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Soziale Medien als Intermediäre der Meinungsbildung und Nachrichtenvermittlung Jan-Hinrik Schmidt @janschmidt Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation Berlin 15.06.2016

Soziale Medien als Intermediäre der Meinungsbildung und Nachrichtenvermittlung

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Page 1: Soziale Medien als Intermediäre der Meinungsbildung und Nachrichtenvermittlung

Soziale Medien als Intermediäre der Meinungsbildung und Nachrichtenvermittlung

Jan-Hinrik Schmidt@janschmidt

Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation

Berlin 15.06.2016

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Berlin

Worüber spreche ich heute?

Praktiken: Soziale Medien im Informationsverhalten

Prinzipien: Die Medienlogik sozialmedialer Intermediäre

Paradoxien: Zwischen Teilhabe und Kontrolle

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Berlin

Informationsverhalten: Aktuelle Befunde (1/2)

Gesamt

18-24

25-34

35-44

45-54

55+

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

51.39

24.36

37.18

45.23

54.27

64.34

25.72

51.74

48.78

29.82

19.3

12.42

12.21

14.74

8.89

13

13.49

11.84

8.26

7.89

3.36

9.8

10.74

8.25

2.42

1.27

1.79

2.14

2.19

3.15

TV Online Radio Print andere/k.A.

Abb 1: Hauptnachrichtenquelle DEUTSCHER INTERNETNUTZER (in %)

Quelle: Hölig/Hasebrink 2016 (Reuters Institute Digital News Survey 2016) 3 von 12

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Berlin

Informationsverhalten: Aktuelle Befunde (2/2)

Gesamt

18-24

25-34

35-44

45-54

55+

0 10 20 30 40 50 60

16.06

31.81

31.22

21.66

9.66

7.36

6.38

16.4

13.25

6.76

5.01

2.01

3.27

3.53

4.3

1.4

4.62

3.05

Traditionelle Anbieter Online Social Media & Blogs Andere Nachrichtenquellen Online

Abb 2: Hauptnachrichtenquelle DEUTSCHER INTERNETNUTZER (in %)

Quelle: Hölig/Hasebrink 2016 (Reuters Institute Digital News Survey 2016) 4 von 12

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Berlin

Soziale Medien als Intermediäre

Soziale Medien fungieren als Intermediäre, weil & indem sie Kommunikationskanäle anderer Akteure bündeln

Intermediäre generieren also selbst keine eigenen Inhalte, stellen aber Voraussetzungen zur Verfügung, dass andere diese verbreiten bzw. auffinden können

Ihre Vermittlungsfunktion folgt einer spezifischen Logik; sie resultiert aus der Kombination von

– softwaretechnischen Merkmalen,– ökonomischen Strategien der Betreiber sowie – Nutzerpraktiken

Derzeit sind drei zentrale Organisationsprinzipien von sozialmedialen Intermediären beobachtbar

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Berlin

• Intermediäre erschließen den „Microcontent“ aus unterschiedlichen Kanälen – journalistische genauso wie privat-persönliche oder strategisch-persuasiver Kommunikation – und bündeln ihn zu einem konstanten Informationsfluss („streams“; „feeds“)

• Intermediäre filtern, aber sie tun dies in der Regel nicht redaktionell, sondern algorithmisch

• Welche Relevanz-Kriterien und sonstigen Parameter in diese „Filter- & Bündelungsalgorithmen“ eingeschrieben sind, bleibt meist intransparent

Organisationsprinzipien (1/3): Ent- & Neubündelung

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Berlin

• Intermediäre fördern die Personalisierung von Informations-repertoires in zweierlei Hinsicht:

(a) das Kontaktnetzwerk, das den Informationsstrom einer Person speist, ist individuell einzigartig;

(b) Empfehlungs- und Filteralgorithmen beziehen früheres Verhalten und Metadaten einer Person ein, um Inhalte oder Kanäle vorzuschlagen

• Diese Form von Personalisierung verspricht „bessere“ und „relevantere“ Informationen

• Offen ist, inwieweit sie aber auch zu „filter bubbles“ (Pariser 2011) führt, die geteilte Weltsichten erschweren

Organisationsprinzipien (2/3): Personalisierung

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Berlin

Exkurs: Filterblasen & Echo-Kammern

• „Filter Bubble“ bzw. „Echochamber“-These: Internet fördere Kommunikationsräume, in denen Menschen nur noch mit solchen Informationen konfrontiert seien, die ihr eigenes Weltbild bestätigen• Psychologische Faktoren im

Informationsverhalten („selective exposure“, Tendenz zur Meinungsbestätigung und zur Vermeidung kognitiver Dissonanz)

• soziologische Faktoren (Tendenz zu Homophilie in sozialen Beziehungsgeflechten)

• technologische Faktoren im Sinne der Architektur oder „affordances“ konkreter Softwaresysteme (algorithmische Filterung und Empfehlung)

• Aber: empirische Studien zeichnen kein einheitliches Bild

Weiterführend: Sunstein 2009; Brundige 2010; Pariser 2011; www.sueddeutsche.de/politik/ein-jahr-pegida-pegida-auf-facebook-hetze-im-sekundentakt-1.2806271 8 von 12

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Berlin

Intermediäre sorgen für eine Konvergenz bislang getrennter Kommunikationsmodi: von Konversation und Publikation Publizistische Angebote machen ihre Inhalte

auch über soziale Medien zugänglich Aktive Nutzer kommentieren, verlinken,

retweeten, empfehlen, etc. diese Inhalte

Organisationsprinzipien (3/3): Konvergenz

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Machtverschiebungen: Das Partizipations-Paradox

Mitwirkung an Konversationen, dem Bereitstellen und Teilen von Inhalten, etc.

Mitbestimmung über Ausrichtung, Gestaltung oder Moderation der Angebote

Selbstbestimmung in eigenen, nicht bzw. kaum vorstrukturierten Kommunikationsräumen

Abernten nutzer-generierter Inhalte und Verwertung verknüpfter Daten

Ausbeuten unentgeltlich erbrachter Arbeit (kreative Inhalte erstellen; Pflege der Community)

Einhegen der Nutzer in kommerzialisierten und nicht demokratisch gestalteten Strukturen.

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Berlin

Fazit

• Soziale Medien fungieren als Intermediäre, weil sie den Informationsfluss in und zwischen verschiedenen Arenen der Internetöffentlichkeit strukturieren

• Die derzeitige dominierende „Intermediärsgestalt“ ist durch drei zentrale Organisationsprinzipien gekennzeichnet: • Ent- und Neubündelung von Informationen• Personalisierung von Informationsrepertoires• Konvergenz von Konversation und Publikation

• Intermediäre tragen zu einem grundlegenden Strukturwandel von Öffentlichkeit bei, der – wie in anderen Bereichen der digitalen Kommunikation auch – durch die Dominanz einiger weniger Anbieter gekennzeichnet ist und die Entwicklung vom offenen Netz hin zu geschlossenen Plattformen verstärkt

• Fragen der Macht, Kontrolle und Partizipation genauso wie der selbst-bestimmten und aufgeklärten Mediennutzung sind daher drängend wie nie

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Jan-Hinrik Schmidt

Hans-Bredow-InstitutRothenbaumchaussee 36, 20148 Hamburg

[email protected]

www.schmidtmitdete.dewww.dasneuenetz.de

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Berlin

QuellennachweiseFolie 9:[Konversation]: CC-BY-NC-ND-2.0, Dominic Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/274628990/Folie 10:[Sharing] CC BY-NC-ND 2.0, Stephen Desroches, http://www.flickr.com/photos/focusedonlight/2795746704/[Demonstration] CC BY-NC-ND 2.0, Dom Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/1842123447/[Barcamp] CC BY-NC-ND 2.0, Nathanael Boehm, http://www.flickr.com/photos/purecaffeine/1226101959/

Zitierte & weiterführende Literatur

• Brundige, Jennifer (2010): Encountering “difference” in the contemporary public sphere: The contribution of the Internet to the heterogeneity of political discussion networks. In: Journal of Communication, Jg. 60, Nr. 4, 2010. S. 680–700. DOI: 10.1111/j.1460-2466.2010.01509.x.

• Hölig, Sascha / Uwe Hasebrink (2016): Reuters Institute Digital News Survey 2016. Ergebnisse für Deutschland. Arbeitspapier des Hans-Bredow-Instituts, Nr. 38. Online: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/1135.

• Pariser, Eli (2011): The Filter Bubble. New York.• Schmidt, Jan (2011): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz.• Schmidt, Jan (2013): Social Media. Wiesbaden.• Sunstein, Cass (2009): Republic.com 2.0. Princeton: Princeton University Press.

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Berlin

Arenen der (Wissenschafts-)Kommunikation online

Massenmediale Öffentlichkeit (z.B. dradiowissen.de;

@zeitwissen)• Hohe Zutrittshürden als Kommunikator;

disperses, unverbundenes Publikum • Selektion von Informationen nach

journalistischen Nachrichtenfaktoren• Präsentation von Informationen folgt

etablierten & neuen journal. Gattungen Expertenöffentlichkeiten

(z.B. PLOS one; arxiv.org)• Hohe Zutrittshürden als Kommunikator;

Publikum sind academic peers• Selektion von Informationen nach

disziplinären Themen; peer review• Präsentation von Informationen intersub-

jektiv nachvollziehbar & falsifizierbar

Kollaborative Öffentlichkeit (z.B. Wikipedia)

• Niedrige Zutrittshürden als Kommunikator; disperses, unverbundenes Publikum

• Selektion von Informationen nach enzyklopädischer Relevanz

• Präsentation von Informationen folgt Ideal des „neutralen Standpunkts“

Persönliche Öffentlichkeit (z.B. privates FB-Profil; @janschmidt)

• Niedrige Zutrittshürden als Kommunik.; eigenes soziales Netzwerk als Publikum

• Selektion von Informationen nach Kriterien persönlicher Relevanz

• Präsentation von Informationen folgt Leitbild der Authentizität

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Berlin

Welche Praktikenwerden von diesen Medientechnologienunterstützt?

Quelle: Paus-Hasebrink/Schmidt/Hasebrink 2009; Schmidt 2011

Soziale Medien und ihre Praktiken

Identitäts- management

Beziehungs-management

Informations- management

„Wer bin ich?“

„Welchen Platz habe ich in der Gesellschaft?“

Selbst-auseinander-

setzung

Sozial-auseinander-

setzung

Sach-auseinander-

setzung

„Wie orientiere ich mich in der Welt?“

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Berlin

Gattungslehre 101

AngeboteKanal

Profil bzw. Page

Account

Einzelblog

Channel

Artikel

Soziale Medien fungieren als Intermediäre, weil & indem sie

Kommunikationskanäle anderer Akteure bündeln

Intermediäre generieren also selbst keine eigenen Inhalte,

stellen aber Voraussetzungen zur Verfügung, dass andere

diese verbreiten bzw. auffinden können

Einzelne Kanäle können unterschiedlichen Arenen der Wissenschaftskommunikation

angehören

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Berlin

Intermediäre und Kommunikationsarenen

Intermediäre sind nicht eins zu eins einer Kommunikationsarena zuzuordnen, sondern bündeln und vermitteln Informationen aus unterschiedlichen Arenen

Diese Vermittlungsfunktion folgt einer spezifischen Logik; sie resultiert aus der Kombination von

– softwaretechnischen Merkmalen,– ökonomischen Strategien der

Betreiber sowie – Nutzerpraktiken

Derzeit sind drei zentrale Organisationsprinzipien von sozialmedialen Intermediären beobachtbar

AngeboteKanal

Profil bzw. Page

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Artikel

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Berlin

Soziale Medien als Intermediäre

Soziale Medien fungieren als Intermediäre, weil & indem sie Kommunikationskanäle anderer Akteure bündeln

Intermediäre generieren also selbst keine eigenen Inhalte, stellen aber Voraussetzungen zur Verfügung, dass andere diese verbreiten bzw. auffinden können

Ihre Vermittlungsfunktion folgt einer spezifischen Logik; sie resultiert aus der Kombination von

– softwaretechnischen Merkmalen,– ökonomischen Strategien der Betreiber sowie – Nutzerpraktiken

Derzeit sind drei zentrale Organisationsprinzipien von sozialmedialen Intermediären beobachtbar

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