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Vortrag von Stephan Dreyer, Hans-Bredow-Institut, vor dem Ausschuss für Medien- und Kreativwirtschaft der Handelskammer Hamburg am 31.01.2012
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Urheberrecht in der Schockstarre?Welche Ideen zur Neuordnungwarum nicht funktionieren.
Stephan Dreyer, Hans-Bredow-InstitutAusschuss für Medien- und Kreativwirtschaft
der Handelskammer Hamburg31.01.2012
Transformationsprozesse / NutzerseiteVeränderungen der Nutzerstrukturen
Digital Natives
Prosumenten
Demokratisierung von Werk-schöpfung und -vermittlung
Veränderung der Nutzungsstrukturen
Informationsverhalten
schnell, unkompliziert, jederzeit
private Öffentlichkeiten
Neue Formen der Teilhabeund Partizipation
Transformationsprozesse / AnbieterseiteNeue Distributionsformen
Neue Erlös- und Geschäftsmodelle
Neue Anbieter &Anbieterformen
Zahl der Anbieter
Neue Schutzmaßnahmen
Konsequenzen für das Urheberrecht
Bedeutungszuwachs Auseinanderdriften vonRechtslage und Praxis
Geringe Kenntnissinkende Akzeptanz
sinkende Wertschätzungkreativer Kulturgüter
Nutzer als rechtlicheund faktische Verlierer
Anbieter als rechtlicheund faktische Verlierer
Urheber als rechtlicheund faktische Verlierer
erschwerte Durchsetzbarkeit
Ideologische Fronten
Orientierung am geistigen Eigentum
• Untrennbares Band zwischen Schöpfer und Schöpfung mit Auswirkungen auf Schutzbereichsdefinition, Zuordnungsregelungen und Einfluss des Urheber-persönlichkeitsrechts
• Fokus auf Belange des Urhebers
• Monismus• Nutzerrechte als Ausnahme
von der Regel
Ideologische FrontenOrientierung am
Interessenausgleich
• Band zwischen Schöpfer und Schöpfung erscheint angesichts der Schutz-ausdehnung auf eher industriell geprägte Werk-kategorien als sinnentleerte Legitimationsfigur
• Fokus auf Ausgleich im Dreieck Urheber / Verwerter / Nutzer
• Monismusaufgabe• Ausschließlichkeitsrechte als
Ausnahme von der Regel
Akzeptanzverlust, Legitimationskrise
Wiederherstellung der Akzeptanz
Überdenken der bisherigen Ansätze
Unterschiedliche Folgestrategien
„Reformtiefe“
Feinkorrekturen von Einzelaspekten
GrundlegendeReform
Unterschiedliche Folgestrategien
Modernisierungsvorschlägeauf allen Ebenen
Inhalt
Rechtewahrnehmung
Schranken
Vergütung
Durchsetzung
heute: 13 Fokusthemen
Fokus 1: Leistungsschutzrecht Verleger
Fokus 1: Leistungsschutzrecht VerlegerPro neues LSR
• Neue Einnahmequelle; mögliche positive Effekte für Qualitätsjournalismus
• Gesetzliches Paid Content, keine Wettberwerbsnachteile für Verlage, die jetzt Paid Content einsetzen
• Angleichung des Schutzniveaus von Verlegern an Niveau von Verwertern im Film- und Musikbereich
• Klagebefugnis gegen Übernahme von Texten
Contra neues LSR
• Faktische Abgabenpflicht für Aggregatoren und Suchmaschinen; Risiko der Schwächung deren Navigations- und Orientierungsfunktion
• Benachteiligung kleinerer Verlage
• Monopolisierung kleinster Texteinheiten
• Risiko der überschießenden Effekte von neuen Ausschließlichkeitsrechten,
• Sonderrecht im internationalen Vergleich
Fokus 2: Verwaiste Werke
Pro Erweiterung der Wahrnehmungsbefugnis
• Rechtssicherheit für Anbieter verwaister Werke
• Vergütungen sind in der Lage, bei Kreativen anzukommen
• Treuhänderstellung der Verwertungsgesellschaften gegenüber Nutzern und Rechteinhabern
• Verwertungsrechte auf Seiten der Verwerter führen nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung des Zugangs (kein Lizenzzwang)
Pro Gemeinfreiheit
• Rechtssicherheit für Anbieter verwaister Werke
• Interesse an wirtschaftlicher Auswertung bereits erloschen
• Interessen der Allgemeinheit an der Bewahrung und Nutzbar-machung des kulturellen Erbes
• Kein Lizenzierungszwang• Kein dogmatischer Bruch wie bei
Wahrnehmungsbefugnis ohne Rechtserwerb
• Fragliche Begründung für Ver-gütungsanspruch bei unbe-kannten Urhebern/LSR-Inhabern
Fokus 2: Verwaiste Werke
Fokus 3: Schutzfristen
Contra Verkürzung
• Veränderte Inhaltsbestimmung ggf. enteignungsgleicher Eingriff
• Bei Anwendung nur auf neue Werke: parallele Schutzfristen
• Armotisierungszeitpunkt nicht im Vorwege absehbar
• Nicht-Berücksichtigung der Quersubventionierung (Mischkalkulation)
• aufwändige Planung und Berechnungen erforderlich
• Verringerte Investitions-leistungen in neue Werke wegen höherer Auswertungsrisiken
Pro Verkürzung
• schnellerer freier Zugang zu Kulturgütern
• weniger Rechtsunsicherheit bei Wiederveröffentlichtung und ungeklärter Rechteinhaberschaft
• Weniger künstlich gesteigerte Transaktionskosten bei Lizenzierung
• Verringerung der Gefahr der Nicht-Verwertung älterer Werke; Chance der Wiederverwertung steigt
• Regerer Wettbewerb aufgrund kürzerer Auswertungszeiträume
Fokus 3: Schutzfristen
Schranken
Schranken
Kleinteilig
abschließender Charakterder Schrankenkataloge
Geringe Zukunftsoffenheit
Schwerfällig
Kaum Anpassungen an das digitale Zeitalter
Vorschläge: Modernisierung der Schranken-bestimmungen in unterschiedlichen Ausprägungen
Fokus 4: Privatkopie
Pro weitere Beschränkung
• Kein „Recht auf Privatkopie“• Anpassung der Schranke an
vollautomatische Privatkopier-Software und ausgelagerte Kopiersysteme
• Weniger Privatkopien auf Sharehostern
• Rechtssicherheit auch aus Nutzersicht
Contra weitere Beschränkung
• Erschwerung des Zugangs / Verkürzung privaten Freiraums
• eigene Originale nicht immer vorhanden
• Praktische Durchsetzungsdefizit• Betroffenheit auch zukünftiger
elektronischer Nutzungsformen• Wegfall der Vergütungen im
elektronischen Bereich• Gefahr für Technologie-
wirtschaftsstandort• Elektronische Schutzmaß-
nahmen sind bereits erlaubt
Fokus 4: Privatkopie
Fokus 5: Nutzergenerierte Inhalte
Fokus 5: Nutzergenerierte InhalteContra neue Schranke
• In der Praxis bereits jetzt kaum Verfolgung von Verstößen
• Keine ernsthafte Bedrohung • EU-Vorgaben wären zu ändern• Bei Einführung: Risiko der
massenhaften kommentarlosen Weiterverbreitung; faktisch ggf. Beeinträchtigung der kommerziellen Auswertung
Pro neue Schranke
• Europarechtlich bereits angedacht
• Keine wirtschaftliche Konkurrenz zu der professionellen Werkvermittlung
• Verbesserung des Rechtsrahmens sozialer Kommunikation
• Keine Kriminalisierung von nicht-kommerziellen kreativen Nutzungen
• Vergütungspflicht kann neue Einnahmequelle darstellen
Fokus 6: Generalklauseln (insb. „Fair Use“)
Fokus 6: Generalklauseln (insb. „Fair Use“)Contra Generalklauseln
• Änderungen im nationalen und EU-Recht notwendig
• Hohe Rechtsunsicherheit, da Fair-Use-Vorliegen im Einzelfall gerichtlich geklärt werden muss
• Prozesskostenrisiko• niedergeschriebene Schranken =
mehr Rechtssicherheit als offene Generalklauseln
• Ergänzung ergebnislos bei neuartigen Verwertungsanliegen
Pro Generalklauseln
• Geringere Komplexität der Schrankensystematik
• Bessere Verständlichkeit• Hohe Flexibilität und
Zukunftsoffenheit• Innovationsfördernd• International: best practice-
Modell
Fokus 7: Unabdingbarkeit von Schranken
Fokus 7: Unabdingbarkeit von SchrankenContra Unabdingbarkeit
• Eingriff in Vertragsautonomie• Unternehmerisch gerechtfertigte
Beschränkungen bei digitalen Gütern ausgehebelt
• Schwächung der Kontrollmechanismen inkl. technischer Schutzmaßnahmen
• Nichtberücksichtigung der Mischkalkulation zwischen Trägermedien und Digitalvertrieb
Pro Unabdingbarkeit
• Verbesserter Verbraucherschutz• Aufwertung der praktischen
Relevanz der Schranken-bestimmungen
• Anpassung der Schrankenbestimmungen an elektronische Werke
Vergütung
Fokus 8: AngemessenheitContra Anspruch
• Höhere Urhebervergütungen führen zu Gewinneinbußen auf Verwerterseite
• Vorsichtigeres Einkaufen neuer Werke, negative Konsequenzen für Kulturindustrie
Pro Anspruch
• Verbände sind nicht durchgängig zur Verhandlung angemessener Vergütungen bereit
• Verwerterverbände sind rglm. nicht berechtigt, branchen-spezifische Vergütungsregeln auszuhandeln
• (Subsidiär gedachte) gerichtliche Konfliktlösung als einer der wenigen Umsetzungswege
Fokus 9: Vergütungsmodelle
Vergütung
Flächendeckende Einzelvergütung „Kulturflatrate“
„Einzelabrechnungsmodell“Pro Einzelabrechnung
• Wirtschaftlicher Wert der Einzelnutzung bekannt
• Abrechnung auf Grundlage tatsächlich erfolgter Nutzungen
• Erwirtschaftung höherer Erträge
Contra Einzelabrechnung
• Datenschutzrechtlich bedenklich• Verteuerung des Werkgenusses
(im Vgl. zu Pauschalvergütung)• Notwendigkeit
flächendeckenden Einsatzes technischer Schutzmaßnahmen; dadurch Erschwerung des Zugangs
• Interoperabilitätsprobleme• Schwierige Implementation für
Laienanbieter• Keine Vergütung für nur geringe
Nutzung
„Kulturflatrate “
„Kulturflatrate “Contra Kulturflatrate
• Neue faktische nutzungsunabhängige Gebühr
• Schwindende Kaufanreize• Organisationsaufwand für
Einsammlung, Berechnung und Verteilung; Bürokratiekosten
• Realitätsnaher Verteilungsschlüssel aufwendig zu ermitteln; Datenschutzbedenken
• Ggf. Schwächung kleinerer Urheber
Pro Kulturflatrate
• Einfaches und gleichmäßig wirkendes Modell
• Kostengünstige Einsammlung, Erfassung und Verteilung
• Kulturverbraucherfreundlich: Werkzugang erfolgt einfach, schnell und (transaktions-) kostengünstig; kein DRM nötig
• Ggf. signifikante neue Vergütungen
• Vergütung auch für rechtswidrig angebotene Inhalte möglich
• Entkriminalisierung der Uploader und Nutzer
Fokus 9: Kollektive Rechtewahrnehmung
Contra kollektive Wahrnehmung
• Vakuum bereits durch Direktlizenzierung bei global agierenden Unternehmen geschlossen
• Organisatorischer Aufwand• Eingriff in gewachsene
Strukturen• Eingriff in Vertragsautonomie
Pro kollektive Wahrnehmung
• EU-Kommission sieht Zustand als wettbewerbsfeindlich an
• EuGH kritisiert territoriale Lizenzen
• Ggf. Wegbereiter neuer Zugangsöffnungen und innovativer Vermittlungsmodelle
• Leichterer Zugang zu Lizenzen• Skaleneffekte; Verbilligung der
Lizenzen
Fokus 9: Kollektive Rechtewahrnehmung
Durchsetzung
Fokus 10: Haftungserweiterung
Fokus 10: HaftungserweiterungPro Erweiterung
• Intermediär kennt als einziger Verletzer und Nutzer
• Effektive Rechtsdurchsetzung• Rechtsverletzungen als
Teilkausalität des wirtschaftliche Erfolgs der Intermediäre
• Wachsende Bedeutung und zunehmende soziale Verantwortlichkeit
• Verhaltenspflicht zur Missbrauchsabwehr
Contra Erweiterung
• Schwächung der Netzdienstleister
• Ggf. Beschränkung der Informationsfreiheit
• Überschießende Selbstzensur; „chilling effects“
• Organisatorischer Aufwand; Kosten und Kostenumlage
• Faktische Verhinderung automatik-basierter Geschäftsmodelle
• Verlagerung der Rechts-durchsetzung ins Private
Fokus 11: Abmahnungen
Fokus 11: AbmahnungenContra Begrenzung
• Abschreckungseffekt wird verringert
• Ggf. Unterdeckung der tatsächlich anfallenden Kosten
• Symbolische Schwächung der Rechtsdurchsetzung
Pro Begrenzung
• Verbraucherfreundlichere Abmahnregelung
• Nachvollziehbare Kosten• Rechtssicherheit für Abmahner
und Abgemahnte
Fokus 12: Netzsperren / Access Blocking
Fokus 12: Netzsperren / Access BlockingPro Netzsperren
• Effektives Mittel gegen illegale Anbieter (bessere Erreichbarkeit des Intermediärs, schnelle Umsetzung, breite Wirkung)
• Signal- und Abschreckungswirkung
Contra Netzsperren
• Einschränkung der Freiheit des Netzes
• Eingriff in die offene Infrastruktur des Netzes
• Ggf. Beschränkung zum Zugang von Inhalten (unschuldiger) Dritter
• Faktische Umgehbarkeit• Kenntnis der
Beobachtung/Ermittlung• Schneller Ersatz durch neue
illegale Angebote• Bedenken bzgl. Rechtsstaat-
lichkeit
Fokus 13: Graduated Response Modelle
Fokus 13: Graduated Response ModellePro 3 Strikes
• Vorbehördliche/vorgerichtliche Ermittlung und Sanktionierung, Entlastung von Behörden und Gerichten
• Effektives Schaffen von „Awareness“
• Datenschutzfreundliche Ausgestaltung möglich
Contra 3 Strikes
• Überwachung über Deep Packet Inspection: Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Kommunikationssphäre
• Rechtsstaatliche Probleme bei Warnungen nur aufgrund von Hinweisen Privater
• Bei Abschaltung: Eingriff in Grundrechte des Nutzers
• Frage der praktischen Durchsetzbarkeit eines Internetzugangsentzugs
Funktionswandel?
Explosion unterschiedlicherInteressenausprägungen
Interessendurchsetzung& Protestkultur
Aushandlungsprozesse
RegulatorischeEntwicklungspfade
Ausblick