigen Auffassung Reaktionen hijherer Ordnung sehr selten und die scheinbar hochmolekulareL Reaktionen spielen sich in der Regel in uni-, bi- oder (schon recht selten) trimolekularen Zwischenreaktionen, also stufenweise nb. So ist beispielsweise die bekannte Reaktion

HBrO, + 5HBr = 3H,O + 3Br,

nicht sechster oder, wie die Ionenformel

BrO,’ + 5Br’ + 6 H = 3H,O + 3Br2

fordert, gar zwijlfter Ordnung, sondern nach JUDSON und WALKER nur vierter Ordnung oder quadrimolekular und verlauft vermutlich in erster, melsbarer Phase nach der Gleichung:

(1)

welch letztere Reaktionsprodukte sich dann mit nicht zu messender Raschheit mit Bromwasserstoff zu freiem Brom umsetzen :

(2)

BrO,’ + Br’ + 2H’ = HBrO + HBrO, ,

BrO + BrO,’ + 4Br’ + 6R. = SH,O + 3Br,.

Nach der alteren Schreibweise wiirde die Reaktion (1) nur zweiter Ordnung sein:

HBr + HBrO, = HBrO + HBrO, , was jedoch mit dem Ergebnis der Messungen nicht stimmt.

Vergl. NERNST, Theoretische Cbemie, 4. Aufl., S. 551. * Jozirn. Chem. Soc. 1898, 410; s. a. NEKNST, 1. c.

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Es darf wohl bei dieser Oelegenheit darauf hingewiesen werden, dafs in den meisten Lehrbuchern die Definition der Ordnung einer Reaktion an einem Widerspruch leidet. So sind nach NERNST~ ,,Reaktionen, durch deren Fortschritt die Konzentration von .n - MO- l ek i i lga t tungen geandert wird, m-molekulare", also wird bei- spielsweise bei einer un imolekularen Reaktion nur e ine Molekiil- gattung in ihrer Konzentration wesentlich geandert. Im Widerspruch damit wird jedoch (auf S. 554) eriirtert, dafs der Zerfall des Arsen- wasserstoffs in seine Elemente eigentlich als quadr imoleku la r vorauszusehen ware, gemafs der Gleichung :

ASH, = AS, + 6H,,

dafs er jedoch nach seinem Geschwindigkeitskoeffizienten nur u n i - m o 1 e ku l a r verlauft :

ASH, = AS + 3H.

Wie man sieht, handelt es sich aber in beiden Fallen doch nur urn ein und dieselbe Moleki i lga t tung , namlich SsH,, aber die relative Zahl der am Umsatz beteiligten Molekeln ist ver- schieden.

Ahnlich wird (auf S. 550) als Beispiel einer t r imo leku la ren Reaktion nach NOPES die Umsetzung aufgefuhrt :

2FeC1, + SnCI, = 2FeC1, + SnC1, , wahrend es sich hierbei nur um zwei Molekulgattungen (Fe"' und Sn..), aber um d r e i Molekeln (2Fe"' und 1Sn") handelt.

Die Ordnung einer Reaktion wird somit nicht durch die AnLahl de r Molekulga t tungen , sondern d u r c h d i e r e l a t ive Z a h l d e r be im Umsa tz n a c h aqu iva len ten Mengen ve rb rauch ten Molekeln (bzw. Ionen) bedingt.,

Die Bestimmung der Ordnung einer Reaktion ermSglicht dann, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, einen Einblick in ihren Verlauf und Nechanismus ; eine gewisse Unsicherheit der Methode liegt eben darin, dah sie nur uber die Zah l , aber nicht, oder doch nur in begrenztem Mafse, iiber die A r t der an der Reaktion be-

Theoretische Chemie, 4. Aufl., S. 542. RIMBACH definiert in LOTHAB MEYERS ,,Grundziigen der tbeoretischen

Chemie", 3. Aufl., auf S. 189 die unimolekulaye Reaktion richtig als Umwand- lung e i n e r e i n z i g e n M o l e k e l , auf S. 192 und 193 aber die bi- und trimole- kularen Reaktionen als solche von zmei, bzw. drei Moleke lar ten .

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teiligten Molekeln Auskunft gibt und namentlich uber die Natur der entstehenden Produkte gar nichts aussagt, so dah sich nicht selten verschiedene Auffassungen des Reaktionsverlaufes darbieten.

b i e Ordnung einer Reaktion lalst sich bestimmen aus ihrem G e s c h w i n d ig ke i t s ko effizi e n t en ; derselbe wird fur aquivalente Mengen durch folgende Ausdrucke dargestellt:

1 a t a- -5

Fur unimolekulare Reaktionen: - In __,

1 -5

t (a - $)a ' fur bimolekulare Reaktionen: - . 1 c ( 2 a - .) t 2a2 (a - -5)z

fur trimolekulare Reaktionen: - ~ usw.

Die Zeit, deren es zum Umsatz eines bestimmten Anteils z der wirkenden Stoffe bedarf, ist im ersten Falle unabhangig von der Anfnngskonzentration a, im zweiten ist sie derselben umgekehrt pro- portional, im dritten dem Quadrate derselben und allgemein bei einer n-molekularen Reaktion der (12 - 1) ten Potenz umgekehrt pro- portional.

Ferner gibt die OsTwaLDsohe ,,Methode der Isolation" uns ein weiteres Mittel zur Bestimmung der Reaktionsordnung an die Hand.

Sind alle reagierenden Stoffe bis auf einen iu grolsem Uberschuf's vorhanden, so ist die relative Konzentrationsanderung aller dieser Stoffe gegen die des einen zu vernachlassigen und fur die Wirkung des letzteren gilt d a m die Gleichung:

t C,n-1 tz q n - 1 1 =-.

Hier sind C, und C, verschiedene Anfangskonzentrationen des bc- treffenden Stoffes (bei gleicher Anfangskonzentration aller ubrigen Stoffe) und tl und t, sind die zu gleichem prozentualem Umsatze gehorigen Zeiten. Fur n = 1 sind diese Zeiten also unabhangig von der Konzentration des Stoffes, fur n = 2 sind sie ihr umgekehrt proportional usw., und die Reaktion heifst dann erster, zweiter usw. Ordnung in bezug auf diesen isolierten Stoff.

Es laBt sich also fur jeden einzelnen beteiligten Stoff ermitteln, in welcher Molekelzahl er sich an der Reaktion beteiligt.

1 Siehe NEBNST, Theoretische Chemie, 4. Aufl., S. 553.

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Die Ausfiihrung der Versuche

geschah (wie in den fruheren Arbeiten S. 53 mit HENKE und KLJATSCHKO) in der Weise, dals die reagierenden Stoffe in stark verdunnter, meist nur molarer Losung zusammengebracht und nach Ablauf der Versuchszeit die Menge des freigewordenen Jods durch Titrieren mit

n. -Natriumthiosulfat und Zuruckmessen des Uberschusses an letzterem mit '/,,, n.-Jod bestimmt wurde.

Es wurden daher folgende Losungen hergestellt :

a) 1/60 molares K a l i u m b i c h r o m a t , l

4.9083 g K2Cr,0, im Liter enthaltend. Das Salz war zweimal um- kristallisiert und vor dem Abwiegen in ublicher Weise scharf ge- trocknet.

b) ,lao mola res Chromt r ioxyd ,

3.337 g CrO, im Liter enthaltend. Die Losung wurde zunachst etwas konzentrierter hergestellt und dann in 50 ccm der Chromgehalt ge- wichtsanalytisch bestimmt. Bei der endgultigen Verdiinnung wurde der Durchschnitt dreier gut ubereinstimmender Analysen zugrunde gelegt. Die Losung kann , auch d s 1/60 molare Parachromsaure, H,Cr,O, gelten.

c) 6/60 molares Ka l iumjod id ,

16.600 g K J im Liter enthaltend. Das reine, scharf getrocknete Salz wurde in der berechneten Menge Wasser gelost. Die Losung wurde ihrer geringen Haltbarkeit wegen h'aufig erneuert.

d) 6/i,o mola re r Jodwassers tof f ,

12.786 g HJ im Liter enthaltend. Die Losung wurde stets kurz vor Beginn des Versuches bereitet durch Einleiten von gasfijrmigem Jodwasserstoff (nach dem Verfahren von LOTHAR MEYER mittels Ein- wirkung von aufgeschlammtem rotem Phosphor auf Jod dargestellt) in Wasser; die erhaltene Losung wurde auf Borax unter Verwendung von Methylorange als Indikator acidimetrisch eingestellt.

1 Die bei den stiichiometrischen Berechnungen benutzten Atomgewichte sind die auf 0 = 16 bezogenen internationalen. Statt des etwas schwankenden Begriffs ,,normal" wurde fiir die Losungeri die nicht mitzuverstehende Be- zeichnung ,,molarL' und ,,atomarc' gewihlt.

* Ber. deutsch. ehmm. Gees. 20 (1887), 3381.

e) 6 /60 mola re Sa lz sau re ,

36.46 g HC1 im Liter enthaltend. Der Gehalt wurde sowohl durch Gewichtsanalyse, wie durch Titrieren mit Borax festgestellt. Fu r einzelne Versuche wurde die Saure in doppelter Starke verwendet.

Die vorstehenden Losungen sind im Sinne der Reaktions- gleichung :

H,Cr,O, + 6 H J + 6HC1= 2CrC1, + 7H,O + 35,

a19 aquivdent anzusehen und sind, bezogen auf ein Atom Jod bzw. Wasserstofl, normal.

J e 10 ccm der LGsungen in 100 ccm Gesamtvolum entsprechen also einer Verdunnung von normal.

Bei der Titration wurden geeichte Buretten verwendet, die mit Glasmanteln versehen waren, durch welche Leitungswasser stromte, um so den Einflufs der Temperaturschwankungen zu verringern. Die Ablesung geschah direkt auf ill,, ccm und sehiitzungsweise auf l/,o, ccm, was durch den die Burette umgebenden Wassermantel sehr erleichtert wurde.

Die zur Herstellung des Reaktionsgemisches dienenden LGsungen, sowie das zur Verdiinnung verwendete Wasser waren vorher in einem grofsen OSTWALD schen Thermostaten auf gleiche Temperatur (etwa Z O O ) gebracht. Die Mischungen befanden sich in Flaschen mit gut eingeschliffenen Glasstopfen und blieben wahrend der Dauer des Ver- suches im Thermostaten.

1. Isolierung des Bichromats.

I n den nachfolgenden Versuchen gelangte Kaliumbichromat, bzw. freie Chromsaure in wechselnder, aber immer relativ geringer Menge, Kaliumjodid und Salzsaure in starkem Uberschut zur An- wendung. Es sollte dadurch der Einflufs der Bichromationen isoliert und so festgestellt werden, in welcher Ordnung sie sich an der Reaktion beteiligen.

I n eine Stopselflasche wurden erst die Losungen der im Uber- schuls zur Anwendung gelangenden Stoffe Salzsaure und Kalium- jodid und dann soviel Wasser hineingemessen, dafs mit Einrechnung des Volumens der zuletzt zugefiigten Losung des Kaliumbichrornats das Gesamtvolumen 200 ccm betrug.

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Tabelle 1.

V = 200 ccm. n X 5 ccm '/eo mol. K,Cr,O, + 50 ccrn '/eo mol. KJ + 100 ccm mol. HCI.

Versuchsdauer I n = 1 Umsatz in Proz. dee K,Cr,O, _ _ ~ _ _ _ _ _ ~ ~

I I

1 2 3

51.6 43.1 38.7

Wie aus der Tabelle hervorgeht, war das Bichromat in einer den anderen beiden Stoffen nur zu ein bis drei Zehntel iiquivalenten Menge vorhanden. Ware die Reaktionsgeschwindigkeit wirklich pro- portional der Konzentration des Bichromats, so miifste bei diesen Versuchen der relative Umsatz des Bichromats in allen Fallen der gleiche sein, wie oben auseinandergesetzt. Statt dessen zeigt sich eine Abnahme des Umsatzes, die aber anscheinend von einer neben- sachlichen Storung der Reaktion herriihrt.

Die Versuche wurden nun mit der Abanderung wiederholt, dals statt der LBsung des Bichromats eine solche von Chromtrioxyd (bzw. Bichromsaure) zur Anwendung gelangte. Jetzt waren, wie die nach- stehende Tabelle 2 zeigt, die fur den prozentualen Umsatz erhaltenen Werte befriedigend konstant, was dafur spricht , dals die Reaktion in bezug auf Chromsaure erster Ordnung ist, sich a180 zunachst nur eine Molekel Chromsaure, bzw. ein Chromation, am Umsatz be- teiligt.

Tabelle 2. n x 5 ccm p/60 mol. CrO, + 50 ccm 6/60 mol. KJ + 100 ccm 6/eo mol. HCI.

Y = 200 ccm.

Versuchsdauer 1 = 1 Umsatz in Proz. des CrO, I r __.___

45.6 I 1 2 i 45.9 3 I 44.8

2. Isolierung des Jodids. Es wurde nun das Jodid hinsichtlich seiner Wirkung isoliert,

indem es gegenuber Chromat und Saure in stark zurucktretender Menge angewendet und in seiner Konzentration abgeandert wurde.

Statt der den angemandten 50 ccm 6/60 mol. KJ iiquivalenten 50 ccm.

60

10 Min. 1 1 10 11 2 I

Da bei den Versuchen mit starkem Chromsiiureuberschuls beim Titrieren des freigewordenen Jods grolse Fehler dadurch entstehen konnen, dak das bei der Titration gebildete Jodid immer wieder mit der Chromsaure unter Freiwerden von Jod reagiert, so mufste hier nach dem Vorgang von SEUBERT das freie Jod erst mit Schwefelkohlenstoff oder Chloroform a ausgeschuttelt und dann in dieser Losung titriert werden. Schwefelkohlenstoff hat gegeniiber dem Chloroform den Vorteil, dals das Jod aus dem Reaktions- gemisch vollstandiger in ihn ubergehtS und er sich auch rascher von der wasserigen Fliissigkeit scheidet.

Die Ergebnisse zeigt die kleine Tabelle 3.

33.6 33 4

SEUBERT, 2. anorg. Chem. 5 (1894), 341. KIPPENBERGER, Zethehr. analyt. Chenz. 42 (1903), 163. Der in der wasserigen Fliissigkeit zuriickbleibende Anteil an freiem Jod

ist beim Ausschiitteln mit Schwefelkohlenstoff erheblich kleiner (etwa l/SOO) als bei Anwendung von Chloroform.

Einen iihnlichen Scblufs macht OSTWALD, Lehrbuch 11, 2, S. 237, fur die Reaktion zwischen Jodwasserstoff und Wasserstoffsuperoxyd.

Es ist also auch hier der prozentuale Umsatz fur die ver- schiedenen Konzentrationen des isolierten Stoffes in gleichen Zeiten der gleiche, die Reaktionsgeschwindigkeit mithin direkt proportional der Konzentration, woraus sich auch fur die Jodionen eine Reaktion erster Ordnung ergibt; es beteiligt sich also am ersten Umsatz nur je eine Molekel Jodid oder ein Jodion.

Es mufs dann, von der indifferenten Saure abgesehen, die Reaktion zweiter Ordnung sein und sich zwischen je einer Molekel Chromsaure (bzw. einem Chromation) und einem Jodion abspielen. Andert man die Konzentration dieser beiden Stoffe gleichzeitig, so muB der relative Umsatz gleich sein nach Zeiten, die sich um- gekehrt verhalten wie die zugehorigen Kon~entrationen.~ Dies ist in der Tat cler Fall, wie Tabelle 4 zeigt.

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Versuchsdauer

Tabelle 4. 12 X 5 ccm mol. CrO, + IE x 5 ccm 6/so mol. KJ -!- 100 ccm Yea mol. HCl.

V = 200 ccm. ~~ _ _ _ _ _ _ ~

n = Umsatz in Proz. KJ und CrO.,

90 Min. 45 1,

30 ,,

1 26.4 2 25.0 3 26.6

3. Die freie Same. Aufser von der Konzentration des Oxydations- und Reduktions-

mittels ist die Geschwindigkeit der Reaktion, wie bei fast allen Oxy- dationen, auch abhangig von der Konzentration der Wasserstoff ionen. Berucksichtigen wir diese Abhangigkeit in der Geschwindigkeits- gleichung, so erhalt diese die Form:

vel. = k f[H'] en , wo [HI die Konzentration der Wasserstoffionen bedeutet; f [ H * ] ist. im allgemeinen nicht [H]n gleichzusetzen,l denn nur bei zwei von den bisher gemessenen Reaktionen ist die Wirkung der Wasseratoff- ionen analog der der anderen reagierenden Stoffe. Die Geschwindigkeit der Reduktion von Kaliumchlorat durch Ferrochlorid ist proportional der Konzentration der Wasserstoff ionen, die Geschwindigkeit der Reduktion von Bromsaure durch Jodwasserstoff ist dem Quadrat der Konzentration des letzteren proportional.

Im allgemeinen ist die Beschleunigung der Reaktion durch Wasserstoffionen eine einfache Funktion ihrer Konzentration. 1st in einem bestimmten Falle ein Umsatz von z. B. 50 O/,, zur Zeit t, erreicht, wahrend er nach Zusatz der Sauremenge S schon .zur Zeit ta erreicht sein wiirde, so heirst l / ta - l/t, = B die Beschleunigung der Reaktion durch den Saurezusatz S. Wiederholen wir dies Ver- fahren mehrmals, so bekommen wir fur denselben Umsatz von 50 O/,,

verschiedene Zeiten: t,, ta , t3 . . . t,, deren jede zu einer bestimmten Saurekonzentration (8) gehort.

OSTWALD, Zeitschr. phys. Chem. 2 (1889), 127. - A. A. NOYES, Zeitschr. phys. Chem. 19 (1896), 598. - J. BRODE, Zeitschr. phys. Chem. 37 (1901), 257.

A. A. NOYES und R. S. WASON, Zeitschr. phys. Chem. 22 (1597), 210. MAGNANINI, Gnx. chin&. ifal. 20, 390. (Zitiert von A. A. NOYES, Zeitschr.

phys. Chem. 19 (1896), 598. - W. JUDSON und J. W. WALKER, Jaunt. Chem. Soc. 1898, 410.

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Sind C,, C, . . . die Konzentrationen der reagierenden Stoffe zur Zeit t, ) dann ist in diesem Augenblicke die Reaktionsgeschwin- digkeit

= h7- C, - C, . . ., d C d t

--

wobei K noch eine Funktion der Saurekonzentration ist, falls auch diese die Geschwindigkeit beeinflufst:

Ii = f (S) I

Die Zeiten t l , ts , t3 . . . t, sind nun, wie OSTWALD~ nach- gewiesen hat, von K = f (S) abhangig nach der Gleichung

Kennt man also die Saurekonzentration und die Zeiten tl , 1, . ., so kann man hieraus f(8) bestimmen.

Fur unsere Reaktion findet man

(2) f ( S ) = a S + b S2. Es ist also

oder a S, + b SI2 a S, + b

l / f , 1 It, ___ ~ - -- - - = k ,

wo k ein Proportionalfaktor ist. dafs k = 1 wird, dann ist

a S, + b Sla = l i t , , oder

Bestimmen wir a und b nun so,

a S, + b - SZ2 = l i tz

cc + b S, = litl S, , u + b S, = lit2 S, . (3) (8, - S,) b = lit, s, - 1 itl s, *

Die folgenden Versuche sprechen zugunsten der Beziehungen

Die Tabelle 5 a gibt die Konzentrationsverhaltnisse der Skure Die Reihen 1 und 2 sind wohl ohne weiteres verstandlich. Die

(2) und (3).

an.

Zeiischr. phys. Chern. 2 (1889), 127. Vergl. besonders A. A. NOYES, Zeitsehr. phys. Chenz. 19 (1896)’ 598.

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ccm mol. HC1 1

. ~ -~ ~

Tabelle 5a. 100 ccm *ieo mol. CrO, + 100 ccm "ieo mol. K J + x ccni mol. HC1.

= 500 ccm. ~~~~~~~~~~~

Konzentration der Same zu Anfang 1 nach 10 o/o Umsatz 1 Gesamtkonzentrat.

2 i -__--i____ 3 4 - -. ________ __ -

50 60 70 80 90

100

0.020 1 0.016

0.028 0.024 0.032 1 0.028 0.036 0.032 0.040 1 0.036

0.024 , 0.020 0.022 0.026 0.030 0.034 0.038 0.042

Anfangskonzentration des Kaliumjodids war in allen E'allen 0.02 molar, da 100 ccm mol. K J auf 500 verdiinnt eine 1/5,, molare Losung dar- stellen. Bei einem Umsatz von 10 O i 0 hatte sie urn 0.002 Mole ab- genommen, die Konzentration der Saure also um 0.004 Mole (Reihe 2) . Die Chromsaure spaltet jedoch als starke Saure auch Wasserstoffionen ab.l Ihre Konzentration war zu Anfang 0.0066 molar, nach einem Umsatz von 10 aber nur noch 0.0066-0.0006 = 0.006 molar. Diese Grolse ist zu den Zahlen der Reihe 3 noch hinzuzuaddieren, um die Gesamtkonzentration der Saure zu erhalten (Reihe 4).

Es wurden zunachst 500 ccrn des Reaktionsgemisches hergestellt und dann zu passenden Zeiten in je 100 ccm die ausgeschiedene Jodmenge bestimmt; hieraus liel's sich dann die zu einem Umsatz von 10 erforderliche Zeit graphisch ableiten (Tabelle 5 b).

Tabelle 5b. 100 ccm ' iS0 mol. CrO, + 100 ccm 6/eo mol. IiJ + z ccm '2/60 mol. HCl.

V = 500 ccm. Die Zeit T entspricht einem Umsata von loo/,.

X S 7' (Min.) l /Tn s,t-l/T1 s; 1 5

- - ~ ~ __ I

60 0.026 ' 37 1.040 0.229 70 0.030 1 26 1.282 0.471 = 2 X 0.236 80 0.034 1 19 1.548 1 0.737 = 3 X 0.246 90 1 0.038 15 1.754 ' 0.943 = 4 x 0.236

100 1 0.042 I 12 1.984 I 1.173 = 5 X 0.235

50 I 0.022 ' 56 0.811 -

Nach OSTWALD, Zeitsclzr. phys. Chem. 2 (1889), 79, ist die Chromsiiure aIs Cr,O,H, in Liisung; auf ein CrO, kommt also ein Wasaerstoffion.

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Die Griifsen S (Spalte 2) sind dieselben, wie die Werte in Tabelle 5a, Spalte 4. Die Proportionalitat der Werte z bzw. S der Werte in Spalte 5 beweist die Gultigkeit der oben in Gleichung (2) und (3) formulierten Beziehungen.

Die Geschwindigkeitsgleichung erhalt also die Gestalt:

vel. = (a + b [HI) [HI [Cr,O,”] [J’] , worin a und b Konstanten sind und die Ausdrucke in eckigen Klammern die Konzentrationen der betreffenden Ionen bedeuten.

Diskussion der Ergebnisse. Das Ergebnis der in vorstehendem kurz beschriebenen Versuche

ist also, dafs die erste Reaktion zwischen Chromsaure und Jodwasser- stoff wahrscheinlich d r i t t e r Ordnung ist und dafs sich an ihr neben Chromat und Jodion noch als dritte Molekel Wasserstoffion beteiligt ; beschleunigt wird die Reaktion dann noch , gleich vielen anderen, durch uberschiissige starke Sauren, also durch Wasserstoff- ionen.

Die Formulierung dieser ersten Phase der Reaktion ist schon deshalb nicht mit voller Sicherheit moglich, weil wir uber den Zu- stand der Chromsaure und Chromate in ihren Losungen nichts be- stimmtes wissen. Wahrend OSTWALD in den angesauerten Losungen der Chromate wie in denen des Chromtrioxyds nur das Dichromation Cr,O,” annimmt, kommen R. ABEGG und A. J. Coxz auf Grund ihrer Versuche zu dem Schluls, dafs in den Losungen des Trioxyds CrO, neben Dichromsaure auch noch Chromsaure und Chromtrioxyd in mefsbarem Betrage enthalten sind, also CrzO,”, CrO,” (bzw. auch HCrO,’) und CrO,. Die Menge der Dichromationen Cr,O,” nimmt mit steigender Verdunnung ab, so dafs in den bei unseren Versuchen angewendeten meist nur l/,oo molaren Losungen wohl neben den Dichromationen ein erheblicher Prozentsatz an Chromatioiien und Chromtrioxyd anzunehmen ist. Welche der drei genannten Molekeln sich an der ersten Reaktionsphase beteiligt, lafst sich nicht mit Sicherheit entscheiden; in jedem Falle wird der Verbrauch der einen Art schliefslich nach den Gesetzen des chemischen Gleichgewichtes auch das Aufbrauchen der beiden ubrigen nach sich ziehen. ~_____.

* Gruudlinien der snorganischeu Chemie, S. 615; Analytische Chemie, 3. Autl., S. 144.

Zeilschr. phys. Chern. 48 (1904), 725.

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Am einfachsten gestnltet sich der Vorgang im Formelbilde, wenn man als erste Stufe der Reaktion die Anlagerung von Jod- wasserstoff an Chromtrioxyd unter Bildung der J o d c h r o m s a u r e , JHCrO,, annimmt,’ die j a in Form ihres Kaliumsalzes bekannt ist und das Analogon zur Chlorchromsaure, ClHCrO, , darstellt, die dem ,,PELIGOT schen Salzeb‘ ClKCrO, zugrunde liegt. Die Gleichung fur den Vorgang ware dann:

/J 2\OH ’ CrO, + H + J = CrO

also eine trimolekulare Reaktion, bei welcher Chromat, Wasserstoff und Jod mit je einer Molekel, bzw. einem Ion, beteiligt sind, wie dies oben gefolgert wurde.

Ober den weiteren Verlauf der Reaktion bis zum Endergebnis kann man wieder nur Vermutungen aufstellen ; moglicherweise be- steht er in der Einwirkung von Jodwasserstoff auf die Jodchrom- saure unter Bildung von Chromioxyd (bzw. eines Chromisalzes) und Freiwerden von Jod :

I11 ?rO,/OH C r I O

CrO,/J CrE-0 \J + 4HJ = ) O + 3 H 2 0 + 6 J .

\OH (2)

Diese zweite Reaktion ware dann eine mit unmefsbar grofser Geschwindigkeit verlaufende.

Es lassen sich freilich auch fur die Dichromationen und Chro- mationen Formeln aufstellen, welche der Forderung einer trimole- kularen Reaktion geniigen, wobei aber auch wieder ein Zwischen- produkt angenommen werden muk. So kann man z. B. die Bildung von Jodsaure als erste Phase annehmen:

(1) Cr,O,” + H‘ -t- J = Cr,O, + HJO, + 0”,

als fernere Reaktionen dann:

(2) 0” + H’, = H,O, und

(3) HJO, + 5HJ = 3H,O + 6 J

bzw. JO’, + 6H‘ + 55’ = 3H,O + 6 J .

Die Bildung einer solchen Verbindung nimmt auch J. WAGNER, Zeztschr. nnorg. Chem. 19 (1899), 449, allerdings zur Erkliirung einer anderen Beob- achtung, an.

Z. anorg. Chem. Bd. 50. 5

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Von letzterer Reaktion ist ja bekannt, dah sie sehr rasch verlauft.

Moglicherweise bildet sich aber auch alb erste Reduktionsform des Chroms das Dioxyd CrO, , fur dessen Existenz verschiedene Be- obachtungen sprechen l; als weiteres Zwischenprodukt mulste man dann die hypothetische unterjodige bzw. jodige Saure annehmen; so z. B.: (1) HCrO,’ + H. + J = CrO, + HJO + O H

oder CrO,” + H + J‘ = CrO, + HJO + 0”

oder Cr,O,” + H + J’ = 2Cr0, + HJO, + 0” .

Die weiteren, nicht mehr mekbaren Vorgange waren dann :

(2) 2Cr0, + 2HJ = Cr,O, + H20 + 2J und

(3) 2HJ0 + 2H,J = 2H,O + 4 5 ,

bzw. HJO, + 3HJ = 2H,O + 4 J .

CrO, und HJO sind, wie leicht ersichtlich, hypothetisch auch die direkten Xerfallprodukte der Jodchromsaure CrO,.J.OH .

Alle hier erwahnten Moglichkeiten geniigen der Forderung einer zunachst trimolekularen Reakhion mit sechswertigem Chrom , Jod und Wasserstoff als Komponenten und dem Endergebnis, dafs das Chrom vollstandig in die Chromiform iibergefuhrt und auf je ein Atom Chrom drei Atome Jod in Freiheit gesetzt sind. Vielleicht treflen alle hier gemachten Annahmen zu, vielleicht auch keine; die Geschwindigkeit der Reaktion gestattet wohl einen SchluI‘s auf die Ordnung der Reaktion und bis zu einem gewissen Grade auch auf die Art der an ihr beteiligten Molekeln, nicht aber auf die Natur der Reaktionszwischenprodukte. Als sicheres Ergebnis der Unter- suchung kann daher nur gelten, dals auch die scheinbar so hoch- molekulare Reaktion zwischen Chromaten nnd Jodiden in erster Phase eine nur trimolekulare ist.

‘ Vergl. KBUGER, Pogg. Ann. 61 (1860), 219. - SCHWEITZEK, Journ. prakt. Chenz. 39 (1846), 267. - M. RICHTER, Zedtschr. analyt. Chem. 21 (1882), 398. - MOISSAN, Compt. rend. 90, 1359. - MANOHOT, Lieb. Ann. 326 (1902), 125.

Hamnover, 1. Juni 1906.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. Juni 1906.


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