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Stellungskrieg im Rshew-Bogen u. a. aus den Tagebüchern von : - Major i. G., Dr. Hans Meier-Welcker*, Ia der 251. ID (i.G. = im Generalstab; Ia = Chef der Führungs- abteilung und somit „rechte Hand“ des Div.-Kommandeurs) vom 8. Mai 1941 bis 15. Dezember 1942. (Vom Mai bis Juli 1944 war Major i.G. v. Oertzen, Ia der K-Abt.E (251.ID); † als Widerstandskämpfer am 21. Juli 1944) - Ev. Divisionspfarrer der 251. ID von März 1940 bis März 1945, Ernst Ufer** und - OLt R. Maurer***, Kompanie-Führer der 14. Panzerjäger-Kompanie im 451. IR der 251.ID, vom August 1939 bis August 1943 251. ID Oschurkowo: „22. Dezember 1941: Wir sind wieder auf dem Rückmarsch, 10 km im Schnee und Schneesturm. Alles zu Fuß, ein müheseliges Stampfen. Jeder Schritt nach vorn kostet Mühe. Abends war kein Quartier gemacht. Ich schlafe auf dem Stuhl ein. Aber es sollte noch schlimmer kommen: Am 23. Dezember ging es über 20 km zurück. Der Schnee durch Verwehungen an vielen Stellen kniehoch, und das km um km. Vollkommen nasse Füße und dann keine Verpflegung. Um 13 Uhr brachen wir auf, und ich kam nach Mitternacht erst zum Ziel. Vom frühen Morgen bis nach Mitternacht gab’s nichts weiter zu Essen als 3 Stück Brot und 2 Tassen heißen Tee. Die letzten 5 km konnte ich kaum weiter. Ich hängte mich an alle möglichen Fahr- zeuge: Schlitten, Sturmgeschütze, LKWs, Kanonen der Artillerie. In (Nikulino)-Gorodit- sche (an der Schoscha) war große Verstopfung. Es geht kaum weiter. Und wieder hinter uns ein Brand nach dem anderen, der Himmel glutrot. Und das ein Tag vor Weih- nachten. So hoffnungslos bin ich noch nie gewesen. Ein Fahrzeug nach dem ande- ren wurden im Stich gelassen und wieder zwei Geschütze, die gesprengt wurden. …“ Leutnant Rudolf Maurer, Kompanieführer 14./451. IR/251. ID Über den Rückzug aus Kalinin und dem Stellungskrieg im Rshew-Bogen gibt es mehrere Berichte mit Militärkarten und Fotos (…von Pi 251 s. Zuschrift 38). Einband als PDF-Datei zum Ausdrucken (Link 2) unter www.myway.de/kwmaurer. © 29. Februar 2012 - Karl-Wilhelm Maurer, Mayr-Nusser-Weg 6, D 91058 ERLANGEN * aus ZMS-BW Ergänzungen Stand 21.02.2021 ** aus Fotoalbum E. Ufer, (Denis Daum) *** privat (K-W. Maurer)

** aus Fotoalbum E. Ufer aus ZMS-BW Major i. G., Dr. Hans Meier … · 2020. 12. 28. · Lagebericht OKH, 22. September 1942: … Im Stadtwald Rshew gelang dem Geg-ner ein Einbruch,

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  • Stellungskrieg im Rshew-Bogen

    u. a. aus den Tagebüchern von :

    - Major i. G., Dr. Hans Meier-Welcker*, Ia der 251. ID (i.G. = im Generalstab; Ia = Chef der Führungs- abteilung und somit „rechte Hand“ des Div.-Kommandeurs) vom 8. Mai 1941 bis 15. Dezember 1942. (Vom Mai bis Juli 1944 war Major i.G. v. Oertzen, Ia der K-Abt.E (251.ID); † als Widerstandskämpfer am 21. Juli 1944) - Ev. Divisionspfarrer der 251. ID von März 1940 bis März 1945, Ernst Ufer** und - OLt R. Maurer***, Kompanie-Führer der 14. Panzerjäger-Kompanie im 451. IR der 251.ID, vom August 1939 bis August 1943

    251. ID

    Oschurkowo: „22. Dezember 1941: Wir sind wieder auf dem Rückmarsch, 10 km im

    Schnee und Schneesturm. Alles zu Fuß, ein müheseliges Stampfen. Jeder Schritt nach

    vorn kostet Mühe. Abends war kein Quartier gemacht. Ich schlafe auf dem Stuhl ein.

    Aber es sollte noch schlimmer kommen: Am 23. Dezember ging es über 20 km zurück.

    Der Schnee durch Verwehungen an vielen Stellen kniehoch, und das km um km.

    Vollkommen nasse Füße und dann keine Verpflegung. Um 13 Uhr brachen wir auf,

    und ich kam nach Mitternacht erst zum Ziel. Vom frühen Morgen bis nach

    Mitternacht gab’s nichts weiter zu Essen als 3 Stück Brot und 2 Tassen heißen Tee. Die

    letzten 5 km konnte ich kaum weiter. Ich hängte mich an alle möglichen Fahr-

    zeuge: Schlitten, Sturmgeschütze, LKWs, Kanonen der Artillerie. In (Nikulino)-Gorodit-

    sche (an der Schoscha) war große Verstopfung. Es geht kaum weiter. Und wieder hinter uns

    ein Brand nach dem anderen, der Himmel glutrot. Und das ein Tag vor Weih-

    nachten. So hoffnungslos bin ich noch nie gewesen. Ein Fahrzeug nach dem ande-

    ren wurden im Stich gelassen und wieder zwei Geschütze, die gesprengt wurden. …“

    Leutnant Rudolf Maurer, Kompanieführer 14./451. IR/251. ID

    Über den Rückzug aus Kalinin und dem Stellungskrieg im Rshew-Bogen gibt es mehrere Berichte mit Militärkarten und Fotos (…von Pi 251 s. Zuschrift 38). Einband als PDF-Datei zum Ausdrucken (Link 2) unter www.myway.de/kwmaurer.

    © 29. Februar 2012 - Karl-Wilhelm Maurer, Mayr-Nusser-Weg 6, D 91058 ERLANGEN

    * aus ZMS-BW

    Ergänzungen Stand 21.02.2021

    ** aus Fotoalbum E. Ufer, (Denis Daum)

    *** privat (K-W. Maurer)

    ;;

    http://www.myway.de/kwmaurer

  • Rshew war der Eckpfeiler der Ostfront. Vom 4. Januar 1942 bis 1. März 1943

    versuchte die Rote Armee, diese Stadt den deutschen Besatzern zu entrei-

    ßen. - Hitler stimmte erst Anfang 1943 einer Räumung des Abschnittes

    Rshew zu.

    Viele deutsche Divisionen mussten diesen Frontabschnitt halten – eine

    davon war die 251. Infanterie-Division.

    A2

    S

  • Rshew, Eckpfeiler der Ostfront

    Wichtiges Ziel der Roten Armee war, die Stadt Rshew, die am 16. Oktober 1941 von der 206. Infanterie-Division er-obert worden war, wieder zurück zu gewinnen. Hitler wollte aber die Stadt nicht aufgeben. So entstand der Front-bogen von Rshew, der über ein Jahr lang von den deutschen Truppen in harten Kämpfen verteidigt werden musste. Rshew war trotz Bombardierung mit ihren zum Teil bewohnbaren Gebäuden und dem dort sich treffenden Straßen- und Bahnlinien-Netz ein äußerst wichtiger Knotenpunkt bei der Versorgung der vielen Divisionen im „Frontbogen von Rshew“ und ein Ort der „Erholung“ mit Kasinos, Lazaretten und Heimen für abgekämpfte Front-Soldaten.

    A3

    Rshew, 1942

    Heldenfriedhof von Rshew mit dem Eisernen Kreuz über dem Eingangstor, 1942

    Bahnhof von Rshew, Verkehrsdrehscheibe 1942

    3 Fotos: Wolfen

    29. Mai 1942 – Div.-Pfarrer der 251. ID Ernst Ufer: „Heute hatte ich in Rshew eine Beer-

    digung. Der Friedhof ist sehr groß, so

    wie die in Frankreich aus dem 1. Welt-

    krieg …“

    Diorama: Rshew im September 1942 (Foto: Sept. 2012)

    Aus dem Kriegstagebuch des OKW

    Lagebericht OKH, 22. September 1942: … Im Stadtwald Rshew gelang dem Geg-ner ein Einbruch, der jedoch zum größ-ten Teil bereinigt werden konnte. … Lagebericht OKH, 24. September 1942: … Beim VI. AK wurde in der Einbruch-stelle bei Rshew ein weiteres Vordrin-gen verhindert, Frontverbesserung er-zielt und im Stadtwald mehrere feind-liche von Panzern unterstützte Vor-stöße abgeschlagen. … Wer heute das Diorama im städtischen Museum von Rshew betrachtet, dem fällt nur ein Satz ein: Nie wieder Krieg!

    Westlich von Rshew zweigte von der Bahntrasse nach Olenino eine Neben-bahn nach Norden ab. Östlich der „Schulhöhe“ war ein großes Rangier-Gebiet mit vielen Parallel-Gleisen ein-gerichtet worden, so dass Güter- und Lazarettzüge am Rande des Kampfge-bietes wenden konnten.

  • 26. September 2012: Begleitet von der jungen Oksana als Übersetzerin und dem ortskundigen Sergej, Mitarbeiter von Herrn Schreiber vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge, fuhren 14 Rshew-Besucher zur Ssischka-Mündung, wo den Sowjets am 3./4. Januar 1942 die Querung der zugefrorenen Wolga und ein 15 km breiter Einbruch in den dünn besetzten Frontab-schnitt der 256. ID, XXIII. AK, gelungen war. Anschließend suchten wir den im Frühjahr 1942 heiß umkämpften Ort Usowo, der in der russ. Straßenkarte fälschlicher Weise mit Tschernowo angegeben ist. Sergej kannte den Ort von früheren Grabungen. Aber seine damaligen Grabungsstellen waren zwischenzeitlich überwuchert und nicht mehr zugänglich. Wir haben aber jetzt ein Bild bekommen vom welligen und teilweise sumpfigen Gelände dieses Kampfgebietes, das mit den Stellungen der 251. ID am 14.10.1942 als Kartenausschnitt die militärische Vergangenheit aufzeigt (s. Seite A5). – Die Fotos von damals und heute lassen erkennen, dass die Vegetation die Kriegsspuren in dem heute größtenteils verlassenen Gebiet zugedeckt hat, wo vor 70 Jahren viele Soldaten, Russen und Deutsche, ihr Leben verloren haben.

    Wolga

    Pogorelki

    Ssischka-Mündung Usowo

    Tschernowo

    hier war Owsjanikowo

    hier war Gusjewka Essemowo Kosterewo

    Blasenowo

    Stany

    Dmitrowo 251.

    Div.-Gef.-Stand

    Gibt es Semenowo noch?

    Abzweigung nach Usowo

    Usowo

    Einmündung zur M9

    Samollowo verlassen

    A4

    10 km

    3 km

    Kokoschkino

    Sokolowo Pi 251: Fröhling-Brücke

    Heldenfriedhof Pojawilowo

    ‚Schulhöhe‘

  • Kampfgebiet der 251. ID westlich von Rshew – siehe Marschkarte auf Einband-Rückseite

    Kartenausschnitt und Zitate Seite A6-A8 aus: „Aufzeichnungen eines Generalstabsoffiziers 1939-1942“, Dr. Hans Meier-Welker – s. Foto. Herausgeber: Militärgeschichtliches Forschungsamt - Verlag Rombach, Freiburg - ISBN 3-7930-0185-7

    A5

    2 1

    Texte auf der Rückseite der Fotos von Lt R. Maurer , 14./451. IR :

    1 Zusammengeschossener T 34 in Tschenzowo, Frühj. 42

    2 Panzerschlucht bei Owsjanikowo, westl. Usowo , Sommer 1942

    Gusjewka, Frühjahr 1942 Lt R. Maurer bei Gusjewka, Frühj. 42

    Gusjewka

    Usowo

    Ashewa

  • Aufzeichnungen des Ia-Stabsoffiziers bei der 251. Infanterie-Division

    Einleitung: Major H. Meier-Welker war der Erste Stabsoffizier (Ia) der 251. ID vom Mai 1941 bis 22. Dezember 1942. Seine Erleb-nisse bei der 251. ID. - vom Beginn des Ostfeldzuges an, als die 251. ID durch Litauen, Weißrussland, den Waldaihöhen und der oberen Wolga entlang über Kalinin bis in den Raum Rshew zog - finden sich in dem Buch: „Aufzeichnungen eines Generalstabsoffiziers 1939-1945“. Viele Notizen und Briefauszüge des Ia decken sich mit den Schilderungen der drei Zeitzeugen, dem Kdr. der 6. ID, Gen. Horst Großmann, dem ev. Div.-Pfarrer der 251. ID, E. Ufer, u. dem Kp-Chef der 14./451.IR/251. ID. – … siehe auch „Rshew-Reise 2011“ pdf-Datei „Kampfgeb. 251.ID“ bzw. Buch „Die hessisch-thüringische 251. ID…“ .

    Zitate des Ia der 251. ID aus seinen Briefen in kursiver Schrift; Buchausschnitte in normaler Schrift: Am 13. Juli stellte sich die 251. ID erstmals im Ostfeldzug bei Zadzice, ca. 90 km östlich von Dünaburg, zum Kampf gegen den Feind bereit, der jedoch zurückwich. … Die erste Schlacht, an der die 251.ID teilnahm, war die Umzingelung einer starken russ. Kräftegruppe bei Newelj zwischen dem 20. und 24. Juli. … Allein das 451. IR verlor an den 4 Tagen 33 Offiziere und 530 Uffz und Mannschaften an Toten und Verwundeten sowie 78 Uffz und Mannschaften, die vermisst gemeldet wurden. … Am 28. Juli wechselte die 251. ID im Verband des L. Armee-Korps (zusammen mit der 253. ID; Kdr. GenLt Schellert) aus dem Bereich der HGr Nord auf den linken Flügel der HGr Mitte, linker Frontabschnitt der 9. A. Der 2. August wurde zu ei-nem schwarzen Tag. Die 253. ID hatte bereits vor Welikije Luki einen Rückschlag erlitten, was zur Ablösung des Ia (Maj F. Schlieper) führte. Darauf sollte die 251. ID, südlich anschließend, die überhöhende, starke russische Stellung auf dem Ostufer des Lowatjflusses südwestlich von W. L. angreifen. Die Infanterie überschritt den Fluss und ging stellenweise einige km vor, blieb aber vor der nicht einsehbaren russischen Hauptstellung liegen. Die rechts anschließende 110. ID des Nachbarkorps (XXIII.) kam östlich des Lowatj nicht wie zugesagt im Angriff nach Norden voran. Auch bestand bei der 251. ID Mangel an Artillerie-Munition (Halder am 29.7.:“ Schwierige Lage bei uns durch Munitionsmangel“), während die russ. Artillerie stark schoss und die russ. Flieger wiederholt wirksam angriffen. So musste der Angriff abgebrochen und die Infanterie auf Befehl der 9. A in der Nacht auf das Westufer des Lowatj zurückgenommen werden. Die Folge war, dass der Divisionskommandeur abgelöst* und am 6. August durch GenMaj Burdach ersetzt wurde, ein Fall, in dem der Kommandierende General des vorgesetzten L-AKs, Gen d. Kav Lindemann, die Schuld des verfehlten Ansatzes der Division auf einen Unschuldigen abwälzte (Halder: „ … zeigt, wie schwierig die Beurteilung der Vorgänge angesichts des Verhaltens des Gen-Kommando L. AK war“). Die Untersuchung, die vom OKH ausging, hat zwar den Div-Kdr entlastet, aber seine Stellung hatte er verloren. Wegen der starken Verluste musste die 251. ID bei zwei Regimentern je ein Bataillon auflösen. * Was man heute Mobbing nennt war nach Aussage des Lt R. Maurer in Führungskreisen der Wehrmacht damals weit verbreitet.

    24.8. Konjuschki (15 km südwestlich von Welikije Luki) - Heute ist Sonntag. Dieser Tag wird besonders gefeiert. Vor meinem offenen Zelt war ein großer Kreis von Mädchen und Soldaten. Ein alter Russe, den wir zum Bürgermeister gemacht haben, spielte auf einer Ziehharmonika zum Tanz. … Auch unsere Leute tanzten mit, was zunächst eine große Heiter-keit hervorrief. … Dabei läuft 10 km weiter ostwärts eine Front, an der mehrere russ. Divisionen vernichtet werden. … Die Stimmung bei der Bevölkerung war natürlich nicht von vorneherein so. Zunächst ist das Volk noch verschüchtert und erlebt viel Leid. … Im Übrigen konnte ich allmählich die Plünderei nicht mehr mit ansehen und leitete alle erdenk-lichen Maßnahmen mit Feldpolizei und Kriegsgericht ein, um diesem Unwesen, das die Bevölkerung dem Hungertod ausliefert und uns alle mit schädigt, ein Ende zu bereiten. Mein neuer Kommandeur (GenLt Burdach) hat das gleiche Bestreben und die Sache zu seiner gemacht (siehe auch „Die hessisch-thüringische 251. ID …“, Seite 38). Nach einem 350 km langen, qualvollen Vormarsch durch die südlichen Waldaihöhen bis Kalinin (Twer): 16. Dez. auf dem Rückzug: - In der Nacht vom 16. auf 17. Dez. wurde der Gefechtsstand der 251. ID erstmals im Ruß-landfeldzug nach rückwärts verlegt. 26.12. O(A)schurkowo (60 km östlich von Rshew): - Die 251. ID hat in der Zeit vom 5. bis 25.12. verloren: … 17 leichte und 5 schwere Granatwerfer, 21 Pak 3,7 cm; 6 Pak 4,7 cm und 2 schwere Feldhaubitzen 18. Das Bewusstsein der Kriegswende nach dem Scheitern des Barbarossa-Feldzuges war da: „Der Blick ist kaum mehr in die Zukunft gerichtet. Denn welche Zukunft gibt es für uns jetzt?“ (Im Buch des Bundeswehr-Generals a. D. Klaus Reinhardt „Wende“, S. 255: „M.-W. ging es bei seiner Betrachtung nicht um die ‘nächstliegende Entwicklung‘, sondern er sah den Krieg vollends als verloren an.“)

    6.1.1942 - Shukow, der Nachfolger Timoschenkos als Oberbefehlshaber, macht Operationen, die ich bewundern muss. Ich verfolge die Leistungen des russ. Heeres mit wachsendem Staunen. Ich habe überhaupt inzwischen manches fest-gestellt, dem man den Respekt nicht versagen kann. Zuweilen kommen wichtige erbeutetet Karten, Papiere und per-sönliche Aufzeichnungen russ. Offiziere auf meinen Schreibtisch. Da erkenne ich denn doch eine gewisse persönliche Kultur. Oft sind es geordnete, säuberliche Handschriften. … Die russ. Überlegenheit kam in dem Moment der Erschöp-fung der deutschen Kräfte durch Überforderung bei abgesunkenen Gefechtsstärken. Die 251. ID musste bereits während des Rückzuges auf eine geringere Zahl von Verbänden und Einheiten umgliedern und die Trosse vermindern. Mancher ältere Offizier hielt nicht mehr durch und musste in die Heimat geschickt werden. …

    A6

  • 17.1.1942 - Uljanowo (dt. Karte: Uljnoskoje; ca. 55 km südöstlich von Rshew): - Ein russ. Offizier schrieb nach Hause: „30.12.41 Guten Tag liebe Lisa und Lolla! Ich sende Euch einen Gruß und viele Wünsche zum neuen Jahr. Heute ist es gerade ein Monat her, seitdem wir uns in heftigen Kämpfen mit den Faschisten befinden. Wir sind in dieser Zeit stets vorwärts gegangen und ich bin noch munter und unversehrt. … Man hat sich mit eigenen Augen von dem tierischen Benehmen der Faschisten überzeugt. Z. B. haben sie bei ihrem Rückzug sämtliche Dörfer in Brand gesteckt. … Es herrscht große Kälte. Falls ich noch zehn Tage aushalten werde, so wird es für mein Leben genügen. … Küsse Euch alle Euer Papa Wania.“ Diesen nicht abgegangenen Brief fanden wir bei einem Gefallenen. Wir haben ihn mit einem Begleitschreiben – da wir weiter mussten – in auffallender Weise am Wege zurück gelassen. Ein Rest ritterlichen Handelns im Ostfeldzug. 18.1. Uljanowo: - Ich muss nochmal etwas über das russ. Volk sagen. Wir befinden uns jetzt beim Zurückgehen in einer Lage, in der sich alles gegen uns wenden könnte. Tatsächlich jedoch hilft uns das Volk, schaufelt mit Eifer Schnee, macht uns die Zimmer rein und heizt, gibt unseren Leuten von den letzten Vorräten zu essen, wäscht ihnen die Wäsche und was dergleichen Hilfsdienste mehr sind. Dazu sind die Bauern freundlich, ja geradezu warmherzig. Und wir müssen ihnen nach ein, zwei Tagen Aufenthalt ihre Dörfer niederbrennen* und die alten Frauen und Kinder dem Erfrieren ausliefern. Diese militärische Notwendigkeit ist für jeden von uns, der nicht ganz verroht** ist, schwer zu ertragen. *Maj. Meier-Welker, Ia, am 18.1.42: „Bei der 251. ID wurde das Abbrennen bald eingeschränkt und schließlich ganz aufgegeben“. **OLt R. Maurer schrieb 1944 nach den Kämpfen in der Normandie: „Die Verrohung hat im Vergleich zum Osten stark zugenommen“. Seit Sommer 1941 klaffte zwischen den Heeresgruppen Nord und Mitte eine 50 km große Lücke. Deshalb war die Nordfront der 9. Armee im Abschnitt Rshew mit dem XXIII.- und dem VI.-AK nach Norden gerichtet. Zwischen diesen beiden Korps war am 4. Januar 1942 der Gegner mit seiner 29. und 39. Armee in die deutschen Stellungen einge-brochen. Das XXIII.-AK mit der 206.ID war jetzt abgeschnitten, Rshew vom Westen her stark gefährdet und schließlich auch die Nachschubwege Smolensk – Wjasma, d.h. die gesamte Versorgung der 9. Armee. Anfand Dezember 1941 war die 251.ID noch Nachbar der 206.ID im Verband des XXIII.-AK. Nach Abkommandierung zum Fronteinbruch östlich von Kalinin war die 251.ID im Verband des XXVII.-AK im Laufe des Monats auf die Winter-stellung, der „Königsberg-Linie“, des nach Osten gerichteten Frontteils der 9. A zurückgegangen. Jetzt musste die 251. ID ihre Winterstellung an der „Königsberglinie“ wieder verlassen, um die Verbindung mit dem bis dahin aus der Luft versorgten XXIII.-AK westlich von Rshew wieder herzustellen. Das 471.IR machte den Anfang und war nach einem Eil-marsch schnell an der Einbruchstelle. In der zweiten Januarhälfte folgten bei - 40O C die restlichen Divisionsteile, um bei der Errichtung einer zweiten Front, die zur Herstellung der Verbindung mit dem XXIII.-AK notwendig wurde, zu hel-fen. Auf diese nach Norden gerichtete 2. Front wehrte die 251. ID. mit weiteren Truppen die immer wieder vorge-tragenen russ. Angriffe ab, damit in ihrem Rücken die Verbindungsbrücke zum XXIII.-AK hergestellt werden konnte. Die von General Model - seit dem 16.1.1942 OB der 9. A - betriebenen Einkesselung der 29., die Teilvernichtung der 39. russ. Armee und die Abwehr der feindlichen Angriffe auf die Stadt Rshew brachten im Februar 1942 eine Stabili-sierung der gesamten Nordfront der 9. Armee. Die 251. ID lag von nun an bis zum Frühjahr 1943 mit dem Gefechtsstand in Dmitrowo (an der Ssischka) an der Nordfront des Frontbogens. Gegen diese Front griff der Feind während des Jahres 1942 immer wieder an verschiedenen Stellen an, wobei die 251. ID wiederholt unmittelbar betroffen war oder in schwierigen Lagen den Nachbarn helfen musste. 31.3. Dmitrowo - Wir haben gestern wieder starke Angriffe an unserem linken Flügel abgewiesen. Der Kampf dauerte den ganzen Tag über. Noch in der Nacht griff der Feind, inzwischen allerdings in verminderter Stärke, an. Der Ort U. (Usowo) ist seit Wochen ein Brennpunkt dieser Kämpfe. … Als die 251. ID durch einen aufgefangenen russ. Funkspruch erfuhr, dass 2 Divisionen vor ihrer Front die Bezeichnung „Gardedivision“ erhielten, meinte der Ia: „ Das ehrt uns auch!“ Ostern 42 - Die Bauern wünschen uns gute Ostern. Sie würden gerne im nahen Kirchdorf S. (Stany?) zur Kirche gehen, aber das Kirchenschiff steht voll mit Pferden, und im Übrigen ist die Kirche durch Beschuss und Bomben erheblich beschädigt. Wir haben im ganzen Dorf ein Ei aufgetrieben, von dem jeder ein Stückchen bekam. … Nachmittags kam der OB der 9. A (Gen Model) und GenMaj Schmundt, der Chefadjutant des Führers, mit dem Fieseler-Storch zu uns. 7.4. Dmit. – Es ist richtig, dass das deutsche Heer in Rußland im Laufe des Winters erheblich an Ansehen verloren hat … In unserem Dorf bestand mit den ersten deutschen Truppen ein gutes Verhältnis. So hatten sich auch die Bauern in un-serm „Kasinohaus“ eng an die deutschen Truppen angeschlossen. Dann kam SS und erschoss den Mann des Hauses aus unerklärlichen Gründen256 s.u.. Er lag im Garten im Schnee und wurde erst kürzlich hervorgeholt und begraben. Dabei sind die Leute geradezu anhänglich. Jetzt sagen sie über uns: eine Truppe wie wir habe man noch gar nicht erlebt. 256 (Buchseite 161): „Es war die SS Kavallerie-Brigade Fegelein, die im Januar 1942 nach dem russischen Durchbruch im Rücken der 9. A im Gebiet westlich von Rshew – auch gegen Partisanen – kämpfte, wobei sie eine große Zahl von Dörfern niederbrannte, ein schwerer Schaden für die 251. ID, da bald darauf diese Ortschaften in der Tiefe ihrer Verteidigungsstellung für die Unterbringung fehlten.“

    9.4. Dmit. - Die Macht des Winters ist nun gebrochen. Dafür haben wir jetzt eine unheimliche Nässe. Wasserbäche entstehen. An vielen Stellen laufen die Unterstände voll Wasser. Die Leute stehen in der Stellung stellenweise bis zu den Knien im Wasser. Die Wege sind kaum zu benutzen und müssen auf weite Strecken für den Verkehr gesperrt werden. Trotz des Schlammes waren Bewegungen der Russen in ihrem Hinterland zu beobachten. Am 12. April folgten Vor-stöße mit Unterstützung einiger Panzer im linken Abschnitt (der 451.IR) der Division. Usowo konnte gehalten werden. Ia: „Wir staunen, was die Russen im Schlamm zustande bringen“. … Das Fleckfieber ging um, und andere Krankheiten

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  • breiten sich aus. Der Div-Arzt berichtete von Erschöpfung bei 50 – 70 % der Divisionsstärke. Der Ia notierte den Stand der blutigen Verluste der Division im Ostfeldzug Anfang Mai mit 318 Offizieren und 8749 Uffz und Mannschaften. Hinzu kamen die Ausfälle durch Erfrieren und Krankheiten. Ersatz kam allmählich heran. 4.5. Dmit. - Am 1. Mai habe ich zum ersten Mal in diesem Jahr die Mädchen tanzen sehen. – Immer wieder beeindruckt der Kontrast zwischen dem Kampf und dem anscheinend friedlichen Leben. Drüben auf der Höhe schlagen russ. Granaten ein, am Waldrand weiden Pferde, eine deutsche Batterie schießt nahe einem Gehöft, vor den Häusern spielen Kinder als ob Mündungsfeuer und Krach nicht wären, auf ein Dorf in der Nähe kommt ein russ. Artilleriefeuerüberfall und trifft einige unserer Leute, eine Bauersfrau bettet weinend einen Kanonier, dem ein Granatsplitter den Leib aufge-rissen hat, und hält ihm den Kopf. Die Bewohner weichen meistens selbst in größter Gefahr nicht von der Scholle. … 29.6. Dmit. - Ich weiß nicht mehr, wo ich die Gefäße hernehmen soll, um alle Blumen aufzustellen, die mir täglich von Mädchen und Kindern gebracht werden. Bei meiner Abwesenheit finde ich sie dann vor der Tür abgelegt. … Der Ia wohnt in einem von Landsern gebauten Blockhaus, der Div-Gefechtsstand liegt unmittelbar hinter einem Höhenrand so günstig, dass das russ. Artilleriefeuer im Allgemeinen darüber hinweggeht. 25.7. Dmit. - Wir interessieren uns natürlich für den Zustand unserer Gräber in den von den Russen wieder besetzten Gebieten. Unsere Erkundungen haben ergeben, dass die Gräber anscheinend geschont werden und unverändert bleiben, obwohl die Russen ihre eigenen Gefallenen ohne die Anlage (Registrierung) von Grabstätten vergraben. Am 30. Juli griff der Feind nach starker Artillerievorbereitung östlich der 251. ID bei der 87. und 256. ID an und brach an der Naht der beiden Divisionen ein. Damit begann die Sommerschlacht von Rshew, in der die 251. ID im Verband des VI. AK kämpfte. Zunächst war die 251. ID dadurch betroffen, dass ein aus kleinen Regimentsreserven zusammen-gestelltes Bataillon nach Rshew in Marsch gesetzt werden musste. Tags darauf notierte der Ia: „In Rshew hat man es wieder so weit gebracht, unsere abgehenden Urlauber auf dem Bahnhof einzufangen und zum Schutz der Stadt am Nordrand einzusetzen. … Wir wollen die halbe Welt erobern und müssen Urlauber einsetzen, wenn der Feind einbricht“. Dies war insbesondere die Führungsweise von Generaloberst Model „… diesem unruhigen Mann, ‚General Wirbelwind‘ genannt, der bald wieder mehr durcheinanderbringen wird, als je zu verantworten ist“. Das Vermischen der Truppen-teile war auch eine schwere Schädigung ihrer Haltung und Disziplin, weil die Leute zu ihren Stammverbänden zu ent-kommen suchten. – Auf dem Höhepunkt der Krise Mitte August beantragte das Oberkommando Mitte beim O.K.H., ihm entweder neue Kräfte zuzuführen oder die Front der 3. Pz- und 9. A auf eine kürzere Sehnenstellung zurückzu-nehmen. Hitler hielt aus Prestigegründen an dem Raum Rshew fest und verbot jede Zurücknahme der Front. 30.8. Dmit. - In stiller Bewunderung sehe ich mir manchmal unsere Chirurgen mit ihren aufgekrempelten Hemdsärmeln und Gummischürzen in den OP-Unterständen an; diese Arbeit unter so primitiven Verhältnissen. Ende September - Als die große Schlacht um Rshew abflaute, trat auch an der Front der 251. ID Ruhe ein. Die Division legte großen Wert darauf, dass die Ernte in ihrem Abschnitt eingebracht wurde und die Äcker neu bestellt werden konnten. Im Sommer wurden im Div-Bereich als Wintervorrat 3000 t Heu und etwa 1000 t Stroh geerntet. 11.10. Dmit. - Heute feiert die Bevölkerung Erntedankfest, so spät, da erst noch der Schnaps gebrannt werden musste. Mittags versammelte sich das Volk vor dem Haus des Generals. Der von uns eingesetzte Starost (Bürgermeister) hielt eine Ansprache und ein kleines Mädchen überreichte dem General einen letzten Feldblumenstrauß. Der General danke in einer kurzen Ansprache, das Volk applaudierte und dann wurde in einer Scheune getanzt, gesungen und Schnaps getrunken bei entferntem Kriegslärm. Anfang Nov: Am Steilhang der Ssischka hinterm Dorf wurden Stabs-Unterstände mit Verbindungsgängen gebaut. … 10.11. Dmit. - Ich muss doch noch ‘mal die Bedeutung hervorheben, die für uns die Bevölkerung hat. Ich wüsste nicht, wie wir ohne sie alle Aufgaben bewältigen könnten. … Für die umfangreichen Holzeinschlagarbeiten, für den Wege- und Stellungsbau usw. ist uns das Volk geradezu unentbehrlich. Hinzu kommen die vielen Leute, die bei der Truppe im dauernden Dienstverhältnis in Küchen, Lagern, für das Waschen usw. „angestellt“ sind. Am 25. Nov griffen die Russen mit Unterstützung von Panzern und Fliegern wieder an der Front der 251. ID und bei den beiden Nachbardivisionen rechts und links an. Die 251. ID unterstand seit Mitte Okt wieder dem XXVII. AK. Der russ. Angriff von Norden war ein Teil der Offensive, die sich auch im Osten und Westen gegen den ganze Frontbogen der 9. A richtete. Beim linken Nachbarn, der 206. ID (XXIII. AK), brach der Feind an 3 Stellen ein. Die rechte Flanke der 251. ID (459. IR) war gefährdet durch das Vordringen der Russen über die Wolga bei der 87. ID. Fünf Tage dauerten die Kämpfe der ersten Phase, bei der es um den Besitz zerschossener Ortschaften und zersplitterter Waldstücke ging. 4.12. Dmit. - Heute sind wir wieder heftig angegriffen worden, wobei außer der am 3.12. neu aufgetretenen Division auch die 16. Garde-Schützendivision neu eingesetzt war. Die gesamte Stellung wurde gehalten! 7 Panzer wurden vernichtet, einer bewegungsunfähig geschossen. – Auch der 6.12. war wieder ein schwerer Tag, richtig gesagt Tag und Nacht, denn es geht ja ununterbrochen weiter. – Wegen der kritischen Lage bei der 206 ID wurde die bei dieser Division eingeschobene 14. ID (mot) dem Kommando der 251. ID unterstellt, d. h. eine „Gruppe Burdach“ gebildet. … Auch auf östlichen Frontabschnitt musste die 251. ID einige km des Abschnittes der 87. ID übernehmen. 12.12. Dmit. - Am 10. begann sich ein Durchbruch bei der uns unterstellten Division abzuzeichnen. Wir (451. IR?) konnten die Lücke schließen. Eine im Rücken befindliche Feindgruppe brach schließlich rückwärts zur eigenen Front durch. 22.12. Nach diesen turbulenten Tagen war auch der Feind erschöpft. In der anschließenden Ruhephase erreichte den Ia der 251. ID, Oberstleutnant i. G. Meier-Welker, die Versetzung zur 8. ital. Armee, HGr B, nach Starobelsk, Ukraine.

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  • 26. Mai 2011: Besuch der Gedenkstätte gefallener Angehöriger der Roten Armee und des Muse-ums in Polunino, nördlich von Rshew. Polunino war im Abschnitt der 6. ID im Sommer 1942 hart umkämpft.

    Dieser Panzer IS-3 war anlässlich einer alliierten Siegesparade 1945 in Berlin zu sehen, war aber praktisch erst Mitte 1946 einsatzfähig.

    Russische und deutsche Besucher, unter ihnen der Veteran Wladimir, 5. von rechts (helle Jacke).

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    Foto: Zinkgräf