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324 Zeitschrift für Versicherungswesen 10/2010 tisierte Risikomanagementlösungen von SAS die Durchführung von Risi- koanalysen und risikobasierten Kapi- talkalkulationen auf Basis von Sol- vency-II-Standardmodellen ebenso wie nach individuellen internen Mo- dellen. Mit den Ergebnissen dieser Analysen sind Versicherer in der La- ge, schnell am Markt zu agieren, Ver- änderungen frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu handeln – immer un- ter Berücksichtigung regulatorischer Anforderungen. So lassen sich wich- tige Wettbewerbsvorteile auf- und ausbauen, etwa mit Blick auf Bonität, Anlagestrategien und Kapitalvertei- lung. Alle für das Risikomanagement ver- wendeten Daten, Modelle, sämtliche Parametereinstellungen und ihre Er- gebnisse werden archiviert. So lässt sich – Stichwort: Revisionssicherheit – noch Jahre später feststellen, wie bestimmte Risikokalkulationen zu- stande gekommen sind, welche Fak- toren einbezogen und wie sie ge- wichtet wurden. Diese Archivierung erfolgt sinnvollerweise im gleichen Risikomanagementsystem wie die Datensammlung, die Berechnung und die spätere Risikoaggregation. Insellösungen sollten möglichst ver- mieden oder zumindest überschau- bar gehalten werden. Ergebnisse bedarfsgerecht aufbereiten Das Risikomanagement dient jedoch nicht allein der Erfüllung regulatori- scher Vorgaben. Es ist auch ein zen- trales Element der strategischen Un- ternehmenssteuerung. Dafür ist die Aggregation, die Aufbereitung, die Verteilung und richtige Deutung der Analyseergebnisse von zentraler Be- deutung. Anders als bei externen Re- portings, deren Vorgaben zum Bei- spiel durch Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen geregelt sind, ha- ben Unternehmen bei solchen inter- nen Berichten eigene Gestaltungs- spielräume, die es sinnvoll zu nutzen gilt. Fachabteilungen und Risikomanager sind an dieser Stelle gefordert, ge- meinsam aussagekräftige, zielgrup- pentaugliche Standardreports zu ent- wickeln, die den unterschiedlichen Empfänger- und Steuerungsebenen entsprechen. Was müssen die Fach- abteilungen wissen, um ihr Geschäft zu steuern? Und in welchem Rhyth- mus brauchen sie die aktuellen Infor- mationen? Wie sind die Zahlen für den Vorstand zu aggregieren? Wel- chen Detailgrad und welche Perspek- tiven benötigt er, um ausreichend in- formiert zu sein? Ausblick Die anstehende Modernisierung des Risikomanagements bei deutschen Versicherern ist eine Aufgabe, die Fachbereiche und IT gemeinsam an- gehen müssen. Derzeit steigt die An- forderungslast an die Risk-Fachberei- che, die, nicht zuletzt vor dem Hinter- grund der nahenden Solvency-II-Frist und der aktuell durchgeführten Quantitativen Impact-Studien, lau- fend neue Risikoberechnungen vorle- gen müssen. Dies ist – vor allem, wenn man dem eingangs formulier- ten Qualitätsanspruch folgt – nur mit einer integrierten, standardisierten Risikomanagementlösung sinnvoll machbar. Insofern ist vor allem mit Blick auf Zeit- und Ressourcenpla- nung eine enge Abstimmung von Fachbereich und IT notwendig. An- dernfalls drohen Engpässe bei Pla- nung und Umsetzung. Auch wenn re- gulatorische Vorgaben im Risikoma- nagement derzeit den Takt vorgeben, sollten Unternehmen bei alledem die internen Steuerungsfunktionen und ihre Anforderungen nicht außer Acht lassen. So empfiehlt es sich unbe- dingt, das Risikomanagement auch unmittelbar mit dem Controlling zu verknüpfen und den Informations- fluss zwischen den beiden Diszipli- nen sicherzustellen. Die Versicherungsunternehmen sind gut beraten, wenn sie die verbleiben- de Zeit bis zum Inkrafttreten von Sol- vency II zur konsequenten Ausrich- tung der IT auf die umfangreichen kommenden Risikoanforderungen nutzen. Dabei hilft auch der Aufbau so genannter Risk Competence Cen- ters, in denen unterschiedliche Un- ternehmensbereiche die Risikopro- zesse gemeinsam hinterfragen, ge- stalten und vorantreiben. Heftschwerpunkt Risikomanagement Die Eigenkapitalausstattung der Fi- nanzdienstleistungsbranche sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Zuletzt zwan- gen die aufsichtsrechtlichen Mindest- anforderungen an das Risikoma- nagement (MaRisk) die Institute zu umfangreichen Systemanpassun- gen. Nun stehen der Versicherungs- wirtschaft unter dem Schlagwort Sol- vency II weitere neue Vorschriften ins Haus. Dahinter stehen ambitionierte Ideen zur Modernisierung und Vereinheitli- chung in der europäischen Versiche- rungswirtschaft. Mit Solvency II ver- folgt die EU bis 2012 mehrere Ziele gleichzeitig: – Europaweit einheitliche, prinzipien- basierte Regeln für die Finanz- marktstabilität bei Harmonisierung und Stärkung der Versicherungs- aufsicht, – grundlegende Reform vor allem der Solvabilitätsanforderungen an die Versicherungsunternehmen unter Dr. Hubert Sterner* / Thomas Lengfeld** Die Umsetzung von Solvency II erfor- dert neue Prozesse und IT-Lösungen ** Leiter Business Consulting Insurance, metafi- nanz Informationssysteme, München ** Senior Consultant/ Aktuar DAV bei meta- finanz

Die Umsetzung von Solvency II erfordert neue Prozesse und IT-Lösungen

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[15.05.2010] Die Eigenkapitalausstattung der Finanzdienstleistungsbranche sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Zuletzt zwangen die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) die Institute zu umfangreichen Systemanpassungen. Nun stehen der Versicherungswirtschaft unter dem Schlagwort Solvency II weitere neue Vorschriften ins Haus.

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tisierte Risikomanagementlösungenvon SAS die Durchführung von Risi-koanalysen und risikobasierten Kapi-talkalkulationen auf Basis von Sol-vency-II-Standardmodellen ebensowie nach individuellen internen Mo-dellen. Mit den Ergebnissen dieserAnalysen sind Versicherer in der La-ge, schnell am Markt zu agieren, Ver-änderungen frühzeitig zu erkennenund proaktiv zu handeln – immer un-ter Berücksichtigung regulatorischerAnforderungen. So lassen sich wich-tige Wettbewerbsvorteile auf- undausbauen, etwa mit Blick auf Bonität,Anlagestrategien und Kapitalvertei-lung.

Alle für das Risikomanagement ver-wendeten Daten, Modelle, sämtlicheParametereinstellungen und ihre Er-gebnisse werden archiviert. So lässtsich – Stichwort: Revisionssicherheit– noch Jahre später feststellen, wiebestimmte Risikokalkulationen zu-stande gekommen sind, welche Fak-toren einbezogen und wie sie ge-wichtet wurden. Diese Archivierungerfolgt sinnvollerweise im gleichenRisikomanagementsystem wie dieDatensammlung, die Berechnungund die spätere Risikoaggregation.Insellösungen sollten möglichst ver-mieden oder zumindest überschau-bar gehalten werden.

Ergebnisse bedarfsgerecht aufbereiten

Das Risikomanagement dient jedochnicht allein der Erfüllung regulatori-scher Vorgaben. Es ist auch ein zen-trales Element der strategischen Un-ternehmenssteuerung. Dafür ist dieAggregation, die Aufbereitung, dieVerteilung und richtige Deutung derAnalyseergebnisse von zentraler Be-deutung. Anders als bei externen Re-portings, deren Vorgaben zum Bei-spiel durch Aufsichtsbehörden undRatingagenturen geregelt sind, ha-ben Unternehmen bei solchen inter-nen Berichten eigene Gestaltungs-spielräume, die es sinnvoll zu nutzengilt.

Fachabteilungen und Risikomanagersind an dieser Stelle gefordert, ge-

meinsam aussagekräftige, zielgrup-pentaugliche Standardreports zu ent-wickeln, die den unterschiedlichenEmpfänger- und Steuerungsebenenentsprechen. Was müssen die Fach-abteilungen wissen, um ihr Geschäftzu steuern? Und in welchem Rhyth-mus brauchen sie die aktuellen Infor-mationen? Wie sind die Zahlen fürden Vorstand zu aggregieren? Wel-chen Detailgrad und welche Perspek-tiven benötigt er, um ausreichend in-formiert zu sein?

Ausblick

Die anstehende Modernisierung desRisikomanagements bei deutschenVersicherern ist eine Aufgabe, dieFachbereiche und IT gemeinsam an-gehen müssen. Derzeit steigt die An-forderungslast an die Risk-Fachberei-che, die, nicht zuletzt vor dem Hinter-grund der nahenden Solvency-II-Fristund der aktuell durchgeführtenQuantitativen Impact-Studien, lau-fend neue Risikoberechnungen vorle-gen müssen. Dies ist – vor allem,wenn man dem eingangs formulier-ten Qualitätsanspruch folgt – nur miteiner integrierten, standardisierten

Risikomanagementlösung sinnvollmachbar. Insofern ist vor allem mitBlick auf Zeit- und Ressourcenpla-nung eine enge Abstimmung vonFachbereich und IT notwendig. An-dernfalls drohen Engpässe bei Pla-nung und Umsetzung. Auch wenn re-gulatorische Vorgaben im Risikoma-nagement derzeit den Takt vorgeben,sollten Unternehmen bei alledem dieinternen Steuerungsfunktionen undihre Anforderungen nicht außer Achtlassen. So empfiehlt es sich unbe-dingt, das Risikomanagement auchunmittelbar mit dem Controlling zuverknüpfen und den Informations-fluss zwischen den beiden Diszipli-nen sicherzustellen.

Die Versicherungsunternehmen sindgut beraten, wenn sie die verbleiben-de Zeit bis zum Inkrafttreten von Sol-vency II zur konsequenten Ausrich-tung der IT auf die umfangreichenkommenden Risikoanforderungennutzen. Dabei hilft auch der Aufbauso genannter Risk Competence Cen-ters, in denen unterschiedliche Un-ternehmensbereiche die Risikopro-zesse gemeinsam hinterfragen, ge-stalten und vorantreiben.

Heftschwerpunkt Risikomanagement

Die Eigenkapitalausstattung der Fi-nanzdienstleistungsbranche sorgt seitJahren für Schlagzeilen. Zuletzt zwan-gen die aufsichtsrechtlichen Mindest-anforderungen an das Risikoma-nagement (MaRisk) die Institute zu umfangreichen Systemanpassun-gen. Nun stehen der Versicherungs-wirtschaft unter dem Schlagwort Sol-vency II weitere neue Vorschriften insHaus.

Dahinter stehen ambitionierte Ideenzur Modernisierung und Vereinheitli-chung in der europäischen Versiche-rungswirtschaft. Mit Solvency II ver-

folgt die EU bis 2012 mehrere Zielegleichzeitig:

– Europaweit einheitliche, prinzipien-basierte Regeln für die Finanz-marktstabilität bei Harmonisierungund Stärkung der Versicherungs-aufsicht,

– grundlegende Reform vor allem derSolvabilitätsanforderungen an dieVersicherungsunternehmen unter

Dr. Hubert Sterner* / Thomas Lengfeld**

Die Umsetzung von Solvency II erfor-dert neue Prozesse und IT-Lösungen

** Leiter Business Consulting Insurance, metafi-nanz Informationssysteme, München

** Senior Consultant/ Aktuar DAV bei meta-finanz

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Berücksichtigung des Geschäftsmo-dells („doppelte Proportionalität“),

– wert- und risikoorientierte Entschei-dungsprozesse basierend auf einereinheitlichen, konsistenten und in-tegrierten IT-Architektur.

Die deutsche VersicherungsaufsichtBaFin hat den Anforderungen an einqualitatives Risikomanagement inGroßteilen bereits im Zuge der 9.VAG-Novelle und der MaRisk ver-bindlich für Versicherungsunterneh-men Rechnung getragen. Sowohl dasGesetz als auch das Rundschreibender BaFin haben Mindestanforderun-gen an ein Risikomanagementsys-tem zum Inhalt, die sich niederschla-gen in:

– einer Risikostrategie und einem Ri-sikotragfähigkeitskonzept,

– der Einrichtung einer unabhängi-gen Risikocontrolling-Funktion,

– dem Bedürfnis nach einer integrier-ten IT-Architektur,

– umfassenden Dokumentations- undBerichterstattungspflichten.

Weitere Korrelationen gibt es zumBeispiel zu IFRS, zum KonTraG, zumBilMoG, gegebenenfalls zu SOX undzu den GoBS.

Für die betroffenen Unternehmen er-zeugen besonders die Integration ak-tuarieller Modelle sowie die Konsoli-dierung von Datenhaushalten in ei-ner nachhaltigen IT-Architektur einenerheblichen Umstellungs- und Imple-mentierungsaufwand.

Die drei Säulen von Solvency II

Zu den in Säule 1 von den Versiche-rungsunternehmen zu bewertendenGrößen zählen die Marktwerte derAktiva und Passiva, das Solvency Ca-pital Requirement (SCR) und das Mi-nimum Capital Requirement (MCR)als regulatorische Mindestanforde-rung an die Eigenmittelausstattung.Ebenso gehört die Zuordnung derverfügbaren Eigenmittel zu drei Rän-gen (Tier 1 - 3) je nach Haftungsqua-lität (Kernkapital, Ergänzungskapitalund Drittrangmittel) zu dieser Säule.Der Eigenmittelbedarf kann mit einer

europaweit einheitlichen Standardfor-mel oder mittels eines von der Auf-sichtsbehörde zu zertifizierenden (parti-ellen) internen Modells erfolgen.

Die Säule 2 steht für alle qualitativenAnforderungen an die Versicherungs-unternehmen und die Aufsicht imRahmen des Supervisory ReviewProcess (SRP). Benötigt werden eineCorporate Governance, ein adäqua-tes Risikomanagement in einer ange-messenen Organisationsstruktur so-wie ein Internes Steuerungs- undKontrollsystem (ISKS). Dazu kom-men die Stärkung der internen Revi-sion und die Einrichtung einer permanenten Compliance-Funktionnach dem Grundsatz der doppeltenProportionalität. Im Rahmen einesOwn Risk and Solvency Assessment(ORSA) soll überprüft werden, ob dasquantitative Instrument zur Ermitt-lung des SCR gegenüber demtatsächlichen Risikoprofil des Unter-nehmens angemessen ist.

Transparenz, Veröffentlichung undBerichterstattung an die Aufsicht sind

Heftschwerpunkt Risikomanagement

Abbildung 1: Ökonomische Bilanz unter Solvency II und Zuordnung der Eigenmittel je nach Haftungsqualität

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tragende Elemente der Säule 3. DieMarktteilnehmer sollen durch detail-lierte Informationen über Solvenzund Risiko zu mehr Disziplin angehal-ten werden.

Die besondere Herausforderung aneine nachhaltige IT-Architektur undein übergreifendes Datenmanage-ment über alle drei Säulen hinwegbesteht darin, die aktuariellen Re-chenmodelle, den zu implementie-renden Workflow und die regelmäßi-gen Reportinganforderungen zu ver-binden.

Herausforderungen für die Versicherungsunternehmen

Solvency II wird je nach Unterneh-mensgröße umfangreiche Anstren-gungen und Kapazitäten und teilsmehrjährige Projekte erfordern. Einhoher Prozentsatz der umzusetzen-den Richtlinien steht fest. Die sichzum Beispiel durch QIS 5 ergebendenModifikationen sind flexibel in dasProjekt einzuarbeiten. Ein Fahrplansollte vorsehen, wie bis Ende 2012

folgende Ziele erreicht werden kön-nen:

– Anfängliche Festlegung der Projekt-ziele mit Hilfe einer GAP-Analyseund flexible Anpassung an neue An-forderungen,

– Ausbau der bestehenden Gover-nance hinsichtlich Risikostrategieund -tragfähigkeit, angemessenerAufbau- und Ablauforganisation,Risiko-Assessment und Revisionsowie eines Internen Steuerungs-und Kontrollsystems,

– Aufsetzen von Prozessen, die nötigsind, um die aufsichtsrechtlichenAnforderungen zu erfüllen, Integra-tion in das bestehende Prozessma-nagement und Veränderungsmana-gement bei der Unternehmensreor-ganisation,

– Ausbau des Risikomanagementsbei Implementierung eines Modellszur Berechnung des Solvenzkapi-tals, Own Risk and Solvency Assess-ment, Einhaltung der Use-Test-Kri-terien und Schaffung der Basis fürdas geforderte interne und externeReporting,

– Modernisierung des Daten- und IT-Managements bei Integration dererforderlichen Systeme in einenachhaltige, moderne IT-Architek-tur und Bereitstellung von Daten inder benötigten Qualität, Quantitätund Granularität.

Die Einführungsprojekte und der dar-auf folgende Regelbetrieb unter Sol-vency II erfordern Investitionen in dieFähigkeiten der Mitarbeiter. Eventu-ell werden zusätzliche Kräfte vor al-lem für Aktuariat, Risikomanage-ment/-controlling, Revision, Compli-ance und IT gebraucht.

Architektonische Anforderungenan eine zukunftssichere IT-Landschaft

Die MaRisk verlangen den Versiche-rern im deutschen Markt schon jetzteine bestimmte Qualität von Daten-haltung, Datensicherheit, Archivie-rung, Dokumentation, Prozessen undOrganisation im IT-Bereich ab. Idea-lerweise ist damit bereits ein Stückauf dem Weg zu einer unter Solvency

Heftschwerpunkt Risikomanagement

Abbildung 2: Sowohl Investitionen in Säule 1 als auch in Säule 2 (Steuerungs- und Kontrollinstrumente) beeinflussen die Höhe des zu stellenden Solvenzkapitals

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II benötigten IT-Architektur zurückge-legt.

Dennoch besteht erheblicher Investi-tionsbedarf, um die über die qualitati-ven MaRisk hinausgehenden Anfor-derungen zu erfüllen. Da die IT unddas Datenhandling bereits existenzi-elle Kernkompetenzen eines Versi-cherers darstellen, konzentrieren sichdie Unternehmen stark auf aktuariel-le Werkzeuge und deren Input. Es be-steht aber die große Chance, die IT-Prozesse und -Organisation umfas-send zu überprüfen und zu erneuern.Ziel muss eine einheitliche Architek-tur sein, die auf angemessener, voll-ständiger und richtiger Datenbasisnicht nur dem Risikomanagementgerecht wird, sondern im Sinne einerwert- und risikoorientierten Steue-rung auch die Bedürfnisse der opera-tiven Einheiten erfüllt.

Moderne Business-Intelligence-Werk-zeuge unterstützen die Bilanzierung,die Planung, das interne Reporting,Erfolgs- und Wertrechnungen (EVA,RoRAC, MCEV), die Risikoberichter-stattung und Ad-hoc-Analysen. Vor-

aussetzung ist eine weitreichendeStandardisierung, Automatisierungund Professionalisierung und damiteine nachhaltige Industrialisierung.Eine Daten-Policy regelt die benötig-ten Standards.

Bereits auf der Ebene der operativenQuellsysteme ist auf Integrität, Ver-fügbarkeit, Stabilität, Historien-führung und Glaubwürdigkeit derDaten zu achten. Regelmäßiges Mo-nitoring, Prozesse zum Umgang mitDatenfehlern, Gewährleistung derDatensicherheit, Dokumentation desDatenmodells, Abbau der System-vielfalt und Automatisierung derSchnittstellen sind Erfolgsgaranten.Bei ausgelagerter Datenverarbeitungzum Beispiel im Investmentbereichist die Aufsicht mit dem neuen Regel-werk befugt und angehalten, auchden Outsourcing-Partner im Rahmendes Supervisory Review Process wieein Versicherungsunternehmen zuprüfen.

Werden dezentrale Datentöpfe wieein Insurance Data Warehouse oderein Investmentdatenpool aus exter-

nen Quellen oder gar per Experten-meinung angereichert, ist auf Einhal-tung von Policies zu achten. Diese beschreiben den Datenermittlungs-prozess, die Rollen und Verantwor-tungen, die benutzten Modelle, dieDatenquellen und den Valuierungs-und Sign-off-Prozess.

Das Modell zur Berechnung desbenötigten Solvenzkapitals greift imIdealfall auf die Ergebnisse dezentralverwendeter, meist aktuarieller Mo-delle zurück (Use Test). So wird ge-währleistet, dass die beispielsweisefür das Reserving, das Pricing, die Be-rechnung eines MCEV oder die Er-mittlung des Rückversicherungsbe-darfs qualitätsgesicherten Daten undVerfahren wieder verwendet werdenkönnen.

Die zur Modellierung benutzten Toolssind in der Regel marktgängige, ak-tuariell dokumentierte Insellösungenfür einen eingegrenzten Anwen-dungsbereich (Reserving, Pricing,NatCat-Modellierung, ALM). Für eineIntegration in die IT-Landschaft einesUnternehmens ist ein besonderer

Heftschwerpunkt Risikomanagement

Abbildung 3: Beispiel eines Fahrplans für die Implementierung der für Solvency II nötigen Projektinhalte

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Aufwand nötig. Sowohl die Modell-Plattformen als auch die kaum auto-matisiert bedienbaren Schnittstellenstehen im Kontrast zur angestrebtenIndustrialisierung in der IT.

Revisionssicherheit, Historienführungund Reproduzierbarkeit der Ergeb-nisse sind nur mit umfangreicherKapselung sicherzustellen. Das ak-tuarielle Wissen in den Modellen istaufgrund seiner Komplexität undfachlichen Tiefe meist nicht für alleZielgruppen verständlich und nach-vollziehbar zu beschreiben. Qualitäts-und Kredibilitätsprüfungen sindmangels geeigneter Referenzsyste-me für den gleichen Modellierungs-zweck nur eingeschränkt möglich.Software-Updates und technischeKalibrierungen der Modelle werdenoft nicht von der IT-Abteilung, son-dern vom aktuariellen Personal aus-geführt. Diese Verbindung zwischenaktuarieller Spezialsoftware und interner IT-Architektur ist für die Versi-cherungsunternehmen und ihre Revi-soren, Wirtschaftsprüfer und Auf-sichtsbehörden eine sehr anspruchs-volle Aufgabe.

Die Ergebnisse der dezentralen Mo-delle, aber auch die verwendetenRohdaten sind in einem zentralenRisk-Datawarehouse zu sichern. Spä-testens auf dieser Ebene müssen dieDaten konsistent, vollständig, adä-quat und redundanzfrei vorliegen.Die Kredibilität ist aufgrund der pro-duktiven Verwendung der Modellebereits gegeben, ebenso die ausrei-chende Granularität und die stochas-tische Auswertbarkeit der Daten. Do-kumentation, Historienführung, Auf-bau- und Updateprozesse nebstMonitoring sind auch für diesen Da-tenpool zu gewährleisten.

Auf das Risk-Datawarehouse setzenWerkzeuge, Modelle, Methoden zurBerechnung, Aggregation und Allo-kation des Risikopotenzials auf Basisder Risikoklassen, der Lines of Busi-ness, der Vertriebswege und der Le-gal Entities auf. Verbreitet sind markt-gängige Standalone-Lösungen fürein qualitatives Risikomanagementmit pseudoquantitativen Ansätzen,Risikokapitalberechungstools für Le-ben/Kranken und Sach sowie Aggre-gations- und Allokationssoftware.

Um vom Thema IT-Governance imZuge der Einführung von Solvency IInicht überrascht zu werden, ist eineBestandsaufnahme der IT-Land-schaft, der Werkzeuge und Systeme,der Richtlinien und Standards essen-ziell. Eine GAP-Analyse, eventuell un-terstützt durch einen Fragenkatalogder Revision oder des Wirtschaftsprü-fers, deckt die Mängel im Datenma-nagement, den Prozess- und Organi-sationsstrukturen, den Kontrollsyste-men auf und zeigt damit, in welchemGrad die Compliance-Anforderungenerfüllt sind.

IT-Unterstützung für neuartigeaktuarielle Fragestellungen

Die in der Solvency-II-Bilanz benötig-ten, auch für Zukunftsszenarien öko-nomisch bewerteten Daten sindmeist nicht aus versicherungstechni-schen Datenpools extrahierbar. DieAktuare in Produktentwicklung, Re-serving, Kapitalanlagemanagementoder Risikocontrolling der Versiche-rungsunternehmen müssen dahermit Hilfe der IT viele neue Fragen be-antworten, vor allem, wenn ein inter-

Heftschwerpunkt Risikomanagement

Abbildung 4: Modell einer modernen IT-Architektur fokussiert auf die Unterstützung des Risikomanagements

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nes Modell zur Anwendung kommt.Zentrale Themen aktuarieller Experti-sen sind:

– Simulation von Asset- und Liabiliy-Cashflows unter Berücksichtigungvon Zins, Stornoentwicklung, Infla-tion und der Änderung biometri-scher Risiken,

– Modellierung von Schadenvertei-lungen für Groß- und Katastro-phenrisiken auf statistisch ausrei-chender Datenbasis gegebenen-falls mit Software-Insellösungen,

– Modellierung mathematisch geeig-neter Aggregationsverfahren unddatenbasierter Allokationsverfah-ren zwecks verursachungsgerech-ter, quantitativer Zuordnung von Ri-siken,

– Schneidung der Lines of Business,Produktentwicklung, Asset-Steue-rung, optimierter Einsatz von Rück-versicherung, Produktprofitabilitäts-rechnungen unter Berücksichtigungvon allokiertem Solvenzkapital,

– Entwicklung IT-unterstützter Limit-systeme für das Underwriting unddie Kapitalanlage.

Immense Bedeutung bei der Beant-wortung aktuarieller Fragen kommtder IT-Unterstützung zu.

Wettbewerbsvorteile und Zukunftsfähigkeit

Eine frühzeitige Integration eines(partiellen) internen Modells schafftWettbewerbsvorteile und führt zu ei-nem Reputationsgewinn. Zusammenmit dem Grad der Umsetzung einesEnterprise Risk Management (ERM)wird sich dieser in einem besserenexternen Rating niederschlagen.

Eine industrialisierte Verwaltung derDatenhaushalte und eine technischeImplementierung der Rechenmodel-le ermöglicht durch Simulationen dieunternehmensspezifische Optimie-rung des SCR zum Beispiel durch aktives Kapitalanlage-Managementmittels Umschichtung des Asset-Port-folios auf andere Anlageklassen. Ka-pitalanlageentscheidungen könnenmittels eines IT-gestützten internen

Modells zielgerichtet auf Risikomini-mierung und Verringerung des Eigen-mitteleinsatzes überdacht und getrof-fen werden.

Automatisierte Risikomessung und -steuerung auf Basis einer rundumund nachhaltig modernisierten IT-Landschaft macht das Unternehmenzukunftsfähiger. Es trägt zum wirt-schaftlichen Erfolg eines Versiche-

rungsunternehmens bei, wenn essein Eigenkapital sowohl bei den Ka-pitalanlagen als auch in der Versiche-rungstechnik optimiert einsetzt undVerluste, die sich aus überraschen-den Risiken ergeben können, vermei-det.

Die Konformität mit den EU-Vor-schriften führt über ein umfassendesIT-Projekt.

Heftschwerpunkt Risikomanagement

Die stetig steigenden Ansprüche derEndkunden hinsichtlich Qualität, Ver-fügbarkeit und Preis bei gleichzeitig an-steigendem internationalen Wettbe-werbsdruck haben viele Unternehmendazu veranlasst, ihre Supply Chains zuoptimieren. Heutzutage wird dieserWettbewerb nicht mehr nur zwischeneinzelnen Unternehmen, sondern zwi-schen ganzen Wertschöpfungsnetz-werken ausgetragen. Die stetige Effizi-enzsteigerung innerhalb dieser Wert-schöpfungsnetzwerke durch.

– „Global Sourcing“, – Minimierung der Lagerbestände, – Zentralisierung von Produktions-

und Distributionsstandorten,– höhere Kapazitätsausleistung, – gesteigerte Durchlaufzeiten, – Outsourcing von Wertschöpfungs-

bestandteilen und – Lieferantenkonzentration

hat bei vielen Unternehmen oberstePriorität. Es gilt, Kosten zu senkenund gleichzeitig den Kundenservicezu optimieren. Diverse Schadenfällein den letzten Jahren haben jedochgezeigt, dass die einseitige Fokussie-rung auf Effizienzsteigerung eben

nicht nur die Produktivität der Unter-nehmen, sondern auch die Verwund-barkeit ihrer Supply Chains erhöht.

Ein nachhaltiges Supply-Chain-(Risi-ko-)Management muss also Effizienzund Belastbarkeit in Einklang bringenund ist somit als Chancen- und Risi-komanagement zu verstehen. Denn:Ist die Supply Chain infolge einerStörung erst einmal unterbrochen,kann oftmals nicht mehr produziertwerden. Bei längeren Unterbrechun-gen ist häufig auch die Lieferfähigkeitgefährdet. Im schlimmsten Fall –wenn etwa die Produktionskapazitä-ten nachhaltig zerstört worden sind –drohen gravierende Kundenverlustean Mitbewerber und in Folge unterUmständen die Insolvenz.

Wie wichtig Supply-Chain-Risikoma-nagement ist, bestätigt eine Umfrageder Aberdeen Group

1unter Supply-

Chain-Executives von 180 globalagierenden Unternehmen. 80% derBefragten gaben an, in den letzten

Hendrik Löffler*/Nikolaus Sühr**

Supply-Chain-Risikomanagement

Wenn die Lieferkette eines Unternehmens unterbrochen ist, kann das

schnell auch den Betriebsablauf stilllegen und damit dramatische finanzi-

elle Folgen haben: Denn während die Kosten fortlaufen, fallen die Ge-

winne weg. Um vorbeugend entgegensteuern zu können, müssen Risiko-

potenziale in der Lieferkette frühzeitig erkannt werden - hierfür ist eine

detaillierte Betriebsunterbrechungs-Analyse erforderlich.

**Geschäftsführer Funk RMCE **Nikolaus Sühr, Junior Consultant, Funk RMCE1 Aberdeen Group (2005): The Supply Chain

Risk Management Benchmark Report, Boston