Marlen und Stephan Koch aus Root LU haben auch während der … · 2020. 6. 2. · sind Marlen und...

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Sie war 15. Er 21. Viel zu alt füreine Minderjährige. Unsterb-lich verliebt, aber sehr vernünf-tig entschied sie sich gegen ihn.Todunglücklich reiste die Bau-erntochter Marlene Koch, diedamals noch Marlen Mathishiess, zurück nach EnnetbürgenNW und liess Italien, das Feri-enlager und ihre Liebe StephanKoch aus Root LU zurück. DieZeit verging. Sie beendete dieSchule und studierte schliess-lich Agronomie an derETH Zürich. Auch StephanKoch ging in der Zwischenzeitseinen Weg. Der Bauernsohnverliess den elterlichen Betriebin Obermettlen, Root LU, undstudierte Informatik- und Be-triebswirtschaften. Eines Tagesim Winter 2008 erblickten sieeinander wieder. In Davos imAprès-Ski. Alles war wieder da.Zwei Jahre nach dieser Begeg-nung heirateten sie und über-nahmen wiederum zwei Jahrespäter den elterlichen Betriebvon Stephan Koch.

Vier StandbeineSeit acht Jahren führen sie

nun also den Betrieb in Ober-mettlen, Root LU. «Es hat unsnichts ausgemacht, unsere Ka-derstellen zurückzulassen», er-zählt Marlen Koch heute am Te-lefon. «Wir wollten zurück zuunseren Wurzeln und in der Na-tur arbeiten.» Obwohl sie heutesehr viel Arbeit haben und keinLeben im Luxus führen, habensie den Schritt nie bereut.

Ihr Betrieb steht heute aufvier Standbeinen: Obstbau,Fleischdirektvermarktung, (sie-he Kasten) Events und Musik.An den Events laden sie Gästezu sich auf den Hof ein, servie-ren ihnen Fleisch vom eigenenBetrieb und spielen Lieder aufdem Schwyzerörgeli. Die Liebezu diesem Instrument erwachtein den beiden, weil sie oft an ge-selligen Anlässen waren, an de-

INNOVATION: Marlen und Stephan Koch aus Root LU haben auch während der Corona-Zeit gute Ideen

Sie entschieden sich gegen-einander und wollten zu-nächst nicht bauern. Heutesind Marlen und StephanKoch aus Root LU verhei-ratet und führen einen Hof.Corona war auch für sie einSchock.SiemachtenaberdasBeste daraus – mit Musik.

JULIA SPAHR

nen musiziert und gesungenwurde. Das wollten sie auch. Al-so fingen sie im Alter von 30und 36 Jahren noch an, Örgeli-

Kochs setzen auf ihrem 6,5-ha-Bio-Betrieb auf Vollwei-de, Raufutter und Laufstall,sie enthornen die Kühe nicht,verabreichen vornehmlich al-ternative Tiermedizin undnur im Notfall Antibiotika.Zudem lassen sie ihre Tiere ineinem höheren Schlachtalterin der Dorfmetzgereischlachten (künftig ist Hoftö-tung geplant). Sie verwendenausschliesslich Hofdüngerund keine Pflanzenschutz-mittel. jul

ZUM BETRIEB

Kochs, die als «’s Chochä» be-kannt sind, starteten das Pro-jekt Herbstzeitlose 2019. Eshandelt sich um solidarischeLandwirtschaft im BereichNutztierhaltung. Die Basis bil-den vier alte Mutterkühe derProSpecieRara-Rasse Räti-sches Grauvieh, die eigentlichgeschlachtet werden sollten,die Kochs aber nach Obermett-len geholt haben. Jedes Kalb,das sie gebären, erhält acht Pa-ten. Jeder Pate bezahlt von derGeburt des Kalbes bis zum

HERBSTZEITLOSEN

Schlachttermin, also währendzwei Jahren, jeden Tag einenFranken und erhält danach sei-nen Fleischanteil am Herbst-zeitlosen-Beef. Während denzwei Jahren kann er an Bau-ernhoftagen aktiv auf dem Hofmitarbeiten und so einen Ein-blick erhalten, was hinter ei-nem Bissen Fleisch steckt.Mittlerweile haben Marlenund Stephan Koch 15 Tiereund 32 Paten. mgt/jul

www.herbst-zeitlose.ch

unterricht zu nehmen. «Am An-fang hat es uns schon ziemlichdas Gehirn erlesen», sagt Mar-len Koch und lacht. «Besonders

wegen der Diatonik: Ein Örgelitönt anders, je nachdem ob manzieht oder stösst.» «Da wir dasaber unbedingt wollten und des-

halb die nötige Disziplin auf-brachten, haben wir es relativschnell gelernt», ergänzt Ste-phan Koch. Mittlerweile habensie eine CD aufgenommen. Undsie treten an öffentlichen undprivaten Anlässen auf. Zumin-dest bisher. «Corona machteauch ihnen einen Strich durchdie Rechnung. Das ängstigte unszunächst. Auch aus finanziellerSicht. Für uns brechen damitzwei Standbeine weg. DieEvents auf unserem Hof und un-sere Auftritte», sagt MarlenKoch. «Wir merkten aber, dasswir nicht die einzigen waren. ZuBeginn des Lockdowns verfielenviele Leute in eine Art Schock-starre. Dagegen wollten wir et-was tun», erzählt sie weiter.

«Balkonkonzerte»Inspiriert durch die Balkon-

konzerte aus Italien machten siealso etwas Ähnliches. Da sie vonihrem Betrieb aus eine Aussichthaben, als stünden sie auf einemgrossen Balkon, haben sie vondort aus jeden Tag ein Örgeli-Stück gespielt, es gefilmt und esüber ihre Homepage, Facebookund Youtube zugänglich ge-macht. Das taten sie 19 Tage amStück und später etwas unregel-mässiger. Sie legten dafür kurzihre Arbeit nieder und zeigtensich musizierend mitten im Waldbei geschlagenen Bäumen, beiden Kälbern im Laufstall oderso. «Dadurch haben die Men-schen gesehen, dass Landwirtegerade in dieser Zeit sehr hartam Arbeiten sind und viel leis-ten. Das hat uns Wertschätzungeingebracht wir haben sehr vielDankbarkeit erfahren auch fürunsere Musik.»

Neue KundschaftDas habe bewirkt, dass neben

der bestehenden Kundschaftauch andere Leute auf sie undihr Direktvermarktungsangebotaufmerksam wurden. Sie konn-ten ihr Fleisch und andere Pro-dukte verkaufen und so die Ein-kommenseinbussen der Auftrit-te und Events etwas abfe-dern. «Wenn man etwas Gutestut, kommt es in der Regel zu-rück, das haben wir gerade indieser Zeit sehr stark gemerktund dafür sind wir wiederumsehr dankbar», sagt MarlenKoch. SEITE 3

www.obermettlen.com

02.05.2020

«Wer Gutes tut, bekommt es zurück»

Marlen und Stephan Koch mit ihren Kühen der Rasse Rätisches Grauvieh. (Bild: Marcel Villiger)

Sie legten ihre Arbeit nieder, um zu musizieren. (Bild: Stephan Koch mit Selbstauslöser)

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