18
12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 1 Medienwirkungsforschung Vorlesung im Modul 107 Vorlesung 4: Wirkungen als Einstellungsänderungen

Medienwirkungsforschung Vorlesung im Modul 107home.uni-leipzig.de/stiehler/images/download/powerpoint/WF04.pdf · 12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 1 Medienwirkungsforschung

Embed Size (px)

Citation preview

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 1

MedienwirkungsforschungVorlesung im Modul 107

Vorlesung 4:

Wirkungen als Einstellungsänderungen

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 2

Gliederung Vorlesung 3

1. Hovlands Rhetorik der Kommunikation

2. Konsistenztheorien: das Beispiel Festinger

3. Assimilations-Kontrast-Theorie

4. Zusammenfassung

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 3

0. Vorbemerkungen: das Einstellungskonzept

Einstellungen = subjektive Dispositionen zur Erklärung von Konstanz und Variabilität im Handeln

o Breite des Konzepts je nach „Zentralität“von Meinungen bis zur Werthaltungen einer Person

o umfasst die im (sozialen) Gedächtnis eines Individuums organisierten Erfahrungen und Gefühle

o systemisch organisiert

o hypothetisches Konstrukt: nicht direkt beobachtbar

o Komplexität: bestehend aus kognitiven, affektiven und behavioralen Komponenten

o Funktionalität: Wissens-, Anpassungs-, Abwehr-, Selbstdarstellungsfunktion

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 4

0. Vorbemerkungen: das Einstellungskonzept

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 5

1. Hovlands Rhetorik der (Medien-) Kommunikation

Carl I. Hovland (1912-1961): Yale-Studien nach WK II

o Anknüpfung an psychologische Lerntheorie: Lernen durch Belohnungo in Medienkommunikation (ohne direktes feedback): antizipierter

Anreiz bzw. antizipierte Belohnung (≠ Nutzen aus U & G)

o Stimulus (Medienbotschaft) ist Schlüsselelement im Kommunikationsprozess, muss einen Anreiz zur Akzeptanz durch Rezipienten haben

o systematische Variation der Elemente des Kommunikationsprozesses in Laborexperimenteno „Puzzle“ an (experimentell isolierten) Wirkungsfaktoren (vs.

Komplexität des Lebens „da draussen“)

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 6

1. Hovlands Rhetorik der (Medien-) Kommunikation (Schema)

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 7

1. Hovlands Rhetorik der (Medien-) Kommunikation

ausgewählte Befunde

o Botschaft: einseitige vs. zweiseitige Argumentation

o beide Vorgehensweisen gleich effektiv

o unterschiedliche Wirkung je nach Voreinstellung

o kritische Position: beidseitige Argumentation

o affirmative Position: einseitige Argumentation

o Bildungseffekte

o zweiseitige Argumentation immunisierend

o McGuire: Inokulationstheorie

o Botschaft: Anordnung der Argumente (primacy-recency)

o keine eindeutigen Befunde

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 8

1. Hovlands Rhetorik der (Medien-) Kommunikation

ausgewählte Befunde

o Kommunikator: Glaubwürdigkeit

o Recall (Lernleistung) gleich gut

o unterschiedliche Wirkung je nach Glaubwürdigkeit

o glaubwürdige Quellen: grösserer Einstellungswandel

o unglaubwürdige Quellen: kaum/geringer Einstellungswandel

o Diskrepanzeffekt

o Sleeper-Effekt: Glaubwürdigkeiteffekt verschwindet

o „Wirkungsverfall“ von Quelle und Botschaft unterschiedlich

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 9

1. Hovlands Rhetorik der (Medien-) Kommunikation

Fazit

o erste systematische Untersuchungen zur Persuasion

o statt „Puzzle“ ein „Flickenteppich“

o zeitbedingte Ergebnisse

o Theoriedefizit

o Isolation von Schlüsselvariablen statt Erklärung des Zustandekommens von Effekten

o Lücke: Informationsverarbeitung

o Laborzentrismus (vs. Feldstudien): Künstlichkeit, Erzwingen von Rezeption, Artefakte-Gefahr

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 10

2. Konsistenztheorien: Leon Festinger (1919-1989)

Grundgedanken

o Menschen tendieren zu „Harmonie“ in ihren Einstellungen bzw. Einstellungssystemen

o (wahrgenommene) Widersprüche werden als unangenehm empfunden

o Gestaltpsychologie: Tendenz zur „guten“ Gestalt

o Theorie der kognitiven Dissonanz

o kognitive Elemente (Einstellungen zu Objekten, Verhaltensweisen usw.)

o stehen in (empfundener) Nichtübereinstimmung oder in Gefahr antizipierter Nichtübereinstimmung

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 11

2. Konsistenztheorien: Leon Festinger

o Lösungsmöglichkeiten

o Änderung von kognitiven Elementen in Richtung auf Konsonanz (mit den am meisten veränderungsresistenten Elementen)

o Vermehrung von Zahl und Stärke an konsonanten Elementen

o Verringerung der Bedeutung dissonanter Elemente

o Bedeutung für Medienwirkungsforschung: selective exposure

o Suche nach stützenden Informationen

o Vermeidung von nicht-stützender Informationen

o Verarbeitung von dissonanten Informationen

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 12

2. Konsistenztheorien: Leon Festinger

o Forschungsfelder

o Informationssuche nach Entscheidungen

o Erzwungene Einwilligung (forced compliance)

o Selektivität der Mediennutzung (Donsbach 1991)

o selektive Zuwendung bei positiven Informationen

o fehlende Selektion bei negativen Informationeno Rationalität der Kenntnis diskrepanter Informationen

o formale Aspekte oft entscheidender als Konsonanz

o starke Leser-Blatt-Bindung überwindet selektive Zuwendung

o Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften (z.B. Dogmatismus)

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 13

2. Konsistenztheorien: Leon Festinger

o Kritik

o wichtiger Ideengeber für Medienwirkungsforschung (Erklärung von Selektion in Nutzung, Rezeption, Erinnerung) und von verschiedenen Alltagsphänomenen (Über-Rechtfertigung)

o Idee des Widerspruchs und dessen Lösung

o Dissonanzvermeidung ist einer von vielen Einflussfaktoren

o Suche nach neuen Informationen unerklärt

o Neugier-/Komplexitätstheorien

o Personen gehen unterschiedlich mit Dissonanz um (Neugierde, Selbstbewusstsein)

o Theorie ist im Detail veraltet bzw. hat Produktivität verloren

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 14

3. Assimilations-Kontrast-Theorie

Ausgangspunkt: widersprüchliche Befunde zum Diskrepanz-Phänomen

o Lerntheorie: maximale Diskrepanz (bei glaubwürdigem Kommunikator) führt zu grössten Einstellungsänderungen

o Dissonanztheorie: dito, aber nicht immer führt max. Dissonanz zu Einstellungsänderungen – Abwertung der Quelle, Bummerangeffekt

o Hovland/Sherif: Theorie des Sozialen Urteilen (bzw. A-K)o eigene Einstellung ist ein „Anker“, mittels dessen andere Positionen beurteilt

werdeno Existenz von Akzeptanz-/Ablehnungsbereichen, variierend nach Ich-Beteiligung

o im Akzeptanzbereich: Assimilation

o im Ablehnungsbereich: Kontrastierung

→ Wirkungen bei „optimale Diskrepanz“ (mittlerer Größe, aber im Akzeptanzbereich), sonst kein oder Bummerangeffekt

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 15

3. Assimilations-Kontrast-Theorie

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 16

3. Assimilations-Kontrast-Theorie

Fazit

o integratives Modell, sehr plausible Lösung von widersprüchlichen empirischen Befundeno Einführung neuer Variablen: Wahrnehmungsbereiche, Ich-

Beteiligung

o schwierige empirische Prüfung, „irgendwann“ nicht mehr verfolgt

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 17

4. Zusammenfassung: Verstärkerthese (Klapper)

1. Massenkommunikation ist normalerweise keine notwenige und auch keine hinreichende Ursache für Wirkungen im Sinne von Einstellungsänderungen, sondern wirkt über mediatisierende Faktoren (wie Prädispositionen, Normen der Bezugsgruppen, interpersonale Netzwerke).

2. Die mediatisierenden Faktoren sind derart, dass sie die medienvermittelte Kommunikation zu einem Helfer, nicht aber zur alleinigen Ursache im Prozess der Verstärkung bestehender Einstellungen machen.

3. Massenkommunikation hat trotz zu Einstellungsänderungen führen, aber nur, wenn a) die mediatisierenden Faktoren unwirksam sind, oder b) die mediatisierenden Faktoren selbst den Wandel unterstützen.

12.11.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 18

Übungsfragen

1. Hovlands Ansatz ist lerntheoretischer Natur. Wo liegen die Grenzen dieses Herangehens?

2. Welche Bedeutung hat die Theorie der kognitiven Dissonanz (die aus der Sozialpsychologie stammt), für die Medienwirkungsforschung?

3. Haben die Thesen von Joseph T. Klapper aus den 60er Jahren noch Akutalität für heute Forschungen zu Medienwirkungen? Wann ja: Worin liegt sie? Wenn nein: Warum nicht?