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Artículo Miguel Caballero

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6 Samstag, 4. August 2007W E L T P O L I T I K

Neue Ideen für die CSUGabriele Pauli gewinnt an Unterstützung in Bayern – Seehofer verliert Anhänger

MÜNCHEN (SN). Zuerst brachte dieFürther Landrätin Gabriele Pauliden bayerischen Ministerpräsiden-ten Edmund Stoiber Anfang 2007zu Fall. Danach posierte sie lasziv inLatexhandschuhen für ein Magazin.Aus der „Zerstoiberin“ wurde die„Domina vom Landratsamt“.

Nun möchte sie CSU-Vorsitzen-de werden. Vor rund drei Wochengab Pauli bekannt, Ende Septemberfür den CSU-Vorsitz kandidierenzu wollen. Laut einer kurz daraufdurchgeführten Forsa-Umfragehielt eine Mehrheit der Bayern ih-ren Schritt für richtig. Rund einfünftel gab damals an, Pauli unter-stützen zu wollen.

Nach den Ergebnissen der neues-ten Forsa-Umfrage von Ende Juliziehen 24 Prozent der Bayern Pauliihren beiden männlichen Mitbe-

werbern Erwin Huber und HorstSeehofer vor. Seehofer, der deut-scher Agrarminister ist, machte inden vergangenen Wochen mit Be-richten über eine Geliebte und sei-ne uneheliche Tochter Schlagzei-len, was ihn vor allem die Zustim-

mung weiblicher Anhänger kostete.Pauli hingegen gewinnt an Sympa-thie, vor allem unter den bayeri-schen Frauen. 27 Prozent wollen sieals CSU-Chefin.

Brisant ist, dass Pauli sich offenfür die Lebensführung Seehofersausspricht. Sein Weg sei mutig, under lebe, was er für richtig halte, sagtePauli vor einigen Tagen.

Die Kommunalpolitikerin siehtsich als Kämpferin für eine Öff-nung der CSU. Das bedeutet etwaeine stärkere Einbeziehung der Par-teibasis, aber auch neue Ideen. Da-bei stellt sie traditionell-konservati-ve Werte in Frage. Bei den CSU-Frauen kommt das bisher nicht be-sonders gut an. Pauli ist sich abersicher, dass auch diese bald erken-nen, was ihre Kandidatur für diebayerischen Frauen bedeutet.

Gabriele Pauli: Ambitioniert. Bild: SN/EPA

Russland bekommtweiteren GeheimdienstMOSKAU (SN, AFP). Der russische Prä-sident Wladimir Putin unterzeichneteam Freitag in Moskau eine Verordnungzur Gründung eines weiteren Geheim-diensts. Dieser ist der Generalstaatsan-waltschaft unterstellt und erhält einenLeiter, zwölf Stellvertreter sowie mehrals 16.000 Mitarbeiter.

Atomabkommen Indiensund der USA veröffentlichtDELHI (SN, AFP). Die USA und Indiengaben am Freitag den Inhalt ihresAtomabkommens bekannt. Es berech-tigt Indien zur Nutzung von Nuklear-technologie. US-Präsident Bush undder indische Ministerpräsident Singhhatten sich bereits vor zwei Jahren da-rauf geeinigt. 1974 hatten die USA einEmbargo wegen eines Atombomben-tests gegen Indien verhängt.

Abhöraktionen der USAteilweise illegalWASHINGTON (SN, Reuters). Lautjüngsten Angaben der „WashingtonPost“ hat ein US-Gericht einen Teil desSpionageprogramms der US-Regierungverboten. Mit dem Abhören von Kom-munikationsverbindungen, die ausdemAusland über die USA laufen, habedie Regierung von Präsident Bush ihreKompetenzen überschritten, hieß es.

Taliban stellen SüdkoreaGeisel-BedingungenKABUL, SEOUL (SN, dpa). Die radikalenTaliban haben der Regierung in SeoulBedingungen für ein bilaterales Treffengestellt. Verhandlungen über die Frei-lassung der 21 südkoreanischen Gei-seln seien nur auf Talibangebiet mög-lich, hieß es am Freitag. Seoul setzt aufein Treffen von US-Präsident Bush undseinem afghanischen Kollegen Karzai.

WELT kompakt

KLAUS EHRINGFELD

BOGOTÁ (SN). Wenn Gonzalo Guillénseine Wohnung im Norden vonBogotá verlässt, zieht er immer diegleiche Jacke an. Egal, ob es wie ausKübeln schüttet in der kolumbiani-schen Hauptstadt oder gerade dieSonne scheint, der 52-Jährige streiftseine dunkelbraune Wildlederjackeüber. Guillén ist Korrespondent derUS-Tageszeitung „Miami Herald“und das modische Kleidungsstückso etwas wie seine Lebensversiche-rung. Seit der Reporter über die Ver-bindungen der Regierung vonStaatschef Álvaro Uribe zu den ult-rarechten Paramilitärs schreibt, er-hält er anonyme Morddrohungen.„Aber in der Jacke fühle ich mich si-cher.“ Guilléns Leben schützt eineleichte und biegsame Einlage ausNylon, Aramid und Polyethylen, dieunsichtbar in das Futter eingearbei-tet ist. In der Lederjacke würde erein Attentat mit einer Maschinen-pistole überleben.

Ein Schuss aus wenigenZentimetern Entfernung

Ein paar Kilometer weiter südlichim Geschäftsviertel Chapineroschiebt Miguel Caballero in seinerSchneiderwerkstatt grinsend einePatrone in einen Revolver Kaliber38. Vor ihm steht ein Mitarbeiteraus der Finanzabteilung seines Un-ternehmens und trägt ein schwar-zes Exemplar der Lederjacke, dieReporter Guillén besitzt. Der Buch-halter ist etwas bleich um die Nase.

Caballero und der Mitarbeiter set-zen sich dicke Ohrenschützer auf.Dann richtet der Chef den Revolverin rund fünf Zentimeter Entfer-nung auf den Bauch des Mitarbei-ters und zählt laut bis drei: „Uno,dos, tres . . .“ Ein gewaltiger Knall,dann steigt Rauch aus dem Ein-schussloch der versengten Jacke,doch dem Buchhalter geht es bes-tens: „Ich habe kaum einen Schlagverspürt“, sagt er und schon reißtihm sein Chef die Jacke auf, zerrtdas T-Shirt hoch und entblößt denunversehrten Bauch des Mitarbei-ters. Caballero greift zur Pinzetteund wühlt in den Untiefen von Pan-zerung und Stoff. Nach einer hal-ben Minute fischt er ein heißes zu-

Schussfestes Dirndl aus KolumbienKolumbien ist vomBürgerkrieg geplagt. Mordund Terror waren der Anlassfür eine brillante Geschäfts-idee: Schusssichere HauteCouture.

sammengedrücktes Stück Blei he-raus, etwa einen Zentimeter groß.

Caballero, klein und kräftig, liebtdie Selbstinszenierung. SeineSchussproben sind in seinem Un-ternehmen Einstellungsvorausset-zung. „Jeder, der neu bei mir an-fängt, muss da durch“, sagt der 39-Jährige. Sein Geschäft mit derschusssicheren Couture boomt.„Ich komme kaum nach mit derProduktion, und schauen Sie sichum, alles viel zu eng hier“, klagt ermit einem Lächeln, dreht sich imKreis und zeigt auf mehrere Dut-zend Näher und Näherinnen inblauen Kitteln, die unter Neonröh-ren und dicht gedrängt an Klei-dungsstücken schneidern: Von derschussfesten Polizeiweste bis zumgepanzerten Designeranzug, vonder kugelresistenten Krawatte biszur schusssicheren Soutane.

Der Schneider von Kolumbienverbindet unauffällige Sicherheitmit modischem Chic und ist mitder genialen Geschäftsidee auf dem

Weg nach oben. Mit vier Angestell-ten und zehn von seiner Mutter ge-pumpten Dollar fing er vor 15 Jah-ren an. Im ersten Jahr setzte er17.000 Dollar um. Heute arbeiten inseinem Unternehmen 130 Näher,Designer, Verkäufer, Waffenexper-ten, und der Umsatz liegt bei fünfMillionen Dollar. „Dieses Jahr pei-len wir sieben Millionen an.“

Schwere Schutzwestenlangsam abgespeckt

Der Einfall kam ihm an der Univer-sität. Die Leibwächter einer Kommi-litonin trugen keine kugelsicherenWesten, weil sie zu schwer und zuunbequem waren. Caballero nahmsich eine Weste vor, tüftelte, schich-tete die Stoffe um und rüstete dieschützenden Kleidungsstücke im-mer weiter ab. Über die Jahreschaffte er es, herkömmlicheSchutzwesten von fünf Kilo aufrund ein Kilo abzuspecken.

Und die Formel für die Panze-

rung? „Glauben Sie, Coca-Cola ver-rät sein genaues Rezept“, sagt er wieaus der Pistole geschossen. Nur soviel gibt Caballero preis: Alle sechsMonate muss er aufs Neue über diegenaue Anordnung von Nylon, Ara-mid und Polyethylen nachdenken.„Es werden so schnell so viele Waf-fen entwickelt.“ Deswegen gibt erauch nur zwei Jahre Garantie aufdie Panzerung seiner Kleidungsstü-cke. Insgesamt 300 verschiedeneProdukte hat der Schneider im An-gebot. Mode von der Stange gibt esvon 300 bis 3000 Dollar, Sonderan-fertigungen kosten extra.

Der Markt für Hochsicherheits-mode wächst rasant. Am Anfangwaren es vor allem Polizisten undSicherheitsbeamte, die bei Caballe-ro kauften. Heute rüstet er rund umden Globus Prominenz aus Politik,Adel und Showgeschäft aus. Holly-wood-Schauspieler kaufen bei ihmebenso ein wie viele Staatsober-häupter aus Lateinamerika. Kolum-biens Präsident schwört für seine

öffentlichen Auftritte auf ein weißesTropenhemd aus Caballeros Fabri-kation. Und Venezuelas StaatschefHugo Chávez hat in Bogotá gleich50 Kleidungsstücke anfertigen las-sen. Darunter auch ein schussfestesleuchtend rotes Hemd, in dem erseine Reden und Fernsehauftrittebestreitet. Auch Spaniens Thronfol-ger Felipe und seine Gattin Letiziaschwören auf tragbare Sicherheitmade in Colombia.

Caballeros Kreativabteilung bas-telt ständig an neuen Ideen oder derUmsetzung der absurdesten Wün-sche: Kugelsichere Kimonos, ge-panzerte Bettdecken, geschütztesOutfit für Rap-Musiker – nichtsscheint unmöglich. Im Herbst gibtes die erste Modeschau in Deutsch-land. Spätestens dann soll dasschussfeste Dirndl fertig sein.

Briefe aus dem„Klub der Überlebenden“

Man muss vermutlich Kolumbianersein, um auf die Idee von gepanzer-ter Alltagskleidung zu kommen.„Wir sind mit Gewalt, Krieg, Todund Entführung groß geworden“,erzählt der 39-jährige Caballero, derfast so alt ist wie der absurde Bür-gerkrieg in seinem Land zwischenGuerilla, Staat und Todesschwadro-nen, der inzwischen von der Orga-nisierten Kriminalität der Rausch-giftkartelle überlagert wird. Jährlichwerden Tausende Menschen ent-führt, ermordet, bedroht und brau-chen Schutz.

Doch Lateinamerika ist demSchneider längst zu klein gewor-den. „Russland, Indien und der Na-he Osten“, sagt er, „da liegen diewahren Wachstumsmärkte.“

Das florierende Geschäft zeigt,wie groß das Bedürfnis nach per-sönlichem Schutz geworden ist inzunehmend gewaltsameren Gesell-schaften, die von sozialen Ungleich-heiten, politischen Krisen und demEinsickern der Organisierten Kri-minalität geprägt sind. Caballeroweiß, dass er mit der Angst Geldverdient: „Wir sind aber nicht dasProblem, wir sind die Lösung.“

In einem dicken Ordner bewahrtMiguel Caballero das auf, was erden „Klub der Überlebenden“nennt. Eine Sammlung zumeisthandgeschriebener Danksagungenvon Polizisten, Sicherheitskräftenoder von Soldaten wie Álvaro Villa-mizal. In bemühter Schrift erzählter auf anderthalb Seiten von einemGefecht mit der kolumbianischenLinksguerilla FARC im Urwald undeinem Schuss in den Rücken. „Ichkam mit dem Leben davon, dankGott und Ihrer Weste.“

Miguel Caballero präsentiert seine schusssichere Mode – inklusive einer schützenden Krawatte. Bild: SN/EHRINGFELD

Die Jacken schauen leicht und locker aus und doch halten sie Kugeln aus Revolvernund Maschinenpistolen auf. Bild: SN/EHRINGFELD

Hugo Chavez, Venezuelas Präsident,liebt seine Schutzwesten rot. Bild: SN/AP