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Gregor Schönborn (Hrsg.) / Dagmar Wiebusch
Public Affairs Agenda Politikkommunikation als Erfolgsfaktor
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Gregor Schönborn (Hrsg.) / Dagmar Wiebusch
Public Affairs Agenda
Politikkommunikation als Erfolgsfaktor
Herausgegeben von Gregor Schönborn, CEO ECC
Kohtes Klewes und Dagmar Wiebusch, ECC Public Affairs
unter Mitwirkung von Dr. Dirk Manthey, Anke Lehmann,
Stefan von der Heiden, Florian Eisele, Detlev Samland,
Cornelius Winter und Tobias Cottmann
3
Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung: Public Affairs: Unentbehrliche Managementtechnik für den Erfolg I. Public Affairs als Teil der Unternehmenskommunikation 1. Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft 2. Wissen und Politik: Das politische System und der Fluss der Informationen 3. Managementaufgabe Kommunikation: Public Affairs als strategischer
Erfolgsfaktor II. Begriffe und Definitionen 1. Was ist Public Affairs? Eine Disziplin wirft Fragen auf 2. Public Affairs und Public Relations: Partner für den Erfolg 3. Public Affairs ist mehr als Lobbying: Klärung der Begriffe 4. Public Affairs: Dach für strategische Kommunikation III. Rahmenbedingungen von Public Affairs 1. Die Wahlen fest im Blick: Legitimations- und Entscheidungsstrukturen der Politik 2. Berlin ist nicht Bonn: Deutschlands gewandelte Politiklandschaft 3. Gestaltungsmacht organisierter Interessen: Verbände im Wandel 4. Public Affairs-Agenturen: Ein neuer Markt entsteht 5. Das 1x1 der Gesetzgebung: Rüstzeug für den politischen Alltag IV. Interessenvertretung in der Europäischen Union 1. Brüssel: Public Affairs-Hauptstadt in Europa 2. Rüstzeug für Brüssel: EU-Institutionen im Überblick 3. Ansatz zur Freiheit: Freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie V. Public Affairs in der Praxis 1. Das Handwerkszeug: Die Grundlegenden PA-Instrumente 2. Politik als Lehrmeister: Ohne Kampagnen kommt auch die Wirtschaft nicht mehr
aus 3. Wirtschaft als Lehrmeister: Politik kommt ohne Werbung nicht mehr aus 4. Technologischer Wandel: Das Internet als Instrument für politische
Kommunikation VI. Fallbeispiele 1. Stop The Clock: Der Feldzug für die Flatrate 2. E-mission-55: Business For Climate
4
VII. Anhang 1. Literaturverzeichnis 2. Internet-Ressourcen 3. Abbildungen
5
Vorwort
6
Vorwort
#Text fehlt; Autor: Schönborn#
7
Einleitung
#Motto#
Ein Geheimnis des Erfolgs ist es,
den Standpunkt des Anderen zu verstehen.
Henry Ford, Unternehmer
#Ende Motto#
Public Affairs: Unentbehrliche Managementtechnik für den Erfolg
Von Dagmar Wiebusch
Was in Deutschland oft fälschlicherweise mit Lobbying gleichgesetzt wird, gilt im
anglo-amerikanischen Raum seit Jahrzehnten als unentbehrliche
Managementtechnik: Public Affairs. Doch auch hier zu Lande findet die Idee, dass
Unternehmen und Institutionen den Dialog zwischen den für sie wichtigen politischen
Organisationen und Gesellschaftsgruppen aktiv und zielgerichtet steuern, immer
mehr Anhänger.
Zu den ersten Klienten der vielfach noch jungen deutschen Public Affairs-Agenturen
und Politikberatern zählen viele anglo-amerikanische Unternehmen, die nun auch
hier die Beratung und Dienstleistung suchen, die ihnen von ihrem Heimatmarkt
geläufig und vertraut ist. Sie lassen beispielsweise die für sie relevanten politischen
Informationen durch systematisches Monitoring ermitteln oder über nachhaltiges
Kontaktmanagement Verbindung zu wichtigen Entscheidern herstellen.
8
Eigene Interessen erfordern eigenes Engagement
Inzwischen bringen auch deutsche Unternehmen und Organisationen Public Affairs
mehr und mehr Aufmerksamkeit entgegen. Die Beziehung zwischen Wirtschaft,
Politik und Gesellschaft hat sich durch Globalisierung und Informationstechnologie
fundamental gewandelt. Die Wettbewerbsparameter haben sich verändert,
wirtschaftspolitische Prozesse sind komplexer geworden – und internationaler. So
hat etwa der europäische Einigungsprozess – mit EU-Binnenmarkt und
Währungsunion – die Gesetzgebung inzwischen so sehr auf die europäische Ebene
verlagert, dass deutsche Unternehmen heute in nahezu 50 Prozent aller Fälle nicht
länger von nationalem, sondern von europäischem Recht mittelbar oder unmittelbar
beeinflusst werden.
Veränderungsprozesse dieser Art müssen Unternehmen aktiv mitgestalten, um ihr
Wachstum und ihre Existenz zu sichern. Traditionell hat die deutsche Wirtschaft den
dafür notwendigen Dialog mit der Politik an die Verbände delegiert. Doch die eigenen
Interessen durchzusetzen erfordert in Sachen politischer Kommunikation häufig auch
eigenes Engagement. Vorbei sind die Zeiten, in denen Konzernchefs ihre Anliegen in
Hintergrundgesprächen anbrachten und durchsetzten. Statt dessen werden über die
Medien offene Feldschlachten ausgetragen – die Altautoverordnung, die
Verpackungsverordnung und der Kampf um die Kabelnetze der Deutschen Telekom
seien stellvertretend dafür genannt. Zudem trägt die wachsende öffentliche
Aufmerksamkeit in Wirtschaftsfragen erheblich dazu bei, dass in den
Führungsetagen auch von Unternehmen ein schärferer Wind weht.
Offene Türen in der Politik
9
Mehr und mehr sind Unternehmen dazu gezwungen, ihre Kommunikation politischer
und kampagnenorientierter zu gestalten. Die Wirtschaft kann und wird von der Politik
lernen müssen, sich die strategische politische Kommunikation zunutze zu machen.
Die eigenen Interessen im politischen Raum zur richtigen Zeit, den richtigen
Personen, in der richtigen Form und mit den richtigen Argumenten zu vermitteln,
setzt ein hohes Maß an Erfahrung und Know-how voraus. Dazu gehören Kenntnisse
über politische Denkmuster und Entscheidungswege, über administrative Abläufe,
über den Einfluss relevanter Nichtregierungsorganisationen sowie über Erwartungen
und Arbeitsweisen politischer Journalisten.
Unternehmen können dieses politische Know-how selbst aufbauen oder sich von
einer Public Affairs-Agentur beraten lassen. Wie auch immer sie diese
organisatorische Frage für sich klären: Strategisch operierende Public Affairs trifft auf
offene Türen. In einer Befragung, die Emnid im Auftrag von Kohtes Klewes im
Sommer 2000 unter Meinungsführern in Politik, Verwaltung, Medien und Wirtschaft
durchführte, gab die überwältigende Mehrheit der Befragten (über 90 Prozent) an,
dass sie einen sehr intensiven Informationsaustausch zwischen Politik und Wirtschaft
für geboten halten. Die politische Szene in Deutschland hat also erkannt, dass der
Dialog mit Unternehmen, Verbänden und sonstigen Interessensvertretern hilft,
Entscheidungen zu treffen, die von der Gesellschaft akzeptiert werden.
Was dieses Buch will
Wenn von Public Affairs die Rede ist, schwingt nicht selten Argwohn mit, ist gar von
„Einflüsterern“ und dunklen Mächten die Rede. In gewissem Maße ist das
verständlich. Schließlich liegt Public Affairs – und dabei insbesondere alle Formen
des direkten und indirekten Lobbyings – im intermediären Bereich zwischen Politik
und Wirtschaft. Public Affairs ist immer eine Gratwanderung zwischen Transparenz
und Diskretion. Die richtige Mischung entscheidet hier über Erfolg und Einfluss.
10
Das Buch will Licht ins Dickicht der Begriffe und Definitionen rund um die neue
Kommunikationsdisziplin Public Affairs bringen. Denn nicht immer, wenn von Public
Affairs die Rede ist, wird es auch so benannt. Eine verbindliche Begriffsbestimmung
hat es im deutschsprachigen Raum bislang noch nicht gegeben. Begriffe wie
Politikkommunikation, Governmental Relations, Public Policy oder auch External
Affairs werden oft gleichermaßen zur Beschreibung von Public-Affairs-Aufgaben
benutzt.
Das Buch ist anwendungsorientiert geschrieben und beleuchtet das gesamte
Spektrum der Public Affairs. Es beschreibt die Aufgaben von Public Affairs, erläutert
die sich wandelnden Rahmenbedingungen von politischem Interessenmanagement
und stellt die elementaren kommunikativen Instrumente der Public Affairs vor:
Politisches Monitoring, Early Warning System, Politisches Audit, Analyse,
Strategieentwicklung, Lobbying, Presse- und Medienarbeit sowie Krisen-PR. Und
schließlich wird das Zusammenspiel dieser Instrumente im Rahmen von komplexen
Public Affairs Kampagnen an Hand von praktischen Beispielen dargelegt.
Dieses Buch ist eine Teamarbeit. Dank gebührt daher den Expertinnen und Experten
von ECC Public Affairs, die am Buch mitgewirkt haben. Mit ihren Ideen, Erfahrungen
und konstruktiven Anstöße haben sie ganz wesentlich zum Gelingen beigetragen.
Besonderer Dank gilt zudem den zahlreichen Public Affairs-Praktikern in Politik und
Wirtschaft, die als Gesprächspartner zur Verfügung standen. Sie haben wertvolle
Hilfe und Anregungen gegeben, um die Vielfalt und Breite von Public Affairs
angemessen darstellen zu können. Dank gebührt auch Silke Goedereis, Julia Lutter,
Mortimer Treichel und Dr. Jörg Hackeschmidt für technischen Support. Und
schließlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Luchterhand Verlag zu
nennen, deren Unterstützung das Buch den letzten Schliff verdankt.
Berlin, den 1. März 2002
11
12
I. Public Affairs als Teil der Unternehmenskommunikation
13
I. Public Affairs als Teil der Unternehmenskommunikation
#Motto#
Im digitalen Kapitalismus sind Informationsmanagement, Informationsqualität und
Informationsübertragungs-geschwindigkeit mitentscheidend für die
Wettbewerbsfähigkeit.
Peter Glotz, Kommunikationswissenschaftler
#Ende Motto#
1. Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft
Wissen ist Macht. Informationen sind die Basis von Wissen. Sie zu sammeln,
auszuwerten und anzuwenden wird heute gern als Wissensmanagement bezeichnet.
Entscheidet demnach in der Informationsgesellschaft die Qualität von
Wissensmanagement genauso über die Marktmacht von Unternehmen und ihre
Innovationsfähigkeit wie über die Innovationsfähigkeit von Politik und die Ausübung
politischer Herrschaft? Führungskräfte jedenfalls betonen immer wieder, wie wichtig
das Management von Wissen für den Erfolg ist. Allerdings klafft zwischen Anspruch
und Wirklichkeit eine große Lücke. In einer Untersuchung der Universität Hohenheim
bestätigen 80 Prozent der befragten Unternehmen, dass Wissensmanagement
Einfluss auf den Unternehmenswert hat, aber nur 30 Prozent gaben an, aktives
Management auf diesem Gebiet zu betreiben.1
#Marginalie1#
Wissensmanagement:
14
Wissensmanagement ist der bewusste Umgang mit der Ressource Wissen und
deren zielgerichteter Einsatz im Unternehmen. Ziel ist die Entstehung eines
unternehmensinternen Wissensmarktes durch Maßnahmen der Personal- und
Organisationsentwicklung. Durch die systematische Beschaffung, Aufbereitung,
Verteilung und Anwendung von Wissen sollen eine höhere Entscheidungssicherheit
und ein Innovationsvorsprung für das jeweilige Unternehmen erlangt werden.
#Ende Marginalie 1#
Dieses Buch stellt eine spezifische Variante des Wissensmanagements in seiner
praktischen Relevanz vor: Public Affairs als Kommunikationsdienstleistung im Dialog
zwischen Politik und Gesellschaft. Dabei dreht es sich zunächst um die Frage, wie
die Nachfrage nach dieser neuen Kommunikationsdienstleistung überhaupt zustande
kommt. Davon handelt dieses Kapitel. In den sich anschließenden Abschnitten des
Buches werden dann die Instrumente beschrieben, mit denen Public Affairs seine
spezifischen Kommunikationsleistungen erbringt und in welcher Weise die
Spezialisierungen einer jungen Branche vorangebracht werden.
#Kapitel 1.1#
Von Informationen kann man kaum genug bekommen
Um die Nachfrageseite der Kommunikationsdienstleistung Public Affairs zu
beschreiben, lässt sich auf das Wissensbedürfnis und Wissensmanagement von
Unternehmen, Verbänden oder anderen gesellschaftlich aktiven Akteuren
zurückgreifen. Eigentlich kann ein Unternehmen hinsichtlich seiner Markt- und
Geschäftsbeziehungen gar nicht genug Informationen bekommen. Wo sind die
besten Standortbedingungen? Wie werden die Produktionsverfahren besser?
Welche Steuergesetze, Einfuhrgesetze, Verbrauchergesetze etc. gelten, wenn ich
1 Vgl. FAZ Nr. 35 v. 11.02.2002: Wissensmanagement wird viel diskutiert und wenig praktiziert.
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meine Produkte im Ausland verkaufen, produzieren oder verschenken will? Was
muss wann, von wem unter welchen Bedingungen genehmigt werden? Produziert
eigentlich jemand vergleichbare Produkte besser oder günstiger? Ein
Informationsvorsprung kann leicht über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Jede
unternehmerische Entscheidung wird auf der Basis von Informationen getroffen.
Hinzu kommt, dass Unternehmen im Rahmen einer „Corporate Citizenship“ direkt als
Einflussgröße in der Gesellschaft aufgefasst werden.
Viele dieser unternehmensrelevanten Informationen betreffen die Beziehung
zwischen Unternehmen und den Institutionen des Staates. Verwaltungen bearbeiten
Anträge, Parlamente entscheiden über Steuern, Ministerien erlassen
Hygieneverordnungen oder Vorschriften über die Sicherheit am Arbeitsplatz. Und die
Zahl der Vorschriften wächst – trotz gegenteiliger Beteuerung der Politik – ständig.
So sorgt allein die Europäische Kommission in Brüssel dafür, dass an gesetzlichem
Regelungsbedarf kein Mangel herrscht, gleichzeitig verweben sich die politischen
Ebenen, mit denen man es im Einzelfall zu tun hat. Als Politikverflechtung
bezeichnen Politikwissenschaftler das Phänomen, dass Verwaltungen oder politische
Institutionen unterschiedlicher staatlicher Hierarchien gleichzeitig zuständig sind.2
Wer schon einmal staatliche Fördergelder beantragt hat oder darauf warten musste,
dass die für einen Auftrag notwendigen Genehmigungen vorliegen, weiß, wie viele
Kenntnisse über politische Institutionen und Prozesse notwendig sind, um sich im
bürokratischen Dickicht durchzuschlagen.
#Marginalie2#
Politikverflechtung:
Der Vollzug öffentlicher Aufgaben erfolgt in Deutschland überwiegend durch das
Zusammenwirken der unterschiedlichen föderalen Ebenen Stadt, Land und Bund.
Durch finanzielle, politische oder verwaltungsmäßige Parallelzuständigkeiten sind die
föderalen Instanzen gezwungen, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Dies führt
schnell zu politischen Blockaden oder Verzögerungen und konterkariert die im
Grundgesetz vorgesehene Aufgabenverteilung.
2 Rainer, Olaf: Politikverflechtung, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München 2001, S. 383-384.
16
#Ende Marginalie2#
Von den Zielsetzungen der Gesetze und Verordnungen aus betrachtet, will es unsere
Gesellschaft aber oft auch gar nicht anders. Selbstverständlich sollen
Wettbewerbsnachteile gegenüber niederländischen oder französischen Speditionen
ausgeglichen werden. Die Herstellung von Chancengleichheit im europäischen
Binnenmarkt ist schließlich ein weithin akzeptiertes Ziel. Die meisten Verbraucher
halten es für ihr gutes Recht zu erfahren, wann Konservierungsstoffe in
Lebensmitteln enthalten sind, was in der Wurst ist und unter welchen
Arbeitsbedingungen Teppiche handgeknüpft wurden.
Der gesetzliche Regelungsbedarf ist groß, und er wird ständig größer. Daran sind
nicht zuletzt wieder die Informationen schuld. Mehr Informationen über
Produktionsmethoden in der Landwirtschaft wecken das Bedürfnis nach mehr
Tierschutz, nach mehr Lebensmittelsicherheit, nach mehr Umweltschutz, nach mehr
oder weniger oder anderen Subventionen, nach neuen europäischen Gesetzen, nach
Abschaffung alter nationaler Gesetze, nach Bewahrung traditioneller und
landschaftlich einmaliger Produktionsverfahren. Informationen und deren
Management führen zur stetigen Differenzierung politischer und wirtschaftlicher
Interessen, die wiederum die Gesetzgeber auf den Plan rufen, das gestörte
Gleichgewicht politischer, wirtschaftlicher, sozialer, ethnischer oder kultureller
Gerechtigkeit wieder herzustellen. Einseitige Schuldzuweisungen an die Politiker, die
Medien oder unser politisches System sind da fehl am Platz. Die vielfältig
gebrochenen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interessen, die Symptome
der Politikverdrossenheit und ein zuweilen widersprüchliches kollektives
Gerechtigkeitsempfinden sorgen dafür, dass unser politisches System
„Steuerungsprobleme“ hat.3
#Marginalie 3#
Steuerungsprobleme:
3 Walter, Franz/Dürr, Tobias: Die Heimatlosigkeit der Macht. Wie die Politik in Deutschland ihren Boden verlor, Berlin 2000, bes. S. 7 ff. u. S. 313ff.
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Als Steuerungsprobleme bezeichnen Politikwissenschaft und politische Soziologie
das Versagen oder das Fehlen von politischen Verfahren und Strukturen, die für
einen selbstregulativen Prozess zwischen den Akteuren des politischen Systems
sorgen. Steuerungsprobleme können auf Dauerkonflikte und Reformblockaden oder
Verfassungskonflikte hinweisen. Der Begriff stammt aus dem Kontext der
Systemtheorie.
#Ende Marginalie 3#
In der Vielfalt der artikulierten Interessen gilt es nun, das eigene
Wissensmanagement so zu verbessern, dass entweder Einfluss auf die
Wirkungsweise von Gesetzen möglich wird oder zumindest die Folgen von Politik
und Gesetzgebung frühzeitig abgeschätzt werden können. Public Affairs versucht
genau dies: Informationen so zu sammeln, zu verarbeiten und zu verteilen, dass
politische Entscheidungen in ihrer Wirkung auf das eigene Unternehmen oder die
eigene Situation möglichst positiv genutzt werden können. Lassen sich
Negativeffekte nicht vermeiden, so kann im Informationsvorsprung immer noch ein
entscheidender Wettbewerbsvorteil liegen.
2. Wissen und Politik: Das Politische System und der Fluss von Informationen
# Kapitel 2.1.#
Die weltweite Verflechtung erhöht die Komplexität
Es ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden, worin letztlich die Ursachen dafür liegen,
dass sich Wirtschaft und Politik unter den Bedingungen einer globalisierten Medien-
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und Informationsgesellschaft zusehends verändern. Die fortschreitende europäische
Integration und die zunehmende weltweite Verflechtung der Wirtschaft führen zu
einer steten Verlagerung von Entscheidungsprozessen: von der nationalen auf die
supranationale beziehungsweise internationale Ebene. Das macht Abläufe
intransparent, erhöht den Informations- und Kommunikationsbedarf und erweitert den
Kreis derjenigen, die auf Entscheidungen Einfluss nehmen können und wollen. Die
öffentlichen Kreditanstalten in Deutschland haben das erst jüngst in der
Auseinandersetzung mit der EU-Kommission um die sogenannte Anstaltslast und die
Gewährsträgerhaftung schmerzlich erfahren müssen. Wer sich in die politische
Arena begibt, tut daher gut daran seine Informationskanäle und
Kommunikationsformen den gewandelten Strukturen anzupassen.
#Kapitel 2.2.#
Speed kills – Informationen sind heute schneller als der Schall
Zusätzlich spielen die technischen Möglichkeiten der Übertragung, Vervielfältigung
und Verteilung von Informationen und Meinungen eine große Rolle. Heute sind
Informationen praktisch zeitgleich an fast jedem Ort der Erde verfügbar. Auch hier
spielen nationale Grenzen keine Rolle mehr. Die Nachricht aus den USA von
Todesfällen durch ein bestimmtes Arzneimittel eines deutschen Pharmakonzerns hat
unmittelbar Auswirkungen auf die internationalen Börsen, auf Arbeitsplätze in
Leverkusen und auf staatliche Gesundheitsbehörden rund um den Globus. Das zeigt:
Information und Kommunikation werden immer wichtiger für den wirtschaftlichen
Erfolg. Nicht von ungefähr bezeichnet der amerikanische Unternehmensberater
Peter F. Drucker daher Information als „Skelett“ jeden modernen Unternehmens.4
19
#Kapitel 2.3#
Medien mischen immer mit
Hinzu kommen schließlich noch die Interessen der gesellschaftlich relevanten
Akteure, die sich der modernen Kommunikationstechniken bedienen. Mit Medien
lassen sich einerseits Informationen als Nachrichten oder Unterhaltung verkaufen.
So wird ein Gerücht schnell zum Ereignis, vom Ereignis zum Thema und vom Thema
zum Skandal. Andererseits sind Medien ein legitimer Transmissionsriemen für
berechtigte Interessen. Vor der Stellungnahme zum Gesetz steht die Stellungnahme
zum Entwurf, davor der Protest zum politischen Programm und am Anfang der
wöchentliche Umfragewert.
Die in unserer politischen Verfassung formal festgelegten Entscheidungswege – egal
ob turnusmäßige Wahlen oder Gesetzgebungsprozess – werden vielfach medial
gebrochen. Wir halten mehrheitlich an der Idee eines repräsentativen
demokratischen Systems fest und wissen doch, dass es längst diesen Urzustand
hinter sich gelassen hat.5 Dieser Widerspruch wird erträglich, wenn man hinzufügt,
dass bislang weitgehend offen ist, wie unser westliches demokratisches System
tiefgreifende Veränderung (z. B. plebiszitärer Elemente) überhaupt verkraften würde.
Bereits heute ist feststellbar, dass die veränderte Art der öffentlichen Debatte und
des politischen Dialogs den Politikerinnen und Politikern sukzessive ihre Legitimation
wieder entziehen kann, obwohl sie durch demokratische Wahlen erworben ist. Die
Medien lösen die „Zustimmung auf Zeit“ durch Protest oder Demoskopie in
Sachfragen wieder auf. Stattdessen wird mediengewandten Akteuren und durch die
öffentliche Meinung legitimierten Kommissionen (zum Beispiel dem „Bündnis für
Arbeit“) faktisch Entscheidungskompetenz zugesprochen. Legitimität diffundiert,
politische Autorität vagabundiert. Allein die Androhung einer politischen Quittung mit
4 Drucker, Peter F.: The Information Executives Truly Need, New York 1995. 5 Vgl. Meyer, Thomas: Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien, Frankfurt a. M. 2001;Sarcinelli, Ulrich (Hrsg): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft, Bonn 1998, S. 77ff.
20
Blick auf die nächsten Wahl reicht häufig aus, um die politische Debatte aus dem
Parlament hinaus in die Medienlandschaft zu verlegen.6
# Kapitel 2.4#
Einmischung erwünscht – Politik braucht den Austausch
In der freiheitlichen Demokratie ist der Konsens keine feste Größe, sondern etwas,
das zu jedem Thema immer wieder neu herzustellen ist. Das geht nicht ohne Mühen,
Diskussionen, Streit und zuweilen auch Kampf ab. Daher haben sich entlang des
gesamten politischen Prozesses Formen politischer Intervention etabliert. Deren
Träger sind mannigfaltig. Angefangen bei den etablierten Interessenverbänden, den
Kirchen und politischen Medien haben Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen,
Net-Communities und schließlich auch professionell operierende
Kommunikationsagenturen und Politikberater zu den politischen Entscheidern und
Meinungsbildnern aufgeschlossen.
Angesichts der immer komplexer werdenden gesellschaftspolitischen
Herausforderungen – wie Genforschung, Massenarbeitslosigkeit, Integration und
Klimaveränderung – kann nicht erwartet werden, dass Politikerinnen und Politiker in
der Lage sind, vor Entscheidungen in Parlament oder Regierung per se über alle
notwendigen Informationen – und deren Interpretationen – zu verfügen. Kein
Parlament und keine Regierung besitzt heutzutage das notwendige
Steuerungswissen, um aus sich heraus adäquat zu handeln. Von einem
Wissensvorsprung kann erst recht keine Rede sein. Kanzleramtsminister Frank
Walter Steinmeier erklärt diesen Sachverhalt mit einem Beispiel: „Das Maß an
Sachverstand, das Sie brauchen, um in der Biotechnologie einen Sachverhalt zu
beschreiben, für den Sie Lösungen suchen, können die Ministerien gar nicht
6 Vgl. Frey, Rainer/Manthey, Dirk: Kommunikative Vernetzung und politische Steuerung. Politik und Verwaltung in der Kommunikationsrevolution, In: Stolorz, Christian/Göhner, Reinhard (Hrsg.): Globalisierung und Informationsgesellschaft. Herausforderungen unserer Zeit, Münster 2000, S. 36-48.
21
bereithalten. Und wenn sie ihn denn hätten, dann wäre er nach fünf Jahren veraltet
und müsste ausgemustert werden.“7
Was liegt also näher, als dass diejenigen, die ein Interesse daran haben, bestimmte
Informationen bei Entscheidungen berücksichtigt zu sehen, auch für deren
Weiterverbreitung sorgen? Auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Was spricht
dagegen, dass diejenigen, deren Aufgabe es ist, in Parlamenten, Regierungen und
Verwaltungen über Sachfragen zu entscheiden, sich vor ihrer Abstimmung so gut wie
möglich bei all jenen zu informieren, die von diesen Entscheidungen betroffen sind?8
In der Politik stößt man dabei auf offene Türen. Dialogangebote findet man überall,
sei es beim Bündnis für Arbeit, in der Initiative D 21, beim Nationalen Ethikrat oder im
Rahmen der zahllosen Fachgespräche und informellen Begegnungen, die laut einer
Befragung der 150 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands seit dem
Regierungsumzug nach Berlin spürbar zugenommen haben.9
#Abb.1: Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft #
Wie notwendig der permanente Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
ist, belegt auch die immer kürzere „Verfallszeit“ von gesetzlichen Regelungen. Die
Dynamik der globalen Veränderungsprozesse führt dazu, dass juristische
Normierungen immer schneller überholt sind, ständig durch hektische
Änderungsgesetzgebung neu angepasst werden müssen und in der Konsequenz
vielfach nur noch als flexibler Zielkorridor oder auf der Basis von freiwilligen
Vereinbarungen definiert werden10. Und wenn man schon einmal dabei ist, vor jeder
gesetzlichen Regelungen darüber nachzudenken, inwieweit Betroffene bereit oder in
7 zitiert nach Grunenberg, Nina, Die Mächtigen schlau machen, in: DIE ZEIT Nr. 28, 5.7.2001, S. 6 8 In diese Richtung weisen auch die Reformbemühungen der etablierten Parteien, sich für die Mitarbeit von Nicht-Parteimitgliedern zu öffnen. Vgl. Machnig, Matthias: Organisation ist Politik – Politik ist Organisation. Moderne Pateistrukturen als Voraussetzung für strategische Mehrheitsfähigkeit. In: Forschungsjournal NSB, Nr. 14 (2001), S. 30-39. 9 Befragung von Plato Kommunikation vom September 2001 10 Siehe dazu auch Kapitel 4: Interessenvertretung in der Europäischen Union
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der Lage sind, selbst zum Vollzug des Gesetzes beizutragen, was liegt näher, als sie
permanent und frühzeitig an der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen zu beteiligen?
#Marginalie 4#
freiwillige Vereinbarungen:
Freiwillige Vereinbarungen erlangen als mögliches alternatives Instrument zur
aufwändigen und dirigistischen Rechtsetzung zunehmend Bedeutung. Unter
freiwilligen Vereinbarungen wird prinzipiell ein Mechanismus verstanden, in welchem
sich Unternehmen bereit erklären, Verpflichtungen über die gesetzlichen
Anforderungen hinaus einzugehen. Drei Ansätze lassen sich unterscheiden:
freiwillige Teilnahme an Programmen, verhandelte Vereinbarungen zwischen
Industrie und öffentlicher Hand sowie einseitige Absichtserklärungen.
#Ende Marginalie 4#
Die plausiblen Argumente für einen beständigen Dialog zwischen Unternehmen,
Organisationen, gesellschaftlichen Gruppen, fachlich hoch spezialisierten
Institutionen und der Politik ließen sich fortsetzen. Gemeinsam ist ihnen die
Erkenntnis, dass im globalen Informationsnetzwerk nur der strategische Einsatz von
Kommunikation hilft, nicht unter die Räder zu kommen. Die Menge der verbreiteten
Informationen und Interpretationen steigt exponentiell an. Auch deshalb ist
Wissensmanagement notwendiger denn je. Dies trifft Unternehmer gleichermaßen
wie Politiker, die einzelnen Bürger genauso wie Journalisten. Es kommt darauf an,
die richtigen Informationen aufzuspüren, sie richtig zu interpretieren.
#Textkasten#
Lob der Lobby
Immer noch hat die politische Interessenwahrnehmung durch Unternehmen oder
Agenturen in Deutschland den Ruch des Unanständigen. Immer noch halten Kritikern
Lobbyisten vor, sie nähmen des Staat als Beute. Sie irren sich: Denn erst dadurch,
23
dass wiederstreitende Interessengruppen sich in den politischen Prozess mit
einbringen, kann letztlich so etwas wie das Allgemeinwohl entstehen.
Zudem wächst mit der Globalisierung die Komplexität der ökonomischen
Zusammenhänge. Doch die Parlamentarier rekrutieren sich in ihrer Mehrheit nach
wie vor aus wirtschaftsfremdenden Berufen. Deshalb brauchen Politiker gerade
heute auch den Input aus den Unternehmen als Grundlage für ihre Entscheidungen.
Die Tatsache, dass die Regierenden diesen Zusammenhang mehr und mehr
erkennen, ist die Chance der Agenturen – in Berlin und in Brüssel.
Quelle: Kommentar aus Horizont 44/2001, S. 33.
#Textkasten Ende#
3. Managementaufgabe Kommunikation: Public Affairs als strategischer Erfolgsfaktor
Jeder kann heute mitreden. Jeder sollte auch mitreden, um seine Interessen zu
wahren. Das gebietet schon, wenn man so will, die staatsbürgerliche Pflicht. Die
Medien machen, spätestens mit dem Internet, vieles möglich. Doch über den Erfolg
der Kommunikation entscheiden nicht zuletzt die richtige Analyse und die
angewandten kommunikativen Techniken.
Die Teilnahme am politischen Diskurs erfordert kommunikative Kompetenz.
Betrachtet man ein idealtypisches Kommunikationsmodell, so fallen darunter
Kenntnisse über das Medium, die Aussage, die Erwartungshaltung potenzieller
Empfänger und den externen Kontext der Kommunikationssituation.11 Die
Variationsmöglichkeiten sind größer, als man auf den ersten Blick vielleicht
annehmen möchte. Auch verschleiert ein solch abstraktes Modell zunächst die
11 Merten, Klaus: Wirkungen von Kommunikation. In: Ders./Schmidt, Siegfried J./Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien, Opladen 1994, S. 291-328, bes. S. 312, Abb. 5.
24
Unterschiede zwischen Alltagskommunikation, einer Imagekampagne oder
politischen Kommunikation.
Erfolgreiche Public Affairs setzen zweierlei voraus: Erstens eine vorhandene oder
zumindest teilweise erreichbare Interessenidentität zwischen Politik und
Unternehmen (bzw. Institution) und zweitens politisches Vertrauen.12 Dabei agiert sie
zwischen Öffentlichkeit und Vertraulichkeit, Argumentation und Allianzenbildung. Sie
ist prinzipiell auf Konstanz angewiesen, auch wenn es heute eher noch die Regel ist,
dass Unternehmen die Notwendigkeit für Public Affairs erst erkennen, wenn es
Probleme gibt und die bisher eingesetzten Mittel des Marketings oder der Abteilung
für Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich nicht mehr ausreichen.
In der Regel bedeutet dies, dass das kommunikative politische Krisenmanagement
und die mühsame Reparatur von Image und Glaubwürdigkeit erheblich aufwendiger
ist als die frühzeitige Berücksichtigung von Public Affairs im strategischen
Management eines Unternehmens. Die Konsequenz kann deshalb nur sein, dass
Public Affairs grundsätzlich Bestandteil der Kommunikationsstrategie eines
Unternehmens oder einer Institution sein sollte. Prinzipiell geht es darum, rechtzeitig
diejenigen Informationen und Analysen bereitzustellen, die Fehlentwicklungen im
Unternehmen, beim Geschäftsmodell oder bei Produktinnovationen verhindern
helfen. Dies trifft auf politische Rahmensetzung und deren Entwicklung nicht weniger
zu als auf technische Grundentscheidungen bezüglich der Herstellungsverfahren von
Produkten.
#Marginalie 5#
Image:
Ein Image ist ein kollektives, fiktionales Vorstellungsbild über ein Objekt (Person,
Unternehmen, Ereignis), das sich in der Öffentlichkeit oder bei bestimmten
Zielgruppen durch kurzfristige Eindrücke, Erfahrungen und Informationen bildet und
in diffuser Form in der Öffentlichkeit bekannt ist. Einem Image liegen in der Regel
keine differenzierten, objektiven Urteile zugrunde, sondern es entsteht durch (sozial-
)psychologische Prozesse, die eine einfache Typologisierung, Verallgemeinerung,
12 Vgl. Heft 8/2001 der Zeitschrift brand eins mit dem Schwerpunkt-Thema Glaubwürdigkeit.
25
Überbetonung einzelner Aspekte und deutliche positive oder negative Bewertungen
einschließen.
#Ende Marginalie 5#
Wie immer ist der Idealfall nicht die Regel. Und hier entsteht über den soeben
grundsätzlich erörterten Bedarf an politischer Kommunikation hinaus jene Nachfrage
an Public Affairs, die aus politisch-gesellschaftlichem Problemdruck resultiert. Dann
muss auf vorhandenes kommunikatives und politisches Know-how zurückgegriffen
werden, um bereits eingetretene Negativeffekte zu minimieren und alsdann zu
beginnen, Reputation bei Entscheidern und/oder in der Öffentlichkeit wieder neu
aufzubauen. Das ist gewöhnlich auch deshalb ein schmerzhafter Prozess, weil die
betroffenen Unternehmen erst lernen müssen, dass kontinuierliche Public Affairs-
Arbeit ihnen nicht nur ein kommunikatives Frühwarnsystem schafft, sondern auch
dazu beiträgt, die unternehmensinternen Managementprozesse fortlaufend
anzupassen. Und dies ist eine Erkenntnis, die in ruhigen Zeiten naturgemäß
schwerer fällt. Aber es heißt ja nicht umsonst: Wissen ist Macht.
#Marginalie 6#
Reputation:
Die Reputation eines Unternehmens ist Ergebnis seiner Leistungen in der
Vergangenheit und ihrer Perzeption. Als Ausdruck des Vertrauens der internen und
externen Stakeholder in die Problemlösungskompetenz des Unternehmens ist es ein
Indikator des Ansehens und der Erwartung zukünftiger Leistungen.
#Ende Marginalie 6#
26
II. Begriffe und Definitionen
27
II. Begriffe und Definitionen
#Motto#
Die politische Öffentlichkeit durchdringt mehr und mehr Bereiche unseres Lebens.
Keine Organisation kann sich ihr auf Dauer entziehen.
Horst Avenarius, Kommunikationswissenschaftler13
#Ende Motto#
1. Was ist Public Affairs?: Eine Disziplin wirft Fragen auf
Public Affairs ist in Deutschland eine noch junge Kommunikationsdisziplin. Sie hat
ihre Wurzeln in den Vereinigten Staaten und entwickelte sich dort bereits zu Beginn
der 50er Jahre als „Aufgabenfeld von Unternehmen mit dem Hauptziel, die
politischen Aktivitäten der Unternehmen zu aktivieren und zu intensivieren“.14
#Textkasten#
Die Entstehung von Public Affairs
Ursprung in den USA
#–# 1954: Gründung des „Public Affairs Council“ in Washington D.C.
13 Avenarius, Horst: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation, 2. überarb. Aufl. Darmstadt 2000, S. 295. 14Köppl, Peter: Public Affairs Management. Strategien und Taktiken erfolgreicher Unternehmenskommunikation. Wien 2000, S. 25
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Das „Public Affairs Council“ war ursprünglich als Gegenorganisation zu den
amerikanischen Gewerkschaften ins Leben gerufen worden. Diese hatten damals
einen großen Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinung. Die Hauptaufgabe
des „Public Affairs Council“ war die Schulung von Managern. Ziel der Arbeit war es,
diese mit Blick auf ein effizienteres politisches Engagement zu schulen.
– 1970 bis 1980: Enormes Wachstum der Branche in den USA
Die Zahl der Mitglieder im Public Affairs Council verdoppelt sich; die Zahl der
sogenannten “Public Affairs Professionals“ verdreifacht sich sogar.
– Ab 1980: Einbruch im Public Affairs Sektor
Vor dem Hintergrund einer Rezession und zahlreicher
Unternehmenszusammenschlüsse nimmt das Engagement auf dem Gebiet der
Public Affairs ab. Unternehmen konzentrieren sich zusehends auf ihr kommerzielles
Umwelt.
– Ab 1990: Public Affairs hat erneut einen sehr hohen Stellenwert
Public Affairs ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Kommunikationsarbeit
und hat bis heute einen sehr wichtigen Stellenwert. Da diese Disziplin in den USA
bereits seit Jahrzehnten betrieben wird, hat sich der Markt konsolidiert. Hohe
Wachstumsraten werden absehbar nicht erwartet.
Public Affairs in Deutschland und Europa
– 1991: European Public Relations Confederation CERP greift das Thema erstmals
auf und definiert:
Public Affairs sind die geplanten und festgelegten Bemühungen eines
Unternehmens, seine Rechte und Pflichten als Bürger eines Landes, einer Gemeinde
oder einer Gesellschaft auszuüben bzw. wahrzunehmen sowie die Bemühungen
eines Unternehmens, seine Mitarbeiter ebenfalls dazu zu ermutigen, ihre Rechte
auszuüben und ihre Pflichten wahrzunehmen.
Über große amerikanische PR-Agenturen hält die neue Kommunikationsdisziplin
auch in Europa und Deutschland Einzug und beginnt sich langsam zu etablieren.
Waren es zu Bonner Regierungszeiten noch überwiegend Verbände, die sich um die
29
um die Wahrung der Unternehmensinteressen im politischen Umfeld kümmerten,
wird professionelle Hilfe auf diesem Gebiet spätestens seit dem Umzug der
Regierung nach Berlin zusätzlich von einer Vielzahl an Public Affairs Agenturen und
freien Beratern angeboten. (Vgl. Im Vorzimmer der Macht wird es eng. In: W&V
3/2002, S.44ff.)
Für Public Affairs werden hohe Wachstumschancen prognostiziert.
#Ende Textkasten#
Während sich der Bereich in den USA seit langem etabliert hat, nimmt das
Bewusstsein für den Stellenwert von Public Affairs hierzulande erst seit Mitte der
90er Jahre kontinuierlich zu. Der Regierungsumzug von Bonn nach Berlin hat dazu
beigetragen, dass sich dieser Prozess beschleunigt.15
Eine allgemein gültige und klar abgegrenzte Definition von Public Affairs gibt es
bisher weder in der wissenschaftlichen Literatur noch in der Praxis. So existiert in der
Kommunikationsbranche und in der Öffentlichkeit eine Vielzahl verschiedener
Begriffe. Der Ausdruck Lobbying wird im allgemeinen Sprachgebrauch am häufigsten
mit Public Affairs gleichgesetzt. Aber auch andere gängige Termini wie zum Beispiel
Politische PR, Politikvermittlung, Politikkommunikation oder Politikberatung, Public
Policy, Government Relations, Issues Management und Governmental Affairs
werden in diesem Zusammenhang oft verwendet.
Die Begriffe meinen zum Teil das Gleiche, zum Teil haben sie jedoch sehr
verschiedene Bedeutung. Die Aufzählung zeigt, dass die Praxis von einem
babylonischen Sprachgewirr beherrscht ist. Auch was die inhaltliche Einordnung
betrifft, gibt es keine klare Vorstellung. In der Fachliteratur wird Public Affairs oft als
politischer Teil von Public Relations angesehen: „Public Affairs ist eine
zielgruppenspezifische PR-Arbeit.“16 Die Ansichten darüber, ob Public Affairs ein Teil
15 Vgl. Schulte-Döinghaus, Uli: Public Affairs à la carte. In: W&V 36/2000. 16 Avenarius, S. 290.
30
von Public Relations ist oder umgekehrt, bewegt die Gemüter in der
Kommunikationswelt.17 Klar ist jedoch, dass der Stellenwert dieser Disziplin –
nachdem sie im angelsächsischen Raum bereits seit langem Tradition hat – auch in
Deutschland deutlich zunehmen wird.
2. Public Affairs und Public Relations: Partner für den Erfolg
Wo aber liegt die Unterscheidung zwischen Public Affairs und Public Relations? Ist
Lobbying ein Teil von Politikkommunikation? Und ist Politikberatung immer auch
politische Kommunikation? Im Verhältnis zwischen Public Affairs und Public
Relations kann man zuweilen einen fast eifersüchtigen Wettbewerb beobachten. Es
ist noch nicht lange her, da wurde Public Affairs hierzulande bestenfalls als
Anhängsel von Public Relations gesehen. In den USA dagegen ist Public Affairs
aufgrund seiner strategischen Bedeutung der klassischen PR übergeordnet.
Hierarchische Rangeleien zwischen den Disziplinen führen aber nicht weiter. Public
Affairs und Public Relations haben unterschiedliche Aufgaben: „Public Affairs
Management betreibt die aktive und nachhaltige Involvierung eines Unternehmens in
die gesellschaftlichen und politischen Prozesse. Der PR obliegt die Darstellung der
Erfolge und des Selbstbildes.“18
3. Public Affairs ist mehr als Lobbying: Klärung der Begriffe
17 Vgl. Köppl, S. 23f. 18 Köppl Peter, Public Affairs Management, Wien 2000, S. 11
31
Auch wenn sich mittlerweile immer mehr Unternehmen, Agenturen, Organisationen
und Einzelpersonen in einer Domäne tummeln, die früher politischen Akteuren im
engeren Sinne vorbehalten war, führt der Wissensmangel dazu, dass diese
Kommunikationsdisziplin in Deutschland noch auf Ressentiments stößt.19 Public
Affairs hat „in der öffentlichen Meinung nicht selten das Image von geheimer
Verführung“20. Lobbying wurde häufig gar an die „Grenze zur Unmoral“21 verbannt.
Ziel dieses Kapitels ist es, die bestehenden Begriffe aus der Sicht der Praxis
voneinander zu unterscheiden und zu erklären. Darüber hinaus wird der Versuch
unternommen, den Begriff Public Affairs einzugrenzen und eine Definition
vorzustellen, die der wirtschaftlichen wie politischen Bedeutung und der praktischen
Umsetzung dieses Kommunikationsfeldes gerecht wird.
#Kapitel 3.1#
Politikkommunikation
häufig auch als Politische Kommunikation bezeichnet, beschreibt jedwede
Ausdrucksform an Kommunikation, deren Inhalt oder deren Zielgruppe politisch ist:
„Politikkommunikation ist Kommunikation der Politik, Kommunikation mit der Politik
und Kommunikation über Politik.“22 Das heißt, Kampagnen von Politik und Wirtschaft,
Publikationen und der direkte Dialog mit politischen Repräsentanten zählen ebenso
zur politischen Kommunikation wie die begleitende Pressearbeit, mit deren Hilfe
19 Vgl. Grunenberg, Nina: Die Mächtigen schlau machen. Einflüstern, steuern, manipulieren. In der Hauptstadt boomt das Geschäft der Besserwisser. In: Die Zeit. 05.07.2000 Nr. 28; Ries, Florian: Lobbyismus im Zeitalter der Globalisierung. In: PR-Guide, 06/2000; Mavridis, Thomas: Mehr als Event-Management und Theater. Politische Kommunikation in Deutschland: Hintergründe und Trends. In: PR-Guide, 05/2000. 20 Wiebusch, Dagmar: Politische Kommunikation. Gratwanderung zwischen Information und Inszenierung. In Forschungsjournals Neue Soziale Bewegungen, Heft 3, September 2000, S. 77. 21 Ries, PR-Guide, 06/2000. 22 Wiebusch, S. 76f.
32
Nachrichten die jeweils relevanten Zielgruppen erreichen. Politische Kommunikation
wird nicht nur von Parteien, sondern zunehmend von Unternehmen und Verbänden
genutzt, um den eigenen Interessen effektiv und gezielt im politischen
Meinungsbildungsprozess Gehör zu verschaffen. Sie gilt heute als maßgeblicher
Erfolgsfaktor für beide Seiten.
#Marginalie 7#
Kampagne:
Eine Kampagne ist eine kommunikative Initiative zur Erreichung bestimmter Ziele.
Ziel ist es, zu erwecken, Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Organisation,
Institution oder Firma aufzubauen und Zustimmung zu den eigenen Intentionen zu
erzeugen. Campaigning erscheint als eine geeignete Form, um komplexe Inhalte und
Intentionen gezielt an die Öffentlichkeit zu bringen.
#Ende Marginalie 7#
Stil, Inhalt und Form der Politikkommunikation haben sich in den vergangenen
Jahren stark gewandelt. Die verstärkte Ausrichtung entlang der Wirkmechanismen
der Medien hat eine neue Qualität der politischen Kommunikation zur Folge. In der
Mediengesellschaft, in der Nachrichten aus dem hintersten Winkel den Rezipienten
zeitnah über den Bildschirm erreichen, die Informationsflut zunimmt und das
Fernsehen dominiert, muss politische Kommunikation Schritt halten. Das bedeutet:
Vereinfachung komplizierter Sachverhalte, Formulierung von klaren Botschaften,
gezielte Verbindung von Themen mit Personen (Personalisierung) und die
Inszenierung von Inhalten.
#Marginalie 8#
Mediengesellschaft:
Mediengesellschaft (häufig auch weiter gefasst als Informationsgesellschaft)
charakterisiert den Typ von Gesellschaft, der auf die „postindustrielle Gesellschaft“
folgt. Maßgeblich ist die Entwicklung des Kommunikations- beziehungsweise
33
Mediensystems, das als gesellschaftlich relevantestes Teilsystem gekennzeichnet
wird.
#Ende Marginalie 8#
#Kapitel 3.2#
Politikberatung
beschreibt die inhaltliche, konzeptionelle sowie operative politische Beratung von
Vertretern der Politik einerseits sowie Unternehmen aus der Wirtschaft andererseits.
Angesichts einer immer komplexeren, vernetzten Welt brauchen beide Seiten
Orientierungswissen. Politisches Handeln erfordert zudem ständig neue
Überlegungen. Parteien, seien sie an der Regierung oder in der Opposition,
benötigen Berater, die sie im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen zum
Beispiel auf dem Gebiet der Gesundheits- oder Umweltpolitik unterstützen.
Unternehmen wiederum können politische Prozesse und Informationsvorsprünge für
den Wettbewerb nutzen. Dafür bedarf es jedoch einer umfassenden und fundierten
Kenntnis der politischen Strukturen.
#Marginalie 9#
Orientierungswissen:
Grundsätzlich werden zwei Arten von Wissen unterschieden. Faktenwissen orientiert
sich an empirisch überprüfbaren und damit verifizierbaren Behauptungen über
Sachverhalte. Orientierungswissen hingegen wird verstanden als die Fähigkeit,
Wissen in einen umfassenden Sinnzusammenhang einzubetten. Dazu zählen
insbesondere die Fähigkeit, Entwicklungen in Politik und Wirtschaft historisch und
normativ in die größeren Zusammenhänge einzuordnen, sowie die Fähigkeit, den
34
Beitrag unterschiedlicher Ansätze zur Erklärung faktischer Prozesse und Trends zu
kennen.
#Ende Marginalie 9#
In Deutschland wird Politikberatung traditionell seit langem von den Verbänden
geleistet. Allerdings vollzieht sich hier ein Wandel, denn Firmen suchen zunehmend
auch beraterische Unterstützung, um ihre Partikularinteressen gegenüber der Politik
professionell vertreten zu lassen. Für die Herausforderungen, mit denen sich ein
Wirtschaftsunternehmen konfrontiert sieht, werden jeweils individuelle Strategien und
Lösungsansätze entwickelt und realisiert. Der Dialog zwischen Politik und Wirtschaft
ist dabei von zentraler Bedeutung.
Die Bandbreite des Beratungsangebotes ist groß23: Bundesministerien und
Regierung werden von wissenschaftlichen Beiräten beraten. Oft werden für einen
begrenzten Zeitraum auch Fachkommissionen gebildet, wie etwa der im Mai 2001
von der Bundesregierung berufene Nationale Ethikrat. Auf parlamentarischer Ebene
führen Bundestagsausschüsse themenbezogen jeweils
Sachverständigenanhörungen durch, um sich umfassend und fachlich kompetent
beraten zu lassen.
Daneben spielen auch sogenannte Think Tanks eine ernstzunehmende Rolle in der
Politikberatung.24 Diese privat oder öffentlich finanzierten praxisorientierenten
Forschungsinstitute haben ihren Ursprung in den USA. Zu ihren Aufgaben zählt unter
anderem, „die Prozesse der öffentlichen Themensetzung und der politischen
Entscheidungsvorbereitung beratend mitzugestalten“25. In Deutschland gibt es rund
130 Think Tanks.
#Marginalie 10#
Think Tanks:
„Think Tanks“oder „Denkfabriken“ bezeichnen interdisziplinäre Forschungs- und
Beratungsinstitutionen aus Wissenschaftlern und Praktikern, deren Aufgabe darin
23 Vgl. Thunert, Martin: www.magazin-deutschland.de/content/archiv/archiv-ger/00-03/art3.html: Think Tanks in Deutschland. Beratung für die Politik. 23. November 2001. 24 Vgl. www.derriere.de/National/ThinkTankd.htm: Think Tanks – Herkunft, Hintergrund und Rolle der Politikberatungsagenturen. 07.10.01.
35
besteht, in einem bestimmten Fachgebiet Wissen anzusammeln, Ideen zu
entwickeln, auszuarbeiten und nach außen zu tragen. Ziel ist vor allem die
Entscheidungsvorbereitung für Politiker in politisch und gesellschaftlich brisanten
Themenbereichen. Im Gegensatz zu den USA sind sie in Deutschland in der Regel
nicht privatwirtschaftlich organisiert, sondern an Verbände, Stiftungen oder
Interessengruppen angeschlossen.
#Ende Marginalie 10#
#Kapitel 3.3#
Government Relations
ist – ähnlich wie Governmental Affairs oder Public Policy - eine
Funktionsbezeichnung. Der Begriff kann als „Beziehungspflege zu
Regierungseinrichtungen auf lokaler, regionaler, überregionaler und internationaler
Ebene“26 definiert werden. Während in den USA auch Institutionen wie z.B.
Universitäten oder Schulen Abteilungen für Goverment Relations unterhalten, bezieht
sich der Ausdruck in Deutschland insbesondere auf diejenigen Abteilungen in
Unternehmen, die sich mit dem Aufbau und der Pflege von Kontakten in die Politik
beschäftigen. Noch sind es hauptsächlich große, international agierende Konzerne,
die auf diese Weise ihre Politikkontakte durch entsprechende Stäbe pflegen.
Mittelfristig wird sich jedoch auch hierzulande zunehmend die Erkenntnis
durchsetzen, dass eine reibungslos funktionierende Kommunikation in die Politik
hinein für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg essentiell ist. Denn auch für
Deutschland gilt: „Business must participate in politics, because there are too many
25 Vgl. Thunert. 26 Köppl, S. 28
36
issues of too great importance to a business that government must and will act
upon.“27
#Kapitel 3.4#
Issues Management
auch als Agenda Setting bezeichnet, zählt zu den wichtigsten Instrumenten von
Public Affairs. Der Fachbegriff meint die aktive Steuerung von gesellschaftlichen,
sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Themen. Issues sind demnach Themen
des öffentlichen Interesses oder auch öffentliche Anliegen. Dazu zählt die
Gentechnologie-Thematik genauso wie die Ökosteuer oder der Verbraucherschutz.
Diese Themen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie ein beträchtliches
Konfliktpotential besitzen und außerdem hoch komplex sind.
Das Issues Management dient dazu, die für ein Unternehmen oder eine Organisation
politisch relevanten Themen frühzeitig zu identifizieren und im Rahmen von
strategischer Kommunikation besser zu kontrollieren. Dazu bedarf es der genauen
und umfassenden Beobachtung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und
politischen Umfelds des Unternehmens. Dies geschieht unter anderem durch das
systematische Verfolgen der öffentlichen Meinung und der Medien. Viel wichtiger ist
in der Regel allerdings die Identifikation derjenigen Themen, die noch nicht in die
breite Öffentlichkeit vorgedrungen sind, sondern zunächst nur von kleinen Gruppen
erkannt und diskutiert werden. Nicht-öffentliche Meinungen, Trends oder Signale
können nur durch persönliche Kontakte geortet werden.
Diese erste Phase, in der problematische Themen und Krisenpotentiale nur schwach
sichtbar sind, eignet sich idealtypisch am besten für die Entwicklung langfristiger
Strategien zur Steuerung des Issues. Wird ein Thema dagegen erst dann als
27 Mahon, John F./McGowan, Richard A.: Industry as a Player in the Political and Social Arena. Defining the Competitive
37
relevant erkannt, wenn es bereits Einzug ins öffentliche Bewusstsein oder gar in die
politische Auseinandersetzung gehalten hat, wird es zunehmend schwieriger, die
Debatte im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen. „Manchmal liegen Jahre
zwischen dem ersten Aufflackern eines Problems und einer letztendlich unter
öffentlichem Druck eilig gefassten Gesetzesinitiative. (...) Je mehr Individuen und
Organisationen im Laufe der Zeit an einem Meinungsbildungsprozess beteiligt sind,
desto mehr gewinnt die ursprüngliche Problematik an Komplexität.“28
Wie die nachfolgende Grafik zeigt, lässt sich der Issues Management Prozess in
sechs Schritte gliedern:
#Abbildung 2: Verlaufsmodell Issues Management#
1. Identifizierung der Issues: In der ersten Phase geht es darum, ein für ein
Unternehmen relevantes Thema zu identifizieren. Dazu müssen Medien beobachtet,
Expertenmeinungen eingeholt und Gespräche mit Vertretern von Parteien,
Ministerien und Verbänden geführt werden.
2. Issues Analyse: In einem zweiten Schritt müssen die Themen, die sich als wichtig
herausgestellt haben, genau analysiert werden. Es geht darum, die Dringlichkeit
eines Themas abzuschätzen: Wie schnell wird es sich ausbreiten? Wie hoch ist die
politische Relevanz? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Thema in Politik
und Öffentlichkeit überhaupt eine erhöhte Aufmerksamkeit erreicht? Ob ein Issue
relevant ist oder nicht, hängt zudem stark davon ab, welche Auswirkungen es
möglicherweise auf die Ziele und die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens
hat.
3. Politisches Audit: Sind diese Fragen geklärt, geht es darum, mit der Hilfe von
Experten, wie z.B. Vertretern von Interessenverbänden oder wissenschaftlichen
Environment, Westport 1996, S. 29.
38
Institutionen zu eruieren, wie sich der für das Unternehmen relevante Markt
entwickeln wird, ob das Thema grundsätzlich eine Chance hat, im Sinne des
Unternehmens erfolgreich gesteuert zu werden und welche Möglichkeiten dafür in
Betracht gezogen werden können.
4. Entwicklung einer Public Affairs-Strategie: Unter Berücksichtigung der in den
ersten drei Schritten gewonnenen Erkenntnisse, kann jetzt eine Strategie entwickelt
werden, mit der das Thema im Hinblick auf politische Entscheidungs- oder
Gesetzgebungsprozesse, Imagebildung oder auch mögliche Krisenherde in Sinne
des Unternehmens begleitet und gesteuert wird. Public Affairs Strategien zielen in
der Regel auf mittel- und langfristige Erfolge. Im Laufe eines solchen Prozesse wird
sich die Ausgangslage verändern, weil zum Beispiel wissenschaftliche Erkenntnisse
eine Problematik neu beleuchten oder weil durch einen Regierungswechsel bedingt
andere Personen die politische Bühne betreten und neue Argumente in den
Diskussionsprozess einbringen. Die Strategie muss deshalb kontinuierlich an
veränderte Rahmenbedingungen und die jeweils aktuelle Sachlage angepasst
werden.
5. Umsetzung: Die Instrumente für die Umsetzung der in der Strategie festgelegten
Maßnahmen orientieren sich an den Zielen des Kunden, der Wirksamkeit bezogen
auf die Entscheider und an den Optionen zur Steuerung des Themas. Entscheidend
ist, ob ein Thema offensiv oder zurückhaltend kommuniziert werden muss.
6. Grundsätzlich steht das gesamte Kommunikationsinstrumentarium zur Verfügung:
„Vom parlamentarischen Abend bis zum Einzelgespräch, von der
Unternehmenspräsentation bis zum Gutachten – das alles sind Instrumente von
Public Affairs.“29 Darüber hinaus findet auch die klassische PR mit
Pressemitteilungen, Veröffentlichungen in der Tages- und Fachpresse oder
Zeitungsanzeigen ihren Einsatz. Die gezielte Nutzung aller verfügbaren Instrumente
dient dazu, den Dialog und Austausch zwischen dem Unternehmen und den
beteiligten Akteuren in Politik und Öffentlichkeit konstruktiv zu fördern.
28 Jahn, Nico-Alexander/Brockhöfer, Peer: Issue Management als Public Affairs Tool. In: PR Report, 28.09.01, S. 12ff. 29 Samland, Detlev: Wo sich beim Lobbying die Spreu vom Weizen trennt. Interview mit Peer Brockhöfer in: PR Report, 28.09.01, S. 14
39
#Marginalie 11#
Parlamentarischer Abend:
Der Parlamentarische Abend ist eine mittlerweile fest etablierte Institution und dient
dazu, durch die Schaffung eines Gesprächs-Forums zwischen Unternehmen und
Verbänden einerseits und Parlamentsabgeordneten, Mitgliedern der Regierungen,
der Europäischen Kommission und den Spitzen aus Ministerialbürokratie und
Verwaltung andererseits, einen wechselseitigen Dialog zu initiieren.
#Ende Marginalie 11#
#Kapitel 3.5#
Lobbying
hat seine Wurzeln in der lateinischen Sprache und leitet sich ab von lobia, was so
viel heißt wie Vor- oder Wartehalle. In dieser Bedeutung hatte sich der Begriff
ursprünglich im britischen Unterhaus eingebürgert: In der Wandelhalle des
Parlaments trafen Wähler und Vertreter von Interessenverbänden mit den
Abgeordneten zu Gesprächen zusammen, um politische Kontakte zu pflegen und
ihre jeweiligen Interessen zu kommunizieren.
#Textkasten#
Lobby [engl. #einfügen Lautschrift, Satz vom Verlag gesetzt#], Vorhalle, Vorraum; Im parlamentarischen Sprachgebrauch die Wandelhalle im Parlament (ursprünglich
im britischen Unterhaus), wo die Abgeordneten mit Außenstehenden verhandeln
können. Daraus hat sich in den USA der Begriff des Lobbying (Lobbyismus)
40
entwickelt: Er bezeichnet die zuerst von den Wählern, dann von deren Vertretern,
heute bes. von Beauftragten (Lobbyisten) ganzer Interessengruppen vorgenommene
Beeinflussung der gesetzgebenden Volksvertreter. Vielfach setzt heute das Lobbying
schon ein, bevor das Parlament sich mit einem Gesetzentwurf beschäftigt, sei es,
dass die Lobbyisten Abgeordnete veranlassen, einen Gesetzentwurf bestimmten
Inhaltes im Parlament einzubringen oder dass sie auf die mit der Ausarbeitung eines
Gesetzentwurfs beschäftigen Ministerien Einfluss nehmen.
Quelle: Brockhaus Lexikon, Band 11, dtv, Mannheim und München, Band 11, 1999,
S. 89.
#Ende Textkasten#
Während das Lobbying in den USA von Unternehmen und Institutionen ganz
selbstverständlich genutzt wird, um politische Entscheidungen zu beeinflussen, ist
der Begriff in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung häufig noch negativ
besetzt. Das liegt zum einen an der Unkenntnis darüber, was sich hinter den
Aktivitäten der Lobbyisten genau verbirgt. Zum anderen gibt es auch hier – wie in
allen anderen Wirtschaftsfeldern auch – „schwarze Schafe“, die mit zwielichtigen
oder illegalen Handlungen politische Beratung in Verruf bringen. Aber hier gilt:
Korruption wird früher oder später fast immer aufgedeckt und ist daher untauglich,
Einfluss auf Dauer zu sichern.
Lobbying ist keine Geheimwissenschaft, sondern ein legitimes Instrument von Public
Affairs. Dabei geht es darum, eigene Interessen frühzeitig zu artikulieren, um so
einen Diskurs zwischen den Entscheider- und Unternehmenspositionen zu
entwickeln. Ziel des Lobbying ist es, auf den relevanten politischen Ebenen
Zusammenhänge sichtbar zu machen, den Gesprächspartnern auf der Basis von
seriösen Informationen Probleme und Handlungszwänge zu erläutern, damit
schließlich sachgerechte Entscheidungen gefällt werden können. Die Politik ist an
einem solchen effizienten Informationsaustausch grundsätzlich interessiert, weil die
Komplexität von Inhalten zugenommen hat und zudem nur wenige Politiker über
wirtschaftliche Erfahrungen verfügen, die es ihnen ermöglichen würde,
41
einzuschätzen, ob sich ein politischer Plan am Ende auch realisieren lässt. Laut einer
Studie von BASF und Emnid halten es 87 Prozent der befragten Politiker für nützlich
oder sehr nützlich, im Vorfeld von Gesetzesentwürfen mit Fachinformationen
versorgt zu werden. 89 Prozent begrüßen zugleich das Bewerten der Auswirkungen
von neuen Gesetzen durch die Wirtschaft.30
Das Maß an Sachverstand, das benötigt würde, um beispielsweise in der
Biotechnologie einen Sachverhalt zu beschreiben und Lösungen dafür zu suchen,
kann in den Ministerien nicht vorgehalten werden.31 „Weil Wirtschaftsverbände und
ihre Lobbyisten in vielgestaltiger Weise bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
mitwirken, entlasten sie gleichzeitig den Staat personell und finanziell: ‚Sachverstand‘
und ‚Vermittlung‘ sind für den Staat Leistungen, die (...) kostenfrei zur Verfügung
gestellt werden.“32 Dabei sind Vertrauen und Fingerspitzengefühl gefragt.
4. Public Affairs: Dach für strategische Kommunikation
Public Affairs ist für europäische Verhältnisse eine junge Disziplin. Die European
Public Relations Confederation (CERP) hat sich erstmals vor gut einem Jahrzehnt
mit Public Affairs befasst und das Arbeitsfeld wie folgt umschrieben:
„Public Affairs sind von einem Unternehmen getroffene Maßnamen, um die
folgenden Ziele zu erreichen:
a) eine Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen Klimas durch die
Beeinflussung von Regierungen, Meinungsbildnern und der breiten Öffentlichkeit.
30 Vgl. Politiker wünschen angeblich den Rat der Unternehmen. BASF und Emnid legen die erste Firmen-Studie zum Verhältnis von Wirtschaft und Bundespolitik vor. In: FAZ, 6.09.00, S. 30. 31 Vgl. Grunenberg. 32 Nickel, Ulrike: Lobbying – der Einfluss der Interessen. In: Schulze-Fürstenow, Günther/Martini, Bernd-Jürgen (Hrsg.): Handbuch PR. Öffentlichkeitsarbeit in Wirtschaft, Verbänden, Behörden. Neuwied 1998, Abschnitt 1.822, S. 4.
42
b) eine Begrenzung der negativen Auswirkungen der Aktivitäten einer Regierung in
wirtschaftlichen und sozialgesellschaftlichen Angelegenheiten, die das Unternehmen
betreffen.“33
Diese Charakterisierung trifft den Kern. Public Affairs ist eine
Kommunikationsdisziplin, die aufgrund ihrer hohen wirtschaftlichen wie
gesellschaftlichen Relevanz als wichtige Managementaufgabe zu begreifen ist. In
einer Welt, in der politische Entscheidungen nicht nur für die Entwicklung eines
einzelnen Unternehmens, sondern ganzer Wirtschaftszweige ausschlaggebend sind,
wird Public Affairs eingesetzt, um den unternehmerischen Erfolg durch gezielte
Eingriffe nachhaltig zu sichern und Krisen zu vermeiden. Der politische,
wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck auf Unternehmen wächst und macht es
notwendig, sich einer komplexen und integrierten Kommunikationsdisziplin zu
bedienen, die den Anforderungen einer globalen Wirtschaftswelt gerecht wird.
Public Affairs ist aus Sicht der Praxis als eine übergeordnete
Kommunikationsaufgabe zu verstehen, die als Dachfunktion alle oben beschriebenen
Begriffe integriert. Sie setzt an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Politik und
Wirtschaft an und bezieht sich damit auf alle Aktivitäten eines Unternehmens oder
einer Institution, die dazu eingesetzt werden, um die eigenen Anliegen gegenüber
Regierungen, Ministerien, Parteien oder öffentlichen Ämtern auf regionaler,
nationaler oder internationaler Ebene zu vertreten. Public Affairs ist ein aktiver,
strategisch geplanter, dialogorientierter Prozess, in dessen Verlauf sachliche
Informationen in die jeweils notwendigen Bahnen gelenkt werden mit dem Ziel, die
jeweils spezifischen politischen Interessen nachhaltig zu vertreten und konstruktive
Lösungen für Problemstellungen zu erarbeiten.
Die Aufgabe von Public Affairs ist mit der der Public Relations nicht zu vergleichen.
Während die Hauptaufgabe von PR die systematische Information der jeweils für ein
Unternehmen relevanten Teilöffentlichkeiten ist, „um Vertrauen und Verständnis für
33 Zit. nach Köppl, Peter: Public Affairs Management, Wien 2000, S. 20.
43
das unternehmerische Handeln zu gewinnen bzw. auszubauen“34, erfordern die sich
ständig wandelnden Rahmenbedingungen von Wirtschaft und Politik die aktive
strategische Gestaltung des unternehmerischen Umfelds. Public Affairs ist damit eine
Managementaufgabe, die aufgrund der Sensibilität und Komplexität ihrer Thematik
auf der Vorstandsebene angesiedelt sein muss. Mittels integrierter
Kommunikationskonzepte gilt es, die unterschiedlichen internen wie externen
Ebenen, auf denen sich ein Unternehmen bewegt, intelligent miteinander zu
vernetzen.
Dass die Integration von Public Relations und Public Affairs der „Schlüssel für eine
effiziente Mitgestaltung der gesellschaftlichen und politischen Meinungsbildung“35 ist,
gilt heute als sicher. In Abhängigkeit von Aufgabe und den relevanten Zielgruppen
wie Medien, Interessengruppen, Politikern oder Fachleuten werden Public Affairs-
Instrumente mit denen der klassischen PR ergänzt.
34 Meffert, Heribert: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik. Wiesbaden, 1991, S. 36. 35 Dowling, James H., Präsident der internationalen Agenturkette Burson-Marsteller zitiert nach: Köppl, S. 25.
44
III. Rahmenbedingungen von Public Affairs
45
III. Rahmenbedingungen von Public Affairs
#Motto#
Viele in der Wirtschaft wissen nicht, wie Politik funktioniert. Viele in der Politik wissen
nicht, wie Wirtschaft funktioniert.
Heinrich Doppler, Repräsentant von ABB in Berlin36
#Ende Motto#
1. Die Wahlen fest im Blick: Legitimations- und Entscheidungsstrukturen der Politik
Das Wesen der Politik liegt im Kompromiss und im Konsens. Demokratische Politik
benötigt die hinreichende gesamtgesellschaftliche Legitimation ihrer Ergebnisse. Im
Klartext: Politik braucht Mehrheiten, die in Wahlen immer wieder neu gewonnen
werden müssen. Und Wahlen sind eigentlich zu jeder Zeit. Neben Bundestags-,
Landtags-, Kommunal- und Europawahlen sind zahllose innerparteiliche
Abstimmungen zu bestehen, um Mandate und Position zu erlangen oder
abzusichern. Daher gilt: Gegen den Strom zu schwimmen ist für einen Politiker
„sicher höchst verdienstlich, als tägliches Brot jedoch kaum empfehlenswert“, wie der
Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis 1964 schrieb37.
36 Zitiert nach: Pischke, Theo: Wissen ist Macht. In: Die Woche, 24. März 2000. 37 Hennis, Wilhelm: Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik, Aufsatz von 1964, Nachdruck in Berliner Republik 1/2002, S. 20 ff.
46
#Kapitel 1.1#
Politik ist Verhandlungssache
Demokratisch erworbene Macht beruht nur zu einem geringen Teil auf Sanktionen
und Gratifikationen. Sie erwächst vielmehr aus der „Durchsetzung von Parolen und
der Verbreitung von Überzeugungen“38. Politik ist Verhandlungssache. Das hat nichts
mit „Hick-Hack“ und „Interessensklüngel“ zu tun, sondern entspricht unserem
Verständnis von einer funktionierenden Demokratie, in der Ergebnisse im Rahmen
von offenen, transparenten Debatten und auf dem Verhandlungsweg erzielt werden.
Von zentraler Bedeutung ist die Tatsache, dass Meinungsbildungsprozesse in einer
demokratischen Gesellschaft vom Grundsatz her öffentlich sind und nicht zuletzt
auch vom Widerspruch leben. Auseinandersetzung und Disput gehören zu einer
demokratisch geführten Kommunikation. Politische Kommunikationsprozesse sind
daher von Natur aus störanfällig und in der Regel auch langwierig. Daher „hinkt“ die
Politik – egal in welchem Land und von welcher Partei verantwortet – dem
tatsächlichen Regelungsbedarf so oft hinterher. Hinzu kommt, dass der
Kompromisscharakter politischer Entscheidungen oftmals Eindeutigkeit und
Nachvollziehbarkeit vermissen lässt.
Auf Seiten der Wirtschaft stößt dieses kommunikative Grundprinzip selten auf
Gegenliebe. Im Gegenteil: Ungeduld und Unverständnis sind an der Tagesordnung.
Gewohnt, nach dem in der Wirtschaft üblichen „top-down“-Prinzip Entscheidungen in
kleinen Führungsstäben herbeizuführen und dann in klar strukturierten
Unternehmenshierarchien zügig umzusetzen, erwarten Manager und Unternehmer
ähnliche Vorgehensweisen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Sie
können nur enttäuscht werden.
47
#Kapitel 1.2#
Politik ist komplex ...
Denn politische Steuerung in dem Sinne, dass Politik Entwicklungen zentral plant
und umsetzt, ist Illusion. Wer sollte dabei auch das letzte Wort haben? Der
Bürgermeister einer Gemeinde, die sich durch die Genehmigung von
Freilandversuchen mit genetisch verändertem Saatgut eine Industrieansiedlung mit
vielen neuen Arbeitsplätzen verspricht? Der Ministerpräsident des entsprechenden
Bundeslandes, dessen Koalitionspartner kritisch gegenüber der grünen Gentechnik
ist und im Falle der Aussaat droht, die Koalition platzen zu lassen? Der
Bundeskanzler, der sich die Förderung neuer Technologien auf die Fahnen
geschrieben hat? Soll der Nationale Ethikrat mitreden? Und welchen Einfluss haben
die betroffenen Anwohner und die Unternehmen, die ohne Freilandversuche im
internationalen Wettbewerb zurückfallen?
Die Fragen ließen sich beliebig fortsetzen. Keiner, der aufgezählten Beteiligten, ist
einem der anderen weisungsbefugt. Machtworte haben daher keine große
Reichweite. Von Willy Brandt ist ein Satz überliefert, der das Dilemma plastisch
beschreibt: „Wenn man als Politiker auf den Tisch haut, läuft man Gefahr, dass
lediglich der Tisch beeindruckt ist.“ Mit anderen Worten: Man muss überzeugen, um
zu gewinnen.
#Kapitel 1.3#
.... und die Macht verflochten
38 Galbraith, John Kenneth, Anatomie der Macht, München 1987.
48
„Einfache Verhältnisse gibt es nur noch in einfach strukturierten, nicht in
pluralistischen Gesellschaften“, konstatiert Horst Avenarius39. Die föderale Struktur
Deutschlands sorgt in vielen Politikfeldern durch die Aufteilung von Kompetenzen
zwischen Bund und Ländern für eine hohes Maß an Verflechtung und Intransparenz.
Den Vogel schießt dabei zweifellos die Medienpolitik ab. Die Marktaufsicht ist
zwischen Bund (Telekommunikation) und Ländern (Rundfunk) geteilt und die
gesetzgeberische Rahmensetzung auf 14 Landesmedienanstalten, die Kommission
zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, die Kommission zur Ermittlung
des Finanzbedarf und die Rundfunkräte der Sendeanstalten zersplittert. Nicht nur
ausländische Investoren verlieren in diesem Dickicht schon mal den Überblick.
Internationalisierung und Globalisierung haben in den zurückliegenden Jahren ein
Übriges hinzugetan. Die stete Verlagerung von Entscheidungen auf die europäische
oder internationale Ebene haben zwar die Gestaltungsmöglichkeiten nationaler
Politik eingeschränkt. Die Zahl derjenigen, die auf die wirtschafts- und
gesellschaftspolitischen Rahmensetzung Einfluss nehmen, ist dadurch aber nicht
kleiner, sondern – im Gegenteil – größer geworden.
Um die gegenseitigen politischen Abhängigkeiten, die aus diesem unübersichtlichen
Netzwerk erwachsen, durchschauen und die vielschichtigen Abstimmungsprozesse
sicher begleiten zu können, braucht man mehr als ein dickes Telefon- und Notizbuch.
Erforderlich sind „politisches Know-how, die Beherrschung von
Kommunikationstechniken sowie Erfahrung im Umgang mit politischen
Entscheidungsträgern, Interessengruppen, Aktivisten und Wissenschaftler.“40 Aus
diesem Grund findet man unter den Public Affairs-Verantwortlichen in Unternehmen,
Organisationen und Agenturen auch viele ehemalige Mandatsträger und
Amtsinhaber sowie Parlaments- und Regierungsmitarbeiter. Sie bieten Gewähr
dafür, dass die kommunikative Kluft zwischen Politik und Wirtschaft überbrückt
39 Avenarius, S. 297. 40 KöppL, S. 25.
49
werden kann und die Anliegen und Interessen aus Unternehmen seriös und
professionell in den politischen Prozess eingebracht werden.
2. Berlin ist nicht Bonn: Deutschlands gewandelte Politiklandschaft
„Politik ist nur das, was prominent vor allem in den elektronischen Medien
stattfindet.“ Diesen Leitsatz definierte jüngst der Journalist Thomas Leif als
Basislektion für jeden Minister, Oppositionspolitiker, Parlamentarier und Lobbyisten
in der „Berliner Republik“.41 Die Entscheidung von 1991 für Berlin als Hauptstadt des
geeinten Deutschlands hatte nicht nur tiefgreifende Auswirkungen für die Menschen
in Berlin und Bonn. Der Bundestagsbeschluss war der Startschuss für eine
Veränderung, die mehr ist als die städtebauliche Erneuerung im Herzen von
Deutschlands Hauptstadt. Nicht von ungefähr titelte die Berliner Zeitung zehn Jahre
später im Juni 2001 zufrieden: „Alle Macht geht von Mitte aus“42. In der Tat ist es
gelungen, aus dem ehemals geteilten Stadtzentrum einen Regierungsbezirk wie aus
einem Guss entstehen zu lassen. Bundestag, Bundesrat, Kanzleramt,
Landesvertretungen, Parteizentralen und Botschaften befinden sich – gemessen an
den Verhältnissen einer Großstadt – in unmittelbarer Nähe zueinander.
Dem ehemaligen Regierungssitz Bonn wurde während dessen eine neue Rolle
zugewiesen: die einer internationalen UN-Stadt. Die Infrastruktur der ehemaligen
Hauptstadt erweist sich dabei als gute Grundlage, um als Gastgeber für
internationale Kongresse und Konferenzen der UNO aufzutreten. Zu den bereits
vorhandenen UN-Einrichtungen sollen weitere hinzu kommen, damit der Status eines
UN-Headquarters erreicht wird. Mit dem Rollenwandel der beiden Städte veränderte
41 Leif, Thomas: Macht ohne Verantwortung, Medien-Disput der Friedrich Ebert-Stiftung, November 2000. 42 Paul, Ulrich: Alle Macht geht von Mitte aus. Berliner Zeitung, 20. Juni 2001.
50
sich auch die politische, die journalistische und die Verbandslandschaft in der
Bundesrepublik Deutschland.
#Kapitel 2.1#
Im Sog des Regierungsumzugs
Der Regierungsumzug hat die – von den einen erhoffte, von den anderen befürchtete
– Sogwirkung nicht verfehlt. Obwohl alle Bundesministerien bis auf das Außenamt
und das Innenministerium noch Arbeitseinheiten am Rhein haben und sechs der
insgesamt dreizehn Ministerien laut Umzugsbeschluss des Deutschen Bundestags
ihren ersten Dienstsitz auf Dauer in Bonn beibehalten, zieht es immer mehr
Unternehmen, Verbände und Interessenvertreter dort hin, wo sich das neue
Machtzentrum des vereinten Deutschland heraus bildet: nach Berlin.
Im Gegensatz zu Bonn ist Berlin eine Stadt ohne wirtschaftlich florierendes Umfeld.
In Bonn wurden die Kontakte zur Politik von viele Unternehmen und Verbänden
direkt von ihren Firmensitzen aus gepflegt. Düsseldorf, Köln, Frankfurt oder auch
Dortmund lagen eben nur „ein Katzensprung“ vom ehemaligen Regierungssitz
entfernt. Das ist nun vorbei! Berlin liegt, wie Meinhard Miegel beim Regierungsumzug
polemisch formulierte, in „stillsten Winkel der Republik“43 und erledigt sich nicht im
Vorbeifahren. Wer in der neuen Hauptstadt präsent sein und seinen Einfluss geltend
machen will, muss vor Ort sein.
Dies hat dazu geführt, dass sich inzwischen deutlich mehr Interessenvertretungen,
Repräsentanzen und Politikberatungen in Berlin angesiedelt haben als jemals in
43 Miegel, Meinhard: Die neue Hauptstadt: Künftige Metropole oder nur politisches Raumschiff wie Bonn? In: DIE ZEIT, 36/1999, S. 11.
51
Bonn. Allein bei den Hauptstadtrepräsentanzen großer Unternehmen waren es bis
Ende 2001 bereits doppelt so viele wie früher in Bonn. Und weitere sind auf dem
Sprung an die Spree.
Seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre findet ein kontinuierlicher Zuzug von
Institutionen nach Berlin statt. Heute vertreten 120 Botschaften die Interessen ihrer
Länder in Berlin. Und nahezu alle wichtigen Interessensverbände wie der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder Branchenvertretungen wie
der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der
Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sicherten sich in den besten Lagen
Grundstücke zum Bau ihrer Vertretungen. Zahlreiche kleinere Verbände folgten
ihnen an nicht minder prominente Plätze. Insgesamt wird die Zahl der in der
Hauptstadt ansässigen Verbände und Vereinigungen inzwischen auf zirka 400
geschätzt. Der Deutsche Bundestag zählt in seinem aktuellen Verzeichnis zur
Registrierung von Verbänden und ihren Vertretern derzeit rund 1.700
Interessenvertretungen und Lobbyisten auf.
#Kapitel 2.2#
Mediale Umbrüche
Mit dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin im Sommer 1999 waren auch
die Medien zur Stelle. Einen Steinwurf vom Reichstag entfernt bezogen die großen
öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten ihre Hauptstadtstudios. In den
Nebenstraßen etablierten sich kleinere Sender, Nachrichtenagenturen, Redaktionen
und Verlage. Die Bundespressekonferenz, der Zusammenschluss all derjenigen
52
Korrespondenten, die ständig über Bundespolitik berichten, zählt in Berlin gut 200
Mitglieder mehr als in Bonn. Die Zunahme resultiert aus der Tatsache, dass mehr
Anbieter denn je in den unterschiedlichen Mediensparten konkurrieren. Die Zahl der
Fernsehsender stieg seit 1984 von drei auf mittlerweile über 60. Im Printbereich
wuchs das Angebot seit 1990 um 54 Prozent auf über 850 Titel. Um den
Meinungsmarkt der Hauptstadt, einst in Bonn ganz unangefochten vom betulichen
Genaralanzeiger abgedeckt, ist in Berlin ein regelrechter „Zeitungskrieg“ entbrannt.
So demonstrieren die Medien in unterschiedlicher Weise die Machtansprüche der
vielzitierten „Vierten Gewalt“.
Ergänzt wird die Kombination aus Regierungsbezirk, Standort der Verbände und
Medienkonzentration durch die vielen noblen Firmenrepräsentanzen großer
nationaler und zahlreicher internationaler Unternehmen. Denn neben Brüssel ist
Berlin für internationale Organisationen und Unternehmen inzwischen der wichtigste
europäische Standort geworden.
3. Gestaltungsmacht organisierter Interessen: Verbände im Wandel
Die Bonner Republik der 50er Jahre schlug mit dem „Rheinischen Kapitalismus“ und
der Sozialen Marktwirtschaft einen damals neuen Weg der konsensualen
Interessenvermittlung ein, den man bis heute in keinem anderen Staat der Welt in
dieser Form antrifft. Von Anbeginn an hatten die Verbände dabei eine wichtige Rolle:
Sie trugen gleichermaßen zum Wiederaufbau der Bundesrepublik und zur Festigung
eben dieser Strukturen bei. Zum Beispiel die Unternehmerverbände: „Für eine
schnelle Reaktivierung der Industrie- und Handelskammern sprachen vor allem die
Interessen der Alliierten. Sie benötigten Unternehmerorganisationen, die im Rahmen
der fortdauernden Bewirtschaftungsmaßnahmen als Mittler zwischen
53
Besatzungsbehörden einerseits und dem einzelnen Betrieb andererseits dienen
konnten.“44
Es lag weder im Interesse der Verfassungsgründer der Bundesrepublik Deutschland
noch im Interesse der Alliierten, eine Marktwirtschaft nach amerikanischem Vorbild
zu installieren. Vielmehr wurde eine soziale Marktwirtschaft propagiert, in der die
Marktkräfte durch Kartellkontrolle, aktive Sozialpolitik und vorsichtig steuernde
Wirtschaftspolitik gebremst und abgefedert werden. Dabei sollten gerade die
Interessenverbände eine wichtige Rolle spielen, ob nun als Tarifparteien oder als
Sozialverbände. Ihren institutionelle Verankerung fand diese Auffassung nicht zuletzt
in der gesetzlich festgeschriebenen Tarifautonomie, durch die den Arbeitgeber- und
Arbeitnehmerverbänden in Deutschland eine besondere, gesellschaftlich
bedeutsame Aufgabe zufällt. Sie zählen daher bis heute zu den einflussreichsten
Interessenvertretungen.
Die Arbeit der Verbände stellt also im besten Sinne ein konstitutives Element in der
politischen und parlamentarischen Arbeit der Bundesrepublik dar. Entsprechend ihrer
Bedeutung regeln die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Teil I
(GGO I) und ihr Besonderer Teil (GGO II), dass Verbände, aber auch einzelne
Lobbyisten, in Ausschusssitzungen oder Anhörungen ihre Sichtweise und
Einschätzungen in den parlamentarischen Meinungs- und Willensbildungsprozess
einbringen können. Die Parlamentarier unterstrichen damit die Auffassung, dass
Interessensvertretungen und Verbände für ein demokratisches Gemeinwesen
unverzichtbar sind.
#Textkasten#
Exkurs: Theodor Eschenburg über die Herrschaft der Verbände
„Herrschaft der Verbände?“ war der Titel eines Buches von Theodor Eschenburg,
einem der herausragenden Politikwissenschaftler des 20. Jahrhunderts, das 1955
44 Ullmann, Hans-Peter: Interessenverbände in Deutschland. Frankfurt am Main, 1988, S. 238.
54
erschien und die Diskussion um die Rolle von Interessenverbänden in der
parlamentarischen Demokratie wesentlich beeinflusste.
In dem empirisch angelegten Buch reiht Eschenburg zahlreiche Begebenheiten auf,
in denen Interesseneinwirkungen von außen auf Politik und Verwaltung die Normen
der verfassungsmäßigen Praxis konterkarierten, und warnte vor Fehlentwicklungen.
„Wir haben einen traditionslosen Staat. Er muss sich erst wieder Respekt erwerben,
nämlich durch Parlament, Regierung und Verwaltung“, so Eschenburg. Er fürchtete
um die solide Verankerung des demokratischen Staatsaufbaus in der jungen
Bundesrepublik Deutschland, die ihre Spielregen und ihren Stil erst noch entwickeln
musste. So hatte Eschenburg gegen die Aktivitäten von Verbänden solange nichts
einzuwenden, wie sie nur ihre ureigensten Angelegenheiten vertraten, wohl aber,
„wenn sie selbst politisch für Ziele außerhalb ihres Interessenbereiches agieren“.
Eschenburgs Befürchtungen waren aus der Sicht jener Zeit nicht unberechtigt.
Damals musste sich das Gleichgewicht zwischen demokratisch legitimierten und
durch die Verfassung institutionalisierten Verfahren einerseits und
außerparlamentarischen Interessenvertretern andererseits erst ausbalancieren.
Eschenburgs Skepsis wird heute nicht mehr geteilt. Die moderne Politikwissenschaft
erkennt Interessenvertretungen als legitimen Teil eines demokratischen
Staatssystems an, und die Nützlichkeit von Verbänden zur Organisation von
Interessen steht außer Frage. Ob Unternehmer, Senioren, Umweltschützer,
evangelische Christen oder Autofahrer – sie alle haben ihre Fürsprecher in den rund
2.000 Bundesverbänden und fast 7.000 Berufsverbänden, die es in Deutschland
inzwischen gibt.
#Ende Textkasten#
#Kapitel 3.1#
Individualisierung macht auch vor Verbänden nicht Halt
55
Über die Jahre hat sich das Arbeitsumfeld der Verbände gewandelt. Ihre Zahl stieg
seit 1974 um sage und schreibe 140 Prozent an. Dennoch machen auch vor ihnen
Individualisierung und Pluralisierung nicht Halt. So wie den Kirchen, Parteien und
Gewerkschaften laufen auch den Verbänden die Mitglieder weg. Das hat vielfältige
Ursachen.
Waren Verbände in Bonn noch weitgehend exklusiver Ansprechpartner der Politik, so
müssen sie sich diese Rolle in Berlin immer häufiger mit anderen teilen. Die
steigende Komplexität der Fragestellungen auf der politischen Agenda berührt die
Arbeit der Verbände nachhaltig. Wenngleich es ihnen bei Grundsatzfragen wie
Zuwanderung oder Steuerreform auch heute noch vielfach gelingt, als „Stimme“ der
Wirtschaft zu agieren, so wird es in Einzelfragen immer schwerer, Themen
kompetent und mit einer Stimme zu vertreten. Bei komplizierten Gesetzesvorhaben
laufen die Interessen der Mitgliedsunternehmen längst nicht mehr immer in eine
Richtung. Zu beobachten war das in jüngster Zeit bei der Auseinandersetzung um
das Dosenpfand, wo Handel, international agierende Getränkeabfüller und
mittelständische Unternehmen wie Mineralbrunnen, Brauer und Winzer außer Stande
waren, eine gemeinsame Position zu formulieren und strategisch abgestimmt
gegenüber der Politik zu vertreten.
Als Folge dieser sinkenden Durchschlagskraft ist das Vertrauen der Unternehmer in
die lange Zeit allgemeingültige Einsicht geschwunden, wonach ein Verband die
gemeinsamen Interessen effizienter vertritt als ein einzelner Unternehmer selbst.
Wenn heute dennoch eine gemeinsame Haltung von Verbandsseite aus vertreten
wird, dann ist diese oft ein nur mühsam herbei geführter Kompromiss und damit
„notgedrungen wachsweich“, wie Stephan Jaeckel, ehemaliger Director Public Policy
bei Bertelsmann eCommerce, gegenüber der Wirtschaftswoche beispielhaft für Viele
bemängelt.45
#Textkasten#
56
Zufriedenheit schwindet – Ifo-Umfrage von 1997
In einer Befragung des ifo Institutes für Wirtschaftsforschung vom Juli 1997
antworteten 33 Prozent der befragten Unternehmer auf die Frage, ob sie sich von
ihren Wirtschaftsverbänden gut vertreten fühlten, mit „Nein“. Unterschieden nach der
Art der Wirtschaftsverbände antworteten im Hinblick auf die Fachverbände 33
Prozent mit „Nein“, auf die Arbeitgeberverbände 46 Prozent mit „Nein“ und im
Hinblick auf die Industrie- und Handelskammern 55 Prozent mit „Nein“. Auf die
Frage, ob es auf Bundesebene zu viele Spitzenverbände gebe, antworteten 80
Prozent mit „Ja“.
(Quelle: Burgmer, Inge-Maria: Die Zukunft der Wirtschaftsverbände, Bonn 1999, S.
21)
#Ende Textkasten#
4. Public Affairs Agenturen: Ein neuer Markt entsteht
Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Unternehmen und Organisationen
ihre Interessen – nicht nur, aber auch – direkt und ohne die Unterstützung eines
Verbandes kommunizieren. Wenn ein Thema ihre eigenen Interessen unmittelbar
berührt, beauftragen Unternehmen heute vielfach Beratungsgesellschaften, die sich
auf Public Affairs, politische Kommunikation und Lobbying spezialisiert haben.
„Partikularlobbying oder Interessenvertretung à la carte heißen die neuen
Zauberworte.“46
Verschiedentlich wird in Fachzeitschriften und Wirtschaftsmagazinen der Niedergang
der Verbände prognostiziert47. Diese Einschätzung ist überspitzt und unterschätzt die
Bedeutung, die Verbände nach wie vor für unser politisches System innehaben.
45 zit. nach Wirtschaftswoche, Nr. 38 vom 13.9.2001, S. 38 46 Burgmer, Inge-Maria: Die Zukunft der Wirtschaftsverbände. Bonn 1999, S. 87
57
Absehbar ist allerdings eine wachsende Konkurrenz für die Verbände durch
Agenturen und Politikberater, die sich auf Public Affairs spezialisiert haben.
Die großen Kommunikationsagenturen in Deutschland betrachten Public Affairs
inzwischen einhellig als Wachstumsfeld. Neben Großunternehmen und
Wirtschaftsverbänden werden in Zukunft auch mittelständische Unternehmen und
immer mehr öffentliche Auftraggeber und Nichtregierungsorganisationen Public-
Affairs-Dienstleistungen in Anspruch nehmen, um im Rahmen der immer stärkeren
kampagnenmäßigen Mobilisierung der öffentlichen Meinung auf Dauer mithalten zu
können. In den USA stellen letztere heute schon die Hauptgruppe der Public-Affairs-
Kunden dar.
5. Das 1x1 der Gesetzgebung: Rüstzeug für den politischen Alltag
Im Grunde genommen ist die Gesetzgebung nichts anderes als ein Bündel von
Kommunikationsregeln, die sicherstellen sollen, dass am Ende eine für alle
Teilnehmer verbindliche Entscheidung festgestellt werden kann. Dementsprechend
wichtig ist es, diese Regeln zu kennen und anwenden zu können, damit man sich am
politischen Prozess beteiligen kann. Es ist nicht nur von Interesse, zu verstehen aus
welchen sachlichen Gründen ein Gesetzgebungsverfahren in Gang kommt (z. B. die
Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes). Wichtig ist auch zu wissen, von wem
die Initiative für ein Gesetz ausgeht und warum zum jeweiligen Zeitpunkt. Die
Initiative für ein Gesetz kann nämlich entweder vom Parlament, vom Bundesrat oder
von der Bundesregierung ausgehen.
47 vgl. z. B. Wirtschaftswoche, Nr. 38, 13. September 2001, S. 37-39.
58
Die überwiegende Mehrzahl der Gesetzentwürfe wird von der Regierung in den
parlamentarischen Prozess eingebracht. Sie setzt mit ihrer parlamentarischen
Mehrheit im Bundestag und mit den Fachministerien die gesetzgeberischen Impulse.
Dies ist auf der Ebene der Landesgesetzgebung noch viel deutlicher als im Bund
spürbar.
#Kapitel 5.1#
Ein Gesetz entsteht
Gesetzentwürfe werden – wenn die Initiative von der Bundesregierung ausgeht – in
der Regel in den Fachabteilungen der Ministerien erarbeitet. Bereits in dieser ersten
Phase der Gesetzgebung ist externes Know-how gefragt. Häufig werden deshalb von
Seiten der Ministerien Anhörungen oder Runde Tische organisiert, um die Meinung
von Interessenverbänden und andere Sachverständigen zu einem
Gesetzesvorhaben einzuholen. Jenseits der Verbandsaktivitäten hängt es zu diesem
Zeitpunkt vor allem von der Initiative der von den geplanten Veränderungen
Betroffenen ab, ob die Ministerialbürokratie ihre Haltung kennt und diese im Idealfall
auch Gehör findet.
In dieser Phase sind viele Gesetzesvorhaben noch nicht öffentlich. Um dennoch
Informationen über die Pläne zu erhalten, sind die genaue Kenntnis des Politikfeldes
sowie regelmäßige Kontakte in die politischen Institutionen Voraussetzung.
Gesetzentwürfe aus dem Bundestag gehen in ihrer Mehrheit von der politischen
Opposition aus. Nicht selten stellen sie dann eine direkte Alternative zu einem
Gesetzentwurf der Bundesregierung dar und dienen mehr der politischen
Öffentlichkeitsarbeit, als dass sie auf tatsächliche Mehrheiten im Parlament zielten.
59
Auch Fraktionen veranstalten im Vorfeld eigener politischer Initiativen häufig
Expertenanhörungen oder lassen durch ihre Mitarbeiter Sachverhalte inhaltlich vor-
und aufbereiten.
Gesetzentwürfe des Bundesrates sind häufig mit Motiven unterlegt, die sich aus der
Verwaltungspraxis ergeben, denn die Bundesgesetze werden fast ausschließlich
durch die Verwaltungen der Länder und Kommunen ausgeführt. Hinzu treten
Finanzierungsfragen oder Konflikte, die sich aus der Kompetenzabgrenzung
zwischen Bund und Ländern ergeben. In der Praxis resultieren aus den Regelungen
des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung
sowie die Bundeskompetenz zur Rahmengesetzgebung vielfältige
Interessengegensätze zwischen den föderalen Instanzen. Eine besondere Qualität
besitzen die Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern, wenn eine
europäische Rahmenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll48.
Gesetzentwürfe der Bundesregierung werden vom federführenden Ministerium
zunächst zur internen Abstimmung an die anderen Ressorts gesandt. Im Anschluss
wird der Entwurf vom Kabinett mehrheitlich beschlossen und zunächst dem
Bundesrat zur Stellungnahme zugleitet. Vorlagen des Bundesrates gehen umgekehrt
zuerst an die Bundesregierung. Die Bundesregierung leitet dann die Vorlagen mit
den dazugehörigen Stellungnahmen weiter an den Bundestag, wo der Ältestenrat
den Zeitpunkt der ersten Lesung festlegt. Dieses Verfahren hat den Sinn, die Länder
von Anfang an in den Gesetzgebungsgang einzubeziehen und den Bundestag
rechtzeitig auf deren Einwände und Anregungen aufmerksam zu machen.
#Kapitel 5.2#
Vom Parlament in die Ausschüsse
48 vgl. dazu auch Kapitel IV Interessenvertretung in der Europäischen Union
60
Vor der ersten Lesung beschäftigen sich die Fraktionen der im Bundestag
vertretenen Parteien mit dem Gesetzentwurf. Auch hier wird arbeitsteilig gearbeitet,
d.h. in den Fraktionen nehmen zunächst die Facharbeitsgruppen eine erste
Bewertung vor. Es existieren verbindliche Fristregelungen, wann sich der Bundestag
nach Vorlage spätestens mit dem Gesetzentwurf zu befassen hat. Nach der ersten
Aussprache im Parlament wird das Gesetz dann für eine intensive Beratung den
zuständigen Fachausschüssen zugewiesen. Ein Fachausschuss des Bundestages
fungiert dabei als federführender Ausschuss, der die parallel erarbeiteten
Stellungnahmen abschließend mitberät und die Gesetzesvorlage mit oder ohne
Änderungsvorschlägen schließlich wieder dem Parlament zur 2. Lesung zuleitet.
Die Ausschussberatungen bieten zahlreiche Ansatzpunkte für Public Affairs-Arbeit.
Einerseits werden inhaltliche Argumente auf der Sachebene, zwischen den Ressorts,
auf der parteipolitischen Ebene und zwischen externen Experten und Politik
ausgetauscht. Der Informationsbedarf ist groß. Argumentationslinien werden
erkennbar. Chancen für Kompromisse und fach- oder parteipolitische Koalitionen
werden ausgelotet. Unabhängige Expertenrunden oder Enquetekommissionen
speisen ihre Gutachten oder Stellungnahmen in den parlamentarischen Prozess ein.
Zusätzlich wirken die Medien als Meinungsbildner. Sie transportieren die Debatte
nach außen, verstärken Zustimmung oder Widerstand die Positionen und wirken so
indirekt auf den politischen Abstimmungsprozess ein.
#Kapitel 5.3#
Zweite und dritte Lesung meist in einem Rutsch
61
Die Empfehlung des federführenden Ausschusses markiert das Ende der
fachpolitischen Debatte. Jetzt geht es noch darum, die fachpolitische Entscheidung
des Ausschusses zum Gesamtwillen des Parlamentes zu machen. Deshalb beginnt
mit dem Ende der Ausschussarbeit, mit der der Gesetzentwurf zu einer zweiten
Lesung und abschließenden dritten Lesung wieder dem Parlament zugeleitet wird,
der fraktionsinterne Abstimmungsprozess von neuem. Die Arbeitsgruppen der
Fraktionen beraten und sondieren, ob das im Ausschuss gezeigte
Abstimmungsverhalten auch für die Gesamtfraktion gilt. Ist dies nicht der Fall, so
können die Fraktionen im Rahmen der zweiten Lesung weitere Änderungsanträge
zum Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Übernimmt die Fraktion die
Position der Fachpolitiker in den Ausschüssen, so wird sich im Bundestag an die
Abstimmung in zweiter Lesung die abschließende dritte Lesung unmittelbar
anschließen und das Gesetz vom Bundestag nunmehr mehrheitlich verabschiedet
oder verworfen.
#Abb. 3: Schematische Darstellung der Gesetzgebung in Deutschland auf
Bundesebene#
#Kapitel 5.4#
Letzte Hürde Bundesrat
Überraschungen durch die Ländervertretung gibt es bei Gesetzgebungsverfahren
immer wieder. So setzte die Bundesregierung im Jahr 2000 spektakulär im
Bundesrat ihre Steuerreform mit einer unerwarteten Mehrheit aus SPD- und CDU-
geführten Landesregierungen durch. Gleichermaßen spektakulär scheiterte sie dort
62
ein Jahr später mit der Reform der Verpackungsverordnung, bei deren
Verabschiedung eine sicher geglaubte Mehrheit in letzter Minute zerbrach.
Länderinteressen sind mit Partei- oder Koalitionsinteressen keineswegs immer
deckungsgleich. Da die Länder die meisten Bundesgesetze durch ihre Verwaltungen
und Behörden exekutieren müssen, richten sie neben der regionalen Perspektive
auch einen sehr verwaltungspraktischen Blick auf die Gesetze. Aus diesem Grund
sind die kontinuierlichen Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern im
Rahmen der Erarbeitung von Gesetzentwürfen von großer Bedeutung. Würde jeder
Einwand der ausführenden Verwaltungen erst jetzt berücksichtigt, käme es zu
langwierigen Verzögerungen im Verfahren.
Das nach der 3. Lesung im Bundestag verabschiedete Gesetz wird im Bundesrat
ebenfalls zunächst in Fachausschüssen von Beamten der Landesregierungen
beraten. Lehnt der Bundesrat ein Gesetz ab, so kann er den sogenannten
Vermittlungsausschuss anrufen. Dieser Ausschuss wird zu gleichen Teilen von
Vertretern aus Bundestag und Bundesrat gebildet. Er hat den Auftrag mögliche
Kompromisse auszuarbeiten und zu unterbreiten.
Je nachdem, ob es sich bei dem Gesetz um ein Einspruchs- oder ein
Zustimmungsgesetz handelt, kommt der Arbeit des Vermittlungsausschusses eine
mehr oder weniger zentrale Rolle zu. Einspruchsgesetze kann der Bundestag mit
einem Mehrheitsbeschluss formal zurückweisen und das Gesetz auch gegen den
Willen der Länder in Kraft setzen. Berührt das geplante Gesetz jedoch wesentliche
Belange der Länder – ihre Finanzen, bestehende Landesgesetze oder ihre
Verwaltungen – so ist es zustimmungsbedürftig. Rund die Hälfte aller Bundesgesetze
sind heute sogenannte Zustimmungsgesetze.
#Marginalie 12#
Einspruchsgesetz:
63
Artikel 50 des Grundgesetzes schreibt die Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei
der Gesetzgebung des Bundes fest. Danach hat der Bundesrat im Regelfall das
Recht, gegen ein Gesetz des Bundestages Einspruch einzulegen
(„Einspruchsgesetz“). Diesen Einspruch des Bundesrates kann der Bundestag
zurückweisen.
#Ende Marginalie 12#
#Marginalie 13#
Zustimmungsgesetz:
Das Grundgesetz schreibt bei bestimmten Gesetzesmaterien (Finanzen, Verwaltung
und Gesetzgebung der Länder) die Zustimmung des Bundesrates vor. Verweigert
der Bundesrat seine Zustimmung und lässt sich im Vermittlungsausschuss kein
Ausgleich der Interessen herbeiführen, so ist das Gesetz gescheitert. Als
Zustimmungsgesetz ist ein Gesetz dann zu behandeln, wenn es die Belange der
Länder in besonderem Maße berührt. Dies trifft heute etwa auf die Hälfte aller
Gesetze zu.
#Ende Marginalie 13#
Um ein zwischen Bundestag und Bundesrat umstrittenes Gesetz dennoch zu
verabschieden, setzen im Vermittlungsausschuss, aber auch direkt zwischen den
Ländern oder zwischen Bund und Ländern vielfältige Verhandlungen ein. Hier
werden viele Fakten und Argumente noch einmal im Lichte vorstellbarer
Kompromisse geprüft. Wird der im Vermittlungsausschuss ausgehandelte
„Vermittlungsvorschlag“ von beiden Häusern, also Bundestag und Bundesrat,
angenommen, kann das Gesetz in Kraft treten.
Kommt kein Kompromiss zustande, so kann der Bundestag mit absoluter Mehrheit
der Stimmen („Kanzlermehrheit“) bei einem Einspruchsgesetz die Ablehnung des
Bundesrates zurückweisen und das Gesetz trotzdem endgültig verabschieden. Kam
die Ablehnung des Bundesrates mit Zweidrittelmehrheit zustande, wird im Bundestag
64
ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Bleibt der Dissens bei einem
Zustimmungsgesetz bestehen, ist das Gesetz gescheitert.
#Abb. 4: Schematische Darstellung des Prozessverlaufs bei Anrufung des
Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren#
#Kapitel 5.5#
Zwischen Verfahren und politischer Taktik
Für ein systematisches Public Affairs Management bieten das
Gesetzgebungsverfahren zahlreiche Anknüpfungspunkte, an denen man sich in den
Kommunikationsprozess „einklinken“ kann: durch Einspeisen von Fachwissen, durch
Entwickeln von Argumentationslinien, durch Bildung von schlagkräftigen Allianzen
oder durch persönliche Überzeugungskraft im direkten Gespräch mit Entscheidern
und Meinungsbildnern. Die Vielzahl der sowohl in das formale wie das informelle
Verfahren involvierten politischen Organe, Behörden, Parteien, Spezialisten und
Interessengruppen macht dabei eine gründlich geplante Kommunikationsstrategie
sowie ein abgestimmtes Vorgehen notwendig. Schließlich gilt es, die jeweiligen
Akteure des Verfahrens genauso einzubeziehen wie die relevanten
meinungsbildenden Medien. Verfahrens- und Institutionenkenntnisse sind für eine
aussichtsreiche Interessensvertretung folglich unerlässlich.
#Textkasten#
65
Politik im Netzwerk
Die Entstehung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes
Die Komplexität politischer Entscheidungen lässt sich exemplarisch am Beispiel des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verdeutlichen. Angesichts knapper
werdender Deponiekapazitäten, des Widerstands vieler Bürger gegen
Müllverbrennungsanlagen und eines gestiegenen Umweltbewusstseins nahm 1992
der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer die Novelle des Abfallgesetzes
von 1986 in Angriff. Ausgangsidee war, den Abfall bereits bei den
Produktionsverfahren zu vermeiden oder zumindest dem Verwertungskreislauf
erneut zuzuführen. Produzierendes Gewerbe, Abfallwirtschaft, Gewerkschaften,
Umweltverbände, kommunale Spitzenverbände, Bundesrat, Bundestag und
Umweltministerium waren deshalb am Entscheidungsprozess um
„Produktverantwortung“, „Stoffkreisläufe“ und „Wiederverwertung“ beteiligt.
Dieses (fach-)politische Netzwerk hat Florian Staeck in seiner Dissertation aus dem
Jahr 1999 einer sogenannten „policy-Analyse“ unterzogen.49 Dreh- und Angelpunkt
dieses neuen Ansatzes in der Abfallpolitik war, dass die Wirtschaft auf die
Änderungen im Gesetz hätte positiv reagieren müssen, um diesem zum Erfolg zu
verhelfen. Der Staat kann allein durch Regulierung die Wiederverwertung des Abfalls
als Rohstoff nicht garantieren. Das Gesetz lebt vom Mitmachen und von den
Fähigkeiten der Gesellschaft, das eigene Verhalten im Sinne der Gesetzesziele neu
auszurichten.
Insofern entstand zwischen den genannten Akteuren ein kompliziertes
Verhandlungsnetzwerk, in dem der ursprüngliche Gesetzentwurf in einem äußerst
konfliktträchtigen Prozess komplett umgearbeitet wurde. Die „Abfallvermeidung um
jeden Preis“ wurde nicht nur von den großen Wirtschaftsverbänden – flankiert vom
Wirtschaftsministerium – schroff abgelehnt, sondern auch die kommunalen
Spitzenverbände sahen in der „völligen Umgestaltung des Abfallrechtes“ einen
Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung. Die geplante Rückverlagerung der
Abfallwirtschaft auf die Produzenten ließ nicht nur Auswirkungen auf die
Produktionsprozesse der Unternehmen erwarten, sondern rüttelte auch am
49 Staeck, Florian: Vom Reformprojekt zur symbolischen Politik. Probleme der Politikformulierung im Netzwerk – dargestellt an der Genese des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, Berlin 1999.
66
Entsorgungsmonopol der Kommunen. Damit blieben dem Umweltminister nur noch
die ÖTV und die Umwelt- und Verbraucherverbände als politische Befürworter einer
Neuausrichtung der Abfallwirtschaft. Allerdings ging einigen Umweltorganisationen
der politische Ansatz nicht weit genug, während die ÖTV die Abfallentsorgung
verständlicherweise beim kommunalen Arbeitgeber bestens aufgehoben sah. Die
Entsorgungswirtschaft wiederum bezog eine vermittelnde Position zwischen
Umweltministerium und Wirtschaftsverbänden.
Es ist nicht überraschend, dass angesichts so tiefgreifender Interessengegensätzen
das Gesetzgebungsverfahren mehr als dreieinhalb Jahre in Anspruch nahm. Am
Ende wurde die Vorlage dann im Vermittlungsausschuss noch einmal komplett
überarbeitet. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in seiner verabschiedeten
Form stellte einen Kompromiss – Kritiker sagen einen Formelkompromiss – dar, der
nur noch wenig mit der ursprünglichen Intention des ersten Gesetzentwurfes gemein
hatte: „Während ursprünglich durch Umweltminister Töpfer ein Paradigmenwechsel
mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz intendiert war, bereitet die Bewertung der
Verbindlichkeit der einzelnen Vorschriften auch Juristen große Schwierigkeit,
insofern deren Normgehalt ‚auch nach eingehender Beschäftigung nur mit Mühe –
wenn überhaupt – ermittelbar ist‘“, urteilt jedenfalls der Politikwissenschaftler Staeck.
Hier ist nicht der Ort, dieses Resultat unserer „Verhandlungsdemokratie“ normativ zu
bewerteten. Fakt ist aber, dass sich die Politik heute öfter als früher in der Rolle
eines Moderators wiederfindet, der Positionen abfragt, bündelt und letztlich juristisch
fixiert. Das Beispiel zeigt auch, dass für alle, die sind in den vielstimmigen politischen
Prozessen zu Wort melden wollen, neben der inhaltlichen immer mehr auch die
kommunikative Kompetenz essentiell ist.
#Ende Textkasten#
67
IV. Public Affairs in Brüssel: Interessenverbände in der Europäischen Union
68
VI. Public Affairs in Brüssel: Interessenvertretung in der Europäischen Union
#Motto#
Die wettbewerbspolitischen Aktivitäten der Europäischen Kommission umfassen
inzwischen praktisch das gesamte Wirtschaftsleben."
Karel van Miert, EU-Kommissar50
#Ende Motto#
1. Brüssel: Public Affairs-Hauptstadt in Europa
Der politische Mittelpunkt Europas liegt in Brüssel. Die belgische Hauptstadt ist unter
anderem Sitz der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlamentes und
der NATO. Brüssel bildet mit Straßburg und Luxemburg das politische Dreieck der
Willensbildung. Hier entstehen Richtlinien und Verordnungen, Mitteilungen und
Entscheidungen, Grünbücher und Weißbücher. Und überall dort, wo politische
Entscheidungen getroffen werden, findet Lobbying statt. Es wird geschätzt, dass
heute mehr als 10.000 Lobbyisten in Brüssel beschäftigt sind.51 Hinzu kommen mehr
als 1.500 akkreditierte Journalisten. Die belgische Nationalbank hat ermittelt, dass
120.000 Arbeitsplätze in Brüssel direkt oder indirekt von der Europäischen Union
abhängen. Damit erreicht Brüssel einen der vordersten Plätze in den Städten mit der
größten Dichte an Politikberatern, Consultants und Lobbyisten. Die Unterschiede
zwischen Brüssel und Washington, D. C. verschwimmen immer mehr.
#Kapitel 1.1#
50 Miert, Karel van: Markt, Macht, Wettbewerb, Meine Erfahrungen als Kommissar in Brüssel, Stuttgart und München 2000, S. 387.
69
Europas Machtzentrum liegt in Brüssel
Die Europäische Union als Zusammenschluss von derzeit 15 Staaten benötigt
verschiedene Organe mit jeweils klar umrissenen Aufgaben und Befugnissen, um
über Gesetze zu entscheiden und Programme durchzuführen. Die wichtigsten
Organe sind neben Europäischer Kommission und Europäischem Parlament der Rat
(Ministerrat und Europäischer Rat) und der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz
in Luxemburg. Die „Brüsseler Bürokratie“ besteht aus rund 15.000 Beamten,
ausgewählt aus einem Vielfachen an Bewerbern. Sie nehmen die administrative
Arbeit der Europäischen Kommission vor und koordinieren die Interessen der
Mitgliedsländer sowie der Interessengruppen.
Unlängst wurden die Mitglieder der Europäischen Kommission, ihre Kabinette und
die zuständigen Generaldirektionen auf zahlreiche Bürogebäude in Brüssel verteilt.
Nun befinden sich alle Beamten eines Ressorts unter einem Dach mit „ihrem“
Kommissar – wie in einem Ministerium. Der Umstand, dass man alle Kommissare
und ihre engsten Mitarbeiter bis vor kurzem noch in einem Gebäude erreichen
konnte, entsprach nicht nur dem rechtlichen Status der Kommission als Kollegium,
sondern erleichterte auch die Arbeit der Lobbyisten. Der Nachteil war, dass die
Mitglieder der Kommission meist fernab ihrer Generaldirektionen arbeiteten. Diesem
Umstand wurde Rechnung getragen und Interessensvertreter legen heute längere
Wege durch Brüssel zurück, um ihre Gesprächspartner zu treffen.
#Marginalie 14#
Generaldirektion:
Als Generaldirektionen werden die fachspezifischen Dienststellen der Europäischen
Kommission bezeichnet. Der europäische Verwaltungsapparat in Brüssel kennt
heute 22 Generaldirektionen. Sie setzen den politischen Willen der wichtigen Organe
der EU um. An der Spitze jeder Generaldirektion steht der Generaldirektor, der dem
51 vgl. PR-Magazin, August 2001, S. 24.
70
für sein Ressort zuständigen Kommissionsmitglied untersteht. Der Kommissar trägt
die politische und sachliche Verantwortung für eine oder mehrere
Generaldirektionen.
#Ende Marginalie 14#
#Abb. 5: Die Organe der Europäischen Union#
Seit der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 und dem Abkommen von Maastricht
1992 fand in vielen Politikbereichen eine weitgehende Verlagerung der
Entscheidungskompetenz von den nationalen Hauptstädten der Mitgliedsstaaten
nach Brüssel statt. Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission Jacques
Delors hatte schon in einer Rede vor dem Europäischen Parlament 1987
angekündigt, dass „in den nächsten zehn Jahren 80 Prozent aller
Wirtschaftsgesetzgebung auf dem Gebiet der Steuer- und Sozialpolitik in Brüssel und
nicht mehr in den nationalen Hauptstädten Europas getroffen werden“.52 Die
Vertretung von Interessengruppen ist dabei seit Anfang an ein wesentlicher
Bestandteil aller Entscheidungsbereiche.
Als Ort der politischen Gestaltung ist Brüssel Ziel für alle Interessenvertreter und
Gruppierungen, deren Absicht die Beeinflussung der Entscheidungsfindung in der
Politik ist. Die Europäische Kommission hat Wert darauf gelegt, dass die aktive
Teilnahme am politischen Prozess der Europäischen Union nicht von der
ökonomischen Schlagkraft der Interessen abhängig gemacht wird. Abgeordnete und
Beamte stehen in täglichem Kontakt zu den Vertreterinnen und Vertretern großer
Firmen, aber auch kleineren Interessengruppen, beispielsweise aus dem Bereich der
Nichtregierungsorganisationen. Walter Hallstein, der erste Präsident der
Europäischen Kommission, verwies auf den gegenseitigen Vorteil der
Entscheidungsfindung mit Hilfe der Interessengruppen. Die als unvermeidlich
52 Zitiert nach: Köppl, S. 154.
71
erscheinenden Versuche der Einflussnahme sah er als „Integrationsfaktor“ an und
erkannte ihre Bedeutung als „Vorkompromisse nationaler Realitäten“,
gewissermaßen als Korrektiv zu den Entscheidungen der Administration.53
#Kapitel 1.2# Starke Lobbies in Brüssel
Von Anfang an versuchten Interessengruppen, sich in Brüssel breit und einflussreich
aufzustellen. Der größte Teil des EU-Haushalts geht nach wie vor in den
Landwirtschaftssektor der Mitgliedsländer. Dies wird sich auch mit der Erweiterung
der Union nicht wesentlich verändern. Kein Wunder, dass der Dachverband der
nationalen und regionalen Bauern- und Landwirtschaftsverbände (COPA) als einer
der ersten Euro-Verbände 1958 in Brüssel gegründet wurde. Sein Einfluss in den
folgenden Jahren auf die Entscheidungsfindung der Brüsseler Politik war zu der Zeit
unangefochten und steigerte sich noch ab dem Zusammenschluss mit COCEGA
(General Committee for Agricultural Cooperation in the European Community) im
Jahre 1962. Von Bedeutung waren drei weitere Interessengruppen: der europäische
Dachverband der Industrie UNICE (Union of Industrial and Employers
Confederations of Europe), auf der Gegenseite der Zusammenschluss der
Gewerkschaften ETUC (European Trade Union Confederation) sowie die
Dachorganisation von 800 europäischen Industrie- und Handelskammern
EUROCHAMBERS. Der wesentliche Vorteil dieser Bündelung von Interessen in
europäischen Dachorganisationen lag zum einen in der Zahl der vertretenen
Mitglieder, zum anderen in der puren Wahrnehmung der genannten Verbände als
erste Interessengruppen, denen es gelungen war, ihre nationalen Mitglieder und
Interessen in einer europäischen „Speerspitze“ zu organisieren. Die politische
Organisation Europas unter einem supranationalen Dach ging einher mit der
Erkenntnis der Lobbyisten, dass durch den Zusammenschluss nationaler Interessen
ein wesentlich einfacherer Zugang zu den Entscheidern auf europäischer Ebene zu
53 zitiert nach: Köppl, ebd.
72
finden war. Man traf sich gewissermaßen auf gleicher Augenhöhe. Es war deshalb
nur eine Frage der Zeit, bis andere nachzogen. Europäische Dachverbände
schossen nur so aus dem Boden und machten der Exklusivität weniger
einflussreicher Akteure in Brüssel ein Ende. Diese Entwicklung ist auf absehbare Zeit
nicht beendet. Mit der Entwicklung neuer Technologien, der Zersplitterung von
Interessen und der Neuaufteilung von Kompetenzen innerhalb der Europäischen
Union entstehen vielfältige neue Interessen, die sich unter einem separaten Dach
zusammenfinden.
#Kapitel 1.3#
Berlin oder Brüssel – wo sitzt die Macht?
Seit der Wiedervereinigung Deutschlands ist der Einfluss deutscher Interessen in
Europa weiter gewachsen. Das hat mehrere Ursachen: Zum einen haben die
deutschen Verbände frühzeitig erkannt, dass Brüssel in seiner Bedeutung als
Entscheidungszentrum gegenüber Bonn (nach dem Regierungsumzug Berlin) stetig
wichtiger wurde. Zum anderen begriffen die Unternehmen selbst, dass zur
Durchsetzung ihrer individuellen Interessen auch eigene Büros an beiden Standorten
hilfreich und nötig waren.
Ein neuer Trend erhöht den Wettbewerbsdruck auf die Verbände. Neben ihnen
bewegen sich zunehmend auch zahlreiche Public Affairs-Agenturen auf der Bühne
der politischen Interessenvertretung. Vom eingespielten und ritualisierten
Interessenabgleich durch die Wirtschaftsverbände fühlen sich immer weniger
Unternehmen ausreichend vertreten. Außerdem engagieren sich seit kurzem so
genannte "Law-Companies" stärker im Politikberatungsgeschäft. Während die
Agenturen für ihre Auftraggeber wie Unternehmen Public Affairs betreiben,
übernehmen die "Law-Companies" Mandatsgeschäftsführungen für ihre Klienten.
73
Diese Entwicklung lässt sich auch auf das föderale System Deutschland übertragen.
Natürlich gibt es eine Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der
Europäischen Union. Die Bundesländer wollten ihre individuellen Interessen
ebenfalls gebührend vertreten wissen und eröffneten Verbindungsbüros in Brüssel.
Der Run auf Brüssel begann gegen Ende der 70er Jahre, erreichte Mitte der 80er
seinen Höhepunkt und hält auch nach der Wiederherstellung der Einheit
Deutschlands an. Diese Vielschichtigkeit führte im Bereich der Interessenvertretung
zur Herausbildung von drei Säulen:
a) die Vertretung über einen eigenen Verband oder einen übergeordneten
europäischen Dachverband,
b) die direkte, eigene Vertretung vor Ort und
c) als zusätzliches Mittel die Beauftragung von Büros bei Anlässen, die ein
spezifisches, punktuelles Agieren notwendig machen.
Die Beauftragung externer Berater erfolgt aber auch vielfach aus dem Grunde, dass
auch diejenigen, die keine eigene Vertretung in Brüssel unterhalten, ihre Anliegen
transportieren und auf Entwicklungen reagieren wollen. Hierbei kommt der
Vertretung von Interessen zugute, dass die staatlichen Institutionen Deutschlands
individuell repräsentiert sind. Diese Tatsache ermöglicht in vielen Fällen ein
abgestimmtes Vorgehen von staatlichen Interessen (beispielsweise eines
Bundeslandes) und Unternehmen (das z. B. seinen Sitz in diesem Bundesland hat).
An dieser Stelle kumulieren die Interessen und bilden oftmals einflussreiche
Koalitionen bei den Organen der Europäischen Union.
Eine Sonderkategorie bilden temporäre Allianzen von Unternehmen als Antwort auf
„European Governance“54 Konzepte. Diese Entwicklung resultiert aus der Erkenntnis,
dass rituelle Instrumente des schlichten Lobbyings den Ansprüchen modernen
Regierens nicht mehr entsprechen. Der Politikstil der Administrationen, die Art und
Weise ihrer Kommunikation hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert
und bildete eine bisher wenig erforschte „Grauzone“ für die Interessengruppen.
54 Im Weißbuch „Europäisches Regieren“ der Europäischen Kommission heisst es: „Die Kommission hat die Reform europäischen Regierens, also dessen, was als Governance bezeichnet wird, Anfang 2000 zu einem ihrer vier strategischen Ziele erklärt. [...] Noch im Rahmen der derzeitigen Verträge muss die Union damit beginnen, ihre Institutionen anzupassen und ihre Politik in den einzelnen Bereichen so kohärent zu gestalten, dass jeder leichter versteht, was die Union leistet und wofür sie eintritt. Eine Union mit größerem Zusammenhalt wird nicht nur intern stärker sein, sondern auch in der Welt eher eine Führungsrolle spielen können und zudem für die Erweiterung gut gerüstet sein.“; KOM (2001) 428 endgültig, S. 3.
74
Politik und Wirtschaft kommunizieren nicht mehr ein-, sondern vielspurig. Dadurch
wird es in vielen Fällen schwierig, dass eigentliche Zentrum der Entscheidung zu
finden. Daraus entstehen kurzzeitige Zusammenschlüsse von
Unternehmensinteressen und die Bildung neuer, schlagkräftiger Allianzen. Der
Zeitfaktor spielt dabei eine vorrangige Rolle: Nur wer in vorderster Reihe mitspielt
und Probleme frühzeitig erkennt, ist in der Lage, seine Interessen klar zu formulieren.
So kann die Frage „Berlin ODER Brüssel?“ nur mit einem „UND!“ beantwortet
werden. Wer die Entstehung eines Gesetzes in Brüssel kippen will – ein Stichwort ist
hier die unlängst gestoppte EU-"Übernahmerichtlinie" –, sollte mit seiner
Überzeugungsarbeit in Berlin beim zuständigen Ressortministerium und im
Kanzleramt beginnen, damit das Kanzleramt seine Vertreter in Brüssel anweist, in
den Ratstagungen entsprechend abzustimmen. Für ein deutsches Unternehmen
funktioniert Issues Management in Brüssel ohne Rückkoppelung an Berlin nicht.
2. Rüstzeug für Brüssel: EU-Institutionen im Überblick
Voraussetzung für effektive Public Affairs-Arbeit auf EU-Ebene ist eine fundierte
Kenntnis der Institutionen, ihrer Befugnisse und der meinungsbildenden Abläufe bis
hin zur Entscheidung. Im Folgenden wird versucht, den Gang eines Gesetzes und
die unterschiedlichen Instrumente der Regulierung und Willensbildung deutlich zu
machen:
Im Rechtsetzungsprozess erarbeitet die #Europäische Kommission# Vorschläge. Sie
hat das Monopol auf Gesetzesinitiativen. Der #Europäische Rat/Ministerrat# trifft die
Entscheidungen nach Anhörung oder in Zusammenarbeit mit dem #Europäischen
Parlament#. Die Legislative liegt beim Ministerrat. Die Kommission „wacht“ darüber,
dass die Gesetze umgesetzt und durchgeführt werden. Neben der Initiativfunktion (s.
o.) obliegt der Kommission die Exekutive. Das Parlament ist am
75
Gesetzgebungsprozess beteiligt. Im Vertrag von Amsterdam (1997) sind die Rechte
des Europäischen Parlaments deutlich gestärkt worden. Das rechtsprechende Organ
der EU ist der #Europäische Gerichtshof#(EuGH).
#Kapitel 2.1#
Der Europäische Rat/Ministerrat
ist das rechtssetzende Organ der EU. Die Vorschläge der #Europäischen
Kommission# für #Richtlinien# und #Verordnungen# werden (meist in
Zusammenarbeit mit dem #Europäischen Parlament#) vom Rat – von Vertretern der
Mitgliedsstaaten im Ministerrang – beschlossen. Außerdem prägen die
Mitgliedsstaaten die Grundzüge der Politik der EU. Um diese Aufgaben
wahrzunehmen, tritt der Rat in zwei Formen auf: dem Europäischen Rat und dem
Ministerrat.
# Kapitel 2.2#
Der Europäische Rat
setzt sich aus Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zusammen und tagt
zweimal im Jahr. Hier werden die politischen Ziele der EU formuliert. Die Beschlüsse
des Europäischen Rats geben oft den Anstoß für Maßnahmen, über die lange Zeit
keine Einigung erzielt werden konnten. Der Europäische Rat beschließt aber keine
Richtlinien und Verordnungen.
#Kapitel 2.3#
Der Rat der Europäischen Union oder Ministerrat
76
verabschiedet Richtlinien und Verordnungen. Der Ministerrat tritt in unterschiedlicher
Besetzung zusammen, je nachdem, worüber er zu entscheiden hat. So gibt es den
Rat der Agrarminister, den Rat der Umweltminister, den Rat der Finanzminister etc.
Die Entscheidungen des Ministerrates fallen in der Regel einstimmig (nur in ganz
wenigen Bereichen mit einfacher oder mit qualifizierter Mehrheit).
# Kapitel 2.4#
Die Ratspräsidentschaft
umfasst den Vorsitz im Europäischer Rat und im Ministerrat. Sie spielt eine
maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Politik, besonders im Hinblick auf Impulse
für das Verfahren bei legislativen und politischen Beschlüssen im Ministerrat.
Aufgabe des Vorsitzes ist es, alle Tagungen des Ministerrats und des Europäischen
Rats zu organisieren, deren Vorsitz zu übernehmen und Kompromisse
auszuarbeiten, mit denen sich die entsprechenden Mehrheiten finden lassen. Der
Vorsitz entscheidet auch über die legislativen Vorhaben, die er während seines
Vorsitzes auf die Tagesordnung setzen möchte. Der Vorsitz im Rat wird von den
einzelnen Mitgliedsstaaten nach einer festgelegten Reihenfolge turnusmäßig für
jeweils sechs Monate (von Januar bis Juni bzw. von Juli bis Dezember)
wahrgenommen.
#Kapitel 2.5#
Das Europäische Parlament (EP)
besteht aus Vertretern der Mitgliedsstaaten der EU. Anders als die nationalen
Parlamente ist das EP keine wirkliche gesetzgebende Kraft. Es hat auch keine
Möglichkeit, den Gesetzgebungsprozess durch eigene Initiativen einzuleiten. Das EP
ist aber – unterschiedlich gewichtig – am Gesetzgebungsprozess beteiligt, je
nachdem, ob das #Anhörungsverfahren#, das #Zusammenarbeitsverfahren# oder
das #Mitentscheidungsverfahren# zur Anwendung kommt. Das EP setzt sich derzeit
77
aus 625 Abgeordneten zusammen. Jeder Mitgliedsstaat entsendet eine nach seiner
Größe festgelegte Anzahl an Abgeordneten in das EP. Diese werden alle fünf Jahre
in direkter Wahl nach dem Wahlrecht der Mitgliedsstaaten bestimmt. Deutschland hat
99 Abgeordnete.
#Kapitel 2.6#
Das Anhörungsverfahren
räumt dem EP nur ein ganz geringes Mitspracherecht ein. Bei diesem Verfahren
muss das EP zu einem Vorschlag der Kommission lediglich „angehört“ werden. Zwar
kann das Parlament auch eine Stellungnahme abgeben. Diese muss aber vom Rat
nicht berücksichtigt werden.
#Kapitel 2.7#
Das Zusammenarbeitsverfahren
gibt dem EP durch eine zweite Lesung ein erweitertes Mitspracherecht. Der Rat kann
sich aber durch einen einstimmigen Beschluss über den Willen der Volksvertretung
hinwegsetzen.
#Kapitel 2.8#
Das Mitentscheidungsverfahren
gibt dem EP umfassendes Mitspracherecht. Die Stellungnahmen des EP können
vom Rat nicht übergangen werden. Wenn sich das Parlament einem Entwurf
widersetzt, dann kann keine Entscheidung getroffen werden. Das EP hat damit ein
Vetorecht. Verordnungen und Richtlinien werden nach diesem Verfahren entweder
abgelehnt oder gemeinsam vom Präsidenten des Rats und dem Präsidenten des EP
unterzeichnet und nach der Veröffentlichung im offiziellen Amtsblatt wirksam.
#Abb. 6: Schematische Darstellung der Gesetzgebung in der Europäischen Union#
78
#Kapitel 2.9#
Die Europäische Kommission
hat die alleinige Berechtigung zur Erarbeitung von Vorschlägen für neue Richtlinien
und Verordnungen. #Im engeren Sinn# besteht die Kommission aus 20 Mitgliedern –
den Kommissaren, die vergleichbar mit nationalen Ministern sind. Einer von ihnen
hat die Funktion des Präsidenten der Kommission. Die Regierungen der
Mitgliedsstaaten benennen im Einvernehmen den designierten Präsidenten und die
übrigen Mitglieder der Kommission. Der Präsident und die 19 Kommissare stellen
sich als Kollegium einem Zustimmungsvotum des EP. Das EP kann das gesamte
Kollegium ablehnen, aber nicht einzelne Mitglieder. Das EP kann die Kommission
auch während der Amtszeit durch ein Misstrauensvotum des Amtes entheben – das
gilt ebenfalls nur gegenüber dem gesamten Kollegialorgan (alle 20 Mitglieder). Jedes
Kommissionsmitglied ist für ein bestimmtes Aufgabengebiet zuständig (zum Beispiel:
Verkehrspolitik, Finanzpolitik oder Regionalpolitik). Den Kommissaren untersteht ein
Verwaltungsapparat mit etwa 16.000 Beamten, der sich in 24 Generaldirektionen
(vergleichbar nationalen Ministerien) gliedert – das ist die Kommission #im weiteren
Sinn#.
Vorschläge für Rechtsakte werden in den fachlich zuständigen Generaldirektionen
ausgearbeitet und schließlich von den Kommissaren als Kollegialorgan – mit
absoluter Mehrheit (mindestens 11 Stimmen) – beschlossen. Die Entscheidungen
über die Rechtsakte werden dann vom Rat – oder vom Rat gemeinsam mit dem EP
– getroffen. Besonders weitgehende Befugnisse hat die Kommission im Bereich der
Landwirtschaft und im Wettbewerbsrecht.
#Kapitel 2.10#
Ein Grünbuch
wird veröffentlicht, wenn die Kommission in einem Politikbereich Bedarf zum Handeln
sieht oder wenn sie vom Rat aufgefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen. Ein
Grünbuch beinhaltet eine umfassende Darstellung des Ist-Zustands, oft Szenarien
und eine Skizzierung des Handlungsbedarfs. Alle Mitgliedsstaaten, Organisationen,
79
Verbände oder Betroffenen können – innerhalb einer Frist – zu dem Grünbuch eine
Stellungnahme abgeben und Lösungsvorschläge unterbreiten. Die Kommission setzt
sich mit den eingegangenen Stellungnahmen auseinander und versucht, daraus eine
Strategie zu erarbeiten. Häufig folgt dem Grünbuch ein Weißbuch, das dann die
Grundlage für konkrete Maßnahmen bildet. Das Grünbuch bietet die Möglichkeit,
bereits zu einem sehr frühen Stadium die Politik der EU zu beeinflussen.
#Kapitel 2.11#
Ein Weißbuch
wird erstellt, wenn die Kommission in einem Politikbereich umfassende Maßnahmen
zu bewältigen hat. Im Gegensatz zu den Grünbüchern geben Weißbücher bereits
eine festgelegte Strategie mit (meist) konkreten Zielen vor. Weißbücher haben aber
keinen rechtlich verbindlichen, sondern einen politisch-programmatischen Charakter.
Sie sollen die Rechtsetzung (Richtlinie oder Verordnung) anstoßen, in Gang halten
und beschleunigen.
#Kapitel 2.12#
Richtlinien
sind verbindliche Rechtsakte der EU, die durch die Mitgliedsstaaten – innerhalb einer
vorgegebenen Frist (meist zwischen einem und vier Jahren) – in nationales Recht
umgesetzt werden müssen. Die Mitgliedsstaaten haben in der Umsetzung einen
gewissen Spielraum. Sie sind aber dazu verpflichtet, die Ziele einer Richtlinie zu
verwirklichen. Die Wahl der Form und der Mittel bleibt dem Mitgliedsstaat
vorbehalten. In der Praxis gehen aber immer mehr Richtlinien so sehr ins Detail,
dass die Spielräume der Mitgliedsstaaten zunehmend enger werden. Richtlinien
werden überwiegend in Mitentscheidungsverfahren entschieden.
#Kapitel 2.13#
Verordnungen
sind unmittelbar anwendbare Rechtsakte. Sie sind in allen Teilen verbindlich und
müssen von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Verordnungen treten (in allen Mitgliedsstaaten) an dem Tag in Kraft, der in der
80
Verordnung angegeben ist. Meist ist es der Tag der Veröffentlichung im offiziellen
Amtsblatt der Europäischen Union.
#Kapitel 2.14#
Entscheidungen
gehören neben Richtlinien und Verordnungen zu den verbindlichen Rechtsakten der
EU. Sie können an Mitgliedsstaaten oder an einzelne Personen bzw. Unternehmen
gerichtet sein. An Personen oder Unternehmen gerichtet, handelt es sich um
sogenannte individuelle Rechtsakte, die einen bestimmten Handlungs- oder
Unterlassungsauftrag geben. Sie sind damit vergleichbar mit Bescheiden. In der
Regel werden individuelle Entscheidungen von der Kommission erlassen und
betreffen meist das Wettbewerbsrecht. Wenn sich Entscheidungen an einzelne
Mitgliedsstaaten richten, dann haben sie eine ähnliche Wirkung wie Verordnungen –
sie wirken also unmittelbar und sind in allen ihren Bestandteilen verbindlich. Häufig
richtet die Kommission Entscheidungen an Mitgliedsstaaten, wenn sie unerlaubte
Beihilfen an Unternehmen leisten und damit den Wettbewerb verzerren. An
Mitgliedsstaaten gerichtete Entscheidungen können aber auch vom Rat oder vom
Rat gemeinsam mit dem EP erlassen werden.
#Kapitel 2.15#
Mitteilungen der Kommission
richtet die EU-Kommission an den Rat und an das EP, wenn sie diese beispielsweise
über den Stand ihrer Arbeiten in einem bestimmten Bereich informieren will. In
diesen Fällen kommt den Mitteilungen keine formelle Bedeutung im
Rechtsetzungsprozess zu. Jede Mitteilung wird als Kommissions-Dokument
veröffentlicht. Oft erfolgt auch eine Veröffentlichung im offiziellen Amtsblatt.
#Kapitel 2.16#
Der Europäische Gerichtshof (EuGH)
ist das rechtsprechende Organ der EU. Der EuGH kann von den anderen Organen
der EU und von den Mitgliedsstaaten angerufen werden. Die häufigsten Verfahren
vor dem EuGH betreffen Vertragsverletzungen durch die Mitgliedsstaaten. Diese
81
Verfahren können entweder von der Kommission oder von einem anderen
Mitgliedsstaat angestrebt werden. Daneben können auch die Körperschaften der EU
durch den EuGH für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden. Der EuGH
kann aber in bestimmten Fällen auch von einzelnen angerufen werden: wenn eine
individuelle Entscheidung der Kommission angefochten werden soll oder die
Kommission versäumt hat, eine individuelle Entscheidung zu erlassen. Solche
individuellen Rechtsakte richtet die Kommission normalerweise nur an Unternehmen
(juristische Personen).
Neben dieser formalen Struktur der Institutionen und Rechtsakte sind die informellen
Formen der Willensbildung wichtige Ansatzpunkte für die Public Affairs-Arbeit auf
EU-Ebene. Ob informelle Treffen der Ministerräte, Orientierungsbesprechungen des
Rates, Informationsveranstaltungen, Parlamentarische Abende und Netzwerktreffen
– sie alle gehören zum unerlässlichen Instrumentarium einer erfolgreichen Public
Affairs-Arbeit. Schließlich kommt es nicht nur darauf an zu wissen, welche
Entscheidungswege von Belang sind und wer wo welche Kompetenzen hat.
Entscheidend ist, dieses strukturelle Wissen mit Hilfe eines funktionierenden
Netzwerkes auch umzusetzen. Auch die Ergebnisse des Europäischen Konvents,
der im Februar 2002 seine Arbeit aufgenommen hat und innerhalb eines Jahres
Empfehlungen für eine Reform der EU-Institutionen unterbreiten soll, werden daran
nichts Grundlegendes ändern.
Das maßgebliche Kriterium für das zielgerichtete Durchsetzen der eigenen
Interessen ist auch in Brüssel die Qualität der Information. Eine umfassende und
ausgewogene Darstellung des Themas sowie eine fachlich fundierte Begründung für
die eigene Position, die zum richtigen Zeitpunkt kommuniziert werden, sind die
Voraussetzung, um Gehör zu finden. Zur nötigen Sachkompetenz gehört neben der
Vertrautheit mit der eigenen Argumentation auch die Kenntnis der Standpunkte aller
anderen, die an einem konkreten Willensbildungsprozess beteiligt sind. Henry Ford
hat dazu einmal gesagt: „Ein Geheimnis des Erfolgs ist es, den Standpunkt des
Anderen zu verstehen.“ Nur dann kann es gelingen, belastbare Kompromisse
auszuhandeln.
82
3. Ansatz zur Freiheit: Selbstverpflichtungen der Industrie
#Kapitel 3.1#
Ein neues Politikinstrument auf nationaler und europäischer Ebene?
Die EU-Kommission unter Romano Prodi wollte Pflöcke einschlagen. Dazu legte sie
ein Weißbuch mit dem Titel „New Governance“ vor. Weißbücher sind
Orientierungshilfen für eine spätere Gesetzgebung. In diesem Fall sollen die
Möglichkeiten der europäischen Politikgestaltung um einen wesentlichen Baustein
ergänzt werden. Neben Verordnungen und Richtlinien sollen freiwillige
Vereinbarungen mit der Industrie zum Regelfall werden.
Das Konzept ist einfach: Statt aufwendiger EU-Richtlinien (wie z. B. zur
Ausgestaltung der Traktorensitze) vereinbart die betroffene Industrie mit der EU-
Kommission, bestimmte Ziele auf einer festgelegten Zeitachse zu erreichen. Eines
der herausragenden Beispiele ist die Vereinbarung zwischen der europäischen
Automobilindustrie und der EU-Kommission zur Reduzierung der CO2-Belastung.
Darin verpflichtet sich die Industrie, bis zum Jahre 2008 die CO2-Emissionen für
neue Automobile um 25% abzusenken.
83
Andere aktuelle Vereinbarungen beziehen sich auf die Reduzierung des
Energieverbrauchs bei Spülmaschinen und bei Heißwasseraufbereitern, wie auch auf
den Schutz der Fußgänger durch entsprechende Veränderungen der Pkws. Und
schließlich liegt nun die PVC-Vereinbarung unterschriftsreif auf dem Tisch. Immerhin
verpflichtet sich die Industrie zur deutlichen Anhebung der Recyclingquote und zum
Verzicht von Stabilisatoren: bei Blei bis 2015 und bei Cadmium bis zum Jahresende
2002. Das Danze soll durch unabhängige Prüfer regelmäßig bewertet und zertifiziert
werden. Doch noch blockt das Europäische Parlament im Grundsatz. Weil es sich
die Mitentscheidung in der Gesetzgebung seit Maastricht und Amsterdam mühselig
erstritten hat, glaubt es sich gegen den vermeintlichen Verlust von Macht durch
freiwillige Vereinbarungen stemmen zu müssen.
Was steckt hinter dem neuen Politikansatz freiwilliger Vereinbarungen? Zu allererst
ein Politikverständnis, das Abschied nimmt von der Vorstellung, der Staat müsse
alles bis ins Detail regeln, das Abschied nimmt von der Haltung, den Bürger durch
Gesetze bevormunden zu müssen. Eine Politik, die gesellschaftliche Gruppen und
Bürger in die Verantwortung einbeziehen will, muss ihnen Freiheit durch Freiwilligkeit
eröffnen. Natürlich nicht unkontrolliert und ohne Regeln.
Die EU-Kommission, allen voran die Umweltkommissarin Wallström, will nun mit
einer Mitteilung zu Umweltvereinbarungen abstrakt den Rahmen für solche
Vereinbarungen setzen. Ihr bisheriger Vorschlag, der noch in der Kommission
abgestimmt werden muss, sieht zwei Alternativen vor: Die Softvariante verlangt, dass
eine Vereinbarung jeweils als Mitteilung der Kommission an Rat und EP gehen
muss. Beide können Stellung nehmen, Einfluss auf die Ausgestaltung haben sie
nicht. Die harte Alternative verlangt die Vorlage einer „vorsorglichen“ #Richtlinie#, die
bis zum Ende durchberaten und dann auf Eis gelegt wird - solange die Ziele der
Vereinbarung erreicht werden. Dieser Vorschlag wird auch Guillotine-Verfahren
genannt, denn immer dann, wenn die Industrie die freiwilligen Ziele nicht erreicht,
wird die Richtlinie sofort in Kraft gesetzt. Damit reduziert sich die Freiwilligkeit auf die
technische Umsetzung der Gesetzesvorgaben und von der Idee der freiwilligen
Vereinbarung bleibt nichts viel übrig. In Deutschland ist das Instrument der
84
freiwilligen Vereinbarung nichts Neues. Die Vereinbarung über den Ausstieg aus der
Kernenergie zum Beispiel wurde ohne Beteiligung des Bundestags festgeschrieben.
Als Gesetz wäre sie undenkbar gewesen. Als Vereinbarung ist sie ein Schritt in eine
vernünftige Richtung.
85
V. Public Affairs in der Praxis
86
V. Public Affairs in der Praxis
#Motto#
Politik ist sehr viel mehr als in der Vergangenheit Kommunikation. Erfolgreich ist, wer
kommunikativer ist als andere.
Gerhard Schröder, Bundeskanzler
#Ende Motto#
1. Das Handwerkszeug: Die grundlegenden Instrumente
Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als ob die Handlungsfelder von Public
Affairs deutliche Übereinstimmungen mit denen der klassischen PR aufweisen.
Ähnliches gilt für die jeweils zur Verfügung stehenden Instrumentarien. Das
entspricht nur zum Teil der Realität, denn Public Affairs folgt anderen Spielregeln als
die klassische PR. Die Aufgaben beider Kommunikationsdisziplinen sind, wie in
Kapitel 2 bereits beschrieben, verschieden. Auch Themen und Zielgruppen weichen
oft voneinander ab.
Zwischen den Instrumenten von Public Relations und Public Affairs gibt es zahlreiche
Überschneidungen. Das Repertoire beider Disziplinen reicht von A wie Aktionstage
bis Z wie Zeitungsannoncen. Ihr Einsatz unterliegt jedoch besonderen Bedingungen.
Dies hängt mit den politischen Entscheidungsstrukturen und zeitlichen
Rahmenbedingungen etwa für Gesetzgebungsprozesse genauso zusammen wie mit
den spezifischen Erwartungshaltungen und Arbeitsweisen politischer Journalisten.
Wichtig ist es vor allem, die gewählten Instrumente im politischen Raum zur richtigen
Zeit und bei der richtigen Zielgruppe einzusetzen. Sonst nutzen die besten
Argumente am Ende nichts.
87
So wird beispielsweise ein parlamentarischer Abend in Berlin, der inhaltlich sorgfältig
vorbereitet, aber außerhalb einer Sitzungswoche des Deutschen Bundestages
anberaumt ist, seinen Zweck vollkommen verfehlen, weil sich der Großteil der
avisierten Zielgruppe gar nicht in der Hauptstadt aufhält. Es bedarf nicht nur der
Kenntnis der einzelnen Public-Affairs-Instrumente, sondern auch deren virtuosen
Einsatzes vor dem Hintergrund politischer und administrativer Handlungsabläufe.
Public Affairs-Programme sind keine Angebote von der Stange, sondern immer
Maßanfertigungen. Für die jeweiligen Aufgabenstellungen werden Teams mit
erfahrenen Spezialisten zusammengestellt. Die Kerninstrumente ihrer Arbeit werden
im Folgenden beschrieben.
#Kapitel 1.1#
Politisches Monitoring
ist die systematische, kontinuierliche Beobachtung und Analyse von politischen
Aktivitäten, Trends oder Entscheidungen sowie öffentlichen Diskussionsprozessen in
Themenfeldern, die für ein Unternehmen in wirtschaftlicher oder strategischer
Hinsicht relevant sind. In Abhängigkeit von der jeweiligen Thematik erfolgt das
Politische Monitoring auf kommunaler regionaler, nationaler, europäischer oder auch
internationaler Ebene. Ziel des Monitorings ist die Identifikation sowie die laufende
Beobachtung und Analyse von Themen, die kurz- oder mittelfristig Auswirkungen auf
die Entwicklung einer Firma, einer Organisation oder einer Branche haben können.
Der Einsatz dieses Instruments bietet die Chance, frühzeitig Veränderungen zu
entdecken, die für ein Unternehmen von Vorteil sein können. Aus der genauen
Kenntnis der politischen Agenda erwachsen Informationsorsprünge, die dazu
beitragen können, die Marktchancen zu verbessern. Darüber hinaus trägt
systematisches politisches Monitoring dazu bei, dass potenziell kritische Themen
rechtzeitig erkannt werden und diese sich gar nicht erst zu einer handfesten Krise
auswachsen können.
Anders als das aus der PR bekannte Pressemonitoring ist das politische Monitoring
stets darauf ausgerichtet, alle notwendigen Informationen ‚aus erster Hand‘ zu
beschaffen. Zusätzlich zur Beobachtung allgemein zugänglicher Informationsquellen
(Pressespiegel, Rundfunk- und Fernsehauswertung, Internetangebote,
88
Pressemitteilungen, Newsletter etc.), gilt es deshalb, den direkten und persönlichen
Kontakt zu den relevanten politischen Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern
zu suchen und Expertenmeinungen einzuholen. Im Visier des politischen Monitorings
stehen demnach Vertreter von Parteien, Bundestag, Bundesrat sowie den
verschiedenen administrativen Einrichtungen (Ministerien, nachgeordnete Behörden,
Verwaltungen, etc.). Um das Bild abzurunden und potentielle Gegner oder
Befürworter einer Angelegenheit zu identifizieren, müssen darüber hinaus auch die
Stimmen von Verbänden, Gewerkschaften und (Bürger-) Initiativen gehört werden.
Wie differenziert das Monitoring angelegt werden muss, hängt von der Komplexität
und Brisanz der zu bearbeiteten Themen genauso ab wie von den jeweils verfolgten
Interessen. Beispiel Privatisierung von Staatsaufgaben in Deutschland und Europa:
Kaum ein Thema ist gleichermaßen konfliktträchtig in der Öffentlichkeit und
milliardenträchtig für potenzielle Investoren. „Geradezu exemplarisch prallen hier die
Kulturen öffentlicher Daseinsvorsorge und privater Gewinninteressen aufeinander
(...) und schüren Ängste und Vorbehalte der Bürger, mobilisieren Heerscharen
einflussreicher Staatsdiener, die um ihren Besitzstand fürchten, bringen
Bürgerinitiativen auf den Plan - potenzielle Zielgruppen für die Profis der Politischen
Kommunikation.“55
#Marginalie 15#
Daseinsvorsorge:
Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG verpflichtet die Gemeinden, mittels eigener
Einrichtungen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leistungen für alle Bürger und
Bürgerinnen zu erbringen. Darunter fallen in erster Linie die als elementar und
existenziell definierte Versorgung mit Wasser, Energie, Verkehrsinfrastruktur sowie
Dienstleistungen wie Bildung, Entsorgung, soziale und kulturelle Dienste. Die
kommunale Daseinsvorsorge einschließlich der dafür geschaffenen Einrichtungen
(Ämter, Betriebe, Unternehmen) sind Wesensbestandteil der kommunalen
Selbstverwaltung.
#Ende Marginalie 15#
55 Schulte-Döinghaus, Uli: Public Affairs à la carte. In W&V 36/2000.
89
Nicht nur bei so komplexen Themen hilft das politische Monitoring den Dschungel
von divergierenden Interessen und Zielen zu lichten. Auf Basis der gewonnenen
Erkenntnisse lassen sich die Interessenlage aller Beteiligten einordnen und
passgenaue Strategien, Handlungsoptionen und Dialogvarianten erarbeiten.
#Kapitel 1.2#
Frühwarnsystem
Ein zentrales Handlungsfeld im Rahmen von Public Affairs ist die frühzeitige
Definition und Erkennung von für das Unternehmen/die Organisation potentiell
relevanten Themen. Hieraus resultiert die Notwendigkeit zur Planung und
Implementierung von Frühwarnsystemen innerhalb eines Unternehmens/einer
Organisation.
Anstehende Gesetzesänderungen und politische Entscheidungen können einem
Konzern neue Chancen eröffnen. Sie können aber auch Wettbewerbsvorteile
bedrohen. Beides kann um so besser bewältigt werden, je früher die Entwicklung
erkannt wird. Es gilt, das politische Umfeld wie auch die Konkurrenz sorgsam im
Blick zu behalten. Wer rechtzeitig über die entsprechenden Informationen verfügt, ist
entscheidend im Vorteil. Ein Beispiel: „Die EU plant der Lackindustrie
vorzuschreiben, bestimmte Zusatzstoffe in Farben nicht mehr zu verwenden. Ziel (...)
kann es sein, das EU-Recht bei seiner Entstehung zu modifizieren oder wenigstens
längere Übergangszeiten durchzusetzen.“56
Auch mit Blick auf Aktivitäten etwa von Bürgerinitiativen erweist sich ein
Frühwarnsystem als effektives Instrument. Im Rahmen einer Fallstudie, in der rund
100 Krisenfälle eines Unternehmens über einen Zeitraum von 40 Jahren analysiert
wurden, stellt Frank Roselieb fest: „So konnten 40 Prozent aller Krisenfälle, die durch
Bürgerinitiativen initiiert wurden, (...) noch vor dem Eintritt in die akute Krisenphase
bewältigt werden. Bei drohenden Gesetzesänderungen und Auflagen zum Nachteil
des Unternehmens waren die Lobbyisten sogar in drei von vier Krisenfällen
erfolgreich.“57
56 Samland. In: PR Report, 28.09.01, S. 14. 57 Roselieb, Frank: Frühwarnsysteme in der Unternehmenskommunikation. Manuskripte aus den Instituten für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel. Nr. 512. Kiel 1999, S.10. Basis der Befragung sind 96 Krisenfälle eines deutschen
90
Für ein umfassendes Frühwarnsystem reicht politisches Monitoring allein nicht aus.
Neben den externen Stakeholdern (inklusive Kunden, Lieferanten,
Geschäftspartnern, etc.) muss ein Frühwarnsystem auch nach innen wirken und in
ein Unternehmen oder eine Organisation hinein greifen. So ist es wichtig, dass etwa
geplante Marketing-Projekte, Werbemaßnahmen oder auch Forschungs- und
Entwicklungsschwerpunkte vor ihrer Umsetzung auf mögliche politische Folgen hin
abgeklopft werden. Massive Preisreduzierungen eines Nahrungsmittelherstellers
oder eines Handelsunternehmens können betriebswirtschaftlich sinnvoll sein.
Werden sie jedoch zu einem Zeitpunkt umgesetzt, wo die Politik, wie seit der BSE-
Krise, massiv ein Ende des Preiskampfes und ein verändertes Einkaufsverhalten hin
zu qualitativ hochwertigen und höherpreisigen ökologischen Produkten fordert,
können drastische Reaktionen der Politik und ein signifikanter Imageverlust die Folge
sein.
#Marginalie 16#
Stakeholder:
Der englische Begriff umfasst so genannte Anspruchsgruppen, d. h. Individuen oder
Interessenvertretungen, die auf Unternehmensentscheidungen oder –entwicklungen
Einfluss nehmen können. Danach sind sowohl Mitarbeiter, Kunden, die
Standortgemeinde, Umweltverbände oder Aktionäre (Shareholder) als Stakeholder
anzusprechen.
#Ende Marginalie 16#
Um ein effektives Frühwarnsystem aufzubauen, bedarf es folgender Schritte:
#Abb. 7: Verlaufsmodell Frühwarnsystem#
Unternehmens, die sich zwischen April 1954 und März 1994 ereignet haben. Alle Daten wurden erhoben durch eine breit
91
#Textrahmen#
1. Informationen zu einem oder mehreren relevanten Themenbereichen werden
systematisch gesammelt.
2. Aus dem Konglomerat der intern wie extern zusammengetragenen Informationen
werden diejenigen heraus gefiltert, die Auswirkungen auf die
Unternehmensentwicklung haben können bzw. dem Unternehmen potenziell
schaden.
3. In der Phase der Analyse gilt es, mögliche Entwicklungslinien des Themas und
deren Auswirkungen auf das Unternehmen zu prognostizieren.
4. Die Entwicklung einer Strategie hat antizipierenden Charakter, d.h. es werden
verschiedene Szenarien erarbeitet, die den Verlauf einer Krise und die daraus jeweils
resultierenden Konsequenzen aus unterschiedlichen Blickwickeln beschreiben. In
Abhängigkeit von der Priorität und der Brisanz des Themas sowie der Position des
eigenen Unternehmens dazu werden dann Maßnahmen konzipiert, die einen aktiven
oder defensiven Umgang mit dem Thema erlauben.
5. Entlang der Maßnahmen wird abschließend aus der Palette aller zur Verfügung
stehenden Instrumente eine Auswahl getroffen, die jeweils auf die einzelnen
Zielgruppen zugeschnitten ist. Alle Unterlagen werden so vorbereitet, dass sie im
Ernstfall sofort zur Verfügung stehen. Dazu gehören zum Beispiel Krisenhandbücher,
Argumentationspapiere, Pressemitteilungen, persönliche Briefe oder Internetseiten,
die im Bedarfsfall ad hoc freigeschaltet werden können.
#Ende Textrahmen#
#Kapitel 1.3#
Politisches Audit
Das politische Audit dient dazu, die Entscheidung darüber, ob, wie und mit welcher
Zielsetzung ein Sachverhalt zum Gegenstand eigener politischer
Kommunikationsmaßnahmen gemacht wird, auf eine breitere Basis als das im Hause
vorhandene Know-how zu stellen. Durch den Kontakt zu Experten und Betroffenen
und deren Einbeziehung (z.B. in Form von Round-Table Gesprächen) werden auf
der Basis wissenschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Expertisen Sachverhalte
angelegte Dokumentenanalyse und mehrstufige Expertenbefragung im betreffenden Unternehmen.
92
oder Projekte hinsichtlich ihrer Tragweite abgeschätzt, Entwicklungen in einem für
ein Unternehmen relevanten Markt ausgelotet sowie Möglichkeiten und Grenzen für
die gezielte Steuerung einer Thematik ermittelt.
#Marginalie 17#
Round-Table-Gespräche:
Round-table-Gespräche stellen eine einmalige oder regelmäßige Informations- und
Meinungsplattform dar. Sie bieten Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft die
Möglichkeit, spezielle Fragestellungen miteinander zu diskutieren und
Problemlösungen, auch fächerübergreifend, zu erarbeiten.
#Ende Marginalie 17#
#Kapitel 1.4#
Analyse
Die Analyse dient der Einschätzung von Realisierungs- und Erfolgschancen eines
Projektes. Was bei der Issues Analyse oft nur auf ein Thema beschränkt ist, greift im
Rahmen des gesamten Public Affairs Managements sehr viel weiter. Aktuelle
Beispiele liefert die Liberalisierung des Strom- und Telekommunikationsmarktes.
Fusionen oder auch Übernahmen von Unternehmensanteilen sind hier politisch so
brisant, dass im Vorfeld eine intensive Analyse notwendig ist, damit ein Konzern
nicht wirtschaftlich sowie hinsichtlich seiner Reputation Schaden nimmt. Die
Bandbreite der zu berücksichtigen Aspekte reicht dabei von nationalem und
europäischem Wettbewerbsrecht über verbraucherorientierte Preisbildungsprozesse
bis hin zu arbeitsmarktpolitischen Fragen.
#Textrahmen#
Die wichtigsten Punkte einer Public Affairs-Analyse:
- Welche wirtschaftspolitischen Bereiche tangiert das Projekt?
- Wie sehen die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
aus (national/international), von denen die Durchsetzung des Projekts abhängt?
93
- Welche Akteure sind beteiligt, welchen Hintergrund haben sie und von welchen
Interessen werden sie geleitet?
- Welche Strategien und Machtmittel können sie einsetzen, um ihre Interessen
durchzusetzen?
- Welcher Akteur wird sich ggf. durchsetzen und welche Folgen wird dies kurz-,
mittel- oder langfristig für das eigene Unternehmen haben?
- Ist das Projekt dadurch grundsätzlich gefährdet bzw. wo lassen sich
Kompromisslinien finden?
- Gibt es Handlungsoptionen, um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen und wie
können diese aussehen?
- Welche Instrumente werden dazu benötigt?
#Ende Textrahmen#
#Kapitel 1.5#
Strategie
„Die Strategie“, so formuliert Marco Althaus, „ist die Lehre vom Gebrauch der
Gefechte zum Zwecke des Krieges.“ 58 Auch wer es weniger martialisch sieht, muss
ökonomisch mit den eigenen Kräften haushalten und die Züge des
Verhandlungspartners und auch möglicher Gegner voraussehen. Dazu dient die
Strategie. Aufbauend auf der Analyse der eigenen Stärken, Schwächen, Chancen
und Risiken enthält eine Public Affairs-Strategie Themenfelder, auf denen eine
Kampagne Erfolg verspricht, Zielgruppen, deren Unterstützung effizient zu gewinnen
ist, und eine zentrale Botschaft, die zum roten Faden jeglicher Kommunikation wird.
Und sie sortiert Themen und Gruppen aus, um die nicht gerungen werden soll.
Ausgangspunkt für die Entwicklung eines zielführenden Public Affairs-Strategie ist
die umfassende Standortbestimmung von Positionen und Spielräumen im Umfeld der
involvierten Dialogpartner. Im Bereich der politischen Kommunikation ist der direkte
Weg nicht immer der Gangbare und manchmal auch nicht der Effektivste. Bei der
Erarbeitung einer Strategie und den dazugehörigen kommunikativen Maßnahmen
sind deshalb Fingerspitzengefühl und Flexibilität gefragt.
Ziel von Public Affairs ist aber nicht nur die strategische Steuerung einzelner
Projekte. Mittel- und langfristig gehört der Aufbau von effektiven und belastbaren
94
Kommunikationsstrukturen zu allen relevanten Stakeholdern zu den Kernaufgaben.
Im Klartext heißt das:
- regelmäßiges „Beackern“ der Parlamente und Exekutivbehörden auf den relevanten
politischen Ebenen (Kommune, Land, Bund, EU) durch persönliche Gespräche,
Dialog-Veranstaltungen, Fachkongresse und Parlamentarische Abende,
- Aufbau eines steten Informationsflusses durch Weitergabe von verlässlichen
Informationen aus dem Unternehmen, fachlich qualifizierte Studien oder interessante
Expertenmeinungen,
- intelligente Bündnispolitik, um mit glaubwürdigen Partnern die Überzeugungskraft
und den potenziellen Einfluss zu steigern. Je nach Thema kann dazu auch das so
genannte „Grassroots Lobbying/Campaigning“ zählen, bei dem es darum geht, breite
Bevölkerungskreise zu mobilisieren, die mit den Interessen eines Unternehmens
oder einer Organisation übereinstimmen.
#Kapitel 1.6#
Issues Management
bedeutet die aktive Steuerung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen oder
politischen Themen zur Wahrung der eigenen Interessen. (Vgl. Kapitel 2)
#Kapitel 1.7#
Lobbying
bezeichnet den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu sowie die Artikulation der
eigenen Interessen gegenüber Regierungen und Parlamenten, Behörden und
öffentlichen Institutionen sowie Verbänden und Nicht-Regierungs-Organisationen
(NGOs). (Vgl. Kapitel 2)
Entscheidend für eine wirksame Interessenvertretung ist, dass die eigenen
Argumente fundiert zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Adresse gebracht werden.
Ausgangspunkt des klassischen Lobbyings sind deshalb der Aufbau und die Pflege
von politischen Netzwerken, also die Etablierung von Kontakten zu
Bundestagsabgeordneten, Mitgliedern von Parteien und Ministerien auf regionaler,
nationaler, europäischer oder internationaler Ebene. Sie sind die Grundlage für die
Organisation des Dialogs mit Entscheidungsträgern und Meinungsführern im
58 Althaus, S. 371.
95
politischen Raum, denn sie dienen dazu, auch nicht veröffentlichte Informationen zu
erhalten und gegebenenfalls ‚rückkoppelnd‘ auf die Entscheiderebene einwirken zu
können. Dafür muss ebenfalls bekannt sein, auf welcher politischen Ebene und von
welchen Personen Entscheidungen vorbereitet werden.
Von zentraler Bedeutung kann für ein Unternehmen zusätzlich die gezielte Bildung
strategischer Allianzen mit Verbänden, Bürgerinitiativen oder auch mit Unternehmen
sein, die ähnlich gelagerte wirtschaftliche Interessen haben.
Die Möglichkeiten der direkten oder indirekten Interessenvertretung sind vielfältig.
Das persönliche Gespräch zählt ebenso dazu wie die Planung und Umsetzung von
Veranstaltungen. Parlamentarische Abende, Kongresse oder Fachseminare sind
fester Bestandteil des Lobbyings.
#Textrahmen#
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Dialog mit Entscheidungsträgern und
Meinungsführern:
- Informationslücken füllen
- Informationsvorsprung schaffen
- Informationswege verkürzen
- Vertrauen gewinnen, glaubwürdig sein
- Nicht mauscheln und mauern
- Klarheit und Offenheit signalisieren
- Sachverstand vermitteln
- Öffentlich überzeugen
- Die richtigen Leute am richtigen Ort zusammenbringen
- Unauffällig arbeiten
(Quelle: Vgl. Handbuch PR, S. 5f.)
#Ende Textrahmen#
#Kapitel 1.8#
Presse- und Medienarbeit
96
im Bereich Public Affairs arbeitet mit Instrumenten, die aus der klassischen PR
bekannt sind. Autorenbeiträge werden genauso eingesetzt wie Pressemitteilungen,
Pressekonferenzen, Hintergrundgespräche und Journalistenreisen. Auch
Instrumente der klassischen Werbung sind denkbar. So werden auch bei uns immer
häufiger die im anglo-amerikanischen Raum weit verbreiteten sogenannten
„Advertorials“ eingesetzt – Anzeigen, in denen Unternehmen nicht für ihre Produkte,
sondern für ihre politischen Anliegen werben.
#Abb. 8: Offener Brief an den Bundeskanzler. Beispiel für ein Advertorial aus der
Flatrate-Kampagne von AOL aus dem Jahr 2000#
Presse- und Medienarbeit kann über das Umfeld der meinungsbildenden Medien
einen hohen Einfluss auf die Meinungsbildung der Politik-Entscheider haben. In
Unternehmen werden die spezifischen Besonderheiten politisch orientierter Presse-
und Medienarbeit häufig unterschätzt. So unterscheiden sich Arbeitsweise und
Erwartungshaltung politischer Journalisten signifikant von denjenigen anderer
Ressorts. Pressestellen von Unternehmen sind darauf meist nicht eingerichtet – nicht
nur bezüglich ihrer Presseverteiler, sondern vor allem hinsichtlich des Aufbaus und
des Sprachduktus ihrer Pressemitteilungen. In der Regel sind diese sprachlich durch
die allgemeine Unternehmenskommunikation und klassische Produkt-PR geprägt.
Wer sich in Politik einmischen will, muss aber deren Sprache sprechen. Oft
entscheiden Schnelligkeit und Prägnanz über Erfolg oder Misserfolg. Angesichts der
Informationsflut, die in den Politikressorts der Zeitungen und Rundfunkanstalten
gerade in parlamentarischen Sitzungswochen tagtäglich eingeht, ist vor allem eine
den politischen Nachrichten angepasste ‚druckfähige Schreibe‘ von größter
Bedeutung.
#Marginalie 18#
Produkt-PR:
97
Produkt-PR bezeichnet alle Maßnahmen der Public Relations, die das Produkt in den
Vordergrund der Information stellen. Themen der Kommunikation sind in diesem
Zusammenhang Inhaltsstoffe, innovative Techniken und neue
Nutzungsmöglichkeiten. Ziel ist die Absatzförderung. Produkt-PR ist zu
unterscheiden von Marken-PR, welche die Marke, ihre Persönlichkeit und ihre
Welten kommuniziert.
#Ende Marginalie 18#
Hinzu kommt: Politik ist ein schnelles Geschäft! Um im Ernstfall zügig agieren und
mit einer Stimme sprechen zu können, ist eine enge Verzahnung zwischen PR und
Public Affairs unerlässlich. Langwierige, über mehrere Hierarchieebenen gehende
Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren bedeuten das sichere Scheitern einer
effektiven Presse- und Medienarbeit im Bereich Public Affairs.
#Kapitel 1.9#
Krisen-PR
#Marginalie 19#
Krise:
Konfliktsituationen können durch den Gegensatz zwischen Eigeninteressen eines
Beziehungsträgers und öffentlichen/externen Interessen bzw. zwischen den
Interessen von Angehörigen einer Organisation ausgelöst werden. Krisen-
Frühwarnsysteme (Early-Warning-System, Schwachstellenanalyse) haben deshalb
im Unternehmen eine entscheidende Funktion. Sie dienen der kontinuierlichen
Motivation aller Mitarbeiter, auf potenzielle Krisenfaktoren zu achten.
Krisenkommunikation hat neben ihrer aktuell auftretenden Notwendigkeit eine
wichtige präventive Funktion.
#Ende Marginalie 19#
Als spezifisches Kommunikationsinstrument dient die Krisen-PR der Prävention
produkt- und unternehmensbezogener Risiken sowie – im Rahmen von akuten
Krisen – der Abfederung negativer Folgewirkungen.
98
Brent Spar, Holzmann oder BSE: Ereignisse, bei denen Unternehmen gehörig ins
Schleudern kamen. Krisen lauern überall und können – wenn nicht entsprechend
vorgebeugt wird – schneller ausbrechen, als man gemeinhin denkt. Unternehmen,
Behörden, Parteien, Vereine und Verbände, die sich heute noch sicher fühlen,
könnten morgen in eine brenzliche Lage geraten. Wichtig ist deshalb die
systematische Vorbereitung auf mögliche Krisensituationen und das Training für den
souveränen Umgang mit den dann notwendigen Instrumenten.
Die gestiegene Sensibilität von Politik und Medien rückt besonders die
gesellschaftliche Rolle von Unternehmen immer stärker ins Blickfeld der
Öffentlichkeit. Der Wettstreit der Medien um Auflagen und Einschaltquoten verstärkt
die Suche nach spektakulären Themen und Meldungen – der Druck auf das
Unternehmen in der Krise steigt – Fehlentscheidungen häufen sich. Die Folgen
können weit reichen – angefangen bei negativen Schlagzeilen über wirtschaftliche
Probleme mit Geschäftspartnern und Kunden bis hin zum Verlust von Renommee
und Glaubwürdigkeit in der öffentlichen wie politischen Arena. Eine empirische
Untersuchung der Universität Kiel zeigte jüngst, dass von 96 Krisenfällen immerhin
jeder dritte durch Medienberichterstattung über tatsächliches oder vermeindliches
Fehlverhalten des Unternehmens ausgelöst wurde.59
#Abb. 9: Relative Häufigkeit von Krisenursachen#
Eine langfristige strategische Planung und ein fundiertes Krisen-PR-Konzept tragen
von vornherein dazu bei, „ein Maximum von Handlungsoptionen in einer Krise zu
erhalten und daraus sogar Chancen aufzubauen“60.
Das Instrument der Krisen-PR, das ursprünglich aus dem Bereich der klassischen
PR stammt, ist heute ein grundlegender Bestandteil von Public Affairs, denn nahezu
jedes Krisenszenario zeigt Auswirkungen im politischen Raum. Daher stellt der
59 Vgl. Roselieb, S. 7. Vgl. Anm. 57. 60 Althaus, S. 365.
99
Bereich Public Affairs ein zentrales Element nicht nur der Krisen-Prävention, sondern
auch innerhalb der Krisen-Reaktion dar. Dies gilt umsomehr, als die Politik selbst
Auslöser von Krisen auf Unternehmensebene sein kann.
Der Vorteil von Public Affairs ist, dass diese Kommunikationsdisziplin ihre Wirkung
nicht erst bei Eintritt einer Krise entfaltet, sondern durch Instrumente wie politisches
Monitoring, Issues Management oder das Early Warning System Interessengruppen
und Themen mit Krisenpotential bereits im Vorfeld identifiziert.
2. Politik als Lehrmeister: Ohne Kampagnen kommt auch die Wirtschaft nicht mehr
aus
Kampagnen sind die notwendige Antwort auf die Mediatisierung von Politik und
Gesellschaft. Wer sich in der enorm ausdifferenzierten Medienlandschaft von heute
Gehör und Unterstützung verschaffen will, muss wirkungsvoll kommunizieren
können, damit seine Themen in der Öffentlichkeit verstanden werden.
Professionelles Kampagnenmanagement ist inzwischen längst nicht mehr nur auf
den harten Kern der Politik beschränkt. Nach Bürgerinitiativen, NGOs oder
Umweltaktivisten wie Greenpeace verspüren nun auch die Wirtschaft und ihre
Verbände den Wandel und sind um Kampagnenfähigkeit bemüht. Sie können dabei
von der Politik lernen. Denn in der Durchführung und Organisation von Public Affairs-
Kampagnen sind etliche Muster aus dem politischen Management anwendbar.
Aktionärsversammlungen geraten unversehens zur politischen Bühne. Attacken der
Kartellaufsicht, Verluste oder auch schon Gewinne, die hinter den Erwartungen
zurückbleiben, Umweltskandale oder Entlassungen können selbst den Großen arg
zusetzen. Diese Entwicklung spiegelt sich unter anderem in den durch die Medien
mitbeeinflussten Veränderungen – Stichwort: Inszenierung – in der Selbst- und
Außendarstellung der Unternehmen wider.
100
Dass die Medien mehr und mehr Bereiche durchdringen, die vor wenigen Jahren
noch durch ruhige Überzeugungsgespräche oder klassisches Lobbying geregelt
wurden, führt letztlich zu notwendigen Anpassungsprozessen in Art und Umfang von
Unternehmenskommunikation. Der Tatbestand, dass Unternehmen zunehmend
gezwungen sind, ihre interne und externe Öffentlichkeitsarbeit politischer und
Kampagnen orientierter zu gestalten, lässt sich aber auch aus zwei weiteren
Entwicklungen ableiten.
#Marginalie 20#
Unternehmenskommunikation:
Die Gesamtheit aller Kommunikationsinstrumente und –maßnahmen, die eingesetzt
werden, um ein Unternehmen und seine Leistungen den relevanten internen und
externen Zielgruppen darzustellen.
#Ende Marginalie 20#
Der eine liegt darin begründet, dass der in unserer Mediengesellschaft inzwischen
erreichte Grad an Transparenz die in der Gesellschaft vorhandene
Erwartungshaltung verstärkt, wonach sich Unternehmen in Anerkennung des im
Grundgesetz verankerten Grundsatzes der ‚Sozialverpflichtung des Eigentums‘
(Art.14/2 Grundgesetz) als ‚Corporate Citizen‘, d.h. als ‚gute Bürger‘ verhalten sollen.
Der zweite Grund knüpft hieran an und beinhaltet die wachsende Erkenntnis in der
Wirtschaft, dass die Einflussnahme auf gesellschaftliche und politische
Diskussionsprozesse nicht mehr allein durch die Wirtschaftsverbände erfolgen kann,
wie es lange Tradition war.
Immer häufiger werden Unternehmen auch bei übergeordneten, gesellschaftlich
sensiblen und heiklen politischen Themen zur individuellen Positionierung gedrängt,
zum Teil sogar durch öffentlichen Druck gezwungen. Ein plakatives Beispiel hierfür
ist die Diskussion um die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Die
Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft für den NS-Zwangsarbeiterfonds
versuchte, durch eine gezielte Kommunikationsstrategie nicht nur die Öffentlichkeit
für das Thema zu sensibilisieren und darüber zu informieren, sondern gleichzeitig
101
neue Mitglieder zu werben, um die notwendigen fünf Milliarden Mark freiwillig
zusammen zu bekommen.61 Von besonderer Bedeutung, so der Sprecher der
Initiative, Wolfgang Gibowski, war in diesem Zusammenhang die direkte persönliche
Kommunikation im Rahmen des Kampagnenmanagements.62 Obgleich gerade die
an der Initiative beteiligten Großunternehmen über große Stäbe für
Öffentlichkeitsarbeit verfügen, stehen hier ganz im Gegensatz zur klassischen
Unternehmens-PR oder auch zur PR- und Public Affairs-Arbeit innerhalb
strategischer Allianzen, nicht Einzelaktivitäten der Teilnehmer oder deren Summe im
Mittelpunkt des Interesses. Sinn und Ziel der Initiative war vielmehr, den Blick
wegzulenken von den einzelnen Unternehmen und der Initiative im Rahmen einer
gemeinsamen Kampagne eine einheitliche Stimme nach Außen zu verleihen.
Egal ob Wahl-, Sozial- oder Wirtschaftskampagnen, im Allgemeinen verfolgen
politische Kampagnen mehr, als reine Aufmerksamkeit zu wecken. Ziel ist, Vertrauen
in die Glaubwürdigkeit der Organisation, Institution oder Firma und Zustimmung zu
den eigenen Intentionen zu erzeugen. In einer ausdifferenzierten Mediengesellschaft
müssen sich gesellschaftliche Akteure an neue Formen der politischen
Kommunikation anpassen. Das Initiieren von Kampagnen erweist sich neben einem
soliden Public Affairs Handwerkzeug als eine andere geeignete Form, um komplexe
Inhalte und Intentionen gezielt an die Öffentlichkeit zu bringen. Daraus ergibt sich in
Europa ein Trend zur Annäherung an die USA, wo in Politik und Wirtschaft der
Einsatz von professionellen ‚Campaign Managern‘ eine Selbstverständlichkeit ist.
3. Wirtschaft als Lehrmeister: Auch Politik braucht Werbung
61 Vgl. auch: www.stiftungsinitiative.de. 62 Dieses, wie auch alle nachfolgenden Zitate von Wolfgang Gibowski sind der Abschrift seines Vortrags entnommen, den er auf der von der Agentur ECC Public Affairs organisierten Konferenz "Politische Kommunikation zwischen Aufklärung und Kommerzialisierung" (17./18. November 2000 in Berlin) gehalten hat.
102
„Werbung ist für mich ein Handwerk, und ich bekenne mich dazu, dass man für
Politik werben muss.“63 Mit diesem Bekenntnis begab sich der SPD-Generalsekretär
Franz Münterfering noch im April 1998 auf dünnes Eis. Werben, verkaufen und
inszenieren waren lange Zeit Unwörter in der Politik. Bis heute haftet ihnen der Makel
des Anrüchigen und Unpolitischen an. Das Spektrum der Kritik reicht vom Vorwurf
der politischen Prostitution bis zur Sorge vor manipulativen Anschlägen auf Hirn und
Gemüt der Bevölkerung.
So ist es dann auch kein Wunder, dass die Begriffe Werbung und Inszenierung in
einschlägigen Politiklexika überhaupt nicht vorkommen. Dabei ist Werbung aus dem
Werkzeugkasten der politischen Kommunikation nicht wegzudenken. Politische
Plakate waren seit jeher ein wichtiges Instrument, mit dem Parteien um
Aufmerksamkeit geworben haben. Der Grafiker Klaus Staeck hat immer wieder
eindrucksvoll vorgeführt, welch‘ politische Debatten sie auslösen können.
Lange Zeit gingen die Vorbehalte gegenüber politischer Werbung einher mit einer
merklichen Distanz, die die Kommunikations-Branche in Deutschland der Politik
entgegen brachte. Politikwerbung – das war etwas für Parteigänger. Die „Profis“
packten dieses Feld nur mit spitzen Fingern an. Der Hinweis, nicht für Parteien zu
arbeiten, gehörte zum guten Ton.
#Kapitel 3.1#
Vorbehalte schwinden
In jüngster Zeit schwindet die gegenseitige Reserve. Der Ruf der Parteien nach
professioneller Beratung wächst. Zwar wird von Seiten der Werbe- und PR-
Wirtschaft nach wie vor zu Recht die mangelnde Kontinuität und die vielfach fehlende
63 SPD bekennt sich explizit zur Inszenierung, in: Horizont 18/1998 v. 30.04.1998.
103
strategische Orientierung von Politik-PR kritisiert. Aber das Interesse, hier für
Verbesserung zu sorgen und ein neues Geschäftsfeld zu entwickeln, ist spürbar. Im
Bundestagswahlkampf 2002 werden alle Parteien mit Agenturen antreten, die zu den
Renommierten im Landes zählen und im Kreativranking auf den ersten Plätzen zu
finden sind.
#Kapitel 3.2#
Inszenierung plus Personalisierung ist nicht gleich Entpolitisierung
Die Mediengesellschaft bringt für die politische Kommunikation tiefgreifenden
Veränderungen mit sich. In der Mediendemokratie gilt: Alle Politik ist
medienvermittelt und worüber nicht in den Medien berichtet wird, das hat nicht
stattgefunden. Politische Kommunikation unter den Bedingungen der
Mediengesellschaft bedeutet Inszenierung, bedeutet Personalisierung, bedeutet in
gewissem Umfang auch Entpolitisierung. Kampagnen können auf unterhaltsame
Elemente nicht mehr verzichten. Botschaften müssen trotz der Komplexität vieler
politischer Probleme einfacher werden.
Es gibt gute Gründe, diese Entwicklung mit Skepsis zu verfolgen. Aber zurückdrehen
wird man sie nicht können. Längst hat die Talkshow den Ortsverein ersetzt. Im
Chatroom von Sabine Christiansen wird sonntags im Anschluss an die Sendung
angeregter diskutiert, als in jeder klassischen Parteiversammlung.
Politik richtig vermitteln, ist heute mehr als Pressearbeit und Verlautbarung. Das
Instrumentarium reicht von strategischem Agenda-Setting bis zum TV-Spot. Die
Übergänge zwischen Information und Werbung sind fließend geworden. Inzwischen
104
gehört es zum guten Ton, dass Politikerinnen und Politiker in Unterhaltungsshows
mitmachen und Nebenrollen in TV-Krimis und Familienserien übernehmen.
Nicht jedem schmeckt diese Entwicklung. „Es wird immer schwieriger, Sendungen zu
benennen, in denen Politiker nicht Teil der Show sind,“ beklagt jedenfalls der CDU-
Politiker Jürgen Rüttgers. Dennoch: Politik und politische Akteure kommen nicht
umhin, sich der Medienlogik anzupassen. Die Kunst liegt darin, das richtige Mittel für
den jeweiligen Zweck optimal zu nutzen.
Politik lebt von der Überzeugung. Man kommt nicht daran vorbei, dass es Emotionen
sind, die bei den Menschen für Aufmerksamkeit sorgen. Auch für die politische
Kommunikation spielen Emotionen daher eine zentrale, in der Vergangenheit aber
meist verleugnete Rolle. Zudem schließen sich Medieninszenierung und Information
nicht automatisch aus. Inszenieren heißt in Szene setzen und ist nicht
gleichbedeutend mit vernebeln. Der Kritik an politischen Inszenierungen stehen
inzwischen wissenschaftliche Untersuchungen gegenüber, die nachweisen, dass
rezeptionsfreundliche Darbietungen nicht zwangsläufig im Widerspruch zum
demokratischen Anspruch auf seriöse Information stehen. Im Gegenteil: Über
einfache politische Werbung können auch Zielgruppen erreicht und mobilisiert
werden, die mit informationslastigen Angeboten gar nicht ansprechbar wären.
#Kapitel 3.3#
Politik als reines Theater wird es nicht geben
So notwendig und unentbehrlich ein professionelles Informations- und
Kommunikationsmanagement künftig für die Politik sein wird – ohne Inhalte wird sie
auch in Zukunft nicht auskommen. „Elcections are won by verbs – proposals for
105
action – not by adjectives which flatter a candidate“, unterstreicht Dick Morris, der
über viele Jahre den amerikanischen Präsidenten Bill Clinten beraten hat.64 Politik
ausschließlich nach Drehbuch, Politik als reines Theater ist auch in der
Mediengesellschaft irreal. Politik bleibt auch in der Mediendemokratie das „Bohren
von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß“ (Max Weber). Wer dabei
künftig Erfolg haben will, wird allerdings anders als in der Vergangenheit auf
individuelle Medienkompetenz, professionelles Medienmanagement und Werbung
zwingend angewiesen sein auf.
4. Technologischer Wandel: Das Internet als Instrument für politische Kommunikation
„President Match“ nannte der Onlinedienst AOL eine seiner zahlreichen Websites,
die den 2000er Präsidentschaftswahlkampf in den USA begleiteten. Das sehr
erfolgreiche Programm: Man loggt sich ein, teilt seine Ansichten über bestimmte
politische Themen mit – und auf dem Bildschirm erscheint die Diagnose, welcher
Kandidat diesen persönlichen Einstellungen am ehesten gerecht wird.65 Direkte
Wahlhilfe über das Internet - eine für Europäer noch befremdliche Vorstellung.
Eine andere Neuerung aus dem amerikanischen Wahlkampf war die Online-
Lifeübertragung der Wahlparteitage, im Gegensatz zum Fernsehen, in voller Länge.
Das führt zum zentralen Punkt: Internet bedeutet Information. Ob
Informationsvermittlung oder Beschaffung, das Internet bietet hier gänzlich neue
Möglichkeiten. Jeder kann seine Inhalte ins Netz und so einer weltweiten
Öffentlichkeit ungefiltert zur Verfügung stellen. Unvorstellbar zur Zeit der klassischen
64 Morris, Dick: The New Prince Machiavelli updated for the 21st Century. Los Angeles 1999, S. 32. 65 Reitze, Helmut: Wer wird Kanzler in de.land? in: Siedschlag, Alexander/Bilgeri, Alexander/Lamatsch, Dorothea (Hrsg.): Kursbuch Internet und Politik, Band 1/2001, Opladen (2001), S. 23
106
Medien. „Eine sehr demokratische Funktion“ nennt Thilo Bode, ehemals Chef von
Greenpeace International, dieses Charakteristikum des Internets.66
Wer Informationen sucht, kann im Internet aus einem riesigen und kaum
strukturierten Informationspool schöpfen. Nicht nur die Datenmenge, auch die
Geschwindigkeit, mit der Daten online gestellt oder abgerufen werden können, macht
einen entscheidenden Vorteil gegenüber klassischen Medien aus.
Neben die Information tritt die Interaktion. Auch hier ist der Vorteil offensichtlich und
lässt sich in zwei Worten fassen: schnell und preiswert. Durch die Interaktivität und
die many-to-many-Kommunikation macht das Internet, anders als die one-way-
Kommunikation der klassischen Medien, einen tatsächlichen Dialog möglich – ein
qualitativer Sprung in der Massenkommunikation.
#Marginalie 21#
Many-to-many-Kommunikation:
Beim Internet handelt es sich um eine Many-To-Many-Kommunikation, d. h. alle
Beteiligten sind potenziell sowohl Sender als auch Empfänger. Dadurch
unterscheidet es sich von den klassischen Massenmedien wie Radio, Fernsehen
oder Zeitung, die One-To-Many (und auch nur in diese Richtung) arbeiten. Das
Internet bietet als interaktives, dezentrales Netzwerkmedium die Möglichkeit, mittels
Homepages, Email, Chats, Newsgroups, und Mailinglists das Sender-Empfänger-
Schema durch zweiseitige Kommunikation aufzubrechen.
#Ende Marginalie 21#
#Kapitel 4.1#
Das demokratische System verändert sich
66Statement im Rahmen der Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin am 17.11.2000.
107
Was bedeutet dies für politische Kommunikation und Public Affairs? Am
grundsätzlichsten ist hierbei die Diskussion um e-democracy, also die Frage,
inwieweit das Internet das demokratische System, wie wir es kennen, verändern
wird.67 Die Debatte dreht sich vor allem um Themen wie direkte Demokratie,
imperatives Mandat und Volksabstimmungen. Denn unbestritten bietet das Internet
neue Möglichkeiten einer stärkeren Partizipation der Bürger am politischen
Geschehen sowie größere Bürgernähe und Transparenz der staatlichen
Organisationen. Zudem entfällt die filternde gatekeeper-Funktion der Journalisten.
#Marginalie 22#
Gatekeeper:
In der Kommunikationswissenschaft wird Journalisten die sogenannte Gatekeeper-
Funktion zugewiesen. Sie fungieren als „Schleusenwärter“ für die als wichtig
eingestuften Themen, über die in Medien berichtet wird. Sie selektieren andererseits
die „unwichtigen“ Meldungen aus. Damit sind sie maßgeblich an der Aufstellung der
gültigen „Agenda“ der Öffentlichkeit beteiligt (Agenda-Setting) und werden folglich als
wichtige Multiplikatoren im Kommunikationsprozess aufgefasst.
#Ende Marginalie 22#
Auf eher technischer Ebene setzt die Diskussion zu e-voting an. Es handelt sich
dabei um die Möglichkeit online, also auch von zu Hause aus, zu wählen. Größte
Probleme sind einerseits der zentrale Aspekt der IT-Sicherheit68 und andererseits die
Frage, ob die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Wahl, die das
Bundesverfassungsgericht ja schon bei der Briefwahl in Frage gestellt hat,
eingehalten werden können. Zudem läuft eine Wahl im Internet immer Gefahr
zwischen Online-Umfragen (e-polling) und e-commerce-Anbietern unterzugehen.
Nahezu jeder für die Public-Affairs-Arbeit relevante Stakeholder ist inzwischen über
das Internet zu erreichen und stellt wichtige Primärquellen zur Verfügung. Ob der
Download von Bundestagsdrucksachen oder die Live-Übertragung von
67 Siedschlag, Alexander / Bilgeri, Alexander / Lamatsch, Dorothea: Elektronische Demokratie und virtuelles Regieren; in: dieselben (Hrsg.): Kursbuch Internet und Politik, Band 1/2001, Opladen (2001); S.9-20. 68 Internetwahl: In weiter Ferne so nah. MIT-Studie: Wahlen per Mausklick sind Zukunftsmusik; www.politik-digital.de/e-demokratie/forschung/mit-studie.shtml
108
Ausschusssitzungen der Bezirksregierung Düsseldorf, ob die Stellungnahme eines
Verbands zu einem Gesetzentwurf oder das Protokoll samt Teilnehmerliste einer
Beratersitzung bei der Europäischen Kommission: Vieles ist verfügbar.
Zeitersparnis und mehr Effizienz für Public Affairs Verantwortliche und Berater sind
die Folgen. Zugleich bieten die rasante Ausbreitung des Netzes und die ansteigende
Nutzungsintensität vielfältige und innovative Wege zur Informationsvermittlung, zur
Imagebildung und zur Implementierung zielgerichteter Kampagnen.
Als Wahlkampfinstrument ist das Internet im Zuge der Modernisierung und
Professionalisierung von Wahlkämpfen inzwischen auch in Deutschland
angekommen.69 Alle Parteien haben ihre externe Präsenz im Web ebenso kräftig
aufpoliert, wie die Angebote im Intranet. Kernziel hierbei: die Steigerung der eigenen
Kampagnenfähigkeit. Das Netz dient vor allem der Effizienzsteigerung in den
Bereichen Marketing und Logistik sowie die Beschleunigung der Kommunikation
zwischen Führung und Basis.70 So können auch Anregungen von der Parteibasis
zeitnah aufgenommen und in Wahlkämpfe eingebaut werden. Es entstehen virtuelle
Ortsvereine, die bei virtuellen Parteitagen auftreten. Das bietet auch Mitgliedern, die
den weiten Weg zur nächsten Parteiversammlung scheuen, die Möglichkeit sich an
der innerparteilichen Willensbildung und am politischen Geschehen aktiv zu
beteiligen. Wie so etwas geht, haben Grüne/Bündnis 90 und CDU im Jahr 2000 mit
virtuellen Parteitagen bereits gezeigt. Selbst Nichtmitglieder können so leicht erreicht
werden, zumal das Internet den Gegenpol zum oft in traditionellen Parteien
vermuteten ‚Muff’ zu bilden scheint.
Obwohl für den im Herbst 2002 anstehenden Bundestagswahlkampf eine neue
Qualität im Online-Wahlkampf erwartet wird, sind sich die Experten doch weitgehend
einig, dass das Internet – nicht zuletzt aufgrund des digital divide71 – zunächst nur
ein Ergänzungsmedium bleiben wird.72 Bill Clintons Wahlstratege Dick Morris
69 Vgl. hierzu ergänzend: Zerfaß, Ansgar/Fietkau, Karen: Interaktive Öffentlichkeitsarbeit - Der Einsatz von Internet und Online-Diensten im PR-Management, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung der Universität Erlangen-Nürnberg (Diskussionsbeitrag Nr. 89), 1997. 70 Machnig, Matthias: Organisation ist Politik - Politik ist Organisation; in: Forschungsjournal NSB, Jg. 14, Heft 3, 2001; S. 30ff. 71 http://www.bmwi.de/Homepage/Politikfelder/Informationsgesellschaft/infogesellschaft1.jsp. 72 Dr. Uwe Jun: www.politik-digital.de/wahlkampf/bundestagswahl2002/jun.shtml.
109
erwartet allerdings spätestens ab 2010 politische Kampagnen, die durch das Internet
dominiert sein werden.73
#Marginalie 23#
Digital Divide:
Digital Divide bezeichnet das Phänomen der Spaltung einer Gesellschaft in Bürger
mit und Bürger ohne Zugang zu den modernen Informations- und
Kommunikationstechnologien (z. B. Internet). Als Differenzierungsmerkmale gelten
insbesondere Altersstruktur, Ausbildungsstand und Wohngebiet. Jüngsten
Prognosen zufolge werden 21 Millionen Personen zwischen 14 und 69 Jahren in
Deutschlands Haushalten im Jahr 2003 von der Nutzung des Internets
ausgeschlossen sein oder sich ihr verweigern.
#Ende Marginalie 23#
Noch ein andere Aspekt wird im Wahlkampf eine Rolle spielen. Nicht zuletzt
aufgrund der technischen Aufrüstung sind die Wahlkampfkosten gestiegen. Das
Internet bietet mit dem in den USA erprobten, sehr erfolgreichen e-fundraising neue
Möglichkeiten des Spendensammelns.74 In Deutschland hatte dieses Instrument
Premiere bei den Grünen. Im Wahlkampf 2001 um das Berliner Abgeordnetenhaus
richteten sie auf ihrer Website die Möglichkeit ein, per Mouseclick und Kreditkarte der
grünen Kampagne finanziell unter die Arme zu greifen.
#Kapitel 4.2#
Zukunftspotenzial E-Lobbying
73 Public Affairs Newsletter, Vol.8 No.4 2002, DLAUpstream conference special, “Concentrating on the Grassroots”, S. 1. 74 Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander: Online-Fundraising – Der Weg zu neuen Spende(r)n; in: Joos, Klemens/Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander (Hrsg.): Mit Mouse und Tastaur – Wie das Internet die Politik verändert, München (2001); S.230-243
110
Die Vorzüge des Internets – Schnelligkeit, geringe Kosten, weltweite Nutzbarkeit und
Zielgenauigkeit – machen sich längst nicht nur die Parteien zunutze. E-lobbying wird,
laut Dick Morris, das traditionelle Lobbying ablösen. Morris glaubt, dass Lobbying
sich zunehmend in der Öffentlichkeit abspielen und auf Fernsehen und Internet
basieren wird.75 Folglich benötigte ein effizientes Lobbying in Zukunft nicht mehr als
einen Computer mit Internetanschluss, wo früher nur jahrelange persönliche
Kontakte den Erfolg garantieren konnten.
Kein Wunder also, dass sich hier Interessenvertretungen als Vorreiter etabliert
haben.76 Initiativen wie Greenpeace oder ATTAC nutzen das Internet zu weltweiter
Koordination und Informationsaustausch sowie für höchst effektive Online-
Kampagnen. Ohne das Internet wäre beispielsweise die enorme Schlagkraft der
Globalisierunggegner 1999 in Seattle nicht möglich gewesen. Allein bei Greenpeace
sind weltweit rund 50.000 sogenannte ‚Cyber-Activists‘ – Mitglieder und
Nichtmitglieder – mit e-campaining beschäftigt.77 Sie stellen ‚unabhängige
Informationen‘ via Internet zur Verfügung, initiieren nach dem altbekannten
Schneeballsystem Protestaktionen via E-mail oder richten sogenannte ‚hatepages’
ein, auf denen Verbraucher ihrem Ärger über Produkte oder die Geschäftspolitik von
Firmen freien Lauf lassen können. Auch die deutschen Gewerkschaften haben
nachgezogen. So startete ver.di im März 2002 seine erste Online-Kampagne zu dem
Thema Online-Rechte.78
#Kapitel 4.3#
Unternehmen sind noch unvorbereitet
75 Public Affairs Newsletter, Vol.8 No.4 2002 “Traditional lobbying and EU national governments to become irrelevant – Morris tells EU lobbyists”, S.1 76 Davis, Richard: The Web of Politics, New York (1999), S.65ff 77 Thilo Bode auf der Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin, 17.11.2000. 78 www.onlinerechte-fuer-beschaeftigte.de
111
Wirtschaftsunternehmen treffen solche Aktionen häufig noch unvorbereitet. Denn
eine interaktive Nutzung des Netzes zur Darstellung und Vertretung der eigenen
Interessen ist bei ihnen bisher noch selten anzutreffen. Im Rahmen ihres
Internetauftritts bilden sie häufig nur repräsentativ aufgemachte brochureware ab,
statt das Netz zur eigenen Positionierung als kompetenter Ansprechpartner und zur
gezielten Allianzenbildung zu nutzen. Konsequentes Monitoring von Chatforen und
unabhängigen Newsanbietern fehlt zudem in der Regel völlig. Dabei böte das
Internet die Möglichkeit, zielgenau mit den unterschiedlichen Zielgruppen zu
kommunizieren, dank Interaktivität auf Nutzer zu zugehen und über Online-Umfragen
und Fachforen den virtuellen Austausch zu fördern.
Dem Trend in den USA folgend sehen sich Unternehmen weltweit zunehmend
Angriffen aus dem Cyberspace ausgesetzt. Die Anzahl der Verbraucherforen,
Ratgeber und Hasseiten nimmt auch hierzulande massiv zu. Das Problem (wie
generell im Internet): die Seiten haben ihre Wirkung und das völlig unabhängig vom
Wahrheitsgehalt, der darin geäußerten Meinungen. In jedem Fall haben sie das
Potenzial, Kaufentscheidungen von Millionen Konsumenten zu beeinflussen, wecken
das Interesse der klassischen Medien und können sowohl das Ansehen, als auch
den Börsenwert eines Unternehmens empfindlich beeinflussen.
Lufthansa sah sich unlängst einer solchen Online-Demonstration ausgesetzt.
Hintergrund: Die Beteiligung der Fluglinie als Carrier bei der Abschiebung von
Asylbewerbern. Ziel von Organisationen wie „Kein Mensch ist illegal“ war ein ‚Denial-
of-Service-Angriff’, also der Versuch, mittels Massen-e-mails den Lufthansa-Server
zum Absturz zu bringen. Auch wenn dieser Angriff scheiterte, werden Unternehmen
mit solcher Art des Protestes künftig häufiger konfrontiert sein, zumal die Grenzen
zwischen legitimem Protest und strafbarer Handlung hier noch nicht eindeutig
ausgelotet sind.
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Das Internet bietet auf Grund seiner
Schnelligkeit, der Möglichkeit der exakten Ansprache und der Interaktivität für die
politische Kommunikation ein weites Feld an attraktiven Möglichkeiten. Diese
zielgerichtet, effektiv und damit auch effizient einzusetzen, um im
112
Meinungsbildungsprozess Gehör zu finden, wird die Herausforderung der nahen
Zukunft für Politikstrategen, NGOs, Unternehmen und Kommunikationsberater sein.
113
VI. Fallbeispiele
114
VI. Fallbeispiele
#Beispiel 1#
1. „Stop the Clock“ – Der Feldzug für die Flatrate
Public Affairs-Kampagne von AOL Deutschland
Ende 1999 konstatierte AOL Deutschland, dass Deutschland trotz fortschreitender
Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes bei der Internetnutzung und -
verbreitung im internationalen Vergleich weit zurücklag. Und das, obwohl das
Internet ganz oben auf der Agenda aller politischen Parteien stand.
Als größte Hürden für die Verbraucher auf dem Weg ins Internet identifizierte AOL
die im internationalen Vergleich hohen deutschen Telefongebühren sowie vor allem
das Fehlen einer Flatrate, eines günstigen Pauschaltarifs für den zeitlich
unbegrenzten Zugang zum Internet. Nach Ansicht des Unternehmens wurde dadurch
eine gesellschaftlich umfassende Nutzung des Internets in Deutschland verhindert
und damit zugleich die gesamtwirtschaftliche Dynamik beeinträchtigt. Dabei hatten
die USA – mit erschwinglichen Flatrate-Tarifen – längst die enormen Potenziale des
Internets für Wachstum, Innovation und Beschäftigung aufgezeigt.
Als entscheidendes Hindernis für günstige Flatrate-Tarife in Deutschland stellte sich
die zeitabhängige Berechnung der Durchleitungskosten im Ortsnetzbereich durch
den Ex-Monopolisten Deutsche Telekom AG heraus. Bei einem Pauschalangebot
bestand demnach für Internetzugangsdienste die Gefahr, dass die entstehenden
Kosten nicht mehr gedeckt werden konnten, weil der nach Minuten eingekaufte Preis
für die Vorleistung der Deutschen Telekom die dem Endkunden in Rechnung
gestellte Pauschale überstieg. Auf diese Weise musste sich beispielweise eine von
AOL angebotene Flatrate ab einer Nutzungsdauer von etwa 50 Stunden im Monat
zum Zuschussgeschäft für das Unternehmen entwickeln. Auch kleinere
Internetanbieter konnten im Wettbewerb nicht bestehen, wenn sie auf der
Großhandelsebene nach Minuten getaktete Zuführungsleistungen einkauften.
115
Trotz dieser offensichtlichen Problematik war das Thema bis zu diesem Zeitpunkt in
Deutschland von keinem wichtigen politischen Meinungsführer aufgegriffen worden.
Zudem war die Akzeptanz von AOL in der Politik gering. Das Unternehmen galt
damals als „amerikanischer Eindringling“, der vor allem durch lautstarke juristische
Auseinandersetzungen mit der Deutschen Telekom und deren Tochter T-Online
aufgefallen war.
#Kapitel 1.1#
Internet als Wirtschaftsfaktor
Vor diesem Hintergrund entwickelte AOL Ende 1999 die Kampagne „Stop the Clock“,
um dem Thema Flatrate sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit
Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Konzeption und Umsetzung dieser Aufgabe
oblag Dr. Gunnar Bender, Leiter Public Affairs bei AOL Deutschland, der zur
Unterstützung ECC Public Affairs Berlin beauftragte. Ziel war es, so schnell wie
möglich eine Flatrate durchzusetzen. Die Internetnutzung sollte mittels eines
günstigen Pauschaltarifs für eine größere Anzahl von Verbrauchern erschwinglich
werden. Auf diese Weise ließ sich parallel ein Beitrag für das Wachstum der
deutschen Wirtschaft leisten. Im Rahmen der Kampagne galt es:
- überzeugende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Argumente für die
Einführung einer Flatrate zu entwickeln,
- Meinungsbildner und Entscheider aus der Politik sowie der Öffentlichkeit gezielt für
das Thema zu sensibilisieren,
- die Schlüsselrolle der Deutsche Telekom transparent zu machen, die eine so
genannte Großhandelsflatrate einrichten müsste, damit Internet-Anbieter wie AOL
ihrerseits günstige, betriebswirtschaftlich vertretbare Pauschaltarife für
Endverbraucher anbieten können,
- Verbündete im politischen und wirtschaftlichen Umfeld zu gewinnen
- und Allianzen mit relevanten Zielgruppen zu schließen.
116
Der Maßnahmenkatalog reichte von Hintergrundgesprächen mit hochrangigen
Politikern und (Fach-) Journalisten über systematische Allianzenbildung, eigene
Veranstaltungen (Kongresse, Vortragsreihen, Messe-Events), die Erstellung
wissenschaftlicher Studien, die Platzierung von AOL-Repräsentanten bei öffentlichen
Foren, das Schalten von Anzeigen bis hin zu umfassender Presse- und Medienarbeit
inklusive einer Informationsreise für Journalisten nach Großbritannien.
Wichtigste Zielgruppe war die Politik mit Vertretern der Regierung sowie der
einzelnen Parteien auf Bundes-, Landes- sowie Regionalebene. Zur Ansprache
wurde systematisch ein politisches Kontakt- und Informationsnetzwerk aufgebaut.
Dabei galt es, Dialogorientierung, Kooperationswillen sowie Themenkompetenz des
Unternehmens zu unterstreichen. Zudem wollte AOL mit der Deutschen Telekom
gleichziehen, die als ehemaliges staatliches Unternehmen über ein solides Netzwerk
in der Politik verfügte.
Auch Wirtschafts- und IT-Journalisten stellten für AOL eine wichtige Zielgruppe dar.
Im Rahmen von Hintergrundgesprächen, Redaktionsbesuchen, Pressekonferenzen
und Mailings sollte der Zusammenhang zwischen einem günstigen Internetzugang
und mehr Wirtschaftswachstum vermittelt werden.
Um die Sachdiskussion inhaltlich besser steuern zu können, verstärkte AOL sein
Engagement in Fachverbänden und bildete strategische Allianzen, nicht nur
branchenintern, sondern auch mit Verbraucherverbänden und Initiativen. Im Verbund
mit ihnen positionierte sich AOL als „Anwalt der Verbraucher“ und stärkte gleichzeitig
seine Position als Trendsetter für E-Commerce und E-Communication.
#Kapitel 1.2#
Eine Studie zum Auftakt
117
Den Auftakt von „Stop the Clock“ bildete Anfang Februar 2000 die Veröffentlichung
einer im Auftrag von AOL an der Universität Potsdam erarbeiteten
wissenschaftlichen Studie. Die Untersuchung belegte die Bedeutung der Flatrate als
Motor für Ausbildung, Innovation, mehr Arbeitsplätze, wirtschaftliche Prosperität und
damit für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Daran anknüpfend schaltete AOL in allen großen Zeitungen ganzseitige Anzeigen.
Darin forderte der damalige CEO von AOL Europe, Uwe Heddendorp,
Bundeskanzler Schröder auf, für mehr Wettbewerb auf dem Internet-Markt zu
sorgen. Ein Appell, der ankam: Wenige Tage später stattete der Bundeskanzler auf
der CeBIT 2000 nicht nur der Deutschen Telekom, sondern auch AOL einen Besuch
ab. In einem weiteren Schritt wurde die Studie an alle Gesprächspartner aus der
Politik sowie an andere relevante Entscheider gesendet.
Im April sponserte AOL eine Fachkonferenz zum Thema „Removing E-Barriers“. Im
Rahmen der Konferenz wurde über bestehende Internet-Zugangshürden diskutiert.
Im Juni des Jahres sponserte AOL die Jahreskonferenz des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI) und war dort mit einer großen AOL-Zone samt Internet-
Café präsent. Bei beiden Veranstaltungen nahm das Unternehmen die Möglichkeit
wahr, persönliche Kontakte mit führenden Wirtschaftsvertretern und Mitgliedern der
Bundesregierung zu knüpfen. Diese Begegnungen wurden ergänzt durch zahlreiche,
über das Jahr verteilte Hintergrundgespräche der AOL-Spitze mit Bundesministern,
führenden Landespolitikern und sonstigen wichtigen politischen
Entscheidungsträgern.
#Kapitel 1.3#
Allianzenbildung als strategischer Schlüssel
118
Im Rahmen der Allianzenbildung forcierte AOL seine Aktivitäten in der Initiative D21
und im Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten, um
zentrale Initiativen im Bereich der IT-Entwicklung in Deutschland mit gestalten zu
können. Zudem war AOL seit Jahresbeginn im Gespräch mit der Bürgerinitiative
„Internet ohne Taktung“, die sich im Herbst 1999 in Berlin gegründet hatte. Um die
Gruppe der Befürworter der Flatrate zu erweitern und ein größeres Maß an
öffentlicher Aufmerksamkeit zu generieren, wurde im Juni auf Initiative von AOL und
IoT die „Internetkoalition für die Großhandelsflatrate“ ins Leben gerufen.
Gründungsmitglieder waren neben AOL und IoT das Europäische Institut für
Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Universität Potsdam, das Internet-
Unternehmen dooyoo.de, der Internet-Sprecher der CDU, Thomas Heilmann, sowie
der Internet-Provider freenet.de AG, dessen Beteiligung verdeutlichte, dass eine
Flatrate kein alleiniges AOL-Anliegen ist. Erstmals präsentierte sich diese Koalition
im Juni 2000 der Öffentlichkeit. In den folgenden Wochen schlossen sich wichtige
Politiker sowie weitere Technologieunternehmen an.
Zur öffentlichen Debatte über die Notwendigkeit einer Flatrate nutzte AOL auch das
eigene AOL-Internetangebot. In die interaktive Internet-Sendung „AOL-Live“ wurden
neben Stars aus Film, Funk und Fernsehen auch immer wieder Politiker eingeladen,
die u. a. auch zur Entwicklung des Internets und ihrer Haltung zur Flatrate befragt
wurden (u. a. Roland Koch und Wolfgang Thierse).
#Kapitel 1.4#
Europäische Nachbarn als Vorbild
Mit Blick auf anstehende Entscheidungen der zuständigen Regulierungsbehörde
(RegTP) zur Flatrate verstärkte AOL seine Aktivitäten nach der parlamentarischen
Sommerpause. Dabei fokussierten sich die Maßnahmen darauf, die positive Flatrate-
Entwicklung in Großbritannien bekannt zu machen und die Öffentlichkeit von der
119
Notwendigkeit einer Großhandelsflatrate analog zum britischen FRIACO-Modell zu
überzeugen. Dieses Modell war im Frühjahr 2000 von der britischen
Regulierungsbehörde erlassen worden und hatte in Großbritannien einen
regelrechten Flatrate-Boom ausgelöst. In Namensartikeln in renommierten Medien
erläuterte Uwe Heddendorp, warum eine Flatrate gerade mit Blick auf das von der
Regierung aufgelegte Programm „Internet für alle“ essentiell ist und listete die
ökonomischen Vorteile einer Flatrate auch für den Wettbewerber T-Online auf.
Ergänzend dazu organisierte AOL im November eine Journalistenreise nach London.
Die Reise diente dazu, deutsche Fachjournalisten über Hintergründe und
Auswirkungen des Flatrate-Urteils der britischen Regulierungsbehörde OFTEL vom
März 2000 zu informieren.
Unterstützt wurde AOL in dieser Zeit durch Aktivitäten von strategischen
Bündnispartnern, zu denen im Laufe des Jahres systematisch Kontakte geknüpft
wurden. So organisierten die Bürgerinitiative IoT (Internet ohne Taktung) und die
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände Anfang November gemeinsam eine
bundesweit wahrgenommene Übergabe von 40.000 gesammelten Unterschriften bei
der Regulierungsbehörde, mit denen Verbraucher ihrer Forderung nach einer
Flatrate Nachdruck verliehen hatten. Zudem schaltete die Initiative bundesweite
Anzeigen pro Flatrate.
#Kapitel 1.5#
Sichtbare Erfolge
Am 15. November 2000 verpflichtete die Regulierungsbehörde die Telekom zum
Angebot einer Großhandelspauschale. Mit dieser Entscheidung konnte AOL einen
bedeutsamen Erfolg in seinem Kampf um die Flatrate verbuchen. Auch das
öffentliche Meinungsbild zum Thema Flatrate hat sich durch die Kampagne
120
grundlegend verändert. Waren Pauschaltarife für das Internet zum Jahreswechsel
2000 sowohl in der Politik als auch in den Medien nicht der Rede wert, so gewann
das Thema im Verlauf der Kampagne zunehmend an Aufmerksamkeit. Meßbarer
Erfolg ist die seit Sommer 2000 deutlich gewachsene Zahl an positiven öffentlichen
Stellungnahmen zur Flatrate. Die Forderung nach kostengünstigen Pauschalpreisen
für das Internet hat Einzug gehalten in die Programme aller wichtigen Parteien im
Deutschen Bundestag und wird von zahlreichen Mitgliedern des Parlaments
vertreten. Selbst der Bundeskanzler hat sich in die Debatte eingeschaltet. Im
Sommer 2001 nannte er die Flatrate „eine gute Sache“ und appellierte an die
beteiligte Wirtschaft, Regelungen zu finden, „damit das Internet preiswerter wird“.
Der Erfolg von AOL spiegelt sich auch in einer unveröffentlichten Befragung eines
Wettbewerbers unter deutschen Politikern wider. Danach war AOL im Jahr 2000
ähnlich präsent in der Politik wie lang etablierte Unternehmen, z. B. IBM und
Microsoft. Bei der regelmäßigen Information durch Mailings und Newsletter lag das
Unternehmen sogar deutlich an der Spitze.
Die Medienresonanzanalyse ergab zudem, dass AOL in der öffentlichen Meinung
positiv als treibende Kraft in der Auseinandersetzung um eine Ausweitung der
Internetnutzung und der Reduzierung der Kosten anerkannt und in Bezug zur
Telekom als agierender Part angesehen wurde.
Nicht zuletzt wurde mit der Kampagne auch auf wissenschaftlicher Seite eine breite
Diskussion über das Thema Flatrate und die Ursachen der vergleichsweise geringen
Internetnutzung in Deutschland angestoßen.
#Kapitel 1.6#
Ziel erreicht?
121
Da die Deutsche Telekom – wie erwartet – gegen diese Auflage Einspruch einlegte,
wurde die „Stop the Clock“-Kampagne mit einer Vortragsreihe in Universitäten,
Journalistengesprächen in zentralen deutschen Medienstädten, Fachkongressen,
Vergabe von weiteren Studien über die sozialen und ökonomischen Auswirkungen
der Internets und der Eröffnung eines eigenen politischen Verbindungsbüros in Berlin
ins Jahr 2001 verlängert. Das juristische Verfahren war im Winter 2001/2002 noch
nicht abgeschlossen. Daher setzte AOL sein Engagement für eine Flatrate mit einer
Nachfolge-Kampagne fort.
#Beispiel 2#
2. Flagge zeigen für den Klimaschutz: e-mission 55 – business for climate
Eine Initiative der internationalen Wirtschaft
#Kapitel 2.1#
Die Herausforderung
Im Juli 2001 trafen sich die 168 Unterzeichnerstaaten des Kyoto-Protokolls zum UN-
Klimagipfel im Bonn. Dieser Gipfel hatte zum Ziel, die Details des Abkommens von
Kyoto zu klären, um es im Anschluss durch die nationalen Regierungen zu
ratifizieren.79 Mindestens 55 Staaten, die insgesamt 55 Prozent der Industrieländer-
Emissionen repräsentieren, mussten der Reduzierung von Treibhausgasen
zustimmen. Der Erfolg war jedoch ungewiss, weil US-Präsident George W. Bush mit
seinem kategorischen Nein das Kyoto-Protokoll in Frage stellte.
79 Im Kyoto-Protokoll wurde 1997 verpflichteten sich die Industriestaaten, ihre Emissionen wichtiger Treibhausgase zwischen 2008 und 2012 um mindestens fünf Prozent unter das Niveau von 1990 u senken. Es wurde auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention verabschiedet.
122
Um das Ziel der Konferenz zu unterstützen, wurde im Vorfeld der Konferenz
„e-mission 55 – business for climate“ ins Leben gerufen – als Initiative der
internationalen Wirtschaft für den Klimaschutz. Initiatoren waren e5 (European
Business Council for a Sustainable Energy Future)80, Germanwatch81 und der
WWF82. Ziel war es, mindestens 55 Unternehmen zu finden, die sich aktiv für das
Kyoto-Protokoll und seine Ratifizierung einsetzen. Würde es möglich sein, das in
mehrjährigen internationalen Verhandlungen mühsam erarbeitete erste weltweite
Abkommen zum Klimaschutz vor dem Scheitern zu bewahren?
Dazu mussten die Delegationen innerhalb kürzester Zeit von den wirtschaftlichen
Vorteilen des Klimaschutzes überzeugt werden. Unterschiedliche Sichtweisen der
Vertragsstaaten sollten in ein gemeinsames Abkommen münden. Insbesondere
Japan spielte eine Schlüsselrolle, um die notwendigen 55 Prozent Industrieländer-
Emissionen zu erreichen.
#Kapitel 2.2#
Das Projekt – Die Klimaerklärung der Wirtschaft
Bis 1996 waren Wirtschaftsvertreter auf den UN-Klimaverhandlungen nur als Gegner
eines Klimaschutzabkommens aktiv. Um denjenigen Unternehmen, die dem
Klimaschutz positiv gegenüberstehen, eine Stimme zu geben, war 1996 e5 gegründet
worden. Denn im Laufe der Zeit haben immer mehr Unternehmen die wirtschaftlichen
Vorteile entdeckt, die international einheitliche Regelungen sowie der im Kyoto-
Protokoll vorgesehene Emissionshandel mit sich brächten. Darüber hinaus war und
80 Der „European Business Council for a Sustainable Energy Future“ ist ein Zusammenschluss von Unternehmen und Institutionen, die sich für die Verbesserung des Klimaschutzes einsetzen. „e5“ wurde 1996 gegründet und hat rund 80 Mitglieder. Vgl.: www.e5.org. 81 Germanwatch ist eine bundesweit tätige Nord-Süd-Initiative, die sich neben dem Klimaschutz auch mit Fragen der Entwicklungspolitik und des Welthandels beschäftigt. Vgl. www.germanwatch.org. 82 Der World Wide Fund for Nature Deutschland besteht seit 1963 als unabhängige Stiftung mit rund 240.000 Mitgliedern und Förderern. Vgl. www.wwf.de.
123
ist die Wirtschaft an einem Mitspracherecht interessiert, da sie einen Großteil der
umweltpolitischen Beschlüsse umzusetzen hat.
Obwohl die UN-Klimaverhandlungen nur zwischen den Staaten geführt werden, ist
der Einfluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nicht zu unterschätzen, da
sie als offizielle Beobachter zugelassen sind. Unterschieden wird zwischen
Organisationen der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Medien und
Umweltaktivisten spielen ebenfalls eine große Rolle, da sie wiederum auf ihre
jeweiligen Regierungen einwirken.
Vor diesem Hintergrund wollen die Initiatoren von „e-mission 55 – business for
climate“ die Bonner Klimakonferenz nutzen und den politischen
Abstimmungsprozess mit einer „Klimaerklärung der Wirtschaft“ unterstützten. Dafür
bediente sich die Initiative zwei zentraler Botschaften:
- Mit mindestens 55 Unterzeichnern (korrespondierend zur notwendigen Zustimmung
von mindestens 55 Staaten) sollte klar werden, dass sich die Wirtschaft
gleichermaßen wie die Politik um den Klimaschutz bemüht.
- Zweitens ging es darum, vor aller Welt zu demonstrieren, dass große Teile der
internationalen Wirtschaft hinter dem Kyoto-Protokoll von 1997 stehen und die
erforderlichen Maßnahmen für einen wirksamen Klimaschutz mittragen.
Wichtig war dabei von Anfang an die enge Kooperation mit NGOs wie dem World
Wide Fund for Nature (WWF) und Germanwatch. Das gemeinsame Auftreten von
Umweltbewegung und Wirtschaftsinitiative betonte den Kerngedanken von
e-mission 55: für die Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen Strategien für
globale Probleme bedarf es einer umfassenden Zusammenarbeit.
#Kapitel 2.3#
Die Initiative wächst
124
Innerhalb von nur fünf Wochen – noch ohne systematische Öffentlichkeits- und
Public Affairs Arbeit – gewann e-mission 55 die angestrebte Zahl von 55
Unterzeichnern. Darunter die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Bahn AG, Ricoh,
der Gerling-Konzern, ABB, der Otto Versand, die SolarWorld AG, die Stadtwerke
Bonn, die Versiko AG sowie die Kölner Verkehrsbetriebe. Auch die auf Nachhaltige
Entwicklung spezialisierte Agentur ECC Kohtes Klewes Bonn schloss sich der Aktion
an. Sie entwickelte das weitere Kommunikationsprogramm von e-mission 55 und
steuerte und den weiteren Prozess.
Um über die Mindestzahl von 55 Unterzeichnern hinaus weitere Unterstützung für e-
mission 55 zu organisieren, wurden vier Maßnahmenpakete definiert und
ausgearbeitet:
1. Etablierung und Bekanntwerden von e-mission 55 in der Öffentlichkeit durch
Information.
2. Überzeugungsarbeit bei Unternehmen und Politik.
3. Schaffung einer Kommunikationsplattform für alle Beteiligten.
4. Aufbau eines Netzwerkes.
Für die Umsetzung wurde eine breite Palette von Instrumenten eingesetzt:
#Direkter Dialog.# Die Initiatoren nutzten ihre Kontakte zu Unternehmen, um diese
direkt anzusprechen und zu informieren. Im Schneeballsystem setzte sich das
Kontaktmanagement fort.
#Mailings.# Aufbau und Pflege von speziellen Verteilern, über die potenzielle
Unterstützer erreicht werden konnten. Die Platzierung der Initiative in
themenrelevanten E-Mail-Newslettern (aus den Bereichen Klima, Ökologie und
Wirtschaft) erwies sich an dieser Stelle als besonders hilfreich.
#Pressekonferenz.# Im Vorfeld des Gipfels wurden Pressekonferenzen genutzt, um
die Medien in die Dialogprozess einzubeziehen und auf diese Weise jene
Unternehmen zu unterrichten, die nicht durch Mailings und direkte Ansprache
erreicht werden konnten.
#Gezielte Medienansprache.# Zu einigen als besonders wichtig identifizierten
Medien wurde ein direkter Kontakt aufgebaut und Interviewtermine vereinbart.
125
#Einbindung in Unternehmens-PR.# Die aktiveren Unterstützer integrierten ihr
Engagement in die eigene Unternehmenskommunikation. So produzierte die
Deutsche Bahn eine Broschüre, die vor und während der Konferenz in Intercitys
ausgelegt wurde. Die Bonner Stadtwerke plakatierten in Bussen und Straßenbahnen.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Insgesamt wurden bis zum Bonner
Klimagipfel 148 Unternehmen aus aller Welt für die Initiative gewonnen, darunter
Firmen aus der EU, aus Japan und aus den USA. Dabei war es von Vorteil, dass
e-mission 55 als loser, interessengebundener Zusammenschluss aufgetreten ist. Die
Unternehmen wurden zu einer kurzfristigen inhaltlichen Zusammenarbeit
aufgefordert. Eine Verpflichtung zu einer langfristigen Mitgliedschaft war damit nicht
verbunden.
Diese Form der kurzfristigen themenorientierten strategischen Allianzen zur
Durchsetzung von Interessen dürfte in Zukunft eine noch größere Bedeutung
gewinnen, weil auf diese Weise schneller und zielgenauer und unter klaren
Zielvorgaben agiert werden kann.
#Kapitel 2.4#
Der Bonner Klimagipfel – Lobbying mit Erfog
Mit der Konstitution und dem erfolgreichen Ausbau von e-mission 55 war die
Kampagne aber noch nicht zu Ende. Der nächste entscheidende Schritt war, die
Anliegen von e-mission 55 auf der Klimakonferenz vorzubringen und auf diese Weise
ihre Inhalte und ihr Anliegen auch in Richtung Politik bzw. Klimakonferenz zu
kommunizieren. Nur so war letztlich das primäre strategische Ziel zu realisieren, dem
Kyoto-Protokoll zum Erfolg zu verhelfen.
126
Hierfür wurde der Delegationsstatus von e5 von entscheidender Bedeutung, denn er
ermöglichte den Zugang zum Konferenzgelände und damit zu den Unterhändlern. .
Mit zehn bis zwölf Vertretern war e-mission 55 während der Konferenz ständig vor
Ort. Die Präsenz von e-mission 55 war bei allen wichtigen Anlässen gegeben. Dazu
zählten Hintergrundgespräche mit Delegationen und Medienvertretern sowie
Briefings und Strategieabstimmungen mit anderen NGOs.
Die e-mission 55 Vertreter nutzten alle sich bietenden Gelegenheiten, um neue
Kontakte zu knüpfen und hierbei über ihr Anliegen zu diskutieren. Von besonderer
Wichtigkeit war der direkte Kontakt zu strategisch bedeutenden Delegationen, zum
Beispiel den Vertretern Japans und der EU. Medienvertreter wurden direkt im
Pressezentrum angesprochen. Vertiefend wurde Informationsmaterial für alle
Gipfelteilnehmer verteilt. Insgesamt konnte auf diese Weise während der Konferenz
die Botschaft der „Wirtschaft für den Klimaschutz“ über verschiedenste Kanäle in die
laufende Debatte eingespeist werden.
Ein Höhepunkt der e-mission 55 Lobbying-Aktivitäten stellte ein Empfang für die
Delegierten mit anschließendem Abendessen dar. Als Gastredner wurde dafür
Bundesumweltminister Jürgen Trittin gewonnen. Der Empfang war für alle
Teilnehmer des Klimagipfels offen, und über 500 der 7.000 Gipfel-Teilnehmer
nutzten das Angebot. Dagegen wurde das begleitende Abendessen nur für einen
geschlossenen Teilnehmerkreis vorgesehen. So erhielten die Protagonisten von
e-mission 55 die Gelegenheit, mit den als zentrale Entscheider identifizierten
Delegationsmitgliedern einen intensiven Gedankenaustausch zu suchen und einen
direkten Kontakt herzustellen.
#Kapitel 2.5#
Resultat und Ausblick
127
Die Bonner UN-Klimaschutzkonferenz ist ein Erfolg geworden – für den Klimaschutz
und für e-mission 55. Der Kompromiss mit Japan ermöglichte es, das Kyoto-Protokoll
auch ohne die USA zu ratifizieren. Verständlicherweise waren deshalb die Initiatoren
und die unterstützenden Unternehmen von e-mission-55 mit dem Ausgang ihrer
Mission in Sachen Klimaschutz sehr zufrieden. e-mission-55 ist von den Vertretern
der UN wahrgenommen und damit ein Bestandteil des Meinungs- und
Willenbildungsprozesses dieses internationalen Gremiums geworden.
128
VII. Anhang
129
1. Literaturverzeichnis
1. Akalen, Ann-Kathrin: „Das Ohr am Brüssler Boden“. In: PR-Magazin. August 2001.
S. 24.
2. Althaus, Marco (Hrsg.): Kampagne. Neue Strategien für Wahlkampf, PR und
Lobbying. Münster 2001.
3. Avenarius, Horst: Public Relations. Die Grundformen der gesellschaftlichen
Kommunikation. 2. überarb. Aufl. Darmstadt 2000.
4. Bode, Thilo: „Zwischen Aufklärung und Kommerzialisierung“ auf der
Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin. In: PR Report. 26.01.2000. S. 11-
15.
5. brand eins. Schwerpunkt-Thema Glaubwürdigkeit. Heft 8/2001.
6. Burgmer, Inge-Maria: Die Zukunft der Wirtschaftsverbände. Bonn 1999.
7. Davis, Richard: The Web of Politics. New York 1999.
8. Drucker, Peter F.: The Information Executives Truly Need. New York 1995.
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10. Europäische Kommission: Weißbuch „Europäisches Regieren“, KOM (2001) 428
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11. Frey, Rainer/Manthey, Dirk: Kommunikative Vernetzung und politische
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Christian/Göhner, Reinhard (Hrsg.): Globalisierung und Informationsgesellschaft.
Herausforderungen unserer Zeit. Münster 2000, S. 36-48.
12. Galbraith, John Kenneth: Anatomie der Macht. München 1987.
13. Gellner, Winand/Strohmeier, Gerd: Netzwahlk(r)ampf – Die Wahlkommunikation
im Internet. In: Holtz-Bacha, Christina: Wahlkampf in den Medien – Wahlkampf mit
den Medien. Opladen (u.a.) 1999, S.89-111.
14. Gibowski, Wolfgang: "Zwischen Aufklärung und Kommerzialisierung" auf der
Internationalen Public Affairs Konferenz in Berlin. In: PR Report, 26.01.2000. S. 11-
15.
130
15. Gräf, Peter Leo: Lobbyarbeit klein und wendig. Immer mehr Unternehmen
vertreten ihre Interessen direkt bei der Regierung – vorbei an den Verbänden“. Iin:
Wirtschaftswoche, Nr. 38, 13. 09.2001, S. 37-39.
16. Grunenberg, Nina: „Die Mächtigen schlau machen. Einflüstern, steuern,
manipulieren. In der Hauptstadt boomt das Geschäft der Besserwisser“. In: Die Zeit.
05.07.2000 Nr. 28.
17. Hennis, Wilhelm: „Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik“, Aufsatz von
1964. Nachdruck in Berliner Republik 1/2002.
18. Holtz-Bacha, Christina: Wahlkampf in den Medien – Wahlkampf mit den Medien.
Opladen (u.a.) 1999.
19. Jahn, Nico-Alexander/Brockhöfer, Peer: Issue Management als Public Affairs
Tool. In: PR Report, 28.09.01.
20. Joos, Klemens/Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander (Hrsg.): Mit Mouse und
Tastaur – Wie das Internet die Politik verändert. München 2001.
21. Köppl, Peter: Public Affairs Management. Strategien und Taktiken erfolgreicher
Unternehmenskommunikation. Wien 2000.
22. Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander: Online-Fundraising – Der Weg zu neuen
Spende(r)n. In: Joos, Klemens/Lamatsch, Dorothea/Bilgeri, Alexander (Hrsg.): Mit
Mouse und Tastaur – Wie das Internet die Politik verändert. München 2001, S.230-
243.
23. Leif, Thomas: Macht ohne Verantwortung. Medien-Disput der Friedrich Ebert-
Stiftung vom 9.11.2000 in Mainz.
24. Machnig, Matthias: Organisation ist Politik - Politik ist Organisation. In:
Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 14, Heft 3, 2001, S. 30ff.
25. Mahon, John F./McGowan, Richard A.: Industry as a Player in the Political and
Social Arena. Defining the Competitive Environment. Westport 1996.
26. Mavridis, Thomas: Mehr als Event-Management und Theater. Politische
Kommunikation in Deutschland: Hintergründe und Trends. In: PR-Guide, 05/2000.
27. Medrano, Juan Diez: „Die Qualitätspresse und Europäische Integration“. In:
Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 14., Heft 4, 2001. S. 30-39.
28. Meffert, Heribert: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik. Wiesbaden 1991.
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2. Links
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2. www.derriere.de/National/ThinkTankd.htm: Think Tanks – Herkunft, Hintergrund
und Rolle der Politikberatungsagenturen. 07.10.01.
3. www.e5.org
4. www.germanwatch.org
5. www.magazin-deutschland.de/content/archiv/archiv-ger/00-03/art3.html: Think
Tanks in Deutschland. Beratung für die Politik. 23. November 2001.
6. www.onlinerechte-fuer-beschaeftigte.de
7. www.politik-digital.de/wahlkampf/bundestagswahl2002/jun.shtml
8. www.stiftungsinitiative.de
9. www.wwf.de
3. Bildverzeichnis (Grafiken)
1. Public Affairs: Dialog zwischen Politik und Gesellschaft
2. Verlaufsmodell Issues Management
3. Schematische Darstellung der Gesetzgebung in Deutschland auf Bundesebene
4. Schematische Darstellung des Prozessverlaufs bei Anrufung des
Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren
5. Die Organe der Europäischen Union
6. Schematische Darstellung der Gesetzgebung in der Europäischen Union
7. Verlaufsmodell Frühwarnsystem
8. Offener Brief an den Bundeskanzler. Beispiel für ein Advertorial aus der Flatrate-
Kampagne von AOL aus dem Jahr 2000
9. Relative Häufigkeit von Krisenursachen
10. e-mission 55: Illustration der Stimmenverhältnisse und der erforderlichen
Mehrheit zur Verabschiedung des Kyoto-Protokolls
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