Mathematik I - II Kapitel 4: Anwendungen der Differentialrechnung · 2020. 10. 16. ·...

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Mathematik I - II

Kapitel 4: Anwendungen der Differentialrechnung

Prof. Dr. Erich Walter Farkas

http://www.math.ethz.ch/∼farkas

HS 2020 - FS 2021

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Inhaltsangabe

1. Monotonie

2. Krummung

3. Linearisierung einer Funktion

4. Extremwerte

5. Wendepunkte

6. Kurvendiskussion

7. Newtonverfahren

8. Regel von de l’Hopital

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Literatur

Lothar Papula

Mathematik fur Ingenieure und Naturwissenschaftler Band 1

Ein Lehr- und Arbeitsbuch fur das Grundstudium

14. Auflage, Springer Verlag

Seiten 366 - 407,

Seiten 414 - 421 (Ubungsaufgaben mit Losungen im Anhang)

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Monotonie

Monotonie

Sei f : D → R, wobei D ⊆ R. Wir erinnern uns,

B f heisst monoton steigend, wenn

f (x1) ≤ f (x2) fur alle x1, x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt,

R

R f

x1

f (x1)

x2

f (x2)

B f heisst monoton fallend, falls

f (x1) ≥ f (x2) fur alle x1, x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt.

R

R

f

x1

f (x1)

x2

f (x2)

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Monotonie: Wachstumsverhalten und Ableitung

Sei I ⊆ R ein Intervall und f : I → R eine differenzierbare Funktion. Es gilt

B f ′(x) ≥ 0 fur alle x ∈ I impliziert, dass f auf I monoton steigend ist,

R

Rf

I

B f ′(x) ≤ 0 fur alle x ∈ I impliziert, dass f auf I monoton fallend ist.

R

R

fI

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Monotonie

Beispiel.

B Betrachten wir f (x) = 13x

3 − x2 + x + 100 auf R. Dann gilt

f ′(x) =1

3· 3x2 − 2x + 1 = x2 − 2x + 1 = (x − 1)2 ≥ 0 ,

und somit ist f (x) im gesamten Definitionsbereich monoton

wachsend.

B Betrachte f (x) = exp(x) auf R. Wir haben

f ′(x) = ex > 0 ,

somit ist auch die Exponentialfunktion im gesamten

Definitionsbereich monoton wachsend.

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Monotonie

Bemerkung. Eine strikte Ungleichung impliziert strenge Monotonie.

B Zum Beispiel haben wir (exp(x))′ = exp(x) > 0 auf R und somit ist

die Exponentialfunktion streng monoton wachsend.

B Andererseits haben wir (exp(−x))′ = − exp(−x) < 0 auf R und somit

ist diese Funktion streng monoton fallend.

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Krummung

Zweite Ableitung und konvexe Funktionen

Sei I ⊆ R ein Intervall und f : I → R eine zweimal differenzierbare

Funktion. Es gilt

B f ′′(x) ≥ 0 fur alle x ∈ I impliziert, dass f konvex ist. Der Graph von

f ist also linksgekrummt.

R

Rf

IR

R

fI

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Zweite Ableitung und konkave Funktionen

Sei I ⊆ R ein Intervall und f : I → R eine zweimal differenzierbare

Funktion. Es gilt

B f ′′(x) ≤ 0 fur alle x ∈ I impliziert, dass f konkav ist. Der Graph von

f ist also rechtsgekrummt.

R

Rf

IR

R

fI

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Monotonie und Krummung

Bemerkung. Die Notation f ′′ ist als (f ′)′ zu verstehen und bezeichnet die

zweite Ableitung. Wir schreiben auch d2fdx2

.

Bemerkung. Auch hier gilt, dass aus strikten Ungleichungen strikte

Konvexitat beziehungsweise strikte Konkavitat folgt.

B Zum Beispiel ist die Exponentialfunktion strikt konvex auf ganz R, da

(exp(x))′′ = exp(x) > 0.

B Andererseits ist die Logarithmusfunktion strikt konkav auf R>0, da

(ln(x))′′ = − 1x2< 0.

B Lineare Funktionen f (x) = ax + b sind sowohl konvex als auch

konkav, da f ′′(x) = 0.

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Monotonie und Krummung

Die formale Definitionen von Konvexitat und Konkavitat sind wie folgt.

Definition. Sei I ⊂ R ein Intervall und f : I → R eine Funktion.

Wir sagen, f is konvex, wenn fur alle x , y ∈ I und alle λ ∈ [0, 1] folgende

Ungleichung gilt,

f (λx + (1− λ)y) ≤ λf (x) + (1− λ)f (y) .

Wir sagen, f is konkav, wenn fur alle x , y ∈ I und alle λ ∈ [0, 1] folgende

Ungleichung gilt,

f (λx + (1− λ)y) ≥ λf (x) + (1− λ)f (y) .

Wir nennen f strikt oder streng konvex beziehungsweise konkav, wenn wir

strikte Ungleichungen haben.

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Stetigkeit, Monotonie und Krummung: Beispiel

Beispiel. Betrachte die Funktion f : R>0 → R mit f (x) = x2 ln x .

Stetigkeit: Wir bemerken, dass f das Produkt zweier elementarer

Funktionen ist und somit stetig auf R>0.

Monotonie: Wir berechnen die erste Ableitung mit Hilfe der Produktregel,

f ′(x) = 2x ln x + x2 · 1

x= 2x ln x + x = x · (2 ln x + 1) .

Uns fallt auf, dass f ′ das Vorzeichen wechselt, da ln x das Vorzeichen

wechselt. Der leichteste Weg eine Aussage uber die Vorzeichen zu treffen,

ist herauszufinden wo f ′ gleich 0 ist.

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Stetigkeit, Monotonie und Krummung: Beispiel

Wo hat also die Funktion f keine Steigung? Um das herauszufinden,

setzen wir f ′ gleich 0 und losen nach x auf.

f ′(x) = x(2 ln x + 1)!

= 0 .

Da x > 0 auf R>0, konnen wir es wegkurzen und erhalten

f ′(x) = 0 ⇐⇒ 2 ln x + 1 = 0

⇐⇒ ln x = −1

2

⇐⇒ x = exp(−1

2) .

Also wechselt f ′ bei x = exp(−12) das Vorzeichen und somit wechselt auch

f dort das Monotonieverhalten.

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Stetigkeit, Monotonie und Krummung: Beispiel

Was hat die Funktion fur eine Steigung links und rechts von x = e−12 ?

B Links von x = e−12 (z.B. an der Stelle e−1),

f ′(e−1) = e−1(2 ln e−1 + 1) = e−1(−2 + 1) = −e−1 < 0 .

B Rechts von x = e−12 (z.B. an der Stelle e),

f ′(e) = e(2 ln e + 1) = e(2 + 1) = 3e > 0 .

Somit ist die Funktion f strikt monoton fallend links von x = e−12 und

strikt monoton steigend rechts von x = e−12 .

An der Stelle x = e−12 liegt ein Minimum vor, doch dazu spater mehr.

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Stetigkeit, Monotonie und Krummung: Beispiel

Krummung: Wir berechnen nun die zweite Ableitung,

f ′′(x) = (x(2 ln x + 1))′ = 2 ln x + 1 + x2

x= 2 ln x + 3 .

Auch hier andert f ′′ das Vorzeichen. Wir gehen also wie oben vor und

finden die Nullstelle von f ′′.

f ′′(x)!

= 0 ⇐⇒ 2 ln x + 3 = 0 ⇐⇒ x = e−32 .

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Stetigkeit, Monotonie und Krummung: Beispiel

Was fur eine Krummung hat die Funktion oberhalb und unterhalb des

Punktes x = e−32 ?

B Unterhalb von x = e−32 (z.B. an der Stelle e−2):

f ′′(e−2) = 2 ln(e−2) + 3 < 0 .

B Oberhalb von x = e−32 (z.B. an der Stelle e−

12 ):

f ′′(e−12 ) = 2 ln(e−

12 ) + 3 > 0 .

Die Funktion ist also streng konkav unterhalb von x = e−32 und streng

konvex oberhalb von x = e−32 .

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Linearisierung einer Funktion

Linearisierung einer Funktion

Eine nichtlineare, differenzierbare Funktion f lasst sich in der Umgebung

eines Kurvenpunktes P = (x0, y0) naherungsweise durch die dortige

Tangente, das heisst durch eine lineare Funktion p, approximieren.

p(x) = f (x0) + f ′(x0)(x − x0) .

Es gilt

limx→x0

f (x)− p(x)

x − x0= 0

Also f (x) ≈ p(x) falls x nah an x0.

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Linearisierung einer Funktion

Graphische Veranschaulichung.

R

Rf

x0

f (x)− p(x)

p

x

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Extremwerte

Extremwerte

In zahlreichen Anwendungen stellt sich das Problem, von einer vorgebenen

Funktion f den grossten und kleinsten Funktionswert auf einem

vorgegebenen Intervall I zu bestimmen.

Die Vorgehensweise ist dann jeweils wie folgt.

1. Zunachst werden mithilfe der Differentialrechnung die im Innern des

Intervalls I liegenden relativen Extrempunkte berechnet.

2. Durch Vergleich dieser Werte mit den Funktionswerten in den

Randpunkten des Intervalls erhalt man den gesuchten grossten oder

kleinsten Wert der Funktion f im Intervall I .

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Extremwerte: globale Extrema

Definition. Sei D ⊆ R und f : D → R.

B Wir sagen, f hat ein globales Maximum an der Stelle x0 wenn gilt,

dass

fur alle x ∈ D : f (x0) ≥ f (x) .

Der Wert f (x0) heisst das globale Maximum von f .

B Wir sagen, f hat ein globales Minimum an der Stelle x1 wenn gilt,

dass

fur alle x ∈ D : f (x1) ≤ f (x) .

Der Wert f (x1) heisst das globale Minimum von f .

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Extremwerte: globale Extrema

B Wir sagen, f hat an der Stelle x0 ein globales Extremum wenn gilt,

dass f entweder ein globales Maximum oder ein globales Minimum

bei x0 besitzt.

R

Rf

Dx0

f (x0)

x1

f (x1)

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Extremwerte: ε-Umgebung

Definition. (ε-Umgebung) Fur x0 ∈ R und ε > 0 heisst das offene

Intervall

Uε(x0) = (x0 − ε, x0 + ε) = {x ∈ R | |x − x0| < ε}

die ε-Umgebung von x0.

R( )x0

Uε(x0)

In hoheren Dimensionen nennen wir diese Umgebungen auch ε-Balle und

schreiben Bε(x0).

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Extremwerte: lokale Extrema

Sei D ⊆ R und f : D → R.

B Wir sagen, f hat ein lokales Maximum an der Stelle x0, wenn es eine

ε-Umgebung Uε(x0) gibt, sodass

fur alle x ∈ D ∩ Uε(x0) : f (x0) ≥ f (x) .

B Wir sagen, f hat ein lokales Minimum an der Stelle x1, wenn es eine

ε-Umgebung Uε(x1) gibt, sodass

fur alle x ∈ D ∩ Uε(x1) : f (x1) ≤ f (x) .

R

R f

x0( )

Uε(x0)

x1)(

Uε(x1)

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Extremwerte: lokale Extrema und Ableitung

Sei I ⊆ R ein Intervall, x0 ∈ I ein innerer Punkt und f : I → R eine

differenzierbare Funktion.

Hat f an der Stelle x0 ein lokales Extremum, so gilt

f ′(x0) = 0 .

Zum Aufsuchen relativer Extrema im Innern von I sucht man die

Nullstellen der Ableitung von f .

Aber Vorsicht!! Die Bedingung f ′(x0) = 0 bedeutet nicht, dass auch

wirklich ein lokales Extremum bei x0 vorliegt!!

R

R f

x0 x1I

f ′(x0) = 0 f ′(x1) = 0

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Extremwerte: Maximum oder Minimum?

Sei f wie oben mit f ′(x0) = 0. Ist f links von x0 wachsend und rechts von

x0 fallend, so hat f in x0 ein lokales Maximum.

R

R

f

x0x0 − ε x0 + ε

(( ) )

f ′(x) > 0

wachsend

f ′(x) < 0

fallend

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Extremwerte: Maximum oder Minimum?

In anderen Worten, gibt es ein ε > 0, sodass

f ′(x) > 0 fur alle x ∈ (x0 − ε, x0) ,

und

f ′(x) < 0 fur alle x ∈ (x0, x0 + ε) .

so hat f an der Stelle x0 ein lokales Maximum.

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Extremwerte: Maximum oder Minimum?

Ist f links von x0 fallend und rechts von x0 wachsend, so hat f in x0 ein

lokales Minimum.

R

R

f

x0x0 − ε x0 + ε

(( ) )

f ′(x) < 0

fallend

f ′(x) > 0

wachsend

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Extremwerte: Maximum oder Minimum?

Ahnlich wie oben, gibt es ein ε > 0, sodass

f ′(x) < 0 fur alle x ∈ (x0 − ε, x0)

und

f ′(x) > 0 fur alle x ∈ (x0, x0 + ε)

so hat f an der Stelle x0 ein lokales Minimum.

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Extremwerte: lokale Extrema und zweite Ableitungen

Sei I ⊆ R ein Intervall, x0 ∈ I ein innerer Punkt und f : I → R eine

zweimal differenzierbare Funktion.

Gilt f ′(x0) = 0, wissen wir, dass potenziell ein lokales Extremum vorliegt.

Um herauszufinden, ob es tatsachlich eins gibt, und wenn ja, um welches

es sich handelt, betrachten wir die zweite Ableitung.

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Extremwerte: lokale Extrema und zweite Ableitungen

Wenn

f ′(x0) = 0 und f ′′(x0) < 0

gilt, dann hat f in x0 ein lokales Maximum.

R

R

f

x0

f ′(x0) = 0; f ′′(x0) < 0

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Extremwerte: lokale Extrema und zweite Ableitungen

Wenn

f ′(x0) = 0 und f ′′(x0) > 0

gilt, dann hat f in x0 ein lokales Minimum.

R

R

f

x0

f ′(x0) = 0; f ′′(x0) > 0

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Extremwerte: lokale Extrema und zweite Ableitungen

Wir konnen dies geometrisch interpretieren:

B Wenn der Graph lokal konkav ist, also f ′′(x0) < 0 gilt, dann erhalten

wir ein lokales Maximum.

B Wenn der Graph lokal konvex ist, also f ′′(x0) > 0 gilt, dann erhalten

wir ein lokales Minimum.

Oder anders:

B Wenn die Tangente f ′ lokal strikt monoton fallend ist, also

f ′′(x0) = (f ′)′(x0) < 0 dann erhalten wir ein lokales Maximum.

B Wenn die Tangente f ′ lokal strikt monoton steigend ist, also

f ′′(x0) = (f ′)′(x0) > 0 dann erhalten wir ein lokales Minimum.

Ubung. Was passiert, wenn f ′′(x0) = 0?

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Extremwerte: Beispiele

Beispiel. Sei f : R→ R mit f (x) = x2.

Wir setzen die erste Ableitung gleich 0 und losen nach x auf,

f ′(x) = 0 ⇐⇒ 2x = 0 ⇐⇒ x = 0 .

Somit hat f ein potentielles Extremum am Punkt x = 0. Nun berechnen

wir die zweite Ableitung und evaluieren bei x = 0,

f ′′(x) = 2 also auch f ′′(0) = 2 .

Und da 2 > 0, wissen wir, dass f bei x = 0 ein lokales Minimum hat,

namlich f (0) = 0.

Bemerkung: es ist sogar ein globales Minimum.

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Extremwerte: Beispiele

Beispiel. Sei f : R→ R mit f (x) = x3.

Wir gehen genauso wie oben vor.

f ′(x) = 0 ⇐⇒ 3x2 = 0 ⇐⇒ x = 0 .

Also berechnen wir f ′′ und setzen x = 0 ein,

f ′′(x) = 6x also f ′′(0) = 0 .

Aber 0 ist weder strikt grosser noch strikt kleiner 0, somit ist x0 = 0 kein

Extrempunkt!!

In der Tat gilt f ′(x) = 3x2 ≥ 0, das heisst, f ist auf R monoton wachsend!

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Extremwerte: Beispiele

Beispiel. Sei f : R→ R mit f (x) = x2

1+x2. Wir setzen die erste Ableitung

gleich 0 und losen auf,

f ′(x) = 0 ⇐⇒ 2x(1 + x2)− x22x

(1 + x2)2=

2x

(1 + x2)2= 0 ⇐⇒ x = 0 .

Wir setzen x = 0 in die zweite Ableitung ein,

f ′′(x) =2(1 + x2)2 − 2x

((1 + x2)2

)′(1 + x2)4

=2− 6x2

(1 + x2)3

f ′′(0) =2− 6 · 0(1 + 02)3

= 2 > 0 ,

somit hat f bei x = 0 ist ein relatives Minimum, namlich f (0) = 0.

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Wendepunkte

Wendepunkte

Definition. Sei I ⊆ R ein Intervall, x0 ∈ I ein innerer Punkt und

f : D → R zweimal differenzierbar.

Wir sagen, f hat in x0 einen Wendepunkt, wenn

f ′′(x0) = 0 und f ′′ das Vorzeichen in x0 andert.

R

R

f

x0

f ′′(x) > 0 f ′′(x) < 0R

R

f

x0

f ′′(x) < 0 f ′′(x) > 0

Ubergang von Links- zu Rechtskurve oder von Rechts- zu Linkskurve an

der Stelle x0.36/66

Wendepunkte

Definition. Wir sagen, f hat in x0 einen Sattelpunkt (Terrassenpunkt),

wenn

f in x0 einen Wendepunkt hat und f ′(x0) = 0 .

R

Rf

x0

f ′(x0) = 0

R

R

f

x0

f ′(x0) = 0

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Kurvendiskussion

Kurvendiskussion

Gegeben ist eine reellwertige Funktion f und Ziel ist es, Eigenschaften der

Funktion herleiten.

Ablauf:

1. Maximaler Definitionsbereich

2. Symmetrie

3. Nullstellen

4. Polstellen

5. Erste und zweite Ableitung

6. Lokale Extrema

7. Wendepunkte / Sattelpunkte

8. Verhalten der Funktion fur x → ±∞

9. Wertebereich

10. Skizze38/66

Kurvendiskussion: Beispiel

Beispiel. Betrachten Sie die Funktion f , die durch

f (x) =−5x2 + 5

x3

bestimmt ist und fuhren Sie eine vollstandige Kurvendiskussion durch.

1. Maximaler Definitionsbereich. Wir bemerken, dass der Zahler auf

ganz R definiert ist. Der Nenner darf allerdings nicht 0 werden! Somit

erhalten wir den Definitionsbereich

D = R \ {0} .

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Kurvendiskussion: Beispiel

2. Symmetrieeigenschaften. Wir erinnern uns, dass

B gerade bedeutet f (−x) = f (x), und

B ungerade bedeutet f (−x) = −f (x).1

Wir setzen also −x in unsere Funktion ein und erhalten,

f (−x) =−5(−x)2 + 5

(−x)3=−5x2 + 5

−x3= −−5x2 + 5

x3= −f (x) .

Somit ist f ungerade, also ist der Graph punktsymmetrisch am

Ursprung.

1Man kann sich das gut mit den Potenzfunktionen x 7→ xn merken. So ist x 7→ x1

ungerade, und x 7→ x2 gerade. Die Graphen dazu kennt man ja.

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Kurvendiskussion: Beispiel

3. Nullstellen. Hier mussen wir f gleich 0 setzen und einfach nach x

auflosen,

f (x)!

= 0 ⇐⇒ −5x2 + 5

x3= 0

⇐⇒ −5x2 + 5 = 0

⇐⇒ x2 = 1 .

Somit hat unsere Funktion zwei Nullstellen, eine bei x1 = 1 und eine

bei x2 = −1.

41/66

Kurvendiskussion: Beispiel

4. Polstellen. Der einzige Kandidat fur eine Polstelle ist x = 0.

Tatsachlich, wir konnen unsere Funktion umschreiben,

f (x) =5

x

( 1

x2− 1).

Wenn x ↓ 0, dann gehen beide Terme gegen +∞ und somit geht

auch das Produkt gegen +∞.

Wenn x ↑ 0, dann ist 1x negative und der zweite Term bleibt positive.

Somit geht das Produkt der beiden gegen −∞.

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Kurvendiskussion: Beispiel

5. Ableitungen. Unter Verwendung der Quotientenregel konnen wir f ′

und f ′′ berechnen. Wir erinnern uns

f (x) =p(x)

q(x)⇒ f ′(x) =

p′(x)q(x)− p(x)q′(x)

(q(x))2.

Wer sich doch nicht erinnert, kann f (x) = p(x)q(x)−1 schreiben und

dann einfach die Produktregel anwenden. Wir erhalten

f ′(x) =−10x · x3 − (−5x2 + 5)3x2

x6=−10x2 + 15x2 − 15

x4=

5x2 − 15

x4.

Wir machen das ganze nochmal und erhalten

f ′′(x) =−10(x2 − 6)

x5.

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Kurvendiskussion: Beispiel

6. Lokale Extrema. Wir erinnern uns,

B lokales Minimum, wenn f ′(x) = 0, f ′′(x) > 0 ,

B lokales Maximum, wenn f ′(x) = 0, f ′′(x) < 0 .

Also setzen wir f ′ gleich 0 und losen nach x auf,

f ′(x)!

= 0 ⇐⇒ 5x2 − 15

x4= 0

⇐⇒ 5x2 − 15 = 0

⇐⇒ x2 = 3 .

Somit sind die Kandidaten x3 =√

3 und x4 = −√

3.

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Kurvendiskussion: Beispiel

Wir setzen den ersten Kandidaten in f ′′ ein und erhalten,

f ′′(x3) =−10 · (3− 6)

(√

3)5> 0 =⇒ lokales Minimum

(√3,−10

(√

3)3

).

Da wir ja schon wissen, dass f ungerade ist, wissen wir auch, dass bei x4

ein lokales Maximum vorliegen muss.

f ′′(x4) = f ′′(−√

3) < 0︸ ︷︷ ︸f ungerade

=⇒ lokales Maximum

(−√

3,10

(√

3)3

).

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Kurvendiskussion: Beispiel

7. Wendepunkt / Sattelpunkt. Nun suchen wir x0 mit f ′′(x0) = 0 und

wo f ′′ zusatzlich das Vorzeichen wechselt.

f ′′(x) =−10(x2 − 6)

x5= 0 =⇒ −10(x2 − 6) = 0

=⇒ x2 = 6 .

Somit sind die Kandidaten x5 =√

6 und x6 = −√

6. Durch Kontrolle

sehen wir, dass f ′′(x) fur x < −√

6 und x >√

6 negativ ist (z.B.

x = ±7 einsetzen), wahrend f ′′(x) fur −√

6 < x <√

6 positiv ist

(z.B. x = 0 einsetzen).

46/66

Kurvendiskussion: Beispiel

Das heisst, f ′′ wechselt bei x5 =√

6 und x6 = −√

6 das Vorzeichen und

somit haben wir Wendepunkte gefunden.

Die Wendepunkte sind also

WP1 :

(√

6,−25√

63

)

WP2 :

(−√

6,25√

63

)

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Kurvendiskussion: Beispiel

8. Verhalten fur x → ±∞. Hier berechnen wir die Grenzwerte fur

x → ±∞. Ahnlich wie oben, schreiben wir dazu f um,

limx→∞

f (x) = limx→∞

−5x2 + 5

x3= 5 lim

x→∞

(−1

x+

1

x3

)= 0 ,

limx→−∞

f (x) = limx→−∞

−5x2 + 5

x3= 5 lim

x→−∞

(−1

x+

1

x3

)= 0 .

Somit ist die x-Achse eine horizontale Asymptote.

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Kurvendiskussion: Beispiel

9. Wertebereich. Wir fragen uns, welche Werte f annehmen kann.

Da wir wissen, dass f (x)→ 0, wenn x → ±∞, mussen wir uns auf

die Polstelle konzentrieren. Doch da hatten wir ja schon

herausgefunden, dass

limx↓0

f (x) = +∞ und

limx↑0

f (x) = −∞ .

Somit nimmt f Werte auf ganz R an, W = R.

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Kurvendiskussion: Beispiel

10. Skizze. Nun konnen wir alle Information, die wir gewonnen haben, in

einen Graph verpacken.

Da wir wissen, dass f ungerade ist, konnen wir den Graphen erst auf

R>0 betrachten und am Ende einfach am Ursprung spiegeln.

B Zuerst tragen wir die Nullstellen, die Extrema und die

Wendepunkte ein.

B Danach benutzen wir unser Wissen uber das Verhalten fur

x → +∞ und x ↓ 0.

B Zuletzt spiegeln wir, um die ganze Funktion zu erhalten.

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Kurvendiskussion: Beispiel

R

R

(1, 0)(√3, −10√

33

)

(√6, −25√

63

)

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Kurvendiskussion: Beispiel

R

R

f

(1, 0)(√3, −10√

33

)

(√6, −25√

63

)

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Kurvendiskussion: Beispiel

R

R

f

(1, 0)(√3, −10√

33

)

(√6, −25√

63

)

(−1, 0)

(−√

3, 10√33

)

(−√

6, 25√63

)

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Newtonverfahren

Tangentenverfahren von Newton

Sei eine Funktion f : R→ R gegeben. Ziel ist es, Nullstellen zu finden.

Idee. Wir konnen einen beliebigen Punkt wahlen und die Tangente an

diesem Punkt berechnen. Die Nullstelle der Tangente, also einer linearen

Funktion, konnen wir quasi ablesen. An diesem neuen Punkt, betrachten

wir wiederum die Tangente und berechnen deren Nullstelle. Und so weiter.

Es stellt sich raus, dass wir uns so der Nullstelle der Funktion annahern.

Newtonverfahren. Fur einen beliebigen Startpunkt x0 ∈ R, berechnen wir

xn+1 = xn −f (xn)

f ′(xn), n ∈ N0 .

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Newtonverfahren: Beispiel

Quelle: Ralf Pfeifer,

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NewtonIteration_Ani.gif

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Newtonverfahren: Beispiel

Quelle: Ralf Pfeifer,

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NewtonIteration_Ani.gif

55/66

Newtonverfahren: Beispiel

Quelle: Ralf Pfeifer,

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NewtonIteration_Ani.gif

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Newtonverfahren: Beispiel

Quelle: Ralf Pfeifer,

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NewtonIteration_Ani.gif

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Newtonverfahren: Beispiel

Quelle: Ralf Pfeifer,

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NewtonIteration_Ani.gif

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren: Beispiel

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Newtonverfahren

Betrachten wir ein einfaches Beispiel.

Beispiel. Suchen Sie die Losung zu der Gleichung ex = 2. Naturlich

konnen wir dies analytisch losen als x = ln 2 ≈ 0.693147181 . . ., sodass wir

unsere Abschatzung auch testen konnen.

Wir definieren also f (x) = ex − 2 und suchen die Nullstelle.

1. Zuerst wahlen wir einen Startpunkt, zum Beispiel x0 = 1.

2. Und nun berechnen wir,

x1 = x0 − (1− 2e−1) =2

e≈ 0.73575 . . .

x2 = x1 − (1− 2e−x1) ≈ 0.6940423 . . .

x3 = x2 − (1− 2e−x2) ≈ 0.693147581 . . .

Schon nach den ersten drei Iterationen sind wir bis auf 6

Nachkommastellen genau.

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Newtonverfahren

Wann funktioniert das Newtonverfahren gut?

Die mathematische Bedingung lautet

f (x0) · f ′′(x0)

[f ′(x0)]2∈ (−1, 1) .

Das Newtonverfahren funktioniert also gut, wenn

B f klein,

B f ′ gross und

B f ′′ klein ist.

Anmerkung zum Newtonverfahren.

Man findet immer nur eine lokale Nullstelle abhangig vom Startpunkt,

nicht alle Nullstellen der Funktionen.

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Regel von de l’Hopital

Regel von de l’Hopital

Die Regel von de l’Hopital (auch de l’Hospital) ist eine uberaus hilfreiche

Regel zur Berechnung vieler unbestimmter Ausdrucke.

Beispiel. Betrachten wir erneut die Funktion x 7→ sin(x)x und versuchen

den Grenzwert fur x → 0 zu berechnen. Wir realisieren schnell, dass wir

einen unbestimmten Ausdruck der Form “00” erhalten. Ohne Hilfsmittel

kommen wir hier nicht weiter.

Bemerkung. Ein solches Hilfsmittel konnte die Taylorreihe sein. Mit ihr

wissen wir, dass sin(x) =∑∞

n=0(−1)n x2n+1

(2n+1)! und somit

sin(x)

x=∞∑n=0

(−1)nx2n

(2n + 1)!

(x→0)−→ 1 .

Doch dazu mehr im Kapitel uber Potenzreihen. In diesem Fall gibt es

einen einfacheren Weg.

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Regel von de l’Hopital

Satz. (Regel von de l’Hopital) Seien a < b ∈ R und seien

f , g : (a, b)→ R differenzierbare Funktionen. Es soll gelten, dass g(x) 6= 0

und g ′(x) 6= 0 fur alle x ∈ (a, b) sowie

limx↘a

f ′(x)

g ′(x)= L ∈ R .

Wenn zusatzlich eine der beiden folgenden Bedingungen halt,

B (“00”) limx↘a f (x) = limx↘a g(x) = 0,

B (“∞∞”) limx↘a |g(x)| =∞,

dann gilt auch

limx↘a

f (x)

g(x)= L .

Analoge Aussagen gelten fur x ↗ b oder x → c ∈ (a, b). Im letzten Fall

ist g(c) = g ′(c) = 0 erlaubt, wenn g(x) 6= 0 und g ′(x) 6= 0 fur alle

x ∈ (a, b) \ {c}.59/66

Regel von de l’Hopital

Bemerkung. Die zweite Bedingung “∞∞” wird oft als

limx↘a|f (x)| = lim

x↘a|g(x)| =∞

geschrieben. Tatsachlich ist aber limx↘a |f (x)| =∞ nicht notwendig.

Beispiel. Versuchen wir erneut, limx→0sin(x)

x zu berechnen.

Wir setzen a = −∞, b = +∞, c = 0, sowie f : R→ R mit f (x) = sin(x)

und g : R→ R mit g(x) = x .

Beide Funktionen sind differenzierbar auf ganz R mit f ′(x) = cos(x) und

g ′(x) = 1. Es gilt g(x) 6= 0 auf R \ {c} und g ′(x) 6= 0 auf ganz R.

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Regel von de l’Hopital

Zuletzt prufen wir, dass limx→0f ′(x)g ′(x) existiert. In der Tat,

limx→0

f ′(x)

g ′(x)= lim

x→0

cos(x)

1= cos(0) = 1 = L .

Mit der Regel von de l’Hopital wissen wir nun, dass auch

limx→0

sin(x)

x= L = 1

gilt.

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Regel von de l’Hopital

Beispiel. Betrachten wir den Grenzwert

limx→0

2 sin(x)− sin(2x)

x − sin(x).

Wir wissen, dass f (x) := 2 sin(x)− sin(2x) und g(x) := x − sin(x) als

Zusammensetzungen elementarer Funktionen auf ganz R differenzierbar

sind und wir erhalten den unbestimmten Ausdruck “00”. Wir sehen auch,

dass g(x) = 0 nur bei x = 0 gilt. Doch g ′(x) = 1− cos(x) = 0 fur

x ∈ ∪n∈Z{2πn}, also immer wenn cos(x) = 1.

Ubung. Durfen wir die Regel von de l’Hopital trotzdem anwenden?

B Wahlen Sie geeignete Werte fur a, b, c (aus obigen Satz) und

begrunden Sie, dass die Regel von de l’Hopital angewandt werden

darf.

B Verwenden Sie die Regel von de l’Hopital einige Mal bis Sie zu einem

Ergebnis kommen. Sie sollten den Grenzwert 6 erhalten.

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Regel von de l’Hopital

Ubung. Begrunden Sie, dass die Regel von de l’Hopital angewandt werden

kann, und berechnen Sie die folgenden Grenzwerte.

1. limx→0

1− cos(x)

x2,

2. limx↘0

xx ,

3. limx↗+∞

x1x ,

4. limx↗+∞

xne−x , fur n ∈ N.

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Regel von de l’Hopital

Losung. Sie sollten folgende Werte erhalten,

B limx→01−cos(x)

x2= 1

2 , nach zweimaliger Anwendung der Regel von de

l’Hopital.

B limx↘0 xx = 1, unter Verwendung der Transformation

limx↘0 xx = exp

(limx↘0{x log(x)}

)= exp

(limx↘0

log(x)x−1

)und

Anwendung der Regel von de l’Hopital mit f (x) = log(x) und

g(x) = 1x .

B limx↗+∞ x1x = 1, mit ahnlichen Schritten zur vorhergehenden Ubung.

B limx↗+∞ xne−x = 0, unter wiederholter Anwendung der Regel von de

l’Hopital.

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Regel von de l’Hopital

Ubung. Versuchen Sie die folgenden Grenzwerte mit der Regel von de

l’Hopital zu berechnen.

1. limx↗+∞ex+e−x

ex−e−x .

Tipp: Sie drehen sich im Kreis? Versuchen Sie die Substitution

y = ex .

2. limx→1

{x

x−1 −1

log(x)

}.

Tipp: Schreiben Sie die Differenz als Bruch.

3. limx↗+∞x+sin(x)

x .

Tipp: Uberprufen Sie, ob limx↗+∞f ′(x)g ′(x) existiert. Brauchen Sie die

Regel von de l’Hopital uberhaupt fur diesen Grenzwert?

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Danke fur Ihre Aufmerksamkeit!

Ein spezieller Dank geht an Alexander Smirnow, der eine fruhere Version

dieser Slides aufgebessert und erganzt hat.

Bei Fragen und Verbesserungsvorschlagen schreiben Sie bitte an

alexander.smirnow@bf.uzh.ch.

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