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Macht und Möglichkeiten einer Journalistengewerkschaft, Keynote zum Niedersächsischen Journalistentag, Hannover, 30. April 2016, Harald Rau, Dr. phil, habil., Professur Kommunikationsmanagement, Institut für Medienmanagement, Ostfalia, Campus Salzgitter.
Von Macht und Möglichkeiten -zur Zukunft der Journalistengewerkschaft
Niedersächsicher Landesverbandstag des DJV
Hannover, 30.4.2016
Macht und Möglichkeiten einer Journalistengewerkschaft, Keynote zum Niedersächsischen Journalistentag, Hannover, 30. April 2016, Harald Rau, Dr. phil, habil., Professur Kommunikationsmanagement, Institut für Medienmanagement, Ostfalia, Campus Salzgitter.
"Man müsste Lagerfeuer machen und erstmal die ganzen Flächentarifverträge verbrennen und das Betriebsverfassungsgesetz dazu und dann das ganze schlank neu gestalten."
Michael RogowskiPräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
in: Spiegel-Online, 11.3.2003
Macht und Möglichkeiten einer Journalistengewerkschaft, Keynote zum Niedersächsischen Journalistentag, Hannover, 30. April 2016, Harald Rau, Dr. phil, habil., Professur Kommunikationsmanagement, Institut für Medienmanagement, Ostfalia, Campus Salzgitter.
"Ist der Flächentarifvertrag am Ende? Leider nein. Aber es wäre zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit wünschenswert, wenn der flächendeckende Lohntarif an sein Ende gebracht würde. Was eine Geschäftsleitung und ein geheim gewählter Betriebsrat miteinander verabreden können und wollen, das nützt beiden gleichermaßen. Doch das geltende Gesetz verbietet ihnen in weitgehendem Maße betriebliche Vereinba-rungen und zwingt sie stattdessen unter die gemeinsame Fuchtel der Funktionäre des Arbeitgeberverbandes und der Gewerkschaft. Beide sind vom einzelnen Betrieb weit entfernt. Beide kämpfen um Prestige und Macht - und um die Erhaltung ihrer umfangreichen hauptamtlichen Bürokratie.“
Helmut Schmidt, Altbundeskanzlerin "Die Zeit" Nr. 37 vom 6.9.2001.
Macht und Möglichkeiten einer Journalistengewerkschaft, Keynote zum Niedersächsischen Journalistentag, Hannover, 30. April 2016, Harald Rau, Dr. phil, habil., Professur Kommunikationsmanagement, Institut für Medienmanagement, Ostfalia, Campus Salzgitter.
Journalismus… Gelingende Gesellschaftliche Kommunikation?
Habermas: Handeln, „das dem auf Verständigung gerichteten Geltungsanspruch der Verständlichkeit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit folgt“ (1981, S. 384f.).
Haller: kommunikatives Handeln, dessen Ziel die „gelingende gesellschaftliche Kommunikation“ ist. Sie gelinge „dann (dort), wenn (wo) der Journalismus eine mediale Wirklichkeit erzeugt, die von den Kommunikationspartnern (Akteuren und Rezipienten) als Orientierung über aktuelle Ereigniszusammenhänge genutzt, zumindest so verstanden wird“ (2003, S. 180).
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Journalismus und Gesellschaft?
Die Herausforderungen für die moderne Medienkommunikation liegen im Konflikt zwischen sozioökonomisch motivierten Vereinzelungstendenzen in der Gesellschaft einerseits und einer soziokulturellen Kollektivierung andererseits.
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Sozioökonomische Vereinzelung
In reifenden, kapitalistisch geprägten Gesellschaften wirkt bei voranschreitender Entwicklung, Ökonomie differenzierend.
Arbeitstechnik der Wahl: Marketing
Ergo: Auf Wachstum ausgerichtete Volkswirtschaften versetzen die Gesellschaft(en) in die Lage, immer individuellere Bedürfnisse zu befriedigen.
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1965 ——— 252 (Statista 2012, 6)
2015 ——— 1.595 (Allzeithoch)(VDZ/WIP 2015; vgl. auch Scherzer 2012, o.S.; für 2016 beträgt die Zahl 1.589)
Zahl der Publikumszeitschriften (Titel):
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Zahl der Publikumszeitschriften (Titel) Quelle: Statista, VDZ:
1.048 1.104
1.144 1.149 1.154 1.176 1.221
1.268 1.314 1.328
1.368 1.373 1.378 1.414 1.439
1.511 1.569 1.587 1.595 1.589
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
'97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05 '06 '07 '08 '09 '10 '11 '12 '13 '14 '15 '16
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Soziokulturelle Kollektivierung
Für Quote, Auflage, Aufmerksamkeit (die zentrale ökonomische Größe der Publizistik) verpflichtet man sich dem kleinsten gemeinsamer Nenner.Anpassungsjournalismus (Konzept der kritischen Theorie - Prokop 1972, Müller 1970, Holzer 1969); Kommunikationsmarketing (Kiock 1974).
Ein Phänomen, dem am Ende nur spieltheoretisch beizukommen ist (Rau 2007).
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Vereinzelung + Kollektivierung
Was aber: − wenn der kleinste Nenner immer kleiner wird
und − gleichzeitig die Nischen ebenfalls schrumpfen
und an Tragfähigkeit verlieren.
Das Ende der Zielgruppe bedingt, konsequent weitergedacht auch das Ende der Massenmedien (Boltze/Rau 2011).
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Auch die Gewerkschaften konzentrieren sich: Eines Tages wird es nur noch die IG Metall und die IG Nichtmetall geben.
Prof. Dr. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger langjähriger BASF-Forschungsvorstand
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"Der erste (und auch heute noch augenfälligste) Zweck der Gewerkschaften war es, die Selbsthilfeorganisation der Arbeitnehmer gegen die einseitige Herrschaft der Arbeitgeber über Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen zu sein. Die als Einzelne ohnmächtigen Arbeitnehmer müssen sich in der Gewerkschaft zu einer geschlossenen Partei des Arbeitsmarktes zusammenschließen, wenn sie die Möglichkeit haben wollen, einen größeren Teil des Sozialproduktes dem Lohn- und Gehaltsfonds zuzuführen, also sich durch höhere Löhne und Gehälter einen besseren Lebensstandard zu sichern und auch die übrigen Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitszeit und Urlaub) zugunsten der Arbeitnehmer ihrer Kontrolle zu unterstellen."
Wolfgang Abendroth Die deutschen Gewerkschaften.
Weg demokratischer Integration, Heidelberg 1954.
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Neue systemische Beziehungen
Public Relations
Journalis- mus
Content- farming
User Generated Content
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Entgrenzung/Hybridisierung... (Lünenborg/Maier 2016)
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• Entgrenzung zwischen Produzenten und Rezipienten • UGC / Participatory journalism
• Entgrenzung zwischen Massenkommunikation und Individualkommunikation • Storify, Twitter, Instagram, PinIt, Snapchat
• Entgrenzung zwischen Bild, Bewegtbild und Text • Bild-Text-Überlagerungen, Infografiken, Animationen
• Verlust an trennscharfer Distinktion zwischen faktualen und fiktionalen sowie informationalen und unterhaltenden Formen und Formaten • Daily Show / heute show (Baym 2005, 2010; Kleinen v. Königslöw/
Keel 2012); Grundversorgung (Rau 2016) • Entgrenzung zwischen Unmittelbarkeit und Hypermedialität
• Scrollytelling, multimediale Formate (Godulla/Wolf 2014, 2015); Collagen i.w.S. (Bolter/Grusin 2000).
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Mit dem Konzept der Hybridisierung* meinen Lügenborg und Maier (2016, o.S.) einen Prozess der Entgrenzung der massenmedial bezogenen Kommunikationsmodi von anderen Formen öffentlicher Kommunikation:
„Auf dieser Grundlage wird sichtbar, wie die journalistische Instanz als privilegierte Stimme bei der Konstruktion medialer Wirklichkeit an Autorität und Deutungsmacht verliert.“
*„Hybride sind neue Formen, die entstehen, wenn vormals distinkte Kommunikationsmodi miteinander verschmelzen (Lünenborg 2008).
Entgrenzung/Hybridisierung... (Lünenborg/Maier 2016)
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Entgrenzung/Hybridisierung...
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„Particulate hybridity is the outcome of power struggles and competition for preeminence during periods of unusal transition, contingency and negotiability (Chadwick 2013, 15).
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Für die Bereitstellung (über Slideshare) dieser Folie danke ich Holger Schmidt, https://netzoekonom.de/
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CAGR = Wachstumsrate - durchschnittliche relative Zunahme pro Jahr in %
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"Dass wir heute annähernd fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland zählen, ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass unsere Wirtschaft in besonders großem Umfange durch gesetzliche Eingriffe des Staates gefesselt ist und daher nicht die genügende Wendigkeit besitzt, um sich den Schwankungen der Konjunktur mit der erforderlichen Schnelligkeit anzupassen. Als besonders verhängnisvoll hat sich auf dem Gebiete des Tarifvertragsrechtes die Unabdingbarkeit des Tarifvertrages, d.h. der Ausschluss abweichender Vereinbarungen und dessen Festhaltung durch die Gewerkschaften erwiesen."
Deutsche Arbeitgeber-Zeitung vom 22. März 1931
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Herausforderung: • Verlage verlieren generell Einfluss • „Konvergenz der Kanäle“ ohne eine Absicherung der
Geschäftsmodelle
Lösung: Vielleicht sitzen die falschen Tarifpartner am Tisch - und man muss neue Partnerschaften bilden? (Welche Szenarien haben Sie, wenn die andere Seite des Tisches leer bleibt?)
Was bleibt? Thesen zur Zukunft von Journalistengewerkschaften - 1
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Herausforderung: • Von Journalismus zu Journalismen (Ekecrantz 2007) • Para-, Pseudo-, Semijournalismus • Auflösungstendenzen zwischen Journalismus, PR, Content
Farming, User Generated Content
Lösung: Eine Gewerkschaft der Inhalte-Produzenten? Eine Gewerkschaft der Internetarbeiter?
Was bleibt? Thesen zur Zukunft von Journalistengewerkschaften - 1
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Herausforderung: • Zunehmend Existenzen in der Selbständigkeit… • …’Freie’ waren stets eine Herausforderung für
Journalistengewerkschaften.
Lösung: Eine Gewerkschaft die (wieder) eine Standesorganisation ist?
Was bleibt? Thesen zur Zukunft von Journalistengewerkschaften - 2
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Herausforderung: • Generell schwindende Basis - 42.000 Mitglieder zur
Jahrtausendwende, 35.000 heute (ca.)
Lösung: DJV und Ver.di fusionieren (vgl. SWJV Anfang der neunziger Jahre)?
Was bleibt? Thesen zur Zukunft von Journalistengewerkschaften - 3
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Herausforderung: • Generell schwindende Basis - 42.000 Mitglieder zur
Jahrtausendwende, 35.000 heute (ca.)
Lösung: DJV in Ver.di?
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Herausforderung: • Umsatzrenditen sind vielfach noch immer positiv, sie schwinden
jedoch rapide…
Lösung: Neue ‚Partnerschaft‘ für veränderte Geschäftsmodelle.
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Wenn sich die Herrschaftsverhältnisse über die Produktionsmittel auf eine solch dramatische Weise verschieben, braucht es neue Partnerschaften, die die Möglichkeiten zu einer „gelingenden Gesellschaftlichen Kommunikation“ erhält - oder sogar erweitert, die Rezeptionsroutinen sichert und Demokratie ermöglicht…
Neue Partnerschaften
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Das ist ein Auftrag, der weit über das heutige Verständnis des DJV hinausgeht…
Lassen Sie uns also an der Journalistengewerkschaft der Zukunft arbeiten, die diesen Namen verdient!
Neue Partnerschaften
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Harald Rau Prof. Dr. phil. habil. / Dipl.-Kfm.
Ostfalia - Hochschule für angewandte Wissenschaften Institut für Medienmanagement
Karl-Scharfenberg-Str. 55/57; 38229 Salzgitter www.ostfalia.de/imm/team/rau