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175 § 7. Hos 11,1-11: Der abtrünnige Sohn 7.1 Einleitung Wir kommen jetzt zu der zweiten und letzten Perikope meiner Studie. 11,1-11 verwendet die Metapher des Vater-Sohn-Verhältnisses, um die Beziehung zwischen Jahwe und Israel zu beschreiben. In dieser Perikope findet man Hoseas „tiefste theologische Einblicke in dieses Thema“ 1 . Jahwe nennt Efraim/Israel seinen Sohn und erzählt, wie er es als Sohn behandelt hat. In 11,1-4 wird von den Heilstaten Jahwes um seines Sohnes - Israel/Efraim - willen gesprochen. Jedoch beklagt sich Jahwe darüber, daß sein Sohn angesichts seiner liebevollen Vaterschaft undankbar gewesen ist. Nach allem, was Jahwe für ihn getan hatte, ließ Israel/Efraim seine Treulosigkeit dadurch erkennen, daß es anderen Göttern nachlief und seinen richtigen Vater nicht anerkannte (11,2-4). Wegen dieser Undankbarkeit und Treulosigkeit wird es als Sohn Jahwes verstoßen (11,5-7). Ich werde zeigen, daß es hier auch um die Autorität Jahwes über Israel und nicht um eine gegenseitige Beziehung mit Rechten und Pflichten geht. 11,1-11 ist vielleicht der Text im Hoseabuch, der am schwierigsten zu interpretieren ist. Der hebräische Text bereitet literarische Schwierigkeiten, die viele Exegeten dazu geführt haben, zahlreiche Korrekturen vorzuschlagen, die jedoch eher als Mutmaßungen denn als gesicherte Ergebnisse zu bezeichnen sind. Auf der inhaltlichen Ebene hat der Tonwechsel zwischen 11,1-7 und 11,8-11 viele Interpretationen hervorgerufen. Während die einen die hoseanische Authentizität von 11,8-11 vermuten, betonen andere ihren redaktionellen Charakter. Ich behaupte, daß 11,8-11 eine exilisch-nachexilische Hinzufügung ist, die die Vorstellung der Hoffnung auf die Rückkehr ins Land zum Ausdruck bringt. In diesem Kapitel werde ich die Metapher des Vater-Sohn-Verhältnisses untersuchen. Zunächst werde ich die Perikope 11,1-11 abgrenzen und zeigen, daß sie ein selbständiges Stück ist, das sich von den vorhergehenden und den darauf 1 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 98.

§ 7. Hos 11,1-11: Der abtrünnige Sohn · Kap. 11 zu bestimmen und die Entwicklung der Metapher des Vater-Sohn-Verhältnisses zu verfolgen. Aus thematischen Gründen habe ich Kap

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§ 7. Hos 11,1-11: Der abtrünnige Sohn

7.1 Einleitung

Wir kommen jetzt zu der zweiten und letzten Perikope meiner Studie. 11,1-11

verwendet die Metapher des Vater-Sohn-Verhältnisses, um die Beziehung

zwischen Jahwe und Israel zu beschreiben. In dieser Perikope findet man Hoseas

„ tiefste theologische Einblicke in dieses Thema“ 1. Jahwe nennt Efraim/Israel

seinen Sohn und erzählt, wie er es als Sohn behandelt hat. In 11,1-4 wird von den

Heilstaten Jahwes um seines Sohnes - Israel/Efraim - willen gesprochen. Jedoch

beklagt sich Jahwe darüber, daß sein Sohn angesichts seiner liebevollen

Vaterschaft undankbar gewesen ist. Nach allem, was Jahwe für ihn getan hatte,

ließ Israel/Efraim seine Treulosigkeit dadurch erkennen, daß es anderen Göttern

nachlief und seinen richtigen Vater nicht anerkannte (11,2-4). Wegen dieser

Undankbarkeit und Treulosigkeit wird es als Sohn Jahwes verstoßen (11,5-7). Ich

werde zeigen, daß es hier auch um die Autorität Jahwes über Israel und nicht um

eine gegenseitige Beziehung mit Rechten und Pflichten geht.

11,1-11 ist vielleicht der Text im Hoseabuch, der am schwierigsten zu

interpretieren ist. Der hebräische Text bereitet literarische Schwierigkeiten, die

viele Exegeten dazu geführt haben, zahlreiche Korrekturen vorzuschlagen, die

jedoch eher als Mutmaßungen denn als gesicherte Ergebnisse zu bezeichnen sind.

Auf der inhaltlichen Ebene hat der Tonwechsel zwischen 11,1-7 und 11,8-11

viele Interpretationen hervorgerufen. Während die einen die hoseanische

Authentizität von 11,8-11 vermuten, betonen andere ihren redaktionellen

Charakter. Ich behaupte, daß 11,8-11 eine exilisch-nachexilische Hinzufügung ist,

die die Vorstellung der Hoffnung auf die Rückkehr ins Land zum Ausdruck

bringt.

In diesem Kapitel werde ich die Metapher des Vater-Sohn-Verhältnisses

untersuchen. Zunächst werde ich die Perikope 11,1-11 abgrenzen und zeigen, daß

sie ein selbständiges Stück ist, das sich von den vorhergehenden und den darauf

1 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 98.

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folgenden Perikopen unterscheidet. Danach werde ich jedes Element der Perikope

im Detail untersuchen und analysieren und dort, wo es nötig ist, eine eigene

Übersetzung sowie Lösungen für die textuellen Probleme vorschlagen.

7.2 Die Per ikope

Es wird allgemein vorgeschlagen, daß Kap. 11 als Schluß der Sammlung der

hoseanischen Orakel, die in 4,1 angefangen haben, angesehen werden sollte.2

Tatsächlich enthält Kap. 11 wichtige Indizien, die vermuten lassen, daß es sich

um den Schlußteil von Kap. 4-11 handelt. Der redaktionelle Anzeiger ���� ��� in

11,11 markiert die Grenzen der zweiten großen Einheit (Kap. 4-11).3 D. Wyrtzen

betrachtet 4,1-11,11 als den vierten großen Komplex im Hoseabuch nach 1,2-2,3;

2,4-25 und 3,1-5 und vor der letzten Einheit 12,1-14,9. Diese Einheiten beginnen

mit einem Urteilswort und enden mit einer Heilsankündigung enden.4 Buss hat

festegestellt, daß es innerhalb der Sammlung von 4,1-11,11 kleinere

Orakelsammlungen, die sich um ein bestimmtes zentrales Thema drehen. Der aus

den Einheiten 9,10-17; 10,1-8.9-15 und 11,1-11 bestehende Kern Aussagen

beinhalte einen „geschichtlichen Überblick“ („historical review“).5

Wiebe stellte fest,6 daß Kap. 11, wie redaktionelle Formeln zeigen, mit 11,1

beginnt und mit 11,11 endet. Der Schluß werde durch den redaktionellen

Anzeiger ���� ��� in 11,11b7 und durch die Tatsache, daß 12,1 ein neues Thema

2 Vgl. Buss, M. J., The Prophetic Word, 31-33; Willi-Plein, I., Vorformen, 206; Wolff, H. W.,Dodekapropheton, 245f, 245-247; Mays, J. L., Hosea, 15f; Andersen, F. I./Freedman, D. N.,Hosea, 314, 331f, 576; Wyrtzen, D., The Theological Center, 142-144. Vgl. Wiebe, J. M.,Deuteronomy, 99.3 Darauf haben mehrere Exegeten aufmerksam gemacht. Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton,254; Willi-Plein, I., Vorformen, 206; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 314, 576;Yee, G. A., Composition and Tradition, 144; Buss, M. J., The Prophetic Word, 32f; Rudolph, W.,Hosea, 219; Jacob, E., Osée, 80. Für die Verwendung dieser redaktionellen Formel vgl.Rendtorff, R., Gebrauch, 27-37; Baumgärtel, F., Die Formel, 277-290.4 Wyrtzen, D., The Theological Center, 316-319.5 Buss, M. J., The Prophetic Word, 31f.6 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 99f.7 Vgl. Jacob, E., Osée, 80; Rudolph, W., Hosea, 219; Buss, M. J., The Prophetic Word, 32f;Willi-Plein, I., Vorformen, 206; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 254;Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 314, 576; Yee, G. A., Composition and Tradition, 144.Für die Verwendung dieser Formel vgl. Westermann, C., Basic Forms, 188f; Rendtorff, R.,Gebrauch, 27-37; Baumgärtel, F., Die Formel, 277-290.

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einleite,8 markiert. Der Anfang der Perikope wird mit der Partikel �� in 11,1

eingeleitet. Obwohl einige Versionen des Alten Testaments 11,1 mit den

vorhergehenden Versen sinngemäß verbinden, indem sie die Partikel �� in

kausalem Sinne wiedergeben,9 weist Wolff mit Recht darauf hin, daß kein

einziges Stichwort 11,1-11 mit 10,9-15 verbindet und daß 11,1 ein neues Thema

einführt. Hinzufügen kann man auch, daß Israel in 10,9-15 unmittelbar

angesprochen wird, während in 11,1-4 von Efraim/Israel in der dritten Person die

Rede ist.10 Wie Wiebe schrieb, sollte man den alten Versionen nicht zuviel Wert

beimessen, denn sie tendieren dazu, schwierige Stellen in der hebräischen

Vorlage durch eine Harmonisierung der Texte zu vereinfachen. Die Partikel �� in

11,1 war für die alten Versionen vielleicht schwierig zu übersetzen, weil im

biblischen Hebräisch bei einem mit �� eingeleiteten Temporalsatz �� immer vor

einem Verb kommt.11

Andererseits ist die inhaltliche Einheit von Kap. 11 selbst ein umstrittenes Thema.

Wegen des Tonwechsels zwischen Drohung und Heil innerhalb vom Kap. Haben

einige Kommentatoren den zusammengesetzten Charakter des Textes betont.12

Andere sprechen dagegen von der Einheit des ganzen Kapitels.13

H. Donner interpretiert 11,1-6 als ein prophetisches Kompendium zum Exodus

aus Ägypten: Exodus aus Ägypten (11,1), der erste Fall des Volkes in Baal Peor

8 Vgl. Reines, C., Hosea XII, 156f; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 268ff; Andersen,F. I./Freedman, D. N., Hosea, 576; Beeby, H., Hosea, 141; Murphy, R./McCarthy, D., Hosea,217-228; Davies, G. I., Hosea, 250.9 Vgl. G: „�����“ . Vgl. auch Ziegler, J., Duodecim Prophetae, 171f. Auch die Vulgata übersetzt ��als eine kausale Partikel mit dem Satz: Quia puer Israel, und verbindet 10,15 mit 11,1.10 Wolff, H. W., Dodekapropheton, 249. Vgl. auch Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 576.11 S. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 100. In Fn 100 verweist Wiebe auf die Werke vonGesenius, F. H., Hebräische Grammatik, § 164d; Kedar-Kopfstein, B., Textual Gleanings, 73-97;Kedar-Kopfstein, B., Hebrew Readings, 176-210; Freedman, D., Problems, 55-76; Neef, H., DerSeptuaginta-Text, 195-220; Cooper, C., Hebrew Psalter, 233-244.12 Vgl. McKenzie, J. L., Knowledge, 172; Zenger, E., Durch Menschen, 197f.13 Vosloo, W., Hosea 11, 500-508, argumentiert, daß der wiederholte Gebrauch derExodustradition, die Wurzel � und das Bild des abtrünnigen Sohnes als strukturelle Hinweiseauf die Einheit von 11,1-11 dienen; vgl. auch Wiebe, J. M., Deuteronomy, 99-101. Für die Einheitvon 11,1-9 vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 250f; Emmerson, G. I., Hosea, 40;Schüngel-Straumann, H., Gott als Mother, 119-134; Yee, G. A., Composition and Tradition, 227;Daniels, D., Hosea, 65-76.

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(11,2), die Wanderung durch die Wüste (11,3-4), die Wachtel- und Mannawunder

(11,4).14

Im allgemeinen wurde die hoseanische Authentizität von Kap. 11 – bis auf

11,1015 – wenig bestritten. Die endgültige Zusammenstellung der hoseanischen

Einzelworte wird normalerweise einem Schüler oder der Schule des Propheten

zugeschrieben.16

Jedoch wurde diese alte Datierung erneut von Yee in Frage gestellt, die das ganze

Kapitel 11 dem exilisch-nachexilischen Endredaktor (R 2), der für die endgültige

Redaktion des Hoseabuches verantwortlich ist, zuschreibt. Mit den Kap. 3 und 14

strukturiere R 2 das ganze Hoseabuch nach einer dreiteiligen Anordnung.17 Yee

nimmt eine dreidimensionale Geschichte an, die auf die Lage der judäischen

Gemeinde im Exil bezogen ist: Exodus aus Ägypten (11,1-4), babylonisches Exil

(11,5-7), Rückkehr aus Ägypten als vorbildhafte Darstellung der Rückkehr Judas

aus Babylon (11,10-11).18

E. Zenger vertritt die Ansicht, daß ein hoseanischer Kern in 11,1-7

(11,1.3a.4b.5a.6a) einer redaktionellen Erweiterung durch die Schüler des

Propheten unterzogen wurde (11,2.3b.4a.5b.6b.7). Sein Hauptargument liegt im

Personenwechsel zwischen diesen Versen. Der hoseanische Kern erwähne

Israel/Efraim in der dritten Person Singular, während die redaktionelle

Bearbeitung einen unbestimmten Plural eingeführt habe.19

14 Donner, H., Israel, 87f. Vgl. auch Neef, H. D., Der Septuaginta-Text, 95; Vollmer, J.,Geschichtliche Rückblicke, 64; Daniels, D., Hosea, 117-120; Jacob, E., Osée, 81.15 11,10 wurde von der Mehrheit der Kommentatoren als sekundär betrachtet: vgl. Marti, K., DasDodekapropheton, 91; Duhm, B., Anmerkungen, 36; Buss, M. J., The Prophetic Word, 23;Willi-Plein, I., Vorformen, 203f; Bjornard, R. B., Hosea 11,8-9, 16; Nissinen, M., Prophetie,261-262; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 591; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 147.Zitiert in Gangloff, F., La figure, 224.16 Wolff, H. W., Dodekapropheton, 254; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 140; Rudolph, W.,Hosea, 217-220.17 Yee, G. A., Composition and Tradition, 226-229.18 Yee, G. A., Composition and Tradition, 227. Man beachte, daß sie dieses Schema auf dieMakrostruktur der Kap. 4-11 anwendet.19 Zenger, E., Durch Menschen, 194.

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Die Studien von Yee und Zenger haben zur Untersuchung von Kap. 11

gegensätzliche Beiträge geleistet. Während Zenger aufgrund der diachronischen

Methode eine frühe Datierung vorschlägt, kommt Yee auf eine späte Datierung,

indem sie die synchronische Methode anwendet.20

Nach Nissinen ist Kap. 11 das Ergebnis einer noch komplizierteren redaktionellen

Arbeit. Er stellt drei redaktionelle Phasen fest: 1) Neu-interpretation der

israelitischen Hofprophetie im Zusammenhang mit dem Ende des Nordreichs

(gegen 700 v. Chr.). Zu dieser Phase gehören 11,1-3 (bis auf ����� ������������),

11,4 (bis auf ��������������� ������������), 11,5 (bis auf ����������), 11,6 und die

letzten Worte von 11,11 (��������). 2) Eine von den Verfasser des Deuteronomium

beeinflußte Theologie, die kurz nach dem Exil 11,2.7 und ����� ������������, �����

�� ������ �����������,����������� hinzugefügt hat. 3) Eine nachexilische

Heilseschatologie, die für 11,8.9.10.11 (bis auf ��������) verantwortlich ist.21

Man kann diese Beiträge als gute Ansatzpunkte nehmen, um die Redaktion von

Kap. 11 zu bestimmen und die Entwicklung der Metapher des

Vater-Sohn-Verhältnisses zu verfolgen.

Aus thematischen Gründen habe ich Kap. 11,1-11 wie folgt gegliedert:

Beschreibung der väterlichen Liebe Jahwes und der undankbaren Antwort Israels

(11,1-4), die Urteilsankündigung (11,5-6), die Klage des Volkes (11,7), Rückkehr

ins Land (11,8-11).

7.3 Textanalyse und Auslegung von Hos 1,1-11

7.3.1 Hos 11,1-4: Jahwes väter liche L iebe, I sraels undankbare Haltung

1) Als Israel jung war, hatte ich es lieb,

aus Ägypten rief ich meinen Sohn

������������� ������ ��������

����������� � ����� �!�"����

20 Gangloff, F., La figure, 225.21 Nissinen, M., Prophetie, 338f. Zitiert in Gangloff, F., La figure, 225.

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heraus.

2) Sobald man sie ruft,22

so wenden sie sich von mir23 ab.

Sie opfern den Baalen

Und räuchern den Bildern.

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&� +� ��*�����,�%����*

3) Ich aber lief für Efraim,

und nahm sie an meine24 Arme.

Aber sie wußten nicht, daß ich sie heilte.

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4) An menschlichen Seilen zog ich sie,

an Stricken der Liebe.

Ich behandelte sie wie die,

die einen Säugling zu ihren Backen

hochheben,

ich neigte mich ihm ständig zu,

um ihm zu essen zu geben.

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Nach der überwiegenden Meinung endet die erste Einheit in der größeren

Perikope 11,1-11 mit 11,4.25 Trotz des schwierigen Textes stellt man durch 11,1-4

hindurch eine einheitliche Thematik fest, in der Jahwes Liebe und Efraims/Israels

Treulosigkeit und Undankbarkeit einander gegenübergestellt werden.26 Diese

Thematik endet mit 11,5, der einen veränderten Stil aufnimmt, in dem Drohungen

überwiegen.

22 Vgl. unten § 7.3.1.2.23 Vgl. unten § 7.3.1.2.24 Vgl. unten § 7.3.1.3.25 Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 360; Anderson, B., The Book of Hosea,290-303; Weiser, A., Das Buch, 70; Jacob, E., Osée, 80f; Rudolph, W., Hosea, 212f;Brueggemann, W., Tradition for Crisis, 27f; Brueggemann, W., A Shape, 395-415; Mays, J. L.,Hosea, 151; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 575; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 140f;Stuart, D., Hosea-Jonah, 175f; Yee, G. A., Composition and Tradition, 215f; Daniels, D., Hosea,66; Wiebe, J. M., Deuteronomy, 101.26 Vgl. Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 360; Rudolph, W., Hosea, 212f;Brueggemann, W., Tradition for Crisis, 27f; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 140-142;Neef, H. D., Heilstraditionen, 88-93.

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11,1-4 scheint ein einheitlicher Abschnitt zu sein, der hoseanische Bilder und

hoseanische Sprache verwendet.27 Andersen und Freedman haben schon darauf

hingewiesen, daß Hosea hier Stichworten gebraucht, die dazu dienen, den ganzen

Abschnitt 11,1-4 sprachlich zusammenzuhalten.28 Für Buss und D. Stuart

verbindet die Verwendung der Wurzel � 11,1 und 11,2.29 Nach Andersen und

Freedman verbindet der Gebrauch der Pronomina der ersten Person 11,1 und 11,3

verbindet.30 Mays und Stuart haben festgestellt, daß das Bild von „ Israel als

Jahwes Sohn“ 11,1, 11,3 und 11,4 verbindet.31 Wiebe fügte hinzu, daß auch die

Wurzel �� 11,1 mit 11,4 verbindet.32

Wie oben erwähnt, zielt 11,1-4 darauf hin, Jahwes heilsame Taten um Israels

willen und Israels undankbare Haltung gegenüberzustellen. Wie diese

Gegenüberstellung geschieht, werde ich anhand einer Analyse der in 11,1-4

gebrauchten Sprache und Bilder untersuchen.

7.3.1.1 Vers 1

11,1 leitet die ganze Perikope ein. Er ist verfaßt als von Wolff und anderen so

bezeichnete „Anklagerede“ 33. In ihr spricht Jahwe in der ersten Person. In diesem

Vers wird ein Hinweis auf eine sehr bekannte efraimitische Tradition gegeben:34

Es werden die Anfänge der Geschichte Israels beschrieben, als Jahwe es aus

Ägypten herausführte.35

27 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 102.28 Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 320, 330.29 Buss, M. J., The Prophetic Word, 22f; Stuart, D., Hosea-Jonah, 176f.30 Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 575f.31 Mays, J. L., Hosea, 152; Stuart, D., Hosea-Jonah, 176f.32 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 102.33 Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 249; Buss, M. J., The Prophetic Word, 70; Wyrtzen, D.,The Theological Center, 318f; Schüngel-Straumann, H., God als Mutter, 119ff.34 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 103.35 Vgl. Wijngaards, J., ��!�� and ����, 91-102; Carroll, R., Psalm lxxvii, 133-150; McKenzie, S.,Exodus, 100-108; Hoffmann, Y., Myth, 169-182; Daniels, D., Hosea, 68; Humbert, P., Osée,97-118; Gese, H., Bemerkungen, 137-154; Thiel, W., Verfehlte Geschichte, 248-266; Kaiser, O.,Die Bedeutung, 1-17.

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Dieser Vers beschreibt das Verhältnis Jahwes zu Israel mit der Verwendung des

Verbs ��. Lohfink behauptete, daß die Wurzel �� oft verwendet wird, um eine

positive Beziehung zwischen Bundes- oder Vertragspartnern sowohl im Alten

Testament als auch im Alten Nahen Osten zu beschreiben.36 Folglich sind einige

Exegeten zu der Überzeugung gekommen, daß 11,1 auf den auf Sinai

geschlossenen „Bund“ anspielt.37

In der Einleitung habe ich schon auf die Meinung Morans und McCarthys in

bezug auf die Verwendung der Wurzel �� und des Bildes eines

Vater-Sohn-Verhältnisses hingewiesen.38 Ich fasse die von Moran und McCarthy

festgestellten Besonderheiten von 11,1-4 zusammen: 1) im Unterschied zu der

Verwendung der Liebe im Deuteronomium, die gefordert werden kann, ist die

„Liebe“ in 11,1-4 ein natürliches Gefühl des Hingezogenseins seitens des Vaters;

2) während die Mehrzahl der Texte von der Liebe Israels zu Jahwe sprechen, ist

die Rede hier von der Liebe Jahwes zum Kind Israel; 3) in 11,1-4 kommt der

Liebesbegriff in einem Kontext vor, der die Beziehung zwischen Jahwe und Israel

als eine zärtliche Beziehung eines Vaters zu seinem Kind liebt, es gehen lehrt, es

zu seinen Backen hochhebt und ihm zu essen gibt. Diese Besonderheiten

schließen aus, daß der Liebesbegriff in 11,1-4 zum Bereich der Verträge gehört,

wie manche Kommentatoren behaupteten. Moran und McCarthy kommen beide

zu dem Schluß, daß die Verwendung des Bildes eines Vater-Sohn-Verhältnisses

in diesem Kapitel eine hoseanische Erfindung ist. Worin diese Erfindung besteht,

werde ich unten diskutieren.

In seinen 1994 geschriebenen Artikel und Dissertation versucht Smith seine

These aufgrund der Verwandtschaftsbeziehung, die seiner Meinung nach durch

die Ausdrücke „ lieben“ und „Sohn“ in 11,1 impliziert wird, zu begründen. Er

behauptet, daß Verwandtschaft die Vorstellung von gegenseitigen Rechten und

Pflichten mit sich bringe. So schlußfolgert er, daß Hoseas Verwendung des

36 Lohfink, N., Hate and Love, 417.37 Vgl. Smith, D. A., Kinship, 42-44; Wiebe, J. M., Deuteronomy, 104; Fensham, F. C., Father andSon, 132f; Fensham, F. C., Covenant-Idea, 35-49; Feuillet, A., Universalisme, 27-35; Lohfink, N.,Hate and Love, 417.38 Vgl. oben § 3.2.

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Verwandtschaftsbildes in Kap. 11 darauf hindeute, daß er eigentlich eine

entwickelte Vorstellung von einem „Bund“ zwischen Jahwe und Israel habe.39

Gegen den Vorschlag Smiths sprechen einige Bemerkungen: 1) Bringt jede

Verwandtschaftsbeziehung die Vorstellung von „Bund“ mit sich? Auf diese Frage

kann man antworten, daß in den meisten Fällen die Angehörigen einander helfen

und unterstützen, weil sie sich miteinander moralisch und emotional verbunden

fühlen. 2) Warum verwendet Hosea ausgerechnet das Bild eines

Vater-Sohn-Verhältnisses? Unter Verwandten gleichen Ranges kann man

verstehen, daß es gegenseitige Rechte und Pflichten gibt (Leviratsehe, Aufgabe

des Goels…). Das gilt aber weniger für ein Vater-Sohn-Verhältnis, das im

Rahmen soziologischer Regeln betrachtet werden muß, die den Vater als die

Autoritätsperson in der Familie betrachten, der alle Mitglieder der Familie

Gehorsam und Respekt entgegenbringen sollen.40

Ich bin der Überzeugung, daß dieses Bild in Kap. 11 auf dem soziologischen

Hintergrund der israelitischen Gesellschaft des 8. Jahrhunderts v. Chr.

interpretiert werden soll. Kap. 11 beinhaltet Angaben, die eine solche

Interpretation erfordern. Ich werde im folgenden diese Angaben bestimmen.

Zuerst möchte ich die Frage beantworten, in welchem Sinne Hosea das Bild eines

Vater-Sohn-Verhältnisses verwendet. Überblickt man die Belege dieses Bildes im

Alten Testament, so fällt auf, daß es selten begegnet und daß es verschiedene

Bedeutungen hat.41 Im Familienbereich wird Jahwe als Vater Israels und Efraim

als der Erstgeborene Jahwes bezeichnet (vgl. Jer 31,9).42 Zum Bereich der

Tätigkeit Jahwes als Schöpfers Israels könnte der folgende Vers gehören: „ Ist er

nicht dein Vater, der dich geschaffen hat?“ (Dtn 32,6; vgl. auch Jes 64,7). Eine

rechtliche Bedeutung hat das Bild, wenn es auf Jahwe als Vater des Waisen und

39 Smith, D. A., Kinship, 41; Smith, D. A., Kinship and Covenant.40 Vgl. oben § 3.2.41 Vgl. Quell, G., AB, 959-974.42 Dieses Beispiel ähnelt der Aussage von 11,1. Es ist durchaus möglich, daß Jeremia dieses Bildvon Hosea übernommen hat. Zur Beziehung zwischen Jeremia und Hosea vgl. Goss, G.,Verwandtschaft; Goss, G., Hoseas Einfluß, 241-265, 327-343; Skinner, J., Prophecy and Religion,21; Thompson, J. A., Jeremiah, 81-87.

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der Witwe bezogen ist (vgl. Ps 68,6).43 Eine ganz besondere Verwendung des

Vater-Sohn-Verhältnisses im Alten Testament ist auf das Verhältnis Jahwes zum

König bezogen (vgl. 2 Sam 7,14; Ps 2,7; 89,27). Diese Beispiele des Bildes

bringen die Vollmacht und Verantwortlichkeit des Königs als Sohn Gottes zum

Ausdruck.

Inhaltlich läßt sich einfach feststellen, daß bei Hosea das Bild des

Vater-Sohn-Verhältnisses verwendet wird, um die Fürsorge des Vaters für das

noch unselbständige kleine Kind zum Ausdruck zu bringen. Es geht um eine

Zuneigung vom Vater zu seinem Kind, die durch die Verwendung des

Liebesbegriffes deutlich wird.44 Diese Zuneigung zeigt sich daran, daß der Vater

für sein Kind läuft. Er hält es an seine Backen und gibt ihm zu essen. Die

Verwendung dieses Bildes erlaubt Hosea die Situation Israels, die er kritisiert,

klar darzustellen: Jahwe hat Israel alles gegeben. Er hat es so behandelt wie ein

Vater sein kleines Kind. Anstatt aber Jahwe zu danken, wendet sich Israel von

ihm ab und läuft anderen Göttern hinterher. Israel erweist sich dadurch als

undankbar. Es hat die Autorität Jahwes in seinem Leben nicht erkannt. Jahwe

wird ihm aber zeigen, daß das, was es getan hat, eine ernstzunehmende

Verfehlung ist; er wird es nicht mehr wie ein Vater behandeln, was eigentlich

völlige Zerstörung für Israel bedeutet. Das werde ich im folgenden zu zeigen

versuchen.

Nach dem ersten Teil von 11,1 gilt die Liebe Jahwes Israel, als es noch �� war.45

Auf die Sachebene übertragen, könnte dieser Ausdruck auf eine frühe Phase der

Existenz Israels hindeuten. Dies wird durch die Parallelstelle im zweiten Kolon

von 11,1 erhärtet, in dem auf den Exodus aus Ägypten angespielt wird.46 Jahwe

bezeichnet Israel als „meinen Sohn“, den er aus Ägypten herausführte.47

43 Vgl. Fensham, F. C., Widow, 129ff.44 So auch Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 140f.45 Einige vertreten die Ansicht, daß der Ausdruck ��, wenn er mit & parallel steht, mit „Knecht“übersetzt werden sollte. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 104, Fn 22, kritisiert aber zu Recht diese aufnur einem Beispiel aus den ugaritischen Texten basierende Meinung und lehnt sie ab. Die Wurzel �� werd in der efraimitischen Wüstentradition als Euphemismus gebraucht, der sich auf diefrüheren Tage Israels als Nation beziehe (vgl. Hos 2,17; Jer 2,2; Hes 16,43). Darüber hinaus passedie Wiedergabe „Knecht“ nicht zum Kontext von 11,1.46 Szabó, A., Textual Problems, 500-525, schlägt vor, daß �� !�� mit „seit der Zeit in Ägypten“übersetzt werden sollte. Der Grund dafür sei, daß der Kontext sich auf die Wüstenwanderung

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Somit bringt Hosea in 11,1 das wichtigste Thema des israelitischen Glaubens zum

Ausdruck, nämlich den Exodus, das wichtigste Ereignis in der Geschichte Israels

schlechthin.

Smith behauptet, daß es sich in 11,1 um eine Adoption handelt, weil Jahwe Israel

„meinen Sohn“ nennt.48 Diese Behauptung ist aber problematisch. S. M. Paul hat

darauf hingewiesen, daß im Alten Nahen Osten „ the creation and dissolution of

adoptive ties were accompanied by solemn declarations“ 49. Um die Adoption zu

begründen, soll der Adoptivvater zu dem Adoptivkind „mein Sohn/meine

Tochter“ oder „du bist mein Sohn/meine Tochter“ sagen.50 In den alten

babylonischen Ehe- und Adoptionstexten aus Sippar findet man rechtliche

Formeln, die Verwandtschaftsrechte rechtsgültig solchen Personen zueignen, die

nicht zum Bereich der Verwandtschaft gehören. Viele unserer Beweise stammen

aus Texten, die die bei der Auflösung von Ehen und Adoptionen gebrauchten

Worte beschreiben. Wenn im Scheidungstext aus Sippar der Mann zu seiner Frau

sagt: „Du bist nicht meine Frau“ , oder die Frau dem Mann sagt: „Du bist nicht

mein Mann“, dann sind sie von diesem Moment an nicht mehr verheiratet.51 Und

wenn in vielen der Adoptionstexte das Kind zu einem der Eltern sagt: „Du bist

nicht mein Vater/meine Mutter“ , oder einer der Eltern dem adoptierten Kind sagt:

„Du bist nicht mein Sohn“52, dann wird dadurch die rechtlich entstandene

Adoptionsbeziehung beendet. In 2 Sam 7,14 haben wir einen Adoptionstext, der

die Beziehung zwischen Jahwe und dem Nachkommen Davids beschreibt und die

bezieht, die nach dem Exodus folgte. Aber Wolff, H. W., Dodekapropheton, 247, hat überzeugendgezeigt, daß in Hosea die Präposition niemals in diesem Sinne verwendet wird, sondern immer impartitiven Sinne „aus“ (vgl. 2,17; 12,10.14).47 Zur einer ausführlichen Diskussion der Probleme, die mehrere Kommentatoren mit dermasoretischen Lesart ��� haben,vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 105f, Fn 24.48 Smith, D. A., Kinship and Covenant, 218ff.49 Paul, S. M., Formulae, 179.50 Vgl. dazu auch Schorr, M., Urkunden; Greengus, S., Marriage Contract, 505-532;Kalluveettil, P., Declaration.51 Vgl. Schorr, M., Urkunden, 9f.52 Vgl. Schorr, M., Urkunden, 21-24. Greengus, S., Marriage Contract, 515, argumentiert, daß einwesentlicher Teil vieler rechtlicher Pakte (z. B. Eheschließung, Adoption) das Zitieren von verbasolemnia war: „When the familiar words were solemnly uttered or when the familiar rites wereperformed in the presence of witnesses, all would recognize that some obligation had come intobeing or that a change in status had taken place“. Auch für Greengus, S., Marriage Contract, 520,ist der Zweck dieser Formulae „ to pledge a mutual ‚ troth‘ , a promise of mutual fidelity and regard,a ‚wedding‘ in the original sense of a pledging or contract“ . Paul, S., Formulae, 179, sagt: „TheCreation and dissolution of adoptive ties were accompanied by solemn declarations (as was alsothe case in the field of marital relations)“ .

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folgende Satzstruktur aufweist: &����������������������������� „ Ich werde ihm ein

Vater sein, und er wird mir ein Sohn sein“ .

Das ist aber offensichtlich nicht der Fall in 11,1b, in dem die Aussage sich stark

von diesen Rechtsformeln unterscheidet. Was wir vorliegen haben, ist keine

öffentliche Adoptionserklärung, sondern die einfache Aussage, daß Jahwe seinen

Sohn aus Ägypten herausführte.

Hosea verwendet einfach das Bild eines Vater-Sohn-Verhältnisses, um zu zeigen,

daß Jahwe Israel so behandelt hat wie ein Vater seinen Sohn; Israel war aber ein

undankbares Kind, das seinen Vater nicht anerkennen wollte.

7.3.1.2 Vers 2

11,2 besteht aus zwei Bikola, die einen synonymen Parallelismus zeigen:

&� 3 �//��(�;����,�//����;��//�. Er beschreibt Israels/Efraims Antwort auf Jahwes

väterliche Liebes- und Heilstat, auf die schon in 11,1 angespielt wurde. Die

Antwort Israels/Efraims war, daß es anderen Göttern nachlief (�����)53 und

ihnen opferte. Obwohl Jahwe nach 11,1 durch seine väterliche Liebe Israel die

Existenz gegeben hat, hat sich Israel als gottlos erwiesen, indem es anfing,

anderen Göttern zu opfern und Götterbildern zu räuchern.

Während 11,2b klar genug ist, bereitet 11,2a Probleme, weil er keine

Beziehungsworte für die Pronomina nennt. Wer ruft wen? Wer wendet sich ab?

Und von wem? Manchmal wird diese Schwierigkeit gelöst, indem es auf die

Lesart von G ���� ������ ���� ������ „als ich sie rief“ berufen wird.54 So

wäre Jahwe als Subjekt des Verbs und Israel als das Beziehungswort des

53 Der pluralische Ausdruck ���� ist ein Gattungsname für die Gesamtheit der fremden Götter(vgl. Spieckermann, H., Juda, 207, 211; Jeremias, J., der Begriff Baal, 86ff). Im Kontext von 11,2steht er parallel zu ���,�, ein Ausdruck, der in der deuteronomischen Literatur die äußere Gestaltder Idole bezeichnet (Dtn 4,16.23.25; 5,8; 7,5.25; 12,13; 27,15). Für die Etymologie von ���,�vgl. Schroer, S., In Israel gab es Bilder, 304-307. Für eine Untersuchung von Hoseas Gebrauchdieses Ausdrucks vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 47f.54 Ziegler, J., Duodecim Prophetae, 172.

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pronominalen Objekts verstanden. Das hebräische Verb wird dann als ein

Infinitiv mit dem Suffix der ersten Person Singular (�� �oder��� ��„als ich

[Jahwe] sie [Israel] rief) wiederhergestellt.55

D. Daniels bewahrt zwar den masoretischen Text, wie er ist, nennt aber ein

anderes Beziehungswort für das Pronomen „sie“ in �� , und zwar die in 11,2b

erwähnten Idole. Er übersetzt „as they (the idols) called to them (Israel)“ 56. Der

Vorschlag Daniels scheint zwar überzeugend, aber auch willkürlich, da der

Ausdruck ���� nicht vor dem Verb vorkommt.

Andersen und Freedman haben eine Lösung vorgeschlagen, ohne den

masoretischen Text zu ändern. Für sie erinnert die Sprache von 11,2 an die

Baal-Peor-Tradition in Num 25,2, wo Israel von den Moabitern aufgefordert wird,

andere Götter anzubeten.57 In Num 25,2a liest man &��������(������&� �� „sie

luden das Volk zu den Opfern ihrer Götter“ . Man beachte den Plural des Verbs

� und die Wurzel �( in einem Satz, der 11,2 ganz ähnlich ist.58 Das Ereignis

von Baal Peor erwähnt Hosea noch an anderer Stelle, und zwar in einem Kontext,

der 11,1-2 stark ähnelt. In 9,10b spricht Hosea von der in Baal Peor begangenen

Idolatrie unmittelbar nach einem Hinweis auf die Zeit in der Wüste in 9,10a.

Damit stellt der Prophet Jahwes Fürsorge und Israels Undankbarkeit einander

gegenüber.59 Es ist sehr wahrscheinlich, daß Hosea dasselbe in 11,1-2 tun wollte,

indem er diese zwei Traditionen (der Exodus und das Baal Peor-Ereignis)

zusammenbrachte. Ist der Gedankengang von Andersen und Freedman richtig, so

kann man sagen, daß sich Hosea in diesem Vers auf das seinen Zuhörern

geläufige Ereignis von Baal Peor bezieht. Dieses Ereignis war bekannt genug, so

daß Hosea keine anderen Angaben machen mußte. Ohne den masoretischen Text

55 Vgl. Ziegler, J., Duodecim Prophetae, 172; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 138; Marti, K., DasDodekapropheton, 86; Weiser, A., Das Buch, 69; Jacob, E., Osée, 79; Willi-Plein, I., Vorformen,196, 276; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 254f; Mays, J. L., Hosea, 150; Neef, H. D.,Heilstraditionen, 85; Stuart, D., Hosea-Jonah, 174f; Buss, M. J., The Prophetic Word, 22.56 Daniels, D., Hosea, 62f.57 Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 572, 577f. Vgl. auch Yee, G. A., Composition andTradition, 216; Szabó, A., Textual Problems, 518.58 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 108.59 Spieckermann, H., Juda, 200, sieht auch in Hos 5,2 eine implizite Anspielung auf das Ereignisvon Baal Peor.

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zu ändern,60 kann man diesen Satz auf folgende Weise übersetzen: „Sie (die

Moabiter) riefen sie (die Israeliten)“ , bzw. frei „sobald sie (von den Moabitern)

gerufen werden/sobald man sie rief“ .

Wiebe hat auf eine andere Schwierigkeit in 11,2a hingewiesen. Diese bereite das

Suffix der dritten Person Plural in ������. Wenn das Subjekt von ���� „sie gingen“

die gottlosen Israeliten sind, so sollte man annehmen, daß sie sich von Jahwe

abwenden. Stimmt das, so erwartet man den Ausdruck ���� „von mir“ nach ����.

Mit vielen Kommentatoren vermute ich, daß die masoretische Lesart ������ das

Ergebnis einer falschen Zusammenstellung von ���� und dem Personalpronomen

�� „sie“ ist, das ursprünglich als Subjekt des nachfolgenden Verses fungierte.

Trennt man diese Worte, so wird der Text sinnvoller. �� am Anfang von 11,2b

stünde dann im Gegensatz zu ����� in 11,3. Die Übersetzung von 11,2 würde dann

lauten: „Sobald man sie rief, so wenden sie sich von mir ab. Sie (mit Betonung)

opfern den Baalen und räuchern den Götterbildern“ .61

7.3.1.3 Verse 3-4

Wegen der vielen literarischen Probleme ist 11,3-4 äußerst schwierig zu

übersetzen. Diese zwei Verse zeigen mehrere Schiergkeiten.62

Um diese Unklarheiten zu beheben, haben Andersen und Freedman eine neue

Anordnung der Verse 3-4 vorgeschlagen. Sie vertreten die Ansicht, daß der Text

von 11,3-4 deshalb so schwierig zu verstehen sei, weil seine poetische Struktur

nicht richtig erkannt werde. Nach ihnen sollte man diese Verse nach dem „split

bicolon“ - (getrennten Bikolon) Verfahren lesen, bei dem zwei Hälften eines

60 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 108, Anm 32, weist auf die Werke von Harper, W. R., A Criticaland Exegetical Commentary, 362f, und Zenger, E., Durch Menschen, 183-201, die 11,2a andersinterpretiert haben, ohne den masoretischen Text zu ändern. Für sie steht das Pronomen für diePropheten, die vergeblich die Israeliten zur Ruhe einladen. Die Schwierigkeit dieses Vorschlages,sagt Wiebe, liegt darin, daß im Kontext nichts über die Propheten sagt.61 Vgl. dazu Wiebe, J. M., Deuteronomy, 109, auch Anm 33.62 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 110ff, hat diese Schiwerigkeiten augelistet und detailliert diskutiertmit Verweisen auf die Literatur.

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Bikolons durch die Einfügung von anderem Material getrennt werden.63 Ihrer

Ansicht nach wurde der Text von 11,3-4 nach dem Schema von vier „split bicola“

angeordnet. Nach diesem Schema sei die ursprüngliche Anordnung wie folgt zu

betrachten:

Bikolon 1: �� �������4 �������� (11,3aα)

Bikolon 2: �������� (11,4aα)

Bikolon 2:������ (������� (11,3aβ)

Bikolon 4:������ ������������ (11,3b)

Bikolon 4: ������ ������������ (4aγ)

Bikolon 3:��������� (11,4aδ)

Bikolon 3: ������������� (11,4aβ)

Bikolon 1: �����������3�� (11,4b)

In 11,3-4 wurden alle vier Bikola nach Andersen und Freedman bewußt nach

einem Modell vermischt, in dem jedes Bikolon durch die Einfügung eines Kolons

von einem anderen Vers in zwei Kola getrennt wird.64

In diesem neu angeordneten Text sei das Bikolon 1 in zwei Kola getrennt worden,

die als Inklusion65 für den ganzen Text dienen. Somit leite Bikolon 1 das

Hauptthema der Einheit 11,3-4 (den Exodus) ein und beende den Abschnitt.

Bikolon 4 sei auch in zwei Kola getrennt und zwischen Bikolon 2 und Bikolon 3

eingefügt worden, wodurch Bikolon 4 hervorgehoben und in den Kern der ganzen

Einheit gestellt worden sei.

Daß der ursprüngliche Text von 11,3-4 so angeordnet gewesen sei, könne durch

folgende Punkte bewiesen werden: 1) Wenn der Text so angeordnet wird,

entspricht jedes Kolon seinem Gegenstück, das den Gedanken des Kolons

vervollständigt; 2) die sich auf Efraim beziehenden Pronomina werden durch

63 Zu dieser poetischen Technik vgl. Lundbom, J. R., Poetic Structure, 300-308.64 Zu dieser Analyse vgl. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 582f.65 Vgl. Lundbom, J. R., Poetic Structure, 300-304, für weitere Beispiele über getrennte Bikola imHoseabuch, die als Inklusion dienen.

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diese Anordnung in jedem Bikolon konsequent: In Bikola 1 und 2 hat man das

Pronomen des Maskulin Singulars und in Bikola 3 und 4 den Maskulin Plural; 3)

viele textliche Schwierigkeiten werden gelöst.66

Erwähnenswert ist, daß Andersen und Freedman 11,3-4 nicht als eine redigierte

Einheit betrachten. Sie vertreten die Ansicht, dies sei die ursprüngliche

Anordnung der Bikola im Sinne des Autors des Textes.67

Wiebe nimmt ebenfalls die Anordnung von Andersen und Freedman an. Jedoch

hält er ihre These, daß die Anordnung nur im Sinne des Autors war, für nicht

überzeugend. Nach Wiebe hätten die Zuhörer oder Leser Hoseas seine Botschaft

nicht verstehen können, wenn jedes Bikola von Anfang an in zwei Kola getrennt

worden wäre. Deswegen betrachtet er 11,3-4 als einen redigierten Text. Er nimmt

zwar die von Andersen und Freedman vorgeschlagene Struktur an, lehnt aber ihre

Analyse der Herkunft dieser Struktur ab.68 Während Andersen und Freedman

sagen, daß die von ihnen vorgeschlagene Struktur nie „zu Papier“ gebracht

worden ist, behauptet Wiebe, daß 11,3-4 ursprünglich so strukturiert war, wie

Andersen und Freedman vorschlagen, aber später von Redaktoren in ihre heutige

Form redigiert worden sei.

Obwohl ich die These von Andersen und Freedman für interessant halte, finde ich

keine überzeugenden Argumente, warum die von ihnen vorgeschlagene Struktur

nicht von Anfang an niedergeschrieben wurde. Warum sollte sich der Autor erst

eine Struktur zurechtlegen, an die er sich dann beim Abfassen seines Textes nicht

hält? Auf diese Frage haben Andersen und Freedman keine Antwort gegeben. Das

gilt auch für den Vorschlag von Wiebe. Wenn ursprünglich 11,3-4 so aussah, wie

Andersen und Freedman behaupten, warum sollte ein Redaktor diese Struktur

ändern und sie den Lesern unverständlich machen?

Es ist m. E. möglich, 11,3-4 zu interpretieren, ohne die Anordnung des

masoretischen Textes zu ändern und die Verse umzustellen. Mit Brueggemann

66 Vgl. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 582f.67 Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 582f.68 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 116.

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und Huffmon betrachte ich 11,1-4 als eine „Klage“ , die eigentlich aus einer

„Darstellung“ der Taten Jahwes um Israels willen besteht. 11,1-4 ist eine Art

„historischer Rückblick“ , der mit Aussagen und Anklagen, die Efraims/Israels

Antwort auf die väterlichen Taten Jahwes beschreiben, kombiniert ist. So ergibt

sich ein Kontrast zwischen Jahwes väterlicher Liebe, die durch Heilstaten zum

Ausdruck gebracht wurde, und Israels/Efraims Undankbarkeit.69 Dieser Kontrast

läßt sich auf folgende Weise schematisieren:

11,1a Bericht über die väterliche Liebe Jahwes zu Israel/Efraim

11,1b Bericht über den Exodus aus Ägypten

11,2 Israels/Efraims Undankbarkeit, Anklage wegen Baal Peor

11,3aα Führung durch die Wüste

11,3aβ Heilvolle Taten Gottes: Das Laufen für Efraim

11,3b Anklage über Efraims/Israels Unwissenheit

11,4 Liebevolle Taten Gottes: Jahwe zog sie an Stricken der Liebe,

behandelte sie, wie Eltern ihre Säuglinge behandeln und gab ihnen

zu essen.

Diese Anordnung, in der das Thema der Apostasie in Verbindung mit Berichten

über Jahwes Treue immer wiederkehrt, macht deutlich, daß in jedem Moment

seiner Geschichte Israel auf die Heilstaten Jahwes damit geantwortet hat, daß es

anderen Göttern nachlief und Jahwes Vaterschaft nicht anerkannte.

Im folgenden werde ich versuchen, 11,3-4 in diesem Kontext zu interpretieren.

In 11,3a findet man eine verbale Form, die im Hebräischen relativ selten

vorkommt. Der Ausdruck �� �������4 � ist, wie Wiebe erwähnt,70 von unklarer

Bedeutung. Man vermutet, daß das Verb eine von der Wurzel �4 mit einem

69 Vgl. Brueggemann, W., A Shape, 411; Huffmon, H. B., Covenant Lawsuit, 294f. Vgl. auchDaniels, D., Hosea, 67; Zobel, H. J., Stammesspruch, 14-23; Stuart, D., Hosea-Jonah, 176;Buss, M. J., The Prophetic Word, 68; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248; Neef, H. D.,Heilstraditionen, 88-93.70 Vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 116. Vgl. auch Gangloff, F., La figure, 235.

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präformativen�� abgeleitete Form ist.71 Die Wurzel �4 kommt im Hebräischen in

den qal- und piel-Formen als ein denominatives Verb vom Nomen �42 2 „Fuß“ vor.

Einige betrachten ���4 � als eine kausative tiphel-Form und geben folglich dem

Verb eine transitive Bedeutung: „ laufen lehren, gehen lehren“ .72

Ich bin mit Wiebe73 der Ansicht, daß die übliche Übersetzung „ laufen lehren,

gehen lehren“ nicht stimmen kann; wenn das Verb kausativer bzw. transitiver

Bedeutung ist, dann muß es ein Akkusativobjekt ohne die Präposition ��wie in

�� ��� haben.74 In 11,3 gibt es jedoch kein Akkusativobjekt, weshalb eine andere

Bedeutung für ���4 � gesucht werden muß.

Im Hebräischen sowie im Arabischen75 haben die Wurzel �4 und die davon

abgeleiteten Formen etwas mit der Bewegung der Füße zu tun. Im Alten

Testament kommt die piel-Form von �4 14mal vor: Einmal in der Bedeutung

„verleumden“ (2 Sam 19,28) und 13mal in der Bedeutung „auf Kundschaft gehen

(zu Fuß)“ oder „ laufen“ (Gen 42,30; Num 21,32; Dtn 1,24; Jos 6,22.25; 7,2

(zweimal); 14,7; Ri 18,2.14.17; 2 Sam 10,3; 1 Chr 19,3). Diese Wurzel hat mit

dem präformativen � in anderen semitischen Sprachen eine passive oder reflexive

Bedeutung (wie etwa „sich selbst gehen lassen“).76 In 11,3 scheint das ebenso der

Fall zu sein. Eine Bedeutung wie etwa „zu Fuß gehen“ würde das Verb ���4 � mit

der Präposition � sinnvoll machen. Der Vorschlag von Andersen und Freedman

„Führer sein“ entspricht dem Kontext nicht.77 Denn im darauf folgenden Satz

71 Vgl. Gesenius, F. H., Hebräische Grammatik, § 55h; Joüon, P., Grammaire, 128: „J’ai guidé lespas“. Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 365; Neef, H. D., Heilstraditionen,91; Nissinen, M., Prophetie, 242; Willi-Plein, I., Vorformen, 196: „Ta- als Präfix ist schwerlichdenkbar“ . Nur drei Beispiele dieser Form wurden im biblischen Hebräischen anerkannt: dasPartizip � ��� von der Wurzel � � in Jer 22,15, das Imperfekt � ��� von der Wurzel � � inJer 12,5 und die hoseanische Form in 11,3. Boyle, M., Infix-T, 129, 133, 141f, hat gezeigt, daß imHebräischen diese Form häufiger verwendet, im gesprochenen Dialekt aber ausgelassen wurde.72 Vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 117.73 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 117.74 Vgl. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 579. Die anderen drei Belege dieser Form imAlten Testament (Jer 12,5; 22,5) sind offensichtlich intransitiv.75 Im Arabischen werden von der Wurzel rgl (Fuß) zahlreiche Wörter und Verbformen abgeleitet:ragul „Mann“ (ein Erwachsener, der alleine zu Fuß gehen kann), taraggala „zu Fuß gehen“,tamargala „Fuß fassen“, usw.76 Lane, E., Arabic-English, 1043f; Smith, R., Thesaurus Syriacus, 3810; Biella, J., Old SouthArabic, 479; Beeston, A., Dictionnaire, 116.77 Vgl. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 574, 579; Yee, G. A., Composition and Tradition,215.

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heißt es, daß Jahwe sie auf seinen Armen trägt. Eine mögliche Lösung ergibt sich,

wenn man der Präposition � die Bedeutung eines dativus finalis verleiht: „Laufen

für jemanden“. Infolgedessen läßt sich der Satz wie folgt übersetzen: „ ich lief für

Efraim“. Stimmt diese Übersetzung, so würde sich der Satz darauf beziehen, daß

Jahwe nicht nur Israel aus Ägypten herausführte, sondern für Israel gelaufen ist,

es auf seinen Armen tragend, wie der Mensch sein Kind trägt. Dieser Sinn wird in

11,3a deutlicher.

Der Ausdruck ���� (������ in 11,3a ist auch schwierig und hat mehrere

Korrekturvorschläge hervorgerufen.78

Die Form �� kann entweder ein Imperativ oder ein infinitivus constructus von

� � „nehmen“ sein. Die erste Möglichkeit macht wenig Sinn in diesem Kontext.

Bleibt die zweite Möglichkeit. Jedoch wird der infinitivus constructus von � � im

Hebräischen wie in den anderen nordwestsemitischen Sprachen normalerweise

mit einem archaischen sufformativen � wie in �� geschrieben. Es gibt aber

Nachweise, daß das nicht immer der Fall ist. W. Kuhnigk hat gezeigt, daß es im

Ugaritischen eine Alternative für qh �� ��t gibt, nämlich qh �� �� ohne ein finales �. Es ist

dann möglich, daß die Form � neben �� als qal-Infinitiv in der Konstruktform

von der Wurzel � � verwendet wurde.79 Das Subjekt dieses Infinitivs muß nach

dem Kontext Jahwe sein.80

Mit vielen Kommentatoren lasse ich das waw in ���� ( als Dittographie aus und

lese „ ich nahm sie auf meine Arme“.81

Damit wird das Bild von 11,3a klarer: Im Kontext der Beschreibung der

väterlichen Taten Jahwes für Israel und die Undankbarkeit des Letzteren setzt

11,3a das Bild des Vater-Sohn-Verhältnisses fort und sagt, daß Jahwe derjenige

war, der für das Kind Efraim lief, das noch nicht laufen konnte. Die Beschreibung

78 Vgl. dazu Gangloff, F., La figure, 236.79 Kuhnigk, W., Nordwestsemitische Studien, 126, 130-123; vgl. auch Whitaker, R.,A Concordance, 402f.80 So auch Wiebe, J. M., Deuteronomy, 120f.81 Vgl. Smith, D. A., Kinship and Covenant, 135.

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des Israel/Efraim auf seine Arme nehmenden Jahwe entwickelt die Metaphorik

der Fürsorge Jahwes für seinen Sohn: Genauso wie ein Vater sein Kind auf seinen

Armen trägt, so verhält sich auch Jahwe Israel/Efraim gegenüber.

Bis zu diesem Punkt wird Jahwe als ein liebender Vater dargestellt, der sich um

den Wohlstand seines Sohnes kümmert. Aber dieses Bild ändert sich gleich, denn

in 11,3b-4a wird das Volk angeklagt, seiner Sohnschaft zu Jahwe den größten

Schaden zuzufügen: Es hat nicht anerkannt (���� ��), daß Jahwe derjenige war,

der es geheilt hat. Das Motiv des Heilens in 11,3b scheint m. E. auf das

Exodusereignis anzuspielen.82

Das Kolon 11,3b wurde in die Mitte der Einheit gesetzt, um zu unterstreichen,

was das eigentliche Problem Efraims war. Das Exodusereignis wird in 11,1

erwähnt, aber das Problem ist, daß Efraim nicht anerkannte, daß Jahwe dieses

Ereignis zustande brachte. Der grundlegende Inhalt des Glaubens Israels, daß es

nämlich Jahwe war, der sie aus Ägypten herausführte, wurde von Efraim/Israel

vergessen. Dies unterstreicht die Gegenüberstellung dessen, was Jahwe für Israel

getan hat, und der undankbaren Antwort Israels. Jahwe hat Israel/Efraim wie

einen Sohn behandelt, aber Israel/Efraim hat das nicht gewürdigt, sondern

vergessen, und damit einen Umbruch in der Beziehung zu Jahwe verursacht.

Der Ausdruck ������� in 11,4a wurde von einigen Exegeten als ein Hinweis auf

die Behandlung von Vieh interpretiert. Für diese Exegeten bezieht sich der

Hinweis auf die „Seile“ in diesem Kontext auf das Bild eines Hirten, der sein

Vieh freundlich behandelt.83 Sie ließen sich dabei von der zoomorphen

Metaphorik eines Tieres inspirieren.84 Für sie bedeutet die Unterstreichung des

Ausdrucks ��� einen Übergang von der Metaphorik in 10,11 zur

Vater-Sohn-Metaphorik. Dieselben „Seile“ , die dazu dienen, das Tier während

82 Vgl. ein ähnliches Motiv in Jer 30,12-17.83 Vgl. Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 364; Robinson, T. H., Die zwölfkleinen Propheten, 44; Nyberg, H. S., Studien, 86; Rudolph, W., Hosea, 215; Vollmer, J.,Geschichtliche Rückblicke, 59; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 142; Neef, H. D.,Heilstraditionen, 92f; Yee, G. A., Composition and Tradition, 220; Kuhnigk, W.,Nordwestsemitische Studien, 133; Nissinen, M., Prophetie, 247; Barthélemy, D., CritiqueTextuelle, 594.84 Vgl. dazu Gangloff, F., La figure, 238f.

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der Arbeit zu lenken, werden nach dieser Meinung zu menschlichen Beziehungen,

die Jahwe und Efraim verbinden. G. Dalman vergleicht in diesem Zusammenhang

die „Seile“ (�������// ��������) mit dem Bild des Joches.85

Ich bin mit Smith86 der Meinung, daß diese Interpretation unzutreffend ist, denn

es geht hier nicht um den menschlichen Umgang mit Tieren, sondern eher um ein

Vater-Sohn-Verhältnis. Diese Meinung beruht auf folgenden Argumenten:

1) In 11,1-4 beklagt sich Jahwe darüber, daß ihn Efraim/Israel nicht als Vater

anerkennt. In 11,1 haben wir das Bild eines Vaters, der seinen Sohn liebt und

sich um ihn kümmert. In 11,3a führt der Vater seinen Sohn und trägt ihn auf

seinen Armen. In diesem Kontext ist nicht schlüssig, warum in 11,4 ein

zoomorphes Bild verwendet werden sollte.

2) Wie Smith schon darauf hingewiesen hat, wird das Verb 5� im Alten

Testament selten in Verbindung mit der Behandlung von Vieh verwendet.87

Stattdessen werden Ausdrücke wie ���und��� zur Beschreibung von

Gegenständen der Behandlung von Vieh gebraucht. Das Verb 5� kommt

aber in Verbindung mit dem Ausdruck �,� oft vor, der sich auf

zwischenmenschliche Beziehungen bezieht.88

In Übereinstimmung mit 11,1 und 3a interpretiere ich den Satz ��� ��� als einen

Hinweis auf typisch menschliche Eigenschaften, wie z. B. die Zuneigung, die

Liebe, die Jahwe „seinem Sohn“ gegenüber zeigt. Man kann mehrere Beispiele

anführen, die die Vermutung unterstützen, daß die Vorstellung von „Seilen“ und

„Verbinden“ der Terminologie der zwischenmenschlichen Beziehungen angehört:

85 Dalman, G., Arbeit, 113: „An Seile, mit denen man Vieh zieht, ist Hos 11,4 bei heble adam undabotot ahaba gedacht mit der Betonung, daß sie hier nicht den Charakter haben, wie es bei Viehnötig ist“ .86 Smith, D. A., Kinship and Covenant, 148.87 Nur in Dtn 21,3.88 Jer 31,3; Ps 36,11; 109,12. Ps 36,11 verbindet 5� mit dem Ausdruck ���.

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1) In den ugaritischen Dokumenten findet man die folgende Adoptionsformel:

ana mari/maruti rakasu „als Sohn/in Sohnschaft verbinden“.89 Es ist gut

vorstellbar, daß bei Adoptionszeremonien ein „körperliches“ Binden

stattfindet, in dem die zwei Parteien symbolisch miteinander verbunden

werden.90

2) In Sach 11,7.14 wird die Wurzel �� „verbinden, vereinen“ als Name für

einen der zwei Stäbe, die der Prophet nimmt, benutzt.91 Wichtig ist in diesem

Kontext, daß der Prophet in Sach 11,14 sagt, daß er den Stab ���� „Einheit“

gebrochen hat, um den Bruch der ���� „Bruderschaft“ zwischen Israel und

Juda zu symbolisieren. Das bedeutet, daß die Entstehung einer menschlichen

Beziehung (����) die Vorstellung von „Verbinden“ oder „Binden“ (��) mit

sich bringt.92

Aufgrund der genannten Beispiele schlage ich vor, 11,4 auf folgende Weise zu

verstehen: Nicht nur erkennt Israel nicht mehr Jahwe als denjenigen, der es aus

der ägyptischen Sklaverei befreit hat, sondern es erkennt auch nicht, daß Jahwe es

zu sich selbst herangezogen und mit den „Seilen der Menschen“

(Vater-Sohn-Verhältnis) und den „Stricken der Liebe“ gebunden hat. So kann die

Beschreibung von Efraim, der mit seinem Herrn Jahwe mit den „Stricken der

Liebe“ verbunden ist, eine Metapher für die Beziehung zwischen Jahwe und

Efraim/Israel sein.

89 Vgl. Smith, D. A., Kinship and Covenant, 149; Paul, S., Adoption Formulae, 182.90 In der Tat ist das Binden bis zum heutigen Tag ein wichtiger Teil der Ehezeremonie innahöstlichen Dörfern, ja sogar Städten. Nach der Hochzeit werden der Mann und die Frau voneiner der älteren Frauen (meistens von der Mutter des Mannes oder der Frau) mit einem Seilzusammengebunden. Das soll die Dauerhaftigkeit der Verbundenheit und des Zusammenlebensnach der Eheschließung symbolisieren.91 Vgl. dazu Smith, D. A., Kinship and Covenant, 149f.92 In der arabischen Sprache wird die Wurzel rbt „binden“ verwendet, um die Vorstellung vonVerpflichtung innerhalb der menschlichen Beziehung zu bezeichnen. Diese Wurzel wird in denverschiedensten Verwandtschaftsbereichen verwendet (Bruderschaft, Sohnschaft, Vaterschaft,Verlobung, Ehe, Freundschaft). Sie impliziert jene Verpflichtungen, mit der die eine Partei deranderen gegenübertreten sollte.

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Der zweite Teil von 11,4a ����������������� ������������ wird im allgemeinen als

ein Hinweis auf das Aufheben des Joches vom Hals des Tieres interpretiert.93

Durch die komparative Partikel � „wie“ ergibt sich dann folgende Übersetzung:

„ ich war zu ihnen wie diejenigen, die ihnen das Joch von den Backen

hochheben“. Jahwe wird mit denen verglichen, die das Joch hochheben, das die

Backen der Stiere hält und sie am Fressen hindert. Das Suffix der dritten Person

Plural in ����� würde sich in diesem Fall auf die Stiere beziehen, die Israel

symbolisieren sollen. Jedoch sprechen gegen diese Interpretation einige

Argumente,94 die nicht übersehen werden dürfen:

1) Die Ausdrücke ��������und �������� sind kein Teil der Jochterminologie,

zu der eher der Ausdruck ,���gehört (vgl. Jer 2,20; 5,5; 27,12; 30,8).

2) Der Gebrauch einer zoomorphen Metapher ist fremd im Kontext von

11,1.3a.4a. Bislang beschränkten sich die Bilder auf den Familien- und

menschlichen Bereich. Das Bild eines aus dem Joch befreiten Stieres würde

den metaphorischen Zusammenhang von 11,1-4 unterbrechen.

3) Nimmt man an, daß es sich in 11,4a um das Bild eines Joches und eines

Stieres handelt, dann ist nicht verständlich, wie 11,4b in diesen Kontext

passen soll.

Diese Einwände führen dazu, eine andere Lesart von�����zu bevorzugen. Anstelle

von ��� haben einige Kommentatoren vorgeschlagen, ��6 „Säugling“ 95 zu lesen.96

93 Vgl. Dalman, G., Arbeit, 99f; Rudolph, W., Hosea, 215f; Vollmer, J., GeschichtlicheRückblicke, 59; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 142; Neef, H. D., Heilstraditionen, 92f;Nissinen, M., Prophetie, 247f.94 Für weitere Argumente gegen diesen Vorschlag vgl. Gangloff, F., La figure, 240f.95 Im Alten Testament bedeutet ��6 manchmal „Lamm“, das von seiner Mutter gesäugt wird(Gen 33,13; 1 Sam 6,7; Jes 40,11; Ps 78,11), und manchmal „Säugling“ (Jes 49,15; 65,20;Hiob 24,9; Hos 14,1; 2 Kön 8,12; Jes 13,16; Ps 17,14; Jer 6,11; 9,20; Joel 2,16; Mi 2,9; Nah 3,10).96 Vgl. Van Hoonacker, A., Les douzes petits Prophètes, 106: „Nous lisons ��6 (���) = enfant,nourrisson, au lieu de �� et rapportons le suffixe ����� de aux ��� �; mot à mot: Je fus pour euxcomme ceux qui élèvent un petit enfant contre leurs joues“; Sellin, E., Das Zwölfprophetenbuch,113; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 247; Mays, J. L., Hosea, 150; Jacob, E., Osée, 81;Willi-Plein, I., Vorformen, 198: „Und ich wurde/war da für sie wie einer, der einen Säuglingaufzieht“ ; Gangloff, F., La figure, 240f.

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Stimmt diese Lesart, so erhalten wir das Bild von Menschen, die ihre Säuglinge

zu ihren Backen heben.

Gangloff hat darauf hingewiesen,97 daß sich das Verb �� im Alten Testament

zweimal in Verbindung mit der Erziehung von Kindern findet. In Jes 1,2 richtet

sich Jahwe an sein Volk und sagt: ����� ������4�����„ ich habe Kinder großgezogen

und hoch-gebracht“ . In Jes 23,4 bedauert das Meer seine Sterilität und sagt:

����������� ��� �������4���� „darum ziehe ich keine Jünglinge auf und erziehe

keine Jungfrauen“. Wie diese parallelen Beispiele zeigen, ist es plausibel, daß

11,4 ein Wortspiel mit dem Verb �� bietet: Indem Jahwe den Säugling zu seinen

Backen hochhebt, zieht er ihn auch groß.

Folglich würde die Übersetzung von 11,4a wie folgt aussehen: „ Ich war für sie

wie diejenigen, die einen Säugling zu ihren Backen hochheben“. Hier identifiziert

sich Jahwe mit liebevollen Eltern, die ihre Säuglinge zu ihren Backen hochheben.

So läßt sich sagen, daß wir in 11,1-4 eine Steigerung im Bild des

Vater-Sohn-Verhältnisses vorliegen haben. In 11,1 erklärt sich Jahwe zu

Efraims/Israels Vater, jedoch wendet sich Efraim/Israel von ihm ab. In 11,3a wird

Jahwe als Führer für Israel dargestellt. Dies aber erkennt Efraim/Israel nicht an.

11,4 macht deutlich, daß Jahwe nicht nur Retter für Efraim/Israel war, sondern

ein Vater, der es liebt, zu den Backen hochhebt und aufzieht.

11,4b bereitet ebenfalls einige Textprobleme. Im schwierigen Satz �����������3��

scheint ����� eine asyndetische Proposition zu sein. Durch die Anwesenheit von

Bindeworten entsteht der Eindruck, daß der Satz nicht zu Ende ist.98 Allerdings

kann man feststellen, daß diese asyndetischen Sätze häufig im Hoseabuch

97 Gangloff, F., La figure, 241.98 Viele Kommentatoren haben das �� in 11,5 als �� gelesen und es an das Ende von 11,4b gestellt.Vgl. Marti, K., Das Dodekapropheton, 88; Van Hoonacker, A., Les douzes petits Prophètes, 106;Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 364; Sellin, E., Das Zwölfprophetenbuch,113; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248; Vollmer, J., Geschichtliche Rückblicke, 59;Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 138; Schüngel-Straumann, H., Gott als Mutter, 120; Neef, H. D.,Heilstraditionen, 86. Diese unnötige Konjektur schadet der stilistischen Anordnung von 11,5.Außerdem nimmt die hiphil-Form von ��� kein Objekt mit �, sondern ein akkusatives (direktes)Objekt.

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vorkommen (vgl. 1,6; 5,11; 6,4; 9,9). Deshalb ist eine Ergänzung nicht

erforderlich.

Das Verb im Satz �����3�� ist wahrscheinlich eine Imperfekt-Form der Wurzel �3�.

Mit den meisten Kommentatoren lese ich eine hiphil-Form mit der Bedeutung

„sich beugen, zuneigen“ .99

Das letzte Verb von 11,4b wird normalerweise als eine hiphil-Form vom Verb

��� „zu essen geben“ interpretiert.100 J. Reider hat aber darauf hingewiesen, daß

das nicht richtig sein kann, denn die hiphil-Form von ��� kommt in der Regel mit

zwei Akkusativen vor.101 Ein Objekt kann aus dem Kontext angenommen werden.

Fehlt noch ein zweites. Dies hat einige Exegeten dazu geführt, eine andere

Interpretation von ����� vorzuschlagen. Andersen, Freedman und Wiebe lesen hier

eine hiphil-Form von ��� „sich durchsetzen, Oberhand gewinnen“. Dieses Verb

benötige nur ein Objekt, das man im Kontext finden könne. Sie übersetzen 11,4b

wie folgt: „ I inclined my ear to him and caused him to prevail“ 102.

Obwohl dieser Vorschlag plausibel klingt, bevorzuge ich die erste Bedeutung von

�����, „ ich gab ihm zu essen“. In diesem Fall muß man hier eine besondere Form

dieses Verbs annehmen, da in der Regel ein �"� Verb in der ersten Person

Singular nicht plene mit waw geschrieben werden kann. Das erste Objekt kann im

Kontext gefunden werden (Efraim). Das zweite (das, was man zu essen gibt) ist

vorausgesetzt und muß nicht geschrieben werden.

99 Vgl. Gangloff, F., La figure, 2242. Vgl. auch Harper, W. R., A Critical and ExegeticalCommentary, 364; Vollmer, J., Geschichtliche Rückblicke, 59; Sellin, E., DasZwölfprophetenbuch, 113; Weiser, A., Das Buch, 84. Rudolph, W., Hosea, 210, liest eineqal-Form 3�$��. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 582, weisen darauf hin, daß diehiphil-Form des Verbs normalerweise mit dem Wort „Ohren“ als einem Akkusativ-Objekt mit derBedeutung „das Ohr neigen“ auftritt. Diese Konjektur ist aber nicht nötig in diesem Kontext.100 Vgl. Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 364; Robinson, T. H., Die zwölfkleinen Propheten, 42; Weiser, A., Das Buch, 69; Jacob, E., Osée, 79; Rudolph, W., Hosea,208-210; Willi-Plein, I., Vorformen, 199, 276; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248; Daniels, D.,Hosea, 64.101 Reider, J., Studies, 121. Vgl. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 582f.102 Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 582f; Yee, G. A., Composition and Tradition, 248;Wiebe, J. M., Deuteronomy, 118f.

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Nach dieser semantischen Analyse von 11,4 schlage ich folgende Übersetzung

des ganzen Verses vor: „An menschlichen Seilen zog ich sie, an Stricken der

Liebe. Ich war immer für sie wie diejenigen, die einen Säugling zu ihren Backen

hochheben. Und ich neigte mich zu ihm und gab ihm zu essen.“ 103

In 11,4 stellt Hosea dar, wie sich Jahwe um Efraim gekümmert hat. Das Bild ist

das eines Vaters, der seinen Säugling trägt und ihm zu essen gibt. Wie wir sehen,

kehrt Hosea zu der Thematik von 11,1 zurück und stellt die Beziehung zwischen

Jahwe und Israel als eine Vater-Sohn-Beziehung dar.

Das Bild des fürsorglichen Vaters wird sich aber bald ändern. Das Kind

Efraim/Israel hat sich nicht wie ein Sohn benommen. Im Gegenteil: es hat sich

gegen seinen Vater als aufsässig erwiesen. Es ist anderen Göttern nachgelaufen

und hat vergessen, daß sein Vater/Jahwe es geheilt hat. Da aber der Vater die

volle Autorität über sein Kind besitzt und da die Taten Israels als eine

Aufsässigkeit gegen die Autorität des Vaters, zu dessen Haus er gehört, betrachtet

werden muß, wird der Vater sein Recht über Leben und Tod seines Kindes in

Anspruch nehmen:104 Das Kind-Efraim/Israel wird zum Tode verurteilt. Die

Bildebene verlassend, spricht 11,5-6 von der Vernichtung Israels als Folge von

dessen Verfehlungen.

7.3.2 Hos 11,5-6: Die Urteilsankündigung

5) Gewiß kehrt es105 nach Ägyptenland

zurück.

Und Assur wird sein König sein,

denn sie wollen sich nicht bekehren.

��� �!����7 #�#0��#�������1

������������ �8���*

��������������

6) Darum soll das Schwert über ihre �� ���'�� #�#�������*

103 Zum Bild Gottes als einer stillenden Mutter vgl. die ausführliche Beschreibung von Gangloff inGangloff, F., La figure, 243-263.104 Vgl. oben § 3.2.105 Vgl. unten § 7.3.2.1.

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Städte wirbeln

und soll ihre Riegel zerbrechen

und sie fressen um ihrer Vorhaben

willen.

��9������:����*

��#����!���"������������*

Nach 11,4 sind sich die Exegeten über die Abgrenzung des folgenden

Unterabschnitts nicht einig. Offensichtlich beginnt mit 11,8 ein neuer

Unterabschnitt. Das erkennt man an der neuen Form und am neuen Thema. Aber

wie verhalten sich die 11,5-6 zu 11,7? Sollen sie als ein Abschnitt gesehen

werden, oder ist 11,7 allein zu betrachten? Rudolph und Emmerson vertreten die

Ansicht, daß 11,5-6 den nächsten logischen Abschnitt im Kap. 11 nach 11,1-4

bilden.106 Daniels, Ritschl und andere verbinden 11,7 mit 11,5-6.107 Yee weist

darauf hin, daß 11,7 mit 11,4 besonders verknüpft ist. Sie hat festgestellt, daß in

11,4.7 ein Trio von ähnlichen Wurzeln in einer chiastischen Anordnung

verwendet wird: �� ,���,��� (11,4) ��,���,��� (11,7).108

Ich halte es für möglich, daß 11,7 strukturell mit 11,5-6 zusammenhängt. Jeder

Vers besteht aus einem Trikolon.109 Zusammen würde 11,5-7 eine von 11,1-4 und

11,8f unabhängige poetische Einheit bilden. Es muß aber darauf hingewiesen

werden, daß 11,7 sich inhaltlich von 11,5-6 unterscheidet. In 11,5-6 ist Efraim das

Subjekt, während in 11,7 Jahwe von ��� „meinem Volk“ spricht.110 In 11,5-6

stehen alle Verben im Futur. Die Sequenz beginnt in 11,5a mit einem Imperfekt,

und dann folgen Konsekutiv-Perfekte in 11,6a und 11,6b. In 11,7 aber wird diese

Sequenz dadurch unterbrochen, daß die Konjunktion mit dem Subjekt auftritt und

nicht mehr mit dem Verb, das sich auf die Gegenwart bezieht.111 Darüber hinaus

enthält 11,5-6 eine Beschreibung des bevorstehenden Urteils, während 11,7 nicht

vom Urteil spricht, sondern anscheinend von der gegenwärtigen Apostasie Israels.

106 Rudolph, W., Hosea, 212f; Emmerson, G. I., Hosea, 131f. Vgl. Weiser, A., Das Buch, 70f.107 Daniels, D., Hosea, 66; Ritschl, D., Conversion, 292-294. Vgl. auch Harper, W. R., A Criticaland Exegetical Commentary, 360; Wolff, H. W., Guilt and Salvation, 274-285; Mays, J. L.,Hosea, 151, 156; Brueggemann, W., A Shape, 194, 200; Neef, H. D., Heilstraditionen, 87f;Stuart, D., Hosea-Jonah, 175, 183.108 Yee, G. A., Composition and Tradition, 223.109 Vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 129f.110 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 129f. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 584, wiesen aufden Personenwechsel in 11,5-6, der in 11,7 unterbrochen wird.111 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 129.

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Aufgrund der erwähnten Beobachtungen betrachte ich mit Wiebe 11,7 als ein

separates thematisches Element und werde ihn getrennt untersuchen, auch wenn

er in die poetische Struktur von 11,5-6 hineinpaßt.

7.3.2.1 Vers 5

Der Anfang von 11,5 bereitet Übersetzungsschwierigkeiten. So wie er im

masoretischen Text steht, besagt 11,5, daß Efraim nicht nach Ägypten ins Exil

geschickt werden wird, sondern Assur sein König sein wird.112 Aber wie einige

Exegeten schon bemerkt haben, spricht gegen eine solche Interpretation die

Tatsache, daß an anderen Stellen Hosea die Drohung äußert, Efraim werde wieder

nach Ägypten zurückkehren (vgl. 8,13; 9,3).113 Darüber hinaus kann man freilich

sagen, daß im Hoseabuch die Namen �� !� und �� in der Regel keinen

antithetischen, sondern einen synonymen Parallelismus bilden (vgl. 7,11; 9,3;

11,11; 12,2).

Um die Übersetzungsschwierigkeit zu beseitigen, haben die Kommentatoren

verschiedene Lesarten.114

Die wahrscheinlichste Lösung hat Kuhnigk vorgeschlagen. Aufgrund

komparativer semitischer Beweise schlug er vor, die Partikel �;� als ��< zu lesen

und sie als eine asseverative Partikel mit besonderer Betonung („sicher, gewiß“)

zu verstehen.115 So würde der Text lauten: „Gewiß wird es nach Ägypten

zurückkehren und Assur wird sein König sein“ . In diesem Falle muß die

Kombination Ägypten-Assur als ein „Theorem des umgekehrten Exodus“

interpretiert werden.116

112 Es vertreten diese klassische Interpretation Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248; Rudolph, W.,Hosea, 210; Lohfink, N., Hosea xi 5, 227.113 Vgl. Jacob, E., Ugarit, 395-406; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 583f; Yee, G. A.,Composition and Tradition, 221; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248.114 Vgl. dazu Wiebe, J. M., Deuteronomy, 131f; Gangloff, F., La figure, 263f.115 Kuhnigk, W., Nordwestsemitische Studien, 133f. Vgl. auch Obermann, J., Sentence Negation,234f; Jacob, E., Ugarit, 402; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 583f; Yee, G. A.,Composition and Tradition, 221, 359; Nissinen, M., Prophetie, 250. Dieser Gebrauch von ��6 ist imAlten Testament in Gen 23,11; 1 Sam 13,13; Hiob 9,33 belegt.116 Vgl. Utzschneider, H., Hosea, 175.

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Das zweite Kolon in 11,5 wird verständlich, wenn man ��� als eine Kopula mit

zukünftiger Bedeutung betrachtet:117 „Und Assur wird sein König sein“ . Man

kann freilich sagen, daß der geographische Name „Ägypten“ in diesem Vers nur

symbolisch als ein Hinweis auf den Exilsort verwendet wird. Das „Ägypten“ von

Efraim, d. h. das Land der Verbannung und der Sklaverei, wird Assyrien sein.118

Im dritten Kolon in 11,5b kehrt Efraim nach Ägypten zurück (�), weil es in

11,5b nicht zu Jahwe zurückkehren wollte (�).11,5b ist ein authentischer Teil

des ganzen Verses, der wie folgt übersetzt wird: „Gewiß kehrt es wieder nach

Ägypten zurück, und Assur wird sein König sein. Denn sie lehnten es ab, (zu mir)

zurückzukehren“ .

Die Konsequenzen dessen, daß Israel nicht erkannte, was Jahwe für es getan hat,

werden nun deutlich: Israel wird nach Ägypten zurückkehren. Assur wird sein

König sein, d. h., daß das Land Assur sein Verbannungsort sein wird. Die

Rückkehr nach Ägypten schließt die Vorstellung von Sklaverei mit ein. Wenn

gesagt wird, daß Israel nach Ägypten zurückkehren wird, bedeutet das nicht nur

eine Strafe wegen seines Verhaltens. Die Rückkehr nach Ägypten bedeutet mehr

als das: Sie bezieht sich auf eine Zeit, in der Israel nicht existierte. Bestätigt wird

diese Interpretation durch 11,1, nach dem der Anfang der Geschichte Israels mit

dem Exodus aus Ägypten begann. So bedeutet die Rückkehr nach Ägypten eine

Rückkehr zu einem Zustand, in dem Israel nicht existierte, als ob es Jahwe nie

befreit und zu seinem Volk gemacht hätte.

7.3.2.2 Vers 6

Nach Gangloff, hängt die poetische Dimension von 11,6 von der Bedeutung ab,

die man den Ausdrücken �����!��� und ��� zuschreibt.119 Für die einen impliziert

der Ausdruck ��!��, daß hier das Wort � dieselbe Bedeutung hat wie in Jes 44,25

117 Vgl. Stuart, D., Hosea-Jonah, 174; Wiebe, J. M., Deuteronomy, 132.118 Rudolph, W., Hosea, 216. Vgl. auch Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary,366f. Auch Wiebe, J. M., Deuteronomy, 132.119 Gangloff, F., La figure, 265.

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(��������) „Weissagung, Orakel, Orakelpriester“ .120 Die Exegeten, die den

Ausdruck ��� als „Riegel“ verstehen, haben für den Ausdruck �����!��� eine

andere Lesart vorgeschlagen.121

Der erste Vorschlag mißachtet den Kontext von 11,6a, der die Zerstörung der

Städte durch das Schwert schildert. Wenn � Subjekt von ����� und ���� ist,

dann erwartet man eine gewisse Konsequenz, was das Objekt betrifft. Deswegen

muß das Objekt des zweiten Verbs etwas mit Städten zu tun haben.

„Orakelpriester, Schwätzer“ ist eine gezwungene Interpretation. Andererseits

zwingt der zweite Vorschlag zu einer radikalen Änderung des masoretischen

Textes.

Für den Ausdruck ��� wurden bereits verschiedene Wiedergaben

vorgeschlagen.122 Von diesen Vorschlägen ist der von Buss am überzeugendsten.

Er weist auf Nah 3,13 hin, wo dieselbe Wurzel ��, die meistens „Teil“ oder

„Stück“ bedeutet, mit „Riegel der Pforte“ wiedergegeben wird. Nah 3,13 bietet

eine Parallele zu 11,6, da beide Stellen sich auf den Angriff auf eine Stadt

beziehen.123 In Anlehnung an den Vorschlag von Buss übersetze ich 11,6a wie

folgt: „Das Schwert wird in seinen Städten wirbeln und seine Pfortenriegel

vernichten“ .124

Nach Daniels und Stuart ist der im letzten Kolon auftauchende Ausdruck

�����!����als ein mem-Substantiv von der Wurzel 7��, die „ raten“ bedeutet, zu

120 Vgl. Nyberg, H. S., Studien, 87; Kuhnigk, W., Nordwestsemitische Studien, 136; Mays, J. L.,Hosea, 155f; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 143; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248:„Schwätzer“ ; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 585f, und Yee, G. A., Composition andTradition, 221: „strong men“.121 Avishur, I., Stylistic Studies, 91, liest ��������: „The sword shall rage against their cities,consume the bars of their gates and devour them in their fortresses“; Robinson, T. H., Die zwölfkleinen Propheten, 42; Donner, H., Israel, 86. Marti, K., Das Dodekapropheton, 88;Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 367:��� !��. Sellin, E., DasZwölfprophetenbuch, 114: ������!�� „ ihre Gebeine“. Rudolph, W., Hosea, 211: �����!���„ ihre(eigenen) Zubereitungen“ ; Schüngel-Straumann, H., Gott als Mutter, 126: „sie werden ihre Suppeauslöffeln müssen“.122 Vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 134, Anm. 110.123 Vgl. auch Buss, M. J., The Prophetic Word, 22; Szabó, A., Textual Problems, 519;Davies, G. I., Hosea, 259.124 So auch Wiebe, J. M., Deuteronomy, 134.

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205

betrachten.125 Der Text von 11,6b würde dann lauten: „Und es wird (sie) vertilgen

wegen ihrer Pläne“ . Dieses Kolon stellt den Grund für die Zerstörung und

Vernichtung der Städte in 11,6a dar.

Der Stil und die Terminologie von 11,5-6 deuten auf eine Urteilsankündigung von

seiten Jahwes hin.126 Stuart hat gezeigt, daß die Terminologie von 11,5-6 auf der

Sprache der Fluchformeln beruht.127 Der Gebrauch dieser Sprache impliziert eine

Art Urteilsankündigung. Darüber hinaus verwendet Hosea das Bild des Schwerts

an anderen Stellen, die eine Urteilsankündigung enthalten (7,16; 13,16). 11,5-6

setzt die Anklage von 11,1-4 voraus. Jahwe sagt, daß er Efraim aus dem Land

Ägypten herausführte (11,1.4), aber weil Efraim nicht erkannte, daß Jahwe das

getan hat (11,3b), wird Jahwe ihn nach Ägypten zurückschicken und seine Städte

vernichten (11,5-6).128 Somit betont 11,6 die völlige Vernichtung Israels.

7.3.3 Hos 11,7: Falsche Reue

7) Mein Volk ist in der Schwebe

hinsichtlich meiner Zuwendung (zu

ihm).

Zu AL schreien sie,

der aber wird sie nie und nimmer

hochbringen.

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125 Daniels, D., Hosea, 64; Stuart, D., Hosea-Jonah, 174f; McCarthy, Treaty, 150; Wolff, H. W.,Dodekapropheton, 248; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 586; Wiebe, J. M.,Deuteronomy, 135.126 Wenige sehen hier keine Urteilsankündigung. Vgl. dazu Wiebe, J. M., Deuteronomy, 136.127 Stuart, D., Hosea-Jonah, 179.128 Nach Yee, G. A., Composition and Tradition, 222, „between 11:1 and 11:5-6 Ephraim hascome full circle“ .

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206

11,7 ist der schwierigste Vers in Kap. 11 überhaupt. Er besitzt so viele

Textprobleme, daß für fast jedes Wort eine alternative Lesart vorgeschlagen

wurde.129

Wiebe hat den Vesuch unternommen,130 auf diesen Vers ausführlich und

mutmaßlich einzugehen. Von der Terminologie, die in jedem Kolon zu erkennen

ist, kann man nach Wiebe eine gewisse Vorstellung gewinnen, worum es in

diesem Vers geht.131 Die Verwendung der Wurzeln �, � und �� vermittelt

nach Wiebe folgendes:

1) daß jemand umkehrt;

2) daß jemand jemanden oder etwas ruft;

3) daß jemand oder etwas hochgebracht wird oder daß jemand etwas hochbringt.

Vom Gebrauch der Wurz � im Hoseabuch ausgehend, wo es sich um kultische

Handlungen handelt, die drei Elemente besitzt: 1) Die Darstellung der Klage; 2)

eine Anspielung auf eine besondere kultische Handlung, die auf die

Wiederherstellung zielt; 3) eine Beschreibung der Ergebnisse der kultischen

Handlung; ist Wiebe der Überzeugung, daß 11,7 nach diesem Schema aufgebaut

ist., wobei das erste Kolon auf eine Art Reue anspielt, während das zweite vom

Volk redet, das zu einem Gott schreit. Im dritten Kolon findet man die Ergebnisse

dieses Schreiens.

1) Ich glaube, dasß dieses Schema uns dazu dient, den V. 7 besser zu verstehen.

In Übereinstimmung mit 7,16, dessen Kontext und Terminologie dem, was wir in

11,7 vorliegen haben, stark ähnelt, läßt sich vermuten, daß �� sich auf einen

129 Von diesem Vers sagt Wellhausen, J., Die kleinen Propheten, 127: „hier ist der Text gänzlichverderbt“ . Wellhausen hat keinen Versuch unternommen, den Vers zu rekonstruieren. Vgl. auchVollmer, J., Geschichtliche Rückblicke, 60. Harper, W. R., A Critical and ExegeticalCommentary, 368, listet zehn verschiedene Übersetzungen auf, die zu seiner Zeit für diesen Versvorgeschlagen wurden.130 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 137-147.131 Die Verwendung der Wurzeln �, � und �� führten Wolff, Rudolph und andere dazu, im11,7 die Beschreibung einer Art kultischer Aktivität wie etwa Klage oder Reue zu vermuten. Vgl.Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248, 260; Rudolph, W., Hosea, 21f; Mays, J. L., Hosea, 156;Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 144. Vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 138.

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anderen Gott als Jahwe bezieht. 7,14 schildert das Schreien Israels zu Jahwe.

Aber in Wirklichkeit betet es nicht Jahwe an, sondern Baal. In 7,16 wendet sich

das Volk �� zu, und - statt Rettung zu erlangen - geht es ins Exil. Offensichtlich

ist ��, wie ihn Hosea verstanden hat, nicht Jahwe. Daher kann man mit Ringgren

schließen, daß �� in 11,7 als Name des kanaanäischen Gottes Baal verwendet

wird.132

Die Übersetzung des zweiten Kolons von 11,7 würde dann lauten: „und zu AL

schreien sie“ . Dieses Kolon beschreibt die Lage Efraims, der keine positive

Antwort von Jahwe bekommen hat. Der Grund dafür ist, daß er in Wirklichkeit

nicht Jahwe selbst anruft, sondern nur seine eigene Vorstellung von ihm, die es

mit Baal identifiziert hat.

Im dritten Kolon von 11,7 erwarten wir das Ergebnis der kultischen Handlung des

Volkes. Wie schon oben vorgeschlagen, begann dieser Satz ursprünglich mit dem

Pronomen ���. Dieses Pronomen fungierte dann als Subjekt des Verbs ��� �. Auch

der Ausdruck �� ��� ist problematisch,133 aber mit Wolff und Stuart kann man ihn

als eine adverbiale Negation mit der Bedeutung „nie, nimmer“ betrachten.134 Die

Übersetzung würde lauten: „Aber dieser wird sie nie und nimmer hochbringen“.

Das ganze Kolon würde dann bedeuten: „Der aber (AL) wird sie nie und nimmer

erheben“. Dieses Kolon beschreibt das Ergebnis der kultischen Handlungen

Efraims. Er wartet auf eine Antwort von Jahwe, bekommt aber keine, weil er in

Wirklichkeit Baal anruft. Aber Baal ist machtlos. Er kann Efraim nicht helfen,

denn Jahwe ist derjenige, der sich von Anfang an um Efraim gekümmert und ihm

seine Existenz verliehen hat.

132 Vgl. Ringgren, H., Religions, 133.133 Vgl. Willi-Plein, I., Vorformen, 201-203; Harper, W. R., A Critical and ExegeticalCommentary, 367f; Kuhnigk, W., Nordwestsemitische Studien, 134, 138;Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 587.134 Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 248; Stuart, D., Hosea-Jonah, 181; Daniels, D., Hosea,65.

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Mit Wiebe und anderen Exegeten betrachte ich diesen Vers als eine Anspielung

auf eine Handlung falscher Reue von seiten Efraims/Israels.135 Im Kontext von

Kap. 11 sieht 11,7 wie eine Klage von Jahwe über den mitleidserregenden

Zustand seines „Sohnes“ aus. Weil Efraim/Israel nicht weiß, wer sein Vater und

sein Heiland ist, ruft es Baal an und denkt, er wäre Jahwe. So fungiert 11,7 als

eine letzte Klage, die 11,2 und 11,3a hinzuzufügen ist. Hier wird der Tiefpunkt

der Beziehung des Volkes zu Jahwe erreicht. Efraim/Israel hat sich als untreu

erwiesen. Es wurde verurteilt. Und jetzt wird seine Reue nicht einmal

angenommen, weil es unfähig ist, durch seinen Kult Jahwe zu erreichen. Alles ist

verloren für Efraim! Jahwe wird sein Urteil nicht mehr zurücknehmen, und Baal

(AL) wird ihm nicht helfen können, denn in Wirklichkeit ist Jahwe der einzige

Herr Israels.

7.3.4 Hos 11,8-11: Die Rückkehr Israels ins Land

8) Wie kann ich dich preisgeben, Efraim,

und dich ausliefern, Israel?

Wie kann ich dich preisgeben wie Adma,

dich zurichten wie Zeboim?

Mein Herz hat sich in mir umgewandt,

alle meine Barmherzigkeit ist entbrannt.

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9) Ich kann meinen glühenden Zorn nicht

vollstrecken,

kann Efraim nicht wieder zerstören:

Denn Gott bin ich, nicht Mensch,

in deiner Mitte der Heilige,

ich werde nicht gegen eine Stadt

kommen.

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135 Vgl. May, H. G., Fertility Cult, 83f; Rudolph, W., Hosea, 212f; Mays, J. L., Hosea, 156;Stuart, D., Hosea-Jonah, 147f; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 144; Wiebe, J. M., Deuteronomy,147.

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10) Hinter Jahwe werden sie herziehen,

der wie ein Löwe brüllt.

Wenn er brüllt,

kehren bebend die Söhne aus dem

Westen zurück.

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4��������$ �����

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11) Eilig kehren sie aus Ägypten zurück

wie Vögel,

wie Tauben aus dem Land Assur.

In ihren Häusern lasse ich sie wieder

wohnen.

Spricht Jahwe.

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Einige Exegeten haben bereits auf den sekundären Charakter dieser Verse

hingewiesen.136 Der unmittelbare Hintergrund dieser Verse ist die Beschreibung

Israels/Efraims als Jahwes Sohn, sein Exodus aus Ägypten und seine Apostasie

(11,1-4). Wegen seiner Apostasie wird 11,5-6 angekündigt, daß es nach Ägypten

zurückkehren wird und daß seine Städte mit dem Schwert vernichtet werden

werden.

Die poetische Struktur von 11,8-11 unterscheidet sich von den vorhergehenden

Versen. Inhaltlich geschieht ab 11,8 ein abrupter Richtungswechsel: Während

11,1-7 sämtlich negativ gehalten sind, scheint hier eine Hoffnungsbotschaft zu

beginnen. In 11,1-7 wurde von Efraim/Israel in der dritten Person Singular

gesprochen, während in 11,8-9 Efraim/Israel in der direkten Anrede angesprochen

wird.137

Trotzdem haben einige Exegeten 11,8-9.11 – 11,10 ist eine Ausnahme - als

ursprünglichen Teil des hoseanischen Orakels, das eine Hoffnungsbotschaft gibt,

136 Wellhausen, J., Die kleinen Propheten, 128; Nowack, W., Die kleinen Propheten, 71; Day, E,Is the Book of Hosea Exilic, 128; Smith, J. M. P., Commentary, 72; Yee, G. A., Composition andTradition, 153-156, 223-226; Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 372.137 Vgl. Gangloff, F., La figure, 271 ; Wiebe, J. M., Deueronomy, 148.

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betrachtet.138 Für diese Kommentatoren gibt es in 11,8-9.11 zahlreiche

thematische Verknüpfungen, die 11,1-7 mit 11,8-11 verbinden. Wolff hat

festgestellt, daß sowohl 11,1-7 als auch 11,8-9.11 im Stil der „göttlichen Rede“

verfaßt sind.139 Andere haben darauf hingewiesen, daß einige Stichwörter

verwendet werden, um die verschiedenen Unterabschnitte von Kap. 11 zu

verbinden: Der Gebrauch von �� �� verbinde 11,8-9 mit 11,3,140 ��� in 11,8 stehe

parallel zu ��� in 11,7,141 � verbinde 11,9 mit 11,5ab.7,142 ���� und �� verbinden

11,9 mit 11,3 und 11,6.143 Mays, Emmerson und Wyrtzen haben darauf

hingewiesen, daß 11,8-9 die Verse 1-7 voraussetzt, denn Jahwe hätte das

Schicksal Efraims/Israels nicht in Frage gestellt, hätte er nicht in 11,5-6 sein

Urteil ausgesprochen.144

Diese für die Authentizität von 11,8-9.11 angeführten Argumente sind kaum

überzeugend. Daß das ganze Kapitel 11 in der „göttlichen Rede“ verfaßt ist, ist

nicht unbedingt ein Beweis dafür, daß 11,8-9.11 von Hosea stammt. Das gilt auch

für die Stichwörter, die 11,8-9.11 mit 11,1-7 verbinden sollen, denn es ist

durchaus vorstellbar, daß ein späterer Redaktor diese Verse hinzugefügt, und

dabei den Stil und die Thematik von 11,1-7 geschickt verwendet hat, um das

Urteil in 11,5-6 umzukehren.

Ich neige dazu, 11,8-9.11 zusammen mit 11,10 als spätere Hinzufügung zum

Kap. 11 zu betrachten. Ich behaupte, daß diese Verse einerseits die völlige

Vernichtung in 11,5-6 umkehren und andererseits die Rückkehr der Exulanten aus

dem babylonischen Exil beschreiben. Somit läßt sich die Natur der Redaktion

näher bestimmen. Wie Kap. 1-3 wurde auch Kap. 11 in exilisch-nachexilischer

Zeit überarbeitet. Wie das geschehen ist, werde ich im folgenden untersuchen.

138 Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 249f; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 143-146;Mays, J. L., Hosea, 152; Emmerson, G. I., Hosea, 40-42; Wyrtzen, D., The Theological Center,318f.139 Wolff, H. W., Dodekapropheton, 250-252; Wyrtzen, D., The Theological Center, 318f.140 Vgl. Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 576.141 Vgl. Buss, M. J., The Prophetic Word, 177; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 576;Stuart, D., Hosea-Jonah, 177.142 Vgl. Stuart, D., Hosea-Jonah, 177; Yee, G. A., Composition and Tradition, 225; Vosloo, W.,Hosea 11, 500-508.143 Vgl. Wiebe, J. M., Deuteronomy, 149.

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7.3.4.1 Vers 8

Der Unterabschnitt 11,8-11 beginnt mit 11,8a, der aus zwei Bikola besteht. 11,8a

ist nach einem synonymen Parallelismus gebildet: Israel/Efraim,

Adma/Zebojim,145 zweimal =��� und zweimal >��. Beide Bikola werden mit der

Partikel >�� eingeleitet. Mehrere Interpretationen wurden vorgeschlagen, um diese

Partikel zu übersetzen.146 Tatsächlich ist die Bedeutung von 11,8-9 ganz davon

abhängig, wie man >�� versteht.

In seiner Studie zeigt Glanzman, daß >�� mit dem Imperfekt als eine einfache

Frage übersetzt werden sollte. Diese Frage impliziere, daß der Sprecher eine

endgültige Antwort im Sinne habe (vgl. Gen 39,9; 44,8.34; Ps 137,4; Jes 20,6;

48,11; Jer 9,6).147 Dazu hat Laetsch hinzugefügt, daß >�� mit dem Imperfekt nur

dann verwendet werden kann, wenn der Sprecher feststellt, daß seine Frage nur

mit Verneinung beantwortet werden kann.148 Anders gesagt: >�� mit Imperfekt

drückt eine einfache Frage aus, die eine negative Antwort impliziert.149 Dies

bedeutet, daß Jahwe mittels einer rhetorischen Frage sagen will, daß er

Efraim/Israel weder preisgeben noch wie Adma und Zeboim zurichten kann.

Der Hinweis auf die Zerstörung Admas und Zeboims erinnert an Dtn 29,22, das

in einem einem exilischen Verfasser des Deuteronomium zugeschriebenen

Abschnitt vorkommt.150 In Moses letzten Worten zum Volk warnt er es davor,

daß er das Land wie Sodom und Gomorra, Adma und Zeboim machen wird, falls

es ihn verläßt, um hinter anderen Göttern herzulaufen. In diesem Beispiel sind

Adma und Zeboim, Sodom und Gomorra ein Symbol der völligen Zerstörung.

Die rhetorische Frage in 11,8 impliziert, daß Jahwe Efraim genauso völlig

zerstören sollte, wie er Adma und Zeboim zerstört hatte. In der Tat wird Israel in

144 Vgl. Mays, J. L., Hosea, 152; Emmerson, G. I., Hosea, 40f; Wyrtzen, D., The TheologicalCenter, 318f.145 Vgl. Dtn 29,22: „ […] gleichwie Sodom und Gomorra, Adma und Zebojim zerstört sind, dieder Herr in seinem Zorn und Grimm zerstört hat“ .146 Vgl. dazu Wiebe, J. M., Deuteronomy, 150f.147 Glanzman, G., Two Notes, 230f.148 Laetsch, T. F. K., The Minor Prophets, 87, 90. Vgl. Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 144f.149 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 151f.150 Vgl. Friedman, R. E., The Exile, 18f; Yee, G. A., Composition and Tradition, 225.

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2,11-14; 9,6; 10,7.8.14, in denen die Vorstellung der völligen Zerstörung und

Verheerung des Landes zu finden ist, mit einer ähnlichen Strafe bedroht. 11,8

macht jedoch deutlich, daß Jahwe Efraim/Israel das nicht antun kann, was er

Adma und Zeboim angetan hatte. Dies wird weiter entwickelt mit der

Verwendung der inhaltvollen Wurzel >�� in 11,8b. Diese Wurzel wird in Dtn 29,

in dem die zwei Städte Adma und Zeboim namentlich erwähnt sind, sowie in

Gen 19,21.25.29 verwendet.151 Das ist kaum Zufall. Der Verfasser von 11,8 will

sagen, daß Jahwe diesmal die ����� auf sich nehmen wird: Anstatt Efraim/Israel

umzustürtzen, wird sein eigenes Herz umgestürzt. Es ist deutlich, daß hier Jahwe

nicht die Zerstörung, sondern die Rettung und das Heil beabsichtigt. Die ����� in

Jahwes Herzen bedeutet, daß Jahwe selbst um der Rettung Israels willen leiden

wird.

Warum werden Adma und Zeboim hier erwähnt und nicht Sodom und Gomorrah?

Dieses Namenspaar hat dieselbe Funktion wie Sodom und Gomorrah. Alle vier

Städte werden in drei anderen Texten miteinander verbunden (vgl. Gen 10,19;

14,2.8; Dtn 29,22). Warum dann sind hier nur Adma und Zeboim verwendet?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage hat bereits Yee gegeben. Sie hat darauf

hingewiesen, daß 11,8a ein Wortspiel aufweist: alle Wörter in 11,8a beginnen mit

aleph oder haben ein aleph: �����!�� =������ ��������� =�*-#�# >��� ��� ����� =�*.?���� ��� ����# =�*-#�# >���.

Es scheint, daß der Verfasser dieses Verses Adma und Zeboim verwendet hat,

weil sie mit Aleph geschrieben werden. Erhärtet wird diese These, wenn man in

Betracht zieht, daß der Name Zeboim nur in 11,8 mit Aleph geschrieben wird.

Sonst wird er mit einem � geschrieben (vgl. Gen 10,19; 14,2.8; Dtn 29,22). Für

Yee ist dieses Wortspiel charakteristisch für den exilisch-nachexilischen

Endredaktor.152

151 Außerdem gibt es eine starke terminologische Ähnlichkeit zwischen 11,8-9 und denverschiedenen Berichten über die Vernichtung von Adma und Zeboim und Sodom und Gomorra(die Ausdrücke >��, ���&� �, �� kommen in fast allen diesen Berichten vor. Vgl. Gen 13,10; 19;Dtn 29,22; Jes 13,19; Jer 49,19; 50,40; Am 4,11).152 Yee, G. A., Composition and Tradition, 224f.

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213

In 11,8b kommen auch der Ausdruck ����� und das Verb � ��� mit dem Adverb ���

„meine Barmherzigkeit ist entbrannt“ vor.153 Dieser Satz bedeutet, daß Jahwe sich

Efraims/Israels wieder erbarmen wird. Diese Thematik entspricht den

exilisch-nachexilischen Erweiterungen in 1,7; 2,3.23; 14,4, in denen Jahwe Israel

sein Erbarmen wieder schenken wird.

7.3.4.2 Vers 9

11,9a besteht aus einem Bikolon. Der Text bereitet keine Schwierigkeiten. Jedoch

gibt es verschiedene Interpretationen, wie hier das Verb �� zu verstehen ist.154

Das Verb steht in diesem Vers in Verbindung mit der Präposition � und dem

infinitivus constructus ��. Aufgrund der Behauptung, der Text in 11,1-11

spreche nicht von einer früheren Zerstörung Efraims/Israels, haben mehrere

Exegeten es vermieden, � in adverbialer Bedeutung wie etwa „ ich werde Efraim

nicht wieder zerstören“ zu übersetzen.155 Nach Emmerson impliziert die

Verwendung von � in adverbialer Bedeutung nicht unbedingt eine

Wiederholung der Handlung, sondern sie zeigt einfach einen Umbruch im Verlauf

der Handlung an. Sie übersetzt 11,9a wie folgt: „ I will not turn back (from my

love) to destroy Efraim“.156 Für Wolff und Stuart weist diese Konstruktion mit �

auf eine völlige Aufhebung der Handlung hin.157

Wiebe hat jedoch gezeigt, daß � mit einem Infinitiv fast immer eine adverbiale

Bedeutung hat.158 Diese Konstruktion deute auf eine Wiederholung der Handlung

des Infinitives hin. Nach ihm soll der Satz so übersetzt werden: „ Ich will Efraim

nicht wieder zerstören“ .159 Diese Aussage impliziere, daß schon früher eine

Zerstörung von Efraim/Israel stattgefunden habe. Aufgrunddessen datiert Wiebe

153 Vgl. Janzen, J. G., Metaphor, 30; Buss, M. J., The Prophetic Word, 23; Mays, J. L., Hosea,150; Mays, J. L., Response, 223f.154 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 154.155 Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 247; Schüngel-Straumann, H., Gott als Mutter, 120.156 Emmerson, G. I., Hosea, 40, 176. Vgl. auch Schüngel-Straumann, H., Gott als Mutter, 120.157 Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 261f; Stuart, D., Hosea-Jonah, 174f; Harper, W. R.,A Critical and Exegetical Commentary, 369f; Yee, G. A., Composition and Tradition, 224.158 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 155.

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214

die Verse 11,8-9 nach den Ereignissen von 722 v. Chr., als das Nordreich Israel

aufhörte zu existieren. Ich finde diese Interpretation von Wiebe plausibel.

11,9b besteht aus einem Trikolon. Der Satz ���������� bereitet

Übersetzungsschwierigkeiten. Mehrere Exegeten interpretieren das letzte Wort als

eine Form der Wurzel � „vernichten“ .160 Ich glaube, daß es keinen Grund für

diese Konjektur gibt. Jeremias, Jacob und Stuart lesen �� als Präposition mit

Substantiv mit der Bedeutung „ in Zorn“ .161 Es gibt nach Wiebe keine berechtigten

Gründe, die Übersetzung „gegen eine Stadt“ oder „ in eine Stadt“ nicht

anzunehmen.162 Diese Übersetzung würde G, Peschitta und V entsprechen.163

Stimmt diese Übersetzung, so bedeutet das, daß 11,9 das Urteil in 11,6a („darum

soll das Schwert über seine Städte wirbeln“) umkehrt. Solche

Urteilsumkehrungen sind charakteristisch für die exilisch-nachexilische

Redaktion (vgl. 1,5.7; 2,1-3.16-25).

Inhaltlich kann man nicht sagen, daß 11,8-9 das Urteil von 11,5-6 aufhebt.

Vielmehr besagt 11,8-9, daß das Urteil schon vollzogen wurde und daß

Efraim/Israel ein erstes Mal zerstört wurde. Das Hauptanliegen von 11,8-9 ist, zu

betonen, daß Jahwe Efraim/Israel nicht wie Adma und Zeboim - zwei Städte, die

nach Genesis von Jahwe völlig vernichtet wurden - bestrafen wird. In den

Berichten, die die Zerstörung von Adma und Zeboim, Sodom und Gomorra

beschreiben, wird die völlige Vernichtung betont. Die Vernichtung hatte ein

derartiges Ausmaß, daß danach niemand in den zur Wüste gewordenen Städten

wohnen konnte (vgl. Gen 13,10; 19,24f.29f; Dtn 29,22-28; Jes 13,17-22;

Jer 49,18; 50,40). In vielen Beispielen wird die Situation in Israel oder Juda mit

der in Sodom und Gomorra verglichen (Dtn 29,22-28; Jes 3,9; Jer 23,14;

Hes 16,46-56). Jahwe erklärt seinen Willen, Israel und Juda so zu vernichten, wie

159 Vgl. Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 139; Rudolph, W., Hosea, 208, 210f; Mays, J. L., Hosea,151; Wiebe, J. M., Deuteronomy, 155.160 Vgl. Marti, K., Das Dodekapropheton, 90; Robinson, T. H., Die zwölf kleinen Propheten, 44;Weiser, A., Das Buch, 69; Mays, J. L., Hosea, 151.161 Vgl. Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 139; Jacob, E., Osée, 79; Stuart, D., Hosea-Jonah, 174f;Laetsch, T. F. K., The Minor Prophets, 87.162 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 155f.163 Vgl. Ziegler, J., Duodecim Prophetae, 173f; Andersen, F. I./Freedman, D. N., Hosea, 591;Yee, G. A., Composition and Tradition, 226.

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er früher Sodom und Gomorra vernichtet hat, weil ihre Sünde so groß geworden

ist.

Will Jahwe in 11,8-9 Efraim nicht wie Adma und Zeboim (//Sodom und

Gomorra) wieder zerstören, so impliziert dies, daß die Zerstörung von

Efraim/Israel nicht als Totalvernichtung, die der Vernichtung von Adma und

Zeboim gleich wäre, verstanden wurde. Das heißt, daß es noch Hoffnung gibt, das

Volk wieder zu erneuern und ins Land zurückkehren zu lassen.

Durch diese Thematik wird 11,8-9 mit 11,10-11, wo von dieser Rückkehr ins

Land gesprochen wird, eng verbunden.

7.3.4.3 Verse 10-11

In 11,10-11a wird die erste Person der göttlichen Rede verlassen. Sie wird in

11,11b („ In ihren Häusern lasse ich sie wieder wohnen“) wieder aufgenommen.

Kommentatoren haben bereits auf den sekundären Charakter dieser Verse

hingewiesen.164 Sie enthalten die exilisch-nachexilische deuteronomische

Theologie, indem sie die Rückkehr aus dem Exil beschreiben. 11,11a spricht von

einer Rückkehr aus Ägypten und dem Land Assyrien. Die Erwähnung von

Ägypten mit Assyrien hat hier wie in 11,5 eine symbolische Bedeutung. Ägypten

und Assyrien bezeichnen hier keine geographischen Orte, sondern sie beschreiben

die Rückkehr als einen zweiten Exodus (vgl. Jes 52,4; Sach 10,10-11).

Wolff, Jeremias und andere165 betrachten 11,10 zwar als eine spätere

nachexilische Hinzufügung, aber halten 11,11 für hoseanisch. Wolff beschreibt

11,10 als einen Kommentar zu 11,11, verfaßt von denen, die die Botschaft Hoseas

für die judäische Zuhörerschaft aktualisieren wollten.166 Dies gilt auch für

Jeremias. Für ihn gehört 11,11 mit den Versen 7-9 zu einer späteren Phase der

Prophetentätigkeit. Sie wurden laut Jeremias nicht öffentlich, sondern im

164 Vgl. Yee, G. A., Composition and Tradition, 153-156, 349, Anm. 76.165 Wolff, H. W., Dodekapropheton, 263; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 146f; Naumann, T.,Hoseas Erben, 96-99; Mays, J. L., Hosea, 159f; Emmerson, G. I., Hosea, 157f; Steinmann, J.,Prophétisme, 230f.

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geschlossenen Kreis der Vertrauten des Propheten verkündigt. 11,10 stamme aus

der Hand eines späteren Judäer, der Hoseas Heilswort für seine Zeit aktualisieren

wollte. Der Grund für diese Annahme sei stilistisch: Nur 11,10 unterbreche die

Gottesrede von 11,7-9.11 und spreche von Jahwe in der dritten Person

Singular.167 Ebenfalls nimmt Emmerson an, daß 11,10 die Arbeit eines späteren

judäischen Redaktors sei, der traditionelle liturgische Motive aus dem

Jerusalemkult verwende und sie vor 11,11 eingefügt habe.168

Die Argumente für die Authentizität von 11,11 sind nicht überzeugend. Daß

11,11 hoseanische Bilder verwendet (Assyrien anstelle von Babylon und

Ägypten) muß nicht unbedingt für die hoseanische Authentizität von 11,11

sprechen. Die Namen sind hier symbolisch gemeint und weisen auf keinen Fall

auf ein historisches Ereignis hin, wie etwa die Rückkehr der israelitischen

Exulanten aus Assyrien, sondern sie beschreiben die Rückkehr der judäischen

Exulanten als einen zweiten Exodus. Die Namen „Assyrien“ und „Ägypten“

werden hier verwendet, um das Thema von 11,5 umzukehren und dabei dieselben

Motive zu betonen.

Ich bin überzeugt, daß 11,10-11 nicht voneinander getrennt werden sollten. Sie

bilden zusammen eine thematische Einheit. Der Gebrauch des Verbs � �

verbindet 11,10b und 11,11a. Der göttliche Name ����, der am Anfang von 11,10

und am Ende von 11,11 steht, bildet eine Inklusion, die das Thema der Rückkehr

ins Land unter der Schirmherrschaft Jahwes darstellt. Wie erklärt man den

Wechsel zur dritten Person Singular in 11,10? Der Satz ���� � �� >�� („hinter

Jahwe herziehen“) ist ein deuteronomischer Stereotyp, der im Deuteronomium

und im deuteronomistischen Geschichtswerk häufig als Ausdruck für das

Beharren in den Geboten Jahwes begegnet (vgl. z. B. Dtn 13,5; 1 Kön 18,21;

2 Kön 23,3. Zum Ausdruck „ in den Wegen Jahwes laufen“ vgl. Dtn 8,6; 10,12;

11,22.28; 19,9; 26,17; 28,9; 30,16; 31,29; Ri 2,22). Diesen stereotypen Satz

verwendet der deuteronomistische exilisch-nachexilische Redaktor in 11,10, wie

wir unten sehen werden, um die Tatsache zu betonen, daß die Rückkehr der

166 Wolff, H. W., Dodekapropheton, 263.167 Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 146f.

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Exulanten nur dann möglich ist, wenn sie in den Wegen Jahwes laufen. Der

Wechsel zwischen der dritten Person Singular in 10-11a und der „göttlichen

Rede“ in 11,11b deutet m. E. nicht unbedingt darauf, daß hier zwei Verfasser am

Werk sind; die Rückkehr zur göttlichen Rede in 11,11b bedingt der redaktionelle

Anzeiger ��� ���� („spricht der Herr“ ), der in der Regel mir einer direkten Rede

verbunden ist (vgl. z. B. 2,15.18.23).

Das Verb �� �� bereitet Übersetzungsprobleme. Die qal-Form von � � wird

normalerweise mit der Bedeutung „vor Furcht zittern“ verwendet (vgl. u. a.

Gen 27,13, Ex 19,16; 1 Kön 1,49; Jes 10,29; Am 3,6). Aber diese Bedeutung

entspricht nicht dem Kontext von 11,11. Die Bedeutung „sich schnell bewegen“

ergibt mehr Sinn (vgl. 2 Sam 16,2; 21,2).169 Da es um die Bewegung eines Vogels

geht, ist die Übersetzung „eilig zurückkehren“ passender.170

Mit mehreren Exegeten171 halte ich 11,10-11 zusammen mit 11,8-9 für eine

spätere Hinzufügung zu Kap. 11, um den tristen Ton von 11,1-7 mit einer

Hoffnungsaussage auszugleichen.172 Die Gründe für diese Haltung können wie

folgt zusammengefaßt werden:

1) Die darin verwendete Terminologie ist nicht hoseanisch. Sie spiegelt eine

spätere Zeit wider: Der Satz „ laufen hinter Jahwe“ ist ein deuteronomistisches

Motiv, das die Treue zu den Geboten Jahwes beschreibt (vgl. Dtn 13,5;

1 Kön 18,21; 2 Kön 23,3).173 Die Verwendung der Wurzel � � in 11,10b und

11,11a ähnelt dem, was in Joel 4,6 zu finden ist.174 Das Bild des brüllenden

Löwen in 11,10a verwendet eine Terminologie, die eher zu Amos gehört als

168 Emmerson, G. I., Hosea, 41-45.169 So auch Stuart, D., Hosea-Jonah, 174f; Davies, G. I., Hosea, 265f; Wiebe, J. M., Deuteronomy,163f.170 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 163f.171 So Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 371f; Willi-Plein, I., Vorformen,203-206; Mays, J. L., Hosea, 152f.172 Robinson, T. H., Die zwölf kleinen Propheten, 45; Marti, K., Das Dodekapropheton, 19;Willi-Plein, I., Vorformen, 203-206; Lindblom, J., Message of Hope, 91-95; Buss, M. J., Tragedy,71-82; Buss, M. J., The Prophetic Word, 70; Yee, G. A., Composition and Tradition, 154;Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 371f. Nur wenige Kommentatoren halten11,10-11 für hoseanisch. Vgl. Anderson, B. W., Hosea, 301; Janzen, J., Metaphor, 41f; Stuart, D.,Hosea-Jonah, 176.173 Vgl. Yee, G. A., Composition and Tradition, 154; Willi-Plein, I., Vorformen, 203-206.

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zu Hosea.175 Der Satz „Söhne vom Meer“ �������� in 11,10b hat eine

auffallende Ähnlichkeit mit Jes 11,11.176

2) Die Beschreibung setzt die Situation im Exil voraus.177 Das Efraim aus

Ägypten, Assyrien und dem Westen zurückkehren wird, setzt voraus, daß

Exilanten schon im Exil waren, als dieser Text geschrieben wurde.

Darüber hinaus kehrt der Verfasser von 11,10-11 manche Motive, die sich am

Anfang von Kap. 11 finden, um. 11,2 beschreibt, wie das von den Moabitern

gerufene Volk178 Jahwe verließ (���������), um den Baalen zu opfern und zu

räuchern. Dagegen erklärt 11,10, daß die Israeliten hinter (������ ��) Jahwe

herlaufen werden, der sie wie ein brüllender Löwe rufen wird.179

11,11 wiederholt die Wurzel � � von 11,10 und erweitert den Exilsort „Westen“ :

„Eilig kehren sie aus Ägypten zurück wie Vögel, wie Tauben aus dem Land

Assur“ . Durch diese Thematik kehrt er das Urteil von 11,5a um. Die Verwendung

des Ausdrucks „Land“ in 11,5a und 11,11a und der Kontrast zwischen „nach“ in

11,5a und „von“ in 11,11a bestätigt die thematische Verbindung zwischen beiden

Versen.

11,11 verwendet auch Motive von 7,11-12 und ändert sie, indem er sie mit der

Konnotation der Hoffnung füllt.180 In 7,11-12 wird Efraim mit einer törichten

Taube verglichen, die zwischen Assyrien und Ägypten hin und her fliegt, um

Hilfe durch militärische Unterstützung zu bekommen. Dagegen wird Efraim in

11,11 aus diesen Ländern wie eine Taube zurückkehren.

174 Vgl. Mays, J. L., Hosea, 152-158; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 146f.175 Vgl. Robinson, T. H., Die zwölf kleinen Propheten, 45; Wolff, H. W., Dodekapropheton, 263;Mays, J. L., Hosea, 152, 158; Jeremias, J., Der Prophet Hosea, 146f.176 Vgl. Wolff, H. W., Dodekapropheton, 263; Mays, J. L., Hosea, 152, 158; Jeremias, J., DerProphet Hosea, 146f.177 Willi-Plein, I., Vorformen, 203-206; Lindblom, J., Prophecy, 244.178 Vgl. oben § 7.3.1.179 Vgl. den Satz „hinter anderen Göttern herziehen“ als Ausdruck der Übertretung der GeboteJahwes in u. a. Dtn 4,3; 6,14; 8,19; 11,28; 13,3.6; 28,14; 29,5.180 Vgl Emmerson, G. I., Hosea, 42f.

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Schließlich formuliert der exilisch-nachexilische Redaktor in 11,11b eines seiner

wichtigsten theologischen Motive: „ In ihren Häusern lasse ich sie wieder

wohnen“. Mit vielen Kommentatoren lese ich ������, die hiphil-Form von �,

anstelle von ������ in 11,11b.181 Dies entspricht der Wiedergabe von G,

Peschitta und Targum Jonathan182 und bildet nach Wiebe eine genaue

Umkehrung von 11,5. Dort werde Israel/Efraim nach Ägypten zurückkehren, und

hier werde es Jahwe nach Hause zurückkehren lassen.183 11,11b ist mit der

Aussage von 14,8: „Sie werden wieder in meinem Schatten wohnen“, die

ebenfalls aus der exilisch-nachexilischen Hand stammt, zu vergleichen. Das letzte

Kolon von 11,11 beschreibt die Teilnahme Jahwes am neuen Exodus; er wird die

Exulanten in ihren Häusern wieder wohnen lassen. Im Anschluß an 11,8-9, die

der exilisch-nachexilische Endredaktor verfaßte, um die Absicht Jahwes,

Efraim/Israel nicht preiszugeben und völlig zu zerstören, zum Ausdruck zu

bringen, fügte er 11,10-11 ein, die die Absicht Jahwes verwirklichen, indem sie

eine neue Ära darstellen, in der Israel wieder zum Sohn wird, den Jahwe liebt und

wieder aus dem Exil herruft (vgl. 11,1). Der Endredaktor schließt seinen

Kommentar über 11,1-7, ja sogar über 4-11,184 mit der Formel ��������.

7.4 Zusammenfassung der Textanalyse von Hos 11,1-11

Die vorwiegende Metapher in 11,1-11 ist die berühmte Beschreibung Israels als

des „Sohnes“ Jahwes, der ihn aus Ägypten herausrief. Gegen zahlreiche

Studien,185 die behaupten, daß das Bild des Vater-Sohn-Verhältnisses in 11,1ff

auf der Fachterminologie des „Bundes“ basiert, habe ich den einzigartigen

Charakter dieser Analogie gezeigt. Hier wird Jahwe als ein liebevoller Vater

dargestellt, der seinen kleinen Sohn (Efraim/Israel) mit Zärtlichkeit und

Zuneigung behandelt; er trägt ihn auf seinen Armen, hebt ihn hoch zu seinen

Backen und gibt ihm zu essen, genauso wie fürsorgliche Eltern ihre Kinder

181 Wolff, H. W., Dodekapropheton, 249; Kuhnigk, W., Nordwestsemitische Studien, 141;Harper, W. R., A Critical and Exegetical Commentary, 372; Rudolph, W., Hosea, 209, 212;Mays, J. L., Hosea, 151; Stuart, D., Hosea-Jonah, 174f; Wiebe, J. M, Deuteronomy, 164.182 Vgl. Ziegler, J., Duodecim Prophetae, 173f; Sperber, A., The Later Prophets, 404.183 Wiebe, J. M., Deuteronomy, 165.184 Vgl. Yee, G. A., Composition and Tradition, 156.

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behandeln würden. Die Ausdrücke „ lieben“ und „Sohn“ in 11,1 sind also im

Rahmen dieser Beschreibung Jahwes zu verstehen. In diesem Vers ist die Liebe

Jahwes zu Israel ein natürliches Gefühl des Hingezogenseins wie die Liebe eines

Vaters zu seinem Sohn. Indizien für eine fürsorgliche Beziehung sind in 11,3-4 zu

finden.

Gegen die These Smiths, daß Hosea hier eine Verwandtschaftsmetapher

verwendet, um gegenseitige Rechte und Pflichten zum Ausdruck zu bringen,

spricht die Tatsache, daß 11,1-4 eben von keinen gegenseitigen Rechten und

Pflichten spricht, sondern von einer liebevollen Fürsorge von seiten des Vaters

und von der Undankbarkeit und der Vernachlässigung von seiten Efraims/Israels,

der seinen Vater nicht anerkannt hat. In der Tat ist 11,1-4 eine Art historischer

Rückblick, der mit Aussagen und Anklagen, die Efraims/Israels Antwort auf die

väterlichen Taten Jahwes kritisieren, kombiniert ist. Diese Kombination zielt

darauf, den Kontrast zwischen Jahwes väterlicher Liebe und Efraims/Israels

Undankbarkeit hervorzuheben. Außerdem bringt diese Kombination die Tatsache

zum Ausdruck, daß Israel in jedem Moment seiner Geschichte die Heilstaten

Jahwes um Israels willen nicht beachtet und Jahwe nicht als seinen Gott nicht

anerkannt hat (vgl. auch diese Thematik in 7,13.18; 8,14; 9,1; 12,9-10; 13,4-5;

13,9).

In der Folge habe ich die Analogie des Vater-Sohn-Verhältnisses in 11,1-11 auf

dem soziologischen und anthropologischen Hintergrund des Alten Israel

interpretiert, gemäß dem die Kinder mit ihren Eltern respektvoll gehorsam

umgehen sollen. Fehlen dieser Respekt und dieser Gehorsam, so kann der Vater

sein Kind zum Tode verurteilen. Nur das kann die Urteilsankündigung in 11,5-6

erklären. Weil sich Israel nicht wie ein Sohn benommen hat, indem er seinen

Vater nicht anerkannte und statt dessen anderen Göttern gefolgt ist, wird er zum

Tode verurteilt. Dieser Tod wird in 11,5-6 auf der Sachebene als eine Verbannung

und Rückkehr in einen Zustand, in dem Israel nicht existierte, beschrieben.

Erhärtet wird diese Interpretation durch eine andere Stelle im Hoseabuch, an der

Jahwe als ein Vater dargestellt wird, der seine abtrünnigen Kinder bestraft. In

185 Vgl. oben Anm. 33.

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9,15 sagt Jahwe: „Wegen ihrer bösen Taten vertreibe ich sie aus meinem Haus“ .

In diesem Vers wird Jahwe als Patriarch einer Familie beschrieben, zu dem das

„Haus“ gehört. Den in § 3 erwähnten soziologischen und anthropologischen

Angaben entsprechend, ist die israelitische Familie seit den ältesten Zeugnissen

eindeutig patriarchalisch. Der Begriff zur Bezeichnung einer Familie lautet

„väterliches Haus“ ����. So stand der Begriff �� „Haus“ im israelitischen sowie

im allgemein semitischen Sprachgebrauch für den Begriff „Familie“ im heutigen

Sprachgebrauch (vgl. z. B. 1 Chr 5,15.34; 7.7-40; 8,6.10.13; 9,9; 23,24; 24,6).

Dies bedeutet, daß im weiteren Sinne die Familie dem Vater „gehört“ und seinen

Namen trägt. Wenn in diesem Vers von Jahwe gesagt wird, daß er die Israeliten

aus seinem Haus vertreiben wird, bedeutet das, daß er sie nicht mehr als

Mitglieder der Familie, deren Haupt er ist, anerkennt. Die Vertreibung hat hier

aber schlimme Folgen, denn durch sie verlieren die Israeliten den väterlichen

Schutz und die väterliche Zuneigung, die sie zum Überleben brauchen (vgl. die

darauf folgenden Verse 16-17).

In meiner Untersuchung habe ich versucht, Lösungen für die zahlreichen

textlichen Schwierigkeiten vorzuschlagen. Die wichtigste dieser Schwierigkeiten

befindet sich in 11,7. Diesen Vers habe ich als eine Beschreibung falscher Reue

seitens Israels bestimmt. Israel ruft einen Gott an zur Hilfe, aber Jahwe wird sein

Urteil nicht zurücknehmen, denn Israel ruft in Wirklichkeit AL (Baal). Dieser

aber wird ihnen nie und nimmer helfen.

Ab 11,8 geschieht ein drastischer Tonwechsel von der Drohung zur Hoffnung.

Nach 11,5-7 wird Israel zum Tode und zur Vernichtung verurteilt, genauso wie

nach Dtn 21,18-21 ein Sohn, der seine Eltern verachtet, zum Tode verurteilt wird.

Dieser Ton ändert sich aber ab 11,8, nach dem Jahwe seinen Sohn nicht dem

Tode ausliefern kann. Sein väterliches Erbarmen hält ihn davon ab, seinen Sohn

wie Adma und Zeboim völlig zu zerstören. Jahwe übertrifft die menschlichen

Ordnungen. Er ist Gott und kein Mensch. Deswegen wird er seine „Söhne“

wieder aus dem Exil herausrufen, damit sie hinter ihm ins Land zurückkehren.

Aufgrund dieser Thematik habe ich 11,8-11 dem exilisch-nachexilischen

Redaktor des Hoseabuches zugeschrieben. Durch seine Erweiterung hat der

Endredaktor dem Orakel in 11,1-7 eine neue Bedeutung gegeben. Wie in Kap. 2

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hat er das Urteil und die Bestrafung Israels wegen seiner Missetaten als Mittel zu

Reue und nicht als Ziel interpretiert. 11,8-11 setzen zwar eine Zerstörung Israels

voraus, aber der Endredaktor war der Ansicht, daß diese Zerstörung keine

vollständige sein kann. Mit anderen Worten: Er war der Überzeugung, daß Jahwe

Israel nicht für immer und ewig verlassen hat. Er hat es nur bestraft. Nach der

Bestrafung wird er es aber wieder ins Land zurückführen. So entstand in 11,1-11

dasselbe Motiv in einer zweiphasigen Bewegung: zuerst Urteil und dann Heil. Die

erste Phase war schon in 11,5-7 bekannt. Die zweite hat der Endredaktor in

11,8-11 beschrieben: Verbunden mit der Reue über ihre Taten (11,10a), werden

die Söhne Israels eilig aus Ägypten, Assyrien und dem Westen in ihr Land

zurückkehren. Da wird Jahwe sie wieder in ihren Häusern wohnen lassen.

Somit beendet der exilisch-nachexilische Redaktor sowohl Kap. 11 als auch die

ganze Einheit Kap. 4-11 mit einer Hoffnungsbotschaft. Ich habe in der Einleitung

darauf hingewiesen,186 daß die Orakel in Kap. 4-11 zwei wichtige Grundlinien

aufweisen: Anklage und Urteil, die den ursprünglichen hoseanischen Metaphern

des Mann-Frau- und Vater-Sohn-Verhältnisses entsprechen. Durch die Einfügung

von 11,8-11 hat der Endredaktor eine dritte Grundlinie zustande kommen lassen:

die des Heils. Somit interpretierte der Endredaktor die hoseanische Botschaft neu

und beendete jede der großen Einheiten mit einer Hoffnungsbotschaft: Kap. 1-3

mit 2,16-3,5, Kap. 4-11 mit 11,8-9 und Kap. 12-14 mit 14,2-9.

In diesen seinen Erweiterungen blieb der Endredaktor dem Hauptpunkt der

hoseanischen Prophetie aber treu. Eine Wiederherstellung der Beziehung ist nur

möglich, wenn Israel zu Jahwe zurückkehrt und ihn als seinen einzigen Gott und

Herrn anerkennt.

Abschließend gebe ich eine zusammenfassende Skizze der redaktionellen

Entstehung von Kap. 11:

- Hoseanische Tradition: 11,1-7.

- Exilisch-nachexilische deuteronomistische Endredaktion: 11,8-11.

186 Vgl. oben § 4.