BM13: Heimann

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Allgemeine DidaktikWS 11/12

Heimann

V.-Prof. Dr. Christian SwertzMedienpdagogikInstitut fr BildungswissenschaftUniversitt Wien

[email protected]://medienpaedagogik.univie.ac.at

PAUL HEIMANN

Paul Heimann wurde am 16.3.1901 in Mittenwalde in Schlesien geboren. Er studierte in Breslau Pdagogik und Slawistik. Zugleich interessierte er sich fr die sthetik, insbesondere fr das Theater. Von ca. 1930 bis 1943 arbeitete er als Lehrer; dann wurde er eingezogen. Nach 1946 arbeitete er zunchst als Russischdozent und wurde 1947 Dozent an der Pdagogischen Hochschule in West-Berlin. Dort forschte er vor allem zur sowjetischen Schul- und Unterrichtstheorie. Diese Forschungen setzte er in die Konzeption des Praktikums in der Lehramtsausbildung um. Dabei ging es ihm vor allem um eine Theoriebildung, die dazu geeignet ist, die praktische Umsetzung anzuleiten. Zudem fhrte er empirische Studien durch, auch zur Bedeutung der Massenmedien. Da der in den 50er Jahren dominante Bildungsbegriff nicht dazu taugte, empirische Studien zu orientieren, rckt Heimann den Lernbegriff in den Mittelpunkt seiner Arbeiten. 1962 erschien die Arbeit Didaktik als Theorie und Lehre, die als Begrndungsschrift der Berliner Didaktik gilt.

Heimann rckt in seinen Arbeiten nach 1945 die Ausbildung des demokratischen Lehrers in den Mittelpunkt. Er greift dabei jedoch nicht auf den Ansatz von Dewey zurck, sondern auf die russische Schule und insbesondere auf die Ausbildung am Potemkin-Institut in Moskau, in der Theorie und Praxis eng aufeinander bezogen waren.

Als Schwche seines Ansatzes gilt der unterstellte Wertfreiheitsanspruch, der nicht zu halten war.

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Heimann lehnt einen Bezug der Didaktik auf Bildungstheorien nach gngiger Interpretation ab. Aber nicht nur das: Er grenzt sich neben diesen offenen auch gegen geschlossene Systeme ab.Zu den geschlossenen Systemen rechnet er explizit Anstze wie die Arbeitsschule nach Kerschensteiner, die Waldorfschule nach Steiner, die Montessorischule nach Montessori, den Daltonplan von Parkhurst, den Jenaplan von Peterson und die Proejtkplanmethode. Bei letzterer ist unklar, auf wen Heimann sich bezieht; im Text ist kein Name angefhrt. Da Heimann aber in den 50er Jahren Studienreisen auch in die USA unternommen hat, kann vermutet werden, dass hier auf die progessive education angespielt wird. Heimann schreibt zu diesen Anstzen: Sie stellen sich als Bildungsorganismen groer materialer Festgelegtheit dar, die durch ein System von Axiomen und didaktischen Postulaten gesteuert werden, mit denen man sich identifizieren mu, wenn man innerhalb ihrer Systematik didaktisch operieren will. (Heimann: 144).Exkurs: Materialer und Formaler AspektDas Adjektiv material wird etwas unterschiedliche verwendet. Mit Material wird in der Didaktik eine objektive Vorstellung von Inhalten, Gesellschaft und zum Teil auch des Menschen bezeichnet. Vor allem Inhalte werden als etwas faktisch Gegebenes angenommen (z.B. bei Weniger). Deren Vermittlung wird als bildend angenommen; gebildet ist also, wer viele Inhalte kennt. Dabei kann zwischen klassischen Inhalten, die sich ber Jahrhunderte bewhrt haben, und wissenschaftlichen Inhalten, die als wissenschaftliche Lehrmeinung gelten, unterschieden werden (Historisch/Szientistisch),Dem Gegenber steht das Adjektiv formal. Als Formal wird in der Didaktik die Vermittlung von Methoden des Lernens bezeichnet. Es geht um formale Bedingungen von Bildungsprozessen. Wichtig ist, wie man etwas lernt; der konkrete Inhalt ist nicht zentral.Mit materialer Festgelegtheit wird bei Heimann die Festlegung auf eine bestimmte Vorstellung von Gesellschaft, vom Menschen oder von Inhalten Bezeichnet. Das kann nur durch Axiome und Postulate, also eine Doktrin (ebd., S. 145), die das Konzept nach auen abschottet. Das ist ntig, weil ein einzelnes Ideal kaum als das einzig gute, wahre und schne ausgewiesen werden kann.Zu den offenen Systemen rechnet Heimann Herder, Humboldt, Perstalozzi, Schleiermacher, Kant, Hegel, Dilthey und Heidegger. Als das gemeinsame dieser Anstze sieht Heimann: in der Erscheinungsflle der historischen Bildungsphnomene eine strukturelle Verbindlichkeit zu entdecken, an der sich das aktuelle Bildungshandeln zuverlssig orientieren lt (ebd. S. 145). Er kritisiert nun nicht diesen Anspruch, den er vielmehr vor allem bei Klafki als klar und przise herausgearbeitet bezeichnet, sondern den Bezug dieses Ansatzes auf das praktische Handeln und schreibt: Die reale Folge dieses bildungsphilosophischen Stratosphrendenkens ist leider die Tatsache, da das, was in konkreten Unterrichtsstunden wirklich geschieht, weit mehr von der zahlreichen didaktischen Kompendien-Literatur als von den weitreichenden Entwrfen der groen Bildungstheoretiker beeinflut wird und deshalb ganz unverhltnismig weit unter ihrem Niveau liegt (ebd. S. 146). Vermutlich war es keine gute Idee von Heimann, hier von Stratosphrendenken zu schreiben, weil dieser Ausdruck als unsachliche Polemik verstanden und sein Ansatz in diesem Sinne angegriffen worden ist; der sachliche Kern ist dabei erheblich zurck getreten. Solche Polemiken kommen in der Wissenschaft jedoch hufig vor und werden heute als Schulenstreit bezeichnet.Heimann kritisiert den Bildungsbegriff zwar deutlich, schreibt aber auch: Da er [der bildungsbegriff] trotzdem in jeder didaktischen Theorie auftreten mu, ist eine Selbstverstndlichkeit, weil es das Phnomen ja gibt. (ebd., S. 146). [|] Seine Didaktik orientiert Heimann dann aber am Lernbegriff, weil dieser nicht von einer Unverfgbarkeit des fruchtbaren Moments in der Bildung ausgeht, sondern geeignet ist, real stattfindende Prozesse zu betrachten.

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Heimann beschftigt sich als Lehrender an einer pdagogischen Hochschule zunchst mit Lehramtsstudierenden als Lernenden. Die Schlerinnen und Schler in der Schule werden nicht direkt in den Blick genommen. Es ging Heimann aber durchaus darum, die Voraussetzungen, mit denen Schlerinnen und Schler in den Unterricht kommen angemessen zu bercksichtigen. Daher nennt er die anthropologisch-psychologischen Voraussetzungen als eine Bedingung in der Elementar-Struktur von Unterricht. Anders gesagt: Eine Theorie von Unterricht muss mit diesen Voraussetzungen rechnen, kann diese aber nicht beeinflussen.Dieses Argument erscheint evident: Es ist klar, dass Schlerinnen und Schler bereits ber einige Jahre Lebenserfahrung verfgen, bevor sie in die Schule kommen. Diese Erfahrungen knnen natrlich nachtrglich nicht mehr gendert werden. Daher sind sie fr den konkreten Unterricht eine Voraussetzung, die zunchst einmal hinzunehmen ist. Das ist bei Heimann aber nicht so gedacht, dass diese Voraussetzungen immer gleich sind. Diese Voraussetzung wird werden als inhaltlich variable Elementar-Struktur bezeichnet. Sie kommt also immer vor; was die konkreten Voraussetzungen sind muss aber im Einzelfall analysiert werden. Um genau solche Elemente geht es Heimann: Es ist fr Lehrerinnen und Lehrer wichtig zu wissen, dass solche Voraussetzungen ihren Unterricht mit bestimmen.Nun gilt diese Struktur nicht nur fr den Schulunterricht, sondern wird von Heimann offenbar auch fr den Universittsunterricht angewandt, in dem die zuknftigen Lehrerinnen und Lehrer die Schlerinnen und Schler sind. Wie kann aber diese Struktur im Universittsunterricht realisiert werden, wenn eine Einzelfallbetreuung wegen den situativ-sozial-kulturellen Bedingungen (z.B. Geldknappheit) nicht mglich ist?Heimann rckt dazu die Reflexion der eigenen Ttigkeit in den Mittelpunkt: Die Lehramtsstudierenden sollen nicht vor allem verbal Theorien vermittelt bekommen, sondern die eigene Ttigkeit reflektieren. Dazu mssen sie zunchst Unterrichtspraxis planen (Engagement und Entscheidung, S. 151f.), die dann durchgefhrt und analysiert wird.

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Die Aufgabe von Lehrenden ist die wiederholte Planung, Durchfhrung und Analyse von Unterricht. Das wird auf der Folie durch den Action-Research-Cycle veranschaulicht, der eine hnliche Struktur verwendet. Dabei geht es ihm vor allem auch darum, unbewusste Entscheidungen in das Bewusstsein zu heben und so der Planung zugnglich zu machen; damit wird gleichsam dem Herbartschen Schlendrian entgegen gewirkt. Heimann schlgt dazu eine Struktur-Analyse (S. 152f.) vor, die den Zweck hat, die Entstehung eines Struktur- und Problembewusstseins zu entwickeln (Pdagogischer Takt?). Als konstante Strukturen weist er aus: Bedinu8ngefelder:anthropologisch psychologischSituativ-sozial-kulturellEntscheidungsfelder:IntentionaleInhaltlicheMethodischeMedien-bedingte (S. 153).

Hier wird der anfangs genannte Kritikpunkt deutlich: Die situativ-sozial-kulturellen Umstnde werden nicht hinterfragt, sondern als Bedingungsfeld angesehen. Ist es aber im konkreten Unterricht mglich, diese Bedingungen in ein Entscheidungsfeld zu transformieren? Und wenn ja: Wie wre das zu rechtfertigen?

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Das Bild zeigt die FU Berlin, in die die PH Berlin 1980 integriert wurde.

Heimann selbst hat selbst kein konkretes Schulkonzept entwickelt, hat aber die Idee der Einheitsschule (spter: Gesamtschule) vertreten. Er hat sich vor allem mit dem Organisationsmodell der Lehramtsausbildung beschftigt, nicht mit der Organisation von Schulen.

Die Idee einer Einheitsschule kann insofern als sinnvoll im Rahmen des Konzepts von Heimann gesehen werden, weil damit die konkrete Ttigkeit der Lehrerinnen und Lehrer weniger durch Bedingungsfelder (z.B. Vorselektion der SchlerInnen) eingeschrnkt ist und die Entscheidungsfelder eine hhere Bedeutung bekommen.

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Heimann selbst entwirft keinen Kanon der Unterrichtsinhalte.

Er unterscheidet aber drei Grundformen, in der alle Inhaltlichkeit innerhalb des Unterrichts auftritt (S. 157):

Wissenschaften (z.B:: Literaturgeschichte)Techniken (z.B: Grammatik)Pragmata (z.B: der konstruktive Aufsatz)

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Medien bekommen bei Heimann einen eigenen Stellenwert, was in der Didaktik als neu angesehen wurde. Er schreibt: Es besteht aber kein Zweifel, da die Reprsentation der Unterrichtsinhalte durch bestimmte Medien (Rede, Buch, Bild, Formel, Diagramm, Tonband, Film, Bildschirm, Naturgegenstnde, Modelle, Apparaturen und Maschinen) in ihrer modifizierenden und lernfrderlichen oder -hemmenden Wirkung in der bisherigen Didaktik nicht angemessen behandelt und bewertet worden ist. Ein Medium ist schon seines bilateralen Statur wegen didaktisch interessant, denn es hat einen ebenso starken Inhalts- wie Methodenbezug, vermag Inhalte durch seine Form-Qualitten berraschend zu intensivieren, zu verfremden, zu akzentuieren, zu entsubstanzialisieren und verflchtigen, was jeweils methodische Chancen fr eine wirkungsvollere Konkretion oder Abstraktion erffnet und damit methodischen Fundementalzielen dient (Heimann 12976: 160).

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