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B ehörden Spiegel: Herr Dr. Werner, Sie sind seit einigen Monaten Vorsitzender der Ge- schäftsführung Deutschland und Head of Central Europe von Fujitsu. Dazu erst einmal herzli- chen Glückwunsch. Sie waren vorher in verschiedenen Manage- ment-Positionen bei T-Systems tätig und zuletzt in der Geschäfts- führung bei T-Systems Multime- dia Solutions. Einen wesentli- chen Teil Ihrer Berufserfahrung haben Sie für die Telekom in Frankreich gemacht. Was sind Ihre Business-Erfahrungen be- sonders mit dem Ihnen mögli- chen Vergleich zu Frankreich? Dr. Werner: Herzlichen Dank für die Glückwünsche. Zu Frankreich: zunächst einmal ist es ein interessantes und vielsei- tiges Land. Vergleicht man die Entscheidungsgeschwindigkei- ten von Deutschland und Frank- reich, so ist unser Nachbarland langsamer als Deutschland. Wir beklagen uns in Deutschland ja häufig über die starke adminis- trative Orientierung und man- gelnden Pragmatismus. Das gilt für Unternehmen und öffentli- che Einrichtungen gleicherma- ßen. Doch Frankreich ist noch eine Spur komplexer, langsamer und schwieriger. Insofern mein Fazit hierzu: Deutschland als Unternehmensstandort tut uns gut! Behörden Spiegel: Mal anders herum gefragt. Welche Erfahrun- gen bringen Sie aus Frankreich mit und können diese hier positiv nutzen? Dr. Werner: In der Kundennä- he und Kundenorientierung kann Deutschland von Frank- reich noch einiges lernen. Busi- ness wird von Mensch zu Mensch gemacht. Deutsche Un- ternehmen sind hier häufig zu “mechanisch” unterwegs. Was aus meiner Sicht zählt, sind Markt- und Kundenkenntnis so- wie ein Blick für die Anforderun- gen des Kunden. Nach meinen Beobachtungen ist Fujitsu in Deutschland gerade im öffentli- chen Bereich hier sehr gut auf- gestellt. Wir begleiten unsere Kunden eng, nachhaltig und langfristig. Aber mit Blick auf die deutsche Volkswirtschaft kön- nen wir in diesem Bereich von den Franzosen durchaus noch einiges lernen. Behörden Spiegel: Herr Klein- knecht, wir haben in Deutsch- land im öffentlichen Sektor ein sehr verrechtlichtes Vergabe- recht, Rahmenverträge, häufig kommen Vergabeberater zum Einsatz, auch Vergabebeschwer- den sind an der Tagesordnung. Sind wir hierzulande nicht mitun- ter zu formal bei öffentlichen Aus- schreibungen, eben auch zu un- persönlich und zu wenig auf die tatsächlichen Kundenbedürfnis- se hin orientiert? Kleinknecht: In der Tat haben wir bei der Vergabe einen relativ starren Rahmen. Doch das Ver- gaberecht wird auch kontinuier- lich angepasst, wenn es auch nicht immer einfacher wird. Wichtig ist es, Organisations- struktur und Zielsetzungen der Kunden genau zu verstehen und dazu gehört auch, wie Herr Dr. Werner ausführte, die Nähe zu den handelnden Personen. Es gibt starke Unterschiede zwi- schen Bund, Ländern und Kom- munen. Insofern ist das Wissen über den Markt und die Kunden entscheidend für unser Ge- schäft. In meiner Vertriebsein- heit sind 140 Mitarbeiter tätig. Sie haben eine sehr hohe durch- schnittliche Verweildauer im Unternehmen. Deswegen kön- nen wir unseren Fokus erfolg- reich auf Kontinuität legen – auch in der persönlichen Bezie- hung. Das ist wichtig, um das notwendige Verständnis zu ent- wickeln, um die Strategie der Kunden zu verstehen. Auf diese Weise sind wir in der Lage, früh- zeitig und kompetent Vorschlä- ge für neue Herausforderungen unserer Kunden zu unterbrei- ten. Behörden Spiegel: Welche Hauptunterschiede sehen Sie zwischen Bund, Ländern und Kommunen? Kleinknecht: Selbst bei ge- meinsamen beziehungsweise ähnlichen Herausforderungen – etwa mit Blick auf die IT-Konso- lidierung – gibt es unterschiedli- che Herangehensweisen und Reifegrade. Die Organisations- strukturen unterscheiden sich deutlich. Die Kommunen sind sehr fragmentiert. Auch was die Anforderungen an E-Govern- ment angeht, gibt es Unterschie- de. Die Kommunen sind insbe- sondere bei den Bürgerdiensten stark gefordert und teilweise auch sehr weit in der Umset- zung. Deswegen gibt es auf kom- munaler Ebene an vielen Stellen einen Drang, nahe am Bürger zu sein und ihm möglichst digitale Services anzubieten. Behörden Spiegel: Man sagt: Neue Besen kehren gut. Herr Dr. Werner, was steht denn auf Ihrer Agenda? Dr. Werner: Der “neue Besen”, wie Sie sagen, ist einer mit einem signifikanten Servicehinter- grund. Wir werden in Zukunft branchenübergreifend in drei Feldern im Markt unterwegs sein. Als erstes gilt es, unser tra- ditionell starkes Produktge- schäft weiterzuentwickeln. Hier können wir als einziger Anbieter im Markt, der in Deutschland forscht, entwickelt und produ- ziert, deutlich punkten. Dane- ben möchten wir mit globalen Plattformen im Service-Umfeld wachsen, konkret mit Cloud-Lö- sungen wie K5 und der neuen Digitalisierungsplattform Me- taArc. Wir wollen Unternehmen wie auch Behörden eine Cloud- Infrastruktur zur Verfügung stellen, die besondere Data-Pri- vacy-Anforderungen erfüllt. Auch K5 wird es übrigens in ei- ner “deutschen Version” geben, die wir in Rechenzentren hierzu- lande betreiben. Das dritte Feld nennen wir Digital Solutions, al- so digitale Anwendungen und Services, im Kontext des öffentli- chen Sektors z. B. für die E-Akte oder für Genehmigungsverfah- ren für Unternehmen und Bür- ger. In der Industrie haben wir Erfahrungen mit Filial-Anbin- dungen gemacht, mit WLAN- Vernetzung und dahinter liegen- den Big-Data-Auswertungen. Zusammengefasst werden wir auf drei Feldern aktiv sein: In unserem klassischen Geschäft werden wir weiterhin Stärke zei- gen, globale Business-Cloud- Lösungen werden wir auf- und ausbauen und uns bei digitalen Services weiterentwickeln. Behörden Spiegel: Sie werden als Fujitsu also neben den bereits zahlreich bestehenden global täti- gen Cloud-Anbietern auf Basis ei- ner eigenen Infrastruktur diesen Markt auch in Zukunft bedienen? Dr. Werner: Generell ja, aber in einer differenzierten Weise als es andere Anbieter tun. Ist ein Kun- de zum Beispiel mit Microsoft Azure unterwegs oder nutzt Amazon Web-Services, ist dies seine Entscheidung. Wir werden neben diesen bereits bestehen- den Angeboten im Markt nicht nur ein eigenes hinzufügen, son- dern die proprietären Cloud-An- wendungen beim Kunden ma- nagen können. Dies ist dann ein Multi-Cloud-Management. Hierfür haben wir für die Busi- ness Plattform den Überbegriff MetaArc gewählt. Es gibt große Kunden, die einen regelrechten “Zoo” verschiedenster Cloud-Lö- sungen im Unternehmen haben. Kunden geraten dabei schnell an ihre Grenzen, was das Ma- nagement dieser Lösungen be- trifft. Hier bieten wir uns in einer Broker-Funktion an. Die Kom- plexität der Kundeninstallatio- nen lässt sich dann auf uns übertragen und wir sorgen für die Beherrschbarkeit. Kleinknecht: Für uns ist ent- scheidend, nicht ein klassischer Cloud-Anbieter im Sinne von In- frastructure-as-a-Service aus der Cloud zu werden. Wir sehen uns wesentlich stärker in einer Broker-Rolle. Unabhängig da- von, welche Cloud-Plattform heute bei Kunden eingesetzt wird, können wir mit unserer Di- gital-Business-Plattform Me- taArc diese Broker-Rolle über- nehmen. Der Kunde gewinnt da- durch Freiräume, sich um sein Kerngeschäft zu kümmern. Behörden Spiegel: Haben Sie in dieser Broker-Rolle schon ein Angebot in Deutschland gemacht oder bereits einen Kunden? Dr. Werner: Wir werden dieses Angebot im Dezember in Deutschland ausrollen und es am 16. und 17. November auf dem Fujitsu-Forum in München vorstellen. Erste Kunden in die- sem Geschäftsfeld haben wir in Japan und in Großbritannien. Kleinknecht: Ein Aspekt ist dabei noch wichtig: wir beab- sichtigen, die weltweit größte Open-Source-basierte Cloud- Infrastruktur anzubieten. Open Source ist für die öffentliche Ver- waltung ein besonders wichtiges Thema. Natürlich verstehen sich zahlreiche öffentliche IT-Dienst- leister zuerst einmal auch selbst als Service Provider für die Ver- waltung und bedienen auch das Thema Cloud. Es geht uns nicht so sehr da- rum, diese Kunden in unsere Cloud zu holen. Es geht vielmehr darum, die Kompetenzen und das Know-how im Sinne von Un- terstützung und Beratung der öffentlichen Verwaltung anzu- bieten. Nicht nur die kommuna- len Zweckverbände, auch große IT-Dienstleister auf der Ebene der Länder und des Bundes be- schäftigen sich derzeit intensiv mit diesem Thema. Wir verste- hen uns als ein beratender Part- ner. Wir wollen ein zukunftssi- cheres Cloud Enabling entwi- ckeln und uns als Broker, also derjenige, der das Ganze zusam- menführt und zusammenhält, einbringen. Behörden Spiegel: Neben dem klassischen Produktgeschäft soll Fujitsu also zukünftig auch im Cloud-Business aktiv sein und zusätzlich digitale Services bieten. Wie sieht der Zeitplan für die Einführung und Weiterent- wicklung der neuen Geschäfts- felder aus und in welchem Ver- hältnis zueinander sollen diese Bereiche sich im Umsatz wider- spiegeln? Dr. Werner: Heute erzielen wir bereits ein Drittel unseres Um- satzes im Servicegeschäft, zwei Drittel unseres Umsatzes ma- chen wir mit dem angestammten Produktgeschäft. Wir wollen un- ser traditionelles Geschäft wei- ter stabilisieren und hier leicht oberhalb des Marktes wachsen. Das sind drei bis fünf Prozent. Im Service Business wollen wir deutlich stärker wachsen, zwi- schen fünf und zehn Prozent. Aber das muss nicht auf organi- sches Wachstum beschränkt bleiben, sondern wir können im Servicebereich auch anorga- nisch wachsen, nämlich dann, wenn ein interessantes Service- unternehmen in Europa und auch ganz speziell in Deutsch- land zu unserem Portfolio passt und wir es übernehmen. Behörden Spiegel: Sie haben eine Studie zur Digitalisierung in Deutschland und Europa veröf- fentlicht. Was sind die Konse- quenzen aus den Ergebnissen dieser Studie? Dr. Werner: Thema der Studie war die Digitalisierung in den Unternehmen und bei den Be- hörden. Dabei kam zum Beispiel heraus, dass die befragten CEOs die Notwendigkeit der Digitali- sierung für die Zukunftsfähig- keit des eigenen Unternehmens deutlich sehen. Allerdings fehlt noch eine klare Orientierung, wie die digitale Transformation angegangen werden soll. Oft- mals geht die Initiative hier nicht von den Unternehmenslenkern aus, sondern es sind die IT- Chefs, die CIOs, die sich die Fra- ge stellen, ob und wie die Kern- geschäfte und -prozesse letztlich digitalisiert werden können und müssen. Behörden Spiegel: De CIOs prüfen demnach die Kernge- schäftsmodelle hinsichtlich des Digitalisierungspotenzials? Kleinknecht: Nehmen Sie doch einmal die Finanzdienst- leister, also Banken und Versi- cherungen. Hier war die IT im- mer Unterstützer, also mit Blick auf die Kerngeschäfte eher ein Nebenfeld. Jetzt wird die IT der zentrale Enabler für das Kernge- schäft. Das wirft dann einen ganz anderen Blick auf die IT-In- frastruktur, wenn man versteht, dass von ihr die zukünftige Ge- schäftsentwicklung entschei- dend abhängen wird. Unser Kunde Hamburg Port Authority, also der größte Hafenbetreiber Deutschlands, hat daraus eine Konsequenz gezogen und einen Chief Digital Officer (CDO) in der Geschäftsleitung etabliert. Er kümmert sich nicht um den Be- trieb und die Weiterentwicklung der IT, sondern um die Frage, wie die Digitalisierung die Kernge- schäftsfelder betrifft oder eben auch, wie sie digitalisiert werden können. Behörden Spiegel: Gilt das auch für den Behördenbereich? Kleinknecht: Unabhängig von der Verwaltungsebene gehen die CIOs des öffentlichen Sektors davon aus, in den nächsten fünf Jahren rund 70 Prozent der Pro- zesse digitalisiert zu haben. Also man sieht auch hier das rasche Tempo der Digitalisierung. Die Digitalisierung wird also auch Behörden vollumfänglich erfas- sen. Behörden Spiegel: Sie er- wähnten bereits Ihr traditionel- les Fujitsu-Forum, das Ende No- vember im München stattfindet und in dem Sie Neuheiten, Inno- vationen und Best Practices vor- stellen. Auf dem Forum werden Sie auch um Vertrauen für diese Lösungen bei Ihren Kunden aus dem öffentlichen Bereich wer- ben? Dr. Werner: Selbstverständ- lich laden wir zum Fujitsu-Fo- rum Behördenkunden ein, der öffentliche Sektor ist schließlich ein strategischer Schlüssel- markt. Beim Fujitsu Forum adressieren wir die Gesamtheit unserer Kunden. Rund 14.000 Besucher aus mehr als 80 Län- dern werden nach München kommen, es ist die größte IT- Veranstaltung dieser Art in Europa. Zudem haben wir vor, Anfang 2017 einen speziellen Kongress für den öffentlichen Sektor anzubieten. Kleinknecht: Am 14. und 15. Februar laden wir hier in Berlin zum Fujitsu Government Day ein. Dort wollen wir dann mit Entscheidern aus Bund, Län- dern und Kommunen in einen Dialog über die zukünftigen An- forderungen an die Verwaltun- gen durch die Digitalisierung treten. Unser Public-Chef aus Japan wird neben Staatssekre- tär Klaus Vitt, dem CIO der Bun- desregierung, dort sprechen. Wir wollen auch einen Blick über die Landesgrenzen hinaus wer- fen, um möglicherweise Analo- gien auch zwischen Japan und Deutschland herauszuarbeiten, denn beide Länder sind durch ein föderales System geprägt, stehen aber auch beide vor den Herausforderungen der demo- grafischen Veränderung. Zu- dem planen wir, auf dem Go- vernment Day im Februar 2017 eine von uns initiierte Zukunfts- studie des Münchener Kreises vorzustellen, die Ausblicke auf eine vernetzte, intelligente Mobi- lität 2025+ geben wird. Seite 35 Informationstechnologie Behörden Spiegel / September 2016 Wollen die Broker-Rolle übernehmen Fujitsu will weltgrößte Open-Source-basierte Cloud-Infrastruktur anbieten (BS) Das Unternehmen Fujitsu wird zukünftig strategisch auf drei Feldern am Markt unterwegs sein. Neben dem traditionellen Produktgeschäft werden Cloud-Lösungen sowie digitale Anwendungen und Services weiter an Bedeutung gewinnen. Was das konkret für Kunden in Deutschland bedeutet und wie man sich am Markt der Cloud-Anbieter positionieren möchte, war unter anderem Gegenstand eines Interviews des Behörden Spiegel mit Dr. Rolf Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung Deutschland, und Andreas Kleinknecht, Senior Director Sales Öffentliche Auf- traggeber. Das Gespräch führte R. Uwe. Proll in der neuen Hauptstadtrepräsentanz des Unternehmens am Pariser Platz in Berlin. Ab Dezember wird der neue Fujitsu Cloud-Service K5 in Deutschland verfügbar sein. Die Cloud-Com- puting-Plattform soll eine nahtlose Integration tra- ditioneller IT-Umgebungen in neue, Cloud-basierte Technologien ermöglichen. Als zentraler Bestandteil der Fujitsu Digital-Busi- ness-Platform MetaArc soll K5 ein umfassendes Spektrum von Technologien bieten, mit denen Organisationen neue, Cloud-basierte Anwendungen entwickeln und bereitstellen können. Gleichzeitig soll es K5 möglich machen, herkömmliche Installa- tionen nahtlos in neue Cloud-Anwendungen zu inte- grieren und weiterzubetreiben. MetaArc erlaubt die schnelle Entwicklung von neu- en Anwendungen, um die Digitalisierung voranzu- treiben. Gleichzeitig sorgt sie für eine schnelle und effektive Integration in neue Hybrid-IT-Umgebungen. Durch die offene Architektur von K5 und die Fähig- keiten von MetaArc können Workloads auf jeder ge- wählten Plattform ausgeführt und verwaltet werden. Der Schritt weg von proprietären Stacks hin zu einer Open-Source-basierten Architektur für K5 soll außer- dem für hohe Kosteneffizienz und geringere Gesamt- betriebskosten sorgen. K5 wird es in vier verschie- denen Modellen geben – Public Cloud, Virtual Priva- te Hosted, Dedicated und Dedicated On-Premise. Cloud-Service K5 “Deutschland als Unternehmensstandort tut uns gut!” Andreas Kleinknecht ist seit November 2012 Senior Director Sales für den Be- reich Öffentliche Auftraggeber und Mitglied der Geschäftsleitung Fujitsu Tech- nology Solutions Deutschland. Dr. Rolf Werner ist seit Januar 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung Deutsch- land und Head of Central Europe bei Fujitsu. Fotos: BS/Lindemann

Interview Behörden Spiegel / September 2016: Wollen die Broker-Rolle übernehmen

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B ehörden Spiegel: Herr Dr.Werner, Sie sind seit einigen

Monaten Vorsitzender der Ge-schäftsführung Deutschlandund Head of Central Europe vonFujitsu. Dazu erst einmal herzli-chen Glückwunsch. Sie warenvorher in verschiedenen Manage-ment-Positionen bei T-Systemstätig und zuletzt in der Geschäfts-führung bei T-Systems Multime-dia Solutions. Einen wesentli-chen Teil Ihrer Berufserfahrunghaben Sie für die Telekom inFrankreich gemacht. Was sindIhre Business-Erfahrungen be-sonders mit dem Ihnen mögli-chen Vergleich zu Frankreich?

Dr. Werner: Herzlichen Dankfür die Glückwünsche. ZuFrankreich: zunächst einmal istes ein interessantes und vielsei-tiges Land. Vergleicht man dieEntscheidungsgeschwindigkei-ten von Deutschland und Frank-reich, so ist unser Nachbarlandlangsamer als Deutschland. Wirbeklagen uns in Deutschland jahäufig über die starke adminis -trative Orientierung und man-gelnden Pragmatismus. Das giltfür Unternehmen und öffentli-che Einrichtungen gleicherma-ßen. Doch Frankreich ist nocheine Spur komplexer, langsamerund schwieriger. Insofern meinFazit hierzu: Deutschland alsUnternehmensstandort tut unsgut!

Behörden Spiegel: Mal andersherum gefragt. Welche Erfahrun-gen bringen Sie aus Frankreichmit und können diese hier positivnutzen?

Dr. Werner: In der Kundennä-he und Kundenorientierungkann Deutschland von Frank-reich noch einiges lernen. Busi-ness wird von Mensch zuMensch gemacht. Deutsche Un-ternehmen sind hier häufig zu“mechanisch” unterwegs. Wasaus meiner Sicht zählt, sindMarkt- und Kundenkenntnis so-wie ein Blick für die Anforderun-gen des Kunden. Nach meinenBeobachtungen ist Fujitsu inDeutschland gerade im öffentli-chen Bereich hier sehr gut auf-gestellt. Wir begleiten unsereKunden eng, nachhaltig undlangfristig. Aber mit Blick auf diedeutsche Volkswirtschaft kön-nen wir in diesem Bereich vonden Franzosen durchaus nocheiniges lernen.

Behörden Spiegel: Herr Klein-knecht, wir haben in Deutsch-land im öffentlichen Sektor einsehr verrechtlichtes Vergabe-recht, Rahmenverträge, häufigkommen Vergabeberater zumEinsatz, auch Vergabebeschwer-den sind an der Tagesordnung.Sind wir hierzulande nicht mitun-ter zu formal bei öffentlichen Aus-schreibungen, eben auch zu un-persönlich und zu wenig auf dietatsächlichen Kundenbedürfnis-se hin orientiert?

Kleinknecht: In der Tat habenwir bei der Vergabe einen relativstarren Rahmen. Doch das Ver-gaberecht wird auch kontinuier-lich angepasst, wenn es auchnicht immer einfacher wird.Wichtig ist es, Organisations-struktur und Zielsetzungen derKunden genau zu verstehen unddazu gehört auch, wie Herr Dr.Werner ausführte, die Nähe zuden handelnden Personen. Esgibt starke Unterschiede zwi-schen Bund, Ländern und Kom-munen. Insofern ist das Wissenüber den Markt und die Kundenentscheidend für unser Ge-schäft. In meiner Vertriebsein-heit sind 140 Mitarbeiter tätig.Sie haben eine sehr hohe durch-schnittliche Verweildauer imUnternehmen. Deswegen kön-nen wir unseren Fokus erfolg-reich auf Kontinuität legen –auch in der persönlichen Bezie-hung. Das ist wichtig, um dasnotwendige Verständnis zu ent-

wickeln, um die Strategie derKunden zu verstehen. Auf dieseWeise sind wir in der Lage, früh-zeitig und kompetent Vorschlä-ge für neue Herausforderungenunserer Kunden zu unterbrei-ten.

Behörden Spiegel: WelcheHauptunterschiede sehen Siezwischen Bund, Ländern undKommunen?

Kleinknecht: Selbst bei ge-meinsamen beziehungsweiseähnlichen Herausforderungen –etwa mit Blick auf die IT-Konso-lidierung – gibt es unterschiedli-che Herangehensweisen undReifegrade. Die Organisations-strukturen unterscheiden sichdeutlich. Die Kommunen sindsehr fragmentiert. Auch was dieAnforderungen an E-Govern-ment angeht, gibt es Unterschie-de. Die Kommunen sind insbe-sondere bei den Bürgerdienstenstark gefordert und teilweiseauch sehr weit in der Umset-zung. Deswegen gibt es auf kom-munaler Ebene an vielen Stelleneinen Drang, nahe am Bürger zusein und ihm möglichst digitaleServices anzubieten.

Behörden Spiegel: Man sagt:Neue Besen kehren gut. Herr Dr.Werner, was steht denn auf IhrerAgenda?

Dr. Werner: Der “neue Besen”,wie Sie sagen, ist einer mit einemsignifikanten Servicehinter-grund. Wir werden in Zukunftbranchenübergreifend in dreiFeldern im Markt unterwegssein. Als erstes gilt es, unser tra-ditionell starkes Produktge-schäft weiterzuentwickeln. Hierkönnen wir als einziger Anbieterim Markt, der in Deutschlandforscht, entwickelt und produ-ziert, deutlich punkten. Dane-ben möchten wir mit globalenPlattformen im Service-Umfeldwachsen, konkret mit Cloud-Lö-sungen wie K5 und der neuenDigitalisierungsplattform Me-taArc. Wir wollen Unternehmenwie auch Behörden eine Cloud-Infrastruktur zur Verfügungstellen, die besondere Data-Pri-vacy-Anforderungen erfüllt.Auch K5 wird es übrigens in ei-ner “deutschen Version” geben,die wir in Rechenzentren hierzu-lande betreiben. Das dritte Feldnennen wir Digital Solutions, al-so digitale Anwendungen undServices, im Kontext des öffentli-chen Sektors z. B. für die E-Akteoder für Genehmigungsverfah-ren für Unternehmen und Bür-ger. In der Industrie haben wirErfahrungen mit Filial-Anbin-dungen gemacht, mit WLAN-Vernetzung und dahinter liegen-den Big-Data-Auswertungen.Zusammengefasst werden wir

auf drei Feldern aktiv sein: Inunserem klassischen Geschäftwerden wir weiterhin Stärke zei-gen, globale Business-Cloud-Lösungen werden wir auf- undausbauen und uns bei digitalenServices weiterentwickeln.

Behörden Spiegel: Sie werdenals Fujitsu also neben den bereitszahlreich bestehenden global täti-gen Cloud-Anbietern auf Basis ei-ner eigenen Infrastruktur diesenMarkt auch in Zukunft bedienen?

Dr. Werner: Generell ja, aber ineiner differenzierten Weise als esandere Anbieter tun. Ist ein Kun-de zum Beispiel mit MicrosoftAzure unterwegs oder nutztAmazon Web-Services, ist diesseine Entscheidung. Wir werdenneben diesen bereits bestehen-den Angeboten im Markt nichtnur ein eigenes hinzufügen, son-dern die proprietären Cloud-An-wendungen beim Kunden ma-nagen können. Dies ist dann einMult i-Cloud-Management.Hierfür haben wir für die Busi-ness Plattform den ÜberbegriffMetaArc gewählt. Es gibt großeKunden, die einen regelrechten“Zoo” verschiedenster Cloud-Lö-sungen im Unternehmen haben.Kunden geraten dabei schnellan ihre Grenzen, was das Ma-nagement dieser Lösungen be-trifft. Hier bieten wir uns in einerBroker-Funktion an. Die Kom-plexität der Kundeninstallatio-nen lässt sich dann auf unsübertragen und wir sorgen fürdie Beherrschbarkeit.

Kleinknecht: Für uns ist ent-scheidend, nicht ein klassischerCloud-Anbieter im Sinne von In-frastructure-as-a-Service ausder Cloud zu werden. Wir sehenuns wesentlich stärker in einerBroker-Rolle. Unabhängig da-von, welche Cloud-Plattformheute bei Kunden eingesetzt

wird, können wir mit unserer Di-gital-Business-Plattform Me-taArc diese Broker-Rolle über-nehmen. Der Kunde gewinnt da-durch Freiräume, sich um seinKerngeschäft zu kümmern.

Behörden Spiegel: Haben Siein dieser Broker-Rolle schon einAngebot in Deutschland gemachtoder bereits einen Kunden?

Dr. Werner: Wir werden diesesAngebot im Dezember inDeutschland ausrollen und esam 16. und 17. November aufdem Fujitsu-Forum in Münchenvorstellen. Erste Kunden in die-sem Geschäftsfeld haben wir inJapan und in Großbritannien.

Kleinknecht: Ein Aspekt istdabei noch wichtig: wir beab-sichtigen, die weltweit größteOpen-Source-basierte Cloud-Infrastruktur anzubieten. OpenSource ist für die öffentliche Ver-waltung ein besonders wichtigesThema. Natürlich verstehen sichzahlreiche öffentliche IT-Dienst-leister zuerst einmal auch selbstals Service Provider für die Ver-waltung und bedienen auch dasThema Cloud. Es geht uns nicht so sehr da-

rum, diese Kunden in unsereCloud zu holen. Es geht vielmehrdarum, die Kompetenzen unddas Know-how im Sinne von Un-terstützung und Beratung deröffentlichen Verwaltung anzu-bieten. Nicht nur die kommuna-len Zweckverbände, auch großeIT-Dienstleister auf der Ebeneder Länder und des Bundes be-schäftigen sich derzeit intensivmit diesem Thema. Wir verste-hen uns als ein beratender Part-ner. Wir wollen ein zukunftssi-cheres Cloud Enabling entwi -ckeln und uns als Broker, alsoderjenige, der das Ganze zusam-menführt und zusammenhält,einbringen.

Behörden Spiegel:Neben demklassischen Produktgeschäftsoll Fujitsu also zukünftig auchim Cloud-Business aktiv seinund zusätzlich digitale Servicesbieten. Wie sieht der Zeitplan fürdie Einführung und Weiterent-wicklung der neuen Geschäfts-felder aus und in welchem Ver-hältnis zueinander sollen dieseBereiche sich im Umsatz wider-spiegeln?

Dr. Werner: Heute erzielen wirbereits ein Drittel unseres Um-satzes im Servicegeschäft, zweiDrittel unseres Umsatzes ma-chen wir mit dem angestammtenProduktgeschäft. Wir wollen un-ser traditionelles Geschäft wei-ter stabilisieren und hier leichtoberhalb des Marktes wachsen.Das sind drei bis fünf Prozent. ImService Business wollen wirdeutlich stärker wachsen, zwi-schen fünf und zehn Prozent.Aber das muss nicht auf organi-sches Wachstum beschränktbleiben, sondern wir können imServicebereich auch anorga-nisch wachsen, nämlich dann,wenn ein interessantes Service-unternehmen in Europa undauch ganz speziell in Deutsch-land zu unserem Portfolio passtund wir es übernehmen.

Behörden Spiegel: Sie habeneine Studie zur Digitalisierung inDeutschland und Europa veröf-fentlicht. Was sind die Konse-quenzen aus den Ergebnissendieser Studie?

Dr. Werner: Thema der Studiewar die Digitalisierung in denUnternehmen und bei den Be-hörden. Dabei kam zum Beispielheraus, dass die befragten CEOsdie Notwendigkeit der Digitali-sierung für die Zukunftsfähig-keit des eigenen Unternehmensdeutlich sehen. Allerdings fehltnoch eine klare Orientierung,wie die digitale Transformationangegangen werden soll. Oft-mals geht die Initiative hier nichtvon den Unternehmenslenkernaus, sondern es sind die IT-Chefs, die CIOs, die sich die Fra-

ge stellen, ob und wie die Kern-geschäfte und -prozesse letztlichdigitalisiert werden können undmüssen.

Behörden Spiegel: De CIOsprüfen demnach die Kernge-schäftsmodelle hinsichtlich desDigitalisierungspotenzials?

Kleinknecht: Nehmen Siedoch einmal die Finanzdienst -leis ter, also Banken und Versi-cherungen. Hier war die IT im-mer Unterstützer, also mit Blickauf die Kerngeschäfte eher einNebenfeld. Jetzt wird die IT derzentrale Enabler für das Kernge-schäft. Das wirft dann einenganz anderen Blick auf die IT-In-frastruktur, wenn man versteht,dass von ihr die zukünftige Ge-schäftsentwicklung entschei-dend abhängen wird. UnserKunde Hamburg Port Authority,also der größte HafenbetreiberDeutschlands, hat daraus eineKonsequenz gezogen und einenChief Digital Officer (CDO) in derGeschäftsleitung etabliert. Erkümmert sich nicht um den Be-trieb und die Weiterentwicklungder IT, sondern um die Frage, wiedie Digitalisierung die Kernge-schäftsfelder betrifft oder ebenauch, wie sie digitalisiert werdenkönnen.

Behörden Spiegel: Gilt dasauch für den Behördenbereich?

Kleinknecht: Unabhängig vonder Verwaltungsebene gehen dieCIOs des öffentlichen Sektorsdavon aus, in den nächsten fünfJahren rund 70 Prozent der Pro-zesse digitalisiert zu haben. Alsoman sieht auch hier das rascheTempo der Digitalisierung. DieDigitalisierung wird also auchBehörden vollumfänglich erfas-sen.

Behörden Spiegel: Sie er-wähnten bereits Ihr traditionel-les Fujitsu-Forum, das Ende No-vember im München stattfindetund in dem Sie Neuheiten, Inno-vationen und Best Practices vor-stellen. Auf dem Forum werdenSie auch um Vertrauen für dieseLösungen bei Ihren Kunden ausdem öffentlichen Bereich wer-ben?

Dr. Werner: Selbstverständ-lich laden wir zum Fujitsu-Fo-rum Behördenkunden ein, deröffentliche Sektor ist schließlichein strategischer Schlüssel-markt. Beim Fujitsu Forumadressieren wir die Gesamtheitunserer Kunden. Rund 14.000Besucher aus mehr als 80 Län-dern werden nach Münchenkommen, es ist die größte IT-Veranstaltung dieser Art inEuropa. Zudem haben wir vor,Anfang 2017 einen speziellenKongress für den öffentlichenSektor anzubieten.

Kleinknecht: Am 14. und 15.Februar laden wir hier in Berlinzum Fujitsu Government Dayein. Dort wollen wir dann mitEntscheidern aus Bund, Län-dern und Kommunen in einenDialog über die zukünftigen An-forderungen an die Verwaltun-gen durch die Digitalisierungtreten. Unser Public-Chef ausJapan wird neben Staatssekre-tär Klaus Vitt, dem CIO der Bun-desregierung, dort sprechen.Wir wollen auch einen Blick überdie Landesgrenzen hinaus wer-fen, um möglicherweise Analo-gien auch zwischen Japan undDeutschland herauszuarbeiten,denn beide Länder sind durchein föderales System geprägt,stehen aber auch beide vor denHerausforderungen der demo-grafischen Veränderung. Zu-dem planen wir, auf dem Go-vernment Day im Februar 2017eine von uns initiierte Zukunfts-studie des Münchener Kreisesvorzustellen, die Ausblicke aufeine vernetzte, intelligente Mobi-lität 2025+ geben wird.

Seite 35InformationstechnologieBehörden Spiegel / September 2016

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Wollen die Broker-Rolle übernehmenFujitsu will weltgrößte Open-Source-basierte Cloud-Infrastruktur anbieten

(BS) Das Unternehmen Fujitsu wird zukünftig strategisch auf drei Feldern am Markt unterwegs sein. Neben dem traditionellen Produktgeschäftwerden Cloud-Lösungen sowie digitale Anwendungen und Services weiter an Bedeutung gewinnen. Was das konkret für Kunden in Deutschlandbedeutet und wie man sich am Markt der Cloud-Anbieter positionieren möchte, war unter anderem Gegenstand eines Interviews des BehördenSpiegel mit Dr. Rolf Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung Deutschland, und Andreas Kleinknecht, Senior Director Sales Öffentliche Auf-traggeber. Das Gespräch führte R. Uwe. Proll in der neuen Hauptstadtrepräsentanz des Unternehmens am Pariser Platz in Berlin.

Ab Dezember wird der neue Fujitsu Cloud-ServiceK5 in Deutschland verfügbar sein. Die Cloud-Com-puting-Plattform soll eine nahtlose Integration tra-ditioneller IT-Umgebungen in neue, Cloud-basierteTechnologien ermöglichen. Als zentraler Bestandteil der Fujitsu Digital-Busi-

ness-Platform MetaArc soll K5 ein umfassendesSpektrum von Technologien bieten, mit denen Organisationen neue, Cloud-basierte Anwendungenentwickeln und bereitstellen können. Gleichzeitigsoll es K5 möglich machen, herkömmliche Installa-tionen nahtlos in neue Cloud-Anwendungen zu inte-grieren und weiterzubetreiben.

MetaArc erlaubt die schnelle Entwicklung von neu-en Anwendungen, um die Digitalisierung voranzu-treiben. Gleichzeitig sorgt sie für eine schnelle undeffektive Integration in neue Hybrid-IT-Umgebungen.Durch die offene Architektur von K5 und die Fähig-keiten von MetaArc können Workloads auf jeder ge-wählten Plattform ausgeführt und verwaltet werden.Der Schritt weg von proprietären Stacks hin zu einerOpen-Source-basierten Architektur für K5 soll außer-dem für hohe Kosteneffizienz und geringere Gesamt-betriebskosten sorgen. K5 wird es in vier verschie-denen Modellen geben – Public Cloud, Virtual Priva-te Hosted, Dedicated und Dedicated On-Premise.

Cloud-Service K5

“Deutschland als Unternehmensstandort tut uns gut!”

Andreas Kleinknecht ist seit November 2012 Senior Director Sales für den Be-reich Öffentliche Auftraggeber und Mitglied der Geschäftsleitung Fujitsu Tech-nology Solutions Deutschland.

Dr. Rolf Werner ist seit Januar 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung Deutsch-land und Head of Central Europe bei Fujitsu.

Fotos: BS/Lindemann