12.11.2009. Der Buchdruck und seine Konsequenzen 3

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12.11.2009

Der Buchdruck und seine Konsequenzen

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Auf Einladung des spanischen Kardinals Juan de Torquemada kamen die deutschen Drucker Conrad Sweynheym und Arnold Pannartz im Jahre 1463 oder 1464 nach Subiaco bei Rom.

Sie drucken dort Ciceros De Oratione (1465) und Epistolae familiares (1467).

Von 1468 bis 1473 brachten Schweinheim und Pannartz nicht weniger als 48 lateinische Klassiker heraus.

Zwischen 1470 und 1472 gab es in Italien bereits in sechzehn Städten Druckereien.

Bis 1479 kamen dreißig weitere hinzu.

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Die überwiegende Mehrheit der Buchdrucke war zunächst in lateinischer Sprache, doch auch die toskanischen Klassiker des Trecento waren praktisch vom Beginn an im Programm der italienischen Verlage.

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• Im Jahre 1472 brachten der Gutenberg-Schüler Johannes Numeister und Evangelista Angelini in Foligno die Divina Commedia heraus.

• In Neapel erschien 1477 ebenfalls eine Ausgabe von Dantes Hauptwerk sowie von Boccaccios Filocolo (1478).

• Bereits 1470 kam in Venedig eine Ausgabe von Petrarcas Sonetti e canzoni heraus.

• Alle Druckausgaben des Quattrocento zeigen allerdings deutliche Spuren der humanistischen Schreibtradition, so etwa die venezianische Petrarca-Ausgabe von 1470 sowie die neapolitanische Ausgabe von Dantes Divina Commedia aus dem Jahre 1477.

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1470-1600

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Editionen des 15. Jahrhunderts◦Mantua (1472), ◦Venedig (1472), ◦Neapel (1477; 1478-9), ◦Venedig (1477) ◦Mailand (1478)

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9http://www.italnet.nd.edu/Dante/images/tp1472/1472-inf1.jpeg

1472, Foligno: JOHANN NEUMEISTER

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Der gesamtitalienische Kontext der Dante-Rezeption zeigt sich an den Druckorten der Commedia: ◦Mantua (1472), ◦Venedig (1472), ◦Neapel (1477; 1478-9),

Venedig (1477) ◦Mailand (1478).◦ (…)

http://www.italnet.nd.edu/Dante/images/tp1502/NewberryAldine.inf1.150dpi.jpeg

Editionen des 16. Jahrhunderts 1502, Venedig: ALDUS MANUTIUS 1502, [Lyons]: BALTHAZAR DE GABIANO & BARTHELEMY TROTH 1506, Florenz: FILIPPO GIUNTI 1507, Venedig : BARTOLOMEO DI GIOVANNI DA PORTESE 1515, Venedig : ALDUS MANUTIUS AND ANDREA TORRESANI DI

ASOLA [1515], [Venedig]: [GREGORIO DE' GREGORIIS DA FORLI] 1512/1520, Venedig : BERNARDINO STAGNINO DA TRINO [1527/33], [Toscolano]: PAGANINO AND ALESSANDRO PAGANINI 1529, Venedig : JACOPO DA BORGOFRANCO FOR LUCANTONIO

GIUNTA 1536, Venedig : BERNARDINO STAGNINO FOR GIOVANNI GIOLITO 1544, Venedig : FRANCESCO MARCOLINI DA FORLI 1545, Venedig : AL SEGNO DELLA SPERANZA 1547, Lyon: JEAN DE TOURNES 1551/52/71/75 Lyon: GUILLAUME ROVILLE 1554: Venice: GIOVANNI ANTONIO MORANDO 1555, Venedig : GABRIELE GIOLITO DE' FERRARI 1564/1578/1596 Venedig : GIOVANNI BATTISTA & MELCHIOR

SESSA 1564, Venedig : FRANCESCO RAMPAZETTO 1568, Venedig : PIETRO DA FINO 1569/1578 Venedig : DOMENICO FARRI 1572, Florenz: BARTOLOMEO SERMARTELLI 1595, Florenz: DOMENICO MANZANI

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Ausschnitt aus der Dante-Ausgabe Aldo Manutios

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An der Entstehung einer standardisierten italienischen Schriftsprache zu Beginn des Cinquecento hatte der Druckereistandort Venedig einen entscheidenden Anteil.Dies ist nicht zuletzt das Verdienst zweier Gelehrter, die dort wirkten, und zwar der Verleger und Typograph Aldo Manuzio (1449 – 1515) sowie der humanistisch interessierte Kardinal Pietro Bembo.

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Aldo Manuzio ließ sich um 1490 in Venedig nieder und eröffnete dort 1494 eine Druckerei.

Ab 1501 wandte er sich verstärkt lateinischen und italienischen Klassikern zu.

So gab er zusammen mit Pietro Bembo Petrarcas Canzoniere heraus.

Im Jahre 1502 folgte eine Ausgabe von Dantes Divina Commedia, in der zum ersten Mal die Kursivschrift zum Einsatz kam, die sich an der damaligen Schreibschrift der Kanzleien orientierte.

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• Die bis dahin wichtigste Edition von Dantes Hauptwerk stammte von Cristoforo Landino, die allerdings starke Einflüsse des zeitgenössischen volgare zeigte.

• Bembo umging die korrumpierten Dante-Ausgaben des Quattrocento, indem er für seine Ausgabe der Divina Commedia ein Manuskript (Vat. lat. 3199) des 14. Jahrhundert heranzog, welches Boccaccio Petrarca geschenkt hatte und das in die Bibliothek von Pietro Bembos Vater, Bernardo Bembo, gelangt war.

• Pietro Bembo fertigte eine Abschrift (Vat. lat. 3197) an, welche Aldo Manuzio für seine Edition verwandte.

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Cristoforo Landino Pietro Bembo

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• Abgesehen von einigen lexikalischen Abweichungen (Ahi quanto vs. Et quanto; Tanto era amara, Tant’è amara), zeichnet sich die Ausgabe Bembos vor allem durch eine umfassende Interpunktion auf.

• Die Wortgrenzen werden bei Bembo mehr oder minder konsequent durch Apostroph markiert (ch'i u' ho vs. chío uho; m'hauea vs. mauea).

• Während Landinos Edition reich an Abkürzungen ist, erscheinen die Wörter bei Bembo in ihrer vollen Form (dũ colle vs. d'un colle; p ogní calle vs. per ogne calle).

• Landino bedient sich einer etymologisierten Graphie, Bembo hingegen bevorzugt ein weitgehend phonetisches Schriftsystem (obſcura vs. oſcura; diricta vs. diritta; tractar vs. trattar; cŏponcto vs. compunto; nocte vs. notte).

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• Die Ausgaben der toskanischen Klassiker des Trecento bilden den Ausgangspunkt des venezianischen Einflusses auf die Etablierung des alttoskanischen Sprachmodells als gesamtitalienischer Schriftsprache.

• Bembo begnügte sich nicht mit der Herausgabe alter Texte, sondern imitierte bewusst deren Sprache.

• Besondere Beachtung verdienen hierbei die zwischen 1497 und 1502 verfassten Asolani, die 1505 von Aldo Manuzio erstmals veröffentlicht worden sind.

• Es handelt sich um einen philosophischen Dialog über die platonische Liebe im Stile Boccaccios.

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• Bembos Anstrengungen auf dem Gebiet der Textkritik, der Textedition sowie der Dichtung ebneten dem Trecento-Modell den Weg.

• Bembos sprachliches und literarisches Reformprojekt gipfelte in den programmatischen Le prose della volgar lingua (1525), in denen Petrarca and Boccaccio als volkssprachliche Vorbilder für Dichtung und Prosa vorgeschlagen wurden, in Analogie zu Virgil und Cicero, die modellhaften Charakter für die humanistische Latinität besaßen.

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• Während Pietro Bembo dem literarischen Kanon des toskanischen Trecento auf gesamtitalienischer Ebene zum Durchbruch verhalf, hatte Aldo Manuzio hat eine Reihe von Neuerungen in das italienische und internationale Druckereiwesen eingeführt, die sich teilweise bis heute erhalten haben.

• Der wichtigste Beitrag zur modernen Schriftsprache bestand in der Systematisierung der Interpunktion.

• Er setzte Punkt, Komma, Semikolon, Apostroph und Akzente als allgemeinen Standard durch.

• In Pietro Bembos 1494 erschienenem lateinischem Werk De Aetna kam z.B. das Semikolon erstmals zum Einsatz.

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Lingua cortigianaFiorentino moderno

Die lingua cortigiana

Neben den Anhängern des mittelalterlichen und modernen Florentinischen bildeten die Vertreter einer höfischen Koine die dritte bedeutende Gruppe derer, die das volgare gegenüber dem Lateinischen bevorzugten.

Ihre sprachtheoretischen Ideen haben sie allerdings nur selten in systematischen Schriften hinterlassen.

So dienen vor allem die Traktate ihrer Gegner dem Sprachhistoriker Hauptquelle.

Die lingua cortigiana

Zu den namhaftesten Repräsentanten gehörte Vincenzo Colli (gest. 1508), genannt Calmeta.

Sein Traktat Della volgar lingua ist zwar verschollen, doch sind seine Gedanken indirekt bei Bembo und Castelvetro belegt.

Weitere Anhänger der Koine waren Equicola und Colocci.

Mario Equicola (1470-1525) stand zunächst in den Diensten Isabella d’Estes, dann Federico Gonzagas.

Zu seinen Werken gehören der lateinische Traktat De natura de amore (1525), eine Chronica di Mantua (1521) sowie die posthum erschienenen Istituzioni al comporre in ogni sorta di rima volgare (1541), in denen er Stellung zu sprachtheoretischen Fragestellungen bezieht.

Angelo Colocci (1474-1549) war Sekretär der Päpste Leo X. und Clemens VII. sowie Verfechter einer höfischen Koine. Seine Gedanken zur Sprache sind uns ebenfalls nur indirekt durch Pierio Valerianos Dialogo della volgar lingua überliefert.

1507-1508◦ Vincenzo Colli (alias Calmeta, 1460-1508) verteidigt in den

(verloren gegangenen) Libri della volgar lingua das Konzept der lingua cortigiana.

Ca. 1515◦Gian Giorgio Trissino

(1478-1550) entdeckt Dantes verschollenen Traktat De vulgari eloquentia und diskutiert darüber mit anderen Gelehrten in den Orti Oricellari zu Florenz.

1524◦ Gian Giorgio Trissino veröffentlicht seine Epistola de le lettere

nuovamente aggiunte ne la lingua italiana, in denen er für eine Orthographiereform plädiert.

◦ Zur Unterscheidung der Öffnungsgrade von e und o sowie der Stimmhaftig- und Stimmlosigkeit von z schlägt er die Verwendung griechischer Buchstaben bzw. diakritischer Zeichen vor.

Die Bezeichnung der Sprache

volgare fiorentino toscano italiano

…und die Grammatiken des Tre-Corone-Modells

1. Pers. Pl. Präs. Ind. 1. Pers. Sg. Imperf. Ind.

TRISSINO◦ honoriamo◦ leggemo◦ sentimo

FORTUNIO◦ amiamo / amemo◦ scrivemo / scriviamo

BEMBO◦ amiamo◦ valiamo◦ leggiamo◦ sentiamo

TRISSINO◦ honorava◦ leggeva◦ sentiva

FORTUNIO◦ amava◦ scriveva

BEMBO◦ amava◦ valeva◦ leggeva◦ sentiva

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Einflüsse◦ Donatus und Priscianus◦ Grundlage: lateinische

Terminologie◦ Terminologische

Innovationen◦ “passato di poco “◦ “passato di molto”◦ “soggiuntivo redditivo”

(= condizionale).

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Agnolo Firenzuola (1493-1543) weist die Vorschläge Trissinos in seiner Streitschrift Discacciamento de le nuove lettere, inutilmente aggiunte ne la lingua toscana zurück, während Giovanni Pierio Valeriano in seinem Dialogo della volgar lingua für Trissino Partei ergreift.

1528◦ Pietro Bembo gibt in

Venedig Baldassare Castigliones Libro del cortegiano heraus.

1529◦ Gian Giorgio Trissino veröffentlicht die sprachtheoretische

Schrift Il Castellano. ◦ In ihr werden sowohl die 1524 erschienene Epistola mit den

Reformvorschlägen als auch die Bezeichnung lingua italiana verteidigt.

◦ Trissino publiziert außerdem eine Grammatichetta, Dubbii grammaticali sowie seine italienische Übersetzung von Dantes De vulgari eloquentia.

1525◦ Lodovico Martelli (1503-1531) betont in seiner Risposta alla

Epistola del Trissino delle lettere nuovamente aggionte alla lingua volgar fiorentina den toskanischen bzw. florentinischen Charakter des Italienischen.

In seiner sprachtheoretischen Schrift Il Polito diskutiert Claudio Tolomei (1492-1555) unter dem Namen Adriano Franci die Orthographievorschläge Trissinos.

Mario Equicola di Alvito (1470-1525) veröffentlicht in lateinischer Sprache die literaturtheoretische Abhandlung De natura de amore.

Er spricht sich darin u.a. für die Theorie der lingua cortigiana aus.

Claudio Tolomei und Agnolo Firenzuola unternehmen den (erfolglosen) Versuch, in Rom einen Concilio della lingua einzuberufen.

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