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Urteil AG Augsburg 30.11.2011, Az. 12 Ds 102 Js 113892/09 (2)

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Urteil des AG Augsburg, Freispruch für Sportwettenvermittler, Martin Arendts, ARENDTS ANWÄLTE

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Beglaubigte Abschrift

Amtsgericht Augsburg

Az.: 12 Os 102 Js 113892/09 (2)

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

des Amtsgerichts AugsburgIn dem Strafverfahren gegen

,

Verteidiaer:

Rechtsanwalt Arendts Martin, Perlacher Str. 68, 82031 Grünwald, Gz.: 20/10

wegen Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels

aufgrund der Hauptverhandlung vom 30.11.2011, an der teilgenommen haben:

Richter am Amtsgericht a. w. a. Ri. Schmitt-Roobals Strafrichter

Staatsanwalt GL Or. Engelsbergerals Vertreter der Staatsanwaltschaft

Rechtsanwalt Arendtsals Verteidiger

Justizangestellte Farnikals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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I.

Der Angeklagte

~1_--.--....J.wird

f r e ia e S D r 0 ehe n.

11.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und einschließlich der notwendigen Auslagendes Angeklagten.

Gründe:

I.

Dem Angeklagten wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 19.11.2009 zurLast gelegt, im Zeitraum zwischen dem 17.09.2009 und dem 11.10.2009 in 25 sachlich zusam-mentreffenden Fällen uner aubteGIÜckss iele veranstaltet zu haben. Der Angeklagte habe alsBetreiber der Gaststätte als Verantwortlicher indem genannten Lokal Sportwetten vermittelt, obwohl ihm mit Bescheid der Stadt Augsburg vom13.05.2009, zugestellt am 16.05.2009, die Annahme, Vermittlung und Veranstaltung von Sport-wetten untersagt worden ,sei. Dieser Bescheid sei gemäß § 9 Abs. 2 GlÜcksspielstaatsvertragkraft Gesetzes sofort vollziehbar gewesen. Der Angeklagte verfüge, wie er wisse, auch sonstüber keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten. Insgesamt habe der Angeklagte durchdie Veranstaltung von Sportwetten in 25 einzeln aufgezählten Fällen einen Gesamtumsatz von16.556,00 € erzielt. Der Angeklagte habe gehandelt, um sich auf wiederholter Tatbegehung einenicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu schaffen. Hierzu habe er sei-nen Gästen im Lokal einen PC mit dem Webprogramm '~,. .••.. ' 1." zur Verfügung gestellt.Das Lokal sei, wie der Angeklagte wusste, an den oben Genannten geöffnet und für jedermannzugänglich gewesen.

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11.

"\Der Angeklagte hat den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt, allenfalls seien bei den vön derPolizei ermittelten Umsätzen auch Getränkeumsätze enthalten gewesen. :!Im Übrigen bringt die Verteidigung vor, dass der Angeklagte sich vor den in der Anklageschrift auf-gezählten Fällen bereits bei Erhalt der Untersagungsverfügung an seinen heutigen Verteidiger alsFachmann für Glückspielrecht um rechtlichen Rat gewandt habe. Diese Angaben sind glaubhaft,da bereits der genannte. Untersagungsbescheid der Stadt Augsburg an den heutigen Verteidigerdes Angeklagten zugestellt wurde (vgl. BI. 29 ff. d. A.). Aus den Akten ergibt sich auch, dass der

, .heutige Verteidiger des Angeklagten in dessen Namen bereits am 16. Mai 2009 Klage gegEllndieUntersagungsverfügung beim Verwaltungsgericht Augsburg eingereicht hat (vgl. BI. 144 ff.,d. A.).

111.

Der Angeklagte war aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da eine Strafbarkeit nach § 284StGB nicht besteht.

Nach dieser Vorschrift ist strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspi~1 ver-anstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereit stellt. Im vorliegenden Fall fehlt es am Tat-bestandsmerkmal "ohne behördliche Erlaubnis". Zwar wurde dem Angeklagten eine inländischeErlaubnis zur Veranstaltung von 5portwetten nicht erteilt. Nach dem Grundsatz der Verwal~ungs-akzessorietät kann §284 5tGB ein strafbares Verhalten aber nur dann begründen, wenn ein~ ver-waltungsrechtliche Norm in zulässiger Weise eine Erlaubnispflicht/begründet. Grundsätzlich er-gibt sich eine Erlaubnispflicht aus den §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertra-ges vom 01.01.2008 in Verbindung mit §§ 5, 7 Abs. 1 AG GlüStV. Nach Auffassung des Gerichtskann der Angeklagte aber nicht bestraft werden, weil der genannte Erlaubnisvorbehalt jede~fallsderzeit ausschließlich dazu dient, das gegen Europarecht verstoßende staatliches Monop<?1aufSportwetten durchzusetzen ..

1. Verstoß des aktuellen staatlichen Monoools auf Soortwetten gegen eurooäisches Recht

Das Gericht schließt sich hinsoweit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichts-hofs an, wie sie beispielsweise in den Entscheidungen vom 21.03.2011 (Aktenzeichen: 10 AS10.2499, zitiert nach JURIS) und vom 18.04.2011 (Aktenzeichen: 10 es 11.709, zitiert nach JU-RIS) formuliert wurde.

Demnach vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass das staatliche Sportwetten-monopol eine unverhältnismäßige Beschränkung der europarechtlichen Dienstleistungs- und Nie-derlassungsfreiheit bewirkt und deshalb nicht mehr als Grundlage für Untersagungsverfügungenherangezogen werden kann. Überzeugend argumentiert der Bayerische Verwaltungsgerichtshof,dass der Zugang zum Sportwettenmarkt den privaten Anbietern und Vermittlern in Bayern nichtmehr wie bisher unter Berufung auf das staatliche Monopol verwehrt werden könne. Wegen derkontinuierlich steigenden Zahl zugelassener Geldspielautomaten in Spielhallen, die ein deutlichgrößeres Suchtpotential als Sportwetten hätten, wäre das Ziel einer systematischen und kohären-ten Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit verfehlt. Diese Argumentation untermauert der Ver-waltungsgerichtshof in der Entscheidung vom 18.04.2011 (Rdnr. 17) mit dem statistischen objek-tiven Befund, dass sich nach der Novelle der Spielverordnung in Deutschland die Anzahl der auf-

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gestellten Geldspielautomaten von 183.000 im Jahr 2005 auf 225.000 Geräte im Jahr 2008 ~rhöhthabe und vor allem im gleichen Zeitraum die Umsätze in diesem Bereich von 5,88 Milliarden) Euroauf 8,13 Milliarden Euro sowie der maßgebliche Bruttospielertrag um 38 % von 2,35 Milliarden Eu-ro auf 3,25 Milliarden Euro gestiegen seien.'

,Somit steht für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ebenso wie für das erkennende Gerichtfest, dass das staatliche Sportwettenmonopol auch nach dem seit 1.1.2008 geltenden Glück-spielstaatsvertrag den europarechtlichen Vorgaben nicht entspricht und deswegen nicht anzu-wenden ist. Die Begründung einer Erlaubnispflicht ist nämlich vor dem Hintergrund der Dienstleis-tungsfreiheit nach Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union (~IUV)zu sehen. Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung (Nachweise siehe bei AG Berlin-Trergar-ten, Beschluss vom 25.07.2011, Al 249 Os 14 Js 2738/10 (3/11), 249 Os 3/11, Rdnr. 8 in JURIS)festgestellt, dass eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch einen Erlaubnisvorbehaltnur in Betracht kommt, wenn diese Beschränkung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ent-spricht. Das bedeutet, dass die Beschränkung geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihrverfolgten Ziels in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begren-zung der Wetttätigkeit beträgt. Eben dies verneint der Bayerische Verwaltungsgerichtsh9f mitRecht. '

Es ist daher festzuhalten, dass das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausge-staltung gegen Europarecht verstößt und deswegen nicht anwendbar ist.

2. Keine Unabhänaiakeit des Erlaubnisvorbehalts vom staatlichen MonoDol

Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass der Erlaubnisvorbehalt in seiner derzeitigen Formausschließlich der Sicherung des staatlichen Monopols dient. Auch der am 01.01.2008 in, Kraftgetretene Glücksspielstaatsvertrag sieht die Beibehaltung eines Monopols vor. Gerade deryorlie-gende Fall untermauert diesen Zusammenhang, wird doch die Unterlassungsverfügung der StadtAugsburg vom 13.05.2009 (vgl. BI. 29 ff. d. A.) ausschließlich auf das Bestehen eines staatlichenMonopols gestützt. Der Angeklagte hatte deswegen schlicht keine Möglichkeit, eine Erlaubnis fürsein Sportwettenangebot zu bekommen. Dies führt nach der Rechtsprechung des EuGH (zitiertim o.g. Beschluss des AG Berlin- Tiergarten vom 25.07.2011, Rdnr. 18) dazu, dass ein~ straf-rechtliche Vorwerfbarkeitdes Verhaltens des Angeklagten entfällt. Es wäre ihm nämlich un~er kei-nen Umständen möglich gewesen, eine Erlaubnis für das Vermitteln privater Sportwetten 'zu er-halten, weil die Behörde diese unter Hinweis auf ein - wie dargelegt europarechtswidriges - staat-liches Monopol ohnehin abgelehnt hätte und hat. Eine andere Handhabung würde nach Auffas-sung des Gerichts dazu führen, dass über den Umweg des Strafrechts eine gegen Europarechtverstoßende Gesetzeslage durchgesetzt werden könnte.

Eine Strafbarkeit des Angeklagten scheidet daher bereits aus objektiven Gründen aus.

3. Unvermeidbarer Verbotsirrtum

Ohne dass es nach dem oben Festgestellten darauf ankommt, ist noch festzuhalten, dass derAngeklagte - selbst wenn man seine objektive Strafbarkeit bejahen würde - sich jedenfalls aufeinen unvermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB berufen könnte. Bereits zum Tat-zeitpunkt lag eine widerSprüchliche Rechtsprechung gleichrangiger Gerichte zur Frage der Zuläs-sigkeit der Regelungen des damals neuen Glückspielstaatsvertrages vor (vgl. hierzu die Klage

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des Angeklagten gegen den Untersagungsbescheid der Stadt Augsburg vom 16. Mai 200ß, BI.144 ff. d. A.). In einer solchen Situation ist es nach ganz herrschender Auffassung eine Frag~ derZumutbarkeit, ob der Angeklagte die Handlung - deren Verbotenheit unklar ist - unterlassen ~uss,

, bis die Frage entschieden ist. Dies gilt selbst, wenn Kenntnisse über gegenteilige Entscheidun-gen bestehen. Denn das Risiko einer unklaren Rechtslage, wie sie durch Verwaltung und Recht-sprechung geschaffen wurde, darf nicht einseitige Normadressaten aufgebürdet werden.

Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte sich vor den angeklagten Taten der anwaltlichenBera-tung seines jetzigen Verteidigers bedient, der auf Fragen des Glücksspielrechts seit Jahren spe-zialisiert ist. So ist bereits der Untersagungsbescheid der Stadt Augsburg vom 13.05.2009 an denjetzigen Verteidiger des Angeklagten adressiert. Dieser hat auch umgehend - ebenfalls vor denhier angeklagten Taten - Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Untersagungsbescheid er-hoben.

Das Gericht geht im übrigen davon aus, dass es dem Angeklagten nicht zumutbar war, eine end-gültige Klärung der rechtlichen Situation auf dem Rechtsweg zu erstreiten, bevor er die Sportwet-ten anbot. Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass der Angeklagte für die verworrene Rechtslagenicht verantwortlich ist. Auch ist festzustellen, dass über seine verwaltungsgerichtliche Klageüber 2 1/2 Jahre nach deren Einreichung noch nicht einmal in erster Instanz entschieden wurde.

111.

Die Kostenentscheidung beruht auf §467 StPO.

gez.

Schmitt-RoobRichter am Amtsgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift (Ablic~-~ng) .Augsburg, 08.1~~)/~ /'.'

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