Untersuchungen über Dithiooxamid

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Z. anorg. allg. Chern. 558 (1988) 201-205 VEB J. A. Barth, Leipzig

Untersuchungen uber Dithiooxamid

G. GATTOW* und W. MANZ

Ma inz, Institut fur Anorganische Chemie und Analytische Chernie der Universitat

I n h a l t s ii bers i c h t . Das bekannte Dithiooxamid (H,N-CS-), wurde rnit verschiedenen spektroskopischen Methoden charakterisiert. Es reagiert nicht rnit Kohlenstoffdisulfid, auch nicht in Gegcnwart von Hilfsbasen.

Studies on Dithiooxamide A b s t r a c t . The known dithiooxamide (H,N-CS-), has been characterized by means of diverse

spectroscopic methods. It does not react with carbon disulfide nor in the presence of help-bases.

Dithiooxamid, das in der Literatur auch als Dithiooxalsaurediamid, Ethan- dithioamid oder mit dem Trivialnamen Rubeanwasserstoff bezeichnet wird, ist seit 1816 bekannt [I]. Die Verbindung findet Verwendung sowohl in der analyti- schen Chemie als auch in der Technik; nahere Einzelheiten s. [2].

Im Hinblick auf eine denkbare Reaktion von Dithiooxamid mit Kohlenstoff- disulfid (vgl. Kapitel 11) haben wir uns mit der spektroskopischen Charakteri- sierung dieser Verbindung befafit, woruber nachstehend berichtet wird.

I. Eigenschaften yon Dithiooxamid Zur Untersuchung gelangte ein handelsiibliches Produkt (Fa. Merck, Darm-

stadt, p. a.). Dithiooxamid ist eine in orangeroten Nadeln kristallisierende Substanz, die

bei 302OC unter Zersetzung schmilzt. Sie ist loslich in Alkoholen, Aceton, Tetra- hydrofuran sowie in Essigsaure und schwerloslich in Wasser (3,07 * 10-3 mol/l nach [3]).

Das El e k t ro ne na b s o r p t i o ns s pe k t r u m des in Ethanol gelosten Dithio- oxamids zeigt bei 22OC zwei Absorptionen mit Maxima bei 311,5 nm und 483 nm. Die mit Hilfe einer Verdunnungsreihe (Konzentrationsbereich 1,08 . bis 5,23 - 10-5 mol/l bzw. bei 3,60 - mol/l) bestimmten molaren Extinktions- koeffizienten betragen E ~ ~ ~ , ~ = 1,115 . lo4 und E~~~ = 2,2 - lo1 1 - mol-I cm-l.

Die intensitatsstarke Absorption bei 311,5 nm kann einem n + n*- und die schwache bei 483 nm einem n + n*-ubergang zugeordnet werden. Diese Egebnisse korrelieren rnit den Angaben von PERSON u. SANDSTROM [4]; vgl. auch [5].

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Das Dithiooxamid I -111 beschreiben :

H"N\(# I I

S I C \ N H ,

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laf3t sich durch die drei tautomeren Grenzstrukturen

HZN\#

I

H S / c b " I I1 I11

Mit Hilfe von Infrarot- und Kernresonanzspektren sollte es moglich sein, die Frage zu klaren, in welcher der drei Strukturen das Dithiooxamid in kristallinem und gelostem Zustand vorliegt.

Von WHEATLEY [GI wurde 1965 die Kristallstruktur von Dithiooxamid bestimmt und bis auf einen R-Wert von 0,071 verfeinert (ohne H-Atome). Die Molekiile sind exakt planar und besitzen trans-Konformation. Vergleicht man die C-S- und C-N-Abstande dieser Verbindung mit den ent- sprechenden im Dithiomalonsaurediamid (H2N-CS-),CH2 [7] (R = 0,028, mit H-Atomen), dnnn crgibt sich, daD das Dithiooxamid die Struktur I besitzt.

Das In f r a ro t spek t rum (Bereich 4000-400 cm-l, KBr-PreBling) des Di- thiooxamids zeigt Absorptionsbanden, deren Maxima mit versuchsweisen Zu- ordnungen in Tab. 1 wiedergegeben sind. Die Zuweisung der Banden zu Schwin- gungsmoden erfolgte z. T. unter Zugrundelegung der Angaben von [7 -101.

Im Bereich der v(NH,)-Schwingungen findet man zwischen 3 300 und 2 800cm-1 eine breite Bande, die durch schwache Submaxima strukturiert ist. Dieses laat auf starke Wasserstoffbriicken der Art N --H...S schlieBen. Aus dem Fehlen der v(SH)-Bande, die im Bereich 2600 -2300 cm-1 zu erwarten ist, folgt, daB das feste Dithiooxamid in der Diaminform I vorliegt.

Tabelle 1 Infrarotspektruma) vom Dithiooxamid

( H,N - CS - ) Mogliche (H,N-CS - ) z Mogliche [cm-l] Zuordnung [cm-l] Zuordnung

3300 - 1 840 s v (C=S)

o(NH,), z(XH2)

n(NCS) I,(NCS)

I 2800m, br I 709 m, br 1590 VR 8"HA 640 s, br 1433 s, sh V(C-N) 474 w 1202 m dNH2) 405 w

") Es bedeuten: v = Valenzschwingung, 8 = i.p. Deformationsschwingung, .z = 0.0.p. Deforma- tionsschwingung, n = rocking-Schwingung, z = twisting-Schwingung, w = wagging-Schwingung. Geschatzte relative Intensitaten der ilbsorptionsmaxima : vs = sehr stark, s = stark, m = mittel, w = schwnch, br = breit, sh = Schulter

In den Kernresonanzspekt ren lH-NMR (80.1 7 MHz, 50/,ige Losung) und 13C-NMR (20,15 MHz, 20%ige Losung) des in Dimethylsulfoxid-d, gelosten Di- thiooxamids treten bei 30 OC Resonanzsignale in Form von Singuletts mit folgen- den, auf TMLS bezogenen chemischen Verschiebungen auf: S,(NH) = 9.8 ppm und d,,(CS) = 194,2 ppm.

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Tabelle 2

mle rel. Hiiufigkeit Fragmention mie rel. Haufigkeit Fragmention

Massenspektrum") vom Dithiooxamid (H,N-CS -)z

[%I [%I 120 100,o (HZN-CS - )z+ 59 18,3 HzN - CS + - 1H 86 31,4 HZN-CS-CN+ 58 2,9 HzN- CSf- 2H 76 5,7 csz+ 53 11,4 NC- CN+ + 1H 70 8,6 NC-CS+ 52 10,9 NC - CN+ 61 58,9 HzN-CS+ + 1H 45 693 CS+ + 1H 60 88,6 HzN- CS-+ 44 4,6 cs+

") Nicht angegeben sind die vorn Isotop 34S hervorgerufenen Peaks.

Das breite (NH)-Signal und seine Tieffeldlage deuten darauf hin, da13 auch in Losung H-Briicken ausgebildet werden. Die Verbindung liegt auch in Losung in der Diaminform I vor. Resonanzsignale von SH-Protonen befinden sich im Be- reich von 5 -8 ppm. Die chemische Verschiebung des (CS)-Signals stimmt mit den bei Thioamiden gefundenen praktisch uberein; vgl. z. B. [7].

Im Mass enspekt ru m (ElektronenstoBionisation, 70 eV, Probentemperatur 70 O C ) wird der Peak des Molekiilions als Basispeak registriert. Weiterhin werden Bruchstiicke gefunden, die in Tab. 2 aufgelistet sind. Aufgrund der erhaltenen Fragmentionen mit ihren relativen Haufigkeiten kann fur das Dithiooxamid unter massenspektrometrischen Bedingungen folgender primiirer Zerfallsschritt ange- nommen werden :

HzN-CS-CS-NH, + H,N-CS + CSZ + H,N-CS-CN.

Diese Bruchstucke, die z. T. in ihren protonierten und deprotonierten Formen auftreten (m/e = 61 -58), fragmentieren dsnn weiter.

11. Umsetzung von Dithiooxamid rnit Kohlenstoffdisulfid Amine mit einem pK,-Wert von >9,0 reagieren mit Kohlenstoffdisulfid im

allgemeinen direkt zu den entsprechenden Ammoniumdithiocarbamaten [ 11, 121. Bei Verwendung von Dithiooxamid (pK, w 3 [3]) als Aminkomponente konnte eine Umsetzung mit Kohlenstoffdisulfid in Gegenwart von starken Hilfsbasen nach folgenden Schemata moglich sein (MB = Hilfsbase) ; vgl. z. B. [13]:

H,N-CS-CS-NH, + MB + CSZ + M[S,C-NH-CS-CS-NH,] + HB,

H,N--CS-CS-NHz + 2 MB + 2 CS2-t i&[S,C-NH-CS-CS-NH-CSZ] + 2HB.

Uber Dithiocarbamate, die das Strukturelement S,C -NH -CS - enthalten, vgl. z.B. [14, 151.

Nach ROSENHEIM u. Mitarb. [16] sol1 Thioharnstoff mit Kohlenstoffdisulfid in Gegenwart von Hydroxiden zu den entsprechenden Trithioallophanaten [S,C-NH-CS-NH,]- reagieren. Durch eingehende Untersuchungen konnten wir diese Reaktion nicht bestiitigen [ls]. Wir erhielten Tri- thioallophnnate in Anlehnung an [17] durch Umsetzung von Cyanodithiocnrbirnaten rnit H,S [15].

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ErwartungsgemaS reagiert Dithiooxamid nicht direkt mit Kohlenstoff- disulfid. Auch Umsetzungen in Gegenwart verschiedener Hilfsbasen unter breiter Variation der Versuchsbedingungen fuhrten zu keinen definierten Produkten.

Versuchsdurchf i ihrung. Da Dithiooxamid aufgrund seiner Konstitution als eine bifunktio- nelle Aminkomponente anzusehen ist, wurden alle Darstellungsversuche mit mono- und biaqui- valenten Mengen an Kohlenstoffdisulfid und Hilfsbasen durchgefuhrt. Gearbeitet wurde unter Schutz- gasatmosphare und kraftigem Riihren der Reaktionsmischuiigen.

nls ,zilch in handelsiiblicher Form. 1. Losungs- bzw. Suspensionsmittel : Alkohole, Aceton, Tetrahydrofuran; sowohl absolutiert

2. Hilfsbasen: MOH mit M = Na, K, Cs . H,O sowie NaH und KH. 3. Arbeitstemperatur -30 bis 0°C. Arbeitet man bei hoheren Temperaturen, dann kommt es

bcim Einsatz von Alkoholen und Hydroxiden zur Bildung von Trithiocarbonaten bzw. Xanthaten [12]. Bei Verwendung von Aceton findet teilweise Aldolreaktion statt.

4. Arbeitsweise. Nach Beendigung der Umsetzung (Dauer 1 h-3 d) wird das Losungs- bzw. Suspensionsmittel im Vakuum destillativ entfernt und die Reaktionsprodnkte mit verschiedenen spektroskopischen Methoden untersucht.

Der Einsatz von Hydroxidcn in den 0. g. Losungsmitteln ergab stark hygroskopische Produkte, die, diinnschichtchromatographisch verfolgt, mehrere IZomponenten enthalten. Eine saulenchromat'o- gritphische Trennung (Kieselgel G O , Laufmittel Chloroform/Aceton-Gemisch 1 : 3) war nicht moglich, da Zersetzungen auf der Siiule crfolgten. Werden Hydride als Hilfsbasen eingesetzt, dann entstehen die ent,sprechenden stark hygroskopischen und lichtempfindlichen Alkalimetallsalze des Dithio- oxamids [18], die nicht rnit CS, reagieren.

5. Versuche, aus den Reaktionsgemischen die Dithiocarbamate auf dem Weg iiber die Sauren herzustellen, wie es z. B. bei den N-Formyldithiocarbamaten der Fall war [19], fiihrten zur Isolierung von Dithiooxamid. Dabei wurden die Reaktionsprodukte nach uberschichten mit DiethyleBher mit Snlzsaure versetzt bzw. diese direkt rnit in Ether gelostem Chlorwasserstoff bei verschiedenen Temperatmen umgesetzt.

G. Umsetzungen der Rohprodukte rnit Tetrabutylammonium- und Tetraphenylarsoniumsalzen unter verschiedenen Bedingungen nach z. B. [14] fiihrten zu negativen Ergebnissen.

7. Die direkte Veresterung der Reaktionsgemische mit Methyl- und Ethyliodid lie& wie die Massenspektren zeigten, keincn Dithiocarbamidsaureester erkennen. Das gleiche Egebnis lieferte die Umsetznng von Dithiooxamid mit Chlorodithioameisensaurealkylestern [20] mit und ohne SLure- fangern.

Dcr Fonds der Chemischen Industrie hat die vorliegende Arbeit in dankenswerter Weise unter- stiitzt.

Literatur

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Bei der Redaktion eingegangen am 16. Juni 1987.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. G. GATTOW und Dip].-Chem. W. MANZ, Inst. f . Anorg. Chemie u. Analyt. Cliemie d. Univ., Johsnn-Joachim-Becher-Weg 24, D-6500 Mainz

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