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Technische Universität München

Diabetische Ketoazidose

Dr. med. Katharina Warncke

Fortbildungskurs der DDG München 2012/2013

Schwerpunkt Pädiatrie

21.Februar 2013

Übersicht

• Definition

• Epidemiologie, Risikofaktoren

• Pathophysiologie

• Klinik

• Therapie

• Komplikationen: Hirnödem

• Prävention, Vermeidungsstrategien

Definition

ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines

Pediatric Diabetes 2009

• Hyperglykämie (Glucose > 200 mg/dl)

• pH <7,3 oder HCO3- <15 mmol/l

• Acetonurie und Acetonämie

• Mild (pH < 7,3, HCO3- <15 mmol/l)

• Moderat (pH < 7,2, HCO3- <10 mmol/l)

• Schwer ( pH < 7,1, HCO3- <5 mmol/l)

Einteilung nach Schweregrad

Epidemiologie/ DKA bei Manifestation

pH≤7.1

pH≤7.3

Prävalenz der DKA bei

Diagnose

gleichbleibend hoch,

ca. 20%

Karges et al. Klin Päd 2011

pH≤7.1

pH≤7.3 Höchstes Risiko für

Kleinkinder

und Jugendliche

DKA bei Manifestation

Bei „gescreenten“ Kindern:

• TEDDY Studie 13.9% < 5 Jahren mit DKA

• BABYDIAB/ Münchner Familienstudie 3.3% mit DKA Larsson et al. Diabetes Care 2011

Winkler et al. Ped. Diabetes 2011

Prävalenz der DKA nach Manifestation

Fritsch et al. Ped Diab 2011

DPV-Wiss Analyse

• Insgesamt 28.770 Patienten < 20 Jahren

• DKA nur bei Patienten, die nicht neu manifestiert sind,

analysiert

• 4.9% eine DKA/ Jahr; 1% mehrere DKA/ Jahr

Pathophysiologie

Wolfsdorf et al.

Diabetes Care 2006; 29: 1150-1159 FFA free fatty acids

Klinik

• Auftreten bei neu diagnostizierten Patienten, sowie

bei „Therapiefehlern“, Alkoholkonsum, erhöhtem

Insulinbedarf (Infekte)

• „klassische Symptomatik“: Polyurie, Polydipsie,

Gewichtsverlust, schlechter Allgemeinzustand,

Kussmaul-Atmung

• Differenzialdiagnose bei:

Bauchschmerzen, V.a. Appendizitis, HWI,

akuter Infekt mit Erbrechen, Anorexie, Windelsoor…

• Dran denken! Blutzuckerbestimmung/ Urin-Stix einfach

und kostengünstig!

Akute Therapie/ 4 Therapiesäulen

Flüssigkeit

Insulin

Elektrolyte

Beendigung der

Dehydratation Beendigung der

Ketonproduktion Ersatz der

Elektrolyte

Blutzucker-

Senkung

Langsam senken

CAVE: Laborfallstricke!

Serum-Natrium falsch niedrig, Serum-Kreatinin falsch hoch!

„Faustregel“:

korrigiertes Serum-Na2+ =

gemessenes Na2+ + 2x[(Blutglucose in mg/dl-100)/100]

Hürter et al. Springer Verlag 2007

Flüssigkeitsmanagement

• Erste Stunde:

Isotone Lösung (NaCl 0,9%) 10ml/kg/h

• Bei Bedarf Schockbehandlung

• > 50 ml/kg in den ersten 4 Stunden erhöhen

das Hirnödem-Risiko

• Bei Glucose < 250 mg/dl: halb isotone Lösung mit Glucose 5%

und Elektrolyten

• Ausgleich über insgesamt 48 h (1,5-2-facher Tagesbedarf)

ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines

Pediatric Diabetes 2009

i.v. Insulinmischung: 0,5 IE pro kg ad 50 ml NaCl 0,9% → 10 ml/h entspricht 0,1 IE/ kg/ h

Insulinsubstitution

• Beginn immer mit Volumentherapie (Infusion)

• 0.05-0.1 IE Insulin pro kg Körpergewicht (KEIN BOLUS)

• Gewünschter BZ-Abfall 50-80 mg/dl pro Stunde

• Bei zu schnellem Abfall Insulinzufuhr halbieren

• Umstellung auf s.c. Insulin erst bei normalem pH-Wert

ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines

Pediatric Diabetes 2009

Elektrolytsubstitution Kalium

• Bei DKA immer Kalium Defizit

• Bei normalem Serum-Kalium nach dem Volumenbolus

• Beginn mit (20-) 40 mmol KCl 7.45% pro l Infusionslösung

• Bedarf 3-6 mmol/ kg/ 24 h

Phosphat

• Studien zeigen keinen Benefit einer generellen Substitution

• Folgen der Hypophosphatämie: Muskelschwäche, eingeschränkte kardiale Kontraktilität

• Substitution bei ausgeprägter Hypophosphatämie

ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines

Pediatric Diabetes 2009

Natriumbikarbonat???

• Kontrollierte Studien zeigen keinen Benefit

• erwägen bei pH <6,9, verminderter kardialer Kontraktilität,

lebensbedrohlicher Hyperkaliämie

• Falls doch Bikarbonat-Gabe:

1-2 mmol/kg, verdünnt, über 60 Minuten

• Therapie-Komplikationen:

rasche Korrektur der Azidose

Hypokaliämie

Steigerung der Osmolalität

Hirnödem

ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines

Pediatric Diabetes 2009

Hirnödem

• Komplikation bei 0,5-1% aller DKAs1; Mortalität 21-24%

KLINIK:

• Kopfschmerzen

• Bradykardie

• Bewusstseinstrübung

• RR-Anstieg

• Temperaturanstieg

• SaO2-Abfälle

Glaser et al. NEJM 2001, Vol. 344 (4): 264-69

• Junges Alter

• Diabetes-Neumanifestation

• Längere Dauer der Symptome

• Schwere Azidose

• Niedriger pCO2

• Erhöhter Serum-Harnstoff

• Behandlung mit Natrium-Bikarbonat

• Zu hohe Flüssigkeitszufuhr in den ersten 4 Stunden

• Insulingabe in der ersten Stunde

Hirnödem: Risikofaktoren

Glaser et al. NEJM 2001, Vol. 344 (4): 264-69

Edge et al. Diabetologia 2006, 49: 2002-09

• Klinisch auffälliges Hirnödem bei ca. 1% aller Diabetischen Ketoazidosen

• „subtiles Hirnödem“ (MRT Veränderungen) bei ca. 50% aller DKA

• besteht häufig bei Diagnosestellung; Verschlechterung unter Therapie

Glaser et al. Ped. Diabetes 2009

• gängige Hypothese: schnelle osmotische Veränderungen führen

zur Zellschwellung und Ausbildung des Hirnödems

Entstehung des Hirnödems

Entsteht das Hirnödem durch die Therapie der DKA?

• 5-20% aller Hirnödeme bei DKA werden VOR Therapie diagnostiziert

Lawremce et al. J Pediatr 2005

Glaser et al. NEJM 2001

• Entstehung kann nicht alleine durch die Therapie erklärt werden

• Risikofaktoren:

Initial niedriger pCO2 Wert

Erhöhte Harnstoffwerte

Schwere der Azidose

Zu hohe Flüssigkeitsmengen

Insulinzufuhr in der ersten Stunde

Bikarbonat-Gaben

ABER:

Analysen wurden nicht bezüglich Schweregrad (Dehydratation) adjustiert

Nach Adjustierung nur höhere Harnstoff / niedrige pCO2 Werte maßgeblich

• Hirnödem ist ein gängiges Phänomen unterschiedlicher Schwergrade

Gegebene Voraussetzungen

Therapieelemente

Entstehung des Hirnödems

Entstehung des Hirnödems

Yuen et al. Diabetes 2008

Intraperitoneale Gabe von Streptozotocin

→ diabetische Ketoazidose

Katheter Anlage in V. und A. femoralis

Intubation

MRT Untersuchungen von Ratten mit DKA und Kontrollen

(perfusion-weighted imaging; Diffusionskoeffizienten ADC –

Apparent Diffusions Coeffizient)

• MR-DWI – Maß für die Diffusion von Wasser

• kann als ADC (Diffusionskoeffizient) dargestellt werden

Gass A. J Neurol Sci. 2001

Neumann-Haefelin T. Stroke 2000

Zytotoxisches Ödem

Intrazellulärraum durch Zellschwellung vergrößert

Ursache: Hypoxie/ Ischämie; Na/K ATPase vermindert

Depolarisation der Zelle, da Natrium intrazellulär ↑ und Kalium intrazellulär↓

Chlorid Einstrom und Zellschwellung

Wassermoleküle diffundieren weniger frei → ↓ ADC

Vasogenes Ödem

Gesteigerte Permeabilität der Hirnkapillaren

Kapilläre Filtraion von Proteinen, ziehen Wasser mit

Zunahme des interstitiellen Raums → ↑ ADC

Entstehung des Hirnödems

Yuen et al. Diabetes 2008

controls

DKA rats

Zerebraler Blutfluss

Zerebraler Blutfluss in Abhängigkeit vom pCO2

Yuen et al.Diabetes 2008

Dehydratation UND Hypokapnie führen zur Verminderung des zerebralen

Blutflusses und zur Hirnschädigung

Effekt von Insulin- und Kochsalzinfusion

Baseline

60 minutes

120 minutes

Yuen et al. Diabetes 2008

Glaser et al. J Pediatr. 2008

Untersuchungsgruppe: 26 Patienten < 18 Jahre, DKA (pH < 7.25)

Untersuchungen: MRT-Untersuchungen zu Beginn während der Therapie

und nach Beendigung der DKA; v.a. ADC (Diffusionskoeffizient)

Hypothese: während der Therapie der DKA ist ADC (Diffusionskoeff.)

erhöht; Indikator für vermehrte extrazelluläre Flüssigkeit und erhöhte

zerebrale Perfusion

→ zytotoxisches Ödem bei unbehandelter DKA durch zerebrale

Minderperfusion, danach vasogenes Hirnödem

Mittlere ADC-Werte waren signifikant höher während der DKA-Behandlung im

Vergleich zu ADC-Werten nach Behandlung (8.13 ± 0.47 vs. 7.74 ±0.49 x

10 -4 mm2/sec; p< 0.001)

→Vorliegen eines vasogenen Hirnödems während der Behandlung

Hypothetisches Modell zur Entstehung der

cerebralen Schädigung bei DKA

→ Das Hirnödem VOR Therapie ist zytotoxisch und durch den

reduzierten zerebralen Blutfluss und die Hypokapnie bedingt

Glaser et al. Ped. Diabetes 2009

• Aufnahme auf die Intensivstation

• Reduktion der Flüssigkeitszufuhr um 1/3

• Mannit 0,5-1 g/kg i.v., ggf. hypertone Kochsalzlösung

• Kopf hoch lagern

• Ggf. Intubation und Hyperventilation

• Bildgebung bei stabilem Zustand

Hirnödem: Therapie

ISPAD Clinical Practice Consensus Guidelines

Pediatric Diabetes 2009

Prävention: Allgemeinbevölkerung

„Parma Trial“

• Große Aufklärungskampagne an Schulen über Symptome

von Typ 1 Diabetes; Auswertung 8 Jahre nach Beginn

Vanelli et al. Diabetes Care 1999

Prävention bei bekannten Patienten

• Bei JEDER Ketoazidose Ursachenforschung

• Schulen, Schulen, Schulen

• Viele Patienten verdrängen Möglichkeit

der DKA!!!

→ immer wieder nachfragen!

• Bei rezidivierenden DKAs ggf. psychologische Unterstützung

• Längerfristige stationäre Betreuung/ Diabetes-Internat?

Zusammenfassung

• Prävalenz der DKA bei Manifestation sehr hoch, v.a. bei Kleinkindern

• Wichtigste Therapieprinzipien: Flüssigkeit, Insulin, Elektrolyte, langsame Korrektur der Hyperglykämie

• WICHTIG: einfaches klinik-internes Therapie-Schema;

regelmäßige klinische Kontrollen

• DKA ist IMMER ein Notfall

• Gefährlichste Komplikation: Hirnödem

• Prävention: wiederholte Schulung

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

und noch eine

gute Zeit in München!

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