Spannungsfeld Netzwerke – Zur Rolle von Netzwerken in Erwerbsbiographien körperbehinderter Frauen...

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Spannungsfeld Netzwerke –

Zur Rolle von Netzwerken in

Erwerbsbiographien

körperbehinderter Frauen

Dr. Katrin Pittius

Herbsttagung der Sektion soziologische Netzwerkforschung der DGS

Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg / Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

08.-09. September 2011

Nürnberg, 09. 09. 2010 Dr. Katrin Pittius 2

Gliederung

1) Forschungsinteresse

2) Theoretische Grundlagen

3) Methodische Anlage

4) Zentrale Ergebnisse

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1)

Forschungs-

interesse

2)

Theoretische

Grundlagen

3)

Methodische

Anlage

4)

Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

„um es mal <<lachend>> äh (.) positiv zu formulieren; (…) BIN

ich eigentlich DERARTIG qualifiziert gewesen; (.) IMMER (.)

BEI ALLEM (.) wo ich mich beworben <<lachend>> habe; von

wegen (.) es steht ja unten drunter; (.) sie kennen diesen

spruch mit (.) schwerbhinderte werden bei gleicher eignung

beVORzugt, (.) und dann werden FRAUEN bevorzugt und so etwas;

(…) also von dem her (.) hätte ich NIE qualifizierter sein

können; (.) und es hat KEINERLEI wirkung für irgendwie

gehabt;“

(Frau Gesswein, Interview 8Pittius 2010/2011)

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Forschungs-

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Theoretische

Grundlagen

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Anlage

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Potential sozialer Netzwerke körperbehinderter Frauen

im Ausbildungs- und Erwerbskontext

T h e m e n s t r ä n g e

Netzwerke Behinderung GenderBerufs-

biographien

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Theoretische

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

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Behinderung

Definition im physischen Kontext:

Körperbehinderung

„ist eine unüberwindbare oder anhaltende Beeinträchtigung der

Bewegungsfähigkeit infolge einer körperlichen Schädigung“

(Stadler 2001)

sowie

eine unüberwindbare oder anhaltende Beeinträchtigung der Hör-

und/oder Sehfähigkeit (vgl. Bach 1999).

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Theoretische

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Zentrale

Ergebnisse

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Behinderung

soziales Phänomen:

Behinderung ist „eine dauerhafte und sichtbare Abweichung im

körperlichen, geistigen oder seelischen Bereich, der allgemein ein

entschieden negativer Wert zugeschrieben wird“ (Cloerkes 2001).

Behinderter Mensch Umwelt

der (aktive) Prozess des Besonderns und damit Behinderns

der passive Prozess des behindert Werdens.

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

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Behinderung

Goffman: Stigma (1975, orig. 1963)

- „doppelte Perspektive“ (stigmatisiert und stigmatisierend)

interaktiver Herstellungsprozess

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Ergebnisse

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Gender

konstruktivistische Geschlechterperspektive

Geschlecht als soziales, gesellschaftliches und kulturelles Konstrukt

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

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Geschlecht und Behinderung

= Indikatoren gesellschaftlicher Ungleichheitslagen

Behinderung als Masterstatus

These der „doppelten Diskriminierung“:

Fokus auf behindernde Lebensbedingungen/Strukturen und

soziale Diskriminierung

Konstruktivistische Perspektive: Strategien der Akteurinnen

(Kulmer 2000)

Erweiterung

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Grundlagen

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

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Netzwerkkonzept

● Das Netzwerkkonzept bietet einen guten Ansatzpunkt, „um

den Mechanismen sozialer Integration und den Bedingungen

und Folgen von Modernisierungsprozessen auf die Spur zu

kommen“ (Hollstein 2006).

● Als Mesoebene fungieren soziale Netzwerke als ‚Verbindung’

zwischen Struktur- und Akteursebene.

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Grundlagen

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Kriterien der Untersuchungsgruppe:

- keine geistig behinderten Menschen

- körperbehinderte Frauen mittleren Alters

(ca. zw. 35 und 55 Jahren)

- keine Beschränkung auf bestimmte Formen und/oder Grade

von Körperbehinderung; Einbezug von Sinnesbehinderungen

- früh- und spätbehinderte Frauen

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Datenerhebung und -auswertung:

- problemzentrierte Interviews (Witzel 1985)

- egozentrierte Netzwerkkarten (Kahn/Antonucci 1980, 1981)

- Grounded Theory Method (Strauss/Corbin 1996)

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Forschungsleitende Fragen:

Welchen Ausbildungs- und Berufsweg haben die Befragten beschritten?

Welche Netzwerke bzw. Netzwerkpersonen waren in diesem

Zusammenhang von Bedeutung und auf welche Weise?

Welchen Stellenwert nimmt in diesem Kontext der Geschlechteraspekt

ein?

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Erforschung egozentrierter sozialer Netzwerke

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Egozentrierte soziale

Netzwerke

Primäre soziale Netzwerke (informell, nicht professionell)

Sekundäre soziale Netzwerke

(non-formal, semi-professionell)

Tertiäre soziale Netzwerke (formal, professionell)

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Rechtliche Grundlagen (BRD):

- Benachteiligungsverbot (GG Art. 3, Abs. 2, Satz 2)

- Recht auf Teilhabe behinderter Menschen (SGB I § 10)

- 2001 SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter

Menschen)

- 2002 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)

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Zentrale Ergebnisse

(Auswahl)

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Theoretische

Grundlagen

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Anlage

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

In den Ausbildungs- und Berufswegen körperbehinderter Frauen erweisen sich

soziale Netzwerke als ein multidimensionales Spannungsfeld.

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Grundlagen

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Körperbehinderte Frauen

Informelle Netzwerk-mitglieder

Formelle Einfluss-größen

Netzwerke

wirken sowohl positiv

(fördernd) als auch negativ

(beeinträchtigend)

‚Cause and Cure’: d.h.

Ursache für oder auch

Mittel zur Bewältigung von

Konflikten oder Barrieren

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Ergebnisse

(Auswahl)

Spannungsfeld Netzwerke

1. Parallelität positiver und negativer Aspekte innerhalb sozialer

Beziehungen

2. Konflikte mit dem Netzwerkmitglied (oder mehreren)

3. Diskrepanzen zwischen Struktur und Individuum, die auf der

Netzwerkebene zum Ausdruck kommen.

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Ergebnisse

(Auswahl)

Problematisch:

- doppelter Lebensentwurf für behinderte Frauen oftmals nicht realisierbar

- Berufsberatung oft geschlechterstereotyp

- Beratungsqualität seitens der ARGEn-MitarbeiterInnen

- wenig wohnortnahe und/oder behindertenspezifische Angebote

- Verbesserungsbedarf bei der Vernetzung der zuständigen Stellen

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Grundlagen

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Politische Konsequenzen, z.B.:

- Case-Management der Integrationsfachdienste

- Einrichtung trägerübergreifender Servicestellen für Menschen

mit Behinderungen

- Betriebliches Eingliederungsmanagement

- Initiativen des BMAS

(z.B. „job – Jobs ohne Barrieren“; spezielle Förderprogramme

für die berufliche Integration schwerbehinderter Jugendlicher)

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Theoretische

Grundlagen

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Anlage

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Beispiel Arbeitsplatzsuche:

Formaler Weg erfolglos (Arbeitsvermittlung über das AA bzw. die ARGE)

Entwicklung von Strategien

Einflussfaktoren, z.B.:

Selbstbestimmungskonzept; Identitätsentwürfe;

subjektive Handlungsfähigkeit

verfügbare Netzwerke aktives ‚netzwerken‘

(Verfügbarkeit von/Zugang zu) Wissen

strukturelle Rahmenbedingungen

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Zentrale

Ergebnisse

(Auswahl)

Körperbehinderte Frauen –

Geschlecht und Behinderung

Die Interviewten erachten Geschlecht bzw. Frausein nicht als

Barrierefaktor in Hinblick auf ihre Integration in den Arbeitsmarkt.

Auch in potentiellen und real erlebten Diskriminierungskontexten

hat die Geschlechterthematik keinen primären Stellenwert für sie.

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Grundlagen

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Zentrale

Ergebnisse

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Körperbehinderte Frauen –

Geschlecht und Behinderung

Fühlen sie sich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, dann steht dies

in Zusammenhang mit auf die Behinderung bezogener Diskriminierung:

- Öffentlich werden sie als behinderte Person, nicht aber als

behinderte Frau wahrgenommen.

Die Behinderungsthematik überlagert den Geschlechteraspekt.

Behinderung wird somit zum Master-Status.

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Vielen Dank!

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Literatur

Bach, Heinz (1999), Körperbehinderung: Explosion und Isolation eines Begriffes. In: Bergeest, Harry und Gerd Hansen (Hg.), Theorien der

Körperbehindertenpädagogik. Bad Heilbrunn/Obb.: 31-35

Cloerkes, Günther (2001), Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. Heidelberg: Winter

Goffman, Erving (1975), Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt/M.: Suhrkamp (orig. 1963)

Hollstein, Betina (2006), Qualitative Methoden und Netzwerkanalyse – ein Widerspruch? In: dies. und Florian Straus (Hg.), Qualitative Netzwerkanalyse.

Konzepte, Methoden, Anwendungen. Wiesbaden: 11-35

Kahn, Robert L. und Toni C. Antonucci (1980), Convoys over the life course: Attachment, roles, and social support. In: Baltes, Paul B. und Orville G. Brim (Hg.),

Life-span development and behaviour 3, New York: 253-286

Kahn, Robert L. und Toni C. Antonucci (1981), Convoys of social support: A life course approach. In: Kiesler, Sara B., James N. Morgan und Valerie K.

Oppenheimer (Hg.), Aging: Social Change, New York: 383-405

Kulmer, Ursula (2000), Erfolgskonstruktionen – Strategie-Interviews mit körperbehinderten Frauen. Münster: Lit

Pittius, Katrin (2010), Spannungsfeld Netzwerke – Über „Hemmschuhe“, „Rückenstärker“ und „Türöffner“ in Erwerbsbiographien körperbehinderter Frauen.

Dresden: TU Dresden, Diss. (Beim Verlag Westfälisches Dampfboot 2011 im Erscheinen)

Stadler, Hans (2001), Körperbehinderung, Körperbehinderte, Körperbehindertenpädagogik. In: Antor, Georg und Ulrich Bleidick (Hg.), Handlexikon der

Behindertenpädagogik. Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. Stuttgart: 114-117

Strauss, Anselm und Juliet Corbin (1996), Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Psychologie Verlags Union

Witzel, Andreas (1985), Das problemzentrierte Interview. In: Jüttemann, Gerd (Hg.), Qualitative Forschung in der Psychologie. Weinheim: 227-256

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